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Orthopädische Trennverfahren

unter besonderer Berücksichtigung des


Strahlschneidens

Habilitationsschrift

Dr. med. Matthias Honl

Technische Universität Hamburg-Harburg


Forschungsschwerpunkt 5
Werkstoffe – Konstruktion – Fertigung
für meine Eltern
V

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis V
Abbildungsverzeichnis X
Tabellenverzeichnis XV
Abkürzungsverzeichnis XVI

1 Einleitung 1

2 Verfahren bei Operationen 3


2.1 Klassische Verfahren 3
2.1.1 Stand der Technik 3
2.1.2 Probleme konventioneller Trennverfahren 4
2.2 Druckwasserstrahltechnik 6
2.2.1 Definition 6
2.2.2 Druckwasserstrahltechnik in der Medizin 6

3 Probleme bei orthopädischen Operationen 9


3.1 Ziel einer Operation 9
3.2 Empirisches Modell zu Trennprozessen bei einer Operation 9
3.3 Nukleotomie 12
3.3.1 Operative Verfahren 12
3.3.2 Anatomie und Gewebstypisierung 14
3.3.3 Vorüberlegungen zur Anwendung eines Druckwasserstrahls 15
3.4 Endoprothesenrevision 16
3.4.1 Operative Verfahren 17
3.4.2 Gewebs- und Materialtypisierung 19
3.4.3 Vorüberlegungen zur Anwendung eines Druckwasserstrahls 20
3.5 Endoprothesenimplantation und Osteotomie 21
3.5.1 Operative Verfahren 21
3.5.2 Gewebstypisierung 23
3.5.3 Vorüberlegungen zur Anwendung eines Druckwasserstrahls 24

4 Zielsetzung 25
4.1 Offene Fragen 25
4.2 Ziel des Projekts 25
4.3 Von der Idee zur klinischen Anwendung 25
4.4 Experimentelle Vorgehensweise 26

5 Druckwasserstrahl-Verfahrenstechnologie 27
5.1 Allgemeine Grundlagen 27
5.2 Druckwasserstrahl 27
5.2.1 Wirkungsgrad 28
5.2.2 Strahlgeschwindigkeit 29
VI Inhaltsverzeichnis

5.2.3 Wasserdurchsatz 29
5.2.4 Hydraulische Leistung 30
5.2.5 Wechselwirkung des Strahls mit der Umgebung 30
5.2.6 Werkstoffbeanspruchung 31
5.2.7 Mechanismen des Materialabtrags 32
5.2.8 Erzeugungsorientierte Parameter 34
5.2.9 Prozessorientierte Parameter 34
5.3 Diskontinuierlicher Druckwasserstrahl 35
5.3.1 Erzeugung der Strahldiskontinuität 36
5.3.2 Erzeugungsorientierte Parameter 37
5.3.3 Prozessorientierte Parameter 37
5.4 Abrasivdruckwasserstrahl 38
5.4.1 Wasserabrasivinjektorstrahl 38
5.4.2 Wasserabrasivsuspensionsstrahl 39
5.4.3 Abrasivparameter 41
5.4.4 Mechanismen des Materialabtrags 42
5.4.5 Erzeugungsorientierte Parameter 43
5.4.6 Prozessorientierte Parameter 45
5.5 Modellierung des DWS-Trennens 46
5.5.1 Modelle für den Druckwasserstrahl 47
5.5.2 Modelle für den diskontinuierlichen Druckwasserstrahl 49
5.5.3 Modelle für den Abrasivdruckwasserstrahl 50
5.5.4 Modelle als Ersatz für Schnittversuche 51
5.5.5 Empirisches Modell des DWS-Trennens bei einer Operation 51

6 Material und Methode der Projektphasen 1 54


6.1 Probengewinnung 54
6.1.1 Weichgewebe 54
6.1.2 Hartgewebe Knochen 54
6.1.3 Knochenzement 55
6.2 Bioabrasivstoffe 55
6.3 Druckerzeugung 57
6.3.1 Pumpe für Weichgewebeversuche 58
6.3.2 Pumpe für Versuche mit Knochen und Knochenzement 58
6.4 Strahlköpfe 59
6.4.1 Düsen für Weichgewebe 59
6.4.2 Düsen und Strahlköpfe für Knochen und Knochenzement 60
6.5 Vorschubeinrichtungen 61
6.5.1 Vorschubeinrichtung für Weichgewebeversuche 61
6.5.2 Vorschubeinrichtung für Versuche mit Knochen und Knochenzement 61
6.6 Bestimmung der Zielparameter 62
6.6.1 Untersuchungen an Weichgewebe 62
6.6.2 Untersuchungen an Knochen und Knochenzement 62
6.6.3 Schnittfugengeometrie 62
6.7 Statistische Methoden 63

