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Pandora Electric
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Pandora Electric

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About this ebook

Pandora Electric ist eine wissenschaftliche Fiktion, welche die Umgebung des sich in der Realität bereits zeigenden Metaversums zum Schauplatz eines Thrillers macht. Das Schlüsselelement ist der Cyberanzug, welcher das verbindende Element zwischen realer und virtueller Welt darstellt.
Der Code Pandora Electric, welcher auf Basis der Algorithmen der neuartigen Quantencomputer operiert, wurde geschrieben, um das Internet für alle Zeit zu einem sicheren Ort zu machen.
Der Code kann jedoch auch als Universalschlüssel missbraucht werden. Als der Urheber des Codes dies erkennt, ist es zu spät - der Code wird gestohlen. Doch das ist noch nicht alles. Die Ermittler der Euro-Taskforce Cyberverbrechen, Ted Vendez und Mona Garner, untersuchen den Fall eines getöteten Computerspielers. Erste Anzeichen deuten auf ein Verbrechen hin. Der Computer-Spieler wurde in seinem Cyberanzug vorsätzlich verbrannt. Die Ermittlungen werden fortgeführt, trotz der Gefahren und dem Erwachen von Geistern aus Monas Vergangenheit. Bis zur lebensentscheidenden Frage: Kann Mona in der erweiterten Realität einer grausamen Cyberarena überleben, in welche sie von dem Dieb des Codes entführt wird?

Klaus Herpertz wurde 1959 in Oldenburg geboren. Die Kinder- und Jugendzeit war geprägt von spielerischem Abenteuer- und Forschungsdrang. Von jeher galt sein Interesse der Entwicklung der Computer- und Netzwerktechnologie sowie des elementaren Aufbaus der Materie. Eine medizinisch-technische Berufsausbildung ermöglichte es ihm, bedeutende Erkenntnisse auf diesen Gebieten zu erlangen. Aufmerksam verfolgte er die Entwicklung der Quantencomputer. Die hier erkannten unfassbaren Eigenschaften und Möglichkeiten dieser neuartigen Computertechnik übten eine besondere Faszination auf ihn aus. Die Menschheit sieht sich zunehmend mit einer künstlichen Intelligenz konfrontiert. Der Autor sieht ein Gefahrenpotential in den virtuellen Realitäten aufziehen. Der Thriller Pandora Electric ist die logische aufgeschriebene Konsequenz dieser Überlegungen.
 
LanguageDeutsch
Release dateNov 30, 2022
ISBN9791220134637
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    Book preview

    Pandora Electric - Klaus Herpertz

    Kapitel 1 Erwachen

    Am Anfang war nur Licht. Es war das Einzige, dessen er sich in diesem Augenblick bewusst wurde. Das reflektorische Zentrum seines Gehirns befahl den Augäpfeln, sie hin- und herzubewegen, um das Gesichtsfeld zu erweitern. Es musste mehr geben als nur Licht. Plötzliche drangen Geräusche an Neds Bewusstsein. Seine Muskulatur wollte den Körper ob des neuen Sinneseindruckes zusammenzucken lassen, konnte es aber nicht, da entsprechende Botenstoffe fehlten.

    Der erste Schmerz war ohne Gestalt. Er durchströmte einfach seinen Körper, pflanzte sich irgendwie durch seine Nervenbahnen fort und ließ hier und da ein Feuer aufflammen. Dann kamen Lichter in allen Farben. Explodierende Synapsen. Hinter dem Licht fühlte er eine bleiche Dunkelheit, die das Licht fressen wollte.

    Dann wieder nur Dunkelheit. Das neue Erwachen war zuerst nur von Verlangen geprägt. Verlangen nach Nahrung, Verlangen nach Flüssigkeit, Verlangen nach Erkenntnis, Verlangen nach Wärme. Die sensorischen Rezeptoren seiner Haut registrierten einen mechanischen Eindruck. Sein Körper wurde mit irgendetwas umhüllt. Ein Kokon aus flauschigem Material schmiegte sich eng an seinen Körper, schirmte ihn von der Außenwelt ab. Er fühlte sich wohl. Nach und nach fingen alle Organe mit der Produktion ihrer Lebensstoffe an. Sie bahnten sich ihren Weg durch den Körper, bahnten sich den Weg durch lange blockierte Adern und Kapillarsysteme und durchströmte ihn mit allen Reflexionen, die ihre chemischen Reaktionen hervorbringen konnten.

