8 Transkription
und posttranskriptionale
Prozessierung der RNA
Mathias Montenarh
Literatur – 283
256 Kapitel 8 · Transkription und posttranskriptionale Prozessierung der RNA
Die DNA enthält für Proteine codierende Gene, darüber hinaus aber auch die Information für die Synthese von ribosomaler RNA
oder Transfer-RNA. Da zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Zelle in Abhängigkeit von ihrem Differenzierungszustand, ihrer
jeweiligen biologischen Aktivität sowie vieler extrazellulärer Signalstoffe nur einen geringen Teil der Gene in Form der entspre-
chenden Genprodukte benötigt, ergibt sich zwingend, dass jeweils nur bestimmte DNA-Abschnitte in eine Form umgeschrie-
ben werden müssen, die ihre weitere Verwendung, z.B. für die Proteinbiosynthese, ermöglicht. Dieser Vorgang wird als Trans-
kription bezeichnet und beinhaltet die Herstellung einer Kopie eines Gens in Form eines einzelsträngigen RNA-Moleküls. Bei
Eukaryoten findet die Transkription im Zellkern statt. Sie führt in der Regel noch nicht zu funktionsfähigen Molekülen, vielmehr
müssen die primären Transkriptionsprodukte z.T. erhebliche Veränderungen durchlaufen, bevor sie durch die Kernporen in
das Cytosol transportiert werden, um dort ihren verschiedenen Funktionen im Rahmen der Proteinbiosynthese nachzukom-
men. Die Transkription selbst, aber auch die Modifikationen, der Transport und der Abbau der primären Transkriptionsprodukte
werden durch jeweils unterschiedliche Mechanismen reguliert. Störungen dieser Vorgänge können zu schwerwiegenden
Krankheitsbildern führen.
4 Als tRNA bildet sie den Adapter, der für die Überset-
8.1 Allgemeiner Mechanismus zung des Nucleinsäure-Codes in die Aminosäurese-
der Transkription quenz benötigt wird
4 Als rRNA ist sie Strukturbestandteil der für die Pro-
8.1.1 Bedeutung der Transkription teinbiosynthese benötigten Ribosomen
8 und Funktionen der RNA 4 In Form der Ribozyme dient RNA bei den unterschied-
lichsten Vorgängen als Katalysator
! Aus den durch die Transkription der DNA entstehenden 4 Eine große Zahl kleiner RNA-Moleküle hat darüber
RNA-Transkripten werden co- und posttranskriptional hinaus regulatorische Funktionen
die verschiedenen RNA-Spezies gebildet.
Die strukturellen Unterschiede zwischen DNA und RNA
Alle kernhaltigen Zellen des menschlichen Organismus tra- werden in Kapitel 5 besprochen.
gen dieselbe genetische Information in ihrer DNA. Trotz-
dem unterscheidet sich eine Nervenzelle deutlich von einer
Haut- oder einer Leberzelle. Die Ursache dafür liegt darin, 8.1.2 Prinzip der Transkription
dass nicht in jeder Zelle die gesamte genetische Information
abgerufen wird. Je nach Zelltyp oder Gewebe wird nur ein ! Die Transkription wird in drei Phasen eingeteilt, die
bestimmtes Repertoire an Genen exprimiert. Die Genex- Initiation, Elongation und Termination.
pression beinhaltet das Umschreiben von Teilen der gene-
tischen Information in RNA, dieses Umschreiben nennt Die gesamte RNA einer Zelle wird durch Transkription her-
man Transkription. gestellt. Das chemische Prinzip dieses Vorgangs ähnelt dem
Die Chemie der RNA-Biosynthese hat zwar große Ähn- der DNA-Replikation. Am Anfang wird ein kleiner Bereich
lichkeit mit derjenigen der DNA-Biosynthese (7 Kap. 7.2), der DNA-Doppelhelix geöffnet und entwunden, sodass die
in ihrer biologischen Bedeutung unterscheiden sich aber Basen an beiden DNA-Strängen freigelegt sind. Die beiden
beide Vorgänge erheblich: Einzelstränge der DNA haben bei der Transkription eine
4 Bei der Replikation wird das gesamte Genom kopiert, unterschiedliche Funktion.
bei der Transkription werden nur einzelne DNA-Ab- 4 Der Strang, der als Matrize für die RNA-Synthese dient,
schnitte abgelesen wird auch als Matrizenstrang oder Minusstrang be-
4 Der DNA-Bestand einer Zelle soll sich während ihrer zeichnet (englisch antisense strand). In einem Chromo-
Lebenszeit nicht verändern. Deswegen gibt es umfang- som können verschiedene Gene unterschiedliche Strän-
reiche Mechanismen zur Reparatur von Mutationen. ge als Matrize verwenden
Im Gegensatz dazu wird die RNA immer wieder neu 4 Die Basensequenz des zum Matrizenstrang komple-
synthetisiert und nach Erledigung ihrer Aufgaben abge- mentären DNA-Strangs entspricht der Basensequenz
baut des RNA-Transkripts. Dieser Strang wird auch als co-
dierender Strang, Plusstrang oder als Nicht-Matrizen-
Die durch Transkription von DNA entstandene RNA hat in strang bezeichnet (englisch sense strand)
der Zelle viele Funktionen:
4 In Form der mRNA dient sie als Matrize für die Prote- Die für die Transkription verantwortlichen Enzyme sind die
inbiosynthese DNA-abhängigen RNA-Polymerasen. Ihre Assoziation mit
8.2 · Transkription bei Prokaryoten
257 8
. Abb. 8.1. Prinzip der Transkription durch RNA-Polymerasen. läuft. Die Synthese der RNA erfolgt in 5‘-3‘-Richtung. Die DNA muss
An der Startstelle der Transkription muss die DNA lokal entwunden vor der RNA-Polymerase entwunden und hinter ihr wieder zur Dop-
werden, woraufhin die RNA-Polymerase mit dem Transkriptionsvor- pelhelix verwunden werden
gang beginnt und auf dem Matrizenstrang in 3‘-5‘-Richtung entlang-
der DNA sowie die bei der Transkription notwendigen Ver- Transkriptionsregulation. Gerade für die Medizin ist die
änderungen des DNA-Doppelstrangs sind in . Abb. 8.1 dar- Regulation der Transkription von besonderer Bedeutung.
gestellt. Damit die RNA-Polymerase das einzelsträngige Die zur Aufrechterhaltung der basalen Funktionen von Zel-
Transkript herstellen kann, muss der DNA-Doppelstrang len benötigten Gene werden i. Allg. konstant exprimiert.
