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Atlantiküberquerung: Ein Reisebericht mit Fehleranalyse und praxisnahen Ratschlägen für die Ost-West-Passage
Atlantiküberquerung: Ein Reisebericht mit Fehleranalyse und praxisnahen Ratschlägen für die Ost-West-Passage
Atlantiküberquerung: Ein Reisebericht mit Fehleranalyse und praxisnahen Ratschlägen für die Ost-West-Passage
Ebook520 pages6 hours

Atlantiküberquerung: Ein Reisebericht mit Fehleranalyse und praxisnahen Ratschlägen für die Ost-West-Passage

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About this ebook

Wohl jeder Segler träumt davon, einmal bei einer Atlantiküberquerung auf einer Segelyacht dabei zu sein. Dabei lauern neben fantastischen Erfahrungen und Kosten auch noch ein paar Fallstricke, die mit dem richtigen Wissen vermeidbar wären.

Alexander Hesse hat seinen Traum wahr gemacht und sich in dieses Abenteuer gestürzt, als sich plötzlich die Möglichkeit auftat. Er hat sich zwar mit der Crew fast ein Jahr lang auf den Törn vorbereitet, aber dennoch wurden ein paar Dinge übersehen, Kleinigkeiten teilweise, die das ganze Unternehmen unnötig riskant machten. In diesem Buch berichtet er von der Vorbereitung, der Atlantiküberquerung von Las Palmas (Gran Canaria) nach St. Martin (Karibik) an sich, den Pannen und Katastrophen, die teilweise nur mit viel Glück unbeschadet überstanden wurden, und analysiert im Anhang die Fehler.

Daraus ergibt sich ein Ratgeber, der bei der Planung und Durchführung derartiger Segeltörns hilft und dem Leser unnötige Erfahrungen und Kosten erspart. Der Anhang enthält neben der Fehleranalyse auch einen Kostenüberblick, handfeste Ratschläge für Ausrüstung, Vorbereitung und eine Checkliste, für potenzielle Fehlerquellen und Risiken.

Zitat vom Autor: »Ich hätte mir dieses Buch bereits vor meiner ersten Atlantiküberquerung gewünscht.«
LanguageDeutsch
Publishertredition
Release dateMar 15, 2023
ISBN9783347899650
Atlantiküberquerung: Ein Reisebericht mit Fehleranalyse und praxisnahen Ratschlägen für die Ost-West-Passage
Author

Alexander Hesse

Im Jahr 1980 bin ich in Berlin geboren worden. Wasser und Boote haben mich schon seit meiner Kindheit fasziniert. Richtig ausgelebt habe ich diese Faszination allerdings erst später. Mit 28 Jahren habe ich mit dem Segelsport angefangen. Zuerst habe ich die Sportbootführerscheine See und Binnen absolviert. Später kamen der Sportküstenschifferschein und der Funkschein hinzu. Viele Praxistörns, Skipper- und Manövertrainings später habe ich von einem Bekannten das Angebot erhalten, als Co-Skipper an einer Atlantiküberquerung teilzunehmen. Spontan habe ich zugesagt. Erfahrungen mit Langfahrten hatte ich zu dem Zeitpunkt noch keine. Die Überfahrt ist trotz monatelanger und intensiver Vorbereitung für uns alle anders abgelaufen als geplant. Trotz dieser Erfahrung bin ich dem Segelsport treu geblieben. Ich habe den Sportseeschifferschein (SSS) abgelegt, mit dem es mir fortan möglich war, als Skipper mit Gästen eigene Segeltörns zu unternehmen. Eine Frage hat mich dabei nie losgelassen: Welche Fehler haben wir damals bei unserer Atlantiküberquerung gemacht und wie hätte die Reise besser ablaufen können? Wenn ich mit meinem heutigen Wissen und meiner Erfahrung auf unsere damalige Atlantiküberquerung zurückschaue, sehe ich viele Entscheidungen, die ich heute anders treffen würde. Dieses Wissen will ich mit diesem Buch weitergeben.

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    Book preview

    Atlantiküberquerung - Alexander Hesse

    Vorbereitung

    der Reise

    KAPITEL 1

    Die Yacht

    Ein paar Tage später landet eine E-Mail in meinem Posteingang. Der Absender ist Wolfgang. In der Betreffzeile steht: Erste Bilder von unserer Yacht. Erwartungsvoll öffne ich das PDF-Dokument im Anhang. Auf der ersten Seite taucht unter der Überschrift Yvette das Foto einer Segelyacht in einem Hafenbecken auf. Die Yacht sieht bereits älter aus. Es ist keine schicke und moderne Yacht, wie bei dem ersten Mitsegeltörn mit Wolfgang. Ich bin enttäuscht. Der erste Eindruck kann aber auch täuschen , sage ich mir und scrolle weiter nach unten. Bei der Yacht handelt es sich um einen Einmaster. Großsegel und Vorsegel sind eingerollt und in weinroten Persennings verstaut. Der Rumpf ist in einem auffallend weinroten Farbton lackiert. Das Material ist Glasfaser verstärkter Kunststoff, kurz: GFK. Auf dem Oberdeck leuchtet heller Kunststoff. Auf dem Vorschiff unter dem Baum ist eine weiße Box befestigt: die Rettungsinsel. In der Mitte des Schiffes ist das Cockpit mit einem hellen Tisch zu erkennen. In der Mitte vom Cockpit befindet sich der Steuerstand mit einem einzelnen Steuerrad. Am Heckkorb ist auf der Backbordseite ein orangefarbener Rettungsring und auf der Steuerbordseite ein kleiner Außenbordmotor für ein Schlauchboot befestigt. Über dem orangefarbenen Rettungsring weht die kroatische Flagge.

    Auf der nächsten Seite sind Aufnahmen vom Inneren der Yacht zu sehen. Der Innenraum ist mit hellen braunen Holzvertäfelungen verkleidet, der Boden mit lackierten Holzdielen. Auf der linken Seite ist eine Sitzecke zu sehen. Daneben steht eine einzelne Sitzbank. Sitzecke und Sitzbank sind mit blauem Polster bezogen. An der Wand über der Sitzecke hängt ein großer schwarzer Flachbildfernseher. Unter Deck herrscht rustikale Wohnzimmeratmosphäre. Auf der rechten Seite befindet sich eine Pantryküche mit Spüle, Kühlfach und einem Gasherd.

