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Auf den Spuren von Simon Bolivar: Mexiko und der Norden Südamerikas in der Zeit während und nach der spanischen Eroberung
Auf den Spuren von Simon Bolivar: Mexiko und der Norden Südamerikas in der Zeit während und nach der spanischen Eroberung
Auf den Spuren von Simon Bolivar: Mexiko und der Norden Südamerikas in der Zeit während und nach der spanischen Eroberung
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Auf den Spuren von Simon Bolivar: Mexiko und der Norden Südamerikas in der Zeit während und nach der spanischen Eroberung

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About this ebook

Es ist die wahre Geschichte des Sohnes eines Gutbesitzers aus dem Bergischen Land. Er wird Seemann und bereist auch Mittel- und Südamerika. Auf diesen Reisen lernt er das Volk der Taino auf Kuba kennen. Später bereist er das ehemalige Reich der Azteken, erfährt dabei viel von seiner Eroberung durch den Spanier Cortes und den Sturz von Montezuma, des Herrschers eines stolzen Volkes. Das Gleiche geschieht auch auf seiner Reise durch den Norden des südamerikanischen Erdteils, als er sich auf die Spuren von Simon Bolivar begibt. Hier wird er mit der Geschichte des Inkareiches konfrontiert. Er erfährt von seiner Eroberung durch den Spanier Pizarro, von dem Sturz des letzten Inkaherrschers Atahualpa und lernt dabei Cusco, die alte Hauptstadt eines einst stolzen Volkes und den Titicacasee kennen. Wie er bereits in Mexiko von der Ruinenstätte Chichen Itza erfuhr, geschieht es jetzt in der Andenregion, als er von der Entdeckung von Machu Picchu in Kenntnis gesetzt wird. Später reist er als Kapitän eines Frachters nach Rotterdam, besucht seine Schwester in Düsseldorf, kehrt nach Argentinien, seine neue Heimat, zurück, um dann seine letzte Reise als Seemann (Kapitän) anzutreten, die ihn nach Deutsch-Südwestafrika führt, wo er jetzt viel über die Geschichte dieser (ehemaligen) deutschen Kolonie erfährt.
LanguageDeutsch
Publishertredition
Release dateApr 29, 2023
ISBN9783347930230
Auf den Spuren von Simon Bolivar: Mexiko und der Norden Südamerikas in der Zeit während und nach der spanischen Eroberung
Author

Egon Harings

Egon Harings wurde in Düsseldorf geboren. Nach Schulbesuchen in der ehemals französischen und britischen Besatzungszone machte er eine Ausbildung als Industriekaufmann. Später studierte er Betriebswirtschaft und war in der Stahlindustrie beschäftigt. Heute ist er Rentner und lebt mit seiner Frau in der Nähe von Düsseldorf. Mit dem Schreiben von Büchern begann er um 2010. Veröffentlicht wurden bereits Werke von ihm in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten. In Deutschland erfolgte im Jahre 2013 die erste Veröffentlichung in deutscher Sprache.

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    Auf den Spuren von Simon Bolivar - Egon Harings

    Wilhelms Jugend

    Man schrieb das Jahr 1878, als Wilhelm Schmalbein in einer Klinik in Remscheid das Licht der Welt erblickte. Unweit von Remscheid besaßen seine Eltern einen Gutshof, der zur Bauernschaft Müngsten gehörte, einen Ort, den es heute nicht mehr gibt, nur die Eisenbahnbrücke erinnert noch an diesen. Es ist die Brücke, die die beiden Städte Solingen und Remscheid verbindet.

    Wilhelm verbrachte auf dem Hof seiner Eltern seine Kindheit, für ihn eine glückliche Zeit. Kühe, Schweine, Hühner und Gänse waren Tiere, die er von ersten Tagen seines Daseins an kannte, die er in sein Herz schloss. Sie streunten auf dem Hofgelände herum, wie die Hühner und die Gänse, was ihm gefiel. Nur die Schweine und Kühe hatten ihre festen Stallungen und Gehege und die Pferde, die man hauptsächlich bei der Feldarbeit einsetzte, oder hin und wieder zum Ziehen einer Kutsche brauchte. Dazu gab es noch zwei Reitpferde, die nur den Eltern zur Verfügung standen, um gelegentlich die wunderschöne Natur des Wuppertales auf dem Rücken eines Rappes sitzend genießen zu können, wenn es die Arbeit erlaubte.