über ein kurzes Stück, das sog. Transkriptionsauge, entwun- Man bezeichnet dies auch als konstitutive Transkription,
den, dahinter jedoch wieder neu verdrillt werden. Dies wür- die betreffenden Gene auch als »house keeping genes«. Die
de zu einer beträchtlichen Rotation der DNA führen, die Transkriptionsgeschwindigkeit der regulierten Gene kann
jedoch aus strukturellen Gründen eingeschränkt ist. Die sich im Gegensatz zu den house keeping genes um Größenord-
hieraus ergebenden topologischen Probleme werden von nungen variieren und wird durch eine große Zahl intra-
Topoisomerasen (7 Kap. 7.2.3) bewältigt. und extrazellulärer Faktoren beeinflusst.
Prinzipiell kann man die Transkription in drei Stadien
einteilen: In Kürze
4 Initiation Durch den Vorgang der Transkription wird die Kopie
4 Elongation eines Gens in Form eines einzelsträngigen RNA-Mole-
4 Termination küls erzeugt. Hierfür wird ein partiell einzelsträngiges
DNA-Molekül als Matrize benötigt, außerdem RNA-Po-
Initiation. Das größte Problem bei der Initiation ist das kor- lymerasen und die Nucleosidtriphosphate ATP, GTP,
rekte Auffinden der Startstelle für die Transkription, sodass UTP und CTP. Die Transkription wird in die Phasen In-
möglichst nur der für die Funktion des betreffenden Gens itiation, Elongation und Termination eingeteilt.
benötigte DNA-Abschnitt transkribiert wird. Hierzu verfü-
gen pro- und eukaryote Gene über sog. Promotoren oder
Promotorregionen. Sie sind Strukturelemente, die die Bin-
dung der RNA-Polymerasen an den Transkriptions-Start- 8.2 Transkription bei Prokaryoten
punkt ermöglichen und Informationen darüber geben, mit
welcher Effizienz und zu welchem Zeitpunkt ein Gen tran- ! Die durch RNA-Polymerasen katalysierte Reaktion ist
skribiert wird, d.h. wie seine Transkription reguliert ist. bei pro- und eukaryoten Organismen identisch.
Derartige Strukturen der Promotorregionen werden auch
als cis-Elemente, spezifisch an sie bindende Proteine als Chemisch entspricht der Reaktionsmechanismus aller
trans-Elemente bezeichnet. RNA-Polymerasen demjenigen der DNA-Polymerasen
(. Abb. 8.2). Das 3c-OH-Ende eines Nucleotids greift die
Elongation. Für die Elongation werden die entsprechenden Phosphorsäureanhydrid-Bindung zwischen dem D- und
Nucleosidtriphosphate und Enzyme für die Verknüpfung E-Phosphat des nächsten anzukondensierenden Ribonu-
der Nucleotide in der wachsenden RNA benötigt. cleotids an, sodass dieses unter Pyrophosphatabspaltung in
die wachsende RNA-Kette eingebaut wird. Die Sequenz der
Termination. Für die Termination müssen spezifische Si- durch diese Verlängerung eingebauten Ribonucleotide ist
gnale auf der DNA vorhanden sein, sodass verhindert wird, komplementär zur Basensequenz des Matrizenstrangs und
dass unter Energieaufwand große, nicht codierende Be- entspricht damit derjenigen des codierenden Strangs. An-
reiche hinter den Genen transkribiert werden. stelle von Thymin enthält die RNA Uracil, das aber in glei-
258 Kapitel 8 · Transkription und posttranskriptionale Prozessierung der RNA
In Kürze
Bei Prokaryoten kommt nur eine RNA-Polymerase vor, die
für die 5c, 3c-Verknüpfung von Ribonucleotiden im wach-
senden RNA-Molekül verantwortlich ist. Mit Hilfe des Sig-
. Abb. 8.4. inverted repeat als Terminationssignal bakterieller ma-Faktors bildet sie am Promotor den Initiationskom-
Gene. In den RNA-Transkripten entsteht durch diese Anordnung eine plex. Für die Elongation wird der Sigma-Faktor nicht mehr
Haarnadelstruktur, die als Terminationssignal dient benötigt. Für die Termination sind inverted repeats der neu
synthetisierten RNA oder der Terminationsfaktor Rho ver-
Initiationsstelle aufgefunden ist, lagert die RNA-Polyme- antwortlich.
rase das erste Nucleosidtriphosphat an, welches immer
GTP oder ATP ist, und bildet auf diese Weise den Initia-
tionskomplex.
Nach Knüpfung von etwa 10 Phosphodiesterbindungen 8.3 Transkription bei Eukaryoten
kommt es zur Dissoziation des σ-Faktors, da die weitere
Transkription, die Elongation, durch das core-Enzym allei- 8.3.1 Eukaryote RNA-Polymerasen
ne möglich ist. Vom Promotor aus liest die RNA-Polymera-
se den Matrizenstrang in 3c o 5c -Richtung ab und synthe- ! Eukaryote besitzen drei verschiedene RNA-Polymera-
tisiert dabei die RNA in 5c o 3c-Richtung. Dabei sind je- sen mit jeweils unterschiedlicher Funktion.
weils etwa 8 oder 9 Nucleotide durch Basenpaarung mit
dem Matrizenstrang verbunden. Durch sog. proofreading Im Gegensatz zu Prokaryoten kommen bei allen Eukaryo-
überprüft die RNA-Polymerase die Richtigkeit der Basen- ten drei verschiedene RNA-Polymerasen vor, die sich durch
paarung. Fehlerhaft eingebaute Nucleotide können entfernt die Zahl der Untereinheiten, ihre Lokalisation im Zellkern
und durch die richtigen ersetzt werden. sowie durch ihre Funktion unterscheiden (. Tabelle 8.1).
