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Die Tasyar-Chroniken: Verborgenes Reich
Die Tasyar-Chroniken: Verborgenes Reich
Die Tasyar-Chroniken: Verborgenes Reich
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Die Tasyar-Chroniken: Verborgenes Reich

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About this ebook

Die Schlacht ist überstanden. Doch der Krieg hat erst begonnen. Als der Strigoi Vadim aus der Versenkung auftaucht, bestätigt sich für Sanya, was sie seit dem Sieg über Eskil geahnt hat: Der Frieden war nur ein Trug. Doch das Volk von Tasyar muss nicht nur Vadim fürchten. Ihm haben sich die Rebellen angeschlossen; eine alte Organisation, bestehend aus gefährlichen Verbrechern. Erneut muss sich die Vereinigung zusammenschließen, um Tasyar zu befreien.
LanguageDeutsch
Release dateFeb 15, 2023
ISBN9783756880737
Die Tasyar-Chroniken: Verborgenes Reich
Author

Jana Ulmer

Jana Ulmer wurde 1992 in Mainz am Rhein geboren, in dessen Nähe sie bis heute lebt. Die Begeisterung zum Lesen hat sie von Kindesbeinen an begleitet; vor allem das Genre Fantasy hat es ihr angetan. Die Fantasie ging auch mit ihr durch, und sie begann, eigene Geschichten zu schreiben. Ihr erster Roman hat lange nur auf ihrem Computer geschlummert, bevor sie sich an die Veröffentlichung gewagt hat. Bis heute ist sie froh, diesen Schritt gegangen zu sein.

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    Die Tasyar-Chroniken - Jana Ulmer

    1

    Es war kurz vor Unterrichtsschluss. Dennoch kamen mir die letzten fünf Minuten Englische Literatur bei Professor Nolan wie eine Ewigkeit vor.

    Er sprach über Jane Austen, meiner Lieblingsautorin. Normalerweise würde ich bei diesem Thema jedes Wort aufsaugen, das er über seine Lippen brachte. Aber ich interessierte mich so wenig dafür, als ginge es um ein neues Reality-TV-Format.

    Endlich klingelte es, was das Ende der Stunde und des gesamten Unterrichtstages ankündigte. Ich war die Erste, die erleichtert aufstand und sich ihren Rucksack über die Schultern zog.

    »Vergesst nicht, bis Freitag möchte ich von euch allen die Biografie von Jane Austen, die Zusammenfassung ihres Romans Stolz und Vorurteil und eure Ansicht zu der Geschichte haben«, kam es von Professor Nolan, was ich geradeso mitbekam, bevor ich aus der Tür huschte.

    Ich hastete über den Gang hinaus zum Campus, als ich hörte, wie mit piepsiger Stimme mein Name gerufen wurde.

    »Sanya!«

    Schnaubend blieb ich stehen. Schnell entspannte ich meine Gesichtszüge, damit ich dennoch freundlich wirkte, und wandte mich um. Lindsay Tramp kam auf mich zu, die aufmerksamste Studentin des gesamten Kurses.

    »Hey, hab dich ja doch noch erwischt! Du warst so schnell aus dem Saal, dass ich dachte, du wärst weg, bevor ich aus der Tür bin. Halte ich dich bei etwas auf?«

    Ihre feuerrote gelockte Mähne war vollkommen durcheinander. Das und ihr Keuchen verrieten mir, dass sie aus dem Hörsaal gerannt war, um mich zu erwischen.

    »Nein, ist schon in Ordnung, Lindsay. Was gibt’s?«

    »Na ja … Es ist nicht mehr lange, bis das Semester rum ist – wir haben mittlerweile Anfang März –, und mit allen aus unserem Kurs konnte ich bereits Kontakt aufbauen. Nur mit dir nicht, wie mir aufgefallen ist.«

    Da hatte sie recht. Ich hatte mich nicht sonderlich bemüht, mich mit irgendjemandem aus diesem oder einem anderen Kurs anzufreunden.

    »Kann sein«, gab ich knapp von mir.

    »Deswegen wollte ich dich fragen, ob wir die Hausaufgabe bis Freitag vielleicht gemeinsam erledigen wollen. Das wäre für uns beide einfacher, weil wir uns gegenseitig helfen würden.«

    Ich zögerte kurz, wobei Lindsay mich erwartungsvoll ansah. »Von mir aus gerne«, willigte ich ein.

    Ein triumphierender Ausdruck bildete sich auf ihrem Gesicht. »Das freut mich, Sanya. Wie wäre es mit heute Abend um acht?«

    Ich nickte. »Ja, das klappt. Um acht Uhr habe ich Feierabend.«

    »Du arbeitest drüben im Johnson´s, oder?«

    »Genau.«

    »Sehr schön. Ich hole dich von der Arbeit ab, dann können wir gemeinsam zur Bibliothek gehen. Gut, ich muss jetzt auch noch arbeiten. Wir sehen uns dann!«

    »Okay Lindsay, bis später!«

    Ich ging aus dem Gebäude und eine breite Treppe hinunter. Dann über einen mit Sandstein und Pflasterstein gemusterten Platz, an dessen beiden Enden sich zwei identische Springbrunnen gegenüberstanden. Am Rande der darauffolgenden Wege gab es Flächen mit sattgrünem Rasen, auf denen Studenten sich entspannten. Von überallher hörte ich Gelächter und Unterhaltungen. Obwohl der Frühling erst vor der Tür stand, war es sonnig und warm genug, dass ich über meinem dünnen Sweatshirt nur eine Jeansjacke trug.

    Meine Begeisterung darüber, dass ich mit Lindsay Tramp heute Hausaufgaben erledigen würde, hielt sich in Grenzen. Es war nicht so, dass ich sie nicht ausstehen konnte. Ich lehnte es aber eher ab, hier neue Freunde zu finden. Ich hatte meine beste Freundin Casey, meinen Zwillingsbruder Greg und seinen besten Freund Ray. Überhaupt hielten wir vier uns von den restlichen Studenten fern.

    Oft genug waren wir auf Partys eingeladen worden; vor allem Ray, der ein Jahr vor uns mit dem Studium angefangen und längst Freunde gewonnen hatte. Immer wieder hatten wir dankend abgelehnt.

    Im Studentenwohnheim stieg ich die Stufen in das erste Stockwerk hinauf, meine Schritte hallten an den hohen Wänden wider. Ich schloss die Tür zu Caseys und meinem Zimmer auf und bemerkte, dass sie wieder einmal nicht da war. Obwohl ihr Hörsaal näher am Studentenwohnheim lag und ihr Unterrichtstag heute eine Stunde früher vorbei war als meiner.

    Ich ließ mich ins Bett fallen. Vor der Schicht im Coffeeshop wollte ich mich wenigstens etwas ausruhen. Ich hatte mir sogar den Wecker gestellt, falls ich einnicken sollte.

    Früher hätten wir uns nicht so verhalten. Nein, damals war alles anders gewesen. Wenn jemand nicht herablassend oder gar bösartig war, kam ich mit jedem aus. Es lag jedoch nicht am Verhalten der anderen Studenten, sondern daran, dass wir uns seit dem letzten Sommer verändert hatten.

