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29 Blut
Petro E. Petrides

29.1 Korpuskuläre Elemente des Bluts – 952

29.2 Erythrozyten – 953


29.2.1 Eigenschaften und Stoffwechsel der Erythrozyten – 953
29.2.2 Hämoglobin – 957
29.2.3 Erythrozyten-Antigene – 965
29.2.4 Pathobiochemie – 967

29.3 Leukozyten – 972


29.3.1 Funktion und Stoffwechsel der Leukozyten – 972
29.3.2 Pathobiochemie – 976

29.4 Thrombozyten – 976

29.5 Blutstillung – 979


29.5.1 Vaskuläre Blutstillung – 979
29.5.2 Zelluläre Blutstillung (Thrombozytenadhäsion) – 980
29.5.3 Plasmatische Vorgänge (Blutgerinnung) – 981
29.5.4 Fibrinolyse – 987
29.5.5 Pathobiochemie – 988

29.6 Plasmaproteine – 991


29.6.1 Konzentration, Biosynthese und Abbau von Plasmaproteinen – 991
29.6.2 Trennung von Plasmaproteinen in Einzelfraktionen – 991
29.6.3 Die einzelnen Proteinfraktionen des Serums – 994
29.6.4 Funktionen der Plasmaproteine – 996
29.6.5 Pathobiochemie – 996

Literatur – 999
952 Kapitel 29 · Blut

> > Einleitung

Blut ist das Trägermedium für die humorale Kommunikation zwischen den einzelnen Geweben, die durch das Gefäßsystem
ermöglicht wird. Aufgrund seiner ständigen Bewegung eignet sich Blut mit seinen korpuskulären Elementen, Transportprotei-
nen und seiner wässrigen Phase zum Transport der verschiedensten Stoffe. Mit Hilfe der Erythrozyten werden Sauerstoff von
den Lungen zu den Geweben und Kohlendioxid in umgekehrter Richtung transportiert. Blut befördert weiterhin im Magen-
Darm-Trakt resorbierte Nahrungsstoffe in gelöster Form oder in Bindung an Transportproteine über die Pfortader in die Leber
und von dort aus in die peripheren Organe. Von den Organen gelangen Endprodukte des Stoffwechsels zu den Ausscheidungs-
organen (Nieren, Lungen, Haut und Darm). Hormone werden von den endokrinen Drüsen zu den Erfolgsorganen und Metabo-
liten zwischen den verschiedenen Organen (z.B. Lactat und Alanin von der Muskulatur in die Leber, Ketonkörper von der Leber
in die peripheren Organe) befördert. Im intrazellulären Stoffwechsel entstehende und an den Extrazellulärraum abgegebene
Protonen und Kohlendioxid werden vom Blut wirksam abgepuffert und den Ausscheidungsorganen (Lungen und Nieren) zuge-
leitet. Aufgrund dieser Eigenschaften eignet sich das Blut in hervorragender Weise zur Analyse des Funktionszustands verschie-
dener Organe: die Untersuchung von durch Venenpunktion gewonnenem Blut erlaubt schnelle Rückschlüsse auf die Funktion
von Nieren, Herz, Leber, Knochenmark und anderen Geweben. Gegen Viren und Bakterien kann Blut den Organismus durch
den Besitz unspezifischer (Serumproteine wie C-reaktives Protein, Properdin, Faktoren des Komplements, Lysozym) und spezi-
fischer (Antikörperproteine) Abwehrmechanismen schützen. Neutrophile Granulozyten sind durch ihre Fähigkeit, hochaktive
Sauerstoffverbindungen zu erzeugen und Bakterien zu phagozytieren, entscheidender Bestandteil des zellulären Immunsy-
stems. Aufgrund der hohen spezifischen Wärme von Wasser verteilt Blut die in einzelnen Organen gebildete Wärme (z.B. in der
stoffwechselaktiven Leber) auf den Gesamtorganismus. Durch die Wasser anziehende Wirkung seiner Proteine nimmt Blut
Einfluss auf den Austausch von Wasser und Stoffen zwischen der zirkulierenden und der Gewebeflüssigkeit. Zum Schutz vor
dem Verlust dieses wichtigen Gewebes existiert ein komplexes Gerinnungssystem, das bei Gefäßverletzungen sofort aktiv wird.
Eine Aktivierung dieses Systems ohne Verletzungen des Gefäßes kann zu Thrombosen führen.

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29.1 Korpuskuläre Elemente des Bluts in Agarkultursystemen durchgeführt werden, in denen die
Zellen unter Bildung von Kolonien wachsen, werden die
Blut enthält eine Reihe korpuskulärer Elemente, die vorwie- entstehenden Kolonien als CFU (colony forming units) und
gend im Knochenmark gebildet werden und an der Erfül- die Polypeptide mit Hormoncharakter als CSF (colony sti-
lung mehrerer Aufgaben des Bluts (Sauerstofftransport, mulating factors) bezeichnet (. Abb. 29.1). Den CSF wird
Blutstillung, Abwehr) beteiligt sind. Dies sind die Erythro- ein Präfix vorangestellt (z.B. GM), das die Zellpopulation
zyten, Thrombozyten und Leukozyten. Zu Letzteren ge- angibt (Granulozyten und Makrophagen), die unter dem
hören neutrophile, eosinophile und basophile Granulo- stimulierenden Einfluss des betreffenden Proteins gebildet
zyten sowie Monozyten. wird. T-Lymphozyten, Monozyten (und Makrophagen) und
Stromazellen sind die Hauptquellen von Wachstumsfak-
! Die Hämatopoese wird durch Cytokine reguliert.
toren. Ausnahmen sind nur Erythropoietin (Nieren) und
Ausgangspunkt der Bildung der korpuskulären Elemente im Thrombopoietin (Leber). Viele dieser auch als Cytokine be-
Knochenmark sind die Stammzellen (wegen des Besitzes zeichneten Polypeptide stehen heute in rekombinanter Form
des Oberflächenmarkers CD34 als CD34-positive Zellen für die Therapie beim Menschen zur Verfügung (. Tabel-
bezeichnet), die die Fähigkeit zur Selbstreplikation mit Bil- le 29.1). Sie finden vor allem bei der Stimulierung der häma-
dung von Tochterstammzellen besitzen. CD34+ Zellen sind topoetischen Regeneration (nach Bestrahlung oder zytoto-
in sehr geringen Mengen auch im Blut nachweisbar; dassel- xischen Medikamenten), der Rekrutierung von CD34-Zel-
be gilt für die sog. CD34+/-R2-Stammzellen, aus denen sich len in das Blut für die Stammzelltransplantation oder zur
Endothelzellen entwickeln. Stammzellen sind pluripotent, Verstärkung der Abwehr bei akuten Infektionen klinische
d.h. sie können zu funktionell verschiedenen Zelltypen dif- Anwendung.
ferenzieren. Dieser Vorgang läuft über mehrere Stufen ab, Nach Differenzierung im Knochenmark müssen die rei-
die mit einem schrittweisen Verlust der Pluripotenz einher- fen Blutzellen auf einen adäquaten Reiz hin die Knochen-
gehen (. Abb. 29.1). Die frühesten differenzierten Zellen mark-Blut-Schranke überwinden, um Anschluss an die
werden als determinierte Vorläuferzellen bezeichnet, die in Blutbahn zu gewinnen. Diese Schranke stellt eine dreischich-
ihrer weiteren Entwicklung bereits auf ein oder zwei Zell- tige Struktur dar, die aus Adventitiazellen (einer spezialisier-
typen festgelegt sind. Die Vorläuferzellen besitzen jedoch ten Fibroblastenart), einer Basalmembran und der Endothel-
ein ausgeprägtes proliferatives Potential und produzieren so schicht besteht (. Abb. 29.2). Die Überwindung der Schranke
Tochterzellen des entsprechenden reifen Zelltyps. In vitro wird den reifen Blutzellen wahrscheinlich durch die Freiset-
überleben oder proliferieren Knochenmarkzellen nur in Ge- zung von Proteasen wie Elastase oder MMPs (7 Kap. 9.3.3)
genwart regulatorischer Polypeptide. Da diese Experimente ermöglicht, die dieses Gitter reversibel öffnen können.
29.2 · Erythrozyten
953 29

. Abb. 29.1. Entwicklung der einzelnen Blutzellen aus einer pluripotenten Stammzelle im Knochenmark unter dem Einfluss hämato-
poetischer Wachstumsfaktoren

. Tabelle 29.1. Rekombinante hämatopoietische Wachstumsfaktoren (Cytokine) beim Menschen (Beispiele)


Bezeichnung Synonym Molekulargewicht Produziert von Genetische Information des Glykoproteins
Interleukin-3 Multi-CSF 20–26 kDa T-Lymphozyten cDNA: 133 Aminosäuren enthaltendes Protein
1I-3 Chromosom 5
GM-CSF CSF-D 14–35 kDa T-Lymphozyten cDNA: 127 Aminosäuren enthaltendes Protein
Endothelzellen Genstruktur: 4 Exons
Fibroblasten Chromosom 5
M-CSF CSF-1 70 kDa (Dimer) Monozyten cDNA: 189 Aminosäuren enthaltendes Protein
Fibroblasten Chromosom 5
Endothelzellen
G-CSF CSF-E 20 kDa Monozyten cDNA: 177 Aminosäuren enthaltendes Protein
Fibroblasten Genstruktur: 5 Exons
Chromosom 17
Erythropoietin Epo 34–39 kDa peritubuläre cDNA: 166 Aminosäuren enthaltendes Protein
Nierenzellen Genstruktur: 5 Exons
Chromosom 7
Thrombopoietin Tpo 35 kDa Leber-, Nieren- cDNA: 335 Aminosäuren enthaltendes Protein
zellen Genstruktur: 5 Exons
Chromosom 3q26–27

29.2 Erythrozyten fluss des renalen Hormons Erythropoietin (molekularer


Mechanismus, 7 Kap. 28.1.10) aus pluripotenten Stammzel-
29.2.1 Eigenschaften und Stoffwechsel len und durchlaufen mehrere Zellteilungen. Die dabei ent-
der Erythrozyten stehenden Erythroblasten sind in kleinen Inseln um eine
zentrale Retikulumzelle angeordnet, die die Erythroblasten
! Erythrozyten entstehen aus Erythroblasten durch den während des Reifungsprozesses mit notwendigen Stoffen
Verlust des Zellkerns. versorgt. Während der Teilung der Proerythroblasten setzt
die Biosynthese von Hämoglobin, des mengenmäßig be-
Bei der Erythrozytenbildung (Erythropoiese) im Knochen- deutendsten Proteins des Erythrozyten, ein. Gleichzeitig
mark differenzieren sich Proerythroblasten unter dem Ein- beginnt sich der Zellkern zusammenzuziehen, wird schließ-
954 Kapitel 29 · Blut

. Abb. 29.2. Aufbau der Knochenmark-Blut-Schranke aus Endo- den Granulozyten oder indirekt über ein zweites Signal (rotes Viereck)
thelzellschicht, Basalmembran und den Adventitiazellen (grün), wirkt, wandern reife Granulozyten über die Schranke in den Knochen-
einer spezialisierten Fibroblastenart. Nach Stimulierung durch ein marksinus
Signal S (wie z.B. Interleukin-8, grünes Dreieck), das entweder direkt auf
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lich aus der Zelle ausgestoßen und von der zentralen Reti- Stadium werden Erythrozyten als Reticulozyten (nicht zu
kulumzelle aufgenommen. Nach dem Verlust des Zellkerns verwechseln mit den Retikulumzellen) bezeichnet und die-
tritt der Erythrozyt, der deshalb nicht mehr als Zelle, son- nen als Indikator der Erythrozytenproduktion. Während
dern als korpuskuläres Element bezeichnet wird, in die Zir- der Reifung verlieren die Erythrozyten auch ihre Mito-
kulation über, in der er als Scheibe mit einer zentralen Del- chondrien und damit die mit diesem Zellorganell verbun-
le erscheint (. Abb. 29.3). denen Stoffwechselleistungen (z.B. Pyruvatdehydrierung
Von den älteren Erythrozyten, die schon längere Zeit im und oxidative Phosphorylierung). Übrig bleiben ihnen cy-
Kreislauf zirkulieren, unterscheidet sich der junge Erythro- tosolische Stoffwechselwege wie die Glycolyse und der Pen-
zyt durch den Besitz eines mit bestimmten Farbstoffen (z.B. tosephosphatweg.
Brilliantkresylblau) anfärbbaren Retikulums, das aus ribo-
! Zwischen Erythrozytenauf und -abbau besteht ein
somaler RNA und anderen Zellorganellen besteht und in-
dynamisches Gleichgewicht.
nerhalb der ersten 48 Stunden verloren geht. In diesem
Die Lebenszeit des Erythrozyten, von denen jeder Mikro-
liter Blut 4–6 Millionen enthält, beträgt 110–130 Tage
(. Tabelle 29.2). Warum Erythrozyten nicht länger überle-
ben, ist unbekannt, könnte aber auf die Aktivitätsminde-
rung erythrozytärer Enzyme zurückzuführen sein, da eine
Enzymneusynthese nicht mehr möglich ist. Nach Ablauf

. Tabelle 29.2. Einige Lebensdaten des Erythrozyten


Lebensdauer 120 Tage (110–130 Tage)
Oberfläche aller Erythrozyten 3800 m2
Gesamtmenge 25 000 Milliarden
Täglicher Bedarf 208 Milliarden
Erythrozytenproduktion/s 2,4 Millionen
Zurückgelegter Weg 400 km
während 120 Tagen
. Abb. 29.3. Rasterelektronenoptische Aufnahme eines in einem
Gewicht eines Erythrozyten 3 × 10–11 g (= 30 pg)
Fibrinnetz liegenden Erythrozyten
29.2 · Erythrozyten
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ihrer Lebenszeit werden die Erythrozyten von Zellen des


retikuloendothelialen Systems (in Milz, Knochenmark und
Leber) durch Phagozytose aufgenommen und abgebaut.
Die beim Abbau des Porphyringerüsts entstehenden
Gallenfarbstoffe werden ausgeschieden (7 Kap. 20.3), das
frei werdende Eisen und die beim Globinabbau entstehen-
den Aminosäuren werden erneut für die Biosynthese ver-
wertet.
Die Erythrozytenzahl und damit die Hämoglobinkon-
zentration im Blut werden in engen Grenzen konstant ge-
halten. Beim erwachsenen Mann beträgt die Erythrozyten-
zahl zwischen 4,5 und 6,0 Million/μl und die Hämoglobin-
konzentration zwischen 14 und 18 g/100 ml (140 und
180 g/l entsprechend 8,7 und 11,2 mmol/l, wobei das Mo-
lekulargewicht des Monomers zugrunde liegt), bei der er- . Abb. 29.4. Entstehung des Signalmetaboliten 2,3-Bisphospho-
wachsenen Frau zwischen 4,0 und 5,0 Millionen/μl bzw. glycerat in einem Nebenschritt der Glycolyse des Erythrozyten
12 und 16 g/100 ml Blut. Störungen dieses Gleichgewichts
können durch Änderungen von Abbau und/oder Biosyn-
! Für den Stoffwechsel des Erythrozyten stellt Glucose
these verursacht werden. Der prozentuale Anteil der Ery-
die wesentliche Energiequelle dar.
throzyten am Gesamtblut wird als Hämatokrit bezeichnet.
Die Anzahl der Erythrozyten im strömenden Blut wird Nach Phosphorylierung zu Glucose-6-phosphat durch die
durch das renale Hormon Erythropoietin (7 u.) reguliert. Hexokinase beschreitet der weitere Abbau die beiden be-
Eine vermehrte Erythrozytenmenge im Blut wird als Poly- kannten Wege: Etwa 5–10% werden zur Bildung von
zythämie, die Abnahme der Erythrozytenmenge als Anä- NADPH/H+ dem Pentosephosphatweg zugeführt, die
mie bezeichnet. Der Verringerung der Konzentration kann Hauptmenge (90–95%) wird zur Bildung von ATP in der
eine Hämolyse, d.h. ein vermehrter Abbau von Erythro- Glycolyse herangezogen.
zyten vor Erreichen des normalen Lebensalters (hämo- Eine Besonderheit des Erythrozytenstoffwechsels ist
lytische Anämie) oder eine verringerte Biosynthese auf- ein Nebenweg der Glycolyse, der bei 1,3-Bisphosphoglyce-
grund eines Eisen- (7 Kap. 22.2.1) oder Vitamin-B12-Man- rat abzweigt. Statt in der Phosphoglyceratkinasereaktion
gels (7 Kap. 23.3.9) zugrunde liegen. Beim Eisenmangel (. Abb. 29.4) ATP zu bilden, werden etwa 20% des 1,3-Bis-
sind die Erythrozyten zudem kleiner (mikrozytäre Anä- phosphoglycerats durch eine Mutase in 2,3-Bisphospho-
mie), beim Vitamin B12-Mangel vergrößert (makrozytäre glycerat umgewandelt, das durch Abspaltung des Phospha-
Anämie). Ist eine Schädigung der Stammzellen im Kno- trests am C-Atom 2 (jedoch ohne ATP-Gewinn!) wieder in
chenmark die Ursache, so liegt eine aplastische Anämie die Glycolyse einmünden kann. Sinn dieses – als 2,3-Bis-
vor. phosphoglycerat-Nebenweg bezeichneten – Stoffwechsel-
wegs ist die Bereitstellung von 2,3-Bisphosphoglycerat.
! Die Regulation der Erythropoiese erfolgt über das
Dieses kann an die E-Ketten des Hämoglobins binden und
Cytokin Erythropoietin.
damit – als Signalmetabolit – Einfluss auf die Sauerstoff-
Erythropoietin ist ein 34 kDa-Glycoprotein, das beim Fetus aufnahme und -abgabe nehmen (7 Kap. 3.3.5, 29.2.2).
in der Leber und beim Erwachsenen in den peritubulären
! ATP wird zum Ionentransport und zur Glutathionsyn-
Fibroblasten der Nieren synthetisiert wird. Es expandiert die
these benötigt.
Menge unreifer roter Vorläuferzellen im Knochenmark. Re-
zeptoren für Erythropoietin finden sich nicht nur im Kno- Das in der Glycolyse gebildete ATP wird für den aktiven
chenmark, sondern auch in nicht-hämatopoietischen Zellen Ionentransport benötigt, durch den der Erythrozyt Natri-
(ZNS, Endothelzellen, Leber, Uterus). Der Erythropoietinre- um und Calcium eliminiert (die Natriumkonzentration
zeptor gehört in die Gruppe der Cytokinrezeptoren (7 Kap. beträgt in Erythrozyten etwa 10% des Plasmagehalts) und
25.5.2, . Tab. 25.1). Jeder Verlust von Erythrozyten (z.B. durch Kalium akkumuliert (die Konzentration beträgt etwa das
Blutverlust oder Hämolyse) reduziert die Versorgung peri- Dreißigfache des Plasmagehalts).
pherer Gewebe mit Sauerstoff, wodurch es zu einer Stimu- Außerdem wird ATP für die Aufrechterhaltung der
lierung der Expression des durch Hypoxie induzierbaren Form des Erythrozyten und für die Biosynthese von Gluta-
Faktors (hypoxia induced factor, HIF-1) (7 Kap. 28.1.10) thion benötigt. Dieses Tripeptid wird im Erythrozyten
kommt, der die Erythropoietinproduktion reguliert. durch zwei jeweils ATP-abhängige Reaktionen aus Gluta-
Rekombinantes Erythropoietin wird zur Behandlung mat, Glycin und Cystein synthetisiert. Glutathion, das
der Tumoranämie eingesetzt und von Sportlern als Doping- im Erythrozyten in hoher Konzentration vorliegt (etwa
mittel verwendet. 2,5 μmol/ml) und dessen Halbwertszeit 3–4 Tage beträgt,
956 Kapitel 29 · Blut

wird nicht im Erythrozyten abgebaut, sondern ins Plasma


abgegeben. Die Funktion wird durch die Sulfhydrylgruppe
von Cystein bestimmt, die SH-Gruppen von Enzymen (z.B.
Hexokinase, Glycerinaldehydphosphat-Dehydrogenase
und Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase), von Proteinen
der Erythrozytenmembran und von Hämoglobin, das 6
Sulfhydrylgruppen enthält, vor einer Oxidation schützt.
Oxidiertes und reduziertes Glutathion bilden ein Re-
doxsystem, bei dem die reduzierte Form zu 98% vorliegt.
Wegen des kontinuierlichen Verbrauchs von Glutathion
muss das reduzierte Glutathion ständig durch eine Gluta-
thionreduktase, die mit NADPH/H+ aus dem Pentose-
phosphatweg arbeitet, regeneriert werden. Wasserstoffper-
oxid, das im Erythrozyten unter dem Einfluss bestimmter
. Abb. 29.5. Verformung der Erythrozyten im Kapillarbereich.
Medikamente (7 unten) entstehen kann, oder unter Sauer-
1 Erythrozytenstrom; 2 Plasmasaum; 3 Kapillarlumen (etwa 5 μm Ø);
stoffeinfluss entstehende Lipidperoxide in Membranlipiden 4 Endothelzelle; 5 Basalmembran; 6 kollagene Gitterfasern
von Erythrozyten werden durch eine Selen-haltige Peroxi-
dase, die mit Glutathion als Cosubstrat arbeitet, entgiftet.
Oxidiertes Glutathion wird auch aus dem Erythrozyten
! Die Architektur der Erythrozytenmembran wird durch
heraustransportiert.
den mechanischen Stress bestimmt.
Da Erythrozyten dem Blut ständig Glucose für ihren
Stoffwechsel entnehmen, muss Blut zur Glucosebestim- Die Membran des Erythrozyten besteht wie die anderer
mung in Röhrchen mit Fluoridzusatz entnommen werden, Zellen aus der typischen Lipiddoppelschicht, in die Pro-
da ansonsten der Wert bis zum Eintreffen der Blutprobe im teine eingebaut sind (7 Kap. 2.2.6), weist aber durch den
29 Labor erniedrigt ist. zusätzlichen Besitz eines Membranskeletts eine Struktur-
Von praktischer Bedeutung ist, dass schon eine gering- besonderheit auf, die auf die speziellen Funktionen des
gradige Hämolyse, wie sie z.B. bei der langsamen Blutab- Erythrozyten zugeschnitten ist. Sie enthält etwa zehn Haupt-
nahme aus einer Vene auftreten kann oder beim Stehen proteine, die durch SDS-Gelelektrophorese getrennt wer-
einer Blutprobe über Nacht, zum Austritt der in den Ery- den können (. Abb. 3.9, 7 Kap. 3.2.2). Die Bezeichnung der
throzyten enthaltenen Enzyme und Elektrolyte führt. Diese einzelnen Proteine beruht auf ihrer elektrophoretischen
kann eine hohe LDH-Aktivität oder Kaliumkonzentra- Mobilität in SDS-Gelen. Quantitativ bedeutsam sind Pro-
tion im Serum verursachen. teine, die Erythrozytenantigene tragen (7 Kap. 29.2.3), Re-
zeptoren (z.B. Glycophorine A und B) oder Transportpro-
! Erythrozyten müssen sich gut verformen können.
teine (z.B. Protein 3, der Anionenkanal oder Aquaporin,
Da Erythrozyten einen Durchmesser von etwa 7,5 μm (ihre der Wasserkanal). Diese Glycoproteine liegen an der äu-
Dicke liegt bei etwa 1,5 μm), Kapillaren aber nur eine lichte ßeren Membranoberfläche. Membranproteine ohne
Weite von 3 bis 5 μm aufweisen, ist eine Deformierbarkeit Kohlenhydratanteil befinden sich dagegen an der inneren
des Erythrozyten Voraussetzung für die ungehinderte Pas- Oberfläche. Dieser inneren Oberfläche liegen die sog. peri-
sage der Kapillaren. Durch den Verlust des Zellkerns und pheren Membranproteine in Form eines zweidimensio-
die Flexibilität der Membran, die durch das veränderte Ver- nalen Netzwerks an (. Abb. 29.6): dazu gehören Enzyme
hältnis Oberfläche zu Volumen des Erythrozyten erreicht wie Glycerinaldehydphosphat-Dehydrogenase (Bande 6),
wird, verformen sich rote Blutkörperchen mit Leichtigkeit Strukturproteine wie Spectrin (Banden 1 und 2) oder Ak-
und zwängen sich durch engste Kapillaren (. Abb. 29.5). tin (Bande 5). Die peripheren Proteine sind mit der Mem-
Normalerweise müsste die Oberfläche eines Erythrozyten bran assoziiert, untereinander verbunden oder mit den
bei seinem Volumen von 90 μm3 (mittleres korpuskuläres eigentlichen Membranproteinen verankert. Die entschei-
Volumen, MCV) bei einer Kugelform 95 μm2 betragen; tat- denden Komponenten dieses Membranskeletts sind Spec-
sächlich ist die Oberfläche durch die bikonkave Scheiben- trin, Aktin, Protein 4.1, Ankyrin (das aus den Proteinen
form auf 140 μm2 erhöht, was offenbar eine leichtere Defor- 2.1, 2.2, 2.3 und 2.6 besteht) und die Bande 4.9. Spectrin
mierbarkeit zur Folge hat. Die in . Abb. 29.3 gezeigte Form ist ein Dimer aus zwei langen flexiblen Ketten (Protein 1
gilt jedoch – das sei ausdrücklich betont – aufgrund der und 2), die parallel angeordnet und umeinander gewunden
mechanischen Einflüsse, denen der Erythrozyt ständig aus- sind. An ihrem Kopfende bilden Spectrindimere durch
gesetzt ist, nur als Idealform, die intravital selten auftritt. Selbstassoziation Tetra- oder Oligomere, an ihrem Schwanz-
Die spezielle Erythrozytenform hat außerdem den Vor- ende binden die Spectrinmoleküle an kurze Aktinfila-
teil, dass durch die Eindellungen die Diffusionsstrecken mente. Diese Bindung wird durch Protein 4.1 verstärkt.
für den Sauerstoffaustausch reduziert sind. Da ein Aktinfilament mit mehreren Spectrinmolekülen in
29.2 · Erythrozyten
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. Abb. 29.6. Schematische Darstellung der Verteilung und mole- gehören Ankyrin (Bande 2,1), das an die β-Kette von Spectrin (Bande
kularen Wechselwirkungen der wesentlichen Proteine der Ery- 2) bindet, Protein 4.2 und zahlreiche cytosolische Proteine wie Deso-
throzytenmembran. Bande 3 ist ein Tetramer und Bestandteil eines xy-Hämoglobin, Glycerinaldehyddehydrogenase (Bande 6) und Aldo-
Chlorid-Hydrogencarbonat-Anionenaustauschers, der die Proteine 4,1 lase. Protein 4.1 bindet ebenfalls an Spectrin und an Aktinmoleküle
4,2 und 4,9 enthält und als Anker für andere Proteine dient. Hierzu

