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Tag 1

Dunkelheit. Wo bin ich? Ich kann nichts sehen! Was passiert mit mir?
Meine Augen... Die Lieder sind schwer. Ich muss sie öffnen.
Licht. Dort ist Licht. Langsam kann ich meine Augen öffnen, doch sehen kann ich noch
immer nichts. Meine Augen gewöhnen sich nur langsam an die Helligkeit.

„Guten Morgen, Sir. Können Sie mich verstehen?“


Diese Stimme.
Langsam bilden sich verschwommene Schemen. Alles ist so weiß.
„Sind Sie wach? Können Sie mich hören? Sie befinden sich in einem Krankenhaus. Ich bin
Dr. O'Breed.“

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Krankenhaus? Was mache ich in einem Krankenhaus... Nein... Die Frage ist: Warum sollte
ich nicht in einem Krankenhaus sein. Ich weiß nichts mehr... wie bin ich hier
hergekommen? Wer bin ich überhaupt? Mein Gedächtnis ist schwarz. Alles beginnt mit
der Dunkelheit und geht nur bis jetzt. Was passiert mit mir?
Die Schemen verdichten sich zu Gegenständen, Personen. Ich bin in einem Raum. In
einem Raum mit weißen Wänden. Ich befinde mich in einem Bett mit weißen Laken und
weißer Decke. An meiner linken Seite steht ein Mann. Er trägt einen weißen Kittel und
eine Brille. Sein Gesicht... es ist recht blass. Irgendwoher kenne ich diesen Mann, mit
seiner übergroßen Nase und den kleinen, tiefliegenden Augen. Sein Alter ist nicht
einzuschätzen... er wirkt recht alt, so um die vierzig oder fünfzig. Aber gleichzeitig strahlt
er eine so jugendliche Aura aus, durch die er viel jünger wirkt.
Seine winzigen Augen ruhen schon die ganze Zeit auf mir, warum beobachtet er mich? Er
streicht sich kurz mit seiner linken Hand durch seine kurzen schwarzen Haare. Er hat
irgendetwas asiatisches an sich, obwohl seine Augenlider auf keinste Weise nach außen
gezogen sind, wie es unter Asiaten normalerweise der Fall ist.
„Können Sie mich verstehen? Sprechen Sie mit mir!“
Sprechen... ja. Vorsichtig versuche ich den Mund zu öffnen. Ein pelziger Geschmack liegt
auf meiner Zunge. Es schmeckt, wie ranziges Fleisch, wie als wäre meine Zunge schon
am Verwesen gewesen, bevor ich wieder aufwachte.
Langsam versuche ich ein paar Laute von mir zu geben. Irgendwie habe ich das Gefühl,
dass man seine Stimmbänder nicht sofort beanspruchen sollte, wenn man wochenlang im
Koma lag. Aber lag ich überhaupt solange im Koma? Es wird Zeit etwas Licht hinter das
Dunkel zu bringen.
In unendlicher Ruhe und Wort für Wort bringe ich ein „Was ist passiert?“ heraus.
Dieser Arzt an meinem Bett reagiert sofort und erklärt mir: „Sie waren in einen Auto-Unfall
verwickelt. Sie haben nur knapp überlebt und bis jetzt im Koma gelegen. Es ist ein
Wunder, dass Sie erwacht sind!“
Ein Unfall... verdammt, ich kann mich an nichts erinnern!
„Wann war dieser Unfall?“
Der Arzt sieht mich nur mitleidig an und antwortet: „Nun, der Unfall ereignete sich vor
ungefähr fünfeinhalb Wochen“
Fünfeinhalb Wochen? Das war eine verdammt lange Zeit. In einer solchen Zeitspanne
kann viel passieren... Nur WAS passieren könnte oder wie der Unfall genau ablief weiß ich
nicht. Ich muss mich erinnern.
„Ich kann mich an nichts mehr erinnern. Wer bin ich?“
Dr O'Breed überfliegt mit seinem Blick meinen Körper von den Füßen bis zum Haarschopf,
bevor er antwortet: „Nun, es handelt sich scheinbar um eine temporäre Amnesie. Diese
wird recht häufig durch Schockerlebnisse ausgelöst, wie zum Beispiel ein Auto-Unfall. Mit
der Zeit werden Sie sich wieder an Alles erinnern können. Was Ihre zweite Frage betrifft
muss ich Sie verbessern. Es sollte heißen 'Wer war ich?'. Sie waren ein...“, Der Arzt zögert
kurz, „Chef einer nicht unbedeutenden Firma. Doch Sie waren zu lange nicht am
Arbeitsplatz, deswegen wurde ihr Amt von einem Ihrer Mitarbeiter übernommen.
Außerdem werden Sie lange Zeit nicht mehr richtig laufen können, also mühen Sie sich
nicht aus dem Bett, sondern rufen Sie. Es wird dann jemand kommen und sich um Sie
kümmern.“
Rufen... na toll. Haben Krankenhäuser nicht sonst immer diese kleinen Klingeln, auf die
man nur drücken musste? Irgendwie war dieses Krankenhaus recht altmodisch. Wenn ich
doch der Chef einer Firma war, dann hatte ich doch bestimmt genug Geld für ein besseres
Krankenhaus...
Ich sehe mich doch lieber erstmal weiter in diesem Raum um. Außer mir und dem Bett