    Die nächsten Fotos zeigen Aufnahmen vom Kartentisch und den darüber in einer Holzwand eingebauten verschiedenen Geräten, Instrumenten und Anzeigen. Meine Aufmerksamkeit richtet sich auf die verbauten Geräte. Ich erkenne ein UKW Funkgerät. Daneben ist eine schwarze Schalttafel mit kleinen Schaltern und den weißen Umrissen einer Yacht eingebaut. Weiterhin sehe ich eine verstellbare Leseleuchte, eine Anzeige für den Tank und das große Display eines Kartenplotters. In der braunen Holzwand neben dem Kartenplotter klafft ein großes viereckiges Loch, dahinter sind Kabel erkennbar. Offenbar war dort mal etwas verbaut. Unter dem Kartenplotter befindet sich das Bedienfeld von einem UKW-Radio. Seitlich an der Holzwand und vor dem Kartentisch ist die Anzeige eines Radargeräts befestigt. Ich scrolle weiter. Es folgen Bilder der Bugkabine sowie der beiden Achterkabinen. Jede der drei Kabinen hat zwei Kojen. Die Matratzen in den Kojen sind mit orangefarbenen Spannbettlaken bespannt, darauf liegen Kopfkissen und Bettdecken mit grauer Bettwäsche. Der Himmel der Kabinen ist beige gehalten. Jede der Kabinen hat einen schmalen Einbauschrank aus dunkelbraun lackiertem Holz. Weitere Fotos zeigen zwei Nasszellen mit Waschbecken, Dusche und Bord-WC. Das nächste Foto zeigt Lichtmaschine, Anlasser und Schwungscheibe, die mit einem dunklen Keilriemen verbunden sind. Auf den nächsten Fotos sind zwei Solarzellen zu sehen, die am Heck der Yacht über dem Steuerstand montiert sind. Es folgen Fotos von vier großen schwarzen Batterien.

    Auf der letzten Seite befinden sich noch ein paar Angaben zur Yacht. Die Länge ist mit 40 Fuß, also knapp 12 Metern angegeben. Baujahr 2005, die Yacht ist also schon älter. An Zubehör werden Autopilot, zwei Vorsegel mit Rollfock, ein Großsegel, Rettungsring, Rettungswesten, eine Rettungsinsel sowie ein Schlauchboot mit Benzinmotor aufgeführt.

    Die Yacht wirkt klein. Für die Überfahrt mit sechs Teilnehmern hätte ich ein größeres Schiff erwartet. Die technische Ausrüstung sieht für mich nach einfachem Standard aus. Abgesehen von dem Radargerät ist keine besondere technische Ausrüstung an Bord. Auf den Fotos wird deutlich, dass die Yacht nicht mehr das neueste Modell ist. Für einen Moment kommen mir Zweifel, ob meine Zusage für eine Atlantiküberquerung mit diesem Schiff richtig gewesen ist.

    KAPITEL 2

    Die Besatzung

    Sonntag, der 2. März. Knapp zwei Wochen liegt Wolfgangs Anruf zurück. Mein Blick wechselt zwischen meiner Uhr und meinem Smartphone. Vor mir liegt ein Steckbrief mit einer Kurzvorstellung zu meiner Person. Unter meinem Foto sind ein paar Angaben zu mir und meinen bisherigen Segelerfahrungen aufgelistet.

    Es ist so weit. Mein Smartphone fängt an zu vibrieren. Im Display taucht der Name Wolfgang auf. Ich drücke auf Freisprechen. Im Hintergrund sind Stimmen, Getuschel und Gelächter zu hören.

    »Hallo Wolfgang«, melde ich mich.

    »Hey Alexander«, meldet sich seine kräftige, ruhige Stimme. »Hier sind Wolfgang und der Rest der abenteuerlustigen Crew. Sagt mal unserem Crewmitglied Hallo.«

    Im Hintergrund kann ich verschiedene männliche Stimmen »Hallo« und »Hey« rufen hören.

    »So, Alexander, ich hoffe, es geht dir gut und du bist immer noch bereit und entschlossen, dich mit uns in das große Abenteuer zu stürzen. Wir sitzen hier zu fünft in einem Gasthof gesellig beisammen und die Stimmung bei uns ist ausgezeichnet. Bei mir sitzen Gerd, Roland, Holger und Thomas. Wirklich schade, dass du bei unserem heutigen Crewtreffen nicht dabei sein kannst. Ich kann aber gut verstehen, dass du dir die weite Strecke, noch dazu an einem Sonntag, in den Süden der Republik nicht antun willst. Wir stellen uns am besten noch einmal kurz vor. Ich fange bei mir an …«

    Wolfgang erzählt, dass er 52 Jahre alt ist und im Nebenberuf als Skipper arbeitet. Bei der Atlantiküberquerung wird er die Organisation und die Funktion als Schiffsführer übernehmen.

    Als Nächstes stellt sich eine raue Stimme mit dem Namen Gerd vor, der 65 Jahre alt ist, an der Uniklinik arbeitet und einen Doktortitel trägt. Gerd wird an Bord die medizinische Versorgung und die Funktion als Arzt übernehmen. Gerd wird daher gleich auf den Spitznamen Doc getauft. Ergänzend fügt er noch hinzu, dass er sich auf der Reise das Rauchen abgewöhnen will. Die nächste Stimme klingt ruhig und besonnen und stellt sich als Roland vor. Roland ist 45 Jahre alt und bezeichnet sich selbst als leidenschaftlichen Hobbykoch. An Bord wird er die Verpflegung und die Funktion als Koch übernehmen.

    Eine aufgeweckte Stimme meldet sich mit Namen Holger, der ebenfalls 45 Jahre alt ist und an Bord die Dokumentation der Reise und die Funktion als Fotograf sowie Videofilmer übernehmen wird. Holger gibt an, sich ebenfalls an Bord das Rauchen abgewöhnen zu wollen.