Wechselwirkung tritt, entstehen Spectrinverzweigungen globin bei einem 70 kg schweren »Normalerwachsenen«


und damit ein molekulares Netzwerk. Das Membranskelett mit einem Blutvolumen von 5 Litern zu 800 g. Davon wer-
ist mit der Lipiddoppelschicht über Ankyrin verbunden, den pro Tag etwa 6,25 g, das ist rund 1%, synthetisiert und
das im Bereich der Kopfregion des Spectrins bindet und abgebaut.
selbst mit dem cytosolischen Ende von Protein 3 verbun- Eine Verminderung der Hämoglobinkonzentration im
den ist. Blut (beim Mann unter 14 g/100 ml, bei der Frau unter
12 g/100 ml) wird als Anämie bezeichnet. Hinweise auf
mögliche Ursachen gibt der MCH-Wert:
29.2.2 Hämoglobin 4 bei einem Abfall des MCH-Werts liegt eine hypo-
chrome Anämie vor: der ursächliche Eisen- (oder
! Hämoglobin macht etwa ein Drittel der Zellmasse des auch Kupfer- oder Vitamin B6-) mangel reduziert die
Erythrozyten aus. Hämoglobinsynthese bei gleich bleibender Erythro-
zytenbildung
Der rote Farbstoff der Wirbeltiererythrozyten ist das Hä- 4 bei einem Anstieg des MCH-Werts eine hyperchrome
moglobin, ein zusammengesetztes Protein, das folgende Anämien: der ursächliche Vitamin B12- (oder Folsäure)-
Funktionen besitzt: Mangel reduziert die Erythrozytenbildung bei gleich
4 Transport des Sauerstoffs im Blut bleibender Hämoglobinsynthese
4 Beteiligung am Transport des Kohlendioxids und Stick- 4 Bei gleichzeitiger Verminderung von Hämoglobinkon-
oxids im Blut zentration und Erythrozytenzahl und damit normalem
4 Beteiligung an der Pufferung zur Aufrechterhaltung der MCH-Wert liegt eine normochrome Anämie, die z.B.
normalen Wasserstoffionenkonzentration im Extrazel- durch eine Hämolyse (siehe oben) verursacht sein
lulärraum kann.
! Hämoglobin ist ein Tetramer aus jeweils zwei D- und E-
Der Hämoglobingehalt des einzelnen Erythrozyten kann
Ketten.
aus Hb-Gehalt und Erythrozytenzahl errechnet werden:
Bei einer Hämoglobinkonzentration von 160 g/l Blut, das Hämoglobin ist ein kugelförmiges Molekül, das aus 4 Un-
5000 Milliarden Erythrozyten enthält, beträgt der Hämo- tereinheiten besteht, von denen jede etwa ein Molekularge-
globingehalt eines einzelnen Erythrozyten (mittleres kor- wicht von etwa 17 kD besitzt (7 Kap. 3.3.5). Jede Unterein-
puskuläres Hämoglobin = MCH) 32 pg. Ausgehend von heit trägt in ihrem Inneren eine Hämgruppe, mit der sie
dem Durchschnittswert von 160 g/l Blut (16 g/100 ml oder über eine koordinative Bindung (Histidin) und hydropho-
9,9 mmol/l) errechnet sich der Gesamtbestand an Hämo- be Wechselwirkungen verbunden ist. Beim Sauerstofftrans-
958 Kapitel 29 · Blut

port wird der Sauerstoff reversibel an das Hämeisen an- konservierten Regionen für die Biosynthese der mRNA, am
gelagert (Oxygenierung), ohne dass Eisen im Schutz der 3’-Ende dienen andere Sequenzen als Signale für die Be-
koordinativen Bindung Fe-N (Histidin) oxidiert wird endigung der Transkription und Polyadenylierung der
(7 Kap. 3.3.5). mRNA.
Von den vier Polypeptidketten des Hämoglobins, die
! Während der Embryofetalentwicklung sind andere
insgesamt als sein Globinanteil bezeichnet werden, sind je
Hämoglobine aktiv als in der Postnatalperiode.
zwei identisch. Man unterscheidet zwischen jenen der D-
und der E-Familie: So wird z.B. das normale Erwachsenen- Beim Embryo werden die Hämoglobine Gower 1 und 2
hämoglobin aus 2D- und 2E-Ketten gebildet und als HbA gebildet, die Tetramere aus jeweils zwei H- und ]- bzw.
(Adult) oder HbD2ß2 bezeichnet. D-Ketten darstellen (. Abb. 29.7). Im 3. Schwangerschafts-
Die Gene für die Globinketten liegen auf verschiedenen monat werden die embryonalen durch die fetalen Hämo-
Chromosomen in der Reihenfolge, in der sie während der globine ersetzt. Das fetale Hämoglobin weist besondere
Ontogenie aktiviert werden (. Abb. 29.7). Die D-ähnlichen Charakteristika der Sauerstoffanlagerung auf, was für die
Gene auf Chromosom 16 enthalten ein funktionelles em- Koppelung des fetalen an den mütterlichen Kreislauf er-
bryonales ]-Gen, das die Information für die embryonalen forderlich ist. Der Austausch von fetalem Hämoglobin
D-Gene trägt, gefolgt von einem Pseudo-]-Gen, dann \-D- HbF (F = fetal) gegen HbA (A = adult) beginnt durch Um-
Genen – die jeweils nicht exprimiert werden – und den ei- schaltung der Kettenbiosynthese schon vor der Geburt,
gentlichen D-Genen, die für die D-Kette des fetalen (HbF) sodass bei der Geburt nur noch 60–80% fetales Hämo-
und Erwachsenenhämoglobins (HbA) codieren. Die E- globin im Erythrozyten vorliegen. Der Kind- und Er-
Globingenfamilie auf Chromosom 11 enthält das embryo- wachsenenerythrozyt enthält HbA (auch als HbA1 be-
nale H-Globingen, zwei fetale Globingene (GJ und AJ), ein zeichnet) und daneben noch etwa 2,5% HbA2, ein Hämo-
\-E-Gen und zwei Erwachsenenglobingene (G und E). Der globin, bei dem die E-Ketten durch G-Ketten ersetzt sind
prinzipielle Aufbau der einzelnen Gene der beiden Fami- (D2G2). Diese Ketten bestehen ebenfalls aus 146 Amino-
lien ist praktisch identisch: Jedes Gen besteht aus drei säuren, unterscheiden sich aber in 10 Positionen von der
29 Exons, die von zwei Introns unterbrochen werden. Die Se- E-Kette, die für seine höhere Sauerstoffaffinität verant-
quenz am 5’-Ende enthält die Promotorregion, mit hoch- wortlich sind.

. Abb. 29.7. Embryonales, fetales und Erwachsenen-


Stadium der Hämoglobinbiosynthese beim Menschen.
Die embryonalen Globinketten (H und ]) werden in der frühen
Embryonalentwicklung gebildet; zu diesem Zeitpunkt wer-
den auch geringe Mengen der J-Globinketten des Erwachse-
nen synthetisiert. Mit der Anschaltung der J-Globingene wird
fetales Hämoglobin gebildet. Am Ende der Fetalperiode
erfolgt die Umschaltung auf die Produktion des Erwachse-
nenhämoglobins
29.2 · Erythrozyten
959 29

! Unterschiedlich beladene Hämoglobine werden an- tereinheit bezeichnet man als Oxygenierung, die Abgabe
hand ihres Absorptionsspektrums unterschieden. des Sauerstoffs als Desoxygenierung.
Da die Konzentration des Hämoglobins im Vergleich zu
Alle Hämoglobine zeigen bei der Spektralanalyse eine cha- anderen Blutproteinen mit etwa 160 g/l sehr hoch ist (im
rakteristische Absorptionsbande, die sog. Soret-Bande bei Vergleich dazu die Albumine mit 70 g/l), bietet die Verpa-
400 nm, die durch den Porphyrinanteil hervorgerufen ckung im Erythrozyten insofern einen Vorteil, als das Pro-
wird. Durch die übrigen Banden können unterschiedliche tein dadurch kolloidosmotisch unwirksam wird und damit
Hämoglobinderivate voneinander unterschieden werden nicht den Wasseraustausch im Kapillarbereich beeinträch-
(. Abb. 29.8). Da die Spektralkurven von CO-Hämoglobin tigen kann.
und mit Sauerstoff beladenem Hämoglobin (Oxyhämoglo- Durch die Vermittlung des Transportproteins Hämo-
bin) sehr ähnlich sind, behandelt man eine Blutprobe bei globin kann pro Liter Blut die 70-fache Menge Sauerstoff,
Verdacht auf eine Kohlenmonoxidvergiftung mit einem also etwa 200–210 ml (bei einem Hämoglobingehalt von
leichten Reduktionsmittel (z.B. Natriumdithionit): dadurch 160 g/l), befördert werden.
gibt Oxyhämoglobin seinen Sauerstoff ab und zeigt die cha-
! Sauerstoffkapazität und -affinität des Bluts bestimmen
rakteristische Absorptionsbande des desoxygenierten Hä-
den Sauerstoffaustausch.
moglobins, während in Gegenwart von CO-Hb keine Än-
derung der Absorptionsbande eintritt. Die Sauerstoffmenge, die vom Blut in den Lungen aufge-
nommen und in den Geweben an die Zellen abgegeben
! Hämoglobin transportiert den im Blut schlecht lös-
werden kann, wird von der Sauerstoffkapazität und der
lichen Sauerstoff.
Sauerstoffaffinität bestimmt. Unter der Sauerstoffkapazi-
Da Sauerstoff in polaren Lösungsmitteln wie dem Plasma- tät des Bluts versteht man seine maximale Aufnahmefähig-
wasser viel schlechter löslich ist als in unpolaren (1 l Blut keit pro definierter Volumeneinheit (z.B. Liter). Sie hängt
löst und transportiert bei einem O2-Partialdruck von unter physiologischen O2-Druckbedingungen (also etwa
100 mmHg gerade 3 ml Sauerstoff) und die Transportstre- 100 mmHg in den Lungenalveolen) und bei normalen
cke von den Lungenalveolen, über die das Sauerstoffgas in Temperaturen (also etwa 37°C) nahezu ausschließlich von
den Organismus eintritt, zu den Gewebezellen sehr lang ist, der Konzentration des Hämoglobins ab. Dabei ist jedoch
könnten die Zellen durch einfache molekulare Diffusion allein das sauerstoffanlagerungsfähige Hämoglobin ent-
des Sauerstoffs nicht ausreichend mit diesem lebensnot- scheidend, da z.B. CO-Hämoglobin (Raucher!) und Methä-
wendigen Gas versorgt werden. Deshalb ist die Anlagerung moglobin keinen Sauerstoff transportieren können.
an ein spezifisches Transportprotein – das Hämoglobin – Als Sauerstoffaffinität des Bluts wird das Verhältnis
erforderlich, das mit seinem hydrophoben Porphyringerüst zwischen O2-Druck (sei es im Bereich der Lungen oder der
und seiner hydrophilen Oberfläche als Lösungsvermittler Gewebe) und der Beladung des Hämoglobinmoleküls (O2-
zwischen dem unpolaren Sauerstoff und dem polaren Plas- Sättigung) mit Sauerstoff bezeichnet, d.h. sie gibt an, wie
mawasser wirkt. Den Vorgang der Anlagerung eines Sauer- viel Prozent des Hämoglobins bei einem bestimmten Sau-
stoffmoleküls an das Porphyrineisen der Hämoglobinun- erstoffangebot beladen sind. Ein Maß für die Affinität ist
der O2-Druck, der eine Sättigung des Hämoglobins von
50% herbeiführt (Halbsättigungsdruck, P50). Er beträgt bei
pH 7,4 und 37°C bei gesunden Erwachsenen 26,6 mmHg.
Da bei der Sauerstoffanlagerung und -abgabe eine Farbän-
derung des Hämoglobins auftritt (. Abb. 29.8), die für die
unterschiedliche Färbung des Bluts in den Venen (dunkel-
rot) und Arterien (hellrot) verantwortlich ist, lässt sich das
Ausmaß der O2-Anlagerung mit Hilfe eines Spektralphoto-
meters bequem quantitativ verfolgen. Man erhält dabei eine
S-förmige Kurve (7 u.), die typisch für einen kooperativen
Anlagerungsprozess ist. Das bedeutet, dass bei der Anlage-
rung von vier Sauerstoffmolekülen an das Hämoglobinte-
tramer das erste nur sehr langsam, das zweite und dritte
schon wesentlich leichter und das vierte mehrere hundert
Male schneller aufgenommen wird (»Der Appetit kommt
beim Essen«.). Der biologische Vorteil des sigmoid(al)en
Verlaufs der Sauerstoffanlagerungskurve liegt v.a. darin,
. Abb. 29.8. Spektralkurven menschlichen Hämoglobins. Links:
Oxygeniertes Hämoglobin (rot), desoxygeniertes Hämoglobin (grün), dass Hämoglobin den Sauerstoff leicht bei dem im Bereich
Kohlenmonoxidhämoglobin (blau). Rechts: Oxygeniertes Hämoglobin der Gewebezellen herrschenden niedrigen O2-Druck (15–
(rot), Cyanmethämoglobin (grün) und Methämoglobin (blau) 30 mmHg im Kapillarbereich) abgeben kann. Im Fall einer
960 Kapitel 29 · Blut

hyperbolischen Anlagerungskurve (wie z.B. bei der iso-


lierten E-Kette) würde ein erheblicher Teil des transpor-
tierten Sauerstoffs nicht an die Zellen abgegeben werden
können.
! Temperatur, pH-Wert und CO2-Partial-Druck beeinflus-
sen die Sauerstoffanlagerungskurve.

Die Sauerstoffanlagerungskurve wird durch die Tempera-


tur, den pH-Wert, den CO2-Druck und andere Faktoren
beeinflusst. Unter der Standard-O2-Kurve versteht man den
Kurvenverlauf bei 37 bzw. 38°C (je nach Übereinkunft) und
pH 7,4.
4 Die Linksverlagerung dieser Kurve bedeutet eine Zu-
nahme der Sauerstoffaffinität, d.h. die O2-Aufnahme in
den Lungen wird erleichtert, die O2-Abgabe in den Ge-
weben erschwert
4 Die Rechtsverlagerung bedeutet Abnahme der Sauer-
stoffaffinität, d.h. der Sauerstoff wird schwerer in den
Lungen aufgenommen, aber besser in den Geweben
abgegeben

Unter physiologischen Bedingungen stehen die Wirkungen


von Änderungen des pH-Werts bzw. des CO2-Drucks im
Blut auf die Sauerstoffaffinität des Hämoglobins im Vor-
29 dergrund. Beide Einflüsse werden nach ihrem Entdecker . Abb. 29.9. Sauerstoffanlagerungskurven. Von links nach rechts:
Hämoglobin in Abwesenheit von 2,3-Bisphosphoglycerat (BPG);
Christian Bohr (dem Vater von Niels Bohr) als Bohr-Effekt
Hämoglobin in Gegenwart von 40 mmHg CO2; Hämoglobin in Gegen-
zusammengefasst. Ob die nach CO2-Druckabnahme im wart von 2,3-Bisphosphoglycerat; Hämoglobin in Anwesenheit von
Blut zu beobachtende Rechtsverlagerung der Sauerstoffan- 2,3-Bisphosphoglycerat und CO2; Vollblut bei 40 mmHg CO2. Der pH-
lagerungskurve ausschließlich auf den gleichzeitig damit Wert der Hb-Lösung betrug 7,22 bei 50% O2-Sättigung. Der pH-Wert
einhergehenden Abfall des pH-Werts (Henderson-Hassel- des Blutplasmas betrug 7,40 bei 50% O2-Sättigung, was einem
pH-Wert von 7,22 innerhalb der Erythrozyten entspricht. (1 mmHg
balch-Gleichung!, 7 Kap. 1.2.6) zurückzuführen ist oder ob
= 133,3 Pa)
außerdem eine spezifische Wirkung auf die O2-Affinität des
Hämoglobins existiert, ist noch unklar. Die Erleichterung
der O2-Abgabe im sauren und CO2-reichen Gewebebereich wesentlich mehr 2,3-Bisphosphoglycerat als andere Kör-
ist biologisch ebenso sinnvoll wie die verbesserte O2-Abga- perzellen. 2,3-Bisphosphoglycerat, das auf einem Neben-
be bei erhöhter Temperatur (z.B. beim arbeitenden Mus- weg der Glycolyse gebildet und abgebaut wird (7 o.), ist
kel). Typische Verlagerungen der O2-Anlagerungskurve im menschlichen Erythrozyten etwa in der gleichen mo-
des menschlichen Bluts können auch hervorgerufen wer- laren Konzentration wie Hämoglobin und etwa in der
den durch vierfachen molaren Konzentration von ATP vorhanden.
4 infolge von Genmutationen veränderte Hämoglobine Durch Anlagerung des 2,3-Bisphosphoglyceratmoleküls
4 die Art des Hämoglobins (HbF oder HbA) an das desoxygenierte Hämoglobinmolekül wird die
4 die Hämoglobin- und Kationenkonzentrationen im Sauerstoffaffinität von Hämoglobin herabgesetzt. Dies
einzelnen Erythrozyten erleichtert die Sauerstoffabgabe in der peripheren Zirku-
4 intraerythrozytäre Enzymdefekte (7 Kap. 29.2.4) sowie lation und gewährleistet eine bessere Sauerstoffversor-
4 den Gehalt der Erythrozyten an 2,3-Bisphosphogylce- gung der Gewebe. 2,3-Bisphoglycerat besitzt die Funktion
rat, auf dessen Einfluss genauer eingegangen werden eines Signals und wird deshalb als Signalmetabolit be-
soll zeichnet.
Der Erythrozyt besitzt mit diesem System einen Mecha-
! 2,3-Bisphosphoglycerat verlagert die Sauerstoffanlage-
nismus zur Aufrechterhaltung der Sauerstoffversorgung
rungskurve nach rechts.
der Gewebe unter veränderten äußeren Bedingungen: so
Die Sauerstoffaffinität des Hämoglobins nimmt nach Zu- kommt es beim Aufenthalt in Gebirgshöhen ab 4500 m zu
satz von 2,3-Bisphosphoglycerat zu Hämoglobinlösungen einer erheblichen Steigerung der 2,3-Bisphosphoglycerat-
zu; ebenso verlagert der Konzentrationsanstieg dieser konzentration, die sich etwa 50 Stunden nach Rückkehr
Phosphate im Erythrozyten die Sauerstoffanlagerungs- ins Flachland wieder normalisiert. Gleichzeitig mit dieser
kurve nach rechts (. Abb. 29.9). Erythrozyten enthalten 2,3-Bisphosphoglyceraterhöhung ist der Halbsättigungs-
29.2 · Erythrozyten
961 29

druck erhöht, d.h. derjenige Sauerstoffpartialdruck im Blut, phosphatase durch einen pH-Anstieg gehemmt wird, tra-
der Hämoglobin bei einem pH von 7,40 und einer Tempe- gen Hypoxie und Alkalose auch über eine Hemmung dieses
ratur von 37 bzw. 38°C zu 50% mit Sauerstoff sättigt (P50). Enzyms zu einem Konzentrationsanstieg bei. Auf der ande-
Dies entspricht einer Rechtsverlagerung der Sauerstoff- ren Seite führt eine Azidose zu einer Erniedrigung der
anlagerungskurve. Der Organismus reagiert mit diesem 2,3-Bisphosphoglyceratkonzentration.
Kompensationsmechanismus auch auf eine Änderung der Der durch diese Vorgänge vermittelte Anstieg der 2,3-
zirkulierenden Erythrozytenmenge. Im Tierexperiment Bisphosphoglyceratkonzentration während einer Hypoxie
zeigen Affenerythrozyten bereits 24 Stunden nach Entnah- oder Alkalose wird offenbar durch einen Rückkoppelungs-
me von etwa 40% des Erythrozytenvolumens einen signifi- prozess reguliert. Mit steigender Konzentration des nicht-
kanten 2,3-Bisphosphoglyceratanstieg mit entsprechender permeablen 2,3-Bisphosphoglyceratanions sinkt der intra-
P50-Erhöhung. Die 2,3-Bisphosphoglyceraterhöhung bei erythrozytäre pH-Wert wieder ab. Der Abfall des pH-Werts
Anämien soll – durch die dadurch bedingte Rechtsverlage- wirkt also dem durch die Hypoxie hervorgerufenen pH-
rung – zu einer Entlastung des Herzens führen, das sein Anstieg entgegen, d.h. die erhöhte 2,3-Bisphosphoglycerat-
Minutenvolumen (Lehrbücher der Physiologie) entspre- biosyntheserate wird bei hohen 2,3-Bisphosphoglycerat-
chend dem Hämoglobinverlust erhöhen müsste, um die spiegeln wieder auf Normalwerte reduziert.
Sauerstoffversorgung der Gewebe sicherzustellen. Mögli- Wie oben dargelegt beeinflusst der Erythrozyten-pH-
cherweise führt aber weniger die Anämie als vielmehr eine Wert nicht nur den 2,3-Bisphosphoglyceratstoffwechsel,
intraerythrozytäre pH-Erhöhung zur 2,3-Bisphosphoglyce- sondern auch die Sauerstoffaffinität von Hämoglobin
ratvermehrung. (Bohr-Effekt, 7 o., 7 Kap. 3.3.5). Ein Anstieg des pH-Werts
verlagert die Sauerstoff-Anlagerungskurve nach links. Der
! Der intraerythrozytäre pH-Wert ist der wichtigste Regu- gleiche Anstieg des pH-Werts verursacht jedoch einen An-
lator der 2,3-Bisphosphoglyceratkonzentration. stieg der 2,3-Bisphosphoglyceratkonzentration, der seiner-
seits eine Verlagerung der Kurve in die Gegenrichtung,
Bei den Änderungen des 2,3-Bisphosphoglyceratspiegels, nämlich nach rechts, hervorruft. Es erscheint somit wahr-
die z.B. während einer Hypoxie (Sauerstoffmangel der Ge- scheinlich, dass der 2,3-Bisphosphoglyceratmechanismus
webe), einer Alkalose (Zunahme des pH-Werts im Extra- die pH-induzierte Änderung der Sauerstoffaffinität des
zellulärraum) oder Azidose (Abfall des pH-Werts im Ex- Bluts bei chronischen Störungen des Säure-Basen-Haus-
trazellulärraum) auftreten, spielt der pH-Wert im Erythro- halts (7 Kap. 28.8.6) kompensiert.
zyten die Schlüsselrolle (. Abb. 29.10).
! Im Bereich der Gewebekapillaren wird Kohlendioxid im
Bei der Hypoxie führt der Sauerstoffmangel zu einer
Erythrozyten in Hydrogencarbonat überführt.
Hyperventilation mit vermehrtem Kohlendioxidverlust,
sodass der pH-Wert des Bluts und der Erythrozyten an- Das im Zellstoffwechsel produzierte Kohlendioxid gelangt
steigt (Alkalose). Gleichzeitig bedingt die vermehrte Bil- in physikalischer Lösung in den interstitiellen Raum und
dung von Desoxyhämoglobin mit der damit verbundenen diffundiert von dort in das Plasma der Gewebekapillaren.
Aufnahme von Protonen (7 Kap. 3.3.5) einen Anstieg des Unter Verwendung des molaren Löslichkeitskoeffizienten,
intraerythrozytären pH-Werts. Dies bewirkt die Abnahme der angibt, wie viel Millimol eines Gases sich in 1 Liter Flüs-
der Konzentration von freiem 2,3-Bisphosphoglycerat, das sigkeit bei Einwirkung des Partialdrucks von 1 mmHg lö-
bevorzugt an Desoxyhämoglobin bindet. Die Alkalisie- sen, errechnet sich die physikalisch gelöste Konzentration
rung innerhalb des Erythrozyten führt über eine Akti- bei einem CO2-Partialdruck im venösen (arteriellen) Be-
vierung der Phosphofructokinase zu einer Erhöhung der reich von etwa 45 (39) mmHg mit 1,4 (1,2) mmol/l. Diese
Glycolyserate, wodurch vermehrt 1,3-Bisphosphoglycerat physikalisch gelöste Menge nimmt mit etwa 10% am Trans-
entsteht. Demzufolge nimmt auch die Produktion von port teil. Ein geringer Teil (etwa 0,1%) des Kohlendioxids
2,3-Bisphosphoglycerat zu. Da die 2,3-Bisphosphoglycerat- wird zu Kohlensäure hydratisiert, die in Hydrogencarbonat

. Abb. 29.10. Mechanismus des Hypo-


xie-induzierten Anstiegs des Erythro-
zyten-2,3-Bisphosphoglyceratspiegels.
BPG = Bisphosphoglycerat; PFK = Phos-
phofructokinase. (Einzelheiten im Text)
962 Kapitel 29 · Blut

und Protonen dissoziiert, wobei letztere von Plasmapuffern 40 mmHg eingestellt wird. Aus dem Blut diffundiert jetzt so
abgefangen werden. Die übrigen 90% werden in chemischer viel CO2 in die Gasphase, bis die CO2-Konzentration wie-
Bindung und als Hydrogencarbonat befördert. Aus dem der 1,2 mmol/l beträgt. Das diffundierende Kohlendioxid
Plasma diffundiert Kohlendioxid in den Erythrozyten und stammt aus zwei Quellen: Zum einen werden aus den cova-
wird dort an Aminogruppen des Hämoglobins (wahr- lenten Carbaminobindungen der Plasmaproteine und des
scheinlich N-terminale Valylreste) in Form der Carbami- Hämoglobins wieder CO2-Moleküle freigesetzt, zum ande-
nobindung (10–15% des transportierten Kohlendioxids) ren laufen in den Erythrozyten die umgekehrten Vorgänge
gebunden. Die Reaktion verläuft nichtenzymatisch nach wie im Bereich der Gewebekapillaren ab: Die durch die
der Gleichung Sauerstoffaufnahme stärkere Säure Oxyhämoglobin gibt
Protonen ab, die mit Hydrogencarbonat zu Kohlensäure
zusammentreten. Die Carboanhydrase beschleunigt die De-
hydratisierung von Kohlensäure zu Kohlendioxid, das den
Mit protonierten Aminogruppen (NH3+) bildet CO2 keine Erythrozyten verlässt und durch das Plasma in den Alveo-
Carbaminoverbindungen. Derartige Bindungen können larraum diffundiert. Da dadurch der Hydrogencarbonat-
auch mit Plasmaproteinen zustande kommen. spiegel im Erythrozyten abfällt, diffundiert Hydrogen-
Der größere Teil des Kohlendioxids, der in die Erythro- carbonat aus dem Plasma nach, wobei die Erhaltung der
zyten diffundiert ist, wird unter Katalyse der in den Ery- Elektroneutralität wieder durch Chlorid, diesmal durch
throzyten vorkommenden Enzyme Carboanhydrase I und Abströmen durch den Anionenkanal ins Plasma, erfolgt.
II reversibel hydratisiert. Carboanhydrase II ist eines der Der größte Teil des CO2-Transports verläuft also unter
schnellsten Enzyme: Pro Sekunde kann jedes Enzymmole- Vermittlung des Erythrozyten, der durch den Besitz der
kül 106 CO2-Moleküle in Protonen und Hydrogencarbonat Carboanhydrase im Bereich der Gewebekapillaren aus dem
umwandeln. Da dadurch für Hydrogencarbonat ein Kon- CO2 gut lösliches HCO3– für das Plasma bereitstellt und im
zentrationsgefälle ins Plasma entsteht, diffundiert es aus Bereich der Lungenkapillaren das Hydrogencarbonat wie-
dem Erythrozyten ins Plasma. Die frei werdenden Pro- der in das auszuscheidende, gut diffusible Kohlendioxid
29 tonen werden vom Hämoglobin aufgenommen, das bei der zurückverwandelt. Da die Erythrozyten weniger als 1s in
Sauerstoffabgabe in den Gewebekapillaren zu einer schwä- den Lungenkapillaren verweilen, würde diese Zeit für die
cheren Säure wird (Änderung des pK-Werts der Amino- nichtenzymatische Bereitstellung von CO2 nicht ausrei-
gruppe von Valylresten und der Imidazolgruppe von His- chen.
tidylresten, 7 Kap. 3.3.5). Diese Abwanderung der Hydrogen-
! Täglich werden etwa 12 mol Kohlendioxid über die
carbonatanionen als negative Ladungsträger würde die
Lungen abgeatmet.
elektrische Neutralität zwischen Plasma und Erythrozyten
stören, wenn nicht entweder die gleiche Menge Kationen Unter Ruhebedingungen beträgt die Gesamtmenge Koh-
ebenfalls aus dem Erythrozyten ins Plasma oder die gleiche lensäure in 1 Liter venösen Bluts 23,21 mmol, in derselben
Menge von Anionen aus dem Plasma in den Erythrozyten Menge arteriellen Bluts 21,53 mmol. Die Differenz von
diffundieren würde. Da die Erythrozytenmembran für Kat- 1,68 mmol/l ist die Menge CO2, die in 1 Liter Blut von den
ionen im Gegensatz zu Anionen schlecht permeabel ist, Geweben zu den Lungen transportiert wird und dort aus
muss ein Anion in den Erythrozyten diffundieren. Dazu dem Blut in die Lungenalveolen diffundiert. Da die Lungen
bietet sich das im Plasma in hoher Konzentration vorlie- von 5 Liter Blut/min durchströmt werden, werden in dieser
gende Chloridanion an. Dieser als Chloridverschiebung Zeit 8,4 mmol CO2 abgegeben. Das bedeutet eine tägliche
bezeichnete Austausch von Hydrogencarbonat- gegen CO2-Abgabe von 12100 mmol unter Ruhebedingungen.
Chloridionen erfolgt über den Anionenkanal, ein trans- Wie die Gesamt-CO2-Menge im Blut auf Plasma und
membranäres Tetramer des Protein 3 (auch als Chlorid/ Erythrozyten verteilt ist, zeigt . Tabelle 29.3. Bei einem
Hydrogencarbonat-Anionen-Exchanger AE1 bezeichnet, Hämatokrit von 40% (Plasma 60%, Erythrozyten 40%)
. Abb. 29.6), und läuft bis zum Erreichen eines Gleichge- beträgt die CO2-Konzentration in 600 ml venösen Plasmas
wichtes ab. Dadurch steigt im Plasma die Konzentration 16,99 mmol, in derselben Menge arteriellen Plasmas
von Hydrogencarbonat an, das die wesentliche Transport- 15,94 mmol. Die Differenz in Höhe von 1,05 mmol stellt die
form (75–80%) von Kohlendioxid von den Geweben zu im Plasma von den Geweben zu den Lungen transportierte
den Lungen darstellt. Die Carboanhydrasen bilden mit AE1 CO2-Menge dar. Sie beträgt 62% der transportierten Ge-
einen Komplex, sodass ein sog. Metabolon entsteht. samt-CO2-Menge (1,68 mmol). Von diesem Betrag werden
nur 0,09 mmol in physikalischer Lösung und 0,96 mmol in
! Im Bereich der Lungenkapillaren wird Hydrogencarbo-
Form von Hydrogencarbonationen transportiert.
nat über Kohlensäure zu Kohlendioxid überführt.
Die Erythrozyten (400 ml) transportieren 0,63 mmol
Im venösen Schenkel der Lungenkapillaren gerät das Blut CO2 oder 38% der Gesamtmenge, d.h. der Großteil des
mit dem CO2-Partialdruck der Alveolarluft in Kontakt, der CO2-Transports erfolgt im Plasma. Da aber die Hydrogen-
durch das Atemzentrum (Lehrbücher der Physiologie) auf carbonationen durch die intraerythrozytäre Carboanhy-
29.2 · Erythrozyten
963 29

