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Jung, c. G. & Kereny, K. (1941). Einführung in das Wesen der Mythologie. Amsterdam: Pantheon.
rung zu erschließenden Welt abzugrenzen ver- ein Problem gestoßen, das in diesen Auseinander-
sucht. Die Lehre von der Welt der Erfahrung setzungen eine zentrale Rolle spielt: Das Auftre-
wurde Physik genannt, die Lehre von der Welt ten angeborener Kognitionen. Einschlägige Bei-
der Vernunft aber - nun in einem neuen Sinne spiele lieferte die Beobachtung von instinktivem
(vgl. dagegen Kap. 3.1.1) - Metaphysik. Verhalten. So reagieren Kinder und Erwachsene
Gegen ein Jenseits der Erfahrung. Vorgegebene mit Angst-, Flucht- und Abwehrreaktionen auf
Wahrheiten und vorgegebene Werte nachzuwei- den Anblick von Schlangen, selbst wenn sie noch
sen - dieses Unternehmen beeindruckte zwar als keine Erfahrung mit Schlangen und deren Biss
hohe Schule der Vernunftkritik. Doch waren die besitzen. Sollten sie das Bild der Schlange mit
Ergebnisse dieser Bemühungen keinesfalls für alle dem zugehörigen Reaktionsprogramm bereits
überzeugend und einvernehmlich. Kritiker verur- von Geburt an kennen? Oehman und Mineka
teilten die Transzendentalphilosophie teils als (2003) haben Belege für die Annahme gesammelt:
inhaltsleer, teils als willkürlich. Das Gegenpro- Das junge Gehirn wird sogleich bei seiner Entste-
gramm war: Erkenntnis und Moral aus Erfahrung hung mit dem Bild der Schlange und dem zuge-
herzuleiten. Begriffe wie Kausalität, Zeit oder hörigen Schutzprogramm ausgestattet. Eine sol-
Zahl ließen sich als natürliche Sachverhalte auf- che Erklärung steht in klarem Gegensatz zu der
fassen, die sich die Kognition durch Erfahrung Auffassung, jedes Individuum erwerbe sein Wis-
und nur durch Erfahrung aneignet. Entsprechend sen und Können im Laufe seines Lebens durch
lässt sich der Begriff des Guten aus dem Erleben eigene Erfahrung.
von Lust und Unlust ableiten. Den Standpunkt, Erfahrung bilde die Quelle
Gerade innerhalb der Psychologie sammelten des Wissens und Könnens, nennt man Empiris-
sich Forscher, die sichere Erkenntnis auf Beo- mus; den Gegenstandpunkt, der Wissen und
bachtung gründen wollten. Sie erklärten das Können für angeboren hält, bezeichnet man als
Nachdenken über ein Vorab und Jenseits der Nativismus (lat. nativus: angeboren). Den neu-
Erfahrung zu einer unergiebigen Spekulation. In zeitlichen Nativismus kann man als Nachfolger
diesem Sinne suchten sie ihr neues Fach von Me- der Transzendentalphilosophie betrachten. Auch
taphysik abzugrenzen. Nativismus unterstellt ein Jenseits der Erfahrung;
Nativismus: Versöhnung mit der Transzenden- doch er beschränkt seine Aussagen ausdrücklich
talphilosophie? Bei den scharfsinnigen Ausei- auf das Individuum. Die Vorkenntnis, welches er
nandersetzungen über Vorbedingungen mensch- annimmt, ist jenseits der individuellen Erfahrung.
licher Erfahrung und Moral sind Vertreter der Und diese Vorkenntnis schwebt nicht in einem
Psychologie eher Zaungäste geblieben. Doch in Ideenhimmel, sondern ist eingekerbt in den
ihren Untersuchungen sind sie immer wieder auf Hirnstrukturen, welche frühere Generationen an
Zusammenfassung
(1) Metaphysik im ersten Sinne ist die Lehre von (5) Metaphysik im zweiten Sinne ist die Lehre
übernatürlichen Welten. Dazu zählen Reli- von den Voraussetzungen der Erkenntnis
gionen. Die wissenschaftliche Behandlung und der Sittlichkeit, die jenseits der Erfah-
der Religionen obliegt der Theologie sowie rung liegen (Transzendentalphilosophie).
der Religionswissenschaft. (6) In der modernen Psychologie gibt es die
(2) Die moderne Psychologie versteht sich vor- Tendenz, alles Wissen und Können auf indi-
zugsweise als Lehre vom naturgegebenen viduelle Erfahrung zurückzuführen (Empi-
Leben. Sie grenzt sich daher von Religions- rismus); danach ist Metaphysik auch im
lehren ab. zweiten Sinne abzulehnen.