    Casey, Greg, Ray und ich waren nach Tasyar gelangt. Einem Land, das vor der Außenwelt geheim gehalten wurde, da Magie dort offenkundig ausgeübt wurde und es übernatürliche Kreaturen beherbergte. Dort hatten Greg und ich erfahren, dass wir Strigoi sind. Kreaturen, die zwei Stadien in ihrem Leben durchlaufen.

    Zuerst das des Strigoi-Viu, dessen Lebenserwartung so hoch ist wie die eines normalen Menschen, bevor er für einen Tag in einen Zustand des Scheintodes übergeht. Er entwickelt sich in der Zeit weiter und erwacht als Strigoi-Mort, welcher eine Lebenserwartung von achthundert Jahren aufweist. In beiden Stadien wandeln Strigoi zum Angriff ihre Gestalt. Die Haut- und Haarfarbe wird aschgrau und die Augenfarbe verändert sich zu Gold. Aus Fingernägeln werden einziehbare Krallen und die Zähne werden lang und spitz wie bei einem Raubtier. Wobei der Strigoi-Mort bestialischer aussieht als der Strigoi-Viu, dessen menschliche Gesichtszüge in dem Zustand zu erkennen sind. Die Bestie im zweiten Stadium erinnert an einen Wolf. Nase und Mund gehen in eine Schnauze über, die Ohren werden spitz, und der Strigoi läuft auf vier Beinen.

    Greg und ich hatten vorher, gemeinsam mit meiner Mutter, jedes Jahr eine Reinigung über uns ergehen lassen. Eine Heilerin namens Aurica hatte sie einmal pro Jahr vollzogen, wenn wir meine Großmutter in Rumänien besucht hatten. Dadurch waren unsere Kräfte versteckt worden – wovon wir Geschwister vor unserer Entdeckung Tasyars nie unterrichtet worden waren.

    In Tasyar hatte ich unter anderem Derek kennengelernt. Einen Magier, der auf mich eine mir zu Anfang unerklärliche Anziehungskraft ausgeübt hatte. Ein paar Wochen nach unserem ersten Treffen hatte er mich aus den Fängen einer Harpyie befreit – einem Mischwesen aus Mensch und Greifvogel. Einige Tage darauf, hatten wir uns unsere Gefühle füreinander gestanden.

    Der Sommer hätte für mich wunderschön verlaufen können, wäre der Magier Eskil nicht gewesen, welcher geplant hatte, König Kenneth von Tasyar seines Thrones zu berauben. Er hatte mir diese Absicht unterstellt und dem Volk außerdem weisgemacht, dass ich Derek und Andrew – den loyalsten Ritter des Königshauses - dazu manipuliert hatte, mich bei meinen Plänen zu unterstützen.

    Aber unsere Gruppe war entschlossen, gegen ihn vorzugehen. Zu dieser hatten auch die beiden Strigoi Romina und Sam, die Heilerin Hilaria und später die sogenannten Waldmenschen gehört. Gemeinsam hatten wir Eskil besiegt.

    Seit ich studierte, sahen Derek und ich uns nicht oft. Er war ein wichtiges Mitglied in Tasyar, und mich beschäftigte mein Studium. Zuletzt war es zum Jahreswechsel gewesen.

    So hatten wir uns das nicht vorgestellt, da Derek die Fähigkeit besaß zu teleportieren und die Entfernung für uns von daher keine Rolle spielte.

    Es war immer schon mein Traum gewesen, in einem Buchverlag zu arbeiten. Derek hatte mir das nötige Literaturstudium an der Columbia mittels seiner Kräfte ermöglicht. Ebenso waren dank ihm Casey und Greg hier aufgenommen worden.

    Wie so oft bei dem Gedanken an ihn, zuckte in meinem Herzen ein qualvoller Schmerz auf. Wie ein Messer, das jemand hineinstach. Ich keuchte auf und drückte die Hände fest auf die Stelle.

    Zum wiederholten Male fragte ich mich, ob diese Art von Sehnsucht normal war und beantwortete sie mir immer wieder selbst: Nein, das war sie nicht. Es lag an meiner Verbindung zu ihm, vermutlich gepaart mit der Mentalität meines Wesens.

    Der Gattung Magier war es nur einmal in ihrem Leben möglich, sich wahrhaftig in jemanden zu verlieben. Diese Verbindung hielt ewig, selbst, wenn der Partner einer anderen Spezies angehörte. Was hieße, dass ich wohl immer einen stechenden Schmerz verspüren würde, wenn ich länger von Derek getrennt war und er intensiv in meinem Kopf herumschwirrte – eine nicht verlockende Vorstellung, aber für ihn war ich dazu bereit, damit zu leben.

    Außerdem kam eine andere ständige Sorge hinzu. Ich wusste, dass Vadim Dinescu – Rominas Vater, der Eskils rechte Hand gewesen war – sich irgendwo auf der Welt herumtrieb. Niemand ahnte, wo er sich aufhielt. Er hatte mir während der Schlacht gegen Eskil und dessen Gefolge die Krallen so tief in die Brust gestoßen, dass meinem Herzen ein Riss zugefügt worden war. Ich wäre jetzt entweder eine Strigoi-Mort oder tot. Niemand konnte das bei dieser Verletzung genau sagen, weshalb Hilaria die Wunde geheilt hatte.

    Mehrmals atmete ich tief ein und aus, bis das Stechen allmählich nachließ. Ich versuchte mich abzulenken und widmete meine Aufmerksamkeit dem Wandregal. Auf ihm standen, außer gerahmten Fotos, Caseys und meine Ehrenmedaillen aus purem Gold, welche das Wappen von Tasyar aufzeigten. Ein Wasserspeier, eine Harpyie, ein Drache und ein Minotaur, die ein Einhorn umkreisten. Zwei identische Karten aus Büttenpapier standen daneben, eine davon für Casey und eine für mich. Einladungen zum alljährlichen Frühlingsfest des Grafen von Landure diesen Samstagabend.

    Schon in drei Tagen würde Derek uns hier abholen und nach Tasyar bringen. Alleine dieser Gedanke ließ mein Herz höher schlagen, und ein freudiges Kribbeln durchfuhr meinen Körper. Endlich wieder Tasyar, endlich wieder Derek.

    Casey betrat mit einem leichten Keuchen das Zimmer, die Wangen rot und die Stirn glänzend vor Schweißperlen.

    »Hey!«, grüßte sie mich, setzte den Rucksack hinter ihrem Bett ab und zog sich den dunklen, rückenlangen Zopf fester.

    »Hi! Wieso wieder so spät?«

    Sie winkte ab. »Ach, Professor Darson wollte mich nach der Stunde noch mal sprechen. Sie hat mir einen ewig langen Vortrag gehalten, weil ich während des Unterrichts abschweife.«

    »Schon wieder?«

    Es blieb einen Moment still, bevor Casey ein kurzes »Ja« von sich gab.

    Mittlerweile fiel es mir schwer zu glauben, dass Casey regelmäßig von ihren Professoren aufgehalten wurde oder ihr etwas anderes nach ihren Kursen dazwischenkam. Das war kurz nach Beginn unseres Studiums losgegangen. Jedes Mal über eine Stunde lang, dienstags und donnerstags zur selben Zeit. Doch ich entschied mich wie immer, nicht weiter darauf einzugehen.

    »Und, haben sie recht?«

    »Haben sie«, antwortete sie mir schulterzuckend.