. Tabelle 29.3. Blutwerte des Probanden A.V.B. Konzentration des Hämoglobins = 8,93 mmol/l Blut (dieser Angabe liegt das Molekular-
gewicht des Monomers mit 16,7 kD zugrunde), Hämatokrit = 40 %
Venös Artriell Differenz
Gesamt-CO2 [mmol/Blut] 23,21 21,53 + 1,68
Gesamt-CO2 im Plasma von 1 l Blut (= 600 ml) 16,99 15,94 + 1,05
davon: als gelöstes CO2 0,80 0,71 + 0,09
als HCO3–-Ionen 16,19 15,23 + 0,96
pH 7,429 7,455 – 0,026
Netto-negative Ladungen an Plasmaproteinen 7,80 7,89 – 0,09
Chloridionen 58,72 59,59 – 0,87
Gesamt-CO2 in der Erythrozyten von 1 l Blut (= 400 ml) 6,22 5,59 + 0,63
davon: als gelöstes CO2 0,39 0,34 + 0,05
als Carbamino- CO2 1,42 0,97 + 0,45
als HCO3–-Ionen 4,41 4,28 + 0,13
Netto-negative Ladungen am Hämoglobin 21,15 22,60 – 1,45
Chloridionen 18,98 18,11 + 0,87
Alle Angaben – mit Ausnahme des pH-Wertes (ohne Dimension) – in mmol/l.

drase gebildet und die entstehenden Protonen durch Hä- Von den in . Tabelle 29.3 angegebenen Messgrößen
moglobin abgepuffert werden, ist der Erythrozyt Vorausset- sind nur der pH-Wert, die Gesamtmenge CO2 und der
zung für den CO2-Transport. pCO2 messbar, während für die Bestimmung von Hydro-
Wie aus . Tabelle 29.3 weiterhin hervorgeht, ändert sich gencarbonationen und gelöstem CO2 keine direkten Mess-
die negative Ladung der Plasmaproteine, da sie 0,09 mmol methoden existieren.
Protonen aufnehmen, die aus der im Plasma gebildeten Sind die Gesamtmenge CO2 und der pH-Wert bekannt,
Kohlensäure stammen. Die dabei gebildeten 0,09 mmol so können nach der Gleichung von Henderson und Hassel-
Hydrogencarbonationen verbleiben im Plasma. Weil die balch (7 Kap. 1.2.6) die Hydrogencarbonatkonzentration
gesamte transportierte Hydrogencarbonationenmenge und der CO2-Partialdruck berechnet werden:
0,96 mmol beträgt, müssen 0,87 mmol (0,96–0,09) aus den
Erythrozyten ins Plasma übergetreten sein.
Die Bedeutung des Hämoglobins für den CO2-Trans-
port ist aus dem unteren Teil von . Tabelle 29.3 zu ersehen:
Da Hämoglobin 1,45 Einheiten negative Ladungen verliert, Da die Konzentration des gelösten CO2, die in der Glei-
müssen in Erythrozyten 1,45 mmol Protonen gebildet und chung für die Summe aus CO2 und H2CO3 steht, dem CO2-
von Hämoglobinmolekülen aufgenommen worden sein. Partialdruck direkt proportional ist, kann unter Verwen-
Davon entstehen 0,45 mmol bei der Bildung von Carbami- dung des molaren Löslichkeitskoeffizienten für CO2 in der
noverbindungen (R–NHCOO–+H+), der Rest bei der Hy- Gleichung statt [CO2]=[S·pCO2] gesetzt werden:
dratisierung von 1 mmol CO2 zu HCO3– und Protonen. Die
Protonen beider Gruppen werden von Hämoglobinmole-
külen abgepuffert.
Da sich die Chloridkonzentration um 0,87 mmol än-
dert, müssen von den 1 mmol entstandenen Hydrogencar-
bonationen (7 oben) 87% ins Plasma übergetreten sein. Da die Gesamtmenge CO2 im Plasma die Summe aus ge-
Das Entscheidende beim CO2-Transport ist, dass jedes löstem CO2 und Hydrogencarbonationen darstellt, kann
CO2-Molekül, das zum Transport nicht physikalisch gelöst bei bekannter Gesamt-CO2-Konzentration die Hydrogen-
wird, nur unter Freisetzung von Protonen (durch Bildung carbonatkonzentration folgendermaßen errechnet wer-
von Hydrogencarbonationen und Carbaminoverbin- den:
dungen) befördert werden kann. Die Funktion des Hämo-
globins beim CO2-Transport liegt darin, dass es den we-
sentlichen Teil der freigesetzten Protonen (1,45 mmol von
1,54 mmol; die restlichen 0,09 mmol werden von den Plas-
maproteinen abgepuffert) aufnimmt.
964 Kapitel 29 · Blut

Setzt man diesen Ausdruck für HCO3– in die obige Hender-


son-Hasselbalch-Gleichung ein, so entsteht:

Der pK-Wert, der von Bestimmungsmethode, Temperatur


und pH-Wert abhängt, beträgt i. Allg. 6,10, der molare Lös-
lichkeitskoeffizient für Plasma bei 37°C 0,0304.

Diese Gleichung enthält drei Unbekannte: den pH-Wert,


die Gesamt-CO2-Konzentration im Plasma und den CO2-
Partialdruck. Sind zwei dieser Größen bekannt, so kann die
dritte berechnet werden. Da die Gesamtmenge CO2 im
Plasma oft in Volumenprozent angegeben wird, muss sie
unter Verwendung eines Umrechnungsfaktors vor Einset-
zen in die Gleichung noch in mmol/l umgerechnet werden.
Zur Berechnung der CO2-Verteilung im Plasma werden
also in Plasmaproben arteriellen und venösen Bluts der
pH-Wert und die Gesamtmenge CO2 bestimmt (. Tabel-
le 29.4).
29 Nach der Umrechnung der Volumenprozente in mmol/l
Gesamtmenge CO2 lassen sich aus der Henderson-Hassel-
. Abb. 29.11. Nomogramm zur Ermittlung des CO2-Partial-
balch-Gleichung der CO2-Partialdruck und damit auch die
drucks, des pH-Werts und der Plasmahydrogencarbonatkonzen-
Konzentration des gelösten Kohlendioxids sowie die Hy- tration. Sind zwei dieser drei Größen bekannt, so kann die dritte
drogencarbonatkonzentration errechnen oder aus speziel- abgelesen werden
len Nomogrammen (. Abb. 29.11) ablesen.
Da die Erythrozyten einen wesentlichen Anteil am
CO2-Transport haben, kann auch die Verteilung des Koh- Blut, was auf die hohe Konzentration und die Histidylreste
lendioxids im Gesamtblut, d.h. Plasma und Erythrozyten, mit den günstigen pK-Werten (. Abb. 3.2, 7 Kap. 3.1.3) zu-
durch einfache – an dieser Stelle nicht erwähnte – Berech- rückzuführen ist. Wie bereits erwähnt (7 Kap. 3.3.5), führt
nungen ermittelt werden. die Oxygenierung des Hämoglobins zur Abgabe von Pro-
tonen, die Desoxygenierung zu deren Aufnahme. Norma-
! Hämoglobin ist aufgrund seiner hohen Konzentration
lerweise kann das Hämoglobinprotein pro Mol abgege-
ein wichtiges Puffersystem im Blutplasma.
benen Sauerstoff 0,7 mol Protonen aufnehmen. Das be-
Nach dem Hydrogencarbonatpuffersystem (7 Kap. 1.2.6) ist deutet, dass bei einem respiratorischen Quotienten (RQ,
das Hämoglobinprotein das wichtigste Puffersystem im 7 Kap. 21.1.4) von 0,7 (Fettoxidation) alle durch den CO2-
Abtransport anfallenden Protonen von Hämoglobinmole-
. Tabelle 29.4. Berechnung von pCO2, [CO2]P und [HCO3–]P nach külen aufgenommen werden können. Bei einem RQ von 1,0
Bestimmung des pH-Wertes und der Gesamtmenge CO2 in Plasma- (Kohlenhydratoxidation) können nur 70% gepuffert wer-
proben arteriellen und venösen Blutes den. Deshalb weist das venöse Blut bei normalem Stoff-
Werte Venös Arteriell wechsel (RQ>0,7) einen geringeren pH-Wert (= höhere
Gemessen Protonenkonzentration) als das arterielle auf.
pH-Wert 7,39 7,44 ! Hämoglobin kann auch mit Stickoxid reagieren.
Gesamt-CO2 [Vol%] 62,0 59,4
Hämoglobin kann Stickoxid (NO) sowohl durch Bindung
Errechnet an das Hämeisen inaktivieren (unter Bildung von Methä-
Gesamt-COs [mmol/l] 27,8 26,7 moglobin, siehe unten und Nitrat) oder reversibel an das
pCO2 [mm Hg] 45 39 Cystein in Position 93 der ß-Kette binden. Es wurde die
[CO2]P [mmol/l] 1,4 1,2
Hypothese aufgestellt, dass NO bei fallender Sauerstoff-

spannung in der Mikrozirkulation aus der Hämoglobin-
[HCO3 ] [mmol/l] 26,4 25,5
bindung freigesetzt wird und die dadurch hervorgerufene
29.2 · Erythrozyten
965 29

Vasodilatation den Blutfluss in die Region des örtlichen Die Produktion dieser Antikörper (Isoagglutinine) wird
Sauerstoffbedarfs dirigiert. durch blutgruppensubstanzhaltige Bakterien der Darmflora
stimuliert. Genetisch bedingt ist nur die Fähigkeit, Antikör-
per mit einer derartigen Spezifität zu bilden. Die mensch-
29.2.3 Erythrozyten-Antigene lichen Isoagglutinine sind also heterophile Antikörper. Das
eigentliche antigene Stimulans, das bakterielle »Blutgrup-
! Die AB0- und Rhesussysteme sind die für Transfusionen penantigen«, hat mit Erythrozyten der menschlichen Popu-
wichtigsten Blutgruppenantigene. lation nur zufällig die determinante Gruppe gemeinsam.
Isoagglutinine kommen außer im Blut auch in der Tränen-
Die Blutgruppenunterteilungen innerhalb einer Species flüssigkeit, im Vaginalsekret und im Speichel vor.
kommen dadurch zustande, dass bestimmte Mitglieder Klinische Bedeutung kommt den Blutgruppeneigen-
der Species auf ihrer Erythrozytenoberfläche Antigene schaften bei Erythrozytentransfusionen (Gefahr der hä-
(7 Kap. 34.2.1) besitzen, die auf den Erythrozyten anderer molytischen Reaktion infolge Transfusionen gruppenun-
Mitglieder derselben Species fehlen. Diese Antigene wer- gleichen Bluts) und bei Unverträglichkeitserscheinungen
den durch Serumantikörper entdeckt, die die Erythrozyten (Inkompatibilität) der Blutgruppen von Mutter und Kind
zur Agglutination (Zusammenballung) bringen. Die Blut- (fetale Erythroblastose) zu.
gruppenantigene kommen nicht nur auf Erythrozyten, A- und/oder B-Antigene bzw. das H-Antigen kommen
sondern auch auf sehr vielen anderen Zelloberflächen und auf der Oberfläche wahrscheinlich aller Endothel- und vie-
in Körperflüssigkeiten vor. Aber sie beschränken sich nicht ler Epithelzellen sowie auf Erythrozyten, Thrombozyten,
nur auf den Menschen: Blutgruppen und blutgruppenähn- Leukozyten und Spermatozoen vor.
liche Verbindungen kommen bei allen Tieren und vielen Bei diesen zellgebundenen Antigenen handelt es sich
Mikroorganismen vor. Deshalb werden diese Antigene als um Kohlenhydrate. Zusätzlich scheiden als Sekretoren be-
heterophile Antigene bezeichnet, d.h. es handelt sich um zeichnete Individuen (etwa 80% der Population) wasserlös-
Antigene, die Affinität zu Antikörpern besitzen, die auf- liche Blutgruppensubstanzen aus, die in Urin, Speichel,
grund ihrer Herkunft eigentlich nichts mehr mit dem be- Magensaft, Amnionflüssigkeit, Samenflüssigkeit, Cervical-
treffenden Antigen zu tun haben dürften. So entwickeln schleim, in Ovarialzysten und im Meconium, dem ersten
z.B. Kaninchen, die mit Meerschweinchenniere immuni- Stuhl des Neugeborenen, nachweisbar sind.
siert wurden, hämolysierende Antikörper gegen Schafs-
! Für die Biosynthese der ABH- Antigene sind Glycosyl-
erythrozyten. Die Blutgruppenantigene heißen also nur
transferasen erforderlich.
deshalb so, weil sie zuerst an Erythrozyten entdeckt wor-
den sind. Beim chemischen Aufbau der Blutgruppenantigene unter-
Beim Menschen sind vierzehn Blutgruppensysteme be- scheidet man das Trägermolekül und die antigene Deter-
kannt, die aus mehr als hundert verschiedenen Blutgrup- minante (7 Kap. 34.2.1). Letztere wird entweder durch ein
penantigenen bestehen. Die am längsten bekannten sind Oligosaccharid – an dessen Aufbau vier verschiedene Sac-
das AB0-System (vor hundert Jahren entdeckt) und das charide teilnehmen können (Fucose, Galactose, N-Acetyl-D-
Rhesussystem (vor fünfzig Jahren entdeckt). Galactosamin, N-Acetyl-D-Glucosamin) – oder ein Protein
Beim AB0-System werden Träger der Blutgruppe A, B gebildet. Die Kohlenhydrat-Antigene (ABH) sind covalent
oder AB unterschieden, in deren Serum die Antikörper an Proteine und/oder Sphingolipide gebunden. Protein-An-
Anti-B (E), Anti-A (D) bzw. keine Antikörper vorkommen. tigene (z.B. das Rhesussystem) werden von Proteinen, Gly-
Bei Menschen mit der Blutgruppe 0 finden sich im Serum coproteinen oder Proteinen mit GPI-Anker gebildet. Bei den
die Antikörper Anti-A und Anti-B (. Tabelle 29.5). Es Sphingolipiden besteht das Trägermolekül aus Ceramid
gibt kein 0-Antigen: Gruppe-0-Erythrozyten besitzen das (7 Kap. 2.2.4). Die primäre Alkoholgruppe stellt die Bin-
H-Antigen, die Bezeichnung Blutgruppe 0 wurde nur aus dungsstelle für den Oligosaccharidanteil dar. Glycoproteine
historischen Gründen beibehalten. weisen einen Kohlenhydratanteil von bis zu 85% auf.
Die Biosynthese der oligosaccharidhaltigen Antigene
erfolgt durch Glycosyltransferasen, durch die schrittweise
. Tabelle 29.5. Das ABO-System (die prozentuale Verteilung in Monosaccharide (. Abb. 29.12) an eine aus D-Galactose
Mitteleuropa) und N-Acetyl-D-Glucosamin bestehende Disaccharid-
Blutgruppe Antigen auf Antikörper grundstruktur gehängt werden. Je nachdem, ob die beiden
Erythrozyten im Serum Zucker (1.3)-E-glycosidisch oder (1.4)-E-glycosidisch mit-
A (40 %) A Anti-B (β) einander verbunden sind, wird zwischen Typ-1- und Typ-
B (16 %) B Anti-A (α) 2-Ketten unterschieden.
AB (4 %) A und B –
Wird an das Galactosemolekül der Grundstruktur ein
Fucosylrest (1.2)-D-glycosidisch durch eine D-L-Fucosyl-
0 (40 %) H Anti-A und Anti-B
transferase gebunden, so entsteht eine Struktur mit H-Spe-
966 Kapitel 29 · Blut

29

. Abb. 29.12. Biosynthese der antigenen Determinanten der Spezifitäten »H«, »A« und »B« bestimmen (7 Text). GP = Glycoprotein;
Blutgruppensubstanzen durch Glycosyltransferasen. Endständige Gal = D-Galactose; GNAc = N-Acetyl-D-glucosamin; GalNAc = N-Ace-
Zuckersequenzen der Polysaccharidketten der Glycoproteine, die die tyl-D-galactosamin; Fuc = L-Fucose

zifität (. Abb. 29.12). Wird an diese H-Struktur N-Acetyl- Die Gene der A- und B-Antigene unterscheiden sich nur
galactosamin bzw. Galactose gekoppelt, so entstehen die um einige Basensubstitutionen unterscheiden, die zur Än-
A- und B-determinanten Gruppen. derung von vier Aminosäureresten führen. Dies ruft die
Unterschiede in der Spezifität dieser beiden Transferasen
! Wenige Basensubstitutionen ändern die Spezifität der hervor (. Abb. 29.13). Im H-Gen findet sich die Deletion
A- und B-Glycosyltransferasen. einer Base, die zu einem vollständig unterschiedlichen,
29.2 · Erythrozyten
967 29

wo die Pestzüge nur selten hinkamen (Alpen- und Pyre-


näentäler, britische Inseln), überwiegt bei weitem die Blut-
gruppe 0.
! Die Rhesusantigene werden von zwei Genen auf Chro-
mosom 1 codiert.

Die Rhesusantigene werden nicht durch Kohlenhydrate,


sondern durch Proteine codiert. Für die drei Antigene
(CDE bzw. cde) werden nur zwei Gene benötigt. Das Rhe-
. Abb. 29.13. Struktureller Aufbau der Membran verankerten A- sus D-Gen codiert für das D-Antigen mit 417 Aminosäu-
und B-Glycosyltransferasen. Die Gene beider Enzyme unterscheiden ren, das für die rhesuspositive Blutgruppe verantwortlich
sich durch Codons für vier Aminosäuren, von denen zwei (266 und
ist. Rhesusnegative Individuen (dd) sind für eine Deletion
268) die Substratspezifität bestimmen. Eine Deletion im Codon für die
Aminosäure 87 führt zu einem Rasterschub und damit Verlust der der Rhesus D-Gensequenz homozygot. Das Rhesus CcEe-
Enzymaktivität, was die 0-Spezifität bedingt Gen ist mit dem Rhesus D-Gen homolog und unterscheidet
sich in etwa 30 Aminosäurepositionen. Aus dem primären
präRNA-Transkript entsteht durch alternierendes Spleißen
inaktiven Enzym führt, die das H-Antigen nicht mehr entweder das normale Transkript mit 417 Aminosäuren,
modifizieren kann. Dass diese Mutation Verbreitung fand, das für das Rhesus E/e-Antigen codiert, oder ein Protein
ist darauf zurückzuführen, dass sie für die betreffende Be- mit 267 Aminosäuren, welches für das C/c-Antigen codiert.
völkerung einen Selektionsvorteil brachte. Wahrschein- Rhesus E und Rhesus e unterscheiden sich durch eine Ami-
lich haben die seuchenhaften Infektionserkrankungen, wie nosäuresubstitution in Position 226 voneinander, Rhesus C
z.B. die Pest, eine besondere Rolle dabei gespielt. Bei Popula- und Rhesus c durch vier Aminosäuren (. Abb. 29.14). Rhe-
tionen, die mehrfach von Pestepidemien heimgesucht susantigen-ähnliche Proteine sind in der Niere, Leber, Ge-
wurden, ist die Blutgruppe 0 zurückgegangen, während die hirn und Haut nachweisbar.
Blutgruppe A offenbar einen Selektionsvorteil darstellte.
Dies beruht wahrscheinlich darauf, dass die Pestbazillen
über H-Antigene verfügen, die einen Nachteil für Blut- 29.2.4 Pathobiochemie
träger der Blutgruppe 0 darstellen, da bei der Bildung von
Antikörpern gegen die Pestbazillen diese auch gegen die Ein erhöhter Umsatz der Erythrozyten, der zu einer ver-
eigenen Blutgruppenantigene gerichtet sind. Überall dort, kürzten Erythrozytenlebenszeit führt, wird als Hämolyse

. Abb. 29.14. Codierung der Antigene des Rhesussystems durch substitutionen (16, 60, 68 und 103) sind für die Unterschiede zwischen
das Rh D-Gen und das Rh CcEe-Gen. Beide Gene codieren für struk- C und c verantwortlich, eine (226) für den Unterschied zwischen E und
turell verwandte Membranproteine mit jeweils 417 Aminosäuren, e. Bei rhesusnegativen Personen wird das Rh D-Gen durch eine Muta-
wobei beim Rh CcEe-Gen durch alternierendes Spleißen ein zweites tion nicht exprimiert
verkürztes Protein mit 267 Aminosäuren entsteht. Vier Aminosäure-
968 Kapitel 29 · Blut

. Abb. 29.15. Rasterelektronenmikrosko-


pische Aufnahmen von Erythrozyten.
Hereditäre Elliptozytose (oben), Sphärozytose
(unten)

bezeichnet. Der Hämolyse können Störungen des Enzym- Die hereditäre Elliptozytose ist eine heterogene Gruppe
stoffwechsels, der Membran oder des Hämoglobins zu- von Erkrankungen, die morphologisch durch ovalgeformte
29 grunde liegen. Erythrozyten gekennzeichnet ist (. Abb. 29.15). Ursache ist
das Fehlen des Proteins 4.1, das zu einer Störung der Mem-
! Glucose-6-phosphat-Dehydrogenasemangel schützt
branintegrität des Erythrozyten und damit zur Hämolyse
vor Malaria.
führt. Bei der häufigen hereditären Sphärozytose (1 auf
Von allen Enzymen des Erythrozytenstoffwechsels sind 2500 Menschen in Nordeuropa) liegt ebenfalls eine Störung
kongenitale Anomalien bekannt, von denen die wichtigste der Architektur des Erythrozytenmembranskeletts vor [De-
der Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase(G6PD)-Defekt fekt im Spectrinmolekül, Ankyrin, Bande 3 oder Protein
ist. Als Folge dieser Störung des Pentosephosphatwegs, von 4.2]. Dadurch ist die Assoziation mit den anderen Membran-
der weltweit ca. 400 Millionen Menschen betroffen sind, skelettproteinen gestört, sodass der Erythrozyt Kugelform
kann es zu einer Beeinträchtigung der Produktion von Glu- annimmt und deshalb Sphärozyt heißt (. Abb. 29.15). Die-
tathion kommen, das zum Schutz des Hämoglobins vor se veränderten Erythrozyten werden bereits nach zehntä-
einer Oxidation benötigt wird. Heute sind über 400 G6PD- giger (!) Lebensdauer durch Phagozytose in der Milz aus
Varianten bekannt, von denen aber nur wenige eine Hämo- dem Blut entfernt. Kann das Knochenmark den schnellen
lyse verursachen. Die meisten Betroffenen haben deshalb Abbau durch eine vermehrte Erythrozytenbildung ausglei-
keine klinischen oder biochemischen Zeichen einer Hämo- chen, so liegt eine kompensierte Hämolyse vor. Erleidet
lyse; erst wenn auslösende Mechanismen wie eine Infek- dagegen ein Betroffener zusätzlich einen Infekt, so kann das
tion, bestimmte Medikamente (wie z.B. das Sulfonamid Knochenmark diese Kompensation nicht mehr bewerkstel-
Cotrimoxazol oder das Antiandrogen Flutamid) oder der ligen, sodass der Erythozytenwert abfällt (dekompensierte
Genuss von Acker- oder Saubohnen einen oxidativen Stress hämolytische Anämie). Bei dauerhafter Dekompensation
verursachen, werden die Genträger symptomatisch. Boh- besteht die Therapie in einer Entfernung der Milz, wodurch
nen enthalten Glycoside, deren Abbauprodukte freie Sauer- die Lebensdauer der Sphärozyten bis auf 80 Tage erhöht
stoffradikale generieren. Diese führen zur Oxidation von werden kann.
SH-Gruppen im Hämoglobin, das in Monomere dissoziiert
! Bei der erworbenen paroxysmalen nächtlichen Hämo-
und in den Erythrozyten präzipitiert. Entstehende Ein-
globinurie liegt eine somatische Mutation in dem Gen
schlüsse in den Erythrozyten sind im Blutausstrich erkenn-
für die Synthese eines GPI-Ankerproteins vor.
bar. Genträger der G6PD-Mutationen haben einen Schutz
vor Malaria, was die weite Verbreitung der Mutationen in Patienten mit dieser erworbenen Stammzellerkrankung lei-
Malariagebieten erklärt. den an häufig nachts auftretenden hämolytischen Attacken,
die immer wieder ein Ausmaß annehmen, dass sich der
! Auch angeborene Membrandefekte können eine Hä- Urin dunkel verfärbt. Die Verfärbung ist auf freies Hämo-
molyse verursachen. globin zurückzuführen, das in so großen Mengen anfällt,
29.2 · Erythrozyten
969 29