Für die Termination muss das Ende des bei Prokaryon- Die RNA-Polymerase I ist im Nucleolus lokalisiert. Sie
ten häufig polycistronischen Strukturgens gefunden wer- transkribiert dort das Gen für den 45S-Vorläufer der ribo-
den. Im Prinzip sind hierfür zwei Mechanismen realisiert, somalen RNA (7 unten). Die RNA-Polymerase II befindet
Rho-abhängige und Rho-unabhängige. sich im Zellkern und transkribiert die für Proteine codie-
Im ersteren Fall wird der Proteinfaktor Rho (ρ) benö- renden Gene. Die Transkriptionsprodukte werden gewöhn-
tigt. Er bildet eine hexamere Ringstruktur um die entste- lich als Prä-mRNA oder hnRNA (heterogeneous nuclear
260 Kapitel 8 · Transkription und posttranskriptionale Prozessierung der RNA
RNA) bezeichnet. Die RNA-Polymerase III transkribiert 4 BRE (TFIIB recognition element)
schließlich alle tRNA-Gene sowie das Gen für die 5S- 4 TATA-Box
rRNA. 4 Inr (Initiatorelement) und
Die drei RNA-Polymerasen unterscheiden sich in 4 DPE (downstream promoter element)
ihrer Hemmbarkeit durch α-Amanitin, das Gift des grünen
Knollenblätterpilzes. Während die RNA-Polymerase II be- Für seine optimale Funktionsfähigkeit muss ein normaler
reits durch geringe Konzentrationen gehemmt wird, ist die Promotor mindestens zwei oder drei dieser vier Elemente
RNA-Polymerase I völlig unempfindlich gegenüber dem enthalten.
Pilzgift. Zur Hemmung der RNA-Polymerase III werden
! Für die Bildung des eukaryoten Initiationskomplexes
relativ große Mengen des Gifts benötigt.
sind allgemeine Transkriptionsfaktoren notwendig.
Alle drei eukaryoten RNA-Polymerasen bestehen aus
mindestens 10 bis 12 Untereinheiten. Ihre Molekülmasse Im Gegensatz zu den prokaryoten RNA-Polymerasen sind
8 liegt bei etwa 500 kDa. Ohne die Anwesenheit sog. allge- eukaryote RNA-Polymerasen nicht imstande, alleine an
meiner Transkriptionsfaktoren sind sie nicht zur Initia- DNA zu binden. Sie benötigen hierzu allgemeine Trans-
tion der Transkription imstande. Die jeweilige Zugehörig- kriptionsfaktoren. Diese bilden den sog. Initiationskom-
keit eines allgemeinen Transkriptionsfaktors zu einer RNA- plex, der für die korrekte Bindung der RNA-Polymerase an
Polymerase wird dadurch zum Ausdruck gebracht, dass an der Startstelle der Transkription verantwortlich ist. Der
die Abkürzung für den Transkriptionsfaktor (TF) römische Initiationskomplex für die Transkription von Prä-mRNA-
Ziffern angefügt werden, die mit der Nummerierung der Genen besteht aus RNA-Polymerase II, allgemeinen Trans-
RNA-Polymerasen übereinstimmen. Daran schließt sich kriptionsfaktoren und Mediator-Proteinen.
ein weiterer Großbuchstabe an, der den jeweiligen Trans- Die Bildung des Initiationskomplexes beginnt mit der
kriptionsfaktor identifiziert (TFIIA = allgemeiner Trans- Bindung des TATA-Box-Bindeproteins an die TATA-Box
kriptionsfaktor A für die RNA-Polymerase II). (. Abb. 8.6). Das TATA-Box-Bindeprotein TBP ist eine
Da die drei verschiedenen RNA-Polymerasen eukary- Untereinheit des allgemeinen Transkriptionsfaktors TFIID.
oter Zellen für die Transkription jeweils ganz unterschied- Durch die Bindung von TBP wird die DNA mit einem Win-
licher Gruppen von Genen mit unterschiedlichen Promo- kel von etwa 80° verbogen und damit die Wechselwirkun-
toren verantwortlich sind, ist es nicht erstaunlich, dass sich gen zwischen den AT-Paaren gelockert. Im Anschluss an
die Bildung der Initiationskomplexe je nach Polymerase die Bindung von TFIID lagern sich die allgemeinen Trans-
unterscheidet. kriptionsfaktoren TFIIB, TFIIF, zusammen mit der RNA-
Polymerase II, TFIIE, TFIIH und TFIIJ an. Danach »schmel-
8.3.2 Bildung des eukaryoten Initiations- zen« die Wasserstoffbrückenbindungen der Basenpaare in
komplexes der RNA-Polymerase II
. Abb. 8.8. Räumliche Beziehungen von Transaktivatoren mit gen so sind, dass ungeachtet dieser Entfernung eine direkte Assoziati-
dem Initiationskomplex. Transaktivatoren oder upstream regulatory on der Transkriptionsaktivatoren mit dem Initiationskomplex der RNA-
factors binden DNA-Elemente, die gelegentlich mehr als 100 Basen- Polymerase erfolgen kann. An die GC-Box bindet das Transaktivator-
paare von der Transkriptionsstartstelle und damit von der RNA-Poly- Protein SP-1 mit Hilfe seiner drei Zinkfinger (7 Kap. 8.5.2), an die
merase entfernt liegen. Man nimmt an, dass die räumlichen Beziehun- CAAT-Box das CAAT-Bindeprotein CTF-1
. Abb. 8.13. Konservierte Strukturelemente an den Exon/Intron-Übergängen sowie in den Introns. (Einzelheiten 7 Text)
8.3 · Transkription bei Eukaryoten
265 8
. Abb. 8.15. Für höhere Eukaryote typische Reaktionsfolge der Intronentfernung durch Spleißen an einem Spleißosom. (Einzelhei-
ten 7 Text)
Auch das Spleißen erfolgt cotranskriptional. Die Anheftung Prozessierung wieder entfernt, sodass nur ein kleiner Teil
der für den Spleißvorgang benötigten snRNPs sowie einer der transkribierten primären RNA den Zellkern verlässt.