    Die letzte Stimme gehört zu Thomas, der 42 Jahre alt ist, sich um den Transport von Spezial- und Zusatzgepäck auf dem Luftweg kümmern und an Bord die anfallenden Aufgaben als Handwerker und Steuermann übernehmen wird. »Wenn du magst, kannst du dich jetzt mal kurz vorstellen«, meint Wolfgang. »Schön euch zu hören«, fange ich an. »Wie Wolfgang bereits erwähnt hat, ist es mir heute aus zeitlichen Gründen nicht möglich, persönlich vor Ort zu sein. Damit ihr aber schon mal ein Bild von mir vor Augen habt, habe ich einen Steckbrief vorbereitet, der euch jetzt vorliegen sollte. Ich bin 34 Jahre alt und …«

    Wolfgang unterbricht mich: »Sorry, Alexander, aber mir fällt gerade auf, dass ich deinen Steckbrief im Büro ausgedruckt aber auf meinem Schreibtisch liegen gelassen habe. Alzheimer lässt grüßen. Tut mir leid. Fahr doch einfach weiter fort.«

    Ich ärgere mich über mich selbst, dass ich an dem Crewtreffen nicht persönlich teilgenommen habe. Auf diese Weise und per Telefon kann ich mir weder von der Crew noch die Crew sich von mir ein realistisches Bild machen. »Kein Problem«, antworte ich, »dann werde ich einfach improvisieren.«

    Ich erzähle, dass ich aus Berlin komme, Elektrotechnik studiert habe und als Ingenieur in einem größeren Unternehmen arbeite. Ich erwähne, dass ich vor sechs Jahren mit dem Segeln angefangen habe und mittlerweile im Besitz des Sportküstenschifferscheins bin.

    Als ich mit meiner Vorstellung fertig bin, ergänzt Wolfgang: »Alexander wird aufgrund seines technischen Hintergrundes das Aufgabenpaket Kommunikation übernehmen. Mit seiner Vorerfahrung im Bereich Segeln wird er außerdem an Bord die Rolle als mein Stellvertreter übernehmen.« Wolfgang macht eine kurze Pause, »Alexander hat noch weitere gute Ideen und Vorschläge für unsere Reise. Ich würde dich bitten, diese einfach mal vorzustellen.«

    Das hatte ich mit Wolfgang bereits im Vorfeld ausgemacht und fange an: »Meine erste Idee sieht vor, dass wir eine eigene Webseite für die Atlantiküberquerung erstellen. Auf der Seite können wir unseren Familien, Freunden und Bekannten die Möglichkeit bieten, mithilfe von Blogs die Reise von zu Hause aus mitzuverfolgen. Um die Erstellung der Webseite kann ich mich kümmern. Ich brauche nur ein paar Steckbriefe von euch, auf denen ihr euch kurz vorstellt, zusammen mit einem Foto. Um die Blogs zu veröffentlichen, benötige ich noch jemanden, den wir unterwegs anrufen und der das von Land aus für uns erledigen kann. Weitere Kosten oder Aufwände würden für euch nicht entstehen. Was haltet ihr von der Idee?«

    Aus dem Telefon höre ich leise Stimmen und Getuschel. Nach einem kurzen Moment meldet sich Wolfgang: »Wir finden deine Idee super und wir würden es sehr begrüßen, wenn du dich darum kümmern könntest. Gerd meint, er fragt seinen Sohn, ob er Zeit hat und das für uns übernehmen kann.«

    »Gut, dann komme ich zu meiner zweiten Idee. Es ist technisch möglich, unsere Position fortlaufend an unsere Webseite zu übertragen. Die Besucher unserer Webseite können dann auf einer digitalen Karte sehen, wo wir uns aktuell befinden. Dafür ist allerdings die Anmietung eines Satelliten-GPS-Trackers erforderlich. Weiterer Vorteil ist, dass in einem Notfall per Knopfdruck Hilfe angefordert werden kann. Wir hätten somit ein weiteres Sicherheitsfeature mit an Bord. Die Kosten für die Anmietung würden insgesamt hundertvierzig Euro betragen. Die Anmietung kann ich übernehmen. Seid ihr bereit, diese Kosten gemeinsam über die Bordkasse zu tragen?«

    Wieder höre ich leise Stimmen aus dem Telefon. Ich kann die Reaktion in den Gesichtern nicht sehen und daher nicht feststellen, ob ich die Funktionsweise des Gerätes anschaulich genug rübergebracht habe.

    Wolfgang sagt schließlich: »Die Sicherheit an Bord ist uns sehr wichtig, daher unterstützen wir deinen Vorschlag und stimmen einer Finanzierung aus der Bordkasse zu.«

    »Dann komme ich zu meiner dritten und letzten Idee. Was haltet ihr davon, wenn wir uns für die Atlantiküberquerung eigene Crew-Shirts drucken lassen? Ich stelle mir türkisfarbene Poloshirts vor. Auf der Brustseite soll der Name des Teilnehmers und darüber ein bestickter Patch mit unserem eigenen Logo aufgenäht werden. Auf der Rückseite soll ein stilisiertes Bild von der Yacht mit der geplanten Route auf der Erdkugel aufgedruckt sein. Darunter soll dann die Adresse unserer Webseite stehen. Das Design kann ich entwerfen. Für den geplanten Messebesuch nach der Reise kann ich mir weiße elegante Hemden mit Stehkragen in einem ähnlichen Design vorstellen. Die Kosten für zwei Crew-Shirts und ein Hemd werden insgesamt zweihundert Euro betragen.« Ich füge hinzu: »Mit den Shirts und Hemden würden wir wie professionelle Segler aussehen.«

    Wolfgang sagt: »Die Kosten für die Oberteile sind recht hoch, aber wir würden mit einheitlichen Shirts auch nach außen demonstrieren, dass wir zusammengehören und ein Team sind. Genau diesen Spirit brauchen wir an Bord. Die Crew hat soeben einstimmig nickend zugestimmt und deine Idee mit den Crew-Shirts wird akzeptiert. Vielen Dank für deine tollen Vorschläge und deine Bereitschaft, diese zusätzliche Arbeit auf dich zu nehmen. Ich bin mir sicher, dass unsere Atlantiküberquerung ganz besonders werden wird. Vielleicht gehen wir damit noch in die Geschichte ein.« Wolfgang lacht kurz und fährt dann fort: »An dieser Stelle muss ich noch ein paar ernste Themen ansprechen, die jeder von euch unbedingt beherzigen muss. So eine Atlantiküberquerung ist nicht ungefährlich. Zu den drei meist gefürchteten Gefahren an Bord zählen erstens Feuer im Schiff, zweitens die Kollision der Yacht mit einem schlafenden Wal und drittens die Kollision mit einem schwimmenden Gegenstand, zum Beispiel einem Container, der bei Sturm von einem Frachtschiff gefallen, mit Wasser vollgelaufen ist und knapp unterhalb der Wasseroberfläche schwimmt. Die Wahrscheinlichkeit für so ein Erlebnis ist sehr gering, ich will es hier aber erwähnen, damit jeder weiß, worauf er sich einlässt. Ein anderes wichtiges Thema ist Gesundheit. Jeder hat sich vor Törnantritt einem medizinischen Gesundheitscheck zu unterziehen. Zahnprobleme müssen vorher behoben werden. Wenn ihr Medikamente einnehmt, so müsst ihr diese in ausreichender Stückzahl mitführen. Auf dem Atlantik kommen kein Rettungswagen und auch kein Rettungshubschrauber. Wir sind völlig auf uns allein gestellt. Das Worst-Case-Szenario eines Toten an Bord bedeutet für uns, dass wir die Pflicht haben, den Leichnam mitzuführen und ihn im nächsten Hafen an die zuständigen Behörden zu übergeben. Ich weiß, das klingt sehr makaber, ansprechen und ins Bewusstsein rufen muss ich es trotzdem.«