    Kaum selbstständig auf den Beinen, machte es Wilhelm Spaß, die Hühner und die Gänse, die frei herumliefen, zu scheuchen. Es waren Viecher, mit denen er am liebsten aber spielen möchte und sich ärgerte, wenn sie vor ihm wegflogen, wie die Hühner, oder wegtrollten, wie die Gänse mit ihrem weißen Gefieder, langem Hals und ihrem Gang, der aussah, als ob sie wackelig auf ihren kurzen Beinen stehen würden. Es war aber eine Idylle, wie sie es nur auf dem Lande gab, ein Zustand des friedlichen Lebens, den sich jeder Mensch wünschte und das unabhängig von seinem Alter. Aber die Welt sah anders aus, wie Wilhelm im Laufe seines Lebens noch erfahren musste.

    Dorfidylle im Bergischen Land

    Die Jahre vergingen für Wilhelms Eltern viel zu schnell. Schon war ihr Sprössling ein Bursche, der in die Dorfschule ging, wo nur ein Lehrer unterrichtete, und im Haushalt und auf dem Felde half. Oft entfernte er sich aber auch alleine vom Hof, um die nahe Natur zu erforschen, wie es einst Alexander von Humboldt tat. Bei Humboldt war es die Welt, die er erforschte, bei Wilhelm nur die Natur des Tals der Wupper und seiner umliegenden Höhen, auf die er sein Augenmerk richtete. Aber was er hier zu sehen bekam, faszinierte ihn so, dass er schon in seinen jungen Jahren jetzt von Reisen träumte, die ihn dorthin brachten, wo er auf Humboldts Spuren alleine lustwandeln konnte. Dass er sich dabei jedoch auf Bolívars Spuren befand, ahnte er nicht.

    Es war Ostern, als Wilhelm das elterliche Haus verließ, um in der Natur des Wuppertales Tiere zu beobachten, von denen er schon gehört, aber die er noch nie gesehen hatte. So lief er nun durch die Flussauen der Wupper, eine Auenlandschaft mit Wiesen, Bäumen und Sträuchern, die sein Herz höherschlagen ließ. Immer bewegte sich etwas, was er wahrnahm aber nicht sehen konnte. Da, plötzlich ein kleines Lebewesen, das einen langen Ast hinter sich über den Boden schleifte. Es hatte einen abgeplatteten, beschuppten Schwanz und eine Schwimmhaut zwischen den Hinterfüßen. Was Wilhelm nicht wusste, dieses Lebewesen war bekannt durch seinen Bau, den es aus Knüppeln herstellte und mit Schlamm abdichtete, um so für sich eine backofenförmige Wohnung zu schaffen, die 2 – 3 m aus dem Wasser hervorragte.

    Das Lebewesen, das Wilhelm nun beobachtete, war der Biber, das größte Nagetier Europas, das sich eine Burg gebaut hatte, dessen Eingang unter Wasser lag. Die Wassertiefe seines Wohngewässers hatte der Biber durch Knüppel und Schlamm so gestaut, dass ein richtiger See entstanden war, über den einen Monat später die ersten Libellen hinwegflogen. Und was der Biber jetzt gerade wegschleifte, war seine Nahrung. Vorher hatte er dafür mit seinen Nagezähnen einen Baum gefällt, dessen Stumpf Wilhelm noch sah. – Wilhelm verhielt sich ruhig, traute sich keinen Schritt weiterzugehen, was ihm auch schwergefallen wäre, denn vor ihm lag der See, geschaffen von dem Biber, den er beobachtete, der ein Weiterkommen unmöglich machte. Also ließ er es bei der Beobachtung des fleißigen Tieres für eine Weile, bevor er kehrtmachte, um sich auf den Heimweg zu machen. „Du hast es aber schwer, um das wegzuschaffen, was du dir zwischen deinen Zähnen geklemmt hast", sagte er sich, und starrte nur auf das, was wenige Meter vor ihm geschah. Dass das, was das kleine Lebewesen vor ihm wegschleifte seine Nahrung war, wusste er nicht. Erst zu Hause, als er darüber berichtete, was er sah, erfuhr er einiges über den Biber, der schon vor einiger Zeit im Tal seine Heimat gefunden hatte. Für seine Eltern war er aber kein Störenfried, der ihre Landschaft verunstaltete, im Gegenteil, er war ein Wesen Gottes, das sie gerne sahen und froh waren, dass es auch wieder im Tal eine Heimat hatte, da, wo sie es vorher jahrelang vermissten.