    »Mache ich auch öfter, gerade erst wieder bei Professor Nolan. Ich weiß nicht, ob er das nur nicht bemerkt oder ob es ihm einfach egal ist.«

    »Kann ich dir nicht sagen, ich habe ihn ja in keinem Fach.«

    Casey studierte Psychologie, was, wie ich fand, zu ihrem einfühlsamen Wesen passte.

    »Steh auf, Sanya, wir müssen langsam los.«

    Da war was dran. Um vier Uhr nachmittags fing unsere Schicht an, und es war Viertel vor vier.

    Der Coffeeshop lag zwei Blocks vom Universitätscampus entfernt. Wir studierten in New York, genauer gesagt, in Upper Manhattan. Anfangs hatte ich es als aufregend empfunden, meine Studentenzeit in dieser Weltmetropole zu verbringen, was mittlerweile zur Gewohnheit geworden war.

    Als wir den Coffeeshop betraten, war es zwei Minuten vor vier. Unser Chef, Mr. Johnson, schaute uns nicht gerade begeistert über den Tresen des kleinen Cafés hinweg an.

    »Wie oft habe ich euch Mädchen gesagt, dass ihr mindestens fünfzehn Minuten vor Schichtbeginn hier sein sollt?«

    Casey erklärte ihm die Situation.

    »Das ist mir egal!«, entgegnete er mit erhobener Stimme. »Dann hättest du deine Professorin eben darauf hinweisen müssen, dass du pünktlich bei der Arbeit sein musst!«

    »Das habe ich auch, aber …«

    »Nichts, aber! Das war’s, erste Mahnung, und jetzt ab an die Arbeit!«

    In Momenten wie diesen war ich froh, dass ich gelernt hatte, meine Kräfte zu kontrollieren. Sonst hätte es Mr. Johnson jetzt mit der Angst zu tun bekommen.

    Die Hälfte unserer Schicht war um, als Greg und Ray die Tür hereinkamen. Sie arbeiteten beide Zweistundenschichten in einem Brezelimbiss.

    »Zwei Cappuccino und zwei Schokocookies, und zwar schnell!«, hetzte Greg, wobei er die Stimme unglaubwürdig tief verstellte.

    Casey und ich kicherten.

    »Wird das heute noch was? Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!«, kam es im selben Tonfall von Ray, während ich die zwei Cappuccino vorbereitete und Casey die Cookies aus dem Behälter holte.

    Abermals entfuhr uns ein Kichern, ich streckte ihnen zusätzlich die Zunge entgegen.

    Sie studierten Architektur und redeten öfter davon, eines Tages ihr gemeinsames Büro zu eröffnen.

    »Okay, noch mal zur Sicherheit«, setzte Ray leise an, nachdem er und Greg ihre Bestellung erhalten hatten, »am Freitag bereitet sich jeder nach seinen Kursen für die Abreise vor, und um Punkt fünf Uhr abends werden wir von Derek abgeholt.«

    »Genau«, bestätigte ich. »Er wird auf dem unauffälligen Platz teleportieren, den er mit mir das letzte Mal genutzt hat. Ihr wisst schon, der im Central Park.«

    »Was meint ihr, ob es wie auf dem Tanzabend zu Kenneths Geburtstag oder auf der Siegesfeier werden wird?«, fragte Greg.

    »Also, Andrew hat …«, doch Casey unterbrach ihren Satz und schielte zu Ray herüber, der sich geräuspert hatte. »Also … er hat mir damals auf dem Tanzabend von dem Frühlingsfest erzählt.«

    »Wirklich?« Ich versuchte vergebens, mich an ein Gespräch zwischen Casey und Andrew auf dem Tanzabend zu erinnern. »An dem Abend warst du doch die ganze Zeit über nur mit Kenneth zusammen.«

    »Ja, du hast dich keine Sekunde lang von ihm entfernt«, pflichtete Greg mir bei, der ein breites Grinsen aufgesetzt hatte. Rays Blick dagegen wurde irgendwie grimmig.

    »Sanya und du seid mit euren Tanzpartnern ja auch ziemlich früh gegangen«, entgegnete Casey und klang ein wenig eingeschnappt. »Das Gespräch hat stattgefunden, nachdem ihr weg wart. Jedenfalls hat Andrew gesagt, dass der Graf das Frühlingsfest jedes Jahr dazu nutzt, um mit seiner prunkvollen Stadt anzugeben. Es ist eine ruhigere Veranstaltung, und getanzt wird nur zu Walzermusik.«

    Greg gab ein Grunzen von sich. »Was, Walzer? Das muss man mir erst beibringen.«

    Ich zuckte mit den Schultern. »Das ist nicht schwer. Du bewegst dich mit deinem Partner zum Dreivierteltakt der Musik.«

    Greg sah mich nur fragend an.

    »Ist ja auch egal, am Samstag werden wir sehen, wie es dort ist – und wie unsere Kleidung aussehen wird, die man speziell für uns anfertigt.«

    »Ich frage mich, wie die das Abmessen und Schneidern an einem Tag hinbekommen«, brachte Ray ein und rieb sich das Kinn. »Die Näherinnen müssen doch die Nacht durcharbeiten, oder nicht?«

    »Es werden keine Maße genommen. Derek sagt, die Näherinnen arbeiten eine Woche vorher daran, nur nach Schätzungen. Sie haben uns schon einmal gesehen, und ihre Augen sind sehr geschult.«

    Greg runzelte die Stirn. »Und was tun sie, wenn wir seitdem etwas zugelegt oder abgenommen haben?«

    »Na ja, vielleicht … darf derjenige dann nicht mehr am Frühlingsfest teilnehmen«, überlegte Ray.

    Diese Vorstellung war so banal, dass sie uns

    zum Lachen brachte.

    Eine Stunde bis Schichtende. Casey putzte die Kaffeemaschine und ich den Tresen, als ein hochgewachsener Mann, um die dreißig Jahre alt, den Shop betrat. Sein bronzefarbenes Haar war ein wenig zerzaust, und er ließ einen Kinnbart stehen. Er betrachtete mich länger – starrte schon fast –, bevor er sich an den Tresen stellte.

    »Hallo und willkommen bei Johnson´s! Was kann ich Ihnen Gutes tun?«, sagte ich den Standardspruch des Coffeeshops auf, gepaart mit einem strahlenden Lächeln.

    »Einen Kaffee, bitte«, bat er mich mit einem deutschen Akzent.

    Das war für einen Coffeeshop nicht gerade präzise …

    »Also einen ganz normalen schwarzen Kaffee?«, hakte ich nach.

    »Wie meinen Sie das?«

    »Ob Sie eine normalgroße Tasse Kaffee ohne Zucker und Milch wollen«, erklärte ich geduldig.

    »Normalgroß schon, aber mit Zucker und Milch, bitte.«

    »Sehr gerne.« Ich bereitete ihm seinen Kaffee zu und stellte das Getränk vor ihm hin. »Das macht dann bitte vier Dollar fünfzig, Sir.«

    Er drückte mir einen Schein in die Hand. »Danke, der Rest ist für Sie.«

    Er hatte sicher zwei Scheine miteinander verwechselt. Greg und Ray sahen ungläubig drein.