(3) Religionen kann man als Erscheinungen des (7) Daneben ist in der Psychologie auch eine
menschlichen Denkens betrachten. Insofern Richtung vertreten, die angeborenes Wissen
werden ihre Inhalte zum Gegenstand der Re- und Können annimmt (Nativismus); indem
ligionspsychologie. sie angeborenes Wissen als Voraussetzung
(4) Praktische Seelsorge in Religionsgemeinschaf- für Erfahrung deutet, nähert sie Psychologie
ten weist Gemeinsamkeiten mit Psychothera- der Metaphysik im zweiten Sinne an.
pie sowie mit fachpsychologischer Lebens- (8) Man trifft zudem die Auffassung: Es gibt
und Krisenberatung auf. Die psychologische Geistwesen und geistige Kräfte; diese sind
Betrachtung der Seelsorge in Religions- natürliche Erscheinungen, welche noch
gemeinschaften bezeichnet man als Pastoral- nicht ausreichend erforscht sind. Der Klä-
psychologie. rung dieser Auffassung widmet sich die
Parapsychologie.
Lebenswissenschaften
Diese Einführung bezeichnet die Psychologie Naturwissenschaften nehmen hervorragende
beharrlich als Lebenswissenschaft. Dieser Begriff Plätze unter den Lebenswissenschaften ein. Der
beflügelt seit der Wende zum neuen, zum dritten traditionelle Verbund aus Botanik und Zoologie
Jahrtausend die Diskussion über die Zukunft des wird schon längst als Biologie bezeichnet. Die
Wissens. Der Begriff der Lebenswissenschaften traditionelle Biologie hat durch zahlreiche Koa-
(auch Biowissenschaften, engl. life sciences, bio- litionen mit anderen Naturwissenschaften neue
sciences) wird meist im Plural gebraucht. Das Disziplinen hervorgebracht - wie die Biochemie,
bringt zum Ausdruck: Lebenswissenschaft ist als die Biophysik und die Bioinformatik.
Gemeinschaftsunternehmung gedacht; mehrere Kulturwissenschaften fallen im Verbund der
bislang getrennt arbeitende Disziplinen sollen Lebenswissenschaften ebenfalls wichtige Aufga-
sich daran beteiligen. Was hier gemeinschaftlich ben zu. Doch sie schließen sich diesem Verbund
erforscht werden soll, umfasst bisher nur zögerlich an. Entsprechend unein-
~ Makrosysteme, Lebensräume im Maßstab von heitlich verhält sich die Psychologie; zu den
Regionen, der gesamten Erde, ja sogar extrater- Lebenswissenschaften bekennt sie sich stärker
restrischer Gebiete, mit ihren naturwissenschaftlichen als mit ihren
~ Mikrosysteme, kleinteilige Mechanismen wie geistes- und sozialwissenschaftlichen Ansät-
Zellen und Nukleinsäuren. zen.
Wilson, E.O. (2000). Die Einheit des Wissens, übersetzt von Y. Badal. München: Goldmann.
Zusammenfassung
(1) Natur nennt man den von Menschen unbe- Gattungen von Lebewesen, Ethologie mit
einflusst gebliebenen Teil der Welt. Die leb- dem arteigenen Verhalten, Anatomie mit
lose und lebende Natur ist Gegenstand der dem Aufbau des Körpers und seinen Orga-
Naturwissenschaften. Naturwissenschaftlich nen, Physiologie mit deren Arbeit. Endo-
orientierte Psychologie untersucht (meist an krinologie, ein Gebiet der Biochemie, be-
Individuen) grundlegende Funktionen (wie schäftigt sich mit dem Hormonsystem.