    Der fleißige Biber

    Es war nicht nur der Biber, den er jetzt in der Frühlingszeit beobachten konnte, sondern auch ein Wildschwein, auf das er bei seinen Streifzügen durch die nahen Wälder sein Augenmerk mal richten konnte. Es war ein Moment, der nicht ungefährlich war, wie er später zu Hause erfuhr.

    Der Wald, Heimstätte von Wildtieren und Rückzugsraum für seltene Arten von Pflanzen. Die beherrschende Lebensform sind aber die Bäume, die Errungenschaft des Pflanzenreichs, die es schon seit mehr als 300 Millionen Jahren gibt. Sie zeigen oft trotz zunehmender Zersetzung ihres Stamminneren große Vitalität, wie die Linde, die auf dem Hof des Gutes von Wilhelms Eltern stand. Bäume, es sind Pflanzen im Walde, die nicht nur von Vögeln als Lebensraum bevorzugt werden, sondern auch von vielen Kleinsäugern. So klettern zum Beispiel Zwergmäuse an den Stämmen von jüngeren Bäumen empor, wobei sie ihren Schwanz als Kletterhilfe einsetzen. Nicht die Kleinsten sind aber die Erfolgreichsten im Kronenraum eines Waldes, sondern mittlere Größen, wie sie die Eichhörnchen aufweisen. Sie sind es, die richtig in den Baumkronen leben und dort ihre Nester anlegen. Für Wilhelm waren aber die größeren Waldtiere faszinierender als die, die ihren Lebensraum in den Baumkronen hatten, wie neben den Kleinsäugern die Vögel. Es waren Tiere, die auf der Liste der Jäger standen, wie Hirsche, Rehe und Wildschweine. Aber solche Tiere waren scheu, liefen normalerweise vor Menschen weg, wenn sie ihr Nähern wahrnahmen. Auf die Pirsch zu gehen, ohne die Absicht zu haben, ein Wildtier wirklich zu erlegen, war für Wilhelm jedoch etwas Besonderes. Ihm war es fremd, sich geräuschlos bis auf Schussweite an das Wild heranzuschleichen; ihm genügte es, wenn er in einem größeren Abstand ein großes Waldtier nur beobachten konnte, ein Tier, das eine fesselnde Wirkung auf ihn ausübte. Aber es musste doch nicht gerade das Tier sein, das er jetzt, wo er alleine war, im Wald, der sich auf den Höhen des Bergischen Landes befand, begegnete. Es war nämlich ein Wildschwein, dazu noch ein Keiler, der beabsichtigte, den Weg, auf dem er sich befand, zu überqueren, aber mitten auf ihm stehenblieb, um einen Menschen zu beobachten, von dem aus eine Gefahr für ihn ausgehen könnte. Nur, diese Gefahr befürchtete nun Wilhelm, als er stehenblieb, um dem wilden Tier nicht zu nahe zu kommen.

    Deutlich sah Wilhelm die stark ausgebildeten Hauer des Keilers, die nicht nur zum Kampf gegen Rivalen dienten, sondern er auch zur Abwehr von Feinden benutzte. So ein Keiler konnte sehr wehrhaft sein, wenn er in die Enge getrieben wurde, aber auch angriffslustig, das wusste Wilhelm von seinem Vater, der ihm mal erzählte, dass er von einem Keiler angegriffen wurde, zum Glück aber sein Gewehr geladen hatte und ihn so erschießen konnte, während er auf ihn zulief.