    »Sind Sie sich sicher, Sir? Das sind einhundert Dollar.«

    Casey entzog der Kaffeemaschine die Aufmerksamkeit.

    Der Mann wirkte nachdenklich, wobei seine stahlblauen Augen in alle Richtungen huschten. »Da bin ich mir absolut sicher.«

    »Na dann … vielen Dank.«

    Verwirrt steckte ich den Schein in die Kasse und nahm mir mein Trinkgeld heraus.

    Während der restlichen Zeit meiner Schicht blieb der Mann, nippte an seinem Kaffee, sah aus dem Schaufenster und dann wieder zum Tresen. Immer wieder blieb sein Blick an mir haften.

    Die Mitarbeiter für die nächste Schicht traten ein. Casey und ich rechneten die Kasse ab, dann hatten wir Feierabend.

    Wir waren dabei, den Coffeeshop zu verlassen, als Lindsay hereinkam.

    »Hallo, ihr alle!«, begrüßte sie uns fröhlich winkend.

    »Hi!«, grüßten wir im Chor zurück.

    Mist! Dass ich mit ihr zum Hausaufgabenmachen verabredet war, hatte ich vollkommen vergessen. »Tut mir leid, Lindsay! Meine Sachen sind noch auf meinem Zimmer.«

    »Ach, das macht nichts, wir brauchen ja nur Schreibmaterialien, um uns Notizen zu machen. Ich kann dir ein paar Blätter und einen Kugelschreiber leihen.«

    »Danke!«

    Casey, Greg und Ray begleiteten uns bis zum Studentenwohnheim, an dem ich Casey meine Handtasche übergab, die ich nicht mehr brauchte. Bis auf meinen Studentenausweis, etwas Geld und mein Handy. Diese Dinge steckte ich mir in die Jackentaschen.

    Als wir in den Campus einbogen, sah ich aus dem Blickwinkel, wie der Mann aus dem Coffeeshop an uns vorbeizog. War er etwa die ganze Zeit über hinter uns gewesen? Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass er kurz nach uns hinausgegangen war. Egal, ich beschloss, ihn zu vergessen.

    Wir betraten die riesige Butler Bibliothek, welche mein Literaturliebhaberherz jedes Mal aufs Neue höher schlagen ließ. So viele Schätze in Form von Büchern, die sich über Jahrhunderte hinweg gesammelt hatten … Ich sog den Duft hier tief in mich hinein. Es war der von Pergament, von unzähligen Geschichten.

    Lindsay und ich waren dabei, die Eingangshalle zu passieren, da erregte zum ersten Mal etwas anderes als die Regale voll mit Büchern meine Aufmerksamkeit. Die Wegweiser im Eingangsbereich, welche die jeweiligen Themenbereiche aufzeigten und wo sie zu finden waren. Erst jetzt begutachtete ich sie eingehender, obwohl ich bereits oft hier war. Genauer gesagt den Wegweiser, auf dem Archiv der Universität zu lesen war. Plötzlich kam mir etwas in den Sinn. Wieso war mir das vorher nie aufgefallen?

    »Alles okay mit dir?«, fragte Lindsay.

    »Ja, ich muss nur kurz was im Archiv nachschauen. Ist das in Ordnung?«

    »Von mir aus«, willigte sie verwirrt ein.

    Selbst wenn sie abgelehnt hätte, wäre ich alleine ins Archiv gegangen. So verrückt es klang, es zog mich dorthin.

    In Reihen von Bücherregalen war von A bis Z alles geordnet, was mit dieser Universität zu tun hatte. Ich wusste genau, wonach ich suchen musste, und es fing mit dem Buchstaben Y an.

    So schlenderte ich die Bücherreihen entlang, bis ich den Buchstaben fand. Da waren sie: die Yearbooks – die Jahrbücher - der vergangenen Abschlussjahrgänge. Jetzt musste ich nur den richtigen Jahrgang finden. Nach kurzer Suche entdeckte ich es, unter den Abschlussjahrgängen der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts.

    Ich zog das Buch aus dem Regal und blätterte bis zu den Fotos. Bis ich endlich unter all den anderen Studenten fand, wonach ich suchte. Sein Foto und darunter sein Name: Derek Arden.

    Er sah damals genauso aus wie jetzt, kein bisschen war er gealtert. Seine Haare, die von einem tieferen Braun waren als meine eigenen, die leuchtenden eisblauen Augen, dieses glatte aristokratische Gesicht.

    Einen kleinen Unterschied gab es zu dem Derek von heute. Während er seine Haare heutzutage raspelkurz trug, waren sie damals ein wenig länger, und er hatte einen Mittelscheitel. Fast alle männlichen Studenten des Jahrgangs hatten diesen Haarschnitt, da es zu der Zeit Mode war. Es erinnerte mich an die damaligen Boybands, wobei mich ein Schmunzeln überkam. Während ich Boyband-Derek betrachtete, strich ich sanft über das Foto.

    »Wer ist das?« Lindsay stand plötzlich dicht neben mir.

    »Mein Freund«, kam es, ohne zu überlegen, aus mir heraus.

    O je, Lindsay wusste nicht, dass Derek ein Magier war und damit lange jung blieb, weil er bis zu eintausend Jahre alt werden konnte.

    »Wirklich?«

    Ich versuchte es jetzt gar nicht mehr, zu leugnen.

    »Derek Arden«, las sie seinen Namen vor. »Schlecht sieht er ja bei Weitem nicht aus. Mittlerweile dürfte er Ende dreißig oder Anfang vierzig sein. Du stehst wohl auf ältere Männer.«

    Aus meinem Schmunzeln wurde ein breites Grinsen. Wenn Lindsay nur wüsste. Derek hatte letzten November seinen zweihundertneununddreißigsten Geburtstag gefeiert.

    »Vermisst du ihn?«

    »Ja, sehr sogar.« Wieder durchzuckte dieses Stechen mein Herz. Ich wollte mir vor Lindsay nichts anmerken lassen, weshalb ich tief durchatmete, bis es verschwand. »Aber ich sehe ihn dieses Wochenende.«

    »Das ist schön«, antwortete sie ehrlich.

    Ich sah mir das Foto einen weiteren Augenblick an, dann klappte ich das Buch zu und stellte es wieder auf seinen Platz.

    »Komm, wir sollten uns an die Hausaufgaben machen.«

    Wieso war es nur derart notwendig gewesen, dieses Foto zu sehen? Ich besaß Fotos von ihm auf dem Handy, und ich würde ihn am Samstag ohnehin wiedersehen. Das hatte meine Sehnsucht nur verstärkt.

    Wir blieben bis Schlag Mitternacht in der Bibliothek, denn Lindsay bestand darauf, die Hausaufgaben an einem Tag zu beenden. Das, obwohl wir drei Tage dafür Zeit hatten.

    »Wenn wir das jetzt erledigen, haben wir es hinter uns«, sagte sie immer, wenn ich sie auf die Uhrzeit hinwies.

    Als wäre es eine leichte Aufgabe und keine Zusammenfassung eines kompletten Romans. Dazu unsere Ansicht zur Handlung sowie die gesamte Biografie von Jane Austen. Außerdem hatten wir, auf Anraten von Lindsay, eine Bibliografie der Werke von Jane Austen zusammengestellt. Das war uns nicht einmal aufgetragen worden.

