Wo bist du, Mami?: Sophienlust 392 – Familienroman
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Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Nur zögernd lugte die Sonne zwischen den grauen Wolken hindurch. Jetzt, im April, war es noch nicht sehr warm, und die Wiesen zeigten für diese Jahreszeit wenig Leben. Es war Ostersonntag. Und der wurde in Sophienlust immer auf ganz besondere Art und Weise gefeiert, nämlich »schön altmodisch«, wie Nick immer grinsend feststellte. Gerade fuhr der kleine rote Kleinbus die breite Auffahrt herauf. Er hatte die Kinder von der Kirche in Maibach abgeholt und nach Hause gebracht. Langsam ließ der Fahrer das geräumige Auto an der Freitreppe ausrollen. Die Türen gingen auf und eine Schar Kinder stürzte heraus. »Jetzt geht's los!« rief Heidi Holsten und klatschte begeistert in die Hände. Heidi war mit ihren fünf Jahren das jüngste der Dauerkinder, denn Sophienlust war ein privates Kinderheim, das von einer Stiftung erhalten wurde. Der früher einmal herrschaftliche Besitz war Dominik von Wellentin-Schoenecker von seiner Urgroßmutter Sophie von Wellentin mit der Auflage vererbt worden, aus dem alten Herrenhaus ein Heim für notleidende Kinder zu machen. Da Dominik, der von allen nur Nick genannt wurde, erst sechzehn Jahre alt war, verwaltete seine Mutter Denise von Schoenecker das Erbe mit viel Liebe und Aufopferung, bis ihr Sohn Nick selbst diese schöne und verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen konnte. »Schrei doch nicht so, Heidi«, tadelte Fabian Schöller, der hochaufgeschossene Junge, der durch den Tod seiner Eltern schon viel Schweres durchgemacht hatte. Auch er war ein Dauerkind von Sophienlust, und er war dankbar, daß er hier sein durfte. »Schließlich ist doch Ostern.« Heidi preßte ärgerlich die Lippen zusammen und nahm sich ganz fest vor, mit Fabian nie wieder ein Wort zu reden. »Endlich kommt Tante Isi.
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Wo bist du, Mami? - Marietta Brem
Sophienlust
– 392 –
Wo bist du, Mami?
Sie hat mich einfach allein gelassen …
Marietta Brem
Nur zögernd lugte die Sonne zwischen den grauen Wolken hindurch. Jetzt, im April, war es noch nicht sehr warm, und die Wiesen zeigten für diese Jahreszeit wenig Leben.
Es war Ostersonntag. Und der wurde in Sophienlust immer auf ganz besondere Art und Weise gefeiert, nämlich »schön altmodisch«, wie Nick immer grinsend feststellte.
Gerade fuhr der kleine rote Kleinbus die breite Auffahrt herauf. Er hatte die Kinder von der Kirche in Maibach abgeholt und nach Hause gebracht.
Langsam ließ der Fahrer das geräumige Auto an der Freitreppe ausrollen. Die Türen gingen auf und eine Schar Kinder stürzte heraus.
»Jetzt geht’s los!« rief Heidi Holsten und klatschte begeistert in die Hände. Heidi war mit ihren fünf Jahren das jüngste der Dauerkinder, denn Sophienlust war ein privates Kinderheim, das von einer Stiftung erhalten wurde.
Der früher einmal herrschaftliche Besitz war Dominik von Wellentin-Schoenecker von seiner Urgroßmutter Sophie von Wellentin mit der Auflage vererbt worden, aus dem alten Herrenhaus ein Heim für notleidende Kinder zu machen.
Da Dominik, der von allen nur Nick genannt wurde, erst sechzehn Jahre alt war, verwaltete seine Mutter Denise von Schoenecker das Erbe mit viel Liebe und Aufopferung, bis ihr Sohn Nick selbst diese schöne und verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen konnte.
»Schrei doch nicht so, Heidi«, tadelte Fabian Schöller, der hochaufgeschossene Junge, der durch den Tod seiner Eltern schon viel Schweres durchgemacht hatte. Auch er war ein Dauerkind von Sophienlust, und er war dankbar, daß er hier sein durfte. »Schließlich ist doch Ostern.«
Heidi preßte ärgerlich die Lippen zusammen und nahm sich ganz fest vor, mit Fabian nie wieder ein Wort zu reden. »Endlich kommt Tante Isi. Hoffentlich ist Nick auch dabei.« Pünktchen zupfte freudig erregt an ihrem Feiertagskostüm. Sie war dreizehn Jahre alt und wurde wegen den unzähligen Sommersprossen, die auf ihrer Stupsnase tanzten, nur noch Pünktchen gerufen. Das blonde Mädchen mit den wunderschönen blauen Augen hatte die Eltern bei einem Zirkusbrand verloren, als sie in ihrer Verzweiflung ausgerissen war, hatte Nick sie gefunden und nach Sophienlust gebracht. Seitdem galten Pünktchen und Nick als unzertrennlich.
Der Kies knirschte unter den Rädern, als Denise von Schoenecker ihren Wagen hinter dem Kleinbus abbremste. Sofort war sie von einer Schar Kinder umringt, die ihr alle guten Morgen sagen wollten.
»Na, wie sieht’s aus?« fragte die attraktive Frau. »War der Osterhase schon da, oder wart ihr womöglich gar nicht brav?«
Die Kinder lachten und Denise lachte herzlich mit. Sie war eine schöne jugendliche Frau, die sowohl von ihrem Ehemann Alexander als auch von ihren Kindern Nick und Henrik von Herzen geliebt wurde. Aber auch die beiden Kinder aus Alexanders erster Ehe mochten Denise wie ihre eigene Mutter.