    Der Keiler, der Wilhelms Vater in einem Auwald angriff

    Die Rauschzeit, wie die Brunst bei Wildschweinen genannt wurde, lag im Winter zwischen November und Januar, also brauchte Wilhelm nicht zu befürchten, dass er als Konkurrent angesehen wurde, was die Angriffslust des wilden Tieres, das ihn beäugte, erhöht hätte. Während Wilhelm so in einem größeren Abstand dem wilden Tier gegenüberstand, musste er an die Worte seines Vaters denken, der ihm auch mal erzählte, dass Wildschweine keine Ansprüche an ihren Lebensraum richteten, nur ganz offene Gelände mieden, die keine Deckung boten. In dem größeren Waldgebiet, das sich unweit des Guthofs befände, würden sie aber Schutz und Nahrung finden. Beides wäre für ihr Überleben wichtig. Feuchte Laub- und Mischwälder würden Wildschweine bevorzugen, weil sie dort leicht nach Nahrung wühlen und die herbstliche Mast an Eicheln und Bucheckern nutzen könnten. So wusste Wilhelm auch, dass sich diese wilden Tiere im Auwald, der sich im Tal der Wupper unweit des Hofes befand, gerne aufhielten. Aber jetzt im tiefen Wald auf den Höhen, die den Hof umgaben, hatte er nicht damit gerechnet. Sollte er sich nun freuen, einen Keiler hier zu sehen? Nein, er hatte ein begründetes Gefühl der Furcht, der Bedrohung durch den Keiler vor ihm, wodurch ihm die Angst regelrecht im Nacken saß. Es dauerte eine Weile, dann verschwand der Keiler im Unterholz des Waldes. Wilhelm war froh, der Gefahr eines Angriffs des Wildtieres entgangen zu sein und machte sich schleunigst auf den Heimweg. Zu Hause angekommen, wagte er jedoch nicht, über die Begegnung mit dem Wildtier zu berichten; denn wer weiß, was sein Vater ihm gesagt hätte. Er hatte sich schließlich vom Gutshof entfernt, ohne seine Eltern darüber zu informieren, was er vorhatte. Sein Abenteuerdrang, der nicht im Geiste seiner Eltern lag, war aber groß gewesen. Er hatte deshalb auch befürchtet, dass ihm der Alleingang durch den Wald verboten worden wäre, hätte er seine Eltern darüber vorher informiert. Der Drang jetzt, der ihn alleine in den Wald getrieben hatte, war auch der, der ihn später in die Ferne trieb, weit weg von Zuhause, um andere Welten kennenzulernen.