großen Zahl weiterer Proteinfaktoren (insgesamt etwa 150!) Möglicherweise entstehen bei dieser RNA-Prozessierung
zum Spleißosom wird ebenfalls vom Phosphorylierungs-/ spezifische Signale, die den Transport der RNA aus dem
Dephosphorylierungsmuster der C-terminalen Domäne Zellkern in das Cytosol regulieren. Durch gentechnologi-
der RNA-Polymerase II gesteuert. sche Verfahren gelingt es, Gene ohne Introns herzustellen
Über die biologische Bedeutung der diskontinuierli- (cDNA, 7 Kap. 7.4.3). Derartig modifizierte Gene können
chen Anordnung der Gene höherer Eukaryoter gibt es viele wieder in das Genom kultivierter Zellen eingebaut werden,
Spekulationen. In der Tat wird der allergrößte Teil der pri- sodass sie wie normale Gene transkribiert werden. Überra-
mären RNA-Transkripte durch die posttranskriptionale schenderweise konnte dabei festgestellt werden, dass bei
8.3 · Transkription bei Eukaryoten
267 8
Prozessierung der Transkripte der tRNA-Gene. In den meis- Für die Termination der Transkription eukaryoter Gene
ten Zellen finden sich 40–50 unterschiedliche tRNA-Mole- sind bei der RNA-Polymerase I und III ähnliche Signale
küle. Diese entstehen aus längeren RNA-Transkripten, die verantwortlich wie bei prokaryoten Genen.
durch entsprechende Nucleasen prozessiert werden müssen.
8 Außerdem werden Basen modifiziert und Teile des Mole-
küls durch Spleißen entfernt (. Abb. 8.18). Die Endonucle- 8.3.5 Hemmstoffe der Transkription
ase RNase P entfernt Polyribonucleotide am 5c-Ende der
tRNA-Vorläufermoleküle. Sie ist ein bei allen Organismen Eine Reihe von Hemmstoffen der Transkription, darunter
vorkommendes Enzym. Es benötigt zu seiner Funktion ein auch einige Antibiotika, haben sich als wertvolle Hilfsmittel
spezifisches RNA-Molekül, welches für die katalytische Ak- bei der Aufklärung der molekularen Mechanismen dieses
tivität essentiell ist und sogar in Abwesenheit des Proteinan- Vorgangs erwiesen. Darüber hinaus haben sie Eingang in
teils wirkt. Damit gehört die RNase P in die Klasse der Ribo- die Therapie gefunden.
zyme. Nach der Entfernung überzähliger Basen am 3c-OH-
Ende durch die RNase D erfolgt schließlich die Anheftung Actinomycin D. Das Actinomycin D (. Abb. 8.19) hemmt
der für alle tRNA-Moleküle typischen CCA-Sequenz durch in niedrigen Konzentrationen die Transkription, in höheren
die tRNA-Nucleotidyltransferase. Zuletzt erfolgen die für auch die Replikation. Das Molekül schiebt sich wie ein in-
die tRNA spezifischen Methylierungen. terkalierender Farbstoff zwischen GC-Paare doppelsträn-
. Abb. 8.18. Biosynthese der tRNA-Moleküle. Durch posttranskrip- durch RNase P, RNase D, Spleißen und tRNA-Nucleotidyltransferase
tionale Prozessierung der primären Transkripte von tRNA-Genen entstehen die tRNAs. (Einzelheiten 7 Text)
8.3 · Transkription bei Eukaryoten
269 8
Der Export von mRNA, aber auch aller anderen extranu- Erst nach Bindung eines derartigen mRibonucleoprotein-
kleären RNAs, aus dem Zellkern muss sehr selektiv sein. Es Komplexes kann der Export durch die Kernpore erfolgen.
dürfen nur diejenigen RNA-Moleküle exportiert werden, Anders als beim Kerntransport von Proteinen und den an-
die voll funktionsfähig sind. Ihre Menge ist wesentlich ge- deren RNAs sind dabei Ran-abhängige Karyopherine
ringer als die Menge der nicht funktionsfähigen RNA im (7 Kap. 6.2.1) nicht beteiligt.
Zellkern. Dies wird besonders klar am Beispiel der Protein- Der RNA-Transport durch die Kernporen ist unidirek-
codierenden RNA. Bei einem durchschnittlichen Vertebra- tional, was aus der Beobachtung hervorgeht, dass markier-
270 Kapitel 8 · Transkription und posttranskriptionale Prozessierung der RNA
In Kürze
Eukaroyte verfügen über drei RNA-Polymerasen, die für Durch die Änderung der Phosphorylierung der C-termi-
die 5c,3c-Verknüpfung von Ribonucleotiden im wachsen- nalen Domäne wird die Elongation eingeleitet, die mit
den RNA-Molekül verantwortlich sind: einem Verlust der meisten allgemeinen Transkriptionsfakto-
5 die RNA-Polymerase I für die Synthese des Vorläufers ren einhergeht. Cotranskriptional erfolgt dann die
von ribosomaler RNA 5 Anheftung der Kappengruppe
5 die RNA-Polymerase II für die Synthese der Prä- 5 das Entfernen von Introns durch Spleißen und
mRNA 5 die Anheftung des Poly(A)-Endes
5 die RNA-Polymerase III für die Synthese der Vorläufer
von Transfer-RNAs tRNA-Vorläufermoleküle werden mit Hilfe von Ribozymen
verkürzt, am 3c-Ende mit der Sequenz-CCA versehen und
Für die Bildung der Initiationskomplexe sind die Promo- methyliert.
toren verantwortlich. Sie stellen regulatorische DNA-Ab- rRNA-Vorläufermoleküle werden methyliert und mit Hil-
schnitte dar, an die die RNA-Polymerasen zusammen mit fe von Nucleasen zu den reifen rRNA-Molekülen prozessiert
Transkriptionsfaktoren binden. Über diese Bindung wird Hemmstoffe der Transkription verhindern entweder die
der Startpunkt der Transkription festgelegt. Entwindung der DNA (z.B. Gyrasehemmer) oder sie inakti-
Der Initiationskomplex der RNA-Polymerase II be- vieren die RNA-Polymerasen
steht aus allgemeinen Transkriptionsfaktoren, Mediator- Für die Proteinbiosynthese werden die tRNAs, rRNAs
proteinen und der RNA-Polymerase II, deren C-terminale und mRNAs mit Hilfe von Transportproteinen über die Kern-
Domäne bei der Bildung des Initiationskomplexes eine poren ins Cytosol transportiert. Im Cytosol stehen spezielle
wichtige Rolle spielt. Abbaumechanismen für die RNA zur Verfügung.
