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Philosophy, Phenomenology, Sciences

ich oben schon von ihm bernommen habe. Mit Glaube ist hier ein
ungegenstndliches Vertrauen darauf gemeint, dass wir uns auf die universale Bewhrbarkeit und Erreichbarkeit von Einstimmigkeit mit vlliger
Sicherheit verlassen knnen.
Aber dann stellt sich die Frage: Warum ist es eigentlich notwendig,
die Bewhrbarkeit und Erreichbarkeit von Einstimmigkeit eigens durch
ein solches Vertrauen abzusichern? Es liegt doch schon in der Natur der
Intentionalitt, dass wir mit der Mglichkeit von Erfllung und der Erreichbarkeit von Einstimmigkeit rechnen. Aber hier ist zu bedenken, dass
auch der Widerstreit zur Grunderfahrung des intentionalen Bewusstseins
gehrt: Stndig erleben wir, dass das, was wir aktuell erfahren, einer Vorzeichnung aus der bisherigen Erfahrung widerspricht und eine neue Evidenz nicht mit einer alten Evidenz harmoniert. Deshalb sagt Husserl in
dem erwhnten E III 4-Forschungsmanuskript: . . . das menschliche Leben verluft im Widerspruch, im stndigen Widerstreit der Evidenzen
(Ms.-S. 35 b).
Allerdings bedarf es hier einer Differenzierung: Ein Groteil der neuen Evidenzen, die einer vorangegangenen Evidenz widerstreiten, lsst sich
trotz ihres zunchst berraschenden Charakters doch harmonisch in den
Erfahrungszusammenhang integrieren. Um auf ein Beispiel aus Erfahrung
und Urteil zurckzugreifen: Ich mag bei einem ruhenden roten Ball erwarten, dass auch die mir jetzt verborgene Rckseite rot ist, und werde dann
bei einer Bewegung des Balles davon berrascht, dass er eine grne Rckseite hat. Aber diese berraschung ist kein Bruch mit meiner bisherigen
Erfahrung, weil in deren Horizont schon die Mglichkeit beschlossen lag,
dass der Ball, weil er berhaupt eine Farbe hat, an mir bisher unbekannten Stellen eine Farbe zeigt, die mit der von mir aktuell gesehenen Farbe
nicht bereinstimmt. Fr alle Beispiele dieser Art gilt Husserls These, dass
es keine berraschungen gibt, durch die ich mit etwas fr mich schlechthin Neuem konfrontiert wrde. Aber im Bereich der Erfahrung, die ich
zusammen mit anderen Subjekten mache, sieht es anders aus.
Angenommen, ich nehme ein mir bisher unbekanntes Ding wahr, das
auch ein Anderer gegenwrtig sieht, aber von einer anderen Seite aus. Es
ist unmglich, dass ich die Abschattung, in der das Ding aktuell dem An-

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