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befinden sich noch ein großer Schrank, in dem vermutlich meine Klamotten sind, ein
kleiner Nachttisch neben meinem Bett und in einer hinteren Ecke noch ein kleines
Schränkchen, doch dieses hat um die Henkel seiner beiden Türen ein Vorhängeschloss.
Auf dem kleinen Nachttisch neben meinem Bett steht eine Blumenvase mit
wunderschönen Blumen darin. Es sind genau sechs Rosen, vier Veilchen und drei Tulpen.
Was eine seltsame Zusammenstellung. Derjenige, der diese Blumen zusammengestellt
hatte, scheint keine Ahnung von Blumen zu haben.
Ich bemerke auf dem Tischchen noch eine Tageszeitung. Vermutlich hatte der Arzt mir sie
dort hingelegt, damit ich eine Beschäftigung habe. Die Zeitung war vom 17.4.2005.
Der Arzt bemerkt meinen Blick und erklärt mir: „Diese Blumen wurden kurz nach Ihrem
Unfall von Ihrer Frau hier abgestellt. Ich hoffe sie gefallen ihnen“
Kurz nach meinem Unfall? Wie konnten sich die Blumen solange halten? Irgendetwas ist
hier faul. Mehr als faul.
Der Arzt zieht aus einem kleinen Fläschchen ohne Etikett eine farblose Flüssigkeit in eine
Spritze und setzt sie mir in den Oberarm.
„Dieses Medikament wird Ihre Schmerzen lindern.“
Schmerzen? Erst jetzt fällt mir auf, dass ich bisher überhaupt keine Schmerzen verspürt
hatte. Der Stich der Spritze ist der erste Schmerz, den ich seid meinem Erwachen spüre.
Aber wahrscheinlich liegt das an diesem Medikament.
Während der Arzt mir die Spritze setzt fällt mein Blick auf seinen linken Arm. Er hat eine
Digital-Uhr an. Und zwar eine solche, die Uhrzeit und Datum gleichzeitig zeigt. Und nach
dieser Uhr ist heute der 3.9.2005. Irgendwie kann dieses Datum nicht stimmen. Entweder
das, oder die Zeitung ist wesentlich älter, als ich bisher angenommen habe.
„Wenn Sie noch etwas brauchen, rufen Sie“, sagt der Arzt noch zu mir und tupfert den
Einstich an meinem Oberarm ab. Dann klebt er ein kleines Pflaster darauf und verlässt
den Raum. Vorsichtig schließt er die Tür von außen. Nun bin ich alleine.
Obwohl ich sicherlich lange genug geschlafen hatte, werde ich plötzlich sehr müde. Bevor
ich überhaupt noch etwas machen kann, fallen mir die Augen zu.

Tag 2

Dunkelheit. Unendliche Schwärze umgibt mich. Doch diesmal kann ich meine Augen recht
schnell öffnen. Zuerst blendet mich das Licht der Deckenlampe, doch schon bald kann ich
wieder normal sehen. Auf meiner Zunge lagert sich noch immer der ekelhafte modrige
Geschmack ab.
Ich sehe mich im Raum um. Diesmal bin ich alleine. Auf meinem Nachttisch stehen noch
immer die unpassenden Blumen und auch die Zeitung liegt noch dort. Es hat sich nichts
verändert. Alles ist peinlichst genau wie gestern.
Es befindet sich keine Uhr und kein Kalender im Raum, nur eine uralte Zeitung. Langsam
habe ich das Gefühl ich soll gar nicht wissen wieviel Zeit vergangen ist.
Doch man braucht keinen Kalender um die tage zu zählen. Ich greife hinüber zu der
Zeitung und schlage sie auf. Der Sportteil. Ihn kann ich ebenso benutzen, wie den Rest
der Zeitung. Vorsichtig reiße ich einen Schlitz in die Unterseite des Deckblattes des

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Sportteils. Ein Riss für gestern und einer für heute. Nachdem ich zwei Schlitze hinein
gerissen habe, lege ich die Zeitung wieder zurück an seinen Platz, genau wie sie vorher
lag.
Schritte. Jemand nähert sich meinem Zimmer. Das wird dieser Arzt sein.
Langsam öffnet sich die Tür und Dr O'Breed betritt den Raum.
Er schließt die Tür und kommt zu mir ans Bett.
„Guten Morgen, Sir. Können Sie mich verstehen?“
Wieso sollte ich ihn nicht verstehen?
„Ja. Mir geht es schon etwas besser.“
Dr O'Breed macht daraufhin ein entsetztes Gesicht und brabbelt etwas vor sich hin. Dann
sagt er: „Das denke ich nicht. Sie befinden sich in einem Krankenhaus. Sie hatten einen
Autounfall. Ich bin Ihr zuständiger Arzt Dr O'Breed.“
Das weiß ich doch alles schon.
„Ich weiß. Das haben Sie mir gestern schon gesagt.“
Der Arzt ist mit einem Mal recht nervös. Was ist hier los?
„Das ist unmöglich. Gestern waren sie noch im Koma. Heute morgen bemerkten wir, dass
sich Ihr Zustand stabilisiert und nun sind Sie aufgewacht. Was Sie für gestern halten ist
vielleicht nur eine Halluzination von Dingen, die sie in Ihrem Tiefschlaf aufgeschnappt
haben“
Das ist eine Erklärung... Aber keine, die ich akzeptiere! Ich probiere es einfach mal
anders.
„Wenn das so ist... welches Datum ist heute?“
Jetzt scheint der Arzt gänzlich überrascht zu sein. Langsam bekommt er es mit der Angst
zu tun und seine Hände fangen an zu zittern. Er sieht kurz auf seine Digital-Uhr, doch
zögert er noch mir zu antworten. Sein Blick fällt auf die Zeitung und er antwortet: „18. April“
Nun holt er wieder seine Spritze und das Medikament aus seiner Kittel-Tasche und
beginnt die Spritze mit der farblosen Flüssigkeit aufzuziehen.
Dieses Medikament. Gestern bin ich recht schnell eingeschlafen. Ein Schlafmittel? Oder
nur die Nebenwirkung des Medikaments? Ich muss etwas tun. Ich muss Zeit heraus
zögern.
„Moment! Noch nicht. Ich muss dringend auf Toilette“
Dies ist zwar nicht der Fall, aber irgendwie muss ich Zeit heraus zögern.
Der Arzt schaut auf und sieht mir durchdringend in die Augen. Dann nimmt er die gefüllte
Spritze und will sie mir setzen. Vorsichtig schiebe ich die Spritze mit der Hand zur Seite,
um ihm klar zumachen, dass ich das nicht möchte.
„Es ist gegen Ihre Schmerzen. Vertrauen Sie mir.“
Es hat keinen Zweck. Ich kann mich ihm nicht widersetzen. Heute nicht.
Ich ziehe die Hand zurück und lass es geschehen. Doch bevor der Doktor den Raum
verlässt, kann ich noch einen schnellen Blick auf seine Uhr werfen. Heute ist der 4.
September. Spätestens jetzt bin ich mir sicher, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen
abläuft. Warum will man mir weismachen, dass ich heute das erste Mal erwache. Was ist
mit gestern?
Doch bevor ich weiter darüber nachdenken kann, werde ich müde. Sehr müde. Es dauert
keine 5 Sekunden und meine Augen gehen zu und ich falle in einen Tiefschlaf, der den
Toten gerecht wäre. Vielleicht wäre das auch besser.