    Auf der anderen Seite der Leitung herrscht für einen Moment Stille.

    Wolfgang ergreift kurz darauf wieder das Wort: »Die Punkte der heutigen Besprechung werde ich in einem Protokoll zusammenfassen und euch per E-Mail schicken. Jeder kann darin nachlesen, was heute besprochen und entschieden worden ist. Alexander, hast du noch Punkte, die du in unserer Runde loswerden willst?«

    »Nein«, antworte ich.

    »Gut«, meint Wolfgang, »dann hören wir uns bald wieder.«

    Das Telefonat ist beendet. Mich freut, dass alle meine Vorschläge einstimmig von der Crew angenommen wurden. Gleichzeitig kommt dadurch aber auch viel Arbeit auf mich zu.

    KAPITEL 3

    Die Törnplanung

    Ein paar Tage später wird das Besprechungsprotokoll von Wolfgang per E-Mail an die Teilnehmer versandt. Darin ist die geplante Route beschrieben. Für die Törnplanung wird die Seekarte Imray 100 für die Atlantikpassage verwendet.

    Die Atlantiküberquerung soll am 28. November um 07: 00 Uhr vom Starthafen Las Palmas (Gran Canaria) an der Position 28°07‘N 015°25‘W starten. Nach dem Ablegen soll Kurs in Richtung 240 Grad und auf den Kanarischen Strom gehalten werden. Laut Seekarte ist die Strömung mit 0,5–1,0 Knoten in südwestlicher Richtung angegeben und der Kurs soll bis zur Position 20°00‘N 026°50‘W gefahren werden. Auf dieser Position befindet sich der Einlenkpunkt der südlichen Route in Richtung Karibik. Die Kapverden liegen von der Position ungefähr 200 nautische Meilen in südöstlicher Richtung.

    Von dem Einlenkpunkt der südlichen Karibikroute soll auf Südwestkurs gegangen werden, bis der Nordostpassatwind nördlich des Äquators erreicht wird. Der Passatwind wird mit 10–15 Knoten Windgeschwindigkeit in nordöstlicher Richtung erwartet. Weitere Unterstützung soll der Nordäquatorialstrom zwischen den Kapverden und der Karibik auf Höhe des 16. Breitengrades liefern. Dieser Strom ist laut Seekarte mit einer Strömung von 0,5–1,5 Knoten in westlicher Richtung angegeben. Unmittelbar vor der Karibik und auf Höhe des 45. Längengrades soll Kurs auf St. Martin gehalten werden. Spätestens am 22. Dezember um 12: 00 Uhr soll der Zielhafen Philipsburg (St. Martin) an der Position 18°01‘N 063°02‘W angelaufen werden.

    Die Distanz der Atlantiküberquerung beträgt ca. 2.900 nautische Meilen. Die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit wird mit 5,0 Knoten angenommen. Daraus ergeben sich ein Etmal von 120 nautischen Meilen und eine Reisedauer von ca. 24 Tagen.

    KAPITEL 4

    Die Aufgaben

    In dem Besprechungsprotokoll wurden vom Schiffsführer für jeden Teilnehmer die zu erledigenden Aufgaben in Form von sechs individuellen Arbeitspaketen zusammengefasst. Jeder Teilnehmer weiß somit genau, was von ihm bis zum Beginn der Reise vorzubereiten ist.

    Arbeitspaket 1 (Organisation): Wolfgang

    • Auswahl von Yacht und Besatzung

    • Festlegung von Aufgabenpaketen

    • Aufgabenverteilung an die Besatzung

    • Einholen von Informationen über die Reise

    • Festlegung von Ansprechpartnern

    • Reservierung der Hin- und Rückflüge

    • Abschluss notwendiger Versicherungen

    • Organisation des Flughafentransfers

    • Törnplanung vom Start- zum Zielhafen

    • Berechnung Dieselverbrauch

    • Festlegen von Notfall- und Sicherheitsmaßnahmen

    • Erstellung und Verteilung einer Packliste

    • Festlegen eines Wachplans

    • Führen des Logbuchs

    • Verteilen von Informationen an die Besatzung

    Wolfgang besichtigt als Schiffsführer im Vorfeld die Yacht und stimmt mit dem Eigner das Prozedere zur Übernahme und Rückgabe ab. Er stellt die Besatzung zusammen und identifiziert die zu erledigenden Aufgaben. Die Aufgaben fasst er in Aufgabenpaketen zusammen und verteilt diese an die Besatzung. Den Stand der Aufgabenerfüllung fragt er regelmäßig bei der Besatzung ab.

    Er bereitet sich auf die Reise vor, indem er Fachliteratur und das Internet recherchiert sowie sich mit erfahrenen Seglern austauscht. Er legt Ansprechpartner an Land fest, die uns mit ihrem Fachwissen unterstützen. Er informiert sich ebenfalls über rechtliche Grundsätze, die zum Beispiel die Ausreise (Ausklarieren) von Gran Canaria sowie die Einreise (Einklarieren) in St. Martin betreffen und gibt diese an die Besatzung weiter. Er lässt sich von einem Reisebüro ein Angebot für die Hin- und Rückflüge erstellen und lässt den Teilnehmern die Rechnung zukommen. Er schließt die notwendigen Versicherungen (Skipperhaftpflichtversicherung, Reiserücktrittsversicherung) für den Törn ab. Er organisiert den Transfer der Besatzung zwischen Flughafen und Marina. Er führt die Törnplanung vom Starthafen zum Zielhafen unter Berücksichtigung der zu erwartenden Wetterverhältnisse, Gezeiten, Strömungen und Winde durch.

