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FoRscHunG Wirkungsgrad

Wirkungsgradunterschiede
zwischen Otto- und Dieselmotor

Rudolf Diesel Nicolaus Otto

Um die Wirkungsgradunterschiede zwischen Ottomotor und Dieselmotor im Fahrzeug ausführlich diskutieren zu


können, wird normalerweise als Methode eine detaillierte innermotorische Verlustteilung verwendet. Der Ver-
gleich von motorischen Konzepten an identischen Betriebspunkten ist jedoch nur eingeschränkt aussagefähig. Bei
einer modifizierten Methode werden nun die konzeptspezifischen Lastkollektive mitberücksichtigt. In diesem Bei-
trag wird der Wirkungsgradunterschied zwischen einem Otto- und einem Dieselmotor auf Basis dieser Methode
vorgestellt. Darüber hinaus wird ein Verlustteilungsansatz für den Ladungswechsel beschrieben, der eine Bewer-
tung von Maßnahmen zur Steigerung des Ladungswechselwirkungsgrades ermöglicht. Die Ergebnisse sind Teil
einer Forschungsaufgabe (Nr. 875), die im Auftrag der Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen e. V.
(FVV) am Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren Stuttgart (FKFS) bearbeitet wurde.

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1 Einleitung erzielbare Arbeit verringern. Um Wir- Die Autoren
kungsgradunterschiede zwischen Otto-
Die innermotorische Verlustteilung im und Dieselmotoren im Fahrzeugeinsatz
Verbrennungsmotor wird verwendet, detailliert zu beschreiben, wird die in- Dipl.-Ing.
um Aussagen über die Ursachen einzel- nermotorische Verlusteilung [2] derart Raffael Kuberczyk
ner Wirkungsgradverluste zu erhalten. eingesetzt, dass die konzeptspezifischen war bis April 2008
Bei den Verlusten wird unterschieden Lastkollektive mitberücksichtigt wer- Mitarbeiter des For-
zwischen Verlusten an Arbeit im Hoch- den. Die Lastkollektive werden mit GT- schungsinstituts für
druckteil, Verlusten an Arbeit während Drive ermittelt. Kraftfahrwesen und
des Ladungswechsels und Verlusten be- Fahrzeugmotoren
dingt durch die Reibung des Motors. 2.1 Versuchsträger stuttgart (FKFs) in
In verschiedenen Veröffentlichungen Die spezifischen Motor- und Fahrzeug- stuttgart.
wird die Verlustteilung an einzelnen Be- daten sind in Tabelle 1 und Tabelle 2 zu-
triebspunkten eingesetzt um Wirkungs- sammengestellt. Als Referenzfahrzeug
gradverluste zu quantifizieren. So wer- wurde für den Vergleich eine Limousine Dipl.-Ing.
den in [1] Verlustanteile von Diesel- und C-Klasse der Firma Mercedes-Benz mit Hans-Jürgen Berner
Ottomotoren in wenigen Betriebspunk- Handschaltgetriebe gewählt. Als Refe- ist Leiter des Bereichs
ten einander gegenübergestellt. Verlust- renz-Ottomotor wurde ein Saugmotor Thermodynamik und
teilungsbetrachtungen weniger Betriebs- vom Typ GM L850 [3] von General Mo- Brennverfahren am
punkte sind für umfassende Analysen je- tors (GM) und als Referenz-Dieselmotor Forschungsinstitut für
doch letztendlich nicht ausreichend und der MB OM 646 [4] von Mercedes-Benz Kraftfahrwesen und
nur begrenzt aussagefähig. Sie geben im (MB) gewählt. Fahrzeugmotoren
Grunde genommen ein Verständnis für stuttgart (FKFs) in
die den Wirkungsgrad beeinflussenden 2.2 Innermotorische stuttgart.
Effekte, sind aber nicht in der Lage ge- Verlustteilung im NEFZ
naue Aussagen über die Ursachen der Die Verlustteilung im Neuen Europä-
Wirkungsgradverluste eines Motors im ischen Fahrzyklus (NEFZ) wird sowohl Prof. Dr.-Ing.
Fahrzeugverbund zu machen. auf Basis von stationär vermessenen Michael Bargende
Kennfeldpunkten (Dieselmotor) als auch ist Mitglied des Vor-
auf Basis von Simulationsdaten (Ottomo- stands des Forschungs-
2 Wirkungsgradunterschiede tor) durchgeführt. Für den Dieselmotor instituts für Kraftfahr-
zwischen Otto- und Dieselmotor werden mittels der Analysesoftware Ti- wesen und Fahrzeug-
ger [5] automatisiert Kennfeldpunkte motoren stuttgart
Bei der innermotorischen Verlustteilung analysiert. Für den Ottomotor wird bei (FKFs) und ordinarius
werden ausgehend vom idealen Gleich- der Analyse von Kennfeldpunkten ein für Verbrennungsmo-
raumprozess durch Druckverlaufsanaly- sorgfältig mit Messdaten kalibriertes GT- toren am Institut für
sen und Arbeitsprozessrechnungen Ver- Power-1D-Modell [6] verwendet, wobei die Verbrennungskraftma-
lustanteile ermittelt, die die theoretisch Wärmefreisetzung mit einem selbstent- schinen (IVK) der uni-
versität stuttgart.