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Tag 3

Dunkelheit. Wie auch die beiden Tage zuvor erwache ich zunächst in absoluter Schwärze.
Man hat das Gefühl, dass sich die ganze Welt um einen herum dreht, obwohl man nichts
sieht. Dieses Schwindelgefühl verzeiht sich aber, sobald man die Augen öffnet.
Ich bin wieder alleine. Doch das wird sicherlich nicht lange so bleiben. Ich muss etwas
unternehmen. Zuerst schaue ich mich etwas in meinem Zimmer um.
Vorsichtig und mit zitternden Beinen schwinge ich mich aus dem Bett. Ich stelle behutsam
meine Füße auf den Boden und stelle mich auf. Stehen kann ich schon mal, ohne
Probleme. Langsam beginne ich einen Fuß vor den anderen zu setzen. Auch laufen kann
ich ohne Schmerzen. Warum hat mich der Arzt angelogen, als er behauptet hatte, dass ich
in nächster Zeit nicht mehr laufen könne?
Ohne nennenswerte Mühen erreiche ich den großen Schrank. Mit Sicherheit sind dort
meine alten Sachen untergebracht. Doch als ich den Schrank öffne, verfliegt auch dieser
Hoffnungsschimmer. Der Schrank ist leer. Vollkommen leer. Missmutig schließe ich den
Schrank wieder und gehe zurück zu meinem Bett. Dort reiße ich eine dritte Kerbe in den
Sportteil der Zeitung. Der dritte Tag. Als ich die Zeitung wieder zuschlage fällt mein Blick
auf eine Anzeige auf der ersten Seite: 'Überfall im städtischen Forschungszentrum! -
Paolo Dolcheres, ein bekannter Gen-Forscher, wurde gestern Nacht in seinem Labor
erschossen aufgefunden. Sein Kollege Bernd Richter gilt seid dieser Nacht als
verschollen. Ob es sich hierbei um eine Entführung handelt, oder ob der Gesuchte der
Täter ist, ist bisher nicht geklärt. B. Richter steht deswegen aber trotzdem unter
dringendem Mordverdacht.“
Paolo Dolcheres... Bernd Richter... die beiden Namen kommen mir bekannt vor. Wo habe
ich Sie nur schon mal gehört? Forscher... Gen-Forscher. Was ist so besonders an Gen-
Forschern, dass man sie ermordet und entführt? Oder kamen die beiden Forscher
vielleicht auf gentechnische Maßnahmen, die als illegal gelten? Cloning? Oder etwas viel
Größeres...
Ich höre hinter mir die Tür aufgehen.
„Was tun Sie da? Wer hat ihnen erlaubt aufzustehen?“
Dr. O'Breed kommt in den Raum.
„Entschuldigung, aber ich fühle mich durchaus fit.“
Doch das ist für den Arzt keine Entschuldigung.
„Hören Sie! Sie hatten einen Unfall! Sie lagen mehrere Wochen lang im Koma. Ich wusste
nicht einmal, dass Sie bereits aufgewacht sind und sie spazieren schon in Ihrem Zimmer
herum!“
Schon wieder...
„Und was ist mit gestern? Und vorgestern?“
Der Arzt lässt sich davon nicht mehr beeindrucken.
„Sie lagen bis heute im Koma!“
So langsam wird mir dieses Getue zu blöd...
„Warum behaupten Sie jeden Tag, dass es der Tag meines Erwachens aus dem Koma
sei? Ich bin seid 2 Tagen wieder auf den Beinen!“
Der Arzt sieht mich wieder so durchdringend an, wie als suche er nach einer Lösung.

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„Das ist unmöglich! Ich bin erst gestern Abend von meinem viertägigen Seminar
zurückgekehrt. Und nun legen Sie sich bitte zurück ins Bett. Ihr Kreislauf könnte
kollabieren.“
Ein viertägiges Seminar. Meines Wissens gehen Seminare nur mehrere Stunde und keine
ganzen Tage. Aber vielleicht sollte ich nochmal nach dem Datum fragen. Ich lege mich
wieder zurück in mein Bett und frage: „Wenn ich mehrere Wochen im Koma gelegen habe,
welches Datum haben wir dann heute?“
Der Arzt wirft einen kurzen Blick auf seine Uhr und antwortet: „Wir haben heute den 18.
April“
Das gleiche hat er auch gestern gesagt. Also muss ich mich wieder an seiner Uhr
vergewissern. Ich lasse ihn mir die Spritze geben und erhasche dabei einen kurzen
Augenblick seine Uhr. Auf ihr war heute der 18. April. Er hat sie verstellt! Verdammt er hat
es bemerkt. Also wenn mir das Datum nichts bringt, dann muss ich eben diese Spritzen
verhindern oder mich außerhalb meines Zimmers umsehen.
Aber das wird wohl erst morgen passieren. Dr. O'Breed hat den Raum gerade verlassen,
da werde ich schon unwirklich müde. Wieder vergehen keine fünf Sekunden und ich liege
in tiefem Schlaf.

Tag 4
Dunkelheit. Wieder einmal habe ich das Gefühl, dass sich die ganze Welt um mich dreht,
doch darauf achte ich heute nicht. Ich habe etwas anderes vor. Ich muss nur schnell sein.
Ich schlage so schnell die Augen auf, dass mir im ersten Moment schwindlig wird. Doch
nachdem sich das gelegt hat, krabble ich aus dem Bett und strecke mich erst einmal
kräftig. Ich sollte noch einen kleinen Riss in die Zeitung machen, um ganz sicher zu sein
wieviel Zeit vergangen ist. Nachdem auch dies getan ist, wende ich mich von meinem Bett
ab und gehe auf meine Zimmertür zu. Langsam öffne ich sie und spähe durch die kleine
Öffnung. Es befindet sich niemand im Gang. Ich öffne die Tür behutsam, bis ich hindurch
schlüpfen kann. Ein weißer Gang. Warum sind in Krankenhäusern die Wände
grundsätzlich weiß? Befinde ich mich überhaupt in einem Krankenhaus? Ich muss ein
Fenster finden. Vielleicht kann ich so herausfinden, wo ich mich befinde.
Dieser Gang ist ein seltsamer Gang für ein Krankenhaus. Am einen Ende befindet sich
mein privates Zimmer und auf der anderen Seite eine weitere Tür. Keine Nebenräume,
nichts.
Wenn ich hier raus will, muss ich wohl durch diese Tür. Vorsichtig schleiche ich mich an
die Tür an. Mit unendlicher Vorsicht drücke ich die Klinke herunter. Ich weiß nicht wer oder
was sich im Raum dahinter befindet, aber ich möchte meine vorübergehende Freiheit nicht
aufs Spiel setzen. Die Klinke ist nun ganz unten und ich ziehe langsam die Tür einen Spalt
breit auf. Ich luge mit einem Auge durch diesen Spalt hindurch, doch kann nichts
erkennen. Plötzlich stößt irgendetwas kräftig gegen die Tür, sodass ich umgeworfen
werde. Verwirrt schaue ich nach oben und sehe einen jungen Mann im Kittel. Er hat
blondes, schulterlanges Haar und eine lange, aber dünne Nase. Seine Augen sind groß,
aber nicht aufdringlich. Und sie fixieren sofort meinen linken Oberarm. Bevor ich
überhaupt realisieren kann, was als nächstes passieren wird, zückt der Mann eine kleine
Spritze und sticht sie mir schon recht gewalttätig in den Arm. Mit einer unheimlich tiefen
Stimme sagt er: „Das ist dafür, dass du uns soviel Ärger bereitest...“ Er bricht den Satz

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abrupt ab, wie als erinnere er sich daran, dass er mir nichts sagen darf. Doch bevor ich
weiter darüber nachdenken kann wird alles schwarz um mich. Das war ein kurzer, aber
doch recht informativer Ausflug gewesen.