    Der Körper wehrte sich dagegen, bäumte sich auf, verweigerte sich. Greller Schmerz, gefolgt von langer gleißender Stille. Er hatte nicht gewusst, dass Gedanken Schmerzen verursachen können. Sie kamen erst leise, rieben sich an Vergessenem, um dann laut und brutal den Weg durch das Mauerwerk des Gewesenen zu brechen. 

    Unfähig sich zu wehren, unfähig Einfluss auf das Geschehen zu nehmen, ließ Ned sich auf einer Woge der Einsamkeit treiben.

    Ned konnte nichts hören, nichts sehen und nichts mehr fühlen. Er wusste nicht einmal, wer er war oder was er war. Der Schmerz war das Einzige gewesen, dessen er sich bewusst war. Aber dieser hatte plötzlich nachgelassen. Er hinterließ nur einen diffusen dunklen Nachhall. Dafür begannen jetzt wieder diese seltsamen Geräusche in seinen Ohren zu brummen. Sein Bewusstsein versuchte verzweifelt, aus dieser unbestimmbaren dunklen klebrigen Masse, die es umgab, herauszukommen. Und plötzlich gelang es ihm. Ein erster Sinneseindruck gelangte über wieder funktionierenden Nervenbahnen in sein erwachendes Gehirn. Buntes Licht! Es fiel ihm ein, dass er jenes Licht schon einmal wahrgenommen und es sofort wieder vergessen hatte. 

    Die Lichtquelle schien unmittelbar über seinem Gesicht zu sein. Plötzlich bemerkte er, dass sie sich bewegte. Es schien sich immer im Halbkreis über seinem Kopf hin und herzubewegen. Seine Pupillen fingen an, sich dieser Bewegung anzupassen, und folgten der Lichtquelle hinter den geschlossenen Augenlidern. Wenn er sie nur öffnen könnte. Aus den Geräuschen löste sich etwas heraus, das er kannte. Es waren Stimmen. Stimmen! Wann hatte Ned das letzte Mal Stimmen gehört? Es schlich sich der Gedanke in sein Bewusstsein, dass dies vor unglaublich langer Zeit gewesen sein musste. Neds Verstand fing an, eine Bestandsaufnahme zu machen. Er lag also auf dem Rücken, auf etwas, das sich in angenehmer Weise an seinen Körper anpasste. Vorsichtig versuchte, er einen Finger zu bewegen. Es gelang ihm nicht. Das Einzige, was er bewegen konnte, waren seine Augen. 

    »Haben wir ihn?« 

    »Wir hatten ihn schon einmal, aber er ist uns wieder weggesackt.«

    »Moment! Er ist bei Bewusstsein. Hier, schau auf diese Kurve, deutlich über der Traumschwelle.« 

    »Kann er uns hören?« 

    »Mit einiger Wahrscheinlichkeit, ja.«

    Allmählich begann Ned den Sinn der Worte zu begreifen. Die zuerst anscheinend zusammenhanglosen Geräuschfragmente begannen langsam, einen sinnvollen Inhalt zu bekommen. Mühsam musste sein Gehirn, Wort für Wort aus einem versteckten Register holen und es dann einem

    Sinn zuordnen. Aber es gelang: »Sie reden über mich!«

    Ned wollte schreien, aufspringen, sich bemerkbar machen, aber er lag einfach nur stumm und bewegungslos da. Eine fürchterliche Panik überkam ihn.

    »Helft mir doch!«, schrie er in seinem Inneren, aber kein Laut kam ihm über die Lippen. Sein Geist rebellierte gegen die Tatsache, im eigenen Körper gefangen zu sein. 