7 Nukleotomie – Projektphase 1 64
VII

7.1 Auswahl der Strahltechnik 64


7.2 Parametereingrenzung 64
7.2.1 Material und Methode 64
7.2.2 Ergebnis 64
7.2.3 Diskussion 66
7.2.4 Schlussfolgerung 66
7.3 Weitere Kerbversuche 67
7.3.1 Material und Methode 67
7.3.2 Ergebnis 67
7.3.3 Schädigung 70
7.3.4 Diskussion 73
7.4 Kerbtiefenmodelle der Weichgewebebearbeitung 78
7.4.1 Empirisches Modell 78
7.4.2 Analytisches Modell 79
7.5 Schlussfolgerung 82

8 Nukleotomie – Projektphase 2 83
8.1 Instrumente für die Druckwasserstrahl-Nukleotomie 83
8.2 Vergleich des Materialabtrags 84
8.2.1 Problem 84
8.2.2 Material und Methode 85
8.2.3 Ergebnis 86
8.2.4 Diskussion 86
8.2.5 Schlussfolgerung 86
8.3 Vergleich der Biomechanik 86
8.3.1 Problem 86
8.3.2 Material und Methode 87
8.3.3 Ergebnis 88
8.3.4 Diskussion 89
8.3.5 Schlussfolgerung 90

9 Nukleotomie – Projektphase 3 93
9.1 Problem 93
9.2 Material und Methode 93
9.3 Ergebnis 94
9.4 Diskussion 96
9.4.1 Schädigung 96
9.4.2 Schmerztherapie als Operationsziel 97
9.4.3 Ergebnisse bekannter Verfahren 97
9.5 Schlussfolgerung 98

10 Endoprothesenrevision – Projektphase 1 99
10.1 Druckwasserstrahl 99
10.1.1 Material und Methode 99
10.1.2 Ergebnis 99
10.1.3 Diskussion 100
VIII Inhaltsverzeichnis

10.1.4 Kerbtiefenmodelle 102


10.1.5 Schlussfolgerung 104
10.2 Diskontinuierlicher Druckwasserstrahl 105
10.2.1 Material und Methode 105
10.2.2 Ergebnis 105
10.2.3 Diskussion 107
10.2.4 Schlussfolgerung 109
10.3 Abrasivdruckwasserstrahl 110
10.3.1 Orientierende Kerbversuche 110
10.3.2 Untersuchungen zu Partikelhärte und Abrasivmassenstrom 117

11 Kerbtiefenmodelle des Abrasivdruckwasserstrahls 125


11.1 Empirisches Modell 125
11.2 Analytisches Modell 125
11.3 Validierung durch weitere Kerbversuche 128
11.4 Erweiterung des Modells 129

12 Validierung an humanen Biomaterialien 133


12.1 Material und Methode 133
12.2 Ergebnis 133
12.3 Anwendung der Kerbtiefenmodelle 135
12.4 Diskussion 136
12.5 Schädigung bei der Endoprothesenrevision 138
12.6 Schlussfolgerung 139

13 Endoprothesenimplantation und Osteotomie – Projektphase 1 141


13.1 Problem 141
13.2 Material und Methode 141
13.3 Ergebnis 142
13.4 Diskussion 144
13.5 Modellierung 148
13.6 Schlussfolgerungen 148

14 Schlüsse der Modellbildung 151


14.1 Empirische Kerbtiefenmodelle 151
14.2 Analytische Kerbtiefenmodelle 151
14.3 Empirisches Modell zu Trennprozessen bei einer Operation 152