Tag 5
Dunkelheit. Langsam erwache ich aus meinem dunklen, traumlosen Schlaf. Meine
Umgebung ist wieder unverändert, alles ist wie am ersten Tag. Doch kann ich mir sicher
sein, dass es ein anderer Tag ist? Vielleicht sind all die vorherigen Tage nur Träume
gewesen. Vorsichtig werfe ich einen Blick auf die Zeitung auf dem kleinen Schreibtisch. Es
sind vier Risse im Sportteil. Also war das alles doch kein Traum. Ich erweitere den
Sportteil um noch einen Riss und stehe vorsichtig aus dem Bett auf. Wenn das also alles
wirklich war ist und ich nicht verrückt werde, dann muss es doch eine Lösung geben.
Wenn ich doch bloß herausfinden könnte, wieso ich jeden Abend eine Spritze mit
Schlafmitteln bekomme. Ich muss heute die Spritze irgendwie verhindern. Es geht nicht
anders. Jeden Moment muss der Arzt hineinkommen, also sollte ich mich besser wieder
ins Bett legen. Ich lege mich zurück ins Bett und schließe die Augen und denke nach
Plötzlich beginnt sich alles um mich zu drehen. Vom plötzlichen Schwindelanfall
überrascht öffne ich meine Augen wieder. Das Gefühl des Drehens verschwindet
allmählich, doch eine leichte Übelkeit bleibt.
Ich schließe erneut die Augen und warte ab ob das Schwindelgefühl wieder einsetzt. Doch
nichts passiert. Vorsichtig erforsche ich meine Gedanken und Erinnerungen. Es kann nicht
sein, dass ich mich an nichts vor dem möglichen Unfall erinnern kann. Ich versuche
meinen Kopf beisammen zu halten und mich an das, was vor dem Erwachen hier im
Krankenhaus geschehen ist zu erinnern.
Zusammenhangslose Bilder fliegen vor meinem inneren Auge vorbei, doch ich kann viele
nicht erkennen. Ein helles Licht, eine Pistole, ein Schreibtisch, ein Reagenzglas. Nun
ergibt alles noch weniger Sinn. Ich versuche noch tiefer in mein Unterbewusstsein
vorzudringen, doch plötzlich setzt der Schwindel wieder ein. Aufstöhnend lege ich mich auf
die Seite und verschnaufe, als sich die Tür öffnet.
„Oh sie sind ja wach!“, sagt jemand mit leicht zittriger Stimme und stellt sich neben das
Bett.
Ich schlage die Augen auf und erblicke den weißen Kittel des Arztes.
„Können sie mir einen Gefallen tun, Dr O'Breed? Können sie diesmal bitte die Spritze
auslassen?“, frage ich den Arzt leicht hoffnungsvoll.
O'Breed stößt ein erschrockenes Keuchen aus und versucht weiterhin an seinem kleinen
Spielchen festzuhalten.
„Sie hatten eine schwere Zeit hinter sich, mein Herr. Ich, als zuständiger Arzt, muss ihnen
ein Beruhigungsmittel gegen ihre Schmerzen geben. Sie waren lange Zeit im Koma, sie
sollten sich wirklich nicht überlasten.“
„Ach hören Sie doch auf mit diesem Spielchen! Ich habe es durchschaut. Ich weiß zwar
noch nicht warum sie mich seid fünf Tagen glauben lassen wollen, ich sei erst heute
aufgewacht, aber das finde ich schon noch heraus!“, rufe ich dem vermeintlichen Arzt ins
Gesicht.
Erschrocken weicht dieser einige Schritte vom Bett weg. Dann schüttelt er kurz seinen
Kopf, wie um seinen Schock zu vertreiben. Dann tritt er wieder einen Schritt näher und

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beugt sich nach vorne. Sein Kopf ist nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Sein
übelriechendes After-Shave dringt in meine Nase ein und veranlasst mich zu hüsteln.
„Sie wissen gar nichts, Doktor. Sie wissen gar nichts.“, murmelt Dr O'Breed dann. Bevor
ich noch etwas erwidern kann, holt er seine Spritze aus der Tasche und zieht die
Schutzkappe von der Nadel.
„Ich hoffe dass dieses Mittel endlich wieder funktioniert. Sie werden sich noch wundern...“,
brummt der vermeintliche Arzt und fügt kurz darauf hinzu: „Oh nein... Sie werden sich ja
nicht mehr daran erinnern können. Wie sollen sie sich dann wundern.“
Ich sage noch schnell ein „Soll das eine Drohung sein?“, bevor er mir die Spritze in den
Arm schlägt.
Anstatt die nicht vorhandenen Schmerzen zu lindern, erschafft der Arzt gerade noch
wesentlich mehr.
Doch ich kann mich nicht mehr wehren, das Beruhigungsmittel beginnt bereits zu wirken.
Nun fällt mir eine Ungereimtheit auf: Der Arzt, der wohl gar kein Arzt ist, hat mich einen
Doktor genannt. Ich bin also ein Doktor. Da stellt sich die Frage für was ich meinen
Doktortitel verdient hatte... Und da fällt mir etwas ein. Konnte es sein, dass ich dieser Dr
Bernd Richter bin, der seinen Kollegen getötet hatte?
Doch genau in dem Moment, als mir eine mögliche Erklärung einfällt, falle ich in tiefen
Schlaf.

