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DIE UNGERECHTIGKEIT DER
STEUERPROGRESSION
VON ¥. A. HAYEK*)
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Es ist nicht durchaus angenchm, wenn man durch das konse-
quente Durchdenken der Folgen der die Politik beherrschenden Prin-
ripien zu einer Stellungnahme gefthrt wird, die in hohem Mate un-
populir ist. Man dberlegt sich dann oft, ob man nicht besser tut,
solche Gedanken fiir sich zu behalten, als den Ruf eines
m erwerben, der cinen vielleicht des Einflusses beranbt, durch den
man Gates wirken kénnte. Ich bin aber im ganzen zu dem Schlu®
gekommen, da man richtig tut auszusprechen, was man fiir wahr
halt, ohne Racksicht auf die Empfindlichkeiten und Vorurteile, die
man dabei verletzt. Iden, die einmal in Umalauf gesetzt sind, nehmen
ihre eigene Entwicklung ohne Riicksicht auf den persénlichen Kin-
fluB des Urhebers und wenn auch vielleicht der Politiker immer
daran denken muf, was heute praktikabel ist, so ist es doch gleioh-
reitig das Privileg und die Pflicht des Theoretikers, offen auszu-
sprechen, was er far richtig halt.
So will ich denn auch ohne weitere Umschweife sagen, dat
ich ca der Uberzeugang gelangt bin, da& das ganze Prinzip der
Steuerprogression, seinem Wesen nach, verderblich ist, ein Irr-
tom, der aus verschiedenen Griinden fast unvermeidlich zur Zer-
stérung des marktwirtschaftlichen Systems fihrt. Das ist eine Uber-
zeugung, au der sich ein Mana meiner Generation nicht leicht durch-
ringt. Wir sind alle aufgewachsen in dem Glauben, de® in einer
| Korrektar der Einkommensverteilung durch die Besteuerung das
grote Heilmittel der sozialen Unzufriedenhoit liegt, und erst lang-
sam habe ich verstchen gelernt, da nicht nur diese Hoffnung illu-
sorisch ist, sondern im Gegenteil die Annahme des Prinzips nach
und nach sllen Sinn fir soziale Gerechtigkeit zerstort.
Im Rahmen dieses kurzen Berichts kann ich nattirlich nur die
wichtigsten Uberlegungen, die mich zu diesem SchluB gofthrt haben,
kurz andeuten, Ich méchte mit efnigen Betrachtungen Gber die Be-
1) Dieser Aufsatz ist eine nachtrtgliche Niederechrift dee wesentlichen Tnhalts
ines Heferates, das dor Verfasoor am 5. Juli 1952 aut 0 der Abteluog fr
Volowirtschaftliche Studien dee Schweizerischen Institute fr_Anslandsforschung,
‘eranstalteten ‘Teguog echweizercher and aulindischer Nationalokonomen er~
stattote.
|
meeedeutung der Einkommensungleichheit im allgemeinea beginnen und
erst spiter anf das spezifische Problem der Steuerprogression ein-
gehen. Dabei michte ich mich vorwiegend mit jenen grofien Ein-
Kommen hefassen, die aus Gewinnen herrithren. Sie sind es ja, gegen
die sich die Kritik in erster Linie richtet. Auf das eigenartige Para-
doxon, daf die Leate, die gegen das arbeitslose Einkommen wettern,
meist ftir den Rentier ein weiches Herz haben, aber ihren ganzen
HaB gegen die Minner richten, die durch erfolgreiche Geschiifts-
titigkeit groSe Einkommen erzielen, will ich nur nebenbei hinweisen.
Es gehért in dieselbe Kategorie wie die gleich eigenartige Tatsache,
daB die Schwirmer fiir gleiche Aufstiegsméglichkeiten es selten
unterlassen kénnen, dber die «nouveaux riches» die Nase zu rdimpfen,
wahrend sie den ererbien calten Reichtum> mit viel mebr Respekt
betrachten.
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Der erste Pankt, den ich betrachten méchte, ist die Rolle, welche
dic relativ grofien Einkommen bei der Finanzierang des wirtschaft-
lichen Fortschrittes spielen. Ich deake dabei zunichst nicht an das
Problem der Kepitalbildung, sondern an das der Experimentation
mit den technischen Neuerungen, die in so hohem Mae den Fort-
schritt des Woblstandes erméglichen. Da die Bezichung zwischen
Arm und Reich im gleichen Land allzu starke emotionale Heak-
tionen auslést, ist es zweckmiGig, in diesem Zusammenhang in erster
Linje an das Verhaltnis zwischen reichen und armen Lindern, etwa
dem europaischea Westen und den Vereinigten Staaten cinerseits
und der dbrigen Welt anderseits, zu denken. Daft das gleiche grund-
sitzlich auch fiir das Verbiltnis zwischen den verschiedenen Klassen
eines Landes gilt, wird sich dann spiter zeigen.
Was ich behaupten michte, ist, daB ein grofer Teil der hohen
Einkommen, auch insofern sie fiir Konsumzwecke ausgegeben wer-
den, die Kosten des Experimentierens mit neuen Artikela und Mog-
ichkeiten decken. Fast jede Newermig, die nach und nach auch den
grofen Massen cur Selbstverstindlichkeit geworden ist, von den
sanitiren Anlagen, dem elektrischen Licht lem Telefon, dem
Kihlschrank, Staubsauger bis cu Redio, Tel
hhaben als toure Loxusartikel begonnen, die eine Zeit lang nur fir
die Reichen erschwinglich waren, Bevor sie durch Massenproduk-
tion verbilligt werden kennten, mufi ‘ZweckmaBigkeit und ge-
eignetste Form durch lange und kostopielige Experimentation fest-
gestellt werden, und zwar vou Menschen, in deren allgemeinen Lebens-
standard sie schon paften. Dafiir, da die Reichen, oder die reichen
Linder, diese Vorteile zehn oder zwanzig Jahre fraher genossen,
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mufiten sie die Kosten all des Experimentierens hestreiten, die jene
spiiter den Armern augiinglich machen, Wenn man diese Uberlegungen
suf des Verhiltais zwischen den Landern des Westens und denen
des Ostens auwendet, so kana wohl keine Frage bestehen, de® der
Heichtum des Westens eine Entwicklung der ‘Technik miglich ge-
macht, d.b. sein hoheres Einkommen die Kosten einer Entwicklung
hestritten hat, die heute dem Rest der Welt 2ugute kommt. Kann
ein ernster Zweifel dariber bestehen, da& wir nicht annihernd so
weit waren, wenn irgend eine Weltbehdrde eine gleichmiBige Ver-
teilung der Einkommen erzwungen hatte? Wabrscheinlich wiiren wir
ziemlich stationdr auf einem mittelalterl
aber fiir das Verhaltnis zwischen Val
stand gilt, gilt ehenso fiir das Verhiltnis 2wischen den verschiedenen
Klassea eines Volkes: der wirtschaftliche Fortschritt ist zum grofen
‘Teil dadurch maglich geworden, daB jene kostspieligere Periode der
Experimentation mit den Erfordernissen eines héherén Lebensstan-
dards zuniichst von einer kleinen privilegierten Schicht bestritten
warde und wenn dadurch spiter die Erzeugung der gleichen Dinge
zu geringeren Kosten mOglich wurde, sie far die Massen bereitgestellt
wurden, In einer sozialistisehen Wirtschaft wiirde es wahrscheinlich
auch nicht viel anders zugehen: man wiirde es anders nennen, wiirde
die Aufgabe, mit den letzten Neuerunj
eine