    Jahre vergingen, Jahre in denen im Bergischen Land, unweit des Guthofes, auf dem Wilhelm mit seinen Eltern lebte, Persönlichkeiten das Weltgeschehen beeinflussten. So war es mit Wilhelm Conrad Röntgen. Der Physiker wurde am 27. März 1845 in der Tuchmacherstadt Lennep geboren und starb am 10. Februar 1923 in München. Lennep war eine Kleinstadt in der preußischen Rheinprovinz; sie lag unweit von Müngsten, da wo Wilhelms Eltern ihren Hof hatten. In den Jahren 1226 bis 1300 war der Ort, der 1276 Stadt wurde, Sitz der Grafen von Berg. Im Jahre 1374 erhielt Lennep starken Zuwachs durch die Einwanderung von Webern aus Köln. – Heute ist Lennep ein Stadtteil von Remscheid. – Über den berühmten Mann, der in diesem Ort geboren wurde, berichteten die Zeitungen bereits 1876, als er Professor an der Universität Straßburg wurde, 1879 folgte dann Gießen und 1885 Würzburg, wo er das Phänomen entdeckte, das die ganze Welt heute als Röntgenstrahlen kennt. Im Jahre 1900 ging er nach München, wo er an der dortigen Universität ab diesem Jahre dann eine Professur innehatte. Röntgen war der Mann, der eine genauere Bestimmung des Verhältnisses der beiden Arten spezifischer Wärme der Gase lieferte, und die Erscheinungen der Elastizität, der Kompressibilität, der Kapillarität, der Wärmeleitung in Kristallen, der Absorption von Wärmestrahlen in Dämpfen und Gasen, der Elektrostriktion und Piëzoelektrizität untersuchte. Es waren Begriffe, mit denen die Laienwelt nichts anfangen konnte, die Fachleute seiner Disziplin aber schon, als sie hierüber in Fachzeitschriften voller Begeisterung lasen, dass ein Kollege sich mit der Erforschung dieser Bereiche beschäftigte. – 1895 entdeckte Röntgen dann das vorgenannte Phänomen, die X-Strahlen, die bald nach ihm benannt wurden, und wofür er im Jahre 1901 den Nobelpreis erhielt. – Wilhelms Vater, der regelmäßig die Zeitung las, die, wie viele andere Zeitungen im Deutschen Reich über den Mann berichteten, der in dem Ort des Bergischen Landes geboren wurde, der unweit seines Hofes lag, war stolz auf Röntgen, weil er, wie er selbst, ein Bergischer war.

    Wilhelm Conrad Röntgen

    Aber nicht nur Röntgen war ein Mensch, der im Bergischen Land geboren wurde und in die Weltgeschichte einging; es gab da noch zwei Männer, denen es auch gelang. Es waren die Brüder Mannesmann, Reinhard und Max, die einer bergischen Industriellenfamilie entstammten. Sie hatten bei einem Besuch in Echternach, wo sie sich die dortige, bekannte Springprozession, die immer am Pfingstdienstag in diesem Wallfahrtsort des Großherzogtums Luxemburg stattfand, ansahen, eine Idee, die sie verwirklichten.

    Aus gelochten Stahlblöcken stellten sie in Bliedinghausen durch Längswalzen nahtlose Stahlrohre her. Die Verjüngung des Rohres erfolgte auf einem Rohrwalzwerk mit feststehendem oder mitgehendem Stahl-Dorn. Zum gleichzeitigen Vor- und Fertigwalzen des nahtlosen Stahlrohres diente nun das von beiden Brüdern erfundene Pilgerschrittverfahren, das von der Fachwelt "Pilgern" genannt wurde. Zwei Walzen hatten Kaliber von verschiedener Weite, die sich gegenüberstanden und den gelochten Stahlblock durch Zurückziehen und wieder Vorstoßen zu einem fertigen Rohr auswalzten. Und das geschah nach dem Echternacher Pilgerschritt: 3 Schritte vorwärts, 1 Schritt zurück.

    Reinhard Mannesmann

    Reinhard Mannesmann wurde am 13. März 1856 in (Remscheid-)Bliedinghausen geboren und Max Mannesmann am 30. Dezember 1861 dort. – Da der Standort Bliedinghausen für ein größeres Rohrwerk wegen Platzmangel als Dauerproduktionsstätte nicht infrage kam, ließen die Brüder in Düsseldorf-Rath ein neues Rohrwerk bauen, womit 1890 die Mannesmann-Röhrenwerke entstanden, die ihren Verwaltungssitz vorerst in Berlin hatten, ab 1907 dann aber in Düsseldorf. Max, der sich besonders um die wirtschaftliche Erschließung Marokkos und die Hebung der dortigen Bodenschätze verdient gemacht hatte, starb am 2. März 1915 in Aachen. Reinhard starb am 20. Februar 1922 in Remscheid.

    Das Mannesmann-Haus in Bliedinghausen; es wurde abgerissen, um danach im Freilichtmuseum von Kommern in der Eifel wieder aufgebaut zu werden.

    Über die Brüder Mannesmann las Wilhelms Vater viel in der Zeitung und erzählte voller Stolz seinem Sohn davon. So erfuhr auch er in jungen Jahren, in welcher Gegend er wohnte, in der auch berühmte Männer wohnten, von denen die Welt sprach.