    Erleichtert atmete ich die frische Nachtluft ein, als wir aus der Bibliothek hinaustraten.

    Lindsay schien mehr als zufrieden. »Das war wirklich ein gelungener Abend.«

    »Ja, da hast du recht.«

    »Wir können doch in Zukunft öfter zusammen lernen.«

    »Können wir machen, du spornst einen echt an.«

    »So bin ich eben. Ich wünsche mir nun mal, dass wir alle aus dem Kurs gute Noten bekommen. Hast du das Buch vorher schon mal gelesen?«

    Ich lachte und zog die Brauen hoch. »Ja, sehr oft sog…«, doch ich unterbrach den Satz. Mir wehte ein Duft entgegen. Ein ganz bestimmter Duft, welcher meine gesamte Aufmerksamkeit beanspruchte und höchste Alarmbereitschaft in mir auslöste.

    2

    Abrupt blieb ich stehen und sah mich zu allen Seiten um. Ich hatte mir den Duft, durch den Strigoi sich gegenseitig erkannten, nicht eingebildet. Dafür war er zu intensiv.

    »Sanya, stimmt etwas nicht?«

    Ich brachte alle Beherrschung auf, um Lindsay meine Aufmerksamkeit zu schenken. »Gehen wir weiter.«

    Ich achtete darauf, möglichst vorsichtig voranzuschreiten. Der Duft wurde immer intensiver, also war der Strigoi in der Nähe. Wir bogen um eine Ecke, fast hatten wir das schmiedeeiserne Tor am Rande des Campus erreicht.

    Dann sah ich ihn direkt davor stehen und uns den weiteren Weg versperren. Meine Kehle schnürte sich zu, als ich ihn erkannte. Der hochgewachsene muskulöse Körper mit dem kantigen Gesicht, die kurzen hellblonden Haare, die taubenblauen Augen.

    »Guten Abend, Miss Taylor!«, begrüßte Vadim mich mit seinem leichten osteuropäischen Akzent und einem schelmischen Grinsen auf den Lippen.

    Ich erwiderte nichts.

    »Was ist los? Ich erkenne keinerlei Wiedersehensfreude an Ihnen.«

    Wieder sagte ich nichts. Dafür beschleunigte sich mein Atem.

    »Wer ist das?«, fragte Lindsay verängstigt.

    Lindsay! In was hatte ich sie nur mithineingezogen?

    Vadim stieß ein zynisches Lachen aus. »Wer ich bin fragst du, Mädchen? Nun, weißt du: Miss Taylor und ich sind alte Bekannte. Nicht wahr, Miss Taylor?«

    »Geh schon mal auf dein Zimmer«, forderte ich Lindsay leise auf, ohne den Blick von Vadim zu nehmen.

    Sie bewegte sich nicht. Verständlich, denn selbst wenn man in Vadim nur einen Menschen sah, hatte er etwas Bedrohliches an sich. Ganz zu schweigen von seinem Verhalten.

    »Vadim, mach ihr bitte den Weg frei!«

    »Aber warum? Ich wüsste keinen Grund, wieso sie nicht bei unserem kleinen Wiedersehensplausch dabei sein sollte.«

    Ich sagte nichts mehr. Stattdessen achtete ich auf jede Bewegung, die von ihm ausging.

    »Ich möchte direkt sein«, sagte er. »Wir beide, Miss Taylor, haben eine offene Rechnung zu begleichen.«

    Meine Hand legte sich auf die linke Brust, in deren Inneren mein Herz heftig pochte.

    »Richtig, das Herz, nach dem ich mich so sehr sehne. Jedoch nur aus der Brust genommen und in Stücke zerrissen!« Vadim wartete meine Reaktion ab. Nachdem keine kam, lachte er abermals. »Haben Sie tatsächlich geglaubt, dass mit Eskils Tod alles vorbei wäre? Tja, ich muss sagen, ohne Eskils Einfluss in Tasyar lassen sich meine Pläne natürlich schwieriger gestalten. Aber wissen Sie, ich habe niemals für ihn gearbeitet; sondern nur darauf hin, meine eigene Herrschaft aufzubauen. Das zu verwirklichen, ist immer noch mein Ziel. Dass Sie und der Rest der Vereinigung mir dabei in jüngster Zeit in die Quere gekommen sind, kann ich nicht einfach so stehen lassen … und diesmal … ist sonst keiner da, um Sie zu beschützen.« Er reichte mir die Hand. »Also kommen Sie jetzt mit, an einen ruhigen Ort. Sie möchten bestimmt nicht, dass es ausartet und andere dabei verletzt werden – oder gar Schlimmeres.«

    Da hatte er recht. Wenn es hier ausarten würde, könnten Lindsay sowie Passanten ernsthaft verletzt werden. Deshalb machte ich einen Schritt auf Vadim zu, als Lindsay meinen Arm packte.

    »Ich weiß nicht, was er mit dir vorhat, aber es ist auf keinen Fall etwas Gutes«, flüsterte sie mir zu. »Er wird weder dir noch mir hier etwas tun. Er weiß, dass es viel zu auffällig wäre, jeden Moment könnte jemand vorbeikommen. Rufen wir die Polizei, dieser Typ wird vor Angst sowieso weglaufen.«

    Sie hatte ja keine Ahnung.

    »Was flüsterst du da, Mädchen?«, fragte Vadim, obwohl er mit seinem ausgezeichneten Gehör alles verstanden hatte.

    »Sanya wird nicht mit Ihnen kommen, ich rufe jetzt die Polizei!«, wiederholte Lindsay laut.

    Er schnaubte. »Die Polizei? Wenn Polizisten hier auftauchen, erledige ich sie mit Leichtigkeit. Weißt du überhaupt, mit wem du es hier zu tun hast?«

    »Egal, wer Sie sind, wir lassen uns nicht einschüchtern. Sanya kommt mit mir!« Lindsays Griff um meinen Arm wurde fester.

    »Also gut, dann muss ich sie mir wohl holen.« Vadim nahm die Gestalt des Strigoi-Mort an und stürzte sich auf uns.

    Darauf war ich vorbereitet. Ich wandelte mich zum Strigoi-Viu und packte mir die schockgezeichnete Lindsay auf den Rücken. Dann sprang ich über Vadim hinweg und hechtete bis zur offenen Eingangstür des Wohnheims, danach die Treppe zum ersten Stock hoch.

    Lindsay zitterte, während ich sie abließ und meine menschliche Gestalt wieder annahm. Im selben Moment hörte ich, wie jemand unten durch die Eingangstür hereinkam.

    »Miss Taylooor!«, rief Vadim. »Egal, wo Sie auch sind: Ich werde Sie finden. Selbst wenn ich dafür jedes einzelne Zimmer dieses Studentenwohnheims abklappern muss und jeden, den ich dort drin entdecke, auf der Stelle umbringe!«

    Ich packte Lindsay an den Schultern, damit sie bloß alles mitbekam, was ich sagte. »Du hörst mir jetzt genau zu! Geh sofort in dein Zimmer. Von dir möchte er nichts, du bist nur in Gefahr, wenn du in meiner Nähe bist. Verstanden?«

    Sie starrte mich nur mit weit aufgerissenen Augen an.

    »Hast. Du mich. Verstanden?«, fragte ich sie eindringlicher.