    Wie in einer eisernen Hülle zu stecken, dachte er. Langsam gelang es ihm, sich einigermaßen zu beruhigen. Immerhin hatte er auch etwas zurückgewonnen. Er konnte wieder klar denken. Es blieb die Frage, was überhaupt geschehen war. Wieder drangen die jetzt schon bekannten Stimmen in seinem Bewusstsein.

    »Er ist noch nicht ganz wieder zurückgekehrt, aber ich denke, er schafft es bald. Das synthetische Blut zeigt bereits Wirkung, die Organe regenerieren sich rasch.«

    »Ich kann einfach nicht glauben, dass das funktioniert«, flüsterte die andere Stimme leise ehrfürchtig. Ned konnte jetzt zwischen einer Frauen- und einer Männerstimme unterscheiden.

    Synthetisches Blut! Gab es so etwas überhaupt? Machten sie etwa Experimente mit ihm? Er war doch in einem Krankenhaus oder etwa nicht?

    »Vorsicht, er regt sich auf«, mahnte die Frauenstimme. »Die Deltakurve springt hoch!«

    »Ok, wir werden ihn noch einmal lange schlafen lassen, damit er sich stabilisieren kann«, erwiderte der Mann.

    Er hörte noch, dass sie mit irgendetwas hantierten, dann spürte er einen kurzen Einstich am Unterarm. 

    Wie ein warmer, beruhigender Nebel trieb das Sedativum durch das Blutgefäßsystem und deckte den unruhigen, verzweifelten Geist einfach wie mit einer warmen Decke zu. 

    »Schlafe gut, Ned«, waren die letzten Worte, die er noch wahrnahm. Langsam und sanft glitt er hinab in das dunkle, ruhige Meer der Stille.

    Ned träumt. Ned sitzt auf einem großen Felsen am Kiesstrand des Waldsees. Die riesige Eisfläche reflektiert die Sonnenstrahlen und wirft verträumte, verlockende Lichtpunkte auf Felsen und Bäume.

    Ned wirft kleine Kiesel flach auf das Eis. Gebannt hört er dem Klang zu, den sie erzeugen, wenn sie auf das Eis aufprallen. Ein metallisches Klicken, gefolgt von einem feinen Summen, welches von der leicht vibrierenden Eisfläche verstärkt wird.

    Mona gleitet wieder auf ihren Schlittschuhen an ihm vorbei. Sie braucht keine Bewegung zu machen, gleitet einfach lautlos auf der blanken Fläche. Still schneiden die

    Kufen ihre Bahnen in das Eis. Mit jeder Kreisbahn entfernt sie sich in ein kleines Stück weiter von ihm. Ned ist glücklich.

    Er ist so stolz, er ist so stolz auf Mona. Seine Tochter ist so groß und schön geworden.

    Wieder fährt sie an ihm vorbei und wieder entfernt sie sich ein Stück weiter von ihm.

    »Warum entfernt sie sich von mir?« denkt Ned. Er steht nun auf und läuft ein paar Meter weit auf das Eis. Nun ruft er sie, winkt ihr zu. Warum winkt sie nicht zurück? Jetzt merkt Ned, dass der nicht weiterkommt. Zwischen ihm und Mona befindet sich ein breiter Graben ohne Eis. Träge leckt schwarzes Wasser über die brüchige Eiskante. Er steht am Rand des Eises und blickt in das Wasser, welches ihn von seiner Tochter trennt. Es ist so dunkel, kalt und tief. Sie fährt nicht auf den Schlittschuhen. Sie steht einfach dort auf einer Scholle und treibt langsam von ihm fort.

    »Ich muss zu ihr«, schreit es in ihm. »Ich muss Sie doch retten.« Er ruft, fleht, bittet, doch vergebens. Mona treibt auf ihrer kleinen Scholle immer weiter von ihm fort und sieht nur stumm zu ihm herüber.

    Ned springt. Die dunklen, eisigen Wellen schlagen über seinem Kopf zusammen. Nur noch kalte Düsternis umgibt ihn. Er sinkt immer tiefer. Kann nicht mehr atmen. Er ist verloren, kann Mona nicht mehr retten.

    »Mona!«, schrie Ned und schlug die Augen auf.