Tag 6
Dunkelheit. Das erste Mal seid meinem Erwachen habe ich einen Traum. Es ist, wie als
falle ich in ein tiefes, schwarzes Loch. Um mich herum erscheinen Bilder und Szenen, die
ich nicht zuordnen kann. In einer Szene sehe ich einen Körper, der auf einem
Operationstisch liegt und dem Mann gerade ein Stückchen Haut vom Arm entfernt. Diese
Hautprobe wird erst unter einem Mikroskop untersucht und schließlich in eine große
Maschine gelegt.
Dann wechselt die Szene und ich sehe eine Leben entstehen. Ein Embryo entwickelt sich
in unfassbarer Geschwindigkeit zu einem ausgewachsenen Kind.
Die Szene wechselt wieder, doch was ich sehe lässt mich würgen. Es ist alles wie beim
ersten Traum, nur diesmal steht ein zweiter Tisch im OP. Auf diesem Tisch befindet sich
das eben entstandene Leben. Nur diesmal ist es kein Kind mehr, sondern bereits
ausgewachsen. Der Mann, von dem man die Hautprobe entnommen hatte liegt auch
diesmal völlig unbeweglich auf dem Tisch. Dann beugen sich mehrere Köpfe über seine
Brust und beginnen den Brustkorb aufzuschneiden. Blut wird abgesaugt und abgetupft.
Der Chirurg klappt das Fleisch des Brustkorbs wie einen Karton auseinander und beginnt
zwei der Rippen mit einer kleinen Säge zu entfernen. Blut spritzt durch den Saal und wird
von eifrigen Helferinnen weggewischt. Der Chirurg entnimmt die beiden abgetrennten
Rippenknochen und legt sie in eine desinfizierende Flüssigkeit. Dann beginnt er das Herz
des Patienten herauszuschneiden. Übelkeit überfällt mich bei diesem Anblick, doch
irgendetwas sagt mir, dass ich so etwas bereits erlebt habe.
Der Chirurg entnimmt das Herz, welches gerade seinen letzten Schlag getan hatte, und
legt es ebenfalls in ein gläsernes Behältnis mit einer desinfizierenden Flüssigkeit.
Dann wenden sich die Personen im OP dem anderen Mann zu. Der Chirurg nimmt ein
Skalpell und setzt es genau wie beim anderen Mann am Brustkorb an.

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Genau in diesem moment wechselt die geträumte Szene ein weiteres Mal. Ich hänge
kopfüber in einem Schwimmbad. Meine Beine sind zusammengeschnürt an einem Kran
befestigt, welcher gerade beginnt nach unten zu schwenken. Mein Kopf nähert sich
unaufhaltsam der Wasseroberfläche. Ich versuche meinen Körper vom Wasser weg zu
beugen, doch ich bin nicht stark genug. Mein Kopf durchstößt das kalte Nass und ich
bekomme keine Luft mehr. Ich schaffe es noch einmal meine Nase über die
Wasseroberfläche zu bewegen, doch die zeit reicht nicht um richtig zu atmen. Ich
bekomme Wasser in die Nase und schlucke das Wasser, welches in meinen Mund
gelangt. Dann kann ich den Atmungsreflex nicht mehr unterdrücken. Wasser dringt in
meine Lungen ein und ich beginne zu Husten. Doch das verschlimmert meine Lage nur,
denn nach jedem Huster dringt mehr Wasser in meine Lunge ein. Ertrinken ist ein
grausamer Tod. Langsam beginne ich das Bewusstsein zu verlieren. Alles um mich wird
schwarz. Dann erwache ich.
Angstvoll reiße ich die Augen auf, doch um mich herum ist alles wie beim ersten Tag. Kein
Alptraum mehr, alles ist in Ordnung. In Ordnung? Nein, das ist es nicht. Nichts ist in
Ordnung, denn ich befinde mich noch immer in diesem Krankenhaus. Wenn es denn eins
ist. Ich muss verhindern, dass dieser O'Breed mich ein weiteres Mal einschläfert.
Er hat mich einen Doktor genannt und wahrscheinlich kommt mir auch nur deshalb die
Idee, mir das Blut im Arm abzustellen, damit sich das Beruhigungsmittel nicht in meinem
Körper ausbreiten kann. Also reiße ich einen großen Streifen aus meinem Bettlaken und
wickle es um meinen Arm. Mit dem einen Ende zwischen den Zähnen und dem anderen
Ende in der rechten Hand schnüre ich mir den linken Oberarm dicht unter der Schulter ab.
Von den anfänglichen leichten Schmerzen durch den starken Druck spüre ich schon nach
wenigen Sekunden nichts mehr. Dafür pocht nun mein Puls im linken Arm. Poch-Poch,
Poch-Poch, Poch-Poch... Mein Herz rast beinahe. Von außerhalb der Tür höre ich Schritte
kommen, also schiebe ich schnell den Ärmel des Hemds über den Stoffstreifen an meinem
Oberarm.
O'Breed betritt den Raum langsam und forschend. Diesmal erzählt er nichts von wegen
dies sei der erste Tag. Doch heute erlaube ich mir einen Spaß mit ihm.
„Wo bin ich?“, frage ich aufstöhnend.
Der Mann bleibt erschrocken mitten im Raum stehen und sieht mich zweifelnd an.
„Sie hatten einen Unfall...“, murmelte er verunsichert.
„Wer bin ich? Ich kann mich an nichts mehr erinnern“, klage ich.
O'Breed tritt näher an mein Bett heran und erzählt mir nun wortwörtlich die gleiche
Geschichte wie beim ersten Tag. Scheinbar scheint es wirklich zu funktionieren.
„Ich muss ihnen diese Spritze geben. Sie enthält ein Beruhigungsmittel gegen ihre
Schmerzen.“, erklärt mir der vermeintliche Arzt und verabreicht mir die Spritze in den
linken Arm ohne den Stoffstreifen zu bemerken.
„Vielen Dank, Dr O'Breed“, sage ich zu ihm als er aufsteht um den Raum zu verlassen.
Plötzlich bleibt er wie vom Schlag getroffen stehen. Er wirft sich auf den Absätzen herum
und sieht mir mitten ins Gesicht.
„Woher wissen Sie meinen Namen? Ich habe ihn nicht genannt“, fragt er wütend.
Autsch, Fehler. Es hat also wieder nicht funktioniert... Hätte ich doch bloß meinen Mund
gehalten.
„Natürlich haben sie ihn eben genannt“, versuche ich mich zu verteidigen. Mein linker Arm
beginnt immer schwerer zu werden. Das Beruhigungsmittel wirkt bereits, allerdings nur im
Arm. Das ist meine Chance. Schnell lasse ich mich zurück ins Kopfkissen sinken und
schließe langsam meine Augen. Dann beginne ich leicht und langsam zu atmen, wie als
würde ich schlafen.
Ich höre Schritte näher an mein Bett kommen. Dann höre ich ein tickendes Geräusch, wie