8.5 · Regulation der Genexpression bei Eukaryoten
271 8
8.4 Regulation der Transkription Der in 7 Kapitel 8.4 geschilderte Mechanismus der pro-
bei Prokaryoten karyotischen Regulation der Genexpression, nämlich die
Regulation durch Bindung von Proteinen an spezifische
Bei Prokaryoten wird die Genexpression fast ausschließlich DNA-Sequenzen, findet sich auch bei Eukaryoten. Wegen
über die Transkription reguliert. Francois Jacob und Jaques der Komplexizität der DNA z.B. durch ihre Verpackung als
Monod lieferten mit dem von ihnen erstmalig formulierten Chromatin und wegen der Kompartimentierung der euka-
Operonmodell einen bis heute gültigen Mechanismus der ryoten Zelle müssen allerdings zur Regulation der Genex-
Genregulation in Prokaryoten (. Abb. 8.22). Im Prinzip be- pression zusätzliche Mechanismen angewandt werden.
ruhen alle Varianten dieses Modells darauf, dass eine Ope- Bei Prokaryoten ist die DNA nicht im Zellkern konden-
ratorregion in unmittelbarer Nachbarschaft zum Promotor siert, sodass Transkription und Translation direkt neben-
vor einem Strukturgen lokalisiert ist. Im Fall der negativen einander ablaufen können. Zudem liegt die Halbwertszeit
Kontrolle verhindert ein an den Operator gebundenes Re- der RNA bei Prokaryoten im Bereich von Minuten, weswe-
pressorprotein die Transkription des Strukturgens durch gen jede Regulation der Transkription unmittelbar die Bio-
die RNA-Polymerase. Im Allgemeinen wird das Repressor- synthese der entsprechenden Proteine, d.h. die Genexpres-
protein durch einen Liganden, den Induktor, entfernt, wo- sion, beeinflusst. Anders liegen die Verhältnisse bei Euka-
mit die Transkription beginnen kann. Es sind jedoch auch ryoten. Sie besitzen einen Zellkern, in dem mit Ausnahme
Fälle bekannt, bei denen der Komplex aus Repressor und der mitochondrialen DNA die gesamte DNA der Zelle kon-
Ligand den Operator belegt und damit die Transkription densiert ist. Hier erfolgen die Transkription und die post-
verhindert (Repression). In diesem Fall führt die Entfer- transkriptionale Prozessierung der primären Transkripte.
nung des Liganden zu einer Freigabe des Operators und Anders als bei Prokaryoten findet bei Eukaryoten die Trans-
damit zur Transkription des Gens (Derepression). lation des RNA-Strangs in eine Aminosäuresequenz, also
die Proteinbiosynthese, im Cytosol statt, weswegen der Ex-
port der mRNA durch die Kernporen notwendig ist.
8.5 Regulation der Genexpression Für die Expression eines zell- oder gewebetypischen
bei Eukaryoten Phänotyps sowie für die Anpassung sämtlicher Leistungen
von Zellen an geänderte Umweltbedingungen ist die Mög-
Obwohl jede Zelle eines vielzelligen Organismus dieselbe lichkeit, die Expression spezifischer Gene entsprechend zu
genetische Ausstattung besitzt, entstehen im Verlauf der regulieren, eine unabdingbare Voraussetzung. Änderungen
Differenzierung unterschiedliche Zellen, Gewebe und Or- der Genexpression spielen darüber hinaus beim Zustande-
gane. Dies liegt daran, dass die verschiedenen Zelltypen kommen pathobiochemischer Vorgänge wie der Reaktion
jeweils spezifische RNA- oder Protein-Moleküle expri- von Zellen auf Stress, auf toxische Verbindungen, Infektio-
mieren. Einige Genprodukte kommen in allen Zellen vor, nen oder bei der malignen Transformation eine entschei-
während andere, wie z.B. das Hämoglobin, nur in einem dende Rolle. Im Prinzip können Änderungen der Genex-
einzigen Zelltyp, in diesem Fall den roten Blutzellen, vor- pression
kommen. Auf dem Weg von der Gensequenz bis zum funk- 4 durch (In-)Aktivierung von Genen
tionsfähigen Genprodukt, einem Protein, gibt es viele ver- 4 durch Beeinflussung der Transkriptions-Initiation
schiedene Regulationsmöglichkeiten. 4 durch Hemmung der Transkription
4 bei der Prozessierung der Prä-mRNA
4 beim Transport der RNAs ins Cytoplasma
4 beim Abbau der RNA oder
4 bei der Translation der mRNA erfolgen (. Tabelle 8.2)
. Abb. 8.22. Regulation der Transkription bei Prokaryoten nach Bei Prokaryoten und einzelligen Eukaryoten gleichen sich
dem Operonmodell. (Einzelheiten 7 Text) alle Nachkommen einer Zelle bezüglich Genexpression
272 Kapitel 8 · Transkription und posttranskriptionale Prozessierung der RNA
Abbau der RNA Verhinderung des endonucleolytischen Abbaus Stabilität der Transferrinrezeptor-mRNA
durch DNA-Bindungsproteine
8 und Ausstattung mit Proteinen. Anders liegen dagegen die nin folgt. Für die Weitergabe dieses Methylierungsmusters
Verhältnisse bei höheren vielzelligen Organismen. Diese während der Replikation bedarf es einer spezifischen Me-
entstammen alle einer befruchteten, diploiden Eizelle. thyltransferase, die die palindromartige CG-Sequenz im
Durch Replikation wird jeweils das gesamte genetische Ma- komplementären Strang erkennt und den C-Rest nur dann
terial auf alle Tochterzellen dieser Eizelle, d.h. auf jede Zel- methyliert, wenn der parentale Strang eine entsprechende
le des differenzierten vielzelligen Organismus weitergege- Methylgruppe trägt. Tatsächlich können Änderungen des
ben. Dass tatsächlich im Zellkern einer somatischen Zelle Methylierungsmusters während Differenzierungsprozes-
noch die gesamte Information für den jeweiligen Organis- sen festgestellt werden und inzwischen konnte nachgewie-
mus enthalten ist, sieht man beispielsweise daran, dass es sen werden, dass sehr viele inaktive Gene stärker methyliert
möglich ist, einer befruchteten Eizelle eines Froschs den sind als aktive Gene.