dass es durch Haptoglobin nicht mehr gebunden werden (Hämiglobin) keinen Sauerstoff mehr transportieren. In
kann und deshalb in den Urin übertritt. vivo wie in vitro kann Methämoglobin durch Einwirkung
Ursache der Hämolyse der von der Mutation (siehe un- von Oxidationsmitteln wie Kaliumferricyanid, Wasserstoff-
ten) betroffenen Erythrozyten ist eine besondere Empfind- peroxid oder aromatische Nitro- und Aminverbindungen
lichkeit gegenüber dem Angriff durch das Komplement- (Nitroglycerin, Anilin) entstehen. Im Erythrozyten entsteht
system (7 Kap. 34.4). Bereits normale Erythrozyten sind Methämoglobin ständig durch die Anlagerung des Sauer-
ständig durch die zellzerstörenden Komplementfaktoren stoffs an Hämoglobin. Bei diesem als Autoxidation bezeich-
bedroht, die sich auf der Erythrozytenoberfläche ansam- neten Vorgang führt die Übernahme eines Elektrons von
meln, wenn sie durch Antikörper und Bakterienprodukte Eisen zur Bildung von Methämoglobin und dem Super-
aktiviert worden sind. oxidanion (O2–). Dass die Methämoglobinkonzentration
Zur Abwehr dieses lytischen Angriffs besitzen Erythro- i. Allg. 1–2% nicht überschreitet, ist auf eine intraerythrozy-
zyten drei membranverankerte Proteine: täre NADH-abhängige Methämoglobinreduktase zurück-
4 den zerfallbeschleunigenden Faktor (Decay-accelera- zuführen. Das Superoxidanion wird durch eine Superoxid-
ting-factor, DAF), dismutase zu H2O2 reduziert und anschließend durch die in
4 den Membraninhibitor der reaktiven Lyse (CD59) Kapitel 15.3 erwähnte Peroxidase zu H2O und O2 entgiftet.
und Ist die Aktivität der Methämoglobinreduktase – wie bei der
4 ein C8-bindendes Protein. familiären Methämoglobinämie – stark vermindert, so kann
das ständig gebildete Methämoglobin nicht mehr ausrei-
Die von der Erkrankung betroffenen Erythrozyten sind ex- chend reduziert werden, sodass die Konzentration bis auf
trem empfindlich gegenüber dem Komplementsystem, da 30% ansteigt. Folge der dadurch verursachten mangelnden
ihnen diese drei schützenden Proteine fehlen. Allen drei Sauerstoffversorgung der Gewebe ist eine Vermehrung der
Proteinen ist gemeinsam, dass sie nicht mit Hilfe einer Erythrozyten im Blut (reaktive Polyzythämie). Bestimmte
transmembranären Proteindomäne, sondern über einen Medikamente mit Anilinderivatcharakter (siehe oben) wie
Glycosyl-Phosphatidyl-Inositol-Anker in der Membran Dapson, ein Lepramittel, sind Methämoglobinbildner. Bei
verankert sind. Bei der PNH erwirbt eine Stammzelle im Vergiftungen (Met-Hb>40%) wird ein Reduktionsmittel
Knochenmark eine Mutation im Gen für die Synthese eines (Toloniumchlorid) als Antidot intravenös verabreicht, in
Glycosyl-Phosphatidyl-Inositolankers. Bei der PNH liegen schweren Fällen sind Austauschtransfusionen erforderlich.
verschiedene Mutationen im GPI-A-Gen vor, welches für
! Hämoglobin besitzt eine 300-fach höhere Affinität zu
das erste Enzym der GPI-Synthese codiert. Damit fehlt den
Kohlenmonoxid als zu Sauerstoff.
drei oben genannten Proteinen ihr Membrananker. Im Ge-
gensatz zu Keimbahnmutationen, die für die angeborenen Kohlenmonoxid (CO) ist ein giftiges Gas, das durch unvoll-
Enzym- und Membrandefekte des Erythrozyten verant- ständige Verbrennung organischer Verbindungen entsteht.
wortlich sind, liegt bei der PNH eine erworbene, gene- Die Toxizität dieses farb- und geruchlosen Gases kommt
tische Störung vor. Sie kommt durch eine somatische Mu- dadurch zustande, dass es sich an Stelle des Sauerstoffs an
tation in einer Knochenmarksstammzelle zustande. Der das Hämoglobinmolekül anlagert und so den Sauerstoff-
betroffene Zellklon übergibt diese Mutation an all seine Ab- transport blockiert. Da die Affinität des Hämoglobinmole-
kömmlinge, d.h. Erythrozyten, Leukozyten und Thrombo- küls zu Kohlenmonoxid rund 300mal so hoch ist wie zu
zyten. Diese mutierten Zellen existieren gleichzeitig mit Sauerstoff (. Abb. 29.16), führen schon geringe Mengen
den normalen Blutelementen, wodurch ein hämatolo- dieses Gases zu einer starken Reduktion der Sauerstoff-
gisches Mosaik entsteht, bei dem das Verhältnis von ge- transportfähigkeit des Bluts. Die daraus resultierende Hy-
störten zu normalen Erythrozyten im Blut den Schweregrad poxie (Sauerstoffmangel der Gewebe) wird noch dadurch
der Krankheit bestimmt. verstärkt, dass Kohlenmonoxid eine Linksverlagerung der
Sauerstoffanlagerungskurve (7 o.) bewirkt, sodass die Ab-
! Durch die ständige Gegenwart von Glucose entsteht
gabe des noch transportierten Sauerstoffs im Bereich der
Glycohämoglobin auf nichtenzymatischem Weg.
Gewebe erschwert ist. Erst durch diesen Umstand wird es
Ein Glucose enthaltendes Hämoglobin (HbA1c) ist in einer verständlich, dass eine CO-Vergiftung, die mit 60% CO-
Konzentration von 4–6% im Erythrozyten nachweisbar. Hämoglobin einhergeht, eine tödliche Bedrohung darstellt,
Dieses Glycohämoglobin ist bei Diabetikern häufig erhöht während eine Anämie mit 40% des normalen Hämoglobin-
und dient zur Bewertung der Einstellung des Diabetes mel- gehalts durchaus mit dem Leben vereinbar ist. Daneben
litus (7 Kap. 26.4). blockiert Kohlenmonoxid auch Myoglobin und andere ei-
senhaltige Proteine. Wegen der reversiblen Anlagerung des
! Verschiedene Medikamente begünstigen die Bildung
Kohlenmonoxids an den Porphyrinanteil des Hämoglobins
von Methämoglobin.
kann das CO-Hämoglobin durch hohe Sauerstoffdrucke in
Wird das zweiwertige Eisen im Hämoglobin zu dreiwer- O2-Hb überführt werden. Vergiftete sind deshalb schnell
tigem oxidiert, so kann das entstandene Methämoglobin aus dem Kohlenmonoxid-haltigen Milieu (z.B. Abgasen in
970 Kapitel 29 · Blut

. Abb. 29.16. Bindung von Kohlenmonoxyd bzw. Sauerstoff an


Hämoglobin. Die Kurven zeigen, zu welchem Prozentsatz das Hämo-
globin bei einem bestimmten Gasangebot (Sauerstoff bzw. Kohlen-
monoxid) mit dem betreffenden Gas beladen ist. Aufgrund der hohen
Affinität des Hämoglobins zu Kohlenmonoxid führen schon sehr
geringe CO-Drucke zu einer 100%igen Sättigung des Hämoglobins,
die beim Sauerstoff erst bei Drucken von etwa 120 mmHg erreicht
wird. (1 mmHg = 133,3 Pa)

Garagen) zu bringen und mit Sauerstoff zu beatmen. Bei


Zigarettenrauchern findet man im Durchschnitt 4–9%, bei
29 stärkeren Rauchern auch Werte bis zu 15% CO-Hämo-
globin (!).
. Abb. 29.17. Erscheinungsformen der α-Thalassämien. Alle vier
! Die Thalassämien kommen durch quantitative Stö- Genloci werden gleich stark exprimiert. Die Existenz von vier a-Genen
rungen der Globinkettenproduktion zustande. erklärt, warum die a-Thalassämien i. Allg. – mit Ausnahme der homo-
zygoten Form – klinisch weniger dramatisch verlaufen als die E-Tha-
Bei den Thalassämien ist die Biosynthese eines der beiden lassämien. Der Verlust von 1, 2 oder 3 Genen wird zumindest teilweise
Kettentypen des Hämoglobins in den Erythroblasten des durch die übrigen kompensiert
Knochenmarks gestört. Die homozygote Form (Thalassä-
mia major) hat früher bereits im Kindesalter zum Tode ge-
führt, heute hat die Lebenserwartung der Patienten auf- molytische Anämie, ist in vielen Fällen auf die Deletion von
grund verbesserter Kenntnisse über die Erkrankung deut- drei D-Genen zurückzuführen. Die beiden heterozygoten
lich zugenommen. Genträger, also Individuen, die die Zustände werden durch die Deletion von einem oder zwei
heterozygote Form (Thalassämia minor) aufweisen, haben D-Genen verursacht. Durch die Störung der Biosynthese der
eine mikrozytäre Anämie, die keine Symptome verursacht. D-Ketten ist nicht nur die Produktion von HbA1, sondern
Aus diesem Grunde besitzen die Identifizierung von Gen- auch von HbA2 und HbF verringert. Beim Embryo treten
trägern und genetische Beratung für die Familienplanung die überschüssigen J-Ketten wegen der eingeschränkten D-
von Betroffenen eine große Bedeutung. Kettenbiosynthese zu γ4-Tetrameren (Hb J4 oder HbBart)
α-Thalassämien. Deletionen treten häufiger in der D- zusammen. Da nach der Geburt die J-Ketten durch E-Ket-
Globinfamilie auf, da der gesamte Komplex Sequenzhomo- ten ersetzt werden, bilden E-Ketten, die keine D-Ketten zur
logien aufweist und die Verdoppelung der E- und D-Gene Bildung des normalen D2E2-Hämoglobins finden, β4-Te-
(. Abb. 29.17) die Wahrscheinlichkeit der Fehlanlagerung tramere (HbH). HbBart und HbH zeigen keinen Bohr-Ef-
während der Meiose erhöhen kann. Eine ungleiche Über- fekt mehr, sind unstabil und neigen zu Verklumpungen,
kreuzung kann zu Chromosomen mit einer Überzahl oder wodurch die normale Lebensdauer der Erythrozyten, die
verringerten Anzahl von D-Genen führen. Die Tatsache, bizarre Formen aufweisen können, herabgesetzt wird.
dass vier D-Gene (jeweils zwei auf jedem Chromosom 16) β-Thalassämien. Im Gegensatz zur D-Thalassämie
existieren, erklärt, warum D-Thalassämien i. Allg. weniger wird die E-Thalassämie erst einige Wochen oder Monate
dramatisch verlaufen als E-Thalassämien (. Abb. 29.17). nach der Geburt manifest, wenn die J-Ketten durch E-Ket-
Die homozygote D-Thalassämie, die zum Hydrops fetalis ten ersetzt werden. Da die Biosynthese dieser Ketten jedoch
(Morbus haemolyticus neonatorum) und zum Tod in utero reduziert ist (E+) oder überhaupt nicht stattfindet (E°), tre-
führt, beruht auf einer Deletion aller vier Globingene. Die ten überschüssige D-Ketten mit – auch im Erwachsenenal-
Hämoglobin-H-Erkrankung, eine milde, hypochrome, hä- ter bei der E-Thalassämie weiter synthetisierten – J- oder
29.2 · Erythrozyten
971 29

G-Ketten zusammen, wodurch bei der heterozygoten Form


. Tabelle 29.6. Genetische Störung der Aminosäuresequenz von
der Prozentsatz von HbA2 (D2G2) auf 4–6% (normal 2–3%) Hämoglobinen (Auswahl aus über 250 bekannten Varianten)
und von HbF (D2J2) auf 0,5–6% (normal nicht vorhanden)
Hämoglobin Substitution Resultierende Störung
erhöht ist. Es werden keine D4-Tetramere gebildet.
HbS E6 Glu o Val Sichelzellbildung
Die Instabilität der Erythrozyten von Patienten mit
Thalassämien ist zumindest teilweise dadurch bedingt, dass Chesapeake D92 Arg o Leu O2-Affinität erhöht
freie D- und E-Ketten wesentlich rascher als im Tetramer- Seattle E70 Ala o Asp O2-Affinität reduziert
verband des normalen Hämoglobins autoxidieren. Dadurch Nagoya E97 His o Pro instabil mit Hämolyse
wird entsprechend mehr Superoxidanion gebildet und die Barcelona E94 Asp o His Erythrozytose
Kapazität des Dismutasesystems überschritten, sodass (Polyzythämie)
Schäden an der Erythrozytenmembran durch die Peroxida- Iwate D87 His o Tyr Methämoglobinbildung
tion von Membranlipiden und SH-Gruppen von Proteinen mit Zyanose
resultieren. Die vermehrte Produktion von HbA2 und HbF
reicht jedoch nicht zur Kompensation der verringerten E-
Globinsynthese aus. Gleichzeitig wird die Erythropoiese
erheblich gesteigert (bis zum Faktor 10), aufgrund des mit den großen Buchstaben des Alphabets oder mit dem
Überschusses an D-Ketten ist sie jedoch ineffektiv, d.h. die Klinik-, Ortschafts- oder Patientennamen bezeichnet, der
erythrozytären Vorläufer gehen im Knochenmark durch mit ihrer erstmaligen Beschreibung in Zusammenhang
Apoptose (7 Kap. 7.1.5) zugrunde. Als wesentliche Kom- steht (. Tabelle 29.6). Die Mutation wird entweder auf
plikation der homozygoten bzw. gemischt-heterozygoten DNA-Ebene (z.B. GAG o GTG) oder Proteinebene
schweren Form der Thalassämie tritt aufgrund der ineffek- (E6Glu o Val oder Glu6Val) beschrieben, d.h. in diesem
tiven Erythropoiese eine Überladung des Organismus mit Fall ist der Glutamylrest in Stellung 6 der E-Ketten durch
Eisen (sekundäre Eisenüberladung) auf: der bei den Pa- einen Valylrest ersetzt.
tienten zu beobachtende Abfall des Hepcidinspiegels führt
dazu, dass im Gastrointestinaltrakt vermehrt Eisen resor- ! Das Sichelzellgen schützt heterozygote Träger vor einer
biert wird. Dadurch kommt es zu einer Eisenakkumula- Malariainfektion.
tion mit konsekutiver Funktionsstörung von Herz, Leber
und endokrinen Organen. Bei der homozygoten Form der Sichelzellkrankheit (HbS/
HbS) kommt es im peripheren, d.h. sauerstoffarmen Blut
! Punktmutationen in Exonbereichen der Globingene zum Auftreten sichelförmiger Erythrozyten. Ursache ist
führen zu qualitativ veränderten Hämoglobinen. eine Polymerbildung des desoxygenierten HbS, die durch
die Substitution des hydrophilen Glutamats durch das hy-
Abweichungen der normalen Sequenz der Globinketten drophobe Valin in Position 6 an der Oberfläche der ß-Kette
werden bei etwa jedem 600sten Menschen beobachtet. In- zustande kommt (HbS = D2E26Glu o Val). Die Sichel-Ery-
wieweit der Austausch einer Aminosäure Einfluss auf die throzyten adhärieren in der postkapillären Venule der Mi-
Struktur und Funktion des Hämoglobins besitzt, hängt da- krozirkulation und führen dort zu einem (schmerzhaften)
von ab, welcher Art die Substitution ist (z.B. Austausch ei- Gefäßverschluss. Weiterhin werden die irreversibel geschä-
ner hydrophoben durch eine hydrophile Aminosäure), und digten Erythrozyten rasch abgebaut, sodass eine Anämie
ob die ausgetauschte Aminosäure an der Oberfläche oder entsteht.
im Inneren des Moleküls liegt. Hämoglobinanomalien wer- Der Selektionsvorteil heterozygoter Träger der HbS-An-
den autosomal-rezessiv vererbt. Bei heterozygoten Trägern, lage beruht darauf, dass Erythrozyten, die den Malariapara-
die zur Hälfte ein normales und ein pathologisches Hämo- siten enthalten, sehr viel leichter als nicht infizierte Zellen
globin besitzen, reicht die Menge des normalen Hämoglo- sicheln, da sie einen niedrigeren pH-Wert aufweisen. Mit
bins zur Sauerstoffversorgung der Gewebe aus, während bei dem Sicheln im sauerstoffarmen Blut ist die Aktivierung des
homozygoten Trägern schwere Anämien und in vielen Fäl- Kalium-Efflux-Kanals verbunden, der zum Verlust von Ka-
len der Tod eintreten. Die anomalen Hämoglobine werden liumionen und dadurch zum Tod des Parasiten führt.

In Kürze
Erythrozyten sind für den Transport von Sauerstoff und throzyt bezieht seine Energie aus der ausschließlichen Ver-
Kohlendioxid im Blut verantwortlich. Die Nieren messen stoffwechselung von Glucose. Diese Energie wird zur
den peripheren Sauerstoffgehalt über den Hypoxie indu- Aufrechterhaltung von Ionengradienten und zum Schutz
zierbaren Faktor (HIF) und regulieren die Erythrozytenpro- vor oxidativem Stress benötigt. Erythrozyten sind formflexi-
duktion im Knochenmark über Erythropoietin. Der Ery- bel und besitzen eine komplex aufgebaute Membran. Ver-
6
972 Kapitel 29 · Blut

schiedene angeborene Enzym- oder Membrandefekte hungen des Plasma-Glucosespiegels erhöhen die Glyco-
führen zum frühzeitigen Abbau (Hämolyse), der bei unzu- hämoglobinkonzentration im Erythrozyten.
reichender Kompensation durch eine Steigerung der Ery- Letale CO-Vergiftungen beruhen auf der extrem hohen
thopoiese eine Anämie hervorrufen kann. Affinität von Kohlenmonoxid zu Hämoglobin.
Bei der erworbenen paroxysmalen nächtlichen Hä- Die Thalassämien kommen durch quantitative Stö-
moglobinurie wird ein GPI-Ankerprotein nicht mehr ge- rungen der Globinkettenproduktion zustande.
bildet, sodass die Erythrozyten besonders empfindlich Punktmutationen in Exonbereichen der Hämoglobin-
gegenüber Komplementfaktoren werden. ketten führen zu Hämoglobinopathien: die häufigste ist die
Hämoglobin transportiert Sauerstoff, Kohlendioxid, Sichelzellanämie, die im heterozygoten Zustand vor Malaria
Protonen und möglicherweise auch Stickoxid. schützt und im homozygoten Zustand zu Gefäßverschlüs-
Bei der Geburt erfolgt eine Umschaltung vom fetalen sen und Anämie führt.
auf das Erwachsenen-Hämoglobin mit veränderten funk- Die unterschiedlichen Blutgruppenantigene A, B und 0
tionellen Eigenschaften. (auch als H bezeichnet) werden durch die individuell unter-
Die Sauerstoffanlagerungskurve wird durch Tempera- schiedliche Ausstattung mit Glycosyltransferasen ver-
tur, pH-Wert, CO2-Druck und 2,3-Bisphosphoglycerat be- ursacht. Die Rhesusantigene werden nicht durch Kohlen-
einflusst. hydrate, sondern durch Proteine codiert.
Hämoglobin stellt aufgrund seiner hohen Konzentra-
tion ein wichtiges Puffersystem dar. Längerfristige Erhö-

29.3 Leukozyten ! Neutrophile Granulozyten müssen an das Endothel


adhärieren, bevor sie die Zirkulation verlassen.
29 29.3.1 Funktion und Stoffwechsel Die Adhäsion und die sich daran anschließende Wande-
der Leukozyten rung durch das Endothel finden vor allem in den postka-
pillären Venolen statt. Dieser Prozess ist mit charakteris-
Je nach Gestalt, Funktion und Biosyntheseort unterscheidet tischen Änderungen der Granulozytenmorphologie ver-
man Granulozyten, Lymphozyten und Monozyten. Da nur bunden. Der schwimmende Granulozyt gerät zuerst in
1% der Lymphozyten in der Blutbahn kreist, ist der Lym- kurzen Kontakt mit der Gefäßwand, verlangsamt darauf-
phozyt streng genommen eine Gewebezelle und wird des- hin seine Bewegung und rollt sich am Endothel entlang.
halb im Kap. Immungewebe (7 Kap. 34) besprochen. Einige Zellen lösen sich wieder von der Gefäßwandober-
fläche, wohingegen andere zu einem Stillstand kommen
! Die Granula neutrophiler Granulozyten enthalten eine
und ihre Gestalt innerhalb von Sekunden ändern, indem
Vielzahl verschiedener Enzyme.
sie eine abgeflachte, adhärente Struktur annehmen. Inner-
Unter den Granulozyten (neutrophile, eosinophile und ba- halb der nächsten Minuten wandern die Zellen zwischen
sophile) kommt den Neutrophilen eine Schlüsselstellung den Endothelzellen hindurch in das Gewebe (. Abb. 29.18).
bei der Infektabwehr zu. Die neutrophilen Granulozyten Der entscheidende Faktor für die Rekrutierung dieser Gra-
– auch als polymorphkernige Leukozyten bezeichnet – pha- nulozyten sind Wechselwirkungen zwischen den Zellen
gozytieren stark, sind reich an in Granula (Name!) ver- und dem Endothelium. Für das Andocken an die Endo-
packten Hydrolasen [Proteasen wie Elastase (7 Kap. 6.2.7), theloberfläche sind lektinähnliche, Kohlenhydrat-bin-
Kollagenase oder Kathepsin G; Lysozym (Muraminidase, dende Proteine, die sog. Selectine (7 Kap. 6.2.6) verant-
7 Kap. 4.3)] und können mit diesen und anderen Enzymen wortlich.
Bakterien auflösen. Bei der Reifung im Knochenmark 4 L-Selectin findet sich auf den meisten Leukozyten
macht der Granulozyt mehrere Phasen durch, wobei ab der 4 wohingegen E-Selectin von Endothelzellen nach Akti-
zweiten Phase (also mit Ausnahme der Myeloblasten, die vierung durch Cytokine synthetisiert und exprimiert
noch keine Granula besitzen) das Enzym Myeloperoxidase wird
(7 u.) nachgewiesen werden kann. Während des Reifungs- 4 P-Selectin wird vom aktivierten Endothel und von
prozesses nimmt die Anzahl der Mitochondrien ab, wäh- Thrombozyten (Plättchen) exprimiert
rend Glycogenspeicherung und Glycolyserate zunehmen.
Der Energiegewinn durch Glycolyse bietet dem Granulo- Jedes dieser Selectine erkennt spezifische Kohlenhydratse-
zyten insofern einen Vorteil, als mit Hilfe dieses Stoffwech- quenzen auf Leukozyten (so z.B. E-Selectin das sLex-Mole-
selwegs Energie auch unter anaeroben Bedingungen wie kül) oder dem Endothel. Selectine sind für diese Ando-
im hypoxischen, entzündeten Gewebe gewonnen werden ckungsfunktion gut geeignet, da sie lang ausgestreckt sind,
kann. sodass Leukozyten, die den entsprechenden Rezeptor auf-
29.3 · Leukozyten
973 29

. Abb. 29.18. Prozesse, die zur Auswanderung von neutrophilen viert. Dies ist die Voraussetzung für die Wanderung der Granulozyten
Granulozyten aus dem Blutgefäßsystem bei Entzündungen füh- zwischen zwei Endothelzellen hindurch durch die Gefäßwand. Von
ren. Im ersten Schritt kommt es zu einer lockeren Anhaftung, die über Makrophagen freigesetzte Mediatoren wie Interleukine, chemotak-
ICAM-1 und E-Selectin auf Endothelzellen vermittelt wird. Im zweiten tische Substanzen des Komplementsystems oder Leukotriene fördern
Schritt wird diese Adhäsion durch zusätzliche Adhäsionsmoleküle, wie die gerichtete Wanderung der durchgetretenen Granulozyten in den
sLe auf Endothelzellen oder die L-Selectine auf Granulozyten, intensi- Entzündungsbereich

weisen, eingefangen werden können. Die vorübergehende nekrosefaktor D (7 Kap. 25.8.2) oder Interleukin-1 werden
Natur dieser Wechselwirkung ist wichtig, da Leukozyten interzelluläre Adhäsionsmoleküle (wie z.B. ICAM-1) auf
das Endothel auf spezifische Auslösefaktoren absuchen Endothelzellen verstärkt exprimiert, sodass noch mehr
können, welche zu einer Aktivierung der Leukozyten und Leukozyten aus dem Blutstrom rekrutiert werden kön-
damit zu einer Auswanderung in entzündete Gewebe füh- nen.
ren. Fehlen solche Faktoren, so führt die nur leichte Bin- Auf chemotaktische Reize ändern die Neutrophilen
dung an Selectine zu einer schnellen Lösung, sodass die nach Einwanderung in das Gewebe ihre Gestalt, richten
Leukozyten im Blut weiterschwimmen können. Die feste sich nach dem Gradienten aus und bewegen sich kontinu-
Anhaftung an das Endothel wird durch Adhäsionsmoleküle ierlich auf den Ausgangspunkt der chemoattraktiven Sub-
vermittelt, die als Integrine bezeichnet werden (7 Kap. stanz zu. Nach Kontakt mit dem Fremdkörper wird dieser
6.2.6, 24.5.3). Dazu gehören die E2-Integrine LFA-1 (Lym- von Cytosolausläufern (Pseudopodien) des Granulozyten
phozytenfunktion assoziiertes Antigen, CDLFA/CD 18), umgeben und in den Zell-Leib aufgenommen. Dadurch,
MAC-1 (Leukozyten-Adhäsionsrezeptor, CD 11 B/CD 18) dass die Pseudopodien an der distalen Seite des Mikroorga-
und das E1-Integrin VLA-4, die am CAM-Molekül (7 Kap. nismus fusionieren, entsteht eine von der Zellmembran
6.2.6) wie ICAM-1 oder 2 an Endothelzellen binden (. Abb. umschlossene Phagozytosevakuole (als Phagosom bezeich-
29.18). Diese Integrine auf zirkulierenden Leukozyten bin- net), in die das Bakterium eingekapselt ist. Dieses Phago-
den nur dann gut an Endothelien, wenn ihre Bindungsak- som löst sich von der Zellperipherie und wandert zellein-
tivität durch Aktivierung erhöht wird. Diese Aktivierung wärts. Die Aufnahme eines Fremdkörpers stellt einen ener-
erfolgt durch Signale, die vorwiegend von Endothelzellen gieabhängigen Vorgang dar, der mit einer Aktivitätserhöhung
freigesetzt werden und als chemotaktisch aktive Cytokine ATP-produzierender Prozesse einhergeht.
(Chemokine wie z.B. Interleukin-8) bezeichnet werden.
! Degranulierung und Erzeugung hochaktiver Sauer-
Nach Adhäsion an das Endothel wandern Leukozyten
stoffverbindungen ermöglichen die Vernichtung von
unter dem Einfluss von Chemokinen in das Gewebe. Dazu
Bakterien.
gehören auch Fragmente des Komplementsystems wie C5a
(7 Kap. 34.4) oder das Leukotrien B4. Unter dem Einfluss Die Aktivierung des Granulozyten bewirkt die Bildung von
lokal gebildeter Entzündungsfaktoren, wie z.B. Tumor- zwei intrazellulären Botenstoffen, des Inositol-1,4,5-tris-
974 Kapitel 29 · Blut

phosphats und des Diacylglycerins. Während Inositoltris- Aktivierung aus dem Cytosol rekrutiert werden. Im Einzel-
phosphat Calcium aus intrazellulären Speichern mobili- nen handelt es sich um
siert, aktiviert Diacylglycerin Protein C-Kinasen, die ihrer- 4 Einen trimeren Proteinkomplex aus den Proteinen p47,
seits Cytoskelett-Proteine wie Aktin, Aktin bindende p40 und p67. Diese werden nach Phosphorylierung
Proteine, Profilin, Acumentin oder Gelsolin phosphorylie- durch die Proteinkinase C an p22 gebunden und sind
ren. Das von Filamenten dieser Proteine gebildete Netz- eine Voraussetzung für die Aktivität der NADPH-Oxi-
werk bestimmt den physikalischen Zustand des Cytosols dase
und damit die Bewegung der Pseudopodien und die Pha- 4 Das kleine G-Protein Rac-2. Aktivierende Signale lösen
gozytose. den Austausch von GDP gegen GTP aus, was ebenfalls
Anschließend verschmelzen die Granula des Granulo- von der Bindung an p22 gefolgt ist und die Aktivierung
zyten mit dem Phagosom und verschwinden aus dem Cy- der Oxidase auslöst
tosol (Degranulierung). Dabei ergießen sich die Enzyme
der primären und sekundären Granula wie Das Superoxidanion wird durch die Superoxiddismutase
4 Lysozym zur Zerstörung der Bakterienwand (osmo- (7 Kap. 15.3) zu Wasserstoffperoxid reduziert oder kann mit
tischer Schock!) bereits gebildetem Wasserstoffperoxid unter Bildung hoch-
4 neutrale und saure Hydrolasen sowie aktiver Hydroxylradikale (OH) reagieren:
4 Lactoferrin, das Eisen cheliert und damit den Mikroor-
ganismen dieses für ihr Wachstum wichtige Metall ent-
zieht

in die Vakuole, ohne jedoch in das Cytosol der Zelle zu ge- Unter dem Einfluss des bereits erwähnten Enzyms Myelo-
langen. Gleichzeitig nimmt der nicht-mitochondriale Sauer- peroxidase werden Chloridionen (oder auch Jodid) durch
stoffverbrauch des Granulozyten innerhalb von Sekunden Wasserstoffperoxid unter Bildung von Hypochloritionen
auf das hundertfache (sog. respiratory burst) zu, da durch oxidiert:
29 eine in der Plasmamembran lokalisierte NADPH- Oxidase
Sauerstoff nach Reaktion

Diese Sauerstoffverbindungen verursachen die Peroxida-


tion von Membranlipiden (Radikalreaktionen, 7 Kap. 15.3)
zum Superoxidanion (O2–) reduziert wird. des Bakteriums. Wasserstoffperoxid wird auch durch eine
Die NADPH-Oxidase ist ein Proteinkomplex aus kata- D-Aminosäureoxidase (7 Kap. 13.3.4) erzeugt, die bei der
lytisch aktiven und regulatorischen Komponenten (. Abb. Vereinigung eines bakterienhaltigen Phagosoms mit einem
29.19). In der Membran trägt die Untereinheit p91 die kata- Peroxisom die Oxidation von D-Aminosäuren der Bakte-
lytische Aktivität. Sie ist ein Flavoprotein und verfügt au- rienwand katalysiert. Da H2O2 biologische Membranen
ßerdem über zwei Cytochrom b558 -Gruppen, die für den relativ gut permeieren kann und dadurch aus dem Phago-
Elektronentransport zum Sauerstoff verantwortlich sind. som ins Cytosol gelangt, muss der Granulozyt sich durch
Die regulatorische Untereinheit p22 ist ebenfalls membran- Katalase (in Peroxisomen, 7 Kap. 6.2.10) und Glutathion-
gebunden. Sie bindet eine Reihe von Faktoren, die bei der abhängige Enzymsysteme (7 Kap. 15.3) vor H2O2 schützen.