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als würde jemand ein kleines Objekt auf einen Tisch legen.
„Ich weiß, dass sie noch wach sind, Doktor“, flüsterte O'Breed mir ins Ohr.
Ich schlage die Augen auf und sehe direkt in die dunklen, beinahe grausam wirkenden
Augen des Mannes. Mein Blick streift zur Seite und bleibt auf dem Nachttisch neben
meinem Bett hängen. Die Spritze liegt dort und es war noch ein Rest Flüssigkeit darin. Ich
versuche den linken Arm zu bewegen doch es gelingt mir nicht. Also werfe ich meinen
gesamten Körper gegen O'Breed und ergreife mit der rechten hand die Spritze. Der Mann
gerät ins Straucheln und stolpert rückwärts in Richtung Schrank. Ich springe, mit der
Spritze in der Hand, auf und trete einen Schritt näher an den Mann heran. Nun war meine
Stunde gekommen.
„Sie können machen, was sie wollen. Sie werden nicht entkommen!“, schreit mir der Mann
ins Gesicht und macht Anstalten auf mich zuzuspringen. Dann springt er. Erschrocken
hebe ich die rechte Hand zur Abwehr. Die Nadel trifft den Mann direkt im Kehlkopf und
reißt einen breiten Schlitz hinein, als er auf mich zuspringt und schließlich neben mir auf
den Boden fällt. Blut spritzt aus seinem Hals und breitet sich auf dem Boden aus. Mein
Blick fällt auf eine Pistole in der einen Hand des Mannes. Er wollte mich erst überwältigen
und dann erschießen... Was habe ich ihm getan? Was geht hier vor sich? Und nun ist er
tot.
Ich beuge mich nach vorne und entwende den toten, verkrampften Fingern des Mannes
die Pistole. Die Spritze lasse ich einfach neben die Leiche auf den Boden fallen.
Dann renne ich aus dem Raum. Ich renne den langen Gang entlang bis ich die Tür
erreichte. Vorsichtig öffne ich sie und spähe durch die kleine Öffnung hindurch. Es ist
niemand dort. Ich kann meine Flucht ungehindert fortsetzen...

Mit einer Agilität, die ich mir nie zugetraut hätte sprinte ich durch den Raum durch eine
Tür, den Gang dahinter entlang und durch die nächste Tür hindurch in einen weiten,
großen Raum. Erschrocken muss ich feststellen, dass es der Operationssaal aus meinem
Traum war. Die brutalen Bilder des Traums schweben vor meinem Auge. Ein
Schwindelanfall überfällt mich wieder und ein Schwall Blut schießt aus meiner Nase. Ich
halte mich an einem der beiden Operationstische fest um nicht umzukippen. Langsam
verschwinden die Bilder vor meinem inneren Auge wieder und ich kann wieder klarer
denken. Mit der linken Hand wische ich mir das Blut aus dem Gesicht und betrachte es
nachdenklich. Ist es möglich durch Träume Nasenbluten zu bekommen? Vielleicht durch
eine Blockade im Gehirn oder ähnliches?
Ich wische mir meine blutige linke Hand an meinem Hemd ab. Dann lasse ich den Tisch,
den ich zur Stütze mit der rechten Hand umklammert hatte, wieder los. Erst jetzt bemerke
ich, dass ich meinen gelähmten Arm bereits wieder bewegen kann. Etwas kühles,
flüssiges klebt an meiner Hand. Erschrocken stelle ich fest, dass es sich um altes Blut
handelt. Der ganze Tisch ist voll davon. Beide Tische sind voll Blut.
Ich sehe mich weiter um und mit Entsetzen entdecke ich eine ganze Regalwand voller
Einmachgläser und Reagenzgläser. Organe jeglicher Art, Blutproben, Haut-Proben,
einfache Zell-Proben in einer Flüssigkeit. Übelkeit überfällt mich, mir gelingt es nur mit viel
Selbstbeherrschung nicht sofort auf den Boden zu erbrechen.
Ich wende mich dem abscheulichen Regal ab und suche nach dem Mikroskop, welches
ich im Traum gesehen habe. Es dauert nich lange und ich entdecke es auf einem der
Tische abseits im Raum. Schnell beuge ich mich über das Gerät und aktiviere die
Lichtquelle. Ich stelle das Objektiv auf größte Vergrößerungsstufe und passe es meinen
Augen an. Ich kann zwei einzelne Zellen erkennen. Sie sind exakt identisch. Und zwar
nicht nur das Erbgut, wie es die Testergebnisse auf einem Block neben dem Mikroskop
belegen, sondern auch die Form und Größe. Sie sind exakt identisch und allen Punkten

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gleich. Doch das ist unmöglich. Nicht einmal ein einzelner Körper enthält exakt identische
Zellen, minimale Abweichungen sind ein Muss. Doch diese hier sind 100% identisch. Und
das kann nur durch eine Tatsache erklärt werden.
Plötzlich wird mir etwas klar. Ich bin dieser Doktor Bernd Richter, der seinen Kollegen
erschossen hat. Er ist Genforscher und ich scheine mich sehr gut mit Zellen und Genen
aus zu kennen. Woher sollte ich sonst ein solches Wissen erlangt haben?
Aber wenn wir hier von Cloning sprechen, dann bedeutet das ja... Dass man hier versucht
Organe von geklonten Menschen in kranke Menschen zu transferieren um diesen das
Leben zu retten. Es wäre ausgeschlossen dass der Körper das neue organ abstößt, da es
ja aus dem gleichen Körper kommt. Der Körper würde keinerlei Unterschiede erkennen.
Mit einem Schlag wie von einem Box-Profi wird mir klar, wie groß angelegt diese ethnisch
fragwürdige Forschungsarbeit ist. Man klont hier Menschen um ihnen das Leben zu retten.
Das ist zwar ein löblicher Gedanke, allerdings würde man damit nicht nur gegen unzählige
internationale Gesetze verstoßen, sondern auch die unantastbare Würde des Menschen
verletzen. Man darf kein künstliches Leben erschaffen, dies ist gegen jede menschliche
Moral.
Erst jetzt wird mir die Tragweite dieser Aktion bewusst. Hatte ich deswegen auch meinen
Kollegen erschossen? Weil ich herausfand was er mit seinem Forschungsteam hier tat?
Schritte kommen den Gang hinauf. Ich muss mich irgendwo verstecken um nicht wieder
im Krankenzimmer auf zuwachen.
Schnell sehe ich mich um, doch finde nichts wohinter ich mich verbergen könnte. Schnell
renne ich auf die Tür zu um wenigstens den Überraschungsmoment zu nutzen. Doch
gerade als ich die Tür erreiche wird sie von außen aufgestoßen. Die Tür prallt gegen
meinen Arm und ich werde nach hinten auf einen der blutigen Tisch geschleudert.
Ein erschrockener Mann stand in der Tür. Es war der Mann, der mich bei meinem letzten
Fluchtversuch gefangen hatte, doch diesmal würde ihm das nicht gelingen.
Schnell zücke ich die die Pistole, welche ich O'Breed abgenommen hatte und halte sie
dem großen Mann direkt vors Gesicht. Zuerst zieht er erschrocken die Augenbrauen hoch,
doch dann scheint ihm etwas an der Waffe aufzufallen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich
wirklich schon mal eine Waffe benutzt habe, doch nun entsichere ich die Waffe wie von
selbst und lade einmal kräftig durch. Sofort verschwindet der Ansatz eines Lächelns vom
Gesicht des Mannes.
„Was hast du vor? Willst du mich erschießen?“, fragt er ängstlich und doch provozierend.
„Wenn es sein muss!“, antworte ich gelassen und bedeute dem Mann mit einem Winken
der Waffe in den Raum zu treten.
„Du wirst damit nicht durchkommen! Was glaubst du dadurch zu erreichen?“, fragt der
Mann herausfordernd. Doch ich antworte nur mit einem Lächeln und bedeute ihm mir
seine Schlüssel auszuhändigen. Widerwillig gibt der Blonde mir all seine Gegenstände in
den Taschen und sieht mir ohne Regung mit zu, wie ich aus der Tür hinaustrete und sie
von außen verschließe. Ich drehe den Schlüssel drei volle Umdrehungen und werfe mich
dann dagegen. Mit einem metallnen Klirren zerspringt der Schlüssel im Schloss. Nun
mussten sie den Mann dort erst einmal herausholen. Das würde sie etwas aufhalten.