    Kapitel 2 Der Code

    Der weißhaarige Mann blickte auf den Monitor. Er hatte alle übrigen Lichtquellen des Raumes gedämpft. Sein unglaubliches Vorhaben war Realität geworden. Adam Semper hatte Schweißtropfen auf der Stirn, seine Gesichtshaut war gerötet. Er griff an die oberen Knöpfe seines Hemdkragens, um sie zu öffnen. Die pumpenden geschwollenen Halsschlagadern hatten den Hemdkragen eng werden lassen. Als sich die Knöpfe des Kragens nicht sofort öffnen ließen, griff Adam Semper mit den Fingern in den Kragen und riss ihn auf. Er hatte in diesem Moment seinen persönlichen Olymp erklommen. Etwas hatte sich irgendwann in der Vergangenheit klammheimlich in seine Gedanken geschlichen. Zunächst von seiner eigenen Idee selbst erschrocken, wurde der Gedanke daran immer verlockender.

    Manchmal hatte er das Gefühl, als habe der Gedanke ein Eigenleben angenommen. So, als schlüpfe er in immer hübschere Gewänder, um sich immer verführerischer zu machen. Eines Tages wurde ihm klar, dass der Gedanke sich zu Recht ganz nach vorne gekämpft hatte. Es war eine logische Konsequenz. Es konnte nur eine Lösung geben. Während Adam Semper sich mit der linken Hand den verschwitzten Hals rieb, ruhte seine rechte Hand auf einer Computermaus. Adam Semper hatte den Stick in einen Port des Computers gesteckt. Fast traute er sich nun nicht, die daraufhin auf seinem Monitor aufploppende Datei anzuklicken.

    Würde diese sich problemlos öffnen lassen, oder war eine Sicherheitsschranke gegen unbefugten Zugriff eingebaut? Denkbar. Sein Zeigefinger schwebte über der linken Maustaste, bereit jenen Doppelklick auszuführen, auf den er in den letzten Monaten seines Lebens hingearbeitet hatte. Doch noch zögerte er, noch kostete er den wunderbaren süßen Erfolg seiner langwierigen Operation im Geiste aus. 

    Wie sehr war der Hass auf Ned Garner in den letzten Jahren angewachsen. Wie sehr hasste er es, immer nur die Nummer zwei zu sein. Immer stand Ned Garner vor den Kameras und Mikrofonen. Immer wurde nur Ned Garner in die Talkshows eingeladen. 

    »Herr Professor Garner, wie schätzen Sie dieses ein, wie schätzen Sie jenes ein. Herr Professor Garner, wie ist Ihre Meinung hierzu, wie ist Ihre Meinung dazu.« Einfach nur zum Kotzen. Er hatte seine Wut immer nur mit großer Mühe verbergen können. Während Ned seine Show abzog, war er in die zweite Reihe verbannt und schäumte innerlich vor Wut. So war es immer gewesen. Nie kam er an die Reihe, obwohl es ihm eigentlich zustand.

    »Irgendwann wirst du dafür büßen, irgendwann werde ich mich rächen«, hatte Adams Semper sich regelmäßig in seinem Inneren zugeflüstert, während sich vor seinen Augen der rote Vorhang des Hasses aufbaute.

    »Und nun mein Freund, mein toter Freund, bin ich die Nummer eins. Glaubst du wirklich, du hättest Pandora Electric allein entwickelt? Wer hat denn jahrelang Deinen stümperhaft programmierten Code erstklassig kompiliert? Ohne mich hättest du dies nie hinbekommen. Wie hast du es geschafft, dich immer wieder in den Vordergrund zu spielen, während ich die ganze Arbeit erledigt habe. Mittlerweile ist dies aber nicht mehr so wichtig, denn du hast bezahlt. Du hast deine offene Rechnung beglichen. Deswegen bist du jetzt tot. Und sollte irgendjemand eines Tages auf die wahnwitzige Idee kommen, ich hätte Pandora Electric gestohlen, so wird dieser die ganze Macht verspüren, die mein Code entfalten kann. Denn ich bin der rechtmäßige Erbe, der rechtmäßige Besitzer.«, mit verzerrter Stimme presste Adam Semper diese Worte aus seinem Mund. 