Tabelle 1: Technische Daten der beiden Referenzmotoren

Merkmal Einheit GM L850 MB oM 646


Verfahren – otto Diesel
Abgasnorm – Euro 4 Euro 4
Direkteinspritzung – ja ja
Aufladung – nein ja
Zylinderzahl – 4 4
Hubraum cm³ 2198 2150
Bohrung mm 86 88 MTZ Peer Review
Das Gütesiegel für
Hub mm 94,60 88,34
wissenschaftliche
Pleuellänge mm 146,5 149,0 Beiträge in der MTZ.
Von Experten aus
nennleistung kW 114 bei 5600/min 110 bei 4200/min
Forschung und Industrie begutachtet.
Verdichtung – 11,3 16,6 Eingegangen . . . . . . . . 04. September 2008
Geprüft . . . . . . . . . . . . . 18. September 2008
Angenommen . . . . . . . 29. September 2008
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Tabelle 2: Technische Daten der Versuchsfahrzeuge (Mercedes-Benz C-Klasse) schriebenen Verlustteilung in originärer
mit Otto- (GM) und Dieselmotor (MB) Form. Mittels einer Kopplungssoftware
für GT-Power und Tiger wurde dieser Aus-
Fahrzeug mit Fahrzeug mit werteprozess dahingehend automatisiert,
Einheit
GM L850 MB OM 646 dass komplette, beliebige Testzyklen oh-
Fahrzeugmasse für Verbrauchsrechnung kg 1540 1540 ne manuellen Eingriff standardmäßig
cw-Wert – 0,27 0,27 durchgerechnet werden können. Die in-
nermotorische Verlustteilung wurde in
Hinterachsübersetzung (vmax = konst.) – 3,18 2,65
enger Zusammenarbeit mit der Enginos
iGang 1 – 4,459 5,014 GmbH [5] entwickelt.
iGang 2 – 2,614 2,831 Ein Ergebnis der Verlustteilung im
iGang 3 – 1,723 1,789 NEFZ ist die zeitliche Verteilung eines je-
den Verlustanteils. Durch Integration al-
iGang 4 – 1,245 1,256
ler Verlustanteile über der Zeit erhält
iGang 5 – 1 1 man unter Berücksichtigung der gesam-
iGang 6 – 0,838 0,823 ten zugeführten Wärme die verbrauchte
Trägheitsmoment kgm² spezifisch Energie zu jedem Zeitpunkt. Bild 1 stellt
die Energien für das Fahrzeug mit Otto-
Reifen – 205/55R16
motor und dem Fahrzeug mit Diesel­
Rollwiderstandsfaktor – 0,01
motor (vergleiche mit Tabelle 1 und
­Tabelle 2) für den gesamten NEFZ dar.