Ich schleiche vorsichtig zurück zum Raum, der die beiden Gänge zum OP und dem
Krankenzimmer verbindet. Erst jetzt fällt mir eine dritte Tür auf. Mit unendlicher Vorsicht
drücke ich die Klinke hinunter. Ein kühler Luftzug weht von außerhalb der Tür hinein. Ich
öffne die Tür noch ein Stück weiter und werfe einen schnellen Blick nach draußen. Es war
wieder niemand dort. Schnell schlüpfe ich durch die Tür und drücke sie hinter mir wieder
zu.
Frische Luft durchströmt meine Lungen. Der feine Geruch von Gras hing in der Luft, das

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Labor muss am Rande einer Stadt oder gar mitten auf dem Land sein.
Ich atme mehrmals tief durch und beginne dann meinen Ausbruch. Noch war es
stockdunkel doch am Horizont begann bereits die Sonne auf zugehen.
Der siebte Tag in dieser Hölle hatte begonnen...

Tag 7
Dunkelheit. Langsam wird sie von der Sonne bezwungen, in einem Kampf, der jeden
Morgen und Abend aufs neue beginnt. Hell und Dunkel sind die beiden Seiten, aus denen
die Welt besteht. Manche Menschen haben gute, helle herzen und wollen nur Gutes tun.
Doch andere haben dunkle, böse Herzen und sind raffgierig auf jeden Cent scharf, der
unter ihre Finger kommen mag. Hat Geld denn wirklich schon die Macht über die
Menschen übernommen? Würden wir sogar unsere Moral verlieren nur des Geldes
wegen? Wir löschen Leben aus und erschaffen Künstliches neu. Doch lebt ein geklonter
Mensch denn wirklich? Ist er nicht nur der Schatten des Originals? Und vor allem: Kann
man ein Leben erschaffen, nur um es darauf wieder zu töten, weil man etwas aus seinem
Körper braucht? Auch wenn Klone künstlich entstehen, sind sie doch Menschen. Kein
Mensch hat so etwas verdient. Ich muss hier herauskommen um die Öffentlichkeit zu
warnen! Die Menschheit muss erfahren was in diesem Labor vor sich geht.
Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich die ganze Zeit völlig ungeschützt im Freien gestanden
hatte. Schnell laufe ich nach vorne auf einen hohen Zaun zu. Er besteht aus
Maschendraht und wäre auch nicht schwer zu erklimmen gewesen, allerdings besteht er
ab vier Metern nur noch aus Stacheldraht. Es ist unmöglich dort hinüberzukommen. Aber
es muss doch auch ein Tor geben.
Geduckt schleiche ich den großen Zaun entlang. Das Labor ist nicht besonders groß es
bestand aus nicht mehr als fünf oder sechs Räumen, den Teil, den ich gesehen hatte nicht
inbegriffen. Genau auf der anderen Seite des Labors befindet sich das Tor. Es wird von
zwei Wachleuten besetzt, welche mit Taschenlampen die Umgebung ableuchten.
Unsicher werfe ich einen Blick auf die Pistole in meiner Hand. Hat es nicht gereicht zwei
Leute zu töten? Müssen denn noch weitere dazu kommen?
Ich nehme die Waffe in beide Hände und visiere mit dem Auge den Vorderen der beiden
Wachleute an. Der Mann ist keine hundert Meter entfernt, doch mein Körper zittert so
sehr, dass genaues Zielen unmöglich ist. Langsam bewege ich mich weiter vorwärts,
immer die Waffe im Anschlag. Sobald man mich bemerkt, würde ich schießen.
Einer der Wachleute wird plötzlich aufmerksam. Er leuchtet mit der Lampe zu mir hinüber
und beginnt auf mich zu zulaufen. Hat er mich entdeckt? Schnell springe ich hinter die
Hauswand eines Teils des Labors. Von dort aus beobachte ich, wie der Wachmann
wütend gegen den Zaun tritt. Mein Blick schwenkt leicht aufwärts und ich entdecke den
Grund für die Wut des Mannes. An diesem Stück des Zauns fehlt der Stacheldraht am
oberen Ende des Zauns. Wahrscheinlich erweitert man erst jetzt den Zaun mit
Stacheldraht und ist nur noch nicht bis zu diesem Teil des Zauns gekommen.
Der Wachmann scheint über den fehlenden Teil des Stacheldrahtes nicht gerade
begeistert zu sein und macht sich sofort auf den Weg zum Eingang des Labors. Ich werfe
noch einen kurzen Blick zum anderen Wachmann, welcher gerade mit einem handy
telefoniert und nicht in meine Richtung schaut, und renne auf den Zaun zu. Mit einem
gewaltigen Satz lande ich am Zaun wie ein Affe und beginne nach oben zu klettern.

