• Als das Unternehmen zwei Jahre alt war, befand die Eidgenössi- risch gelegen auf halber Höhe des Käferberges, in einer soliden
sche Bankenkommission, dass es eine Bank sei, die ihrer Aufsicht Wohngegend, in die sich kaum Touristen verirren. An seiner Tür
unterstehe. 62 Jahre später beschloss das Unternehmen seine klebt neben den bekannten Kreditkartenzeichen auch das WIR-
Banknatur auch im Firmennamen deutlich zu machen – deshalb Logo – im Schlössli können WIR-Teilnehmer ihre Rechnung zu
heißt das, was 1934 als „WIR Wirtschaftsring-Genossenschaft“ hundert Prozent in WIR begleichen, wobei ein WIR einem Fran-
zur Welt kam, seit 1998 „WIR Bank“. Im Alter von 66 Jahren ken entspricht. „Das bringt mir mehr Umsatz“, erklärt Tekaia
hängte das Unternehmen schließlich sein erstes Plakat aus und überzeugt. Sonntag und Montag hat er sonst Ruhetage, aber
machte damit seine neue Ausrichtung öffentlich: Seit 2000 kann diese Woche richtete er an diesen Tagen zwei große Geschäfts-
jeder in der Schweiz tätige Arbeitnehmer seine Schweizer Fran- essen aus – die Gäste zahlten zu hundert Prozent in WIR.
ken auf die WIR Bank tragen. Tekaia bezahlt mit den WIR-Einnahmen nicht nur seine
66 Jahre lang war bei der Bank, die exklusiv für kleine und Gewerbemiete, sondern auch seinen Fleischer und seinen Wein-
mittlere Unternehmen (KMU) tätig war, der Franken ein Neben- händler. Wenn er etwas braucht, Sonnenschirme, Tischdecken,
aspekt im Geschäftsprozess gewesen. Denn das Unternehmen Dekoration oder auch einen neuen PC, eine Telefonanlage, ein
verfügte über eine eigene Währung, exklusiv gültig in der Schweiz Auto, eine Versicherung, schaut er zuerst ins WIR-Branchenver-
und zugänglich nur für KMU und ihre Mitarbeiter: den WIR. zeichnis und prüft die Angebote der anderen Teilnehmer.
Werbung war dafür 66 Jahre lang nicht nötig: Wer das System Grundsätzlich soll der WIR den Franken nicht ersetzen – in
verstanden hatte, nutzte es und empfahl es gern weiter – je mehr der Regel wird nur ein Teil der Rechnung in WIR beglichen. Im
Geschäftspartner die WIR-Währung akzeptierten und ganz oder ersten Jahr seiner Mitgliedschaft hatte Tekaia ein stilles WIR-
teilweise ihre Leistungen darin verrechneten, umso besser war es Konto. Damit brauchte er seine Mitgliedschaft bei der WIR Bank
für den Einzelnen und für alle. Das ist bis heute so. nur gegenüber von ihm ausgewählten Geschäftspartnern offen zu
Zum Beispiel Chiheb Tekaia. Der gelernte Koch hat vor zwei legen und lediglich 30 Prozent WIR auf die ersten 2000 Franken
Jahren das Restaurant „Schlössli“ in Zürich übernommen, male- einer Rechnung zu akzeptieren. Dafür musste er allerdings 3
Bindung seiner Kaufkraft“. Im gleichen Jahr erreichte der Umsatz nahmen in WIR und kann seinen Geschäftspartnern anbieten, zu
50 Millionen WIR, 1964 verdoppelte er sich auf 100 Millionen. großen Anteilen in WIR zu bezahlen.
Ähnlich erfolgreich ging es in den folgenden drei Jahrzehnten „WIR-Geld ist erklärungsbedürftiges Geld“, unterstreicht
weiter: Ohne jegliche Werbung überschritt der Umsatz 1991 die Luzius Hartmann, Filialleiter in Zürich. Der Diplomingenieur und
Zwei-Milliarden-Grenze. Betriebswirt arbeitet seit sieben Jahren als WIR-Banker, vorher
Welche Vorteile hat ein Unternehmer, wenn er Geschäfte in war er im Maschinenbau tätig, zuletzt in einem mittelständischen
WIR macht? Was bringt etwa einen Hausbesitzer dazu, eine Unternehmen mit 70 Mitarbeitern. Dort hat er Erfahrungen mit
Gewerbemiete in WIR zu akzeptieren, wenn für ihn, wie für alle der Alternativ-Währung gesammelt. „Erst jetzt weiß ich, was ich
Bürger, Steuern, Abgaben, Strom, Wasser und Entsorgung, eben damals alles falsch gemacht habe“, sagt er lachend. Schwerpunkte
alle Rechnungen der öffentlichen Hand in Franken fällig sind? aller Filialmitarbeiter sind folgerichtig die Beratung und der
Das Geheimnis liegt im Kreditsystem: Angenommen, ein Haus Außendienst. Workshops für Unternehmer über die Möglichkei-
kostet eine Million Franken und der Käufer besitzt 20 Prozent der ten der Zweitwährung machen einen guten Teil der Arbeitszeit
Summe. Dann kann er als Mitglied der Genossenschaft von der aller WIR-Banker aus.