2.3 Ergebnisse der


wickelten, phänomenologischen Ver- Tiger im Sinne einer thermodynamischen Verlustteilung im NEFZ
brennungsmodell [7] (Entrainmentmo- Druckverlaufsanalyse – mit Vorgabe iden- Die zugeführte Wärme liegt beim Fahr-
dell) bestimmt wird. tischer Randbedingungen wie bei der GT- zeug mit Ottomotor bei 23.678 kJ (ent-
Die daraus ermittelten Brennraum- Power-Simulation – analysiert. Tiger er- spricht 6,8 l Kraftstoff auf 100 km Fahr-
druckverläufe werden anschließend mit laubt dabei die Berechnung der in [2] be- strecke, betriebswarm). Beim Fahrzeug
mit Dieselmotor liegt diese bei 20.895 kJ
(entspricht 5,2 l pro 100 km, betriebs-
warm). Der Wirkungsgrad des idealen
Gleichraumprozesses limitiert die maxi-
mal in Arbeit umsetzbare Wärme (Ver-
dichtungsunterschiede).
Der restliche Anteil der zugeführten
Energie teilt sich auf in den Anteil der
abgegebenen Arbeit und den einzelnen
Verlustanteilen. In Bild 2 und Bild 3 sind
die energetischen Verlustanteile nach
Abschluss des NEFZ des Fahrzeugs mit
Ottomotor dem Fahrzeug mit Dieselmo-
tor gegenübergestellt, bezogen einerseits
auf den Stadtzyklus, andererseits auf den
Überlandzyklus.
Der energetische Anteil des Verlusts
durch reale Ladung ist beim Ottomotor
(ohne externe Abgasrückführung (AGR))
erheblich höher als beim Dieselmotor
(mit externer AGR), sowohl im Stadt- als
auch im Überlandzyklus aufgrund des
niedrigeren Isentropenexponenten (Ot-
tomotor: Verdichtung von Kraftstoff-
Bild 1: Verlust­ dampf, Dieselmotor: Verdichtung von
anteile für den Luft).
­Diesel- (oben) und Beim Verlust durch eine nichtoptima-
den Ottomotor le Schwerpunktlage (SWP-Lage) ist der
(unten) im NEFZ energetische Anteil beim Ottomotor
(betriebswarm) niedriger gegenüber dem des Dieselmo-

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tischen Verlustanteil durch den realen
Brennverlauf aus. Im Stadtzyklus ergibt
sich eine energetische Einsparung beim
Fahrzeug mit Ottomotor von 351 kJ und
im Überlandzyklus von 393 kJ.
Der energetische Anteil des Verlusts
durch reale Kalorik wirkt sich aufgrund
der höheren Prozesstemperaturen beim
Ottomotor deutlich stärker aus, wobei
der Dissoziationseffekt zu einer Verschie-
bung der Wärmefreisetzung zu späteren
Zeitpunkten führt.
Bemerkenswert, zunächst überra-
schend und erklärungsbedürftig erschei-
nen die Unterschiede bei den Wandwär-
Bild 2: Energetische Verlustanteile im Stadtzyklus für das Fahrzeug mit Otto- und ­Dieselmotor meverlusten. Beim Dieselmotor wurde
der Wandwärmeansatz nach Woschni/
Huber [13] verwendet, weil bekannter-
maßen im niedrigen Lastbereich der Ori-
tors. Dies liegt an der beim Ottomotor die nichtoptimale Schwerpunktlage des ginal-Woschni-Ansatz [11] zu niedrige
deutlich wirkungsgradgünstigeren SWP- Fahrzeugs mit Ottomotor im Vergleich Werte liefert. Beim Ottomotor wurde der