    Bei der Törnplanung legt er auch eine Alternativroute (Kapverden) fest. Für die Reiseroute kalkuliert er die ungefähre Anzahl an Motorstunden und berechnet daraus die mitzuführende Dieselmenge.

    Als Schiffsführer legt er die Maßnahmen zur Sicherheit an Bord und für das Verhalten in Notfällen fest. Er erstellt eine Packliste mit Vorschlägen für die Mitnahme von Ausrüstung und Bekleidung und verteilt diese an die Besatzung. Dabei weist er die Crew auf die begrenzten Verstaumöglichkeiten an Bord hin. Er erstellt einen Wachplan für die Tag- und Nachtfahrten und teilt Wachen und Wachführer an Bord ein.

    Als Schiffsführer hat er die Pflicht, ein Logbuch vorzubereiten und an Bord zu führen. In der Vorbereitungsphase steht er laufend in engem Kontakt zur Crew und zum Eigner der Yacht.

    Arbeitspaket 2 (medizinische Versorgung): Doc

    • Übernahme der medizinischen Versorgung

    • Führen des Arztkoffers

    • Führen der Bordapotheke

    • Abstimmung mit einem Arzt an Land

    • Küchenhilfe (Co-Koch): Unterstützung des Koches in der Küche

    • Unterhaltung: Mitnahme von Musik

    • Veröffentlichung von Blogs auf der Webseite (Sohn von Doc)

    Doc wird das Aufgabenpaket medizinische Versorgung aufgrund seines beruflichen Hintergrundes übertragen. Im Falle von Unwohlsein, bei Unfällen oder Verletzungen der Besatzung kommt er in seiner Funktion als Arzt zum Einsatz. Während der Reise führt er einen Arztkoffer mit Verbänden und Instrumenten für die Behandlung von Unfällen an Bord sowie die Bordapotheke in Form eines Koffers mit den wichtigsten Medikamenten. Vor der Reise nimmt er rechtzeitig Kontakt zu einem weiteren Arzt an Land auf, für funkärztliche Beratungen und Instruktionen auf See (Medico-Gespräch) über Funk bzw. Satellitentelefon.

    Daneben unterstützt er den Koch als Küchenhilfe (Co-Koch) bei vorbereitenden Aufgaben (Schälen und Putzen von Gemüse und Obst, Eindecken und Abräumen des Tisches, Servieren von Snacks, Dokumentation und Überwachung der Lebensmittelverbräuche und Trinkwasser).

    Unterwegs steht kein Fernsehen und Radio nur eingeschränkt zur Verfügung. Für die Unterhaltung an Bord stellt er geeignete Musiktitel auf einem digitalen Datenträger zusammen und stellt sicher, dass die Titel über die Musikanlage der Yacht später wiedergegeben werden können. Weiterhin kümmert er sich um Karten- und Brettspiele für die Zeit an Bord.

    Der Sohn von Doc, Christian, hat sich bereit erklärt, unsere Blogbeiträge während der Reise telefonisch entgegenzunehmen und anschließend auf unserer Webseite zu veröffentlichen.

    Arbeitspaket 3 (Verpflegung): Roland

    • Kochen

    • Erstellung eines Verpflegungsplanes

    • Kalkulation der Lebensmittel

    • Erstellung der Einkaufsliste

    • Einkauf und Proviantierung

    • Kalkulation Trinkwasserbedarf

    • Kauf von Trinkwasser

    • Kalkulation Gasverbrauch

    • Kauf von Gaskartuschen

    • Mitführen der Angelausrüstung

    • Abfallmanagement: Entsorgung gem. MARPOL-Übereinkommen

    Roland übernimmt die Funktion als Koch. Er erstellt für die Überfahrt der Besatzung einen Verpflegungsplan, der drei Mahlzeiten am Tag vorsieht: morgens Frühstück, mittags Snacks und abends warme Gerichte. Hierfür sammelt er Rezepte, die sich an Bord auf zwei Kochfeldern und in einem Backofen schnell und einfach zubereiten lassen. Damit möglichst wenig Lebensmittel mitgeführt werden müssen, sollen die Zutaten der Gerichte mit anderen Gerichten kombinierbar sein. Ebenfalls müssen die Zutaten lange haltbar sein, da zur Kühlung von Lebensmitteln nur ein kleines Kühlfach zur Verfügung steht. Eine Möglichkeit zur Tiefkühlung besteht nicht. Die Gerichte testet er zu Hause mit seiner Familie. Anhand des Verpflegungsplanes kalkuliert er die benötigten Lebensmittel und erstellt daraus eine Einkaufsliste. Vor Ort führt er zusammen mit der Besatzung den Einkauf im Supermarkt durch. Er ist zuständig für das Verstauen und die Beladung der Einkäufe an Bord (Bunkern). Beim Verstauen der Lebensmittel hat er die Haltbarkeitsdauern und die individuellen Lageranforderungen zu berücksichtigen. Er muss sich informieren, welche Obst- und Gemüsesorten zusammen gelagert werden dürfen und wo der Reifeprozess beschleunigt und die Haltbarkeitsdauer verkürzt wird.

    Er berechnet den gesamten Trinkwasserbedarf für die Überfahrt der Besatzung einschließlich einer Notreserve. Dabei kalkuliert er mit zwei Litern pro Tag und pro Person für das Kochen, Trinken und Zähneputzen. Das Trinkwasser soll in Kunststoffkanistern vor Ort im Supermarkt gekauft werden. Er berechnet den Gasverbrauch für das Kochen und Backen an Bord. Er kalkuliert, dass eine Gaskartusche für zwei Wochen reicht. Eine Gaskartusche wird bereits an Bord sein. Eine zusätzliche Gaskartusche soll vor Ort in der Marina gekauft werden.

    Roland trägt mit seiner Planung und Kalkulation ein hohes Maß an Verantwortung. Wenn er falschliegt, dann steht während der Reise zu wenig an Lebensmitteln, Trinkwasser oder Gas zum Kochen zur Verfügung.

