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Felsenliebe

© Xaver Kaldis, 2009

Die Massen sind am Strand um den täglichen Sonnenuntergang zu


genießen. Hier versinkt die Sonne jeden Abend pünktlich im Meer, in
einem unvergleichlichen Farbenspektakel.

Nur du und ich, wir verabscheuen die Massen, Lieben zwar den warmen
Sand, aber wir begnügen uns mit den warmen Felsen, weit ab vom Trubel.
Hier verschluckt der Sand keine Farben. Nein, hier sind die Felsen so glatt
geschliffen, dass man meint, die untergehende Sonne könne sich darin
spiegeln. Und hier schlagen die Wellen heftiger. Branden lauter an die
Felsen; nichts von diesem gleichmäßigen Rauschen der auslaufenden
Wellen im flachen Sandstrand.

Du liegst, wie so oft, nackt auf dem Bauch, den Kopf schräg auf deine
verschränkten Arme gelegt; so schaust du dir jeden Abend den
Sonnenuntergang an. Deine Haut liebt den warmen Felsen, der seit
Jahrmillionen von Wind und Wellen so glatt poliert worden ist. Du hast
genau die Stelle gefunden, in der sich dein Körper perfekt anschmiegen
kann.

Du sagst, wenn du eine Weile so liegst, spürst du, wie der Felsen lebt. Wie
er atmet, wie sein Herz schlägt. Einfach in einer von uns nicht
wahrnehmbaren Frequenz. Nur du fühlst sie. Tief in dir.

Die Beine hast du weit auseinandergespreizt. Ich sitze neben dir, lege nur
meine Hand leicht auf deine Haut. So bleiben wir in Verbindung. In einer
engen, äußerst vertrauten Verbindung. Wir reden nicht. Jeden Abend
schauen wir uns schweigend das Schauspiel an. Fernab von allen anderen.
Fernab vom Tumult. Fernab vom pulsierenden Touristenleben. Nur du und
ich.

Und dein Felsen und die Sonne.

Die riesige Feuerkugel steht kurz davor, im Meer zu versinken; jetzt geht
es ganz schnell. Dein Körper bebt. Deine Augen sind offen, doch dein Blick
sieht in eine andere Welt. Nur meine Hand auf deiner Haut. Deinen
Herzschlag spüre ich; dein Herz geht schnell, Dein Atem geht rau.

Du bist mit dem Felsen eins. Und mit meiner Hand auf deiner Haut bin ich
eins mit dir. Die Sonne ist schon halb im Meer versunken. Die
Farbenpracht am Horizont ist unbeschreiblich! Also lasse ich es.
Dein ganzer Körper ist in Aufruhr. Nun verspannt er sich, bäumt sich auf.
du bist eins mit dem Felsen. Meine Hand auf deiner Haut lässt mich deine
Lust mit genießen. Deine Lust ist unglaublich. Jetzt! Wo die Sonne
endgültig im Meer versinkt. Der Felsen dich zu verschlucken scheint.

Lange noch vibriert dein ganzer Organismus. Lange hält dich der Felsen in
seinem Griff.

Nun lächelst du. Schaust mich an. Meine Hand auf deiner Haut.

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