. Abb. 29.19. Aufbau des NADPH/H+-Oxidase-Systems in der die Phosphorylierung der p67 Untereinheit des p47/p40/p67-Kom-
Plasmamembran des Granulozyten. Der membrangebundene plexes und dessen Bindung an p22 aus. Außerdem führen sie zur
Komplex aus den Proteinen p91 und p22 wird durch Rekrutierung Aktivierung von Rac-2 und dessen Bindung an p22. Erst dann ist die
cytoplasmatischer Proteine aktiviert. Die aktivierenden Signale lösen Oxidase aktiv. (Weitere Einzelheiten 7 Text)
29.3 · Leukozyten
975 29

Das durch H2O2 oder Lipidperoxide oxidierte Glutathion (7 Kap. 34). Sie interagieren dabei v.a. mit T-Lymphozyten.
wird durch mit dem Pentosephosphatweg gekoppelte En- Durch die Existenz von membranständigen Fc-Rezeptoren
zyme regeneriert. (die den Fc-Anteil von IgG-Antikörpern binden, 7 Kap.
Sauerstoffradikale können auch mit D1-Antitrypsin rea- 34.3.4) und Rezeptoren für Komplementfaktoren werden
gieren und diesen Proteaseinhibitor durch Oxidation eines v.a. die Antigene von Makrophagen leicht aufgenommen,
entscheidenden Methionylrests inaktivieren. Während die- die opsoniert worden sind, d.h. mit Antikörper und Kom-
se Reaktion für die Bakterienabtötung keine Rolle spielt, plement beladen sind. Im Rahmen der Phagozytose wird
kann sie bei Gewebeschädigungen durch Entzündungen das Antigen internalisiert und durch proteolytische En-
mit Granulozytenaktivierung von Bedeutung sein. zyme zu Aminosäuren abgebaut. Ein kleiner Anteil des auf-
Das Schicksal des neutrophilen Granulozyten ist mit genommenen Antigens entgeht jedoch dem vollständigen
dem der abgetöteten Bakterien unlösbar verbunden: Die Abbau durch Proteasen, sodass Antigenfragmente zusam-
mit den Enzymen angefüllte Phagozytenvakuole kann nicht men mit MHC-II (HLH-)-Proteinen (7 Kap. 34.2.2) in die
mehr aus der Zelle entfernt werden; nach einigen Stunden Plasmamembran verlagert werden (Antigenpräsentation).
wird ihre Wand durchlässig, der Inhalt ergießt sich in die Dieser bimolekulare Komplex wird jetzt von T-Lympho-
Zelle und zerstört sie. Man bezeichnet das Phagosom des- zyten erkannt, die natives, frei zirkulierendes Antigen nicht
halb auch als »suicide bag«. In neutrophilen Granulozyten erkennen können. Die Erkennung führt zu einem direkten
übt das Cytoskelett-assoziierte Protein Pyrin (auch als Ma- Zell-Zell-Kontakt zwischen T-Lymphozyten und Makro-
renostrin bezeichnet) eine hemmende Wirkung auf die Sti- phagen, infolge dessen Interleukin-1, ein Polypeptid mit
mulationskaskade der Granulozyten aus, sodass nur starke einem Molekulargewicht von etwa 17 kD, vom Makropha-
proinflammatorische Stimuli eine Aktivierung bewirken gen sezerniert wird. Dieses Lymphokin bindet an Inter-
können. Gleichzeitig fördert Pyrin die Bildung antiin- leukin 1-Rezeptoren des T-Lymphozyten und stimuliert
flammatorischer Inhibitoren, z.B. des C5a-Inhibitors, wo- diesen zur Sekretion von Interleukin-2 (7 Kap. 25.5.2) und
durch die Entzündungsreaktion reguliert wird. Mutationen Immun- oder J-Interferon (7 Kap. 25.8.4), das weitere Ma-
im Pyringen beim familiären Mittelmeerfieber verursa- krophagen aktiviert. T-Lymphozyten erkennen somit – im
chen eine überschießende Aktivierung und Migration von Gegensatz zu B-Lymphozyten – antigene Determinanten
Neutrophilen, die sich klinisch durch Fieber, Bauch- und (Epitope, 7 Kap. 34.2.1) nicht an nativen Polypeptiden, son-
Rippenfell- sowie Gelenkentzündungen manifestiert. dern nur in denaturierten Proteinfragmenten.
Auch eosinophile und basophile Granulozyten besitzen
! Cytokine aktivieren die Akutphase-Antwort.
die Fähigkeit zur Phagozytose. Dadurch sind diese Zellen
ebenfalls an Abwehrreaktionen (z.B. Wurminfektionen) Verschiedene Cytokine wie Interleukin-6, Interleukin-1,
beteiligt. Tumornekrose-Faktor-D, Interferon-J, TGF-ß oder Inter-
leukin-8 werden während entzündlicher Vorgänge gebildet
! Makrophagen besitzen eine Funktion als Antigen prä-
und stellen die Haupt-Stimulatoren der sog. Akutphase-
sentierende Zellen.
Antwort dar. Diese Cytokine werden von einer Vielzahl
Aus den Monozyten, die ebenfalls im Knochenmark gebil- verschiedener Zellen gebildet (Hepatozyten, Endothelzel-
det werden, differenzieren sich die Gewebemakrophagen. len, Keratinozyten etc.), die wichtigsten sind aber die Ma-
Dabei nehmen sie unter Änderung ihrer Morphologie und krophagen und Monozyten in Entzündungsregionen.
ihres Stoffwechsels Eigenschaften an, die für das betreffen- Die Akutphase-Antwort stellt eine koordinierte Reak-
de Gewebe charakteristisch sind. So gewinnen die Makro- tion des Organismus auf Infektionen oder Gewebeverlet-
phagen in den Lungenalveolen ihre Energie vorwiegend zungen dar. Zu dieser Reaktion (. Abb. 29.20) gehören:
durch oxidative Phosphorylierung, während Makrophagen 4 Ein Anstieg der Biosynthese von etwa 30 Plasmaprote-
im Peritoneum sie aus der Glycolyse beziehen. Der Ersatz inen, den sog. Akutphase-Proteinen. Unter diesen stellt
von Gewebemakrophagen wird hauptsächlich durch den das C-reaktive Protein (CRP) das klinisch wichtigste
Zustrom von Blutmonozyten bestimmt, von einigen Aus- dar (7 Kap. 29.6.4)
nahmen – wie z.B. den Kupffer-Zellen – abgesehen, die sich 4 ein Anstieg der neutrophilen Granulozyten
in situ reduplizieren können. Monozyten enthalten wie die 4 ein Abfall der Eisen- und Zinkkonzentration im Plas-
neutrophilen Granulozyten cytosolische Granula, in denen ma, der eine vermehrte Freisetzung von Lactoferrin
sich Peroxidase und lysosomale Enzyme befinden. Nach (7 Kap. 29.3.1) aus neutrophilen Granulozyten mit an-
Aufnahme in die Gewebe und Differenzierung zum Makro- schließender Sequestrierung als Eisen-Lactoferrin-
phagen verschwinden die Peroxidase-haltigen Granula, wo- Komplex zugrunde liegt
hingegen die lysosomalen Enzyme weiterhin synthetisiert 4 eine Steigerung der Proteolyse im Muskel mit Freiset-
werden, dann aber in kleineren Vesikeln verpackt sind. zung von Aminosäuren sowie
Makrophagen nehmen durch ihre Fähigkeit zur Erken- 4 eine Temperaturverstellung im Wärmeregulationszen-
nung, Phagozytose, Prozessierung und Präsentation von trum des Hypothalamus (Fieber als physiologische
Antigenen eine Schlüsselfunktion im Immunsystem ein Antwort auf Infektionen)
976 Kapitel 29 · Blut

der Fälle wird die chronische Granulomatose X-chromoso-


mal, in den übrigen 40% autosomal-rezessiv vererbt. Die
Diagnose wird durch einen funktionellen Test gestellt, der
die respiratorische Aktivität misst: Normalerweise wird der
NBT-Test verwendet, dem die Reduktion des Farbstoffs
Nitroblautetrazolium (NBT) zu einem violetten, unlös-
lichen Präzipitat durch das unter der Einwirkung der akti-
vierten NADPH/H+-Oxidase gebildeten Wasserstoffper-
oxids zugrunde liegt. Da bei der chronischen Granulo-
matose keine NBT-Reduktion nachweisbar ist, muss die
NADPH/H+-Oxidaseaktivität gestört sein. Biochemisch
kann diese fehlende Aktivität durch ein defektes Enzym-
protein oder auch durch einen gestörten Aktivierungs-
mechanismus verursacht werden. Dies wird durch den
oben erwähnten unterschiedlichen Vererbungsmechanis-
mus unterstrichen. So sind Mutationen als Ursache der
septischen Granulomatose bei Patienten nicht nur im Gen
für die 91 kD- und 22 kD-Untereinheiten des Enzyms
. Abb. 29.20. Die Akutphase-Antwort. (Einzelheiten 7 Text) beschrieben worden, sondern auch in den Genen für
die 47 und 67 kD-Untereinheiten des Aktivatorproteins
(. Abb. 29.19).
Darüber hinaus stimuliert Interleukin-1 die ACTH- und
Cortisolsekretion (7 Kap. 27.3). In Kürze
Die Aktivierung durch J-Interferon führt u.a. zur Frei- Neutrophile Granulozyten müssen unter Vermittlung
29 setzung eines für Tumorzellen zytotoxischen Polypeptids von Selectinen an das Gefäßendothel adhärieren, be-
(Molekularmasse 17,3 kD) aus dem Makrophagen, das als vor sie das Gefäßsystem verlassen können. Die Granula
Tumornekrosefaktor-D (TNF-D, 7 Kap. 25.8.2) oder auch der Granulozyten enthalten Enzyme, mit denen sie Bak-
Kachektin bezeichnet wird. Das Polypeptid tötet in vitro terien vernichten können. Dazu ist auch die Erzeugung
Tumorzellen ab und verursacht bei Versuchstieren Nekro- reaktiver Sauerstoffverbindungen erforderlich, die un-
sen in transplantierten Tumoren. Es unterdrückt auch die ter dem Einfluss der Enzymsysteme NADPH/H+-Oxidase
Expression der Lipoproteinlipase (7 Kap. 12.1.3) und verhin- und Myeloperoxidase erfolgt. Makrophagen besitzen
dert dadurch die Aufnahme und Speicherung von Triacyl- eine Schlüsselfunktion im Immunsystem als Antigen
glycerinen durch das Fettgewebe. Bei Versuchstieren führt präsentierende Zellen.
rekombinanter TNF-D zu Appetit- und Gewichtsverlust,
daher auch das Synonym Kachektin für dieses Molekül.

29.4 Thrombozyten
29.3.2 Pathobiochemie
! Thrombozyten sind für die Blutstillung zuständig.
! Bei der septischen Granulomatose können die NADPH/
H+-Oxidase oder deren Aktivierung gestört sein. Thrombozyten (Plättchen) entstehen durch Abschnürung
aus dem Cytosol von Megakaryozyten des Knochenmarks.
Von den zahlreichen bekannten Störungen der Funktion Dabei verformen sich diese Zellen und bilden Ausläufer,
polymorphkerniger Leukozyten ist die chronische granu- die sich zunehmend verlängern und den Megakaryozyten
lomatose Erkrankung (septische Granulomatose) am be- ein tintenfischartiges Aussehen verleihen. Aus diesen Aus-
sten untersucht. Klinisch stellt sie die wichtigste der ver- läufern werden die Blutplättchen abgeschnürt. Das peri-
schiedenen Defekte des oxidativen Stoffwechsels des Gra- phere Blut enthält 150.000–450.000 Thrombozyten pro
nulozyten dar. Die Krankheit ist durch das Fehlen eines Mikroliter. Die Regulation der Thrombozytenbildung
vermehrten Sauerstoffverbrauchs bei der oben diskutierten unterliegt vor allem dem in Leber und Nieren gebildeten
Reaktion auf Phagozytosestimuli gekennzeichnet. Die Leu- Thrombopoietin, das an den c-MPL-Rezeptor der Mega-
kozyten phagozytieren zwar die Mikroorganismen, können karyozyten bindet. Thrombozyten besitzen die im Cytosol
sie aber nicht abtöten. Die Patienten leiden deshalb an im- lokalisierten Enzyme der Glycolyse und des Pentosephos-
mer wieder auftretenden Infektionen mit Pilzen und Bak- phatwegs sowie Mitochondrien, die sie zur Ausführung
terien. Als Folge der chronischen Entzündung treten die für der enzymatischen Schritte des Citratzyklus und der Elek-
die Krankheit charakteristischen Granulome auf. In 60% tronentransportphosphorylierung befähigen. Da sie noch
29.4 · Thrombozyten
977 29

. Tabelle 29.7. In Thrombocytengranula gespeicherte Moleküle


Dichte Granula Nucleotide Adenin: ATP, ADP
(proaggregierende Faktoren) Guanin, GTP, GDP
Amine Serotonin, Histamin
divalente Kationen Calcium, Magnesium
α-Granula Proteoglykane E-Thromboglobulin,
(adhäsive u. heilende Faktoren) Plättchenfaktor 4,
histidinreiches Glycoprotein
adhäsive Glycoproteine Fibronektin, Vitronektin,
von-Willebrand-Faktor,
Thrombospondin
Gerinnungsfaktoren Fibrinogen, Faktor V, VII, XI, XII,
Protein S, Plasminogen
Wachstumsfaktoren PDGF, TGF-E, EGF, VEGF
Protease-Inhibitoren D2-Antitrypsin,
D2-Makroglobulin
Lysosomen saure Proteasen Cathepsine, Carboxypeptidasen,
(abbauende Faktoren) Collagenase

Glycohydrolasen Heparinase, E-Glucoronidase etc.

(mitochondriale) DNA und stabile RNA besitzen, können und Thromboxan-Synthetase Thromboxan gebildet. Bei
Blutplättchen in geringem Maß Proteine, wie z.B. den Fi- der Thrombozytenaggregation wird Thromboxan freige-
brin-stabilisierenden Faktor (Faktor XIII, 7 Kap. 29.6.4), setzt und bindet an den Thromboxan-Rezeptor der Plätt-
synthetisieren. Die Glycolyse wird teilweise durch Gluco- chenmembran, was über eine autokrine Stimulation zu
seaufnahme aus der Umgebung, zum überwiegenden Teil einer Verstärkung der Plättchenaktivierung führt. Das DTS
aber durch eigene Glycogenvorräte gespeist. Die aus dem speichert auch Calcium und cycloAMP, die für die Plätt-
Glucose- und auch Fettsäureabbau gewonnene Energie chenaktivierung ebenfalls von entscheidender Bedeutung
dient sind (7 Kap. 29.5.2).
4 der Erhaltung der Thrombozytenstruktur (Lebensdauer Ruhende Thrombozyten transportieren diese Substan-
8–11 Tage) zen ständig durch das Gefäßsystem (. Abb. 29.21). Als Re-
4 den plasmatischen Vorgängen der Blutstillung, der aktion auf verschiedene Stimuli (siehe unten) werden sie
Hauptfunktion der Blutplättchen (Aktivierung des aktiviert, ändern durch Rearrangement des Cytoskeletts
Plättchens) und ihre Morphologie (. Abb. 29.21), setzen die Materialien
4 der Speicherung verschiedener Substanzen, zu denen aus den Granula frei und aggregieren untereinander (»Sy-
biogene Amine (Serotonin), Prostaglandine, Plasma- napsenbildung«). Diese Freisetzungsreaktion, die große
proteine, Polypeptid-Wachstumsfaktoren und lysoso- Ähnlichkeit mit der Exozytose in Neuronen aufweist
male Enzyme gehören (7 Kap. 31.2.2), stellt einen wichtigen Schritt bei der im Fol-
genden beschriebenen Blutstillung dar (7 Kap. 29.5).
In den Thrombozyten werden diese Substanzen in den Die Membran des Thrombozyten enthält eine Reihe
dichten Granula, D-Granula oder Lysosomen gespeichert von Glycoproteinen (GPI bis IX in absteigendem Moleku-
(. Abb. 29.21). Jede der Granulapopulationen speichert be- largewicht), die Rezeptoren bilden: Glycoprotein Ib-V-IX
stimmte Moleküle (. Tabelle 29.7): Die dichten Granula ist ein konstitutiv aktiver Rezeptor für den von Willebrand-
enthalten kleine Nichtprotein-Moleküle, die bei der Plätt- Faktor, Glycoprotein Ia-IIa ein konstitutiv aktiver Kolla-
chenaggregation der Rekrutierung weiterer Plättchen die- gen-Rezeptor und Glycoprotein IIb-IIIa ist ein Rezeptor,
nen, die D-Granula enthalten große Proteine mit adhäsiver der erst nach Aktivierung des Thrombozyten durch Kon-
oder mitogener Aktivität. Lysosomen besitzen wie in ande- formationsänderung Fibrinogen erkennt.
ren Zellen Hydrolasen. Neben den Granula enthalten Aus Thrombozyten können Mikropartikel (auch als
Thrombozyten ein Cytoskelett (Aktinfilamente und Mikro- »Plättchenstaub« bezeichnet) abgeschnürt werden, die
tubuli) sowie komplexe Membransysteme: das sog. offene Wechselwirkungen von Leukozyten untereinander und
kanikuläre System schafft die Verbindung zwischen Cyto- von Leukozyten und Gefäßendothelien vermitteln können.
sol und dem umgebenden Medium und das dichte Tubu-
lussystem (DTS) enthält eine Reihe wichtiger Enzyme. So ! Die partielle Hemmung der Thrombozytenfunktion
wird hier unter dem Einfluss der Enzyme Cyclooxygenase stellt ein wichtiges therapeutisches Prinzip dar.
978 Kapitel 29 · Blut

. Abb. 29.21. Elektronenmikroskopische Aufnahmen ruhender nenoptische Aufnahme (× 21000). Rechts: Darstellung eines akti-
und aktivierender Thrombozyten. Oben: Rasterelektronenoptische vierten Plättchens mit einem Mikrotubulusring um die zentral ange-
Aufnahmen normaler zirkulierender Plättchen in Scheibenform ordneten Granula und Ausbildung von Pseudopodien (× 30000).
(links × 20000) und aktivierter Thrombozyten, die viele lange Pseudo- 1 kanikuläres System; 2 Mikrotubuli; 3 a-Granulum; 4 dichtes Granu-
podien ausgebildet haben (rechts × 20000). Unten links: Schematische lum; 5 Glycogen; 6 Mitochondrium. (Aufnahmen von JG White, Uni-
Darstellung der subzellulären Strukturen; Mitte dazugehörige elektro- versity of Minnesota)

29
Zur Prophylaxe von Thrombosen (z.B. Herz- oder Hirn- Infobox
infarkt), d.h. Thrombozytenaggregaten innerhalb der nicht Automatisierte Bestimmung korpuskulärer
eröffneten Strombahn, finden Acetylsalicylsäure (das die Elemente des Blutes.
Thromboxansynthese durch irreversible Hemmung der Mit modernen Hämatologie-Analyzern können heute
Cyclooxygenase blockiert) sowie Hemmstoffe der throm- innerhalb von 5 Minuten komplette Blutzellzählungen
bozytären ADP-Rezeptoren und Glycoprotein IIb-IIIA- durchgeführt werden: diese umfassen die Erythro-
Blocker Anwendung (7 Kap.29.5.2). zytenzahl (red blood cell count: RBC), die Leukozyten-
zahl (white blood cell count: WBC), die Thrombozyten-
In Kürze zahl (PlateLeT count: PLT), den Hämatokrit (HCT), das
Thrombozyten, die durch cytosolische Abspaltung aus mittlere Zellvolumen des Erythrozyten (MCV), den
Megakaryozyten entstehen, besitzen eine überragende mittleren zellulären Hämoglobingehalt (MCHC) und die
Bedeutung für die normale Hämostase und für die Ent- differenzierte Leukozytenzählung (Lymphozyten, Mo-
stehung von Thrombosen. Die Bildung von Thrombo- nozyten und Granulozyten). Daneben werden auch das
zyten wird durch Thrombopoietin reguliert, das an den mittlere Plättchenvolumen (MPV), die Größenvertei-
c-MPL-Rezeptor von Megakaryozyten bindet. Bei Ge- lung der Erythrozyten (red cell distribution width: RDW)
fäßverletzungen vermitteln thrombozytäre Glycoprote- und die mittlere zelluläre Hämoglobinkonzentration
in-Rezeptoren die Bindung an das subendotheliale Ge- (MCHC) ermittelt. Bei einzelnen Geräten ist auch die
webe, was zu einer Aktivierung mit nachfolgender Ag- Bestimmung des C-reaktiven Proteins (CRP) integriert.
gregation der Thrombozyten führt. Damit ist in der Praxis eine einfache und rasche Diagno-
Medikamente, die die Thrombozytenfunktion hem- se von Blutbildveränderungen und deren möglichen
men, sind deshalb wichtig für die Therapie cardio- und Ursachen sowie von akuten Entzündungen und deren
cerebrovaskulärer Erkrankungen. Verlauf unter Therapie möglich.
29.5 · Blutstillung
979 29
29.5 Blutstillung Blutgerinnung und Fibrinolyse sind enzymatisch regu-
lierte Vorgänge, die ständig nebeneinander im strömenden
Mit dem Mechanismus der Blutstillung (Hämostase) besitzt Blut ablaufen (latente Gerinnung und Fibrinolyse). Nor-
der Organismus ein Werkzeug, mit dem er sich bei Gewe- malerweise stehen beide Vorgänge miteinander im Gleich-
beverletzungen, bei denen auch kleine oberflächliche Ge- gewicht.
fäße eröffnet werden, wirksam gegen den Verlust des le- Bei einer Störung dieses Gleichgewichts kann es einer-
benswichtigen Organs Blut schützen kann. seits zur Blutungsneigung, die durch mangelnde Gerinnung
Der komplexe Vorgang der Blutstillung ist ein Zusam- oder/und gesteigerte Fibrinolyse gekennzeichnet ist, und
menspiel von andererseits zur Thromboseneigung, die durch eine gestei-
4 vaskulären (dem verletzten Blutgefäß) gerte Gerinnung oder/und verminderte Fibrinolyse her-
4 zellulären (insbesondere den Thrombozyten) und vorgerufen wird, kommen.
4 plasmatischen (auf die Blutstillung spezialisierten Plas-
maproteinen) Vorgängen
29.5.1 Vaskuläre Blutstillung
Die plasmatischen Vorgänge werden auch als endgültige
Blutstillung oder Blutgerinnung (Prokoagulation) bezeich- Als Folge einer Verletzung kommt es zu einer reflekto-
net. An die Blutstillung schließt sich die langsame Auflö- rischen Gefäßkontraktion. Die Gefäßkontraktion durch die
sung des Gerinnsels durch das fibrinolytische System (An- Reizung glatter Muskulaturen dauert etwa 60 Sekunden. Sie
tikoagulation) an, die Voraussetzung für die Rekanalisie- wird durch die Freisetzung vasokonstriktorischer Substan-
rung von Gefäßen und Heilung des geschädigten Gewebes zen (Serotonin, Katecholamine) aus Thrombozyten und
ist. Daneben besitzt die Fibrinolyse die Aufgabe, das Blut in der verletzten Gefäßwand unterstützt. Die Folge davon ist
flüssigem Zustand zu erhalten, um Störungen der Hämo- eine Verlangsamung des Blutstroms, die die zelluläre und
dynamik zu verhindern. plasmatische Blutstillung begünstigt.