    Durch diese wundervollen Gedankengänge auf einer Welle des Stolzes und des Hasses getragen, führte Adam Semper den Doppelklick auf die auf dem Stick enthaltene Datei: Pandora. Exe aus. Zunächst stockte Adam Semper der Atem, denn unmittelbar wurde auf dem Monitor keine Reaktion erkennbar.

    »Hast du Schwein etwa... « Er hatte diese Wörter atemlos gepresst geflüstert, hielt aber nun inne, denn ihm wurde klar, dass eine gewisse Prozessorleistung notwendigerweise abgerufen wurde, um den Code in eine für Menschen lesbare Form zu kompilieren.

    Selbst die abgetrennten einzelnen Codefragmente, die Ned Garner ihm in seiner unfassbaren Großzügigkeit zur Überarbeitung überließ, wie Krumen, die man Tauben zur Fütterung hinwirft, hatten bereits eine bemerkenswerte Prozessorleistung benötigt, von solcher Komplexität wahren diese. Es war nun klar, dass der gesamte Code einige Zeit brauchte, um ein lesbares Ergebnis auf dem Bildschirm zu zaubern. Als dieses Ergebnis nun schließlich auf dem Monitor sichtbar wurde, war Adam Semper fast enttäuscht.

    Eine einfache Kommandokonsole erschien auf dem Bildschirm. Der blinkende Cursor wartete auf eine Eingabe. »OK, mehr braucht es eigentlich auch nicht. Du hast dich natürlich nur auf das Wesentliche beschränkt.« Er tippte den Befehl »whoami« ein und drückte die Enter Taste. Der Computer gab »Adam Semper-PC« aus. Nun gab er den Befehl »dir« ein. In dem Konsolenfenster wurde nun eine endlose Liste von Verzeichnissen ausgegeben. Adam Semper wandte seinen Blick vom Monitor ab, lehnte sich in seinem Sessel zurück, verschränkte die Hände hinter seinem Kopf und sah seine Zimmerdecke an. Er hatte es geschafft. Er war nun im Besitz von Pandora Electric. Er atmete mehrfach tief ein und aus. Adam Semper wurde von einem unglaublichen Glücksgefühl durchströmt. Die Zeit der großen Veränderungen war gekommen. Sein Plan war von Anfang an richtig gewesen. Er war der rechtmäßige Besitzer von Pandora Electric. Ihm wurde die Macht gegeben, die notwendigen Veränderungen vorzunehmen. Später würde die Menschheit, die neue Menschheit, sich für immer an seinen Namen erinnern. Morgen würde er den Quellcode analysieren. Er würde Veränderungen an bestimmte Stellen vornehmen. Von da würde Pandora Electric es ermöglichen, in jedes beliebige Netzwerk bis auf die Ebene der Administratoren einzudringen. 

    Ihm war schon vor längerer Zeit klar geworden, dass er für die Umsetzung seines großen Planes Helfer benötigte. Diese Helfer mussten in der Lage sein, Fluggeräte und andere Maschinen per Fernsteuerung zu bedienen. Schnell war er auf eine bestimmte Gruppe von Menschen gekommen, die diese Eigenschaft in Perfektion beherrschten. Computerspieler. Zwar würden diese sich sicher sträuben, die ihnen übertragenen Aufgaben zu erledigen, aber Adam Semper würde seine neue Macht verwenden, um die Computerspieler zur Mitarbeit zu überreden. Dafür hatte er ja nun schließlich Möglichkeiten. Adam Semper breitete die Arme aus und stieß urplötzlich ein dunkles hämisches Lachen aus. Nie wieder würde er die Nummer zwei sein. Nun konnte ihn nichts mehr aufhalten.

    Kapitel 3 Der Angriff

    Der Transatlantikflug C34 B war bisher ohne nennenswerte Probleme verlaufen. Don Richard flog seit 16 Jahren die Interkontinentalroute auf dem Airbus A350-900. Er war ein ruhiger, ausgeglichener und sehr erfahrener Flugkapitän mit einer schon fast legendären Anzahl an Flugstunden. Brenzlige Situationen löste er mit einer Routine, die ihm höchste Anerkennungen in Pilotenkreisen und auch in der Fachpresse zukommen ließen.