Kern zu entnehmen und durch den Kern einer beliebigen Ein wichtiges Werkzeug zum Studium der Methylie-
somatischen Zelle zu ersetzen. Auch dann entsteht aus der rungsmuster der DNA ist die Base 5-Aza-Cytosin. Wird sie
befruchteten Eizelle ein vollständiger Frosch. anstelle des normalen Cytosins in DNA eingebaut, so wird
Ungeachtet dieser Tatsache ist klar, dass sich die Vielfalt die Methylierung an dieser Stelle wegen des in Position 5
der verschiedenen Zellen eines höheren Organismus nur anstatt eines C-Atoms befindlichen N-Atoms verhindert.
dadurch erklären lässt, dass während des Differenzierungs- Zur Vorstellung des Abschaltens von Genen durch Methy-
vorgangs spezifische Gene an- und andere wieder abge- lierung passt der Befund, dass es nach Behandlung von Zel-
schaltet werden. So findet sich z.B. Hämoglobin ausschließ- len mit 5-Aza-Cytosin in vielen Fällen zu einer verstärkten
lich in den Erythrozyten und einigen ihrer Vorläufer, nicht Genexpression kommt, wobei vor allem embryonale Gene
dagegen in den anderen Zellen des Organismus. Man weiß betroffen sind.
heute, dass dies nicht auf einem Verlust des Hämoglobin- Unterschiede im Methylierungsmuster sind auch für
gens in den nicht-Hämoglobin-produzierenden Zellen be- das genomic imprinting verantwortlich. Man versteht hier-
ruht. Vielmehr werden in ihnen die für die Hämoglobinbio- unter das Phänomen, dass gleiche Allele paternaler und
synthese zuständigen Gene abgeschaltet. Offensichtlich maternaler Gene unterschiedlich exprimiert werden. So
entwickelt jede differenzierte Zelle ein spezifisches Muster wird beispielsweise nur das väterliche Allel für IGF-2 (insu-
von an- bzw. abgeschalteten Genen, das bei der Zellteilung lin like growth factor 2) transkribiert, nicht jedoch das der
unverändert an die Nachkommen weitergegeben wird. Mutter. In den Oozyten ist tatsächlich das IGF-2-Gen me-
Eine Möglichkeit hierfür besteht im Einbringen spezi- thyliert, nicht jedoch in den Spermatozyten. Da dieses Me-
fischer Methylierungsmuster in das Genom sich differen- thylierungsmuster auf alle von der befruchteten Eizelle ab-
zierender Zellen. Der hierbei zugrunde liegende Mechanis- stammenden Zellen weitergegeben wird, ist im fertigen
mus ist in . Abb. 8.23 dargestellt. Die Inaktivierung eines Organismus nur das paternale Allel für IGF-2 aktiv.
Gens beginnt danach mit der Methylierung am C-Atom 5 Die DNA-Methylierung ist allerdings nicht der einzige
eines Cytosinrests in einer Kontrollregion des Gens. We- Mechanismus zur Etablierung von Differenzierungsmus-
sentlich dabei ist, dass auf den Cytosinrest immer ein Gua- tern. So ist z.B. das gesamte Genom der Taufliege Droso-
8.5 · Regulation der Genexpression bei Eukaryoten
273 8
ermöglichen oder die Nucleosomenstruktur weiter auf- und das Chromatin damit in einen »inaktiven« Zustand
lockern. Derartige Proteine verfügen für ihre Interaktion versetzt.
mit acetylierten Histonen über eine so genannte Bromodo-
mäne. Histonphosphorylierung/-dephosphorylierung. Die re-
Die für die Histonacetylierung verantwortlichen versible Phosphorylierung von Histonen an Serinresten hat
Histon-Acetyl-Transferasen bilden eine umfangreiche Grup- unterschiedliche Konsequenzen je nachdem, ob sie wäh-
pe von regulierten Enzymen. Sie benützen Acetyl-CoA als rend der Interphase oder der Mitose erfolgt. Von besonde-
Substrat und sind meist sehr komplex aufgebaut. Besonders rem Interesse für die Regulation der Transkription ist dabei
gut untersucht sind die Histon-Acetyl-Transferasen der das Histon H3. Die Phosphorylierung des unmittelbar dem
p300/CBP-Familie. . Abbildung 8. 25a, zeigt den Aufbau Lysin 9 benachbarten Serin 10 führt zu einer verstärkten
des p300-Proteins. In seinem mittleren Teil findet sich die Acetylierbarkeit des Lysin 9 und damit zu einer Umstruk-
Bromodomäne und die Acetyl-Transferaseaktivität. N- und turierung des Chromatins der betroffenen Nucleosomen
C-terminal sind cysteinreiche Domänen lokalisiert, die mit der Möglichkeit einer vermehrten Transkription der
Protein-Protein-Wechselwirkungen ermöglichen. Außer- dort lokalisierten Gene. Eine Reihe von Proteinkinasen ist
dem befinden sich hier auch Domänen für die Bindung der zur Phosphorylierung dieses Serinrests imstande, darunter
verschiedensten Transkriptionsaktivatoren (. Abb. 8.25b) die Proteinkinase A (7 Kap. 25.4.5, 25.6.2), die Mitogen-
(7 u.). Zu diesen gehören u.a. viele nucleäre Hormonrezep- aktivierte Kinase 1 (7 Kap. 25.7.1) und die IκB-Kinase.