. Abb. 29.22. Adhäsion von Thrombozyten an die subendo- Rezeptors und des Fibrinogenrezeptors auf der Thrombozyten-
theliale Matrix unter Vermittlung des von-Willebrand-Faktor- membran
980 Kapitel 29 · Blut

29.5.2 Zelluläre Blutstillung


(Thrombozytenadhäsion)

Normalerweise bleiben Thrombozyten weder am Gefäßen-


dothel hängen noch verkleben sie untereinander. Gerät der
Thrombozyt jedoch mit geschädigten venösen Gefäßen in
Kontakt, deren Endothel zerrissen ist, so kann eine Wech-
selwirkung mit den darunter liegenden Matrixproteinen
wie Kollagen, Fibronektin oder Laminin eintreten. Für
jedes dieser Matrixproteine besitzt der Thrombozyt spe-
zifische Membranrezeptoren, die den Integrinen (7 Kap.
24.5.3) ähnlich sind. So besteht der Lamininrezeptor aus
einer D6-Untereinheit, die mit dem Glycoprotein IIa (GPIIa)
assoziiert ist. Der Fibronektinrezeptor besteht aus einem
Dimer aus den Thrombozytenglycoproteinen GPIc und
GPIIa. Für die Wechselwirkung mit Kollagen Typ III sind
verschiedene Membranproteinrezeptoren verantwortlich
(GPIa/IIa, GPVI und möglicherweise GPIV und GPIIb).
Unter den Bedingungen hoher Scherkräfte, wie sie in
Arteriolen und in der Mikrozirkulation vorherrschen, rei-
chen die genannten Wechselwirkungen für diesen als Plätt-
chenadhäsion bezeichneten Vorgang nicht aus. In diesem
Bereich sind Wechselwirkungen zwischen dem von-Wil-
lebrand-Faktor (vWF) und seinem Thrombozytenrezep-
29 tor, dem Glycoprotein Ib/V/IX, erforderlich. Der von-Wil-
lebrand-Faktor ist ein multimeres Glycoprotein, das im
Plasma im Komplex mit Faktor VIII (7 Kap. 29.5.5) zirku-
liert. Der vWF wird von Endothelzellen synthetisiert, die
ihn in der subendothelialen Matrix deponieren und in das
Plasma sezernieren, wie auch von Megakaryozyten (den . Abb. 29.23. Aktivierung des Thrombozyten durch Bindung
Vorläufern der Thrombozyten), die es in D-Granula spei- des von-Willebrand-Faktor-VIII-Komplexes. Nach Aktivierung bildet
chern. Für die optimale Plättchenadhäsion sind sowohl der der Thrombozyt Pseudopodien aus und verändert die Struktur des
GP-IIb/IIIa-Rezeptors, sodass unter Vermittlung von Fibrinogen Brücken
subendotheliale als auch der lösliche vWF erforderlich. Der
zwischen den einzelnen Thrombozyten gebildet werden können
von-Willebrand-Faktor interagiert mit Kollagen und mit
heparinähnlichen Glycosaminoglykanen im Subendotheli-
um und schafft über den Glycoprotein Ib/V/IX-Komplex
(. Abb. 29.22) die Brücke zwischen Thrombozyt und Ge- (. Abb. 29.23) bindet und damit benachbarte Thrombo-
fäßsubendothel. Im Zuge der Anheftung an die Proteine der zyten miteinander verknüpft. Dieser Rezeptor kann Fibri-
subendothelialen Matrix werden die genannten Membran- nogen erst nach Aktivierung durch die erwähnten intrazel-
rezeptoren aktiviert, was über intrazelluläre Botenstoffe zu lulären Botenstoffe erkennen; die Erkennung erfolgt über
einer Reihe von Folgereaktionen der Plättchen führt, die eine Region in der J-Kette und über die sog. RGD-Domä-
nach einer beträchtlichen Formveränderung unter Ausbil- ne, d.h. eine Sequenz von Arginin, Glycin und Glutamat,
dung von Pseudopodien ihren Abschluss in einer über die in der D-Kette des Fibrinogens (und in vielen anderen
mehrere Stufen verlaufenden Aggregation findet (. Abb. Proteinen der extrazellulären Matrix) vorkommen. Im
29.21). Zunächst kommt es zur Ausschüttung von ADP aus Rahmen der Thrombozytenaggregation kann auch die
den dichten Granula, das nach Bindung an den thrombozy- plasmatische Gerinnung beschleunigt werden. Diese Be-
tären ADP-P2Y1-Rezeptor eine vorerst noch reversible Ag- schleunigung kommt dadurch zustande, dass der Blutge-
gregation der Thrombozyten bewirkt. Sie geht dann in ei- rinnungsfaktor V an die Thrombozytenmembran bindet
nen irreversiblen Zustand über, wenn weiteres ADP an den und dadurch aktiviert wird. Der aus Thrombozyten gebil-
zweiten ADP-Rezeptor-Typ (P2Y12) bindet, wobei das vaso- dete Pfropf oder Thrombus kann das Gefäß jedoch nur
konstriktorische Thromboxan A2 (TXA2, 7 Kap. 12.4.2) dann dauerhaft verschließen, wenn ihm durch die anschlie-
und Serotonin sowie Adrenalin freigesetzt werden, die wei- ßenden plasmatischen Vorgänge (Einbau von Fibrin in den
tere Plättchen zur Aggregation veranlassen. Die Aggrega- Thrombus) eine ausreichende Festigkeit verliehen wird.
tion wird durch das Gerinnungsprotein Fibrinogen geför- Das Endothel besitzt eine Reihe von Abwehrmechanis-
dert, welches an den Fibrinogen (GP IIb/GPIIIa)-Rezeptor men, die der Prävention und der Rückbildung unerwünsch-
29.5 · Blutstillung
981 29

ter Aggregationen dienen. So setzen die Endothelzellen


Prostacyclin (PGI2) und den endothelzellproduzierten, re-
laxierenden Faktor (EDRF oder Stickstoffmonoxid) frei, die
die Thrombozytenadhäsion, -aktivierung und -aggregation
hemmen.

29.5.3 Plasmatische Vorgänge


(Blutgerinnung)
. Abb. 29.24. Klassisches Schema der Blutgerinnung

! Die klassische Theorie zum Ablauf der Blutgerinnung


wurde von Paul Morawitz entwickelt. beider Systeme (. Abb. 29.25). Gewebsverletzungen bil-
den die Grundlage der Aktivierung des Faktor X durch
An diesem Konzept sind vier Gerinnungsfaktoren beteiligt, das extravaskuläre System. Die Verletzung des Gewebes
von denen drei, nämlich Calciumionen (Faktor IV) und verursacht dabei die Freisetzung von Gewebethrombo-
die beiden in Leberparenchymzellen gebildeten Plasma- plastin (tissue factor, TF). Dieses stellt ein Membran-
proteine Fibrinogen (Faktor I) und Prothrombin (Faktor protein dar, das konstitutiv auf nichtvaskulären Zellen
II), ständig im Blut zirkulieren. Diese Faktoren können eine exprimiert wird. Der extrazelluläre Anteil des Moleküls
Gerinnung jedoch nur dann in Gang setzen, wenn bei Ge- ist der Faktor VII-Rezeptor, der mit dem Faktor VII,
webeverletzung der als Gewebethromboplastin (tissue fac- Phospholipiden und Calcium einen Komplex bildet, der
tor, TF) bezeichnete Faktor III ins Blut übertritt. Dieser den Faktor X zu Xa aktiviert (. Abb. 29.25). Daneben
Faktor führt in Gegenwart von Calciumionen das Proen- wird auch der Faktor IX zu IXa aktiviert. Im Gegensatz
zym Prothrombin in Thrombin über, eine hochaktive Pro- zum extravaskulären System, das in Sekundenschnelle
tease, die in kurzer Zeit große Mengen Fibrinogen in Fibrin zur Aktivierung von Thrombin führt, läuft das endogene
umwandelt (. Abb. 29.24). Die Bindung von Calciumionen (= intravaskuläre) System erst nach einigen Minuten an.
an Prothrombin erfolgt dabei an N-terminal gelegene J- Die Aktivierung geschieht nach Art eines Wasserfalls
Carboxyglutamylseitenketten (7 Kap. 23.2.4). Der von Paul (Kaskadensystem): zur Einleitung der Reaktion ist die
Morawitz beschriebene Weg der Thrombinaktivierung Aktivierung von Faktor XII (des Hageman-Faktors) zu
wird heute als extravaskuläres (exogenes) System der Blut- XIIa notwendig, die an Proteinen der extrazellulären (sub-
gerinnung bezeichnet, weil ein extravaskulärer, d.h. nicht endothelialen) Matrix oder auch Phospholipiden, die
im Blut vorhandener Faktor die Gerinnung in Gang setzt. während der Plättchenaktivierung von der Innenschicht
Zusätzlich besteht noch eine weitere Möglichkeit der Akti- der Plasmamembran in die Außenschicht transloziert
vierung über das intravaskuläre (endogene) System, auf werden, erfolgt, der seinerseits den Faktor XI in die aktive
dessen Existenz die Beobachtung hinweist, dass Blut auch Form XIa überführt. Faktor XIa wiederum aktiviert den
beim Kontakt mit Glasoberflächen gerinnt. Es müssen also Faktor IX, der an eine Zellmembranoberfläche bindet, bis
auch im Blut vorhandene Faktoren die Thrombinbildung in er den dort ebenfalls gebundenen, bereits durch Throm-
Gang setzen können. bin aktivierten Faktor VIIIa (. Abb. 29.25) trifft und mit
Obwohl das klassische Konzept nach wie vor seine Gül- diesem einen, als Tenase bezeichneten Komplex bildet
tigkeit besitzt, ist das gegenwärtige Bild vom Gerinnungs- (. Abb. 29.25). Dieser Komplex verbleibt an der Mem-
vorgang wesentlich differenzierter geworden, da erkannt bran, bis er auf den Faktor X trifft, den er zum Faktor Xa
worden ist, dass eine Reihe weiterer, meist mit römischen (wie beim extravaskulären System) aktiviert.
Ziffern benannter Faktoren beteiligt ist. Dabei handelt es
! Durch Aktivierung von Prothrombin entsteht Throm-
sich vorwiegend um Proteinasen, die ihre Substrate durch
bin, dessen Substrat Fibrinogen ist.
limitierte Proteolyse aktivieren.
Fibrinogen ist ein längliches Protein (Molekulargewicht
! Die Faktor X und V stellen die gemeinsame Endstrecke
340 kD), das sich aus zwei identischen Untereinheiten mit
des intra- und extravaskulären Systems dar.
je drei Polypeptidketten (D, E und J) aus je 400–700 Ami-
Entscheidend für die Thrombinbildung ist die Überfüh- nosäuren (. Abb. 29.26) zusammensetzt. Die Gene für die
rung des Faktors X in eine aktive Form (Xa), die mit D, E- und J-Ketten des Fibrinogens liegen in einem 50 kb-
dem Faktor V, Calcium und Phospholipiden einen Kom- Segment auf dem langen Arm von Chromosom 4. Die
plex mit enzymatischer Aktivität bildet, der – als Pro- DNA-Sequenz weist erhebliche Homologien auf, sodass
thrombinase bezeichnet – die Umwandlung von Pro- man davon ausgehen kann, dass die Gene durch Duplika-
thrombin in Thrombin katalysiert. Da der Faktor X durch tion und anschließende Diversifikation eines gemeinsamen
das intra- und extravaskuläre System aktiviert wird, Vorläufergens entstanden sind. Von je zwei der Peptidket-
bilden die Faktoren X und V die gemeinsame Endstrecke ten (D, E) werden durch Thrombin kleine Bruchstücke (Fi-
982 Kapitel 29 · Blut

29

. Abb. 29.25. Aktivierung der plasmatischen Gerinnung über branen von entscheidender Bedeutung, da nur so eine Beschränkung
das extravaskuläre und intravaskuläre System. Für beide Systeme der Gerinnung auf den Ort der Gewebeverletzung möglich ist.
ist die Aktivierung einzelner Faktoren an der Oberfläche von Zellmem- GT = Gewebethromboplastin oder tissue faktor

. Abb. 29.26. Modell des Fibrinogendimers, das aus zwei Sätzen E- und J-Ketten hydrophob und relativ kompakt aufgebaut, wohin-
von drei (α, β und γ) Ketten besteht. Die Ketten sind untereinander gegen die a-Kette hydrophil ist und frei in der wassrigen Umgebung
über 29 Disulfidbrücken (-S-S-) verbunden, davon 13 in jeder Dimer- flottiert. An jedem Monomer befinden sich zwei Kohlenhydratseiten-
hälfte und 3, die die beiden Hälften miteinander verbinden. Jeder ketten (Sechsecke). An den Bereichen, an denen die Freisetzung der
Disulfidring enthält drei Disulfidbrücken (D>E, E>J, a>J). Zwischen Fibrinopeptide zu a- bzw. b-»Knöpfen« führt, sind die Aminosäuren
den Disulfidringen liegen Tripel-a-Helices. An den Enden sind die angegeben
29.5 · Blutstillung
983 29

. Abb. 29.27a–e. Schematische Darstellung der Polymerisation Löchern in den terminalen Domänen in Wechselwirkung treten.
von Fibrinogen zu Fibrin. a Fibrinogen wird durch Abspaltung der c Dadurch kommt es zu einer Seit-zu-Seit-Anlagerung der Monomere.
Fibrinopeptide A und B (an den N-Termini) in ein Fibrinmonomer d,e Diese Anordnung wird zu einem langen Polymer verlängert, das
überführt. b Die jetzt exponierten Enden dienen als »Knöpfe«, die mit durch die Ausbildung covalenter Quervernetzung stabilisiert wird

brinopeptide A und B) abgespalten, deren Molekularge- Harnstoff), wieder aufgelöst werden [lösliches (solubles)
wicht insgesamt rund 2% des Fibrinogens beträgt. Dadurch Fibrin].
werden im Fibrinogenmolekül Bezirke freigelegt, die eine Erst durch die Wirkung des Faktors XIII, der durch
Zusammenlagerung der entstandenen Fibrinmonomeren Thrombin zu XIIIa aktiviert wird und Fibrinmonomere
zu Polymeren erlauben (. Abb. 29.27). Da die einzelnen durch Ausbildung von Peptidbindungen zwischen den H-
Bestandteile des frisch gebildeten Fibringerinnsels nur über Aminogruppen von Lysylresten und Carboxylgruppen von
nichtcovalente Bindungen (hydrophobe Wechselwir- Glutaminylresten (im Bereich antiparallel zueinander ange-
kungen und Wasserstoffbrücken) verbunden sind, ist es ordneter J-Ketten) covalent verknüpft, wird dem Fibrinpo-
mechanisch noch recht unstabil und kann durch Verbin- lymer die notwendige Festigkeit [jetzt unlöslich (insoluble)]
dungen, die diese Bindungen schwächen (in vitro durch verliehen (. Abb. 29.28). Das Gerinnsel zieht sich zusam-
984 Kapitel 29 · Blut

. Abb. 29.28. Knüpfung einer covalenten Bindung zwischen Lysyl- und Glutaminylresten verschiedener Fibrinmonomere durch den
aktiven Faktor VIIIa

men und presst dabei eine Flüssigkeit ab, die im Gegensatz enzyme ihre Funktion im Gefäßsystem ausüben, ist eine
zum Plasma kein Fibrinogen mehr besitzt (da dies ja ver- präzise Regulation erforderlich, um diese potenten, proko-
braucht worden ist) und als Serum bezeichnet wird. Durch agulatorischen Aktivitäten in der Region der Gewebeverlet-
die Retraktion, bei der das Thrombosthenin noch intakter zung zu halten.
Thrombozyten eine wesentliche Rolle spielt, nähern sich Prothrombin und die Faktoren VII, IX und X weisen
die Wundränder stark an, was entscheidend zum Wundver- große Ähnlichkeiten auf (. Abb. 29.29). Sie enthalten J-Car-
schluss beiträgt. boxyglutamat- oder Gla-Domänen, EGF-ähnliche Domä-
Mit Hilfe der Intravitalmikroskopie kann die Throm- nen und die drei Disulfidbrücken enthaltenden Kringle-Do-
busbildung heute am Tiermodel visualisiert werden (Video- mänen, die für die Bildung von Proteinkomplexen von Be-
clips siehe unter www.lehrbuch-medizin.de) deutung sind. Die Cofaktoren V und VIII sind mit den
Proenzymen nicht strukturverwandt, zeigen aber unterei-
! Die Blutgerinnungsfaktoren haben sich offenbar aus nander eine erhebliche Homologie. Tissue factor unterschei-
29 einem gemeinsamen Vorläufergen entwickelt. det sich von allen anderen Faktoren dadurch, dass es ein
integrales Membranprotein mit einer cytosolischen, einer
Die Enzyme, die an der Blutgerinnung beteiligt sind, sind transmembranären und einer extrazellulären Domäne (Fak-
enge Verwandte der Verdauungsproteasen Trypsin und tor VII-Rezeptor) darstellt. Die regulatorischen Proteine
Chymotrypsin (7 Kap. 4.5.3, 32.1.3). Da die Blutgerinnungs- (7 u.), Protein C und Protein S, weisen ebenfalls strukturelle

. Abb. 29.29. Struktureller Aufbau


der Proenzyme und Profaktoren der
plasmatischen Gerinnung und
Proteinen, die das System durch
eine Hemmung regulieren. Die
große Ähnlichkeit zwischen den
Proteinen legt einen gemeinsamen
Ursprung nahe
29.5 · Blutstillung
985 29

. Tabelle 29.8. Blutgerinnungsfaktoren (die Existenz eines Faktors VI wird heute nicht mehr angenommen)
Faktor Bezeichnungen Biologische Biosynthese Angeborene Koagulopathien
Halbwertszeit Vitamin K-ab- (mit Angabe der Häufigkeit)
(Stunden bzw. Tage) hängig
I Fibrinogen ca. 5 Tage – Afibrinogenämie, Hypofibrinogenämie,
A-, Hypo- bzw. Dysfibrinogenämie (1:1 Mio)
II Prothrombin 2–3 Tage + Hypoprothrombinämie (1:2 Mio)
III Gewebethromboplastin
IV Calcium
V Accelerin, Acceleratorglobulin, ca. 1 Tag – Hypoaccelerinämie (Parahämophilie)
labiler Faktor (1:1 Mio)
VII Proconvertin, stabiler Faktor 5h + Hypoproconvertinämie (1: 500 000)
VIII Antihämophiler Faktor A 15 h – Hämophilie A (1: 10 000)
IX Antihämophiler Faktor B, 20 h + Hämophilie B (1: 60 000)
Christmas-Faktor
X Stuart-Power-Faktor 2 Tage + Stuart-Power-Faktor-Mangel (1:1 Mio)
XI Plasma thromboplastin 2 Tage – PTA-Mangel (1:1 Mio)
antecedent (PTA)
XII Hageman-Faktor 2 Tage – Hageman-Faktor-Mangel
XIII Fibrin-stabilisierender ca. 5 Tage – FSF-Mangel (1:1 Mio)
Faktor (FSF), Loki-Lorand-Faktor

Ähnlichkeiten mit den Proenzym-Gerinnungsfaktoren auf.


Fast alle Gerinnungsfaktoren werden im Hepatozyten der
Leber gebildet, ihre Halbwertszeit ist relativ kurz, sie liegt
zwischen Stunden und wenigen Tagen (. Tabelle 29.8).
! Antithrombotische Mechanismen sorgen dafür, dass
die lokale Gerinnung sich nicht generalisiert.

Neben den prokoagulatorischen Blutgerinnungsfaktoren


enthält das Blut Inhibitoren, die die Fibrinbildung verzögern
und damit eine Schutzfunktion zur Aufrechterhaltung der
Zirkulation und zur Vermeidung der Generalisierung der
Gerinnung ausüben (. Abb. 29.30). Zu diesen gehören
4 Antithrombin III, das die aktivierten Faktoren XIIa,
XIa, IXa, Xa und Thrombin durch Bildung eines sta-
bilen Enzym-Inhibitor-Komplexes hemmt
4 Protein C und S, die die Faktoren Va und IVa inakti-
vieren
4 Plasminogenaktivator, der die Fibrinolyse durch Akti-
vierung von Plasminogen zu Plasmin fördert, und
4 der Gewebethromboplastin-Inhibitor (tissue factor path-
way inhibitor, TFPI)

Auch Endothelzellen sind an der Antikoagulation beteiligt:


zum einen durch gebundene, heparinähnliche Glycosami-
noglykane (7 Kap. 2.1.4), die die Inaktivierung von Koagu-
lationsproteasen durch Antithrombin III beschleunigen,
. Abb. 29.30. Hemmung der Blutgerinnung. Wichtige Faktoren
zum anderen durch die Biosynthese von Prostaglandin I2
sind der Gewebethromboplastininhibitor (GTI, auch als TFPI = tissue
(7 Kap. 12.4.2) und durch die Sekretion von Plasminogen- factor pathway inhibitor bezeichnet), das ProteinC/Protein S-System,
aktivator und Thrombomodulin, ein Thrombin bindendes Antithrombin III und der Plasminogenaktivator. PC = Protein C;
Protein, das die Spezifität von Thrombin ändert, indem es PS = Protein S; PT = Prothrombin; Th = Thrombin; Pl = Plasmin
986 Kapitel 29 · Blut

. Abb. 29.31. Indirekte Hemmung von Thrombin


durch Heparin. 1 schwache Bindung von Antithrombin
an Thrombin; 2, 3 Bindung von Heparin an Lysylseiten-
ketten von Antithrombin mit konsekutiver irreversibler
Konformationsänderung von Antithrombin und damit
hoher Affinität zu Thrombin

dieses in einen wirksamen Protein C-Aktivator umwan- tung zu besitzen. Eine wesentlich schnellere Aktivierung
delt. erfolgt unter Vermittlung von Thrombomodulin, einem
Die medikamentöse Behandlung mit gerinnungshem- Rezeptorprotein an der Endothelzelloberfläche (. Abb.
menden Mitteln (sog. Antikoagulantien) ist dann angezeigt, 29.32). Durch die Bindung von Thrombin (das ja eigentlich
wenn der Bildung von Thromben, d.h. Blutgerinnseln in- Teil der Prokoagulation ist) an Thrombomodulin wird Pro-
nerhalb der nicht-eröffneten Gefäßbahn vorgebeugt wer- tein C in die aktive Form überführt. Das aktivierte Protein
den soll (z.B. nach Operationen oder Herzinfarkten). Dazu C kann mit Thrombozyten oder Endothelzelloberflächen
haben sich Heparine und Vitamin K-Antagonisten be- in Wechselwirkung treten, optimal ist diese Interaktion je-
währt. doch nur in Gegenwart von Protein S (nach der Stadt Seattle,
in der es entdeckt worden war).
! Heparine hemmen Thrombin indirekt über eine Bin-
Protein S wird ebenfalls Vitamin K-abhängig in der Le-
dung an Antithrombin III.
ber synthetisiert. Im Blut zirkuliert es entweder in freier
29 Heparine werden in den basophilen Granula von Mastzel- Form (. Abb. 29.32), als Komplex mit dem C4b-Bindungs-
len im perikapillären Gewebe, in Lungen oder Leber protein (einem Inhibitor des Komplementsystems, 7 Kap.
(Name) und von Granulozyten des Bluts gebildet. Es han- 34.4) oder als Komplex mit einem Protein S-Bindungspro-
delt sich um ein Gemisch aus Molekülen mit unterschied- tein. Der Komplex aus aktiviertem Protein C und Protein S
licher Kettenlänge (Molekularmassen von 5–30 kDa, 7 Kap. inaktiviert die aktivierten Faktoren Va und VIIIa und wirkt
2.1.4). Heparine, die nur parenteral verabreicht werden dadurch antikoagulierend. Gleichzeitig inaktiviert das En-
können, wirken über eine Bindung an Antithrombin III, zym einen Inhibitor des Gewebe-Plasminogenaktivators,
die zu dessen Aktivierung führt (. Abb. 29.31). Die Wir- sodass es indirekt auch als Stimulator der Fibrinolyse
kung hängt vom Sulfatierungsgrad ab. Ein wesentlicher (7 Kap. 34.4) wirkt.
Vorteil des Heparins ist das schlagartige Einsetzen seiner
! Vitamin K-Antagonisten wirken über eine Hemmung
Wirkung, die durch Verabreichung von organischen Prote-
der J-Carboxylierung von Blutgerinnungsfaktoren.
inkationen (wie Protamin), die Heparin binden, ebenso
schnell wieder aufgehoben werden kann. Der Abbau von Die in der Praxis häufig verwendeten Derivate von 4-Hy-
Heparin erfolgt durch Heparinasen in der Leber. droxycumarin und Indan-1,3-dion (. Abb. 29.33) wirken
indirekt über eine kompetitive Verdrängung von Vitamin K
! Protein C und Protein S inaktivieren die Faktoren Va und bei der posttranslationalen Modifikation der Faktoren II,
VIIIa. VII, IX und X sowie von Protein C und Protein S in der
Leber. Vitamin K ist Cofaktor einer Carboxylase, die Gluta-
Die Protease Protein C [so genannt, weil es bei den ersten mylreste in den genannten Proteinen posttranslational in
Untersuchungen auf einer Ionenaustauschersäule (7 Kap. J-Stellung carboxyliert (7 Kap. 23.2.4); dabei entstehen J-
2.3.4) als 3. Peak (nach A und B) eluierte] stellt ein Poly- Carboxylglutamylreste, deren benachbarte Carboxylgrup-
peptid aus zwei Ketten mit Molekularmassen von 41 kDa pen leicht Calcium binden können. Man nimmt an, dass
und 21 kDa dar. Sie wird als inaktives Proenzym in der Le- alle Glutamylseitenketten in den Vitamin K-abhängig syn-
ber synthetisiert. Dabei werden – ähnlich wie bei den Blut- thetisierten Faktoren carboxyliert werden. Vitamin K-An-
gerinnungsfaktoren – 10 Glutamylreste Vitamin K-abhän- tagonisten verhindern die Carboxylierung durch Verdrän-
gig carboxyliert. Bei einer Behandlung mit Vitamin K-An- gung des Vitamins K an der Carboxylase, sodass Faktoren
tagonisten (7 u.) sinkt deshalb auch die Aktivität dieses entstehen, deren Glutamylreste nicht mehr verändert sind
Proenzyms ab. Für seine enzymatische Wirkung muss Pro- und die demnach nicht mehr Calcium und Phospholipide
tein C aktiviert werden (aktiviertes Protein C, APC). Das binden können. Sie verlieren dadurch ihre Aktivierbarkeit.
Proenzym wird zwar durch Thrombin aktiviert, der Vor- Daraus wird verständlich, dass Vitamin K-Antagonisten
gang läuft aber zu langsam ab, um physiologische Bedeu- nicht in vitro wirken und dass eine Wirkung erst nach einer
29.5 · Blutstillung
987 29