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Doch in diesem Moment öffnet sich die Eingangstür und zwei Männern treten heraus.
„Sie glauben doch nicht etwa sie könnten fliehen?“, ruft mir jemand zu und ich
beschleunige die Kletterei.
Doch gerade als ich mit meiner Hand über den Zaun greife ertönt ein lauter Knall. Ein
Ruck durchzieht meinen Körper und ich verliere jegliche Kraft in meinem Körper. Ein Fall
von vier Meter Höhe auf Gras ist nicht besonders schmerzhaft, doch es reicht um einen für
einige Momente auszuschalten. Vor allem wenn eine Blutlache um einen rum entsteht.
Der Wachmann und sein Begleiter rennen mit gezogenen Waffen auf mich zu. Aus der
Pistole des Wachmanns tritt etwas Rauch aus, er hatte also auf mich geschossen.
Ich versuche mich aufzurichten, doch unendlicher Schmerz durchzieht meinen Rücken
und die Blutlache auf dem Boden nimmt an Größe nur noch zu. Er hatte also auch
getroffen. Es ist aus und vorbei. Die Flucht ist fehlgeschlagen.
„Sie hätten sich eigentlich denken können, dass wir schießen, Doktor Dolcheres!“, bemerkt
der Mann neben dem Wachmann. Es war O'Breed. Eine Welt fällt für mich zusammen, als
ich dem Mann in die Augen sehe. An seinem Hals ist keine Wunde und er scheint völlig
gesund zu sein. Und er hat mich Dolcheres genannt... Ich bin der erschossene
Genforscher nicht der, der ihn erschossen hatte. Langsam schleicht sein ungemütliches
Gefühl in meinen Kopf. Kann es sein...
„Was... ich dachte sie sind tot, O'Breed!“, stöhne ich auf.
O'Breed grinst mich fies an und erklärt: „Haben Sie es immer noch nicht verstanden,
Paolo? Sie sind auch tot. Ich habe sie erschossen! Und nennen Sie mich nicht O'Breed,
mein richtiger Name ist Richter.“
Langsam beginnt alles einen Sinn zu ergeben.
„Doch warum lebe ich... und sie noch?“, frage ich schwach. Langsam macht sich der
Blutverlust bemerkbar.
„Sie haben doch den Operationssaal gesehen, Doktor. Sie konnten sich sicherlich denken,
was wir dort gemacht haben.“, meint Bernd Richter.
„Sie haben Menschen geklont und getötet um an ihre Organe zu kommen. Das haben Sie
wohl auch mit mir gemacht...“, spekuliere ich.
Darauf hin fängt Richter an zu lachen.
„Ich? Nein! SIE haben das Projekt ins Leben gerufen! Es war ihre idee, doch sie waren
nicht damit einverstanden einfach nur Organe auszutauschen. Sie wollten lieber den
ganzen Körper haben.“
Ich? Also bin ich ja diese raffgierige Person, die ich selbst verabscheue.
„Sie haben gedroht alles auffliegen zu lassen, wenn die anderen Forscher nicht das tun,
was Sie von ihnen verlangt haben. Deswegen mussten Sie sterben, Paolo, und in einem
neuen Körper 'wiedergeboren' werden.“, fährt Richter fort.
„Also habt ihr.... meinen Körper geklont... und das bin nun ich.“ langsam beginne ich alles
zu verstehen. Ich bin zwar körperlich identisch mit Paolo Dolcheres, aber doch eine
andere Person. Ich denke anders.
„Gut erkannt, Paolo. Wir haben versucht ihre Gehirne auszutauschen, doch dabei sind
viele Erinnerungen verloren gegangen. Durch das leicht beschädigte Gehirn standen Sie
in Lebensgefahr, wenn sie sich zu erinnern versuchten. Deswegen bekamen sie auch
immer diese Spritzen mit einem Mittel um sie vergessen zu lassen.“
„Doch das hörte auf zu wirken. Ich wurde immun...“, erkläre ich mir selbst.
„Sie lernen wunderbar schnell. Doch übertreiben Sie es nicht, sonst wäre das Ihr Tod.
Nebenbei bemerkt: ich habe das Serum verbessert. Nun wird es wieder funktionieren. Sie
verstehen sicherlich, dass wir sie nicht gehen lassen können.“
Ich verstand. Ich verstand nur zu gut...
„Ich habe nur eine Frage... warum dieses Gespiele mit dem 18. April?“, frage ich

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erschöpft. Ich bin dem Tode nahe...
Richter lacht und erklärt mir dann: „Wir müssen testen, wie sich die neuen Organe, wie ihr
Gehirn an den geklonten Körper anpasst. Dazu benutzen wir Sie. Die Sache mit der
Krankenhaus-Geschichte, das war Fritz' Idee. Er kam darauf, als er den OP aufräumte. Er
meinte, wenn du schon jeden Tag aufwachst können wir schon eine einheitliche
Geschichte erfinden, damit wir nicht immer improvisieren müssen. Dies war nicht Ihr erster
Ausbruchsversuch. Doch dieses Mal sind Sie weiter gekommen, als jeher. Sie haben
meinen alten Körper getötet, allerdings sind Sie nicht der einzigste Klon hier. Nun ja, Fritz
haben wir vorhin aus dem OP befreit, nur damit Sie beruhigt sind“
Ich bin nicht beruhigt. Ich bin ruhig, zu ruhig. Beinahe.... für immer ruhig....
Mein Blick wird immer trüber und verschwimmt allmählich. Richter tritt näher an mich
heran und gibt mir eine Spritze in den Arm, doch das spüre ich schon nicht mehr. Alles
wird schwarz. Und dort ist das Licht.

Epilog

Dunkelheit. Wo bin ich? Ich kann nichts sehen! Was passiert mit mir?
Meine Augen... Die Lieder sind schwer. Ich muss sie öffnen.
Licht. Dort ist Licht. Langsam kann ich meine Augen öffnen, doch sehen kann ich noch
immer nichts. Meine Augen gewöhnen sich nur langsam an die Helligkeit.

„Guten Morgen, Sir. Können Sie mich verstehen?“


Diese Stimme.
Langsam bilden sich verschwommene Schemen. Alles ist so weiß.
„Sind Sie wach? Können Sie mich hören? Sie befinden sich in einem Krankenhaus. Ich bin
Dr. O'Breed.“

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Written by:
– Emanuel May, alias 'Loofou'

Special thanks to:


– Felix Dietrich, da er sofort Gefallen an der
Geschichte gefunden hat.
– Vanessa Strauch, da ich ohne sie niemals auf
diese Geschichte gekommen wäre.

Contact:
– Homepage: http://www.ret-world.de
– eMail: loofou@ret-world.de

Danke an alle Leser

© Emanuel May

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