toren (Steroidhormonrezeptoren) aber auch eine große Somit ist über diesen Mechanismus eine Verbindung zwi-
Zahl weiterer Transkriptionsaktivatoren. schen extrazellulären Signalmolekülen und der Acetylie-
Damit handelt es sich bei p300 um ein multifunktiona- rung von Histonen gegeben.
les Protein. Dank seiner Bromodomäne lagert es sich an Auch während der Mitose erfolgt eine Phosphorylie-
bereits acetylierte Histonreste an und verstärkt mit der rung von Serinresten in Histonproteinen. Diese dient hier
Acetyl-Transferaseaktivität die Histonacetylierung und allerdings eher der für die Mitose notwendigen Chromatin-
damit die Auflockerung der Chromatinstruktur. Gleichzei- kondensation. Die hierfür verantwortlichen Proteinkinasen
tig bindet es Transkriptionsaktivatoren und »verbrückt« werden auch als Aurora-Kinasen bezeichnet.
diese mit dem Initiationskomplex der RNA-Polymerase II Für die Dephosphorylierung der Histonproteine ist die
(. Abb. 8.25c). Proteinphosphatase 1 verantwortlich.
Durch die Aktivität von Histondeacetylasen werden
die durch die Histonacetylierung verursachten Änderun- Histonmethylierung. Die Methylierung von Histonprotei-
gen der Chromatinstruktur wieder rückgängig gemacht nen führt zur Anlagerung von Proteinen, welche die Chro-
8.5 · Regulation der Genexpression bei Eukaryoten
275 8
. Abb. 8.25. Struktur des p300-Proteins. a Domänenstruktur des zum Initiationskomplex der RNA-Polymerase II. HAT = Histon-Acetyl-
p300-Proteins; b Auswahl von Proteinfaktoren mit regulatorischen Transferase (Einzelheiten 7 Text)
Funktionen, die an p300 binden; c Beziehungen des p300-Proteins
matinkondensation und damit die Inaktivierung von Ge- ergaben schließlich, dass in allen regulierbaren eukaryoten
nen auslösen. Diese Proteine verfügen hierzu über eine Genen sog. enhancer (engl. = Verstärker)-sequenzen vor-
Bindungsdomäne für methylierte Histonproteine, die als kommen, die auch als cis-aktivierende Elemente bezeich-
Chromodomäne bezeichnet wird. Die Methylierung er- net werden. Enhancer liegen meist einige hundert bis tau-
folgt an Arginin- oder Lysinresten. Die für die Methylierung send Basenpaare oberhalb der Promotorregion, können
verantwortlichen Methyltransferasen benützen S-Ade- jedoch in Einzelfällen auch unterhalb oder innerhalb des
nosylmethionin als Substrat. Da bisher entsprechende De- Gens lokalisiert sein.
methylasen nicht gefunden worden sind, scheint die Die Steigerung der Transkription durch enhancer fin-
Histonmethylierung eher an der irreversiblen Blockierung det nur dann statt, wenn diffusible, induzierbare DNA-
von Genen beteiligt zu sein. bindende Proteine an die enhancer binden, die auch als
Transkriptionsaktivatoren (induzierbare Transkrip-
tionsfaktoren, regulierbare Transkriptionsfaktoren) be-
8.5.2 Aufbau und Wirkungsmechanismus zeichnet werden. Der dabei entstehende Komplex wirkt
von Transkriptionsaktivatoren als zusätzlicher Transkriptionsfaktor für die RNA-Poly-
merase II und stimuliert die Initiation der Transkription
Bei der Untersuchung der Transkriptionsgeschwindigkeit (. Abb. 8.26). . Tabelle 8.3 stellt einige wichtige enhancer-
viraler Gene wurden erstmalig Kontrollelemente beobach- Elemente und die zugehörigen Proteinfaktoren zusam-
tet, deren Vorhandensein zu einer vielfachen Steigerung der men, die diese als Transaktivierung bezeichnete Genre-
Transkription dieser Gene führte. Weitere Untersuchungen gulation vermitteln.
276 Kapitel 8 · Transkription und posttranskriptionale Prozessierung der RNA
b
Viele Faktoren, die die Transkription aktivieren, enthalten
. Abb. 8.27. Allgemeine Struktur eines Zinkfingerproteins.
darüber hinaus eine weitere Domäne zur Bindung eines
(Aufnahme von SWISS-3DIMAGE, Universität Genf ) a Schematischer
niedermolekularen Liganden, der den Transkriptionsakti- Aufbau, b räumliche Darstellung
vator funktionsfähig macht. In diese Gruppe gehören bei-
spielsweise die Steroidhormon-Rezeptoren (7 Kap. 25.3.1).
Wegen der Vielfältigkeit der möglichen Liganden ist es kriptionsaktivatoren als Homo- oder Heterodimere wirken
schwierig, gemeinsame Motive in den Ligandenbindungs- (. Tab. 8.3).
domänen dieser Proteine aufzufinden. Anders ist es jedoch
! In vielen regulatorischen DNA-Bindeproteinen kom-
mit der DNA-Bindungsdomäne. Ungeachtet der Unter-
men Zinkfingerdomänen vor.