    Lindsay nickte, und ich ließ sie los. Sie entfernte sich vorsichtig von mir, jeder Schritt schien ihr schwerzufallen.

    »Schnell!«, zischte ich, woraufhin sie in Richtung der Zimmer rannte.

    Es wäre sicher besser gewesen, sie zu manipulieren, damit sie sich an das eben Geschehene nicht mehr erinnerte. Aber so etwas hatte ich nie zuvor getan. Ich wusste nicht genau, wie es funktionierte, und wollte am Ende keinen Schaden in ihrem Kopf hinterlassen.

    Abermals rief Vadim nach mir. Ich wartete. Dann hörte ich von weiter weg, wie eine Tür aufgeschlossen und wieder zugeknallt wurde. Lindsay war in Sicherheit.

    »Na gut, ob Sie mich hören oder nicht: Ich komme jetzt hoch!«

    Ich trat an die Brüstung. »Hier bin ich!«

    Vadim sah zu mir hoch. »Ich wusste es doch. Sie würden es nicht zulassen, dass ich unschuldigen Menschen das Leben nehme. Jetzt kommen Sie brav runter, und wir zwei gehen nach draußen. Wir wollen schließlich nicht, dass das, was ich mit Ihnen vorhabe, allzu viele mitbekommen. Es reicht schon, dass es die Kleine weiß, die gerade eben noch bei Ihnen war.«

    Ich schluckte schwer, bevor ich mühsamen Schrittes die Treppe hinunterstieg und ihm gegenübertrat.

    »Braves Mädchen!«

    Nachdem Vadim mir eingetrichtert hatte, mich so normal wie möglich zu verhalten, liefen wir über den zu so später Stunde leeren Campus. Wo er mich hinbrachte, hatte er mir nicht verraten.

    Wir verließen den Campus und schritten auf ein teuer aussehendes Auto zu, das auf dem Bürgersteig parkte. Mit einem Knopfdruck des Schlüssels, den Vadim aus seiner Hosentasche holte, gab es ein Klickgeräusch von sich und das Licht innen leuchtete auf.

    »Einsteigen!«

    Ich gehorchte und nahm auf dem Beifahrersitz aus schwarzem Leder Platz.

    Wir fuhren hinaus aus Manhattan. Währenddessen sah ich aus dem Fenster der Beifahrertür auf die vorbeiziehende Stadt, ihre schillernden Lichter und die bis in den Himmel ragenden Wolkenkratzer. Darauf folgte eine Stadt in New Jersey, bevor wir eine vereinsamte Straße entlangfuhren. Vadim würdigte ich keines Blickes.

    Immer wieder drängte sich mir die Frage auf, wohin er mich brachte, um mich zu töten. Hatte er vor, meinen Leichnam danach zu vergraben, liegen zu lassen oder zu präsentieren?

    Mir kam mein Mittagessen hoch, welches ich schnell wieder hinunterschluckte. Stattdessen ballte ich die Hände zu Fäusten und versuchte angestrengt, nicht in Tränen auszubrechen. Das einzig Gute war, dass Vadim es entweder nicht bemerkte oder nicht darauf reagierte. Er blieb die ganze ewig andauernde Fahrt über still.

    Etwa anderthalb Stunden vergingen, als Vadim am Rande eines Waldes parkte. »So, Miss Taylor, jetzt machen wir einen kleinen Spaziergang im Wald«, verkündete er mir grinsend.

    Wir stiegen aus dem Auto, wobei er einen Blick zurückwarf. »Blödes Ding! Nie habe ich so etwas zuvor gebraucht. Muss aber sein, wenn man sich im Rest der Welt als Mensch ausgeben und über weite Strecken reisen muss. Das mit der Verwandlung vorhin vergessen wir mal.«

    Jetzt erst fiel mir auf, dass er den Schlüssel im Zündschloss stecken gelassen hatte.

    Ich vernahm ein Summen vom Wald her. Es war ein Drahtzaun um ihn herum, der unter Strom stand.

    »Ich nehme an, Sie werden es schaffen, über diesen Zaun zu springen?«

    »Wohin genau gehen wir?« Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

    »Oh, tief, sehr tief in diesen Wald hinein. Also los!«

    Plötzlich kam mir ein Gedankenblitz.

    Wir sprangen über den Zaun. Doch anstatt, dass ich auf der anderen Seite auf dem Waldboden aufkam, krallte ich mich in eine Fichte und sprang zurück. In Sekundenschnelle war ich wieder im Auto und ließ den Motor an.

    Ich sah durch das Scheinwerferlicht, dass Vadim meinen Fluchtversuch bemerkt hatte. Schnell betätigte ich den Schalthebel des Automatikgetriebes und fuhr rückwärts. Vadim sprang über den Zaun und wäre auf der Motorhaube gelandet, doch ich fuhr weiter zurück. Stattdessen kam er auf dem mit grobem Kies bestreuten Boden auf.

    Ich stellte den Schalthebel auf Drive und fuhr los. Währenddessen raffte Vadim sich auf. Ich raste in einem großen Bogen an ihm vorbei.

    Zu Fuß war ich schnell, aber ich hatte nicht planlos den Fluchtversuch im Auto gewählt. Beim nächsten Sprung landete Vadim auf der Motorhaube, woraufhin ich das Lenkrad nach links und dann schnell wieder nach rechts drehte und er weggeschleudert wurde. Ich sah im Rückspiegel, wie er mit dem Rücken auf einen großen Steinbrocken schlug.

    Das Auto war ein Schutz, damit er mich nicht sofort packen und ich mich besser zur Wehr setzen konnte. Selbst wenn er von dem Aufprall keinerlei Verletzungen davontrug, hatte ich ihn auf die Weise wenigstens etwas aufgehalten.

    Ich bog wieder auf die Landstraße ab, wohin, wusste ich selbst nicht. Es war nicht Richtung New York, was mir erst im Nachhinein aufgefallen war. Das war mir im Moment aber vollkommen egal. Vadim nahm sicher an, dass ich zurück in die Universität fuhr.

    Ich versuchte, mich zu entspannen, doch hinter jedem Baum vermutete ich Vadim, der mich eingeholt und auf mich gewartet hatte. Woher hatte er überhaupt gewusst, dass ich auf der Columbia studierte? Hatte er etwa Zugang zu Computern, auf denen die Daten der Einwohner der USA gespeichert waren oder so was in der Art? Die gesamte Fahrt über stellte ich mir diese und ähnliche Fragen, während ich gleichzeitig den Blick konzentriert auf die vereinsamte Straße richtete.

    Sie fing an, sich steil und kurvig einen Hügel hinaufzuwinden. Das beunruhigte mich, weil ich gezwungen war, langsamer zu fahren.

    Ich schaute seitlich über den Straßenrand hinaus. Obwohl es mitten in der Nacht war, erkannte ich unten im Tal die Lichter von Vorstädten, sogar die im Dunkeln liegenden Dächer der Häuser. Meine Augen waren wie ein Nachtsichtgerät, nur ohne das Grün, in der man die Welt dadurch sah.

    Der Strigoiduft stieg mir wieder in die Nase. Mit bebendem Herzen schaute ich in den Rückspiegel, sah Vadim aber nirgends.

    Dann bemerkte ich aus dem Fenster der Fahrerseite etwas.

