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04.05.

2009 / Berlin/Brandenburg / Seite 17

Weltgeschichte aus privater Sicht »Wir waren so frei... Momentaufnahmen 1989/1990« im Museum für Film und
Fernsehen Von Anouk Meyer

Ein Junge mit Plakat »Ich freue mich auf den schulfreien Sonnabend!«, dahinter die Rückenansichten von Männern in
Anoraks. Ein Garten in Zeuthen, auf dem Rasen stehen kreuz und quer Plastikstühle umher wie nach einer Versammlung.
Eine Reihe Polizisten mit ernsten Gesichtern, in den Händen ein großes Transparent »Rechtssicherheit für Bürger und
Vopos!«. Ungewöhnliche, teils sehr private Perspektiven auf das Ende der DDR zeigt seit Freitag eine Ausstellung in der
Deutschen Kinemathek am Potsdamer Platz.

»Wir waren so frei... Momentaufnahmen 1989/1990« ist der – absichtlich doppeldeutige – Titel der Schau, die neben Fotos
und Videos von Privatpersonen aus Ost und West auch Höhepunkte der internationalen Fernsehberichterstattung und
Ausschnitte aus ost- und westdeutschen Dokumentarfilmen zeigt, alles aus der Zeit zwischen Mai 1989 und Dezember 1990.
Im Jubiläumsjahr 2009 bilden die Privatfotos und -filme gegenüber den üblichen Aufnahmen eine erfrischende
Abwechslung.

6000 Aufnahmen und 40 Stunden Film privater Leihgeber hat Kuratorin Ulrike Schmiegelt gesichtet. Wie schwierig es war,
aus dieser Masse die 300 Fotos und 40 Minuten Film herauszusuchen, die nun in dem durch eine mintgrüne Zickzack-Mauer
»geteilten« Raum zu sehen sind, kann man nur ahnen. Vieles aus dieser Zeit – von Sorge und Angst bis Freude und
Erleichterung, als die Grenzen endlich geöffnet wurden – kam beim Sichten wieder hoch, erzählt die Kuratorin. Den
Betrachtern geht es nicht anders. Die meisten der Privataufnahmen, Beweise des »Dabeigewesen-Seins« ihrer Urheber und
aufbewahrt für Kinder und Enkel, vermitteln die Stimmung jener Zeit: keine Dokumentation, sondern Erinnerung. In sechs
Themengebiete geordnet, von scheinbarer Normalität bis zur deutschen Einheit, erzählen die Bilder von Begegnungen abseits
der Weltgeschichte.

Interessant sind auch die Geschichten, die in kurzen Texten erzählt werden. Wie die von Edward G. Murray aus den USA,
der sich mit illegal getauschten 400 DM in der Tasche in einer Menschenmenge versteckte und mitten in die letzte Mai-
Kundgebung auf der Karl-Marx-Allee geriet. Um nicht aufzufallen, schoss er in Journalisten-Manier Fotos. Eine Studie in
Rot knallt nun aus den meist schwarz-weiß gehaltenen Fackelzügen und Demos heraus.

Nach den Privatfotos erinnert man sich, vergleicht mit Erfahrungen. Schade für den Rest, der auch Interessantes bietet: Wie
Briten, Amerikaner, Russen und Franzosen den Mauerfall im Fernsehen erlebten und was Korrespondenten empfanden,
zeigen Monitore in Raum II, Ausschnitte aus ost- und westdeutschen Dokumentarfilmen in Raum 3. Hinzu kommt ein
Internet-Archiv, bei dem jeder Fotos und Filme aus 1989/90 einreichen kann und soll.
Bis 9.11., Filmhaus, Potsdamer Str.2, Mitte; Di.-So. 10-18 Uhr, Do. bis 20 Uhr;
www.wir-waren-so-frei.de URL: http://www.neues-deutschland.de/artikel/148211.weltgeschichte-aus-privater-sicht.html

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