Andrea, Alexanders Tochter, hatte den Tierarzt Dr. Hans-Joachim von Lehn geheiratet. Ihnen gehörte das Tierheim Waldi u. Co., das nicht weit vom Kinderheim entfernt inmitten malerischer Wiesen lag.
Sascha von Schoenecker studierte in Heidelberg Jura und war, sehr zum Leidwesen seiner übrigen Geschwister, nur in den Semesterferien zu Hause.
Trotzdem wurde es Denise nie langweilig, denn sie hatte die Kinder von Sophienlust, die ihre Liebe und Fürsorge mit anhänglicher Zuneigung belohnten.
»Hilfst du uns suchen, Tante Isi?« fragte Heidi und schob ihre kleine Hand in die der Verwalterin.
»Natürlich, Schätzchen. Vielleicht hat der Osterhase für mich auch etwas versteckt.« Zärtlich lächelte die Frau das niedliche Mädchen an, das vertrauensvoll zu ihr aufblickte. »Aber zuerst gehen wir ins Haus, damit ihr euch umziehen könnt.«
Jubelnd rannten die Kinder die breite Freitreppe hinauf, und Nick, der ebenfalls aus dem Auto gestiegen war, hakte sich bei seiner Mutter ein.
»Weißt du, daß ich es in solchen Augenblicken immer herrlich finde, hier zu leben?« Ungewohnter Ernst lag in seinen dunklen Augen.
Seine Mutter lächelte leicht. Sie verstand ihren Sohn voll und ganz, denn ihr erging es ebenso. »Komm Nick, gehen wir auch hinein.« Nebeneinander stiegen sie die Stufen hinauf. »Ich hoffe nur, daß es dein Papa schafft, rechtzeitig zum Ostereiersuchen hier zu sein.«
Schwester Regine stand mit Denise von Schoenecker und Nick in der Halle. »An Ostern und Weihnachten bin ich hier immer so richtig glücklich«, flüsterte die Kinder- und Krankenschwester, und in ihren Augen schimmerten Tränen.
Denise ahnte, daß die junge blonde Frau in diesem Moment an ihren Mann und ihr kleines Töchterchen dachte, die sie vor einigen Jahren verloren hatte. Voller Anteilnahme legte sie der hübschen Frau ihre Hand auf den Arm. »Wir sind wie eine große Familie«, sagte Denise leise, und Schwester Regine nickte dankbar.
»Wann gehen wir endlich Ostereier suchen?« fragte Heidi Holsten ungeduldig und trippelte aufgeregt von einem Fuß auf den anderen.
»Gleich. Mensch wart’s doch ab«, ließ sich Angelika Langenbach vernehmen, die sich gerade über ihre jüngere Schwester Vicky geärgert hatte.
»Sei doch nicht sauer, Angelika, ich hab’ es doch nicht so gemeint«, flüsterte die neunjährige Vicky und gab ihrer Schwester einen kameradschaftlichen Stoß.
»Na gut«, zeigte sich diese versöhnlich, »weil Ostern ist.«
Denise, die das Geplänkel der Geschwister beobachtet hatte, lächelte in sich hinein. Sie freute sich, daß die Mädchen endlich über den Tod der Eltern hinweggekommen waren, die bei einem Lawinenunglück ihr Leben lassen mußten.
»Also los, Kinder, ehe es doch noch anfängt zu regnen«, munterte Denise die kleine Schar auf. Sie öffnete die hohe Eingangstür und ging als erste die Freitreppe hinunter.
»Ich hab’ schon was gefunden«, jubelte in diesem Augenblick die kleine Heidi, die zufällig neben der Treppe in der Mauernische nachgesehen hatte. Tatsächlich lag da ein kleines, aber wunderhübsches Nestchen mit drei bunten Ostereiern darin.
Staunend betrachteten die anderen den Fund, und dann plötzlich stoben sie auseinander. Bald konnten Denise, Nick und Schwester Regine ihre Jubelrufe aus allen Ecken des Parks vernehmen.
Das Geräusch eines herannahenden Autos riß Denise aus ihren Träumen. Glücklich lächelnd schaute sie dem Wagen entgegen, der ihrem Mann Alexander gehörte.
»Prima, Mutti, daß es Vati doch noch geschafft hat«, freute sich Nick und rieb sich erwartungsvoll die Hände. »Dann werde ich mich auch einmal in das Getümmel stürzen. Vielleicht ist noch etwas übrig für meinen Bruder und mich.«
Henrik sprang sogleich aus dem Auto und rannte auf Nick zu. »Wollen wir?« fragte er erwartungsvoll, und seine Augen blitzten unternehmungslustig. Er war Nicks Halbbruder, denn er war der Sohn von Denise und ihrem zweiten Mann Alexander, während Nick aus Denises erster Ehe mit Dietmar von Wellentin stammte.
Trotzdem verstanden sich die beiden Brüder ausgezeichnet, und der neunjährige Henrik versuchte oft, dem großen Bruder, der schon sechzehn war, nachzueifern.
»Auf, Henrik, mal sehen, wer am meisten findet«, feuerte ihn Nick an und kurz darauf waren auch die beiden nicht mehr zu sehen.
*
»Du mußt verrückt sein, Simon«, stellte Christa Gerlach entgeistert fest und musterte beinah verächtlich ihren neuen Freund. Die zweiundzwanzigjährige Frau, die wie mindestens dreißig aussah, fuhr sich nervös mit den Fingern durch die mittelblonden kurzen Haare, die ihren schmalen Kopf wie einen Helm umgaben. »Ich