    Der verwandelte Vadim rannte auf allen vieren neben dem Auto her, sprang auf das Dach und schlug mit einer Faust ein Loch hinein. Danach schlug er mit der anderen Faust ein weiteres Loch. Gleich würde er das gesamte Dach aufreißen und mich aus dem Auto ziehen.

    Zu bremsen kam für mich nicht infrage, denn dann gab es keine Chance mehr zur Flucht. Fieberhaft zwang ich mich, nicht in Panik auszubrechen und mir stattdessen eine Lösung einfallen zu lassen. Auf die Schnelle kam mir etwas in den Sinn, das mir gar nicht behagte. Aber eine andere Wahl hatte ich nicht.

    Ich drehte mitten in der nächsten Linkskurve das Lenkrad nach rechts, woraufhin der Wagen inklusive Vadim und mir den Hang hinabstürzte.

    Kaum, dass dies geschehen war, öffnete ich die Fahrertür und sprang aus dem fallenden Auto. Dabei nahm ich meine Bestiengestalt an und schaffte es, mich in den steilen Hang zu krallen. Ich hatte keinen festen Halt und rutschte hinab, bis ich mich an einer Baumwurzel festhielt.

    Ich sah hinunter in die Tiefe, wo nur einzelne Bäume und Büsche wuchsen. Das Auto kam mit dem Dach nach unten auf dem Boden auf.

    Vadim entdeckte ich entlang des Hangs nirgends. Hoffentlich war er mit dem Auto hinabgestürzt.

    Mithilfe der Wurzel war ich mit einem Schwung wieder oben und landete auf der Straße. Während ich meine Gestalt veränderte, lauschte ich zu allen Seiten und schnüffelte wie verrückt. Kein verdächtiges Geräusch, kein Strigoi-Duft.

    Ich atmete tief ein und wieder aus, um einen klaren Kopf zu bekommen. Ziellos vor Vadim wegzurennen würde nichts bringen, die Situation sogar verschlimmern. Es war das Beste, wenn Casey, Greg, Ray und ich die Universität schnellstmöglich verließen. Heute Nacht.

    Ich zog mein Handy aus der Jackentasche. Keine Verbindung, es war mir nicht möglich, jemanden anzurufen oder eine Nachricht zu verfassen. Rechts von mir entdeckte ich einen Feldweg, der parallel zur Landstraße verlief. Dort entlang raste ich in Richtung New York.

    Nach fast einer Stunde erreichte ich eine Stadt in New Jersey, die an der Grenze zu Manhattan lag. Kurz davor verlangsamte ich mein Tempo, denn dort waren auch des Nachts viele Menschen unterwegs. Deshalb nahm ich den Zug.

    Nach dem Umstieg in die U-Bahn, fiel mir mein Studentenausweis ein, den ich aus meiner Jackentasche holte. Auf dem Ausweisfoto strahlte ich.

    Es war geschossen worden, als das Semester angefangen hatte. Meine Haut war auf dem Foto etwas gebräunt, denn ich war kurz zuvor mit Derek auf den Bahamas gewesen. Unsere vorletzte Station auf unserer einwöchigen Reise durch die Welt.

    Erst Tokio, dann weiter nach St. Petersburg, London, Nassau auf den Bahamas und New York, wo Derek sich einen Tag später von mir verabschiedet hatte.

    Es war erst ein paar Stunden her, dass ich den Ausweis dazu benutzt hatte, um als Studentin der Columbia Universität Eintritt in die Butler Bibliothek zu bekommen. Trotzdem kam es mir jetzt wie eine Ewigkeit vor.

    Zwar hatte ich mich die ganze Zeit über wegen Vadim gesorgt, doch ansonsten ein friedliches Leben als Studentin geführt. Dieser Frieden, das wusste ich, war vorbei. Genauer gesagt, hatte er nie existiert. Diese eine Schlacht hatten wir gewonnen, doch das, was danach kam, war nur ein kurzer Waffenstillstand gewesen, bevor der Krieg weiterging.

    Vadim würde es nicht darauf beruhen lassen, mich zu töten. Er hatte etwas Größeres vor: seine Herrschaft aufzubauen. Das hatte er mir sogar vorhin selbst gesagt.

    Wie dämlich waren wir gewesen, anzunehmen, dass es uns nach der Schlacht möglich war, in ein normales Leben zurückzukehren? Das, obwohl wir wussten, dass Vadim lebte.

    Während ich den Studentenausweis wieder zurücksteckte, richtete ich den Blick auf den etwa sechzehnjährigen Jungen mir gegenüber. Seine Kopfhörer, aus denen Hip-Hop-Musik drang, waren groß wie meine Handflächen.

    Er hatte mich beobachtet, den Blick aber direkt zu Boden gesenkt, nachdem ich es bemerkt hatte. Kein Wunder: Meine Haare waren nach der Raserei vollkommen durcheinander, was ich am Spiegelbild im Fenster bemerkte. Dazu hatte ich die ganze Fahrt über meinen Ausweis angestarrt, den Tränen nahe.

    Die U-Bahn hielt an der Station hundertsechzehnte Straße, Columbia Universität. Von dort aus sprintete ich bis zum Studentenwohnheim. Als ich dabei war, die Stufen hochzusteigen, hielt ich inne … und atmete den Duft, der in meine Nase zog, tief ein.

    O nein!

    Ich wurde an meinen Schultern herumgerissen.

    Kein Lächeln in Vadims Gesicht, kein höfliches Getue. Nur blanke Wut. »Du verdammtes Miststück! Hast du wirklich geglaubt, du könntest mir entkommen, wieder in die Universität spazieren und die Sache wäre erledigt? Eigentlich wollte ich dich im Wald umbringen und dort vergraben, damit niemand deine Leiche entdeckt. Das ist mir jetzt egal. Sollen die Leute morgen ruhig deinen Körper finden. Dann landest du mit Sicherheit in den lokalen Medien, wenn nicht sogar darüber hinaus.« Sein Atem beruhigte sich, er schien zu überlegen. »Weißt du was? Hier auf diesem Bürgersteig wäre solch ein Fund wohl zu unspektakulär. Wie wäre es also auf dem Campus?«

    Er legte mich wie einen Sack über die Schulter. Ich versuchte nicht einmal, etwas dagegen zu unternehmen, es war ohnehin aussichtslos.

    Nach wie vor war es mitten in der Nacht und der Campus somit verlassen. Vadim setzte mich an einer dunklen Ecke in der Nähe der Butler-Bibliothek ab. Zusätzlich zur Dunkelheit der Nacht wurde sie durch die Schatten der Mauer hinter mir verfinstert.

    »Wärst du vorhin nicht geflohen, hätten wir das alles schnell hinter uns bringen können. Da du das aber getan hast und ich deshalb mehr als nur wütend bin, wirst du das auch zu spüren bekommen.« Er zeigte ein verächtliches Lächeln. »Ach, übrigens: Wenn du denkst, dass dein Bruder und deine beiden Freunde in Sicherheit sind, hast du dich getäuscht. Deinen Bruder werde ich mir persönlich vornehmen. Um deine Freunde kümmert sich jemand anderes.«

    Tränen rannen mir aus den Augen. Wäre ich nicht geflüchtet, hätte er Greg, Casey und Ray vielleicht verschont. Darüber hatte ich zu dem Zeitpunkt nicht nachgedacht.

