Warum sie Hitler folgten: Die andere Hälfte der Wahrheit
By Edgar Dahl
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Dass wir uns mit der Beantwortung dieser Frage so schwertun, hat einen einfachen Grund. Wir begehen den Fehler, das Dritte Reich von seinem Ende her zu betrachten. Sobald wir bereit sind, die Geschichte nicht von 1945, sondern von 1933 aus zu betrachten, wird schnell klar, dass die damalige Generation durchaus nachvollziehbare Gründe dafür hatte, sich der sogenannten nationalen Revolution anzuschließen.
Indem dieses Buch die Leser an die Hand nimmt und sie die Welt mit den Augen der damals lebenden Menschen sehen lässt, hilft es uns zu verstehen, weshalb sich zunehmend mehr Deutsche hinter Hitler stellten und sogar für ihn zu sterben bereit waren. Zudem räumt es mit einer Vielzahl von weit verbreiteten Irrtümern auf – angefangen vom Judenboykott über die Reichskristallnacht bis hin zu den Kriegsursachen.
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Warum sie Hitler folgten - Edgar Dahl
Edgar Dahl
Warum sie Hitler folgten
Die andere Hälfte der Wahrheit
Impressum
© Aix la Chapelle Books © Edgar Dahl
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E-Mail: contact@aixlachapellebooks.de
E-Book Distribution: XinXii
www.xinxii.com
Inhalt
Vorwort
„Das Schanddiktat von Versailles"
„Wir wählen Hitler"
„Kauft nicht beim Juden!"
„Der Judenstaat"
„Zum Schutze des deutschen Blutes"
„Die Juden? Nehmt sie!"
„Der Volkszorn rast"
„Seit 5 Uhr 45 wird jetzt zurückgeschossen!"
„Wollt ihr den totalen Krieg?"
„Wir werden ihre Städte ausradieren!"
„Davon haben wir nichts gewusst!"
„Gott segne den Führer!"
Nachwort
Anhang
Literatur
Des Historikers erste Pflicht
ist die Wahrheit,
die ganze Wahrheit,
und wer bloß die halbe Wahrheit sagt,
ist schon ein ganzer Lügner.
Wilhelm Heinrich Riehl
Vorwort
Wie konnte ein so zivilisiertes und kultiviertes Land wie Deutschland – ein Land, das Johann Sebastian Bach, Immanuel Kant, Johann Wolfgang von Goethe, Ludwig van Beethoven und Albert Einstein hervorbrachte – einer verbrecherischen Kreatur wie Hitler folgen und in einen Krieg ziehen, der mehr als 50 Millionen Menschen das Leben kostete?
Diese Frage dürfte sich sehr wahrscheinlich jeder Leser in der einen oder anderen Form bereits einmal vorgelegt haben. Welche Bilder wir in Geschichtsbüchern, Dokumentationen oder Spielfilmen auch immer vor Augen geführt bekommen – seien es die brennenden Synagogen von Berlin, die Massenerschießungen von Babi Yar oder die rauchenden Schornsteine der Krematorien von Auschwitz –, jedes Mal stellt sich aufs Neue die Frage: Wie konnte dies nur geschehen?
Wer auf diese Frage eine ehrliche und überzeugende Antwort sucht, wird jedoch in aller Regel enttäuscht. Ob in der Schule, im Fernsehen oder in den Büchern, überall bekommen wir Erklärungen vorgeführt, die uns zumeist nur noch verständnisloser zurücklassen.
Da sehen wir etwa einen geifernden, wild gestikulierenden Adolf Hitler, der wutentbrannte Reden schwingt, in denen er offenbar düstere Drohungen ausspricht und unverhohlen zum Rassenkampf aufruft. Ich sage „offenbar", weil wir für gewöhnlich noch nicht einmal die Worte verstehen, die er in seinem Zorn von sich gibt. Und genauso unverständlich wie seine Reden bleiben uns auch die Reaktionen des ihm lauschenden Volkes – die ihm entgegen gestreckten Arme der Männer und die tränen erfüllten Augen der Frauen. Nachdem man etwa ein Dutzend solcher Dokumentationen gesehen hat, drängt sich allmählich der Verdacht auf, dass die vermeintlich zur Aufklärung gedachten Sendungen auch gar nicht den Zweck verfolgen, uns das Geschehene verständlich zu machen. Man gewinnt mehr und mehr den Eindruck, dass sie es geradezu darauf anlegen, uns ratlos und kopfschüttelnd zurückzulassen.
Es scheint, als ließen sich Guido Knopp & Co. von der vollkommen ungerechtfertigten Befürchtung leiten, dass „alles verstehen, alles vergeben bedeute. Sie haben Angst, die wahren geschichtlichen Zusammenhänge darzustellen, weil sie befürchten, dass wir der Kriegsgeneration zu viel Verständnis entgegenbringen und ihnen ihr Verhalten womöglich verzeihen könnten. In ihren Augen kommt es dagegen vor allem darauf an, die Erinnerung an die Verbrechen „der
Deutschen und „unsere" Schuld wach zu halten.