    Es war Weihnachten, das Fest der Geburt Jesu Christi, und bis zur Jahrhundertwende waren es nur noch wenige Jahre. Am Vorabend des Festes fand die Bescherung statt, auf die sich Wilhelm immer freute. Im Wohnzimmer stand der geschmückte Christbaum, der im Bergischen eigentlich nicht üblich war, um den sich nun die Familie versammelt hatte. Es waren neben Wilhelm seine jüngere Schwester Emilie, seine Eltern und seine Oma, die Mutter seines Vaters. – Die meisten Familien in der Gegend, in der Wilhelm mit seinen Eltern wohnte, hatten eine "Chrestkruun", also eine Christkrone, ein Gestell aus Eisendrahtgeflecht, das wie ein hoher Kronenleuchter, der mit Tannengrün und Weihnachtsschmuck verziert worden war, in der guten Stube stehen. Kerzen brannten auch an den "Chrestkruunen" der Nachbarn wie an dem Weihnachtsbaum, vor dem Wilhelm mit seiner Familie stand und Weihnachtslieder sang. Ärmere Nachbarn holten sich nur ein paar frische Fichtenbaumzweige ins Haus, um damit die gute Stube festlich zu schmücken, während der Christbaum in der guten Stube des Wohnhauses auf dem Gutshof der Familie Schmalbein mit Nüssen, Tannenzapfen, Äpfeln und Sternen, gebunden aus Stroh, verziert war.

    „Vor der Bescherung noch ein Gedicht, das Rainer Maria Rilke schrieb, womit er zeigt, wie nah Glück und Leid einander sind", sagte Wilhelms Vater, als sich alle schon auf das stürzen wollten, was unter dem Christbaum lag. „Ich las es in der Zeitung und passt in unsere Zeit. Ich hab‘ mir dieses Adventsgedicht aufgeschrieben; es ist nicht lang. Also

    Es treibt der Wind im Winterwalde

    die Flockenherde wie ein Hirt,

    und manche Tanne ahnt, wie balde

    sie fromm und lichterheilig wird.

    Und lauscht hinaus. Den weißen Wegen

    streckt sie die Zweige hin – bereit,

    und wehrt dem Wind und wächst entgegen

    der einen Nacht der Herrlichkeit."

    „Ein schönes Gedicht, meinte Wilhelm, als sein Vater die letzten Worte aus dem Gedicht gesprochen hatte. „Ja, und nun die Bescherung und das vorzügliche Mahl danach, das es wie an jedem Heiligabend gibt, sagte Wilhelms Mutter. „Und das ist Kartoffelsalat mit Würstchen, ergänzte Wilhelms Oma den Satz ihrer Schwiegertochter. „Also das Übliche, wie es in den evangelischen Familien des Bergischen Landes der Brauch ist, meinte Wilhelms Vater noch.

    Am ersten Weihnachtstag gab es dann das, worauf alle gewartet hatten, die Bergische Kaffeetafel. Mittags wurde alles das aufgetischt, was zu einer typischen Kaffeetafel im Bergischen Land gehörte. Da gab es Rosinenstuten, Schwarzbrot, Weißbrot, Milchreis, verschiedene Wurstsorten, Bergischen Zwieback, heiße Waffeln mit Kirschen und Sahne, Käse und die Plätzchen, die Tage vorher gebacken worden waren. Dazu wurde Butter, Zucker und Zimt gereicht. Und auch die Dröppelminna durfte auf dem Tisch nicht fehlen, die typische, bauchige und aus Zinn hergestellte Kaffeekanne des Bergischen Landes, die auf drei Füßen stand. Unter der Kanne befand sich ein Stövchen, um den Kaffee, der in einem anderen Gefäß aufgebrüht worden war, warm zu halten. – Nach dem ersten Aufdrehen des Ausgusses der Kanne hatte der Kaffeesatz, der sich in der Kanne befand, diesen so verstopft, dass der Kaffee nur noch in die Tassen tropfte, oder wie der Bergische sagte: Dröppelte. Da die Kanne auch noch an eine rundliche Hausgehilfin, die Minna, erinnerte, erhielt sie den Namen Dröppelminna. – Die Kaffeetafel zu Weihnachten war Pflicht im Hause der Familie Schmalbein. Sie war, wie jetzt wieder, immer eine Tafel, die erst nach Einbruch der Dunkelheit aufgehoben wurde. Für alle war sie auch immer etwas Besonderes, worauf sich jedes Familienmitglied zur Weihnachtszeit freute.