WIR Bank zwei Hypotheken aufnehmen: 400 000 WIR und „WIR-Geld ist immer Chefsache“, erklärt er den ehemaligen
400 000 Franken. Der Franken-Kredit ist zurzeit mit 3,25 Prozent Kollegen. Dieses Geld muss ausgegeben werden, nur dann ist es
zu verzinsen, die WIR-Hypothek kostet dagegen nur 1,75 Pro- so wertvoll wie Franken, denn WIR-Guthaben bringen keine
zent, ist dafür aber ausschließlich in WIR rückzahlbar. Die gesamte Zinsen. Im Gegensatz zum Franken ist der WIR ein reines Zah-
Zinsbelastung des Hauseigentümers liegt damit weit unter dem lungs-, kein Wertaufbewahrungsmittel. Dies ist ein wichtiges Ele-
marktüblichen Zins – das ist ein guter Grund, zur WIR Bank zu ment, das aus der Freigeldlehre geblieben ist und dazu beiträgt,
gehen. Da der Hauseigentümer seine WIR-Hypothek aber in den Kreislauf in Schwung zu halten: WIR-Kredite kosten, doch
WIR zurückzahlen muss, braucht er entsprechende Einnahmen WIR-Guthaben werden nicht verzinst. Ein Unternehmer hat also
und deshalb im Normalfall einen Mieter, der seine Miete auch in Interesse daran, sein WIR-Guthaben schnell auszugeben. Ein
WIR zahlt. Der wiederum hat nun ebenfalls einen Bedarf an Ein- Umtausch in Franken ist satzungsgemäß verboten. 3
ken“, betont Hartmann. „Die Zinsen für WIR-Kredite sind des- oder gar bevormundet. Auf der anderen Seite akzeptieren einige
halb so niedrig, weil wir Kredite nicht refinanzieren müssen – die Firmen bei der Bezahlung von Rechnungen inzwischen nur noch
WIR Bank kann die WIR-Geldmenge selbst definieren.“ ungern hohe WIR-Anteile – und wenn, dann vor allem, um Kun-
Um in einer Situation anhaltend schwacher Konjunktur, die den zu halten. Das kann aber im Einzelfall zu Liquiditäts-Eng-
auch in der Schweiz allenthalben spürbar ist, Wachstumsimpulse pässen führen, denn Löhne und Gehälter müssen in Franken aus-
zu geben, bietet das Unternehmen seinen Kunden zurzeit Inves- gezahlt werden, das ist gesetzlich vorgeschrieben.
titionskredite zu einem Prozent Zinsen in den ersten drei Jahren Erschwerend kommt hinzu, dass das Wachstum des WIR-
an. Peter Epting, Zürcher Schreinermeister mit zwölf Mitarbeitern Geschäfts mit seinen günstigen Krediten stets an die Baukon-
und WIR-Teilnehmer in der dritten Generation, wird einen in An- junktur gebunden war – und die ist auch in der Schweiz schwach.
spruch nehmen, um in seine Werkstatt zu investieren. Etwa drei Die Bank ist trotzdem weiter gewachsen, aber vor allem durch
Viertel seiner Lieferanten akzeptieren die Währung – man spricht Franken-Kredite: Während das Geschäft mit dem WIR seit Jah-
auch von der WIR-Familie. ren stagniert, ist die Kreditsumme in der Landeswährung auf
Die WIR-Gewerbetreibenden sind als rechtlich selbstständige 850 Millionen Franken gestiegen und hat damit die WIR-Summe
Vereine in regionalen Gruppen organisiert. Im Bereich der Zür- überholt. Gleichzeitig hat sich im Internet ein Graumarkt für WIR
cher WIR-Filiale gibt es vier, Epting ist im Vorstand der Zürcher entwickelt, den die Bank einzudämmen versucht, der aber nicht
Gruppe. Man trifft sich, tauscht sich aus, organisiert Ausflüge und illegal ist. Dort gibt es die Parallelwährung bis zu 30 Prozent bil-
Fortbildungen. Alljährlich im November findet die Zürcher WIR- liger als auf dem offiziellen Markt, was einer inoffiziellen Abwer-
Messe statt, eine Verkaufsmesse, die für alle offen ist und auf der tung des WIR gegenüber dem Franken gleichkommt.
selbstverständlich auch in Franken gezahlt werden darf. Aber so ist das eben in der Krise: Solidarität entsteht nicht von
Also alles gut im WIR-Land? Nicht ganz. Denn das WIR- selbst, man muss sie wollen. Ob die Schweizer genug Interesse
System hat auch seine Schwächen. Eine galt lange als eine seiner an ihr haben, wird sich auch in der Zukunft des WIR zeigen. -
Stärken: die Exklusivität. So mancher WIR-Käufer fühlt sich von
der begrenzten Auswahl an Anbietern zunehmend eingeschränkt www.wirbank.ch