Nun, dies mag Volkspädagogik sein, Geschichtswissenschaft ist es jedoch nicht.
In dem Eindruck, dass es in erster Linie um Volkspädagogik geht, wird man noch bestärkt, wenn man sieht, mit welchen Erklärungen die Zuschauer abgefertigt werden. Stark vereinfacht, laufen fast alle Beiträge auf die Behauptung hinaus, dass Hitler die Welt erobern und die Juden ausrotten wollte. Obgleich den Deutschen dieses Ziel wohlbekannt gewesen sei, haben sie die Nationalsozialisten dennoch zur Macht kommen lassen, ja, seien ihnen in taumelnder Begeisterung und blindem Gehorsam gefolgt.
Jedem Zuschauer, der sich während seiner Schulzeit einer Gehirnwäsche entziehen konnte, dürfte jedoch klar sein, dass dies Unsinn ist. Warum sollte sich die deutsche Bevölkerung, die gerade erst den Ersten Weltkrieg überstanden hat, nach einem Zweiten Weltkrieg sehnen? Warum sollten sich Frankreich, England und Amerika über Jahre hinweg den Wiederaufbau Deutschlands mitansehen, wenn sie allezeit wussten, dass Hitler nichts anderes als die Eroberung der Welt und die Ausrottung der Juden im Schilde führte? Und warum sollten sie in einem erneuten Krieg Millionen eigener Soldaten opfern, wenn sie einen von Hitler offen angekündigten „Weltenbrand" 1933 doch ohne große Mühe im Keime hätten ersticken können?
Auch die Behauptung, dass die von Joseph Goebbels und Albert Speer inszenierten Auftritte Hitlers und die Fackelzüge der SA den Verstand der Bevölkerung vernebelten und das gesamte Volk zur Entfesselung eines neuen Krieges und zur Ermordung der Juden verführten, macht einfach keinen Sinn. Die Menschen mögen leichtgläubig und mitunter sogar dumm sein, doch nur selten sind sie so dumm, dass sie sich bewusst einer offenkundig selbstmörderischen Mission hingeben.
Einer der wenigen Autoren, der die Entstehung des Dritten Reiches und das Verhalten der deutschen Bevölkerung recht gut zu erklären wusste, war Sebastian Haffner. In seinem ausgezeichneten Buch „Anmerkungen zu Hitler versetzt er seine Leser in die damalige Situation der Deutschen. Indem er sie auf die Schmach von Versailles, die Weltwirtschaftskrise und das politische Chaos der Weimarer Republik aufmerksam macht, beginnen die Leser ein Gefühl dafür zu entwickeln, warum die Deutschen 1933 bereit waren, es mit den Nazis zu versuchen. Und indem er sich nicht scheut, buchstäblich auch die „Verdienste
, „Leistungen und „Erfolge
Adolf Hitlers herauszustreichen, begreifen die Leser auch, warum ihm Jahr für Jahr mehr und mehr Menschen zuliefen.
Wie Haffners Buch, so will auch dieses Buch verständlich machen, was die deutsche Kriegsgeneration in die Arme Hitlers getrieben hat. Auch mir muss daher daran gelegen sein, dass die Leser die Geschichte des Zweiten Weltkrieges nicht, wie es nur zu häufig geschieht, von seinem Ende, also vom Holocaust her, betrachten, sondern sich in die Situation der damaligen Zeit hineinversetzen.
Wie Sebastian Haffner gezeigt hat, muss man keineswegs ein Historiker sein und die Leser mit einem akademischen Anmerkungsapparat erschlagen, um komplizierte geschichtliche Ereignisse verständlich zu machen und in einfachen Worten darzustellen. Außer einigen Empfehlungen zum Weiterlesen enthält dieses Buch daher auch keine Fußnoten oder was auch immer die Bücher professioneller Historiker auszeichnen mag.
Der Untertitel dieses Buches – „Die andere Hälfte der Wahrheit – ist durchaus wörtlich zu verstehen. Unser Geschichtsbild leidet nämlich nicht so sehr unter der bewussten Verbreitung der Unwahrheit, als vielmehr unter der gezielten Unterschlagung der vollständigen Wahrheit. Um ein einfaches Beispiel zu nehmen: Man kann den „deutschen Boykott jüdischer Waren
vom 1. April 1933 nicht wirklich verstehen, wenn man verschweigt, dass er eine Reaktion auf den „jüdischen Boykott deutscher Waren" darstellte.
Ich hoffe, dass mein Buch „Warum sie Hitler folgten" zur Aufklärung beitragen kann und dabei helfen wird, das Verhalten der damaligen deutschen Bevölkerung und die Entstehung des Zweiten Weltkrieges etwas besser zu verstehen.
Edgar Dahl Gießen im Frühjahr 2017
„Das Schanddiktat von Versailles"
In Deutschland sind wir es gewohnt von zwei Weltkriegen zu sprechen: Dem Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918 und dem Zweiten Weltkrieg von 1939 bis 1945. Dies wird jedoch nicht überall so getan. In England sprechen beispielsweise nicht wenige vom