Lage bei betriebswarmem Zustand. Der zum Dieselfahrzeug ist daher im Stadt- Wandwärmeansatz nach Bargende [12]
Ottomotor wird auf einer konstanten zyklus gering. Anders verhält es sich verwendet. Zunächst ist festzuhalten,
SWP-Lage von 8 °KW nach oberer Tot- beim Überlandzyklus. Der Ottomotor dass bei der Verlustteilung die durch den
punkt bei Zündung (ZOT) im gesamten weist dort eine energetische Einsparung Hochdruckwandwärmeverlust bedingte
NEFZ-Betriebsbereich geregelt. Im Leer- von beachtlichen 564 kJ auf. Minderung der Hochdruckarbeit ausge-
lauf allerdings liegt die SWP-Lage laufru- Der energetische Anteil des Verlusts wiesen wird [2] und nicht wie bei einer
hebedingt äußerst spät (42 °KW n. ZOT). durch HC- und CO-Emissionen wirkt sich Energiebilanz die absolute Größe der
Die dieseltypischen deutlich späteren beim Ottomotor durch die unvollständi- Wandwärmeverluste von unterem Tot-
SWP-Lagen liegen zwischen 13 bis ge Verbrennung sowohl im Stadt- als punkt (UT) bis UT. Im Unterschied zu den
23 °KW n. ZOT im NEFZ. Im Stadtzyklus auch im Überlandzyklus höher aus. Da meisten anderen Verlustgrößen wirkt
ist der Unterschied beim Verlust durch die Ermittlung der Verluste hier auf sich eine adiabate Prozessführung – also
nichtoptimale SWP-Lage zwischen dem statio­när vermessenen HC+CO-Kenn- ohne Wandwärmeverluste – dahinge-
Otto- und dem Dieselmotor relativ ge- feldern basiert, sind im realen Fahrbe- hend aus, dass sowohl die Volumenände-
ring, weil der Leerlaufanteil hoch ist und trieb noch höhere Werte zu erwarten. rungsarbeit, als auch die innere Energie
der energetische Verlust während des Die kürzeren Brenndauern beim Otto- zunehmen. Letzteres zeigt sich nach „au-
Leerlaufs damit einen großen Anteil be- motor wirken sich gegenüber dem Die- ßen“ durch eine höhere Abgastempera-
sitzt. Die energetische Einsparung durch selmotor verringernd auf den energe- tur, also einer gestiegenen Abgasenthal-
pie. Das Verhältnis der Aufteilung des
Wandwärmeverlustes in „Arbeitsverlust“
und „Abgasenthalpieverlust“ ist nun
nicht konstant sondern je nach Betriebs-
punkt und Brennverfahren unterschied-
lich. Bild 4 erläutert die Zusammenhänge
anhand des Vergleichs des über dem
NEFZ integrierten Wandwärmestroms
und des wandwärmebedingten Arbeits-
verlustes.
Wesentliches Ergebnis ist, dass die
mit Woschni/Huber gerechneten, beim
Dieselmotor im Vergleich mit dem Otto-
motor niedrigeren Wandwärmeverlust-
werte zu höheren Arbeitsverlusten im
Hochdruckteil von UT zu UT führen.
Selbst beim Vergleich der Wandwärme-
verlustwerte nach Woschni und nach
Bild 3: Energetische Verlustanteile im Überlandzyklus für das Fahrzeug mit Otto- und Bargende zeigt sich das gleiche Verhal-
­Dieselmotor ten, jedoch ist dies nicht so ausgeprägt.