    »Bitte, lass sie am Leben«, wimmerte ich.

    »O nein, nicht weinen! Hm, mal schauen, was wir da tun können. Das mit deinem Bruder überlege ich mir … aber Gustav wird das wohl nicht so einfach sein lassen. Nachdem ich ihn beauftragt habe, dich zu finden, und er es gestern Abend tatsächlich geschafft hat, wird er seine Belohnung haben wollen. Die bestand nun einmal darin, dass er deine beiden Menschenfreunde töten darf.«

    Er hatte jemanden beauftragt?

    Vadim schien meine Verwirrung bemerkt zu haben. »Dachtest du etwa, dass ich persönlich dich in der ganzen Welt suche? Ich wusste nur, dass du nicht mehr in Tasyar bist. Also habe ich Gustav damit beauftragt, der in solchen Dingen ein echter Profi ist. Das hat er in der Vergangenheit des Öfteren bewiesen. Er ist meinem Befehl gefolgt. Bis ich vor einigen Stunden eine Nachricht von ihm empfangen habe, dass du hier studierst, wo genau du wohnst und du nebenbei in einem Café arbeitest.«

    Jetzt verstand ich. Der Mann, der sich im Coffeeshop so merkwürdig verhalten hatte. Das war dieser Gustav.

    »Gustav will zwei von euch umbringen, davon wird er sich nicht abbringen lassen – und wenn er zwei bekommt, wieso sollte ich da deinen Bruder in Ruhe lassen? Also nein, Prinzessin, keinen werden wir verschonen, egal auf welche Weise. Weder deinen Bruder noch deine Freunde, und erst recht nicht dich!«

    Er veränderte seine Gestalt und fuhr die Krallen aus, als aus dem Nichts ein Strahl aus weiß-grauem Licht auf ihn zuschoss. Er traf Vadim und wirbelte mit ihm davon wie ein Tornado im Miniaturformat. Jemand anderer stand dafür vor mir. Derek!

    Mit einem Satz war er bei mir, packte mich, und wir teleportierten davon.

    3

    Bunte Lichtflecke um uns herum, ein fester Boden, den ich spürte, der jedoch nicht zu sehen war, und das Gefühl, von einem Sog fortgetragen zu werden. Dieses Nichts, in dem man sich während einer Teleportation befand, war mir mittlerweile nur allzu bekannt.

    Dann landeten wir auf feuchtem Waldboden. Die Äste der vielen Bäume ließen hier und da die Strahlen der Morgensonne hindurch. Es war so friedlich. Nichts war zu hören, bis auf das Zwitschern von Vögeln. Mir schien es fast, als wäre das eben Geschehene nur ein schlimmer Traum gewesen. Vor mir sah ich eine Hütte – Dereks Hütte.

    Nach wie vor hielt er meine Taille umschlossen. Einen Augenblick lang sahen wir einander nur in die Augen, meine smaragdgrünen in seine eisblauen.

    Er fuhr mit dem Daumen mein Jochbein entlang. »Bist du okay? Hat er dich verletzt?«

    Erneut bebten meine Lippen, und mir rannen Tränen aus den Augen.

    Derek nahm mich in die Arme und streichelte mir beruhigend über das Haar. »Ist schon gut. Er ahnt nicht, wo du bist, wir haben ihn abgehängt.«

    Sanft löste ich mich aus seiner Umarmung. »Er will Greg umbringen und hat jemanden namens Gustav beauftragt, mich zu finden. Als Belohnung dafür, darf er Casey und Ray töten. Wir müssen sofort zurück und sie retten!«

    Er schmunzelte. »Nein, müssen wir nicht.«

    »Was?« Meinte er das ernst?

    »Gustav arbeitet eigentlich für mich.«

    Jetzt verstand ich gar nichts mehr.

    »Ich habe mir schon die ganze Zeit Gedanken darüber gemacht, wo Vadim stecken könnte. Vor ein paar Wochen suchte mich Gustav auf, als ich in Mestorn war, und erzählte mir, dass er einen Brief von Vadim erhalten hat. Anscheinend befand dieser sich zu dem Zeitpunkt in Rumänien. Gustav hatte mit Eskil nichts zu tun. Er ist kaum jemals in Tasyar gewesen, sondern hält sich lieber in seiner Heimat, in irgendeinem Waldgebiet in Deutschland, auf. Er hatte von den Geschehnissen damals gehört und wusste, dass Vadim einer von Eskils Männern war. Jedenfalls stand in dem Brief, dass Vadim seine Hilfe bräuchte, dich zu finden, weil er mit dir eine Rechnung zu begleichen hat. Gustav sollte dafür reich belohnt werden. Unter anderem mit der Tötung zweier Menschen, wieso auch immer Vadim das als eine Belohnung sieht.«

    »Und wieso hat Vadim gerade ihn dafür beauftragt?«, wunderte ich mich.

    »Du musst wissen, dass Gustav ein Magier ist. Er hat außerdem eine besondere Gabe, Personen und bestimmte Orte zu finden, indem er intensiv an sie denkt. Er wollte mit Vadim nichts zu tun haben, mich aber warnen. Ich bat ihn darum, dass er es doch macht, weil mir ein Plan eingefallen ist. Wobei ich ihm direkt verraten habe, wo du dich aufhältst. Sobald feststand, wohin Vadim dich bringen würde, bin ich zu diesem Ort teleportiert und habe ihm eine magische Falle gestellt.« Sein Schmunzeln fiel in sich zusammen. »Ihr seid aber nicht aufgetaucht. Ich habe die gesamte Umgebung abgesucht, bis Gustav mir gesendet hat, dass dir die Flucht gelungen ist und ich zur Columbia sollte. Als ich euch gefunden habe, war es zu knapp, um Vadim eine weitere Falle zu stellen. Wichtiger war es mir, dich zu retten.«

    Ich schluckte schwer. »Es tut mir so leid. Wäre ich nicht vor Vadim weggelaufen, hättest du ihn gefangen. Er wäre jetzt keine Gefahr mehr.«

    Er schüttelte den Kopf. »Blödsinn, du hast gehandelt, wie jeder, dem sein Leben lieb ist. Ich hätte dich in den Plan einweihen sollen, nur hatte ich Sorge, dass du dich zu auffällig verhalten würdest. Das war nicht nur dumm, sondern hat dich in Gefahr gebracht. Wäre ich nicht rechtzeitig an der Columbia aufgetaucht …« Derek brachte den Satz nicht zu Ende.

    Ich legte die Hand auf seine Wange. »Das bist du aber. Dank dir bin ich noch hier. Weil du mich wieder einmal gerettet hast.«

    Er küsste mich auf die Stirn und nahm meine Hand. »Gehen wir rein. Gustav müsste auch gleich mit den anderen hier auftauchen.«

    Augenblicklich löste sich meine Anspannung. Sie waren in Sicherheit.

    In Dereks Hütte sah es genauso aus, wie ich es in Erinnerung hatte. Die Kochnische mitten in dem großen Raum, daneben der Esstisch, an dem Derek und ich ein langes Gespräch geführt hatten, als ich ihn über Tasyar ausgefragt hatte. Ein wenig weiter daneben das riesige Himmelbett, welches

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