    Für die Ergänzung des Verpflegungsplanes wird sich Roland um den Fischfang an Bord kümmern. Dafür nimmt er seine Angelausrüstung bestehend aus Angel, reißfester Sehne und ausreichend unterschiedlichen Ködern mit. Abschließend wird sich Roland um das Abfallmanagement an Bord kümmern. Er wird sich informieren, welche Abfälle gem. MARPOL-Übereinkommen ins Meer geworfen werden dürfen und welche an Bord verbleiben müssen.

    Arbeitspaket 4 (Dokumentation): Holger

    • Foto- und Videoaufnahmen

    • Mitführen von Foto- und Filmausrüstung

    • Erstellung eines Videofilmes

    • Führen der Bordkasse

    Holger wird die Atlantiküberquerung von Beginn an bis zum Ende der Reise mit Foto- und Videoaufnahmen dokumentieren. Hierfür nimmt er seine Filmausrüstung mit: eine neue Kamera für hochlösende Fotos bei schönem Wetter und eine ältere Kamera für Schnappschüsse. Damit Filmaufnahmen auch bei heftigen Regenfällen und unter Wasser möglich sind, wählt er eine kompakte, mobile Kamera in einem wasserdichten Gehäuse. Nach der Atlantiküberquerung soll er mit den zahlreichen Bildern und Videoaufnahmen einen Film erstellen und diesen an die Teilnehmer verteilen.

    Für das Bestreiten von gemeinsamen Ausgaben der Besatzung wird an Bord eine Bordkasse eingerichtet. Zu den gemeinsamen Ausgaben zählen z. B. Hafengebühren, Diesel und Verpflegung. Er wird am ersten Tag die Bordkasse eröffnen und je nach Finanzlage während des Törns nachkassieren.

    Arbeitspaket 5 (Transport): Thomas

    • Organisation vom Transport des Spezial- und Zusatzgepäcks

    • Mitnahme von Werkzeug

    • Durchführung von Reparaturen an Bord

    • Übernahme der Aufgabe als Steuermann

    Thomas ist beruflich zeitlich stark eingespannt und viel unterwegs. In der Vorbereitungsphase wird er nur einen kleinen Teil der Aufgabenlast tragen. Er wird sich um die Informationen kümmern, wie das Spezialgepäck (Angelausrüstung, Arztkoffer, Medikamentenkoffer und Werkzeug) sowie weiteres Zusatzgepäck aus Deutschland mit dem Flugzeug zum Starthafen und vom Zielhafen zurück nach Deutschland transportiert werden können bzw. welche Kosten dabei entstehen. Sein Einsatz wird während der Überfahrt gefordert sein, wenn sein handwerkliches Können für Reparaturen an Bord nötig ist. Hierfür hat er geeignetes Werkzeug mitzunehmen. Weiterhin wird er häufiger als Steuermann eingesetzt werden.

    Arbeitspaket 6 (Kommunikation): Alex

    • Webseite erstellen

    • Satelliten-GPS-Tracker anmieten

    • Satellitentelefon anmieten

    • Ausbildung Funkschein (LRC) absolvieren

    • Wetterbericht: Weltempfänger kaufen

    • Empfang von Wetterberichten per Wetterfax testen

    • Crew-Shirts drucken lassen

    Das letzte Aufgabenpaket übernehme ich. Für die Webseite kaufe ich eine einprägsame Domain und erstelle die Seite in dem Content Management System WordPress. Das von mir verwendete Template ermöglicht die Veröffentlichung von Blogs.

    Auf der Webseite können sich die Besucher zu Beginn der Reise über die Steckbriefe der Besatzung und den Stand der Vorbereitungen informieren. Während der Reise sollen auf der Seite regelmäßig Blogs veröffentlicht und unsere Position auf einer digitalen Karte mitverfolgt werden. Nach der Reise sollen auf der Seite die Bilder und Videos veröffentlicht werden.

    Damit unsere Position auf der Webseite mitverfolgt werden kann, miete ich bei einem Anbieter einen Satelliten-GPS-Tracker (Live-Tracker). Das Gerät hat die Größe einer Zigarettenschachtel; die Kosten für 6 Wochen belaufen sich auf 140 €. Bei der Anmietung ist eine Kaution von 200 € zu zahlen.

    Die Einbettung in die Webseite erfolgt über ein vordefiniertes Skript (JavaScript). Die zuverlässige Anzeige der Positionsermittlung auf der digitalen Karte kann ich vorab erfolgreich an meinem Wohnort testen. Für die Befestigung des Live-Trackers an Bord kaufe ich einen transparenten und wasserdicht verschließbaren Kunststoffsack.

    Auf hoher See steht kein Mobilfunknetz zur Verfügung, für Telefonate wird daher ein Satellitentelefon benötigt. Für den Zeitraum der Reise miete ich bei einem Outdoorausrüster ein Satellitentelefon (Iridium) mit Sprachtarif für 250 € zuzüglich anfallender Telefongebühren. Diese betragen 0,80 €/ Minute (Iridium zu Iridium) bzw. 1,20 €/Minute (Iridium zu Festnetz oder Mobilfunknetz). Bei der Anmietung fällt eine Kaution von 1.000 € an. Nach der Rücksendung des Gerätes soll die Kaution mit den angefallenen Telefongebühren verrechnet und der restliche Betrag erstattet werden.

    Das Satellitentelefon kommt ein paar Tage vor Reisebeginn in einem robusten schwarzen Koffer aus Kunststoff zusammen mit Ladegerät und Schutztasche. Es weist deutliche Gebrauchsspuren auf, wirkt abgenutzt und der Schutzkoffer sieht aus, als hätte er schon einiges erlebt. Unter normalen Umständen würde ich das Gerät an den Outdoorausrüster zurückschicken, für einen Umtausch bleibt aber zu wenig Zeit.

    Ich prüfe die wichtigsten Funktionen. Mit dem Telefon kann ich mich selbst anrufen und der Anruf der Nummer von meinem Festnetztelefon funktioniert auch. Ich gebe mich zufrieden und packe das Satellitentelefon zurück in den Kunststoffkoffer.

