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Jochen Möller Kokosrepublik Abends Lassen Wir Uns
Jochen Möller Kokosrepublik Abends Lassen Wir Uns
Kokosrepublik
Abends lassen wir uns immer Cocktails kommen. Wir huldigen dem
Luxusblau des Ozeans, angenehm allein gelassen. Es passt uns, dass die
Inselregierung hier auch nach Jahrzehnten Entwicklungshilfe nur eine
Schotterpiste zuwege gebracht hat: Unser Hotel versteckt sich als
Geheimtipp im Palmenwald der Ostküste, während über den Westen
Pauschalisten herfallen.
Der Hotelmanager nennt sich „Sammy“. Er macht sich für Ausflüge in
den Westen stark, doch was interessiert uns verwahrlostes „Weltkul-
turerbe“, wenn wir gleich nebenan durch ein Hüttendorf streunen kön-
nen? An einem wackeligen Kiosk bekommen wir Cola zum Spottpreis.
Am Strand rackern Dorffrauen im Anbau von Algen, schwitzen für Kos-
metikkonzerne, waten durch salzigheiße Ebbetümpel. Danach beginnt
das einsamste Inselstück – unser Strand.
Am letzten Abend zeigt Elli mit ihrem Strohhalm zum Horizont. „Wir
sollten mal raus schwimmen zu dem Fels da!“ Ich sehe nicht, was wir auf
so einem Brocken verloren haben. Die Dämmerung setzt schon ein, eine
fahle Mondsichel tritt hervor. Doch Elli lockt mich solange mit Ideen von
Nacht- und Nacktschwimmen, bis ich mitspiele.
Das Meer hüllt uns ein wie Samt. Wir schwimmen auf dem Rücken,
damit uns der Sonnenuntergang hinter den Palmen nicht entgeht. Gerade
kehrt ein Fischerboot zum Dorf zurück. Die Pflanzerinnen sind ver-
schwunden, um für ihre Männer Maisbrei zu kochen. Unsere letzten
Meter ziehen sich. Wir keuchen auf das Inselchen zu und feuern uns an,
sagen uns, was wir auf dem nackten Fels tun wollen. Danach ver-
schnaufen wir Rücken an Rücken im letzten Licht.
Als wir wieder zurückschwimmen, gibt das Hotel wie ein Billigspiel-
zeug den Geist auf – Stromausfall. In der Ferne empört sich irgendwo ein
Kläffer, und wir – treiben in Finsternis. Verdammt! „Kannst Du das Land
erkennen?“ Ich flüstere plötzlich, als fürchte ich, eine Strömung könnte
uns als Beute entdecken. Elli lacht sogar: „Uns sieht jetzt wenigstens
keiner nackt!“ Sie wirkt so cool, dabei könnte sie jeden Moment ein Spuk
in die Tiefe reißen. Das bisschen Mond ist kein Trost, und Brandungs-
rauschen nicht mal zu erahnen. Ich spüre, wie die Angst meinen Körper
schwer macht, wie mir die Beine tief im schwarzen Samt hängen. Da un-
ten lauert es kalt. Immer wieder rutschen wir über die Wellenberge zu-
rück. Der Seegang zieht uns stetig wieder ins offene Meer. Wenn wir
richtig liegen, wo das ist, offenes Meer. Wenn nicht, schwimmen wir
gerade raus ins Nichts.
Als vor uns plötzlich eine unbeleuchtete Jacht dümpelt, greifen wir
gierig nach der Ankerkette. Männer reichen Säcke in ein Schlauchboot,
das die letzte Strecke zum Ufer nimmt. Kein Wort jetzt! spüren wir. Die
Brandung ist von hier aus endlich leise zu hören. Als wir wieder Atem
haben, schwimmen wir schräg zu dem Schlauchboot an Land.