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Abschiedstafel

So rckt denn in die Runde!


Es schleicht die Zeit im Dunkeln,
Sie soll uns rstig finden
Und heiter, stark und gut!
Gar viel ist zu vollbringen,
Gar vieles mu milingen.
So mag die letzte Stunde
Nachleuchten uns und funkeln!
Wo unsre Pfad sich winden,
Wir sind in Gottes Hut.
Dem Bruder meines Lebens,
Der, fern, mit mir zusammen,
Sei denn aus Herzensgrunde
Das erste Glas gebracht!
Ich brauch ihn nicht zu nennen,
Er aber wird mich kennen.
Viel Land trennt uns vergebens,
Ihm soll dies Wort, die Stunde,
Durch alle Adern flammen,
Wie ich an ihn gedacht!
Zu dir nun, heitre Schne,
Wend ich mich voll Gedanken.
Wie sie zu dir sich wenden,
Mu ich so frhlich sein.
So weit Poeten wohnen,
So weit der Wlder Kronen,
So weit kunstreiche Tne
Die heiteren Gedanken
Und Himmelsgre senden:
Ist alles mein und dein.
La nie die Schmach mich sehen,
Da auch dein Herz, der Lge
Des andern Volks zum Raube,
Bereuend feig und hohl,
An Licht und Schmuck mag zagen!
Nicht wahr ist, was sie sagen:
Da Lieb und Lust vergehen,
Nicht wahr, da uns betrge
Der schne, freud'ge Glaube,
Und also lebe wohl!
Ihr aber, klug Gesellen,
Die hier mit in dem Kreise,
Wohl qult ihr mich seit Jahren
Mit weisem Rat und Wort.
Stot an, es sei vergessen!
Im Meere, ungemessen,
Sind viele tausend Wellen
Und tausend Schiffe fahren,
Ein jedes seine Reise,
Komm jedes in seinen Port!
Vom Berg hinabgewendet,
Seh ich die Strme, Zinnen,
Der Liebsten Schlo darunter
Nun, Morgenlohe, hlle

In Glorie dein Reich!


Dir, tieflebend'ge Flle,
Schleudr ich das Glas hinunter,
Mir schwindeln alle Sinnen,
So wend ich mich geblendet,
Gott segne dich und euch!
Joseph Freiherr von Eichendorff
Aus der Sammlung Zeitlieder

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