Sinnesempfindungen), die im sozialen Leben (3) Zweige der Psychologie, welche ausdrück-
vergleichsweise wenig überformt wurden. lich Brücken zu den Naturwissenschaften
(2) Wichtige Partner der Psychologie unter den schlagen, sind: Tierpsychologie (Verglei-
Naturwissenschaften sind: (Biologische) chende Psychologie), Biologische Psycho-
Anthropologie, Zoologie, Ethologie (Verhal- logie, Psychoendokrinologie, Genetische
tensbiologie), Anatomie, Physiologie, Hirn- Psychologie (Verhaltensgenetik) . Eng ver-
forschung, Biochemie, Endokrinologie, Gene- flochten sind Neuropsychologie und Hirn-
tik. Zoologie befasst sich insbesondere mit forschung.
Abbildung 3.5. Gedächtnis und Erinnern gehören zu den zentralen Problemen der Anthropologie. Die moderne Psy-
chologie hat aus ihrer Untersuchung eines ihrer fruchtbarsten Forschungsgebiete gemacht. Doch ist die Psychologie
nicht die einzige Disziplin, welche dieses Thema aufgegriffen hat. Alle Kulturwissenschaften nehmen Anteil daran. Der
links wiedergegebene Text über das Gedächtnis stammt von dem Philosophen Schmidt- Biggemann (1992, S. 16 f,
Faksimile). Der Autor hat ihn aufgeschrieben als "philosophischen Reisebericht", als Mitteilung der "Erfahrungen des
flanierenden Geistes in philosophischen Sinnlandschaften" (Schmidt-Biggemann, 1992, S. 9). Den rechts wiedergegebe-
nen Text hat die Literaturwissenschaftlerin Aleida Assmann (1999, S. 33, Faksimile) verfasst. Er ist Teil ihrer Abhand-
lung über Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, in welchem sie "Erinnerungsräume" behandelt-
Archive und Medien, Denkmäler und Gedenkorte
Philologien lehren die Besonderheiten von oder Nominativ für die Rolle des Handelnden,
Sprachsystemen unterschiedlicher Herkunft und 2. Fall oder Genitiv für die Rolle des Besitzenden
verschiedenen Alters - z.B. Germanistik die ger- usw.). Die Sprachwissenschaft hat sich über ver-
manischen Sprachen (Deutsch, Niederländisch schiedene Zweige ausgedehnt. So untersucht der
u.Ä.), Romanistik die romanischen Sprachen Zweig der Pragmalinguistik (griech. pragma:
(Französisch, Italienisch u.Ä.), Sinologie das Chi- Handlung) die Beziehung der Sprache zur
nesische, Latinistik das antike Latein. Zugleich Sprechsituation bzw. den Absichten des Spre-
befassen sie sich mit dem Sprachwandel, d.h. der chers. Sprachliche Äußerungen werden dann als
Änderung von Wortbedeutungen und syntakti- (Sprech)handlungen gedeutet, mit denen ein
schen Regeln über längere Zeiten. Sprecher seine Ziele erreichen will: als Bitte, die
Die Allgemeine Sprachwissenschaft oder Lin- ein Entgegenkommen des Partners anstrebt, als
guistik sucht nach Theorien, welche einzelne Versprechen, das ein Entgegenkommen des Spre-
Sprachsysteme sowie einzelne Epochen übergrei- chers zusichert, u.Ä.
fen; sie behandelt die Struktur der (gesproche- Sprachpsychologie. Sprache ist auch für die Psy-
nen) Sprache überhaupt. So schafft sie Grundla- chologie ein maßgebliches, unverzichtbares und
gen für die oben getroffenen Unterscheidungen unerschöpfliches Thema. Mindestens vier Grün-
von sprachlichen Einheiten und gibt Antworten de für die psychologische Bedeutsamkeit der
auf Fragen wie: Was ist ein Morphem? Was ist ein Sprachanalyse sind zu nennen. Erstens, stellen
Satz? Weiterhin bestimmt sie die Regelungen der sich Inhalte des Bewusstseins bevorzugt IJ1
Syntax bzw. Grammatik - z.B. die Deklination sprachlicher Form dar. Phantasievorstellungen,
von Wörtern nach ihrer Rolle im Satz (1. Fall Gefühle u.Ä. lässt sich der Untersucher am ein-
die Aufklärung von früherer Schuld und frühe- (z.B. ob Verdi sein Requiem in Erwartung seines
rem Leid soll Beteiligte von Schuld- und Trauer- eigenen Todes schrieb).