    Für den Funkschein (LRC) buche ich an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden einen intensiven Prüfungsvorbereitungskurs. Mein Ausbilder ist ein pensionierter Seemann, der viele Jahre als Funker auf einem Frachtschiff gefahren ist. Als ich ihm von unserem Vorhaben erzähle, schaut er mich mit großen Augen an und fragt mich, ob ich mir das auch gut überlegt habe. Er gibt mir den warnenden Hinweis, dass der Atlantische Ozean zu jeder Jahreszeit unberechenbar sei und Hilfeleistung im Notfall auf See nicht garantiert ist.

    Laut internationalem Seerecht ist zwar jedes Schiff bei einem Seenotfall zur Hilfeleistung verpflichtet. Die Hilfeleistung kann aber abgelehnt werden, wenn sich das andere Schiff dadurch selbst in Gefahr begeben würde. So kann ein Berufsschiffer die Hilfeleistung ablehnen, wenn er mit seinen eng kalkulierten Kraftstoffreserven und dem zu fahrenden Umweg nicht mehr seinen Zielhafen erreichen kann und dadurch selbst zum Seenotfall wird. Die Erzählungen meines Ausbilders machen mich nachdenklich, lassen mich von meinem Vorhaben aber nicht abbringen. Für den Prüfungsvorbereitungskurs, Lehrbücher und abschließende Prüfung fallen insgesamt Kosten in Höhe von 400 € an.

    Für den Empfang von Wetterberichten auf hoher See stehen mir zwei Möglichkeiten zur Auswahl. Eine ist der Abruf von Wetterberichten mittels GRIB-Daten. Für den Empfang dieser Daten ist allerdings ein kostenpflichtiger zusätzlicher Datentarif für das Satellitentelefon erforderlich. Die Kosten für ein Megabyte liegen bei ca. 15 € und die Übertragungsgeschwindigkeit beträgt maximal 2,4 Kilobyte pro Sekunde.

    Eine andere Möglichkeit ist der Empfang von Wetterberichten über Funk vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Die Wetterberichte werden in Form von Wetterkarten (Wetterfax) und Seewetterberichten (Fernschreiben) kostenlos und mehrmals täglich über Lang- und Kurzwelle zu festgelegten Sendezeiten ausgesendet. Die Aussendung erfolgt im Rahmen des internationalen SOLAS-Abkommens und dient zur Sicherheit der Seefahrt.

    Die klare Vorgabe bei der Törnvorbereitung lautete, »Alle unnötigen Ausgaben sollen bei der Reise vermieden werden.«. Ich entscheide mich für den kostenlosen Abruf von Wetterberichten über Lang- und Kurzwelle vom DWD. Für den Empfang der Wetterberichte kaufe ich einen Weltempfänger (200 €), der SSB (Singe Side Band) unterstützt. Am Weltempfänger wird der Audioausgang mit einem 3,5-Millimeter-Audiokabel mit dem Mikrofoneingang eines Laptops verbunden. Auf dem Laptop habe ich eine Decodiersoftware (z.B. JVComm32) installiert, mit der die Audiosignale in grafische Wetterkarten umgewandelt werden sollen. Trotz zahlreicher Versuche gelingt es mir an meinem Wohnort nicht, die Wetterkarten als Wetterfax in guter Qualität abzurufen. Sie sind sehr stark verrauscht und liefern für die Wetterprognose keine verwertbaren Informationen. Als Ursache vermute ich zu viele elektromagnetische Störquellen in meiner Umgebung. Mir fehlt zudem die Möglichkeit, die 10 Meter lange Wurfantenne vollständig zum Einsatz zu bringen. Ich beschließe, die Versuche abzubrechen und diese an Bord mit weniger Störquellen fortzusetzen. An Bord habe ich außerdem die Möglichkeit, die 10-Meter-Wurfantenne des Weltempfängers in den Mast zu ziehen und so deutlich bessere Signale zu empfangen.

    Meine letzte Aufgabe ist das Erstellen der Crew-Shirts. Von jedem Teilnehmer werden zwei Crew-Shirts sowie ein weißes Crew-Hemd bestellt. Die türkisfarbenen Crew-Shirts und die weißen, taillierten Hemden mit Stehkragen bestelle ich bei zwei unterschiedlichen Anbietern. Für beides wähle ich ein identisches Design: Auf der Vorderseite ist ein gestickter Patch und darunter der aufgestickte Name des Trägers. Auf der Rückseite ist die Weltkugel mit einem Bild der Yacht und darunter die Adresse unserer Webseite aufgedruckt. Zusammen mit meinen Dateien und den Oberteilen fahre ich zu einer Textildruckerei, die auch Stickereien von Patches anbietet. Als ich dem Inhaber meine Entwürfe zeige, erklärt er mir, dass er zwei Probleme habe: Einerseits braucht er für den Druck vektorbasierte anstelle pixelbasierter Bilddateien und andererseits bedeuten die von mir bereits besorgten Oberteile für ihn weniger Gewinn. Wir können uns darauf einigen, dass der Inhaber die Umwandlung in vektorbasierte Bilder übernimmt und kein weiterer Preisaufschlag notwendig wird. Die Kosten für den Druck und das Besticken der Crew-Shirts in Höhe von 195 € pro Person sind sofort zu bezahlen. Ich lasse mir daher das Geld von jedem Teilnehmer im Vorfeld überweisen.

    KAPITEL 5

    Bekleidung

    und Ausrüstung

    Vom Schiffsführer wird per E-Mail die Packliste an die Teilnehmer übermittelt, in der die wichtigsten Bekleidungs- und Ausrüstungsutensilien aufgeführt sind. Darin steht auch der eindringliche Hinweis, dass von jedem Teilnehmer nur ein Seesack an Gepäck mitzuführen ist. Der Platz an Bord ist begrenzt und der zur Verfügung stehende Stauraum wird für die Proviantierung von Lebensmitteln benötigt.

    Für den Transport meines Gepäcks nutze ich einen Seesack, der sich zusammenfalten und einfach an Bord verstauen lässt. Um meine Bekleidung und Ausrüstung auch über weitere Strecken bequem transportieren zu können, entscheide ich mir für einen Seesack mit Rollen.

    Am Tage ist mit Temperaturen zwischen 25 und 35 Grad zu rechnen. Die Intensität der Sonne und die UV-Belastung sind an Bord einer Segelyacht auf See weitaus höher als an Land. Grund ist die Reflexion der UV-Strahlung an der Wasseroberfläche und an den hellen Segeln. Meinen Körper muss ich somit vor Hitze und Sonnenbrand schützen.