    Wenn er den Saal der Flugschüler der Flugakademie betrat, konnte er die Hochachtung, die ihm entgegengebracht wurde, förmlich schmecken. Zum Unterrichtsbeginn stellte Don Richard sich stets neben das Rednerpult und verschränkte die Arme hinter seinem Rücken. Er stand ruhig da und ließ den Blick langsam über die Reihen der Flugschüler schweifen. Mit seiner beträchtlichen Körpergröße, seiner kerzengeraden Haltung und seinen leicht angegrauten Schläfen wurde Don Richard in diesem Augenblick zu einer Statue der Fliegerei. Sein strahlend weißer Anzug mit den Insignien eines Flugkapitäns vervollkommnete das Bild. Don Richard war sich dieser Wirkung bewusst und nutze diese, um Ruhe im Unterrichtssaal zu erzeugen. Sofort breitete sich eine fühlbare Stille im Raum aus, die sich zur gespannten Erwartung steigerte. 

    Jeder Unterricht, zu dem Don Richard in die Flugakademie eingeladen wurde, begann mit der Schilderung einer Situation, die selbst erfahrenen Flugkollegen den Schweiß auf die Stirn trieb. Dabei hatte Don anfänglich gar nicht angestrebt, Spannung und Aufregung zu erzeugen, er wollte lediglich Lösungsvorschläge für Vorkommnisse jenseits der Routine darlegen. 

    Dann jedoch, als er des Spannungsbogens, den er unbewusst erzeugte, gewahr wurde, stellte er fest, dass nichts besser den Lernstoff in die Gehirne der Flugschüler trägt.

    Mit einem Lächeln, einer wischenden Bewegung der linken Hand und einem entspannten Seufzen, vertrieb Don diese Erinnerungen, die sich gerade in den Vordergrund gedrängt hatten. Er hatte sich auf die Instrumente und schließlich auf den Anflug zu konzentrieren. Einige Turbulenzen brachten die Tragflächen in leichte Schwingungen, dies war in der Luftschicht am Übergang des kalten Meeres zum wärmeren Kontinent jedoch normal. Schon wechselte das Blau, welches von feinen weißen Streifen, gebildet aus den Schäumen der brechenden Wellen durchzogen war, zum gewellten Braun der sich in das Sichtfeld des Piloten schiebenden Kontinentalmasse. 

    Eine Stimme, welche Don im Laufe der Jahre lieben gelernt hatte, erzeugte eine sanfte Vibration in dem Kopfhörer, welchen er gerade für den anstehenden Sinkflug angelegt hatte.

    »Den letzten Kaffee, Chef?«, bot Kahlens freundliche Stimme an, die sie, wenn sie mit ihm sprach, wie immer von professionell auf freundschaftlich schaltete. Dabei blickte sie mit leicht schräg gehaltenem Kopf in das offen lächelnde Gesicht des großen Mannes, dessen Schläfen den leichten Anflug eines schimmernden Grautones zeigten.

    Don liebte diese Frage, welche sich im Laufe der Jahre zwischen den beiden zu einem freudig erwarteten Zwischenspiel entwickelt hatte. Diese Frage leitete doch immer das erwartete Ende eines langen Arbeitstages, kilometerhoch über den Erdenmenschen, wie Don sie insgeheim nannte, ein.

    »Wenn Sie sonst nichts zu bieten haben, nehme ich den Kaffee«, waren ein Teil der Formel, welche Kahlen nur ein seufzendes Lachen entlockte. Sie hätte den Kaffee in das Cockpit gebracht und ein lächelnder Flugkapitän wäre gerne bereit gewesen, diesen Becher mit dem pechschwarzen aufzumunternden Getränk in Empfang zu nehmen, wäre nicht eine leuchtend gelbe Signalanzeige des TCAS-Systems auf dem Kontrollpanel des Co-Piloten Piet van Deick aufgeflammt. Ein durchdringender Signalton forderte im Cockpit und Kopfhörern zu erhöhter Aufmerksamkeit auf.