gefühlen befreien. Umgekehrt heben Berichte Künstler gelten oft als geniale Psychologen;
über Erfolge und Wohltaten früherer Generatio- ihre Charakterisierung von Personen, ihre Ent-
nen oft das Selbstbewusstsein und das Wohlbe- würfe von Situationen und Handlungen enthül-
finden der Nachkommen. len oft tiefe und originelle Erkenntnis der
Literatur- und Kunstgeschichte. Sämtliche Kunst- menschlichen Natur und kultureller Eigenarten.
werke - Erzählungen und Gedichte, Lieder, Tänze Literatur- und Kunstwissenschaftier, die ihre
und Instrumentalmusik, Gemälde und Plastiken Werke analysieren, stehen Künstlern an Men-
- werden als Zeugnisse von Kulturen gepflegt, in schenkenntnis nicht nach, ja suchen sie sogar
Erinnerung gehalten und Deutungen unterwor- noch zu übertreffen. Macht Kunstbetrachtung
fen. Wissenschaft spielt in der Dokumentation also Psychologie entbehrlich? Wissenschaftliche
und Deutung von Kunst eine bedeutende Rolle, Psychologie weist zumindest zwei Vorzüge auf:
wobei verschiedene Zweige sich unterschiedlicher Realitätsnähe und Systematik. Realitätsnähe: Ihre
Arten von Kunstwerken annehmen. Schwerpunk- Untersuchungen erstrecken sich unmittelbar auf
te in der Literatur- und Kunstbetrachtung sind lebende Personen, während die Kunst freie
Topik (griech. topos: Thema) und Struktur von Nachbildungen der Wirklichkeit, mitunter sogar
Kunstwerken (z.B. Liebe als Thema von Roma- Erfindungen der Phantasie, Fiktionen, pflegt.
nen, das Sonett als Versform), deren Wandel Systematik: Kunst stellt in der Regel Einzelfälle
über Epochen (z.B. Entwicklung der Malerei vom dar. Die künstlerische Darstellung muss offen
Klassizismus bis zum Impressionismus), ihre lassen, wie verbreitet solche Einzelfälle sind und
Beziehung zu ihren Autoren sowie deren Umfeld unter welchen Bedingungen sie zustande kom-
Zusammenfassung
(1) Unter Kultur versteht man die von Men- pologie, Logik, Erkenntnistheorie), Sprach-
schen geschaffene Welt. Dem Menschen wissenschaft (Linguistik, alte und neue
zugeschrieben werden dabei geistige und Sprachen), Geschichtswissenschaft, Kunst-
soziale Errungenschaften wie Sittlichkeit wissenschaft (Literatur, Malerei u.a.).
und Erkenntnis, Sprache und Kunst, Staat, (4) Soziale Institutionen (Familie, Verbände,
Wirtschaft und Recht, Erziehung und über- Staat, Wirtschaft) werden in den Sozialwis-
haupt gesellschaftliche Ordnung. senschaften erforscht. Wichtige Partner der
(2) Wissenschaften, die geistige und soziale Er- Psychologie unter den Sozialwissenschaften
scheinungen erforschen, trennt man in Geis- sind: Soziologie, sowie - auf zentrale Berufs-
tes- und Sozialwissenschaften. Oft werden felder zugeschnitten - die Staats-, Rechts- und
sie neuerdings als Kulturwissenschaften zu- Wirtschaftswissenschaften. Pädagogik (Erzie-
sammengefasst. Psychologie, die sich jenen hungswissenschaft) und Ethnologie (Völker-
Wissenschaften anschließt, wird entspre- kunde) werden hier ebenfalls den Sozialwis-
chend als geistes-, sozial- oder kulturwissen- senschaften zugerechnet.
schaftlich bezeichnet. (5) Die Psychologie unterhält Brückenfächer zu
(3) Geisteswissenschaften behandeln die Pro- zahlreichen sozialwissenschaftlichen Diszip-
dukte menschlicher Intelligenz. Wichtige linen. Als wichtige Beispiele sind zu nennen:
Partner der Psychologie unter den Geistes- Sprachpsychologie (Psycholinguistik), So-
wissenschaften sind: Philosophie (Anthro- zialpsychologie und Kulturvergleichende