schiede in den Basensequenzen finden sich in allen cis-Ele-
menten der DNA einige Gemeinsamkeiten. So handelt es Ein in vielen DNA (und RNA)-bindenden Proteinen anzu-
sich meist um DNA-Sequenzen aus wenig mehr als 20 Ba- treffendes Motiv ist das sog. Zinkfingermotiv, dessen sche-
sen. Sehr häufig sind es palindromische Sequenzen oder matischer Aufbau in . Abb. 8.27 dargestellt ist. Zinkfinger
gleichartige bzw. sehr ähnliche, als Tandem sich wiederho- wurden ursprünglich beim Transkriptionsfaktor TFIIIA
lende Sequenzen. Hierzu passt, dass im Allgemeinen Trans- beobachtet. Die Fingerstruktur entsteht dadurch, dass Cys-
. Abb. 8.31. Entstehung von Calcitonin und CGRP (calcitonin gene related peptide) durch alternatives Spleißen. (Einzelheiten 7 Text)
. Abb. 8.32. Prinzipielle Möglichkeiten des alternativen Splei- Transkripten, die für funktionell unterschiedliche, strukturell jedoch
ßens. Die verschiedenen in der Abbildung dargestellten Möglichkei- ähnliche Proteine codieren, denen meist eine oder mehrere Domänen
ten des alternativen Spleißens führen zu jeweils unterschiedlichen fehlen
. Abb. 8.33. Entstehung von Membran-gebundenen bzw. sezer- cμ1–cμ4 = Exons der konstanten Kette; SC = Sequenz für die sekreto-
nierten IgM-Molekülen durch alternatives Spleißen. S = Signal- rische Domäne; TMD = Sequenz der Transmembrandomäne; pA1,
sequenz; VDJ = VDJ Gen für den variablen Teil des Immunglobulins; pA2 = Polyadenylierungssignale. (Einzelheiten 7 Text)
vollständige Gen für die schwere Kette des IgM enthält eine kann zur sezernierten Form des IgM gespleißt werden. Eine
Signalsequenz (S) und das Exon für die variable Region der alternative Möglichkeit ist die Verwendung einer verborge-
schweren Kette (VDJ). Darauf folgen vier Exons für den nen Spleißstelle im Cμ4-Exon, was unter Verlust der SC-
konstanten Teil der schweren Kette (Cμ1–Cμ4). Das sechste Domäne zu einer mRNA führt, die an ihrem 3c-Ende für die
Exon dieses Komplexes (Cμ4) trägt am 3c-Ende eine sog. Transmembrandomäne und das cytoplasmatische Ende co-
SC-Sequenz, die das carboxyterminale Ende der sezernier- diert. Damit entsteht ein Translationsprodukt, das eine Ver-
ten IgM-Form codiert. Zwei weitere 3c-gelegene Exons co- ankerung in der Membran ermöglicht.
dieren für eine Transmembrandomäne sowie eine cytoplas- Eine sehr eindrucksvolle Transkriptionsregulation fin-
matische Domäne (TMD, CD). Die Prä-mRNA dieses Gens det sich bei der Prozessierung der Prä-mRNA für das p21-
280 Kapitel 8 · Transkription und posttranskriptionale Prozessierung der RNA
Ras-Protoonkogenprodukt (. Abb. 8.34). Unter normalen einer Veränderung der Basensequenz führen. So kommt es
Bedingungen wird nur ein kleiner Teil der primären Trans- bei niederen Eukaryoten durch Einfügen von Basen nach
kripte des Ras-Protoonkogens so gespleißt, dass eine der Transkription mitochondrialer Gene zu Rasterverschie-
mRNA für ein relativ stabiles Ras-Protein entsteht. Der bungen und damit zu einer Änderung der Basensequenz
größte Teil der primären Transkripte wird so gespleißt, der mRNA im Vergleich zur genomischen Sequenz. Auch
dass sie ein Extra-Exon zwischen den Exons 3 und 4 erhal- beim Menschen ist mRNA-editing nachgewiesen worden
ten. Dieses enthält eine Reihe von Stoppcodons für die (. Abb. 8.35). Das Apolipoprotein B (7 Kap. 18.5) kommt in
8 Translation, was zu verkürzten und damit funktionell in- zwei Formen vor,
aktiven Formen des Ras-Proteins (p19-Ras) führt. Man 4 das in der Leber synthetisierte Apolipoprotein B100 mit
nimmt an, dass die Regulation des in diesem Fall vorlie- einer Molekülmasse von 513 kDa und
genden Exon-skippings die Menge des aktiven p21-Ras- 4 das im Darm synthetisierte Apolipoprotein B48 mit
Proteins bestimmt. einer Molekülmasse von 250 kDa
Über die gewebsspezifischen Faktoren, die in die Wahl
der Spleißstellen eingreifen, ist noch nicht viel bekannt. Beide Apolipoproteine werden durch dasselbe Gen codiert,
Immerhin hat man eine Reihe von Proteinen identifi- dementsprechend ist auch die mRNA für beide Isoformen
ziert, die man als Spleiß-enhancer oder -silencer bezeich- identisch. Durch einen spezifisch nur im Darm vorkom-
net. Die Ersteren stimulieren, die Letzteren hemmen das menden Vorgang des RNA-editing wird am Codon 2153 der
Spleißen an den nächstgelegenen Spleißstellen. Häufig Apolipoprotein B mRNA ein Cytosin zu einem Uracil des-
sind Spleiß-enhancer reich an Serin- und Argininresten, aminiert. Hierdurch entsteht das Terminations-Codon
sodass man sie auch als SR-Proteine bezeichnet. Sie sind UAA und damit im Darm eine entsprechend verkürzte
imstande, das Spleißosom an die gewünschten Stellen zu Form des Apolipoproteins B.
rekrutieren.
8
Reife
Abbau
In Kürze
Die Regulation der Transkription erfolgt durch unter- zu denen beispielsweise nucleäre Rezeptoren ge-
schiedliche Mechanismen: hören
5 (In-) Aktivierung von Genen. Wichtige Mechanismen 5 Prozessierung der Prä-mRNA z.B. durch alternatives
hierbei sind die Methylierung der DNA oder reversible Spleißen oder durch mRNA-editing
Modifikationen von Histonproteinen 5 Regulation des RNA-Transports ins Cytoplasma
5 Beeinflussung der Transkriptions-Initiation. Hierfür 5 Abbau der RNA oder RNA-Interferenz
sind v.a. Transkriptionsaktivatoren verantwortlich,
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283 8
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