    Ein Adrenalinstoß versetzte Piets körpereigenes Alarmsystem in höchste Aufmerksamkeit. Seine Muskulatur spannte sich an, die Gefäße verengten sich, was bei seinen evolutionären Vorfahren als Vorbereitung auf Flucht oder Kampf diente. Bei Piet van Deick führte dies nun aber zu einer augenblicklichen Schockstarre. Das Kollisionswarnsystem hatte ein sich näherndes Objekt erfasst. Piet starrte auf den grün schimmernden Radarmonitor, von dessen äußerem Rand sich ein weiß blinkender Punkt auf den mit einem Fadenkreuz markierten Mittelpunkt zubewegte.

    Piet konnte sich, flog er erst seit drei Jahren auf der Transatlantiklinie, nur an eine einzige gefährliche Annäherung eines anderen Flugzeuges erinnern.

    Ein junger Freizeitpilot flog im letzten Jahr mit einer Morane in den Anflugkorridor, konnte diesen jedoch nach einer strikten Ansprache der Bodenkontrolle gefahrlos wieder verlassen. Dieses Ereignis kam Piet in diesem Augenblick in den Sinn. Die sich damals schnell einstellende Erleichterung, ausgelöst durch das Vorüberziehen der Gefahr, fehlte nun. Der weiß blinkende Punkt setzte seinen Weg zum Mittelpunkt des Monitors unvermittelt fort.

    »Was ist das?«, sprach der Pilot seinen Partner an.

    »Irgendwas fliegt auf uns zu«, erwiderte dieser kurz. »Parameter!«, forderte Don nun energischer. Er war leicht verärgert, dass sein Co-Pilot reglos auf einem Radarmonitor mit der Anzeige einer ungewöhnlichen Annäherung an das Flugzeug starrte, ohne irgendwelche Reaktionen zu auslösen.

    »Äh, Okay Chef, ich… «.

    »Bitte nenne mir sofort die Werte!«, forderte der Pilot nun laut. 

    »Das... ähm... Objekt kommt schräg von unten aus

    Richtung 15 Uhr auf uns zu.«

    »Was heißt hier Objekt? Ein Flugzeug?« 

    »Ich weiß nicht genau.«  »Schnittpunkt!«  »Kommt sofort«.

    Piet übergab die Werte aus dem Radarsystem an den Rechner. Dieser kalkulierte aus den Flugparametern des Flugzeuges und denen des fliegenden Objektes Zeit und Ort des Zusammentreffens beider Objekte.

    »Drei Minuten, 50 Sekunden, circa 65 Kilometer vor dem Flughafen in 1500 Metern Flughöhe«. Dons Magengrube zog sich leicht zusammen, als sicheres Zeichen einer Situation, die er in dieser Form noch nicht erlebt hatte. Ein bedeutendes Element fehlte und dieses war die Bodenkontrolle.

    »Bodenkontrolle!« Don rückte das Mikrofon mit dem Handrücken näher an seinen Mund heran und aktivierte gleichzeitig den Funkkanal zum Tower des Flugplatzes.

    »C34B, wir hören Euch, sauberer Anflug, Ankunft in fünf Minuten und fünfzig Sekunden.«

    »Wir haben einen Flugkörper auf dem Schirm, bitte bestätigen!«

    Der Augenblick, der nun verging, brachte Don schlagartig die Erkenntnis, dass hier etwas geschah, welches sich jenseits seiner Erfahrungen befand, denn dieser Augenblick zog sich zu sehr in die Länge. Mit einem leisen Knacken meldete sich die Bodenkontrolle.

    »Wir haben hier nichts!«

    Piet unterdrückte den Impuls, mit dem Finger auf das Glas des Radarbildschirmes zu klopfen, als Zeichen der Hoffnung auf ein defektes Gerät. Dieses hatte man den Flugschülern auf der Akademie nachdrücklich untersagt und ihnen ähnliches Vorgehen im Flugsimulator ausgetrieben. Da Don ihn fragend ansah, stieß er mit fast versagender Stimme aus:

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