. Abb. 29.32. Schematische Darstellung der Proteine und Zello- C4BP = C4-Bindungsprotein; PSBP Protein = PS-Bindungsprotein;
berflächen, die am Protein-C-Stoffwechsel beteiligt sind. SR = endothelialer Protein S-Rezeptor, APC = aktiviertes Protein C
TM = Thrombomodulin; Th = Thrombin; PC = Protein C; PS = Protein S;

ausreichenden Senkung (in der Regel nach 2–3 Tagen) des den Thromben lysiert, die sich im intakten Gefäßsystem
Blutspiegels der Faktoren II, VII, IX und X eintritt. Eine gebildet haben. Auch in diesem System wird eine Endopep-
Überdosierung mit diesen Medikamenten wird durch Gabe tidase, das Plasmin, aus der inaktiven Vorstufe Plasmino-
von Vitamin K behandelt. gen durch limitierte Proteolyse gebildet. Die Aktivierung
erfolgt über sog. Plasminogenaktivatoren. Es wird zwi-
! Heparin, EDTA oder Citrat hemmen die Blutgerinnung
schen körpereigenen wie Urokinase und Gewebeplasmino-
in vitro.
genaktivator [auch t-(für tissue)PA] und externen wie
Soll bei Blutuntersuchungen die Gerinnung verhindert Streptokinase (aus Streptokokken) unterschieden. t-PA ist
werden, so kann durch Punktion gewonnenes Blut in hepa- ein Glykoprotein mit einem Molekulargewicht von 70 kD
rinisierten Röhrchen gesammelt werden. Andere Möglich- (527 Aminosäuren) und einem Kohlenhydratanteil von
keiten sind entweder der Zusatz von EDTA, das mit dem für rund 10%. Es kommt in den meisten Geweben vor, wenn
die Gerinnung notwendigen Calcium einen Komplex bildet auch in unterschiedlichen Konzentrationen. In Blutgefäßen
oder von Citrat, das mit Calcium ebenfalls einen Komplex ist es an Endothelzellen gebunden und kann durch Throm-
bildet. Citrat wird auch zur Bereitung von Transfusionsblut bin freigesetzt werden. In der Blutbahn komplexiert t-PA
verwendet. als (Serin-)Protease schnell mit Proteaseinhibitoren und
wird dadurch inaktiviert. t-PA wird schnell in der Leber
abgebaut, sodass die Halbwertszeit nur 3 min beträgt. Auf-
29.5.4 Fibrinolyse grund seiner hohen Affinität zu Fibrin wird t-PA selektiv
dort, wo Fibrin abgelagert ist oder wo sich Thromben ge-
! Die Fibrinolyse ist ein wichtiger Gegenspieler der Blut- bildet haben, aus dem Endothelspeicher freigesetzt. Im
gerinnung. Gegensatz zu allen anderen bekannten Serinproteasen
(7 Kap. 9.3) entfaltet t-PA bereits in der Proform proteoly-
Mit Hilfe des fibrinolytischen Systems, das eine auffallende tische Aktivität. Unter dem Einfluss von Plasmin wird das
Ähnlichkeit mit dem Blutgerinnungssystem aufweist, wer- einkettige Polypeptid an der Peptidbindung Arg275-Ile276
gespalten, sodass ein Molekül mit einer schweren und einer
leichteren Kette entsteht, die über Disulfidbrücken verbun-
den sind. Damit geht eine deutliche Erhöhung der Enzym-
aktivität einher. In Anwesenheit von Fibrin binden t-PA
und Plasminogen an den Thrombus, sodass ein Komplex
entsteht, der die Plasminogenaktivierung und damit die
Fibrinauflösung bewirkt (lokale Lyse).
. Abb. 29.33. Struktur von 4-Hydroxycumarin (links) und Indan-
1,3-dion (rechts). Derivate dieser Verbindungen verdrängen Vitamin Beim Abbau von Fibrin entstehen Fibrinspaltprodukte,
K kompetitiv bei der Biosynthese der Faktoren II, VII, IX sowie Protein C die auch als D-Dimere bezeichnet werden. Eine Erhöhung
und Protein S in der Leber der D-Dimere zeigt eine reaktive Fibrinolyse bei vermehr-
988 Kapitel 29 · Blut

ter Fibrinbildung an und dient deshalb als empfindlicher Synthese- oder Strukturänderungen des von-Wille-
Indikator einer Gerinnselbildung (Thrombose). brand-Faktors bedingen ebenfalls eine Thrombozyten-
Plasmin baut nicht nur Fibrin ab, sondern greift auch funktionsstörung. Da der von-Willebrand-Faktor für die
Fibrinogen und die Faktoren V und VIII an. Die beim Fi- Plättchenadhäsion von großer Bedeutung ist, fallen Pa-
brinogenabbau entstehenden Produkte (Fibrinogenspalt- tienten mit einem Mangel an diesem Faktor durch ver-
produkte) hemmen die Thrombinbildung und die Polyme- mehrte Blutergüsse, Nasenbluten oder Monatsblutungen
risation von Fibrinmonomeren. Damit wird die gesteigerte bzw. starke Blutungen nach Verletzungen oder operativen
Fibrinolyse durch die gleichzeitige Hemmung der Gerin- Eingriffen auf.
nung unterstützt.
! Die Hämophilien (A und B) werden durch Fehlen der
Streptokinase, ein Protein ohne enzymatische Eigen-
Faktoren VIII bzw. IX verursacht.
schaften, wirkt nicht direkt auf Plasminogen, sondern bil-
det mit diesem erst einen durch hydrophobe Wechselwir- Angeborene Mangelzustände sind für alle Faktoren be-
kungen bedingten Komplex, der dann weitere Plasmino- schrieben worden (. Tabelle 29.8). Die bekannteste und
genmoleküle in Plasmin umwandelt. Ein Nachteil der häufigste Krankheit ist die Hämophilie A, die durch den
Streptokinase, die bei der Auflösung intravasaler Gerinnsel Mangel des Faktors VIII zustande kommt. Dadurch ist die
Anwendung findet, ist, dass bei Patienten, die eine Strepto- Aktivierung von Faktor X durch das intravaskuläre System
kokkeninfektion durchgemacht haben, Antikörper gegen gestört, sodass die Aktivierung von Prothrombin verlangs-
Streptokinase auftreten können, die die therapeutisch zuge- amt oder ganz verhindert wird. Die Krankheit ist durch eine
führte Streptokinase inaktivieren. erhöhte Blutungsneigung charakterisiert, wobei v.a. Blu-
Während Streptokinase und Urokinase (ein aus mensch- tungen nach geringfügigen Verletzungen unstillbar sind.
lichem Urin gewonnener Aktivator, der Plasminogen ohne Eine Therapie erfolgt mit aus Plasma isoliertem oder gen-
vorherigen Kontakt mit Fibrin aktiviert) schon seit Jahrzehn- technologisch hergestellten Faktor VIII-Konzentrationen,
ten zur Thrombolysetherapie eingesetzt werden, wird re- die wegen der kurzen Halbwertszeit (6–20 h) häufig verab-
kombinantes t-PA erst seit einigen Jahren bei arteriellen Ver- reicht werden müssen.
29 schlüssen (Herzinfarkt) und Lungenembolien angewendet. Das Gen für Faktor VIII macht etwa 0,1% des gesamten
X-Chromosoms aus. Es enthält 186.000 Basenpaare mit 26
! Die Fibrinolyse kann durch Medikamente gehemmt
Exons, zwischen denen die Introns liegen, die etwa 95% des
werden.
gesamten Gens ausmachen (. Abb. 29.34). Die Exons co-
Die Bildung zu hoher Mengen freien Plasmins im Blut wird dieren in ihrer Gesamtheit für das Protein mit 2351 Amino-
durch Protein mit Antiplasminaktivität wie D2-Makroglo- säuren und einer Molekularmasse von 400 kDa (ohne die
bulin, Antithrombin III und D1-Antitrypsin (. Tabelle 29.9) Kohlenhydratseitenketten). Da die Krankheit klinisch sehr
verhindert. Eine pathologisch gesteigerte Fibrinolyse (z.B. heterogen ist, ist zu erwarten, dass – auch bedingt durch die
bei Leukämien, Operationen an Fibrinolyseaktivator-rei- Größe des Gens – viele verschiedene Mutationen als Ursa-
chen Organen wie Uterus, Prostata oder Lungen sowie che in Frage kommen: tatsächlich sind bisher 943 (!) ver-
beim Einbruch von Fruchtwasser in die Blutbahn) kann schiedene Missense-Mutationen und Deletionen (des ge-
medikamentös durch Antifibrinolytica wie die Aminosäure samten Gens oder auch einer einzigen Base) beschrieben
H-Aminocapronsäure, p-Aminomethylbenzoesäure oder worden. Auf der anderen Seite zeigt die Analyse großer Pa-
Aprotinin unterbrochen werden, die außer Plasmin auch tientenkollektive, dass bestimmte Punktmutationen, so z.B.
Trypsin, Chymotrypsin und die in erster Linie für die CG o TG-Transition mit Bildung eines Nonsensecodons
Kininfreisetzung verantwortlichen Kallikreine hemmen. in den Exons 18 und 22 gehäuft auftreten (mutational hot-
spots, 7 u.). Außerdem müssen bei dieser Erkrankung zur
Aufrechterhaltung ihrer Häufigkeit in der Population de
29.5.5 Pathobiochemie novo-Mutationen auftreten (7 Kap. 7.3). Die Hämophilie A
tritt mit einer Häufigkeit von 1:10.000 beim männlichen
Keimbahnmutationen in den Genen (auf Chromosom 17 Geschlecht auf und ist damit die häufigste, schwere Blut-
q21 o 23) für den Komplex GP IIb/IIIa (den Fibrinogen- gerinnungsstörung des Menschen. Sie manifestiert sich
rezeptor) führen zu einer seltenen, autosomal rezessiven klinisch nur bei Männern, heterozygote Frauen bleiben
Blutungserkrankung, die durch eine verlängerte Blutungs- aufgrund ihres zweiten intakten X-Chromosoms ohne
zeit, normale Thrombozytenwerte und das vollständige Symptome. Die Hämophilie A zeigt kein einheitliches
Fehlen der Plättchenaggregation charakterisiert ist und als Krankheitsbild. Dieses reicht von schwersten, sich bereits
Thrombasthenie Glanzmann bezeichnet wird. Bei den bei der Geburt oder im Säuglingsalter manifestierenden
Plättchen ist die Gerinnselretraktion herabgesetzt oder (Restaktivität <2%) Blutungsneigungen über mittlere (Rest-
vollständig fehlend, da die Thrombozyten offenbar die aktivität 2–5%) bis hin zu subklinischen Verlaufsformen
Kraft der cytoskelettalen Kontraktion nicht auf das Fi- (Restaktivität 6–30%), die oft erst im Erwachsenenalter
brinnetzwerk übertragen können. erkannt werden.
29.5 · Blutstillung
989 29

. Abb. 29.34. Aufbau des humanen Faktor VIII. Oben: Struktur des proteolytischen Aktivierung durch Thrombin werden 3 Peptidbin-
menschlichen Faktor-VIII-Gens. Das aus 186000 Basenpaaren mit 26 dungen gespalten (Positionen 372, 740 und 1689): die entstehenden
Exons besteht. Mitte: Das Faktor VIII-Protein besitzt 6 Domänen. Durch Fragmente werden durch nichtcovalente Bindungen zusammenge-
intrazelluäre limitierte Proteolyse zwischen den B- und A3-Domänen halten. Unten: Mutationen, die zur Hämophilie führen: zwei der ge-
entsteht ein Protein, dessen schwere und leichte Ketten durch nicht- zeigten Mutationen führen dazu, dass das Protein durch Thrombin
covalente Wechselwirkungen zusammengehalten werden. Bei der nicht aktiviert werden kann

Etwa ein Drittel aller entdeckten Punktmutationen fin- der Aminosäure Arginin (CGA) durch Glutamin (CAA). Zu-
den sich im CG-Basendinucleotid. Dieses Nucleotid ist ein sätzlich zu gerinnungsphysiologischen Untersuchungen wer-
Hotspot für C/T- und G/A-Mutationen (7 Kap. 7.3). Das in den heute Hämophilien durch molekularbiologische Analy-
dieser Kombination vorliegende Cytosin ist häufig methy- sen (z.B. Restriktions-Analyse PCR-amplifizierter DNA)
liert, sodass nur ein Desaminierungsschritt nötig ist, um das untersucht. Diese methodischen Ansätze werden auch zur
Cytosin durch Thymin zu ersetzen. Auf dem codierenden pränatalen Diagnostik der Hämophilien verwendet.
Strang bewirkt die Mutation den Austausch eines Arginin- Die Mutationen haben z.T. auch erlaubt, Struktur-
Codons (CGA) durch ein Stopcodon (TGA); auf dem nicht- Funktions-Beziehungen des Faktor VIII-Gens besser zu
codierenden Strang führt dieselbe Mutation zum Austausch verstehen. So führen z.B. Mutationen der Aminosäuren 372
990 Kapitel 29 · Blut

bzw. 1689 zur Beeinträchtigung von Regionen, in denen translationale Prozessierung zum Enzym nicht stattfinden
die Aktivierung durch Thrombin stattfindet. Eine Muta- kann. Dadurch entsteht ein am N-terminalen Ende um 18
tion in Position 1709 hat Einfluss auf die Bindung des Aminosäuren verlängertes Polypeptid, das nicht als Sub-
von-Willebrand-Faktors, eine andere Mutation in Position strat für die Vitamin K-abhängige Carboxylierung dienen
1680 führt zum Verlust eines Tyrosylrests, dessen Sulfatie- kann, sodass J-Glutamylreste nicht carboxyliert werden.
rung ebenfalls an der Wechselwirkung mit dem von-Wil- Ein geringer Prozentsatz der Patienten (1%) bildet Antikör-
lebrand-Faktor beteiligt ist. Die Mutation von Arginin zu per gegen therapeutisch substituierten Faktor IX, was
Glutamin in Position 2209 hat eine unterschiedliche Aus- wahrscheinlich durch Deletionen des Gens bedingt ist (so-
prägung zur Folge (von einer milden bis schweren Blu- dass das Protein als körperfremd angesehen wird).
tungsneigung), was dafür spricht, dass die Schwere der Eine interessante Variante der Hämophilie B, die eine Stö-
Erkrankung möglicherweise durch eine zweite Mutation rung der Regulation der Genexpression anzeigt, ist der
oder durch Mutationen in anderen Proteinen, die mit der Leyden-Phänotyp. Normalerweise wird die Faktor IX-Gen-
Faktor VIII-Funktion vergesellschaftet sind, bestimmt expression im dritten Trimester angeschaltet. Bei Patienten
wird. mit der Leyden-Variante erfolgt dies jedoch erst zu Beginn
Das Fehlen bzw. der funktionelle Mangel des Faktors der Pubertät. Dies bedeutet, dass sich die Faktor IX-Spiegel
IX verursacht die als Hämophilie B bezeichnete Bluter- bei Kindern mit einer milden bis schweren Hämophilie nach
krankheit. Das Gen für diesen Faktor liegt ebenfalls auf dem der Kindheit normalisieren. Alle bisher untersuchten Fami-
X-Chromosom (Xq27) und besteht aus acht Exons mit ei- lien mit dieser Konstellation weisen unterschiedliche Punkt-
ner Gesamtlänge von 40 kb. Die Expression des Gens in der mutationen in einer kleinen Gruppe, der sog. Leyden-spezi-
Leber führt zur Bildung eines Prä-Profaktors IX, aus dem fischen Region, im 5´-nichttranslatierten Anteil des Faktor
– nach Abspaltung eines Signalpeptids und einer Vorse- IX-Gens auf. Diese Region ist offenbar für die altersabhän-
quenz von 18Aminosäuren – das reife Protein mit 415 Ami- gige Regulation der Transkription dieses Gens von Bedeu-
nosäuren entsteht. Während der Biosynthese finden Glyco- tung.
sylierungen und J-Carboxylierungen statt. Auch hier exis-
29 tiert eine erhebliche molekulare Heterogenität, die seit der
! Mangel an Hemmstoffen der Blutgerinnung begünstigt
die Entstehung von Thrombosen.
Klonierung des Gens genau analysiert werden kann. Zur
Aktivierung des Faktors wird ein Peptid durch Spaltungen Die Entstehung von Thrombosen, d.h. die Bildung von
der Peptidbindungen Arg145-Ala146 und Arg180-Val181 Blutgerinnseln innerhalb der nicht-eröffneten Strombahn,
entfernt. Bei der Mutation, bei der der Arginylrest in Posi- wird durch den partiellen Mangel an Hemmstoffen der
tion 145 durch einen Histidylrest ersetzt wird, ist die Kon- Blutgerinnung begünstigt. Dazu gehören vererbbare Prote-
zentration des Profaktors im Plasma zwar normal, seine in C-, Protein S- oder Antithrombin III-Mangelzustände.
Aktivierung jedoch gestört. Dies führt nur zu einer milden Deshalb ist bei einer familiären Häufung von Thrombosen
Hämophilie, wohingegen die Mutation des Arginylrests 180 immer nach derartigen Mangelzuständen zu suchen. Die
ein schweres Krankheitsbild bedingt. Dies spricht für eine häufigste Ursache für thrombotische Geschehen ist aller-
unterschiedliche Bedeutung der beiden zu spaltenden Pep- dings die sog. APC-Resistenz, d.h. das aktivierte Protein C
tidbindungen für die Aktivierung von Faktor IX. Bei einer kann sein Substrat, den Faktor V, nicht spalten, da durch
anderen Mutation führt die Substitution eines Arginyl- eine Mutation im Faktor V-Gen die Spaltstelle verändert
durch einen Serylrest im Proenzym dazu, dass die post- wird.

In Kürze
Die Hämostase kommt durch das koordinierte Zusammen- entsprechende Rezeptoren zu einer Autostimulation des
spiel vaskulärer, thrombozytärer und plasmatischer Vor- Thrombozyten führen.
gänge zustande. Prothrombinase und Tenase sind die wichtigsten Be-
Bei der zellulären Blutstillung adhärieren Thrombo- standteile der plasmatischen Gerinnungskaskade. Dabei
zyten an die Matrix von Endothelzellen. Der Kontakt führt entsteht aus Prothrombin Thrombin, welches Fibrinogen in
zur Aktivierung der Plättchen mit konsekutiver Änderung Fibrin überführt.
der Morphologie, Aggregatbildung und Verschluss des Antithrombotische (oder fibrinolytische) Faktoren sor-
verletzten Gefäßes. gen dafür, dass die Hämostase lokal begrenzt bleibt.
Rezeptoren auf der Thrombozytenoberfläche für Lami- Die plasmatische Gerinnung kann therapeutisch durch
nin, Fibrinogen oder Fibronektin spielen eine Schlüsselrol- die Gabe von Vitamin K-Antagonisten gehemmt werden, die
le bei diesen Vorgängen. die J-Carboxylierung von Gerinnungsfaktoren blockieren.
An der Aktivierung des Thrombozyten sind die plätt- Die häufigsten genetischen Defekte der Blutgerin-
cheneigenen Thromboxane und ADP beteiligt, die über nungsfaktoren sind die Hämophilie A und B. Über 600 ver-
6
29.6 · Plasmaproteine
991 29

schiedene Mutationen können die klinisch unterschied- Thrombosen können durch Heparine, Acetylsalicylsäure
lichen Formen der Hämophilie A verursachen. Da die Fak- oder Antagonisten bestimmter Thrombozytenrezeptoren
toren VIII und IX in rekombinanter Form verfügbar sind, behandelt oder vorgebeugt werden.
können sie zur Substitutionstherapie verwendet werden. Die Bestimmung der Fibrin D-Dimere erlaubt eine Diag-
Genetische Störungen antithrombotischer Proteine nose von Thrombosen.
wie Protein S, Protein C, Antithrombin III oder die APC-Re-
sistenz können zur Entstehung von Thrombosen führen.

29.6 Plasmaproteine spielsweise Wasserverluste infolge von Diarrhöen eine Ein-


dickung des Bluts (Hämokonzentration) und damit eine
29.6.1 Konzentration, Biosynthese scheinbare Erhöhung der Proteinkonzentration verursa-
und Abbau von Plasmaproteinen chen. Deshalb sollte zur Unterscheidung von Störungen des
Proteinstoffwechsels und Wasserhaushalts gleichzeitig der
! Im gesamten menschlichen Blutvolumen zirkulieren
Hämatokrit ermittelt werden.
zwischen 180 und 240 g Proteine.
Die Bestimmung der Gesamtproteinkonzentration be-
Die Proteine des Plasmas stellen ein heterogenes Gemisch sitzt nur eine beschränkte Aussagekraft, da sie keine Infor-
von wahrscheinlich über 100000 Proteinen (Proteom), mation über die qualitative und quantitative Änderung
meist Glycoproteinen dar, die zum überwiegenden Teil einzelner Proteinfaktoren liefern kann. Deshalb ist man
in der Leber und im Lymphgewebe synthetisiert werden. bestrebt, zusätzlich die große Zahl der Plasmaproteine in
Viele von ihnen konnten aufgereinigt werden (. Tab. 29.9). einzelne Fraktionen aufzutrennen, deren quantitative Ver-
Der Gesamtproteingehalt des Plasmas (oder auch Serums) änderungen wertvolle diagnostische Hinweise geben kön-
liegt zwischen 60 und 80 g/l (6 und 8 g Protein/100 ml). Bei nen.
einem Gesamtblutvolumen von 5 Litern beträgt das Plas- Von den zahlreichen in der Praxis angewendeten blut-
mavolumen bei einem Hämatokrit (7 Kap. 29.2.1) von 40% chemischen Untersuchungsmethoden nimmt die Trennung
3 Liter, die darin enthaltene Proteinmenge zwischen 180 der Plasmaproteine in Einzelfraktionen eine wichtige Stel-
und 240 g. Darüber hinaus befinden sich Albumine auch lung ein.
im extravasalen Raum (15 l) in einer Konzentration von
etwa 10 g/l (1 g/100 ml); sie stehen mit den intravasalen
Plasmaproteinen im Gleichgewicht. Unter Einbeziehung 29.6.2 Trennung von Plasmaproteinen
der extravasalen Proteinmenge mit etwa 150 g ergibt sich in Einzelfraktionen
eine Gesamtmenge des extrazellulären Proteins von rund
400 g, das sind 4% des Gesamtbestandes des Organismus Zur analytischen Auftrennung der Plasmaproteine stehen
von etwa 10 kg. Zwischen Biosynthese und Abbau der Plas- die Trägerelektrophorese und die Immunelektrophorese
maproteine, der u.a. durch Ausscheidung in den Gastroin- zur Verfügung, bei der die Trägerelektrophorese mit einer
testinaltrakt und Verstoffwechselung in den peripheren Immunpräzipitation kombiniert wird.
Organen erfolgt, besteht ein dynamisches Gleichgewicht.
! Bei der Elektrophorese werden Folien aus acetylierter
Störungen dieses Gleichgewichts z.B. durch verringerte
Cellulose als Träger verwendet.
Biosynthese bei vermindertem Aminosäureangebot bei
Nahrungskarenz oder infolge von Leberparenchym-Schä- Bei der Untersuchung trägt man die Serumprobe nahe der
digungen, durch vermehrte Ausscheidung in den Gastro- Kathode auf dem Trägerstreifen auf, der dann in die Elek-
intestinaltrakt (exsudative Gastroenteropathie) und bei trophoresekammer eingelegt wird. Durch Anlegung einer
Nierenschädigungen (Proteinurie, 7 Kap. 28.2.3) führen definierten Gleichspannung beginnen die Proteine nach
zum Absinken des Plasmaproteinspiegels (Hypoproteinä- Ladung und Teilchengröße (je größer das Proteinmolekül,
mie). Andererseits kann eine vermehrte Biosynthese, z.B. desto mehr Widerstand muss bei der Wanderung im wäss-
aufgrund der klonalen Expansion von J-Globulin produ- rigen Medium überwunden werden) unterschiedlich
zierenden Plasmazellen (7 Kap. 29.6.5) zu einer Erhöhung schnell in Richtung Anode zu wandern. Nach Beendigung
der Konzentration im Blut führen (Hyperproteinämie). des Laufs entnimmt man den Trägerstreifen aus der Kam-
Da bei den Proteinbestimmungen nur die Konzentra- mer und legt ihn in ein Färbebad, in dem die Proteine ge-
tion, d.h. die Menge der Proteine pro Volumeneinheit, färbt und durch Denaturierung an die Folie fixiert werden.
ermittelt wird, täuschen auch Vermehrungen oder Ver- Anschließend erfolgt die photometrische Messung der ent-
minderungen des extrazellulären Wassers entsprechende standenen Farbbänder. Im gleichen Arbeitsgang wird durch
Änderungen des Plasmaproteingehalts vor. So können bei- Integration der Flächen unter den einzelnen Gipfeln der
992 Kapitel 29 · Blut

. Tabelle 29.9. Proteine des menschlichen Blutplasmas (Auswahl)


Proteine Molekular- Proteinanteil Normalbereich Funktion Pathobiochemie
gewicht (kD) [%] im Serum des
Erwachsenen [g/l]
Albumine 61 99 0,1–0,4 Thyroxinbindung p bei schweren Leberleiden
Präalbumin 69 100 35–55 Transportfunktion, kolloid- p bei Leberzirrhose,
Albumin osmotischer Druck Nephrose

α1-Globuline 44 62 0,55–1,40 Unklar n bei entzündlichen Prozes-


Saures α1-Glykoprotein sen, die mit Gewebezerfall
(Orosomucoid) einhergehen (Akutphase-Re-
aktion)

α1-Antitrypsin 54 86 2–4 Proteaseinhibitor n bei entzündlichen Prozes-


(α1-Antiprotease) (Trypsin, Chymotrypsin, sen (Akutphase-Reaktion);
Plasmin, Elastase) genetisch bedingter Mangel
führt zum Lungenemphysem

α1-Lipoprotein 200 45 2,90–7,70 Transport von Lipiden, p bei Lebererkrankungen


(high density lipoprotein) Hormonen

Prothrombin 60 0,05–0,1 Proenzym des Thrombins p bei Lebererkrankungen


(Gerinnungsfaktor) (Plasma) (Gerinnung) Anticoagulantentherapie

Transcortin 45 86 Cortisolbindung

Thyroxin-bindendes 45 Thyroxinbindung
Globulin

α1-Antichymotrypsin 68 73 0,3–0,6 Chymotrypsininhibitor n bei entzündlichen Prozes-


29 sen (Akutphase-Reaktion)

α1-Fetoprotein 68 < 15 × 10–6 Nur beim Fetus und Neuge-


borenen nachweisbar; bei Er-
wachsenen mit Lebercarci-
nom oder Hodentumoren

Gc-Globulin 50 96 0,2--0,55 Vitamin D-Bindung p bei schwerem Leberleiden


(group-specific component)

α2-Globuline

α2-Caeruloplasmin 160 89 0,2--0,6 Enzymatische Eisen- n bei Schwangerschaft


(Ferrooxidase I) oxidation p bei Morbus Wilson

α2-Antithrombin III 65 85 0,17–0,3 Thrombininhibitor p genetisch bedingter Man-


gel, Verbrauchscoagulopathie

α2-Haptoglobin 100 81 0,8–3,0 Hämoglobinbindung p Leberleiden und hämo-


lytische Anämien
n bei Entzündungen (Akut-
phase-Reaktion)

α2-Makroglobulin 820 92 Plasmininhibitor

Serumcholinesterase 348 76 3000–8000 p bei schweren Leberleiden


(Pseudocholinesterese) E/l (z.B. Leberzirrhose)

Plasminogen 143 91 0,06–0,25 Proenzym des Plasmins n bei entzündlichen Prozes-


(Profibrinolysin) (Fibrinolysins) sen (Akutphase-Reaktion)

β-Globuline

β-Lipoprotein 3200 19 2,5–8 Transport von Lipiden n Nephrose


(low density lipoprotein)

β1C-Globulin 185 97 0,8–1,4 Komplementfaktor


(Cc3-Komponente)

Hämopexin 80 77 0,5–1,15 Häminbindung p bei hämolytischen


(β1B-Globulin) Anämien
29.6 · Plasmaproteine
993 29

. Tabelle 29.9 (Fortsetzung)


Proteine Molekular- Proteinanteil Normalbereich Funktion Pathobiochemie
gewicht (kD) [%] im Serum des
Erwachsenen [g/l]
Transferin 90 95 2–4 Bindung und Transport n in der Schwangerschaft
(Siderophilin) von Eisen und bei Einnahme von Ovula-
tionshemmern
n Anämien,
Leberkrankheiten, Infekte
Fibrinogen 340 97 2–4,5 Blutgerinnung n bei Leberparenchymschä-
(Gerinnungsfaktor 1) (Plasma) den, Hyperfibrinolyse, bei
Entzündungen (Akutphase-
Reaktion)
C-reaktives Protein 140 100 < 0,012 Phagozytoseförderung n bei akut entzündlichen Pro-
zessen (Akutphase-Reaktion)
γ-Globuline
IgG 150 97 8–18 Antikörper n bei Leberleiden, chro-
(γG, γ2, 7S-γ-Globulin) nischen Infekten
p bei Antikörpermangel-
syndrom
IgA 160 92 0,9–4,5 Antikörper Wie oben
(γA, γ1A, β2A-Globulin) sowie Aggre- (bes. in Sekreten)
gate
IgM (γM, β2M, 900 sowie 89 0,6–2,5 Antikörper Wie oben
19S-γ-Globulin) Aggregate 0,7–2,8 (Isoagglutinine u.a.) n Makroglobulinämie
Waldenström
IgD (γD-Globulin) 170 88 < 0,15 Antikörper? n bei Plasmozytom
IgE (γE-Globulin) 190 89 < 6 × 10–4 Antikörper (Reagine) n bei Plasmocytom und Aller-
gien
Lysozym 15 100 5–15 × 10–3 Bakterienauflösung n beim Zerfall leukämischer
(Muraminidase) Varianten von Monocyten/
Granulozyten