15 Schlussbemerkung und Ausblick 155

16 Zusammenfassung 157
IX

17 Literatur 160

18 Glossar 189

19 Anhang 197
19.1 Gleichungen 197
19.2 Vorversuche 200
19.2.1 Vergleich potenzieller Bioabrasivstoffe 200
19.2.2 In-vitro-Prüfung des Instrumentariums für die DWS-Nukleotomie 201
19.2.3 Volumenbestimmung 203
19.2.3 Volumenbestimmung 203
19.3 Paravertebrale Weichgewebe im histologischen Bild 205
19.4 Eigenschaften der Materialien und Abrasivstoffe 208
19.4.1 Hartgewebe Kortikalis 208
19.4.2 Knochenzement 208
19.4.3 Technische Abrasivstoffe 209
19.4.4 Eigenschaften der Bioabrasive 209
19.5 Verfahren zur Härtebestimmung 213
19.6 Details zu Methoden zur Druckerzeugung 214
19.7 Schüttgutförderung 217
19.7.1 Schüttgüter 217
19.7.2 Förderung abrasiver Feststoffe 217
19.7.3 Zusammenfassung 220
19.8 Histologische Techniken 221
19.8.1 Allgemeine Übersicht 221
19.8.2 Histologische Färbeverfahren 222
19.9 Unabhängige und abhängige Variablen 224
19.10 Details zum biomechanischen Vergleich 224
19.11 Methoden zur Erfolgsbeurteilung 226
19.12 Statistische Sicherheit der empirischen Modelle der Weichgewebebearbeitung 229
19.13 Kerbflankenrauigkeit bei GMA und Laktose 230
19.14 Sonstiges 231
19.14.1 Votum der Ethikkommission der Ärztekammer Hamburg 231
19.14.2 Projektförderung 232
X Abbildungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1-1: Roboter für orthopädische Operationen. 1


Abbildung 1-2: Bei der Revision entfernte Hüftendoprothese. 2
Abbildung 2-1: Gewebspräparation durch das Spreizen einer Schere. 5
Abbildung 2-2: Mit einem LASER getrennte Muskelprobe. 5
Abbildung 2-3: Mit einem DWS getrennte Muskelprobe. 6
Abbildung 2-4: DWS-Schnitt einer Leber. 7
Abbildung 2-5: DWS-Schnitt einer Niere. 7
Abbildung 2-6: DWS-Schnitt eines Hirns. 8
Abbildung 3-1: Empirisches Modell zu Trennprozessen bei einer Operation. 10
Abbildung 3-2: Kernspintomografischer Sagittalschnitt der Lendenwirbelsäule. 12
Abbildung 3-3: Operative Zugangswege zur Entfernung eines Bandscheibenvorfalls. 12
Abbildung 3-4: Schema der mikroinvasiven Nukleotomie. 13
Abbildung 3-5: Schema zum Aufbau des APLD-Werkzeugs. 13
Abbildung 3-6: Schematische Darstellung eines Teilbereichs der Lendenwirbelsäule. 14
Abbildung 3-7: Ursachen einer aseptischen Lockerung von Hüftendoprothesen. 17
Abbildung 3-8: Schematische Darstellung der Verankerungsprinzipien von Hüftendoprothesen.
17
Abbildung 3-9: Schematische Darstellung einer Prothesenrevison. 17
Abbildung 3-10: Lockerung und Revision einer zementierten Hüftendoprothese. 18
Abbildung 3-11: Histologie einer Femurkortikalis. 19
Abbildung 3-12: Schematische Darstellung einer Knieendoprothesenimplantation. 21
Abbildung 3-13: Schematische Darstellung einer Umstellungsosteotomie an der Tibia. 21
Abbildung 3-14: Implantation einer Knieendoprothese. 22
Abbildung 3-15: Oszillierende Sägemaschine zum Trennen von Knochen. 22
Abbildung 3-16: Schematische Darstellung der Schnitte bei der Implantation einer
Knieendoprothese (rot) und bei einer Tibiakopfosteotomie (blau). 23
Abbildung 3-17: Computertomogramm einer Spongiosaprobe des Tibiakopfes (colorisiert). 24
Abbildung 5-1: Schematische Darstellung einer Druckwasserstrahlanlage und der Zonen des
Freistrahls. 28
Abbildung 5-2: Schema der Strahlkontraktion in Abhängigkeit von der Düsengeometrie. 29
Abbildung 5-3: Schematische Darstellung der Phasen des Einzeltropfenschlags. 32
Abbildung 5-4: Schematische Darstellung des Abtragsmechanismus Erosion. 33
Abbildung 5-5: Definition prozessorientierter Parameter in einer schematischen Darstellung. 34
Abbildung 5-6: Druck in Abhängigkeit von der Zeit für einen DWS und einen DDWS. 35
Abbildung 5-7: Schematische Darstellung eines mechanischen Strahlzerteilers. 36
Abbildung 5-8: Schematische Darstellung der Strahlzerteilung durch LASER. 36
Abbildung 5-9: Schematische Darstellung der Strahlzerteilung durch einen
Ultraschallmodulator. 36
Abbildung 5-10: Druck in Abhängigkeit von der Zeit bei Variation der Frequenz und des
Phasenwinkels im DDWS. 37
Abbildung 5-11: Prinzip des Wasser-Abrasiv-Injektor-Strahls (WAIS). 39
Abbildung 5-12: Prinzipien des Wasser-Abrasiv-Suspensions-Strahls (WASS). 40
Abbildung 5-13: Schema der Partikelwirkung beim Materialabtrag. 42
Abbildung 5-14: Schematische Darstellung des zyklischen Prozessablaufs beim ADWS-
Schneiden. 43
Abbildung 5-15: Schema zum Kerbtiefenmodell nach Hashish. 48
Abbildung 5-16: Struktur des Kerbtiefenmodells nach Decker. 49
Abbildung 5-17: Empirisches Modell des DWS-Trennens bei einer Operation. 53
Abbildung 6-1: Lichtmikroskopie einer Knochenzementprobe. 55
XI