    Es war Spätsommer, man schrieb das Jahr 1893, als man in Schaberg, einem Ort unweit von Solingen, begann einen Bauplatz einzurichten, und Vermessungsbeamte die Trasse für eine Zugstrecke absteckten. Am 26. Februar des folgenden Jahres begann man dann mit dem Bau einer Eisenbahnbrücke, die Kaiser-Wilhelm Brücke genannt wurde, später dann den Namen Müngstener Brücke erhielt. Es ist die Brücke, die Solingen mit Remscheid verbindet und über die Wupper führt, und nach ihrer Fertigstellung die höchste Brücke der Welt war. Für die Familie Schmalbein war nur ärgerlich, dass sie für diese Brücke wertvolles Land abtreten musste, Land im Tal und an den Hängen der Wupper, das seit vielen Generationen im Besitz der Familie war.

    Wilhelm ging im Jahre 1895 als junger Mann von gerade mal 17 Jahren nach Hamburg, wo er eine Seemannsschule besuchte, um Kapitän zu werden und die Welt kennenzulernen, was schon immer sein Wunsch war. Zu Weihnachten des Jahres 1896 war er aber zu Hause, wollte das Fest der Geburt Jesus mit seiner Familie feiern. Nun, bei seiner Familie, berichtete er voller Stolz über die Stadt im Norden des Deutschen Reiches, die ihn faszinierte. „Hamburg, die Hafenstadt, die das Tor zur weiten Welt ist, ist großartig, begann er seine Erzählung. Es war Heiligabend und seine Mutter hatte aufgetischt, als er übers ganze Gesicht strahlte, als er nun erzählte. Zum Schluss sagte er nur noch: „Ich bin schon mit einem Schulsegler hinaus aufs Meer gefahren. Über die Nordsee ging’s bis nach England und zurück nach Hamburg wieder, die Stadt, die mir das bietet, was hier im Bergischen nicht möglich ist. Ich singe nämlich in einem Shanty Chor. „Was ist denn das für ein Chor?, unterbrach ihn sein Vater. „Ein Chor, der alte Seemannslieder singt, antwortete Wilhelm. „Du scheinst ja so begeistert von der Seefahrt zu sein, dass ich annehmen muss, dass du die Land- und Forstwirtschaft für immer an den Haken gehängt hast. „Ja, Vater, der Reiz der Ferne ist größer als der zu dem Weiler, der sich Müngsten nennt, zurückzukehren. Um euch aber zu besuchen, dafür zieht’s mich jedoch immer nach Müngsten. Ich will ja schließlich sehen, wie’s euch geht, ob ihr gesund seid und was mein Schwesterchen macht. „Wenigstens ein kleiner Trost für mich, meinte nun seine Mutter, „… es wäre nämlich schade, wenn du dich nicht mehr an dein Elternhaus erinnern könntest. „Doch, Mutter, das werde ich solange ich lebe."

    Weihnachten war vorbei, und Wilhelm kehrte nach Hamburg zurück, während der Bau der Eisenbahnbrücke bei Müngsten trotz der Kälte, die jetzt im Winter im Bergischen Land herrschte, fortgesetzt wurde. – Hamburg, diese Stadt im Norden hatte ihn wieder. Der Stadtstaat wurde von Preußen umschlossen, und sein Hauptteil lag auf dem rechten Elbufer, der kleinere Teil auf den Inseln zwischen Norder- und Süderelbe. Wilhelm hatte ein Zimmer an

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