    Meine Haut schütze ich durch Eincremen mit Sonnencreme. Um meinen Kopf zu schützen, werde ich ein Segel-Cap aus hellem Stoff tragen. Damit ich das Segel-Cap bei starken Windverhältnissen nicht verliere, verwende ich eine Cliphalterung zur Befestigung an Kragen oder Kapuze.

    Für den Schutz meiner Augen vor zu viel UV-Strahlung werde ich eine Sonnenbrille speziell für Segler mit hohem UV-Schutz und polarisierenden Gläsern tragen. Damit die Brille auch bei Sturm sicher am Kopf sitzt und bei einer unbeabsichtigten Bewegung (z. B. beim Beugen über den Seezaun) nicht ins Wasser fällt, wird diese ein Brillenband haben.

    An Bekleidung wähle ich sommerliche, luftige T-Shirts und Shorts aus Stoff und in hellen Farben. An Schuhwerk werde ich Segelschuhe aus Leder und mit heller Sohle tragen. Mit steigenden Temperaturen werde ich auf Flipflops umsteigen oder mich nur noch barfuß an Bord bewegen.

    In der Nacht werden die Temperaturen auf 15–20 Grad absinken. An Bord wird es kalt und nass werden. Auch wenn die Überfahrt als entspannter Segeltörn auf der Barfußroute angekündigt wird, rechne ich vereinzelt mit Stürmen und Regenfällen. Meinen Körper muss ich vor Auskühlung, Wind und Nässe schützen.

    Dafür nehme ich eine Wollmütze mit sowie einen zweiteiligen Segelanzug, der aus Segeljacke mit Kapuze und Latzhose besteht. Unter dem Segelanzug werde ich Pullover und Unterhose anziehen. An Schuhwerk für Sturm und bei Regen sind Seestiefel empfohlen. Der Kauf von professionellen Seestiefeln für mehrere Hundert Euro erscheint mir auf der Barfußroute übertrieben. Stattdessen werde ich Neoprenschuhe verwenden, die ich mir vor einigen Jahren zugelegt aber noch nie getragen habe. Damit meine Füße in den Neoprenschuhen warm bleiben, werde ich dicke Skisocken tragen.

    Für die Arbeit an Schoten und Fallen nehme ich Segelhandschuhe aus Leder mit. Da die Temperaturen nicht bis auf den Gefrierpunkt abfallen werden, werde ich normale Segelhandschuhe mit gekürzten Fingern tragen.

    Damit festsitzende Knoten gelöst und Fallen gekappt werden können, nehme ich ein Segelmesser mit Schäkelöffner mit.

    Um in der Nacht und bei Dunkelheit sehen zu können, brauche ich eine Stirnleuchte. Ich wähle ein einfaches Modell mit weißem Licht. Dazu nehme ich Akkus und ein Ladegerät mit.

    Da die mitzunehmende Menge an Gepäck auf einen Seesack pro Person begrenzt ist, muss die Wäsche unterwegs mit der Hand gewaschen werden. Für die Wäsche werde ich herkömmliches Shampoo oder Duschgel verwenden. Die tägliche Körperpflege wird jeden Tag im Meer stattfinden. Für das Abtrocknen benötige ich schnell trocknende Badetücher. Ein Badetuch für die Benutzung und ein zweites Badetuch, das gewaschen bzw. getrocknet werden kann.

    Jeder von uns muss in Abhängigkeit von seinem übernommenen Aufgabenpaket zusätzlich noch weiteres Gepäck mitführen. Der Schiffsführer muss Handbücher, Seekarten, Navigationsbesteck und das Logbuch mitnehmen. Um bei einem Ausfall der Navigationsinstrumente weiterhin navigieren zu können, nimmt er Hand-Kompass und Hand-GPS mit wiederaufladbaren Batterien und ein Ladegerät mit.

    Doc hat als Arzt den Arztkoffer und die Bordapotheke mitzuführen.

    Roland muss als Koch den Verpflegungsplan, die gesammelten Rezepte, die Einkaufsliste, ausreichend Feuerzeuge für den Gasherd sowie die Angelausrüstung mitnehmen.

    Holger muss seine Foto- und Filmausrüstung im Gepäck haben.

    Thomas braucht neben seinem Gepäck noch Platz für Werkzeug.

    Ich muss den Satelliten-GPS-Tracker, den Koffer mit dem Satellitentelefon, den Weltempfänger, meinen Laptop sowie die gedruckten Crew-Shirts und Crew-Hemden in meinem Gepäck transportieren.

    Die folgende Packliste zeigt die Bekleidung und Ausrüstung, die ich für meine Atlantiküberquerung mitgenommen habe:

    1 x Segel-Cap mit Cliphalterung

    1 x Wollmütze

    1 x Segelanzug zweiteilig (Jacke und Latzhose)

    2 x Unterhose (lang)

    2 x Pullover

    4 x T-Shirts (hell, kurze Ärmel)

    3 x kurze Hosen

    1 x Hemd und Hose mit Ledergürtel für den Landgang

    1 x Trainingshose

    7 x Unterwäsche (Unterhose)

    1 x Badehose

    7 x Socken

    3 x Skisocken (Wolle)

    1 x Flipflops

    1 x Segelschuhe (helle Sohle)

    1 x Seestiefel (hier: Neoprenschuhe)

    1 x Sonnenbrille (UV-Schutz, polarisierend) mit Brillenband

    1 x Sonnencreme

    1 x Stirnleuchte mit Akkus und Ladegerät

    1 x Segelhandschuhe (kurze Finger)

    1 x Segelmesser mit Schäkelöffner

    2 x Badetücher

    1 x Waschtasche mit Kosmetikartikeln (Shampoo, Duschgel etc.)

    1 x Seesack mit Rollen

    1 x Satelliten-GPS-Tracker

    1 x Satellitentelefon

    1 x Weltempfänger

    1 x Laptop mit Decodiersoftware für den Wetterbericht

    KAPITEL 6

    Zeit der

    Vorbereitung

    Die Zeit vor der Reise ist anstrengend und arbeitsintensiv. In diesem Jahr erlebe ich, wie es ist, ohne Urlaub ununterbrochen durchzuarbeiten. Während meine Kollegen mehrmals im Jahr Urlaub nehmen und verreisen, verbringe ich jeden Tag im Büro. Wenn die Kollegen aus dem Urlaub zurückkehren und von ihren Erlebnissen berichten, halte ich

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