Abbildung 6-2: Lichtmikroskopie biokompatibler Abrasivstoffe. 57


Abbildung 6-3: Das Wasserstrahlskalpell „Helix Hydrojet“. 58
Abbildung 6-4: Ansicht der geöffneten Hochdruckpumpe. 59
Abbildung 6-5: Ansicht der Druckwasserstrahl-Laboranlage. 59
Abbildung 6-6: Kapillardüse für Schnittversuche an Weichgeweben. 60
Abbildung 6-7: Schnittzeichnung der Düse für Versuche an Knochen und Knochenzement. 60
Abbildung 6-8: Ansicht des mechanischen Strahlzerteilers für Versuche mit dem DDWS. 60
Abbildung 6-9: WAIS-Kopf für Schnittversuche an Knochen und Knochenzement. 61
Abbildung 6-10: Oszillierende Rinne zur Abrasivmitteldosierung. 61
Abbildung 6-11: Versuchsaufbau für Schnittversuche an Weichgewebe. 61
Abbildung 6-12: Versuchsaufbau für Schnittversuche an Knochen und Knochenzement. 62
Abbildung 6-13: Koordinatenmessmaschine zur Bestimmung der Schnittflächengeometrie. 62
Abbildung 6-14: Schema des Koordinatensystems und der abgetasteten Linien auf den
Schnittflächen. 63
Abbildung 7-1: Die Kerbtiefen der Weichgewebe, die bei einer Nukleotomie von zentraler
Bedeutung sind, in Abhängigkeit vom Druck. 67
Abbildung 7-2: Histologie einer Präparatdickenzunahme. 69
Abbildung 7-3: Kerbtiefe und Gewebeexpansion in Abhängigkeit vom Druck. 69
Abbildung 7-4: Histologie eines DWS-getrennten Nukleus pulposus. 70
Abbildung 7-5: Histologie eines Anulus fibrosus. 70
Abbildung 7-6: Histologie eines DWS-getrennten Spinalnervs. 71
Abbildung 7-7: Histologie von DWS-getrenntem Rückenmark. 71
Abbildung 7-8: Histologie einer DWS-getrennten Dura mater. 71
Abbildung 7-9: Histologie eines DWS-getrennten Ligaments. 72
Abbildung 7-10: Histologie einer DWS-getrennten Sehne. 72
Abbildung 7-11: Kerbtiefen in Abhängigkeit von Druck und Spezies am Beispiel Sehne. 72
Abbildung 7-12: Schematische Darstellung der DWS-induzierten Materialspannungen. 74
Abbildung 7-13: Histologie eines DWS-getrennten Nervs. 74
Abbildung 7-14: Histologie eines Hirngewebe-Kerbrands. 75
Abbildung 7-15: Lichtmikroskopie eines zytologischen Ausstrichs. 75
Abbildung 7-16: Histologie einer Delamination beim Spinalnerv. 78
Abbildung 7-17: Mit der Prallplatte gemessene im Vergleich zur errechneten Strahlkraft in
Abhängigkeit vom Druck. 79
Abbildung 7-18: Mit dem Kerbtiefenmodell nach Decker errechnete und gemessene Kerbtiefen
in Abhängigkeit vom Druck für die Gewebe der Wirbelsäule. 81
Abbildung 7-19: Materialtypische Abtragsenergie in Abhängigkeit von Zugfestigkeit und
Kollagengehalt. 82
Abbildung 8-1: Das Instrumentarium für die Druckwasserstrahlnukletomie. 83
Abbildung 8-2: Schematische Darstellung des Nukleotomie-Instrumentariums in der
Bandscheibe. 84
Abbildung 8-3: Einspritzen des Kunststoffs in einen Nukleushohlraum und nach dem
Auftrennen der Bandscheiben gewonnene Abgüsse. 85
Abbildung 8-4: Aufgetrennte Bandscheibe nach LASER-Nukleotomie als Beispiel für eine
Hohlraumauffüllung. 85
Abbildung 8-5: Das durch die Operation entfernte Nukleusvolumen in Abhängigkeit von der
Methode. 86
Abbildung 8-6: Materialprüfmaschine mit einem eingegossenen Bewegungssegment einer
Modellwirbelsäule. 87
Abbildung 8-7: Platzierung des Miniaturdrucksensors in der Bandscheibe und Detailansicht der
Sensor- und Troikarspitze. 87
XII Abbildungsverzeichnis