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FoRscHunG Wirkungsgrad

4 Ladungswechsel-Verlustteilung

Die Grundlage für die Ladungswechsel-


Verlustteilung bildet die vereinfachte
Berechnung des Drucks, der Tempera-
tur und des Massenstroms während des
Ladungswechsels mit Hilfe der quasi-sta-
tionären Füll- und Entleermethode, oh-
ne Berücksichtigung von Gasdynamik-
effekten (Mittelwertmodell). Es findet
keine Kreisprozessrechnung statt. Viel-
mehr erfolgt mit den Zustandsbedin-
gungen bei „Auslassventil öffnet“ eine
Ladungswechsel-Prozessrechnung, die
neue Zustandsbedingungen bei „Ein-
lassventil schließt“ liefert.
Bild 4: Vergleich des integrierten Wandwärmestroms über dem NEFZ und des wandwärme- Für die Berechnung werden die einzel-
bedingten Arbeitsverlustes im Hochdruckteil (von UT bis UT) nen Komponenten der Abgasstrecke/Ein-
lassstrecke vom Zylinder bis in die Umge-
bung durch Drosseln und Behälter ersetzt.
Die Abgaskanäle münden in einen ange-
Beim Ottomotor ist eindeutig die Zunah- 3 Bewertung von Maßnahmen nommen unendlich großen Behälter, der
me der Abgasenthalpie ausgeprägter als zur Wirkungsgradsteigerung bei die entstehenden Druckstöße abbaut und
beim Dieselmotor, wobei der Unterschied Ottomotoren die Turbine mit einem kontinuierlichen
im Stadtzyklus höher ist, als im Über- Massen- und Enthalpiestrom beaufschlagt
landteil des NEFZ, bedingt durch die dort Thermodynamische Maßnahmen zur (Stauaufladung). Die Wärmeübergangs-
späteren Schwerpunktlagen der diesel- Wirkungsgradsteigerung bei Ottomo- ansätze für den Zylinder nach Woschni
motorischen Verbrennung. toren zielen darauf ab, sowohl den [11] und für den Kanal nach Zapf [14] wur-
Expansions- und Kompressionsverlus- Hochdruckwirkungsgrad als auch den den anhand von Messdaten validiert. Im
te zeigen insgesamt sehr geringe absolu- Ladungswechsel-Wirkungsgrad zu ver- Folgenden werden die einzelnen Verlust-
te Anteile beim Otto- wie beim Dieselmo- bessern. teilungsschritte erläutert.
tor auf. Deutlich anders verhält sich der In [10] wurden wirkungsgradstei-
Verlust durch den Ladungswechsel. gernde Maßnahmen auf Basis des GT- 4.1 Referenzpunkteinstellung
Durch den gedrosselt betriebenen Otto- Power-Modells des GM-L850-Ottomotors Zunächst wird der zu analysierende Be-
motor ist der Verlustanteil durch den La- bewertet. Bei der Gegenüberstellung der triebspunkt über konstante Druck- und
dungswechsel wesentlich höher als beim Kraftstoffverbrauchswerte verschiedener Temperaturwerte im Saugrohr und Ab-
Dieselmotor. Motorkonzepte im NEFZ zeigt sich das gaskrümmer anhand des Mittelwertmo-
Der energetische Anteil der mecha- größte Verbrauchseinsparpotenzial dells abgebildet. Der Turboladerwir-
nischen Verluste des Ottomotors ist deut- durch Schichtladung mit Aufladung. Die kungsgrad beträgt ηATL = 48 %. Der Druck
lich geringer als der des Dieselmotors. Aufladung dient dabei dazu, geschichte- vor der Turbine wird bei den Verlusttei-
Für den Ottomotor wurde der Reibansatz ten Betrieb auch bei höherer Teillast dar- lungsschritten durch die Anpassung des
nach Fischer [8] und für den Dieselmotor zustellen. effektiven Strömungsquerschnitts der
der Reibansatz nach Schwarzmeier [9] Die Wechselwirkung zwischen dem Turbine jeweils an den gemessenen Wert
verwendet, wobei letzterer bei entspre- Ladungswechsel-Wirkungsgrad und der angepasst. Der Gegendruck bleibt dabei
chender Parametrierung vollständig Abgasturboauf ladung spielt eine we- konstant während der Ladungswechsel-
durch den Fischer-Ansatz ersetzt werden sentliche Rolle bei der Optimierung des Verlustteilung.
kann, womit dieser als universell für bei- Gesamtwirkungsgrades. Daher soll eine
de Motorgattungen gelten kann. neu entwickelte Verlustteilung für den 4.2 Verlustteilungsschritt 1
Die in diesem Beitrag exemplarisch Ladungswechsel im Folgenden aufzei- Durch den Verlustteilungsschritt 1 (un-
für den NEFZ vorgestellte detaillierte gen, welches maximale Wirkungsgrad- endlich schnelles Öffnen und Schließen
Analysemethode ermöglicht es, Wir- steigerungspotenzial in einer optimalen der Ventile bei 180 °KW Öffnungsdauer)
kungsgradverluste und die dadurch be- Gestaltung des Ladungswechsels quali- gelangt zum einen ein höherer Massen-
dingten Arbeitsverluste zu quantifizie- tativ geregelter Motoren mit Abgasturbo- strom zur Turbine als im Referenzpunkt
ren. Dieses Werkzeug eignet sich damit lader liegt. Dies wird beispielhaft an (keine Ventilüberschneidung), womit
sehr gut, um Wirkungsgradpotenziale einem Betriebspunkt eines Einzylinder- die Turbinenleistung ansteigt. Zudem
unterschiedlicher motorischer Konzepte Forschungsmotors (strahlgeführtes ergibt sich durch das Öffnen des Aus-
und Brennverfahren relativ einfach und Brennverfahren) bei höherer Teillast lassventils in UT eine höhere Expansions-
zeitsparend bewerten zu können. (ηLW = 94,6 %) dargestellt. arbeit. Bild 5 zeigt den Zylinderdruckver-

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lauf des Referenzpunktes sowie den Zy-


linderdruckverlauf, der sich aus dem
Schritt 1 ergibt.
Der Ladungswechsel-Wirkungsgrad
steigt geringfügig um 0,1 % gegenüber
dem Ladungswechsel-Wirkungsgrad des
Referenzpunktes an. Der Anstieg des La-
dungswechsel-Wirkungsgrades lässt sich
im Wesentlichen dadurch begründen,
dass die Expansionsarbeit größer ist und
der Ladedruck durch die höhere Turbi- Bild 5: Zylinderdruck von „Auslassventil öffnet“ (AÖ) bis UT für Schritt 1
nenleistung ansteigt. Durch die Verstel-
lung des Zeitpunktes von „Auslassventil
öffnet“ nach UT ist ein deutlicher Ar-
beitsgewinn (schraffierte Fläche) bis UT
zu erkennen.

4.3 Verlustteilungsschritt 2
In Schritt 2 (adiabater Zylinder und Aus-
lasskanal) wird die Prozessrechnung mit
den Ventilhubkurven aus Schritt 1 und
adiabatem Zylinder sowie adiabatem Ab-
gaskrümmer durchgeführt. Dadurch ge-
langt mehr Enthalpie zur Turbine. Die Bild 6: Zylinderdruck von „Auslassventil öffnet“ (AÖ) bis UT für Schritt 2
Enthalpieerhöhung ergibt auf der Ver-
dichterseite eine Ladedruckerhöhung
und eine Massenstromerhöhung. Der La-
dungswechsel-Wirkungsgrad steigt um
0,4 % an, Bild 6.

4.4 Verlustteilungsschritt 3
Im Schritt 3 (ideales Auslassventil) wird
zusammen mit den Annahmen aus
Schritt 1 und Schritt 2 mit einem unend-
lich großen Durchflussbeiwert des Aus-
lassventils (αK-Zahl) gerechnet. Hierbei er-
gibt sich ein idealer Zylinderdruckverlauf Bild 7: Zylinderdruck von „Auslassventil öffnet“ (AÖ) bis UT für Schritt 3
während des Ladungswechsels, Bild 7. Der
Zylinderdruck fällt im UT sofort beim Öff-
nen des Auslassventils auf das Niveau des
Gegendrucks ab. Ein Teil der Masse strömt
unendlich schnell in UT aus. Die restliche
Masse wird anschließend auf dem Niveau
des Gegendrucks ohne den Strömungswi-
derstand der Auslassventile ausgescho-
ben. Der Ladungswechsel-Wirkungsgrad
steigt dadurch um 0,7 % an.

4.5 Verlustteilungsschritt 4
Im Schritt 4 (idealer Abgasturbolader) wird Bild 8: Zylinderdruck von „Auslassventil öffnet“ (AÖ) bis UT für Schritt 4
zusammen mit den Annahmen aus den
Schritten 1 bis 3 unter der Annahme eines
idealen Turboladerwirkungsgrades von
100 % gerechnet. Ausgangspunkt ist ein Der Ladungswechsel-Wirkungsgrad er- 5 Zusammenfassung und Ausblick
Turboladerwirkungsgrad von 48 %, der reicht dabei einen Wert von 106,4 % und
sich aus dem Referenzpunkt ergibt. Die trägt damit zu einer deutlichen Steigerung Das Forschungsinstitut für Kraftfahrwe-
Turbinenleistung ändert sich hierbei nicht der Gesamtarbeit bei. Bild 8 zeigt die ermit- sen und Fahrzeugmotoren Stuttgart
und bleibt auf dem Niveau von Schritt 3. telten Zylinderdruckverläufe. (FKFS) stellte in diesem Beitrag zum FVV-

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Erweiterung der innermotorischen Ver-
lustteilung mit der vorgestellten Verlust-
teilung für den Ladungswechsel ließen
sich umfassende Wirkungsgradanalysen
ermöglichen.

Literaturhinweise
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Wirkungs­grade (∆ηLW) bei unterschiedlichen Prozessannahmen für einen Teillastbetriebs- Nr.12, S. 1010-1018
punkt mit Schichtladung [4] Schommers, J.; Gulde, F. P.; Hoppenstedt, M.;
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Projekt Nr. 875 die innermotorische Ver- mischer Auslasskanal (Portliner), luft- [5] Enginos GmbH: Thermodynamische Analysesoft-
lustteilung auf Basis von Lastkollektiven spaltisolierter (LSI) Abgaskrümmer – lässt ware Tiger. www.enginos.de
vor. Bild 9 zeigt den Verlauf des Ladungs- sich eine Steigerung des Ladungswech- [6] Gamma Technologies, Inc.: 1D Engine Simulation
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Verbrennungsmotoren. Dissertation, Universität
von sich unendlich schnell öffnenden chen. Dies konnte in der Prozessrech- Stuttgart, 2006
Ventilen bei gleichzeitiger Aufhebung nung durch die Betrachtung mit adiaba- [8] Fischer, G. D.: Expertenmodell zur Berechnung der
der Ventil­überschneidung lässt sich der tem Zylinder und Krümmer ermittelt Reibungsverluste von Ottomotoren. Dissertation,
Ladungswechsel-Wirkungsgrad um 0,1 % werden. Durch den Einsatz strömungs- Technische Universität Darmstadt, 2000
steigern. In der Praxis ließe sich dies an- optimierter Ventile auf der Auslassseite [9] Schwarzmeier, M.: Der Einfluß des Arbeitsprozeß-
verlaufs auf den Reibmitteldruck von Dieselmotoren.
nähernd mit einem elektromagne- (höherer Durchflusskoeffizient) kann ei-
Dissertation, Technische Universität München, 1992
tischen beziehungsweise elektrohydrau- ne maximale Wirkungsgradsteigerung [10] Kuberczyk, R.; Bargende, M.: Investigation into Effi-
lischen Ventiltrieb umsetzen. von 0,7 % erreicht werden. ciency Increasing Measures on SI-Engines. Procee-
Durch den zusätzlichen Einsatz Durch eine Optimierung des Turbo­ dings, 8th International Stuttgart Symposium,
wärme­isolierter Abgaskrümmer – kera- laderwirkungsgrades (zum Beispiel durch Stuttgart, Germany, 2008
ein zweistufiges Aufladekonzept) kann [11] Woschni, G.: Beitrag zum Problem des Wärmeüber-
gangs im Verbrennungsmotor. In: MTZ Motortech-
die höchste Wirkungsgradsteigerung von
nische Zeitschrift 31 (1970), Nr. 12, S. 491-499
10,6 % erreicht werden. Eine zwei­stufige
Danksagung [12] Bargende, M.: Ein Gleichungsansatz zur Berech-
Aufladung ist demnach nicht nur für ein nung der instationären Wandwärmeverluste im
besseres Ansprechverhalten des Motors Hochdruckteil von Ottomotoren. Dissertation, Tech-
Die Autoren möchten sich sehr herzlich bei
von Bedeutung, sondern erlangt auch ei- nische Hochschule Darmstadt, 1991
der Forschungsvereinigung Verbrennungs-
ne wichtige Bedeutung zur Steigerung [13] Huber, K.: Der Wärmeübergang schnellaufender,
kraftmaschinen e. V. (FVV, Frankfurt/Main) direkt einspritzender Dieselmotoren. Dissertation,
bedanken, die das Projekt Nr. 875 durch des Ladungswechsel-Wirkungsgrades bei
Technische Universität München, 1990
­E igenmittel finanziert hat. Des Weiteren Teillast qualitativ geregelter Motoren mit [14] Zapf, H.: Beitrag zur Untersuchung des Wärme­
möchten die Autoren sich beim Initiator des Abgasturbolader. übergangs während des Ladungswechsels im
Projekts, Dr. techn. Dipl.-Ing. Herwig Richter Die in diesem Beitrag vorgestellte La- ­Viertakt-Dieselmotor. In: MTZ Motortechnische
der Porsche AG, sowie beim Obmann Dr.-Ing. dungswechsel-Verlustteilung eignet sich Zeitschrift 30 (1969), Nr. 12, S. 461-465
Andreas Grote von der Volkswagen AG für für die Charakterisierung von Wirkungs-
die sehr gute Betreuung bedanken. Ein be- gradsteigerungsmaßnahmen des La-
sonderer Dank geht an den gesamten FVV- dungswechsels qualitativ geregelter Mo-
Arbeitskreis, der mit seinen wichtigen Impul- toren mit Abgasturbolader. Durch den Download des Beitrags unter
sen und Anregungen die erfolgreiche Bear- gewählten Rechenansatz über das Mittel- www.MTZ-online.de
beitung ermöglicht hat. wertmodell ist ein Online-Einsatz mög- Read the English e-magazine.
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MTZ 01I2009 Jahrgang 70 89

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