Extinktionskurve der relative Anteil der einzelnen Proteine Antigen-Antikörper-Reaktion, die in Form einer halb-
errechnet (. Abb. 29.35). kreisförmigen bis länglichen Präzipitationslinie sichtbar
Bei Kenntnis der Gesamtserumproteinkonzentration wird (. Abb. 29.36).
können die Relativwerte in Absolutkonzentrationen umge- Mit Hilfe der Immunelektrophorese können bis zu 40
rechnet werden. Bei der allgemein üblichen Technik wer- Präzipitationslinien und damit Proteine im Serum nachge-
den fünf Fraktionen beobachtet, in denen sich Proteine mit wiesen werden (. Abb. 29.37 und . Tabelle 29.9). Die bei
ähnlicher Ladung und Teilchengröße angesammelt haben der einfachen Trägerelektrophorese homogen erschei-
(. Tabelle 29.10): Albumine und Globuline mit den Unter- nenden Fraktionen, in denen sich Proteine ähnlicher La-
gruppen D1, D2, E und J. Die klinische Bedeutung der Trä- dung und Teilchengröße ansammeln, können so in ihre
gerelektrophorese ist die Erfassung von Dysproteinämien verschiedenen Einzelbestandteile zerlegt werden. Die Im-
(7 Kap. 29.6.5), d.h. Verschiebungen der Proportion der ein- munelektrophorese gestattet jedoch nur eine qualitative
zelnen Plasmaproteinfraktionen.
! Bei der Immunelektrophorese wird die Elektrophorese . Tabelle 29.10. Normalwerte der Plasmaproteinfraktionen
mit einer anschließenden Immunfällung kombiniert.
Proteinfraktion Relativprozent Absolutkonzentration [g/dl]
Dabei wird die Serumprobe zuerst in einem Agarosegel bei einer Konzentration von
7 g Protein/dl Serum
elektrophoretisch getrennt. Anschließend wird eine Rinne
ausgestanzt, in die ein z.B. durch Immunisierung von Ka- Albumine 55–70 (60) 3,85–4,90
ninchen gewonnenes Humanantiserum (7 Kap. 34.3.4) ge- α1-Globuline 2–5 (4) 0,14–0,35
geben wird. Das Antiserum diffundiert nun gegen die Pro- α2-Globuline 5–10 (8) 0,35–0,7
teine des Serums. Beim Zusammentreffen eines Serumpro- β-Globuline 10–15 (12) 0,7–1,05
teins mit seinem entsprechenden Antikörper aus dem
γ-Globuline 12–20 (16) 0,84–1,4
Antiserum kommt es im Verlauf mehrerer Stunden zu einer
994 Kapitel 29 · Blut

b + –

c
. Abb. 29.35. Trennung der Proteine eines normalen Serums auf
Celluloseacetatfolie. Rechts: Trägermaterial nach Beendigung der
Elektrophorese. Links: Die bei der photometrischen Auswertung der
Färbebänder entstandene Extinktionskurve; die Zahlen geben die
Werte an, die bei der Integration der Flächen unter den einzelnen
29 Gipfeln der Extinktionskurve ermittelt werden (Relativprozente). Bei
bekanntem Gesamteiweißwert kann daraus die absolute Menge (g/dl)
der einzelnen Fraktionen berechnet werden

d
und keine quantitative Bestimmung der verschiedenen Se-
. Abb. 29.36a–d. Prinzip der Immunelektrophorese. a Auftra-
rumproteine. Soll die Konzentration eines bestimmten Se-
gung der Antigenmischung in das Probenloch. b Elektrophoretische
rumproteins ermittelt werden, so kann dies unter Anwen- Auftrennung. c Auftragung des Antiserums in die nach Abschluss der
dung eines spezifischen Antikörperproteins, das durch Elektrophorese ausgestanzte Rinne. d Bildung von Präzipitationslinien
Immunisierung von Versuchstieren gewonnen wird und bei der Diffusion
im Handel erhältlich ist, erfolgen (ELISA, RIA etc., 7 Kap.
25.2.4). Die Domäne der Immunelektrophorese ist die Dia-
gnostik der sog. monoklonalen Gammopathien oder Pa- le synthetisiert und in den Extrazellulärraum sezerniert
raproteinämien (7 Kap. 29.6.5). werden, ausmachen. Es darf jedoch nicht vergessen werden,
dass der Serumalbuminspiegel nur die Resultante von Bio-
synthese im Hepatozyten, Verteilung im Organismus und
29.6.3 Die einzelnen Proteinfraktionen Abbau ist und dass über diese Prozesse, insbesondere die
des Serums Regulation der Biosynthese – die durch die Ernährung, ein-
zelne Aminosäuren, Hormone und den kolloidosmotischen
! Die Albumine stellen mit 50–60% die Hauptfraktion der Druck beeinflusst wird –, nur wenig bekannt ist. Bei einem
Serumproteine. Plasmaspiegel von 3,5–4,5 g/dl beträgt die täglich syntheti-
sierte Albuminmenge beim erwachsenen Mann (Frau)
Vor den Albuminen wandern in der Elektrophorese die 120–200 (120–150)mg/kg Körpergewicht. Nur etwa 40%
Präalbumine, die in beschränktem Umfang Thyroxin bin- des gesamten Albumins im menschlichen Organismus be-
den können. Die Albumine (Halbwertszeit 17–27 Tage) finden sich im Plasma. Die Hauptmenge der restlichen 60%
transportieren nicht-veresterte Fettsäuren, Tryptophan, ist im Extrazellulärraum des Hautgewebes lokalisiert. Albu-
Pharmaka, Vitamine, Kationen (Magnesium und Calcium), mine können in der Tränenflüssigkeit, in Schweiß, Speichel,
Spurenelemente sowie Abbau- und toxische Produkte und Magensaft und Ödemen nachgewiesen werden und kom-
besitzen eine hohe Wasserbindungsfähigkeit. Sie sollen men wahrscheinlich in jeder Körperflüssigkeit vor. Die
auch eine Aminosäurereserve für den Organismus darstel- Konzentrationen reichen dabei von weniger als 1 g/l bei
len. Die Albuminkonzentration des Serums gilt seit langem Ödemen bis zu 20–30 g/l bei Exsudaten (durch Entzün-
als Parameter für die Funktion der Leber, da die Albumine dung bedingter Austritt von Flüssigkeit aus den Blutge-
einen wesentlichen Teil der Proteine, die von der Leberzel- fäßen).
29.6 · Plasmaproteine
995 29

! Die Globuline stellen eine äußerst heterogene Gruppe


von Proteinen dar.

Globuline unterscheiden sich von den Albuminen durch


ihre schlechtere Wasserlöslichkeit und ihr höheres Mole-
kulargewicht. Mit Ausnahme der Proteine, die an anderer
Stelle besprochen werden, wie z.B. die Lipoproteine (7 Kap.
18.5.1), die Blutgerinnungsfaktoren (7 Kap. 29.5.3), Caeru-
loplasmin (Ferrooxidase) und Transferrin (7 Kap. 22.2.1),
Enzyme (z.B. Pseudocholinesterase, Amylase), Hormone
(z.B. Insulin und Hypophysenhormone) sowie die Immun-
(J-)Globuline (7 Kap. 34.3.4), wird im Folgenden auf einige
Globuline hingewiesen.

α1-Globuline. Mit einem Kohlenhydratanteil von 38% ist


das saure α1-Glycoprotein das kohlenhydratreichste Se-
rumprotein. Die Konzentration dieses Proteins, das als
Akutphase-Protein (7 Kap. 29.6.4) an der Immunmodula-
tion beteiligt ist, ist bei akuten und chronischen Infekten,
bei Karzinomen und während der Schwangerschaft erhöht.
Zur D1-Fraktion gehören auch die Proteaseinhibitoren D1-
Antitrypsin und D1-Antichymotrypsin, Hormon bindende
Proteine (Transcortin und Thyroxin-bindendes Globulin)
und das α1-Fetoprotein. Letzteres ist im fetalen Plasma in
höherer Konzentration vorhanden (Bildungsort: Leber und
Dottersack), beim gesunden Erwachsenen jedoch nur noch
in geringen Konzentrationen. Es besitzt die Fähigkeit zur
Östrogenbindung und könnte somit den Fetus vor einem
Überschuss mütterlicher Östrogene schützen. Bei Patienten
mit Leberzellkarzinomen und Hodentumoren findet eine . Abb. 29.37. Schematische Darstellung der immunelektropho-
Biosynthese dieses Proteins in den Tumorzellen statt, von retisch nachweisbaren Präzipitationslinien der wichtigsten Serum-
proteine. Darüber das Nativpräparat einer Immunelektrophorese
denen es ins Plasma abgegeben wird und dort nachgewie-
sen werden kann (7 Kap. 35.10).
verursachen) gemeinsam ist. Das C-reaktive Protein kommt
α2-Globuline. Haptoglobin kann das bei Hämolysen frei beim Gesunden nur in sehr geringer Konzentration vor
im Serum auftretende Hämoglobin binden, sodass dieses (<0,5 mg/100 ml). Es ist bei Prozessen erhöht, die mit Ge-
nicht in den Urin übertreten kann und ein Eisen- und Ami- webeläsionen (bakterielle Infektionen, Entzündungen, bös-
nosäureverlust verhindert wird. Haptoglobin und Hämo- artige Tumoren) einhergehen (7 u.).
globin bilden einen Komplex, der schnell von der Leber
aufgenommen wird. Bei Hämolysen ist deshalb der Serum- β2-Mikroglobulin. Dieses Protein weist eine strukturelle
Haptoglobin-Spiegel erniedrigt. Ähnlichkeit mit einem Abschnitt des Immunglobulins G
auf und kann in Zellmembranen Teil des Histokompatibi-
β-Globuline. Zu diesen Globulinen gehören litäts-Antigens (Klasse I-Antigene, 7 Kap. 34.2.2) sein. Da
4 Hämopexin, das Hämin bindet das Protein ständig von Zellmembranen abgegeben wird,
4 Transferrin, das Eisen bindet ist es in verschiedenen Körperflüssigkeiten nachweisbar
4 Properdin, das in unspezifischer Weise zur Abwehr bei- (Liquor cerebrospinalis, Speichel, Colostrum, Spermaflüs-
trägt sigkeit, Amnionflüssigkeit, Serum und Urin). Die Serum-
4 Faktoren des Komplementsystems, das im Zusam- werte sind bei Krankheiten mit verändertem Zellumsatz,
menspiel mit Antikörpern bei der Immunabwehr wirkt wie z.B. neoplastischen, entzündlichen oder immunolo-
(7 Kap. 34.4), und gischen Prozessen, erhöht.
4 das C-reaktive Protein (CRP)
γ-Globuline. Bei den Proteinen, die bei der Elektrophorese
Letzteres Protein hat diesen Namen erhalten, weil es in vitro im J-Bereich wandern, handelt es sich um die Antikörper,
mit dem C-Kohlenhydrat reagiert, das der Polysaccharid- die mit Hilfe der Immunelektrophorese in fünf Immunglo-
kapsel aller Pneumokokken (die z.B. Lungenentzündungen bulinklassen (. Abb. 29.37) getrennt und quantifiziert wer-
996 Kapitel 29 · Blut

den können (IgG, IgA, IgM, IgD, IgE). Ihre Struktur und
Funktion wird ausführlich in 7 Kapitel 34.3.4 diskutiert.
In diesem Bereich findet sich auch Lysozym, das die
Mukopeptidschicht der Bakterienwand (7 Kap. 2.1.4) spal-
tet und somit unspezifisch zur Immunabwehr beiträgt.
Außer im Blut (als Produkt von Monozyten) wird dieses
Enzym in den meisten Körpersekreten (Nasenschleim,
Cervicalschleim, Haut, Tränenflüssigkeit) gefunden.

29.6.4 Funktionen der Plasmaproteine

Die Plasmaproteine tragen zur Erfüllung der genannten


Aufgaben des Bluts bei. Ihre wichtigste Funktion, die insbe-
sondere von den Albuminen ausgeführt wird, ist die Auf- . Abb. 29.38. Reaktion der Akutphase-Proteine nach Gallenbla-
rechterhaltung eines konstanten Plasmavolumens. Wei- senentfernung
terhin transportieren die Plasmaproteine (. Tabelle 29.9)
wasserunlösliche Substanzen (Pharmaka, Fettsäuren, Cho- Treibende Kraft für den Flüssigkeitsaustausch durch die
lesterin, Bilirubin), Metalle (Eisen, Kupfer), Hormone Kapillaren ist der hydrostatische Druck, der in den Kapilla-
(Thyroxin, Cortisol) und Vitamine (Vitamin B12) und lei- ren höher als außerhalb ist. Auf der anderen Seite verhin-
sten einen entscheidenden Beitrag bei der Blutgerinnung dert die Wasser anziehende Kraft der Plasmaproteine, die
(Prothrombin und Fibrinogen) und Fibrinolyse (Plasmi- als kolloidosmotischer (onkotischer) Druck bezeichnet
nogen) sowie bei der Abwehr von Infektionen (J-Globu- wird, dass das Plasmawasser vollständig in den intersti-
line, Lysozym, C-reaktives Protein, Faktoren des Komple- tiellen Raum abgepresst wird. Unterschiede in diesen bei-
29 ments). In beschränktem Umfang können Plasmaproteine den Drucken im arteriellen und venösen Schenkel der Ka-
auch als Puffer wirken. pillare (Starling-Mechanismus, Einzelheiten 7 Lehrbücher
der Physiologie) sorgen dafür, dass die Zelle stets in einem
! Plasmaproteine sind im Rahmen der Akutphase-Reak-
nährsubstratreichen Milieu gebadet wird, da mit der Flüs-
tion an Entzündungen beteiligt.
sigkeit Glucose, Aminosäuren, Fettsäuren, Sauerstoff und
Die meisten Gewebeverletzungen (z.B. Trauma, Operation andere lebenswichtige Stoffe an die Zelle herangeschwemmt
oder Infektion) gehen mit einer Reihe entzündungsty- werden. Auf dem gleichen Wege werden die Stoffwechsel-
pischer, zellbiologischer Veränderungen einher. Bei dieser produkte abtransportiert. Daraus wird verständlich, warum
unspezifischen Reaktion steigt die Plasmakonzentration eine Reduktion des Plasmaproteinspiegels (Hypoproteinä-
mehrerer, meist im Hepatozyten gebildeten Proteine an mie) Störungen des Wasseraustauschs im Kapillarbereich
(. Abb. 29.38). Von den etwa 30 beteiligten und als Proteine verursacht.
der akuten Phase (7 Kap. 33.2.3) bezeichneten Moleküle ist
das C-reaktive Protein (CRP) am besten für diagnostische
Zwecke geeignet, da es leicht bestimmt werden kann. Die 29.6.5 Pathobiochemie
Synthese der Akutphase-Proteine unterliegt der Regulation
durch verschiedene Cytokine (Interleukin-1, Interleukin-6, ! Homozygoter Mangel an D1-Antitrypsin führt zum
TNFD, Interferon-J, TGFE, epidermaler Wachstumsfaktor Lungenemphysem.
(EGF), Leukämie inhibierender Faktor (LIF)), die von Ma-
krophagen und anderen Entzündungszellen auf die Verlet- D1-Antitrypsin (D1-AT), das ein breites Spektrum von Pro-
zung hin gebildet werden (. Abb. 29.39). teasen hemmt, darunter auch die Elastasen neutrophiler
Granulozyten, und deshalb besser als D1-Antiprotease be-
! Plasmaproteine sind an der Aufrechterhaltung eines
zeichnet werden sollte, schützt die Lungen vor der Wirkung
konstanten Plasmavolumens beteiligt.
von Proteasen, die von Leukozyten und phagozytierenden
Im Bereich der Kapillaren findet der Austausch von Stoffen Zellen freigesetzt werden. Normalerweise sind diese Pro-
zwischen intra- und extravasalem Raum statt. Pro Minute teasen für den Abbau beschädigter Lungenzellen und ein-
werden im Kapillarbereich etwa 70% des Plasmawassers gedrungener Bakterien erforderlich. Bei Patienten mit D1-
ausgetauscht. Mit dem Wasser gelangen Nährsubstrate vom Antiproteasenmangel wird die protektive Funktion der
Blutplasma durch die Kapillarmembran ins Gewebe und Proteasen nicht durch Gegenspieler, d.h. Antiproteasen
Abfallprodukte von den Geweben ins Blut. Dabei ist die reguliert, sodass sie sich gegen intakte, körpereigene Sub-
Entfernung von Stoffwechselmetaboliten ebenso wichtig stanzen, in diesem Fall das Elastin, und andere Proteine der
wie die Bereitstellung von Sauerstoff und Nährsubstraten. extrazellulären Matrix wendet, die das architektonische
29.6 · Plasmaproteine
997 29

. Abb. 29.39. Bildung der Proteine der Akutphase-Antwort. Nach und Freisetzung von Akutphase-Proteinen führen. Die in Stresssitua-
Gewebeverletzung werden Entzündungszellen (Monozyten, Fibro- tionen freigesetzten Corticosteroide wirken als Cofaktoren der Genex-
blasten, Makrophagen) aktiviert, woraufhin sie Cytokine wie Interleu- pression der Akutphase-Proteine
kin-1, Interleukin-6 oder TNFα freisetzen, die in der Leber zur Synthese

Rückgrat der dünnen Alveolarwände darstellen. Da die male Phänotyp wird als Pi-(Proteaseinhibitor)-Typ be-
Lungenzellen postmitotisch sind, führt die kontinuierliche zeichnet. Insgesamt sind nahezu 75 Allele für den Pi-Lo-
Zerstörung der Alveoli zum Emphysem. cus bekannt. Mindestens 20 von ihnen können zu Mangel-
D1-Antitrypsin (394 Aminosäuren), das zu den sog. zuständen führen.
Akutphase-Proteinen (7 Kap. 29.3.1, 33.2.3) gehört, wird
! 95% der Mutationen führen zur Bildung des Z-Allels.
hauptsächlich von Hepatozyten und in geringerem Maße
von Monozyten und Neutrophilen gebildet. Das verant- Die Nomenklatur für die D1-Antitrypsin-Allele gründet
wortliche 12 kb-Gen liegt auf Chromosom 14q31 und be- sich auf der Wanderung des Proteins im elektrischen Feld,
steht aus sieben Exons (. Abb. 29.40). Die ersten drei d.h. Varianten, die am schnellsten in Richtung Anode wan-
Exons (1a–c) codieren für den Genpromotor, der wichtig dern, werden mit Buchstaben zu Beginn des Alphabets ver-
für die Änderung der Genexpression im Rahmen der sehen. Die häufigen, normalen Varianten (M1 [Ala213], M1
Akutphase-Antwort ist. Die anderen vier Exons enthalten [Val213], M2 und M3) wandern in der Mitte (daher »M«).
die Information für das D1-Antitrypsinprotein. Der nor- Die häufige, mutierte Z-Variante ist positiv geladen und
998 Kapitel 29 · Blut

dessen Oxidation zur Inaktivierung des Moleküls führt.


Diese Oxidation kann auch durch von Neutrophilen freige-
setzte Sauerstoffradikale erfolgen (7 Kap. 15.3). Eine gen-
technologisch hergestellte Variante des Enzymhemmstoffs
besitzt deshalb einen Valyl- anstelle des Methionylrests in
Position 358, der die enzymatische Aktivität nicht beein-
trächtigt, das Protein aber gegen Sauerstoffradikale unemp-
findlich macht. Die Oxidation des Methionylrests kann
auch durch Zigarettenrauch und die durch die Inhalation
bei Rauchern auftretenden Reaktionen in der Lunge begün-
stigt werden. Deshalb kommt es bei Patienten mit D1-Anti-
trypsinmangel, die rauchen, zu einer schnelleren Ausbil-
dung des Emphysem.
! Dysproteinämien sind Verschiebungen des quantitativen
Verhältnisses der einzelnen Proteinfraktionen zueinander.

In Abhängigkeit davon, welche Globulinfraktion erhöht ist,


werden folgende Typen unterschieden:
. Abb. 29.40. α1-Antitrypsin. a Struktur des menschlichen a1-
Antitrypsin-Gens mit der Mutation in Position 342 (Glu o Lys), die zur
Z-Variante führt b Vererbung der M1, M2 und Z-Allele bei gemischt- α-Typ. Bei deutlicher Verminderung der Albumine (Hypal-
heterozygoten Personen. Eine Erniedrigung unter 11 μmol/Liter α1- buminämie) sind die D1-Globuline vermehrt, die D2-Glo-
Antitrypsin-Plasmagehalt bei der homozygoten ZZ-Konstellation führt buline stark (bis 25 Relativprozent) erhöht. Die J-Globu-
zu klinischen Folgen des α1-Antitrypsinmangels
linfraktion ist häufig erhöht oder aber auch normal. Der
D-Typ ist Ausdruck akut entzündlicher Prozesse (Akut-
29 wandert deshalb zur Kathode. Von beiden Elternteilen kön- phase-Proteine gehören zu den D1- und D2-Globulinen
nen unterschiedliche Allele ererbt werden. Die Vererbung (. Tabelle 29.9).
von zwei normalen Allelen ist mit normalen D1-Antitryp-
sin-Plasmaspiegeln verbunden, die eines normalen und α2-β-Typ. Bei deutlicher Verminderung der Albumine sind
eines mutierten Gens mit mittleren Spiegeln und die zweier die D2-Globuline sehr stark, die J-Globuline deutlich ver-
mutierter Gene mit einem D-Antitrypsin-Mangel (. Abb. mehrt. Die J-Globuline sind meist vermindert, können aber
29.40). Nur bei einem Abfall der Serumspiegel unter etwa auch normal oder vermehrt sein. Meist besteht eine Hypo-
11 μmol/Liter steigt das Risiko, ein Lungenemphysem zu proteinämie. Der D2-E-Typ kommt z.B. beim nephro-
entwickeln. Dies bedeutet, dass ein Individuum zwei mu- tischen Syndrom (degenerative Veränderungen der Glome-
tierte D1-Antitrypsingene geerbt haben muss (entweder rulumkapillaren, 7 Kap. 28.2.3) vor.
homozygot oder gemischt heterozygot). Darüber hinaus
bedingen nur bestimmte, mutierte Allele das Risiko einer β-Typ. Die isolierte Vermehrung der E-Fraktion kommt sel-
Manifestation der Erkrankung in der Leber. Normalerweise ten vor.
wird die D1-Antitrypsin-mRNA am rauen endoplasma-
tischen Retikulum translatiert, das neu synthetisierte Mole- γ-Typ. Bei Verminderung der Albumine sind die J-Glo-
kül in die Zisternen sezerniert, Kohlenhydrate hinzufügt buline vermehrt. Die Hyperglobulinämie ist heterogen,
und das Molekül schließlich in das Blutplasma sezerniert. d.h. breitbasig (polyklonale Gammopathie). Immunelek-
Im Falle der Z-Mutation führt die heteropolare Substitution trophoretisch besteht meist eine starke Vermehrung der
von einem negativ geladenen Glutamyl- zu einem positiv IgG-, aber auch der IgA- und IgM-Globuline. Die Immun-
geladenen Lysylrest zu einer Veränderung der dreidimen- globulinlinien zeigen eine allgemeine Verstärkung, jedoch
sionalen Struktur des Moleküls, sodass es teilweise im rauen keine Deformierung wie bei den Paraproteinämien (7 u.).
endoplasmatischen Retikulum aggregiert (. Abb. 29.40). Der J-Typ ist Ausdruck chronisch entzündlicher Erkran-
Als Folge wird nur etwa 15% der Z-Typ-D1-Antitrypsinmo- kungen, der schweren Hepatitis und der Leberzirrhose
leküle sezerniert. Möglicherweise führt das aggregierte D1- (. Abb. 29.41).
Antitrypsin Z zu einer Schädigung der Hepatozyten mit
! Defektproteinämien sind durch den genetischen Man-
einer Entzündungsantwort, die bei einzelnen Patienten zur
gel einzelner Proteine gekennzeichnet.
Leberzirrhose führt.
Das Emphysem entwickelt sich bei den Patienten i. Allg. Beispiele sind die – seltenen – Krankheiten Analbuminämie,
gegen Ende des 3. Lebensjahrzehnts. Die Krankheit wird Afibrinogenämie, A-E-Lipoproteinämie und die Agamma-
durch Substitution mit D1-Antitrypsin behandelt. D1-Anti- globulinämie (Antikörpermangelsyndrom, 7 Kap. 34.7.1).
trypsin besitzt im aktiven Zentrum einen Methionylrest, Patienten mit Analbuminämie sind klinisch unauffällig; die
Literatur
999 29

Es handelt sich hierbei um einheitliche Immunglobuline,


d.h. von einem Zellstamm (Klon, 7 Kap. 34.3.4) gebildete
Antikörper (monoklonale Gammopathien). Diese Im-
munglobuline werden exzessiv von Plasmazellen (Plasmo-
zytom oder Myelom) gebildet. Die Einheitlichkeit der Im-
munglobuline äußert sich in der Serum- und Urinelektro-
phorese in Form einer schmalbasigen, hochaufstrebenden
Zacke. Da diese immer beim Myelom (Plasmozytom) und
beim Morbus Waldenström (Makroglobulinämie) auftritt,
wird dieser diagnostisch wichtige Hinweis auf das Vorlie-
gen einer Paraproteinämie als M-Gradient bezeichnet. Der
. Abb. 29.41. Elektrophoresediagramm einer Dysproteinämie
sichere Nachweis und die weitere Differenzierung sind je-
vom γ-Typ (Beispiel schwere Hepatitis; 7 auch Abb. 29.35) doch nur durch die immunelektrophoretische Untersu-
chung möglich, wobei die entsprechende Immunglobulin-
linie nicht nur eine Verstärkung wie bei der heterogenen
Laboratoriumsbefunde zeigen eine ausgeprägte Hypopro- polyklonalen Vermehrung der Immunglobuline (z.B. bei
teinämie, die auf dem fast vollständigen Fehlen der Albu- Patienten mit Leberzirrhose) zeigt, sondern auch eine pa-
mine beruht. Gleichzeitig sind sämtliche Globulinfraktionen thologische Form. Bei den Plasmozytomen werden entwe-
stark vermehrt. Dieser kompensatorische Anstieg ist offen- der IgG-, IgA-, IgD- oder IgE-Proteine, beim Morbus Wal-
bar der Grund dafür, dass bei den betroffenen Patienten denström IgM-Proteine (Makroglobulinämie) vermehrt
hypoproteinämische Ödeme (7 o.) nicht obligat sind. gebildet.
! Bei Paraproteinämien werden monoklonale Immunglo-
buline gebildet.

In Kürze
Albumine stellen die Hauptfraktion der Serumproteine. eine große Bedeutung erlangt. Durch die Serumelektro-
Sie besitzen Transportfunktion. Die Globuline stellen phorese können Dys- und Defektproteinämien erkannt
eine äußerst heterogene Gruppe von Proteinen mit werden. Bei Paraproteinämien kommt es zur Überproduk-
unterschiedlichsten Aufgaben dar. Das C-reaktive Pro- tion monoklonaler Immunglobuline.
tein (CRP) ist der wichtigste Parameter akuter Entzün- D-1-Antitrypsinmangel kann – je nach Genotyp – zum
dungen. Es kann schnell und einfach quantitativ be- Lungenemphysem oder zur Leberzirrhose führen.
stimmt werden und hat deshalb für die klinische Praxis

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