Abbildung 8-8: Eingeleitete Kompressionskraft und die abhängigen Variablen Druck und Weg
über die Zeit. 88
Abbildung 8-9: Typische Hysteresekurven des Bandscheibendrucks in Abhängigkeit von der
relativen Höhe. 88
Abbildung 8-10: Bandscheibendruckdifferenz in Abhängigkeit von der Operationsmethode. 88
Abbildung 8-11: Bandscheibenhöhendifferenz in Abhängigkeit von der Operationsmethode. 89
Abbildung 9-1: DWS-Instrumentarium bei einer Operation am Patienten. 94
Abbildung 9-2: Subjektive Zufriedenheit 12 Monate nach der Operation. 95
Abbildung 9-3: Oswestry-Score in Abhängigkeit vom Untersuchungszeitpunkt. 95
Abbildung 9-4: Schmerz in Abhängigkeit vom Untersuchungszeitpunkt. 95
Abbildung 9-5: Finger-Bodenabstand in Abhängigkeit vom Untersuchungszeitpunkt. 95
Abbildung 10-1: Kerbtiefe in Knochen und PMMA in Abhängigkeit vom Druck bei senkrecht
auftreffendem Strahl. 100
Abbildung 10-2: Typische Kerbbilder in Knochen im Vergleich zu PMMA. 100
Abbildung 10-3: Gemessene und berechnete Strahlkraft in Abhängigkeit vom Druck. 102
Abbildung 10-4: Errechnete und gemessene Kerbtiefen in Abhängigkeit vom Druck für
Knochen und PMMA. 103
Abbildung 10-5: Kerbtiefen in Abhängigkeit von Druck und Frequenz. 105
Abbildung 10-6: Auf die hydraulische Leistung bezogene Kerbtiefen in Abhängigkeit von
Material und Frequenz. 106
Abbildung 10-7: Der Massenabtrag in PMMA in Abhängigkeit von Druck und Frequenz. 106
Abbildung 10-8: PMMA-Proben nach Bearbeitung mit dem DDWS. 106
Abbildung 10-9: Ansicht einer PMMA-Probe. 107
Abbildung 10-10: Beeinflussung von Stoß- und Staudruck durch die Frequenz. 107
Abbildung 10-11: Kerbtiefen mit dem ADWS in Abhängigkeit vom Druck. 110
Abbildung 10-12: Kerbtiefen mit DWS und ADWS in Abhängigkeit von Druck und Material.
111
Abbildung 10-13: Elektronenmikroskopie einer ADWS-Kerbe in Knochen. 112
Abbildung 10-14: Mit dem DWS und dem ADWS geschnittene Proben im Vergleich. 112
Abbildung 10-15: Ansicht einer PMMA-Kerbflanke mit dem ADWS. 112
Abbildung 10-16: Lichtmikroskopie der Zone 1. 112
Abbildung 10-17: Lichtmikroskopie der Zone 2. 113
Abbildung 10-18: Elektronenmikroskopie der Kerbwandung in Knochen. 113
Abbildung 10-19: Schemazeichnung der Strahloszillation und des resultierenden Kerbbildes.
114
Abbildung 10-20: Schematische Darstellung des zyklischen Abtragsprozesses in der Zone 2.
115
Abbildung 10-21: Schema des Kerbquerschnitts mit Bezeichnung der Zonen. 116
Abbildung 10-22: Schematische Darstellung des hypothetischen Abtrags durch eine
Kerbgrundreflexion. 116
Abbildung 10-23: Ansicht der Kerbflanken einer PMMA-Probe mit schrittweiser Reduktion der
Materialstärke. 117
Abbildung 10-24: Schematische Darstellung des relativen Verschleißes in Abhängigkeit von
der Partikelhärte. 118
Abbildung 10-25: ADWS-Schnittversuch an einem Plexiglaskeil. 118
Abbildung 10-26: Lichtmikroskopie der Abrasivpartikel vor und nach dem Schneiden. 119
Abbildung 10-27: Kerbtiefe in Abhängigkeit vom Massen- und Volumenstrom des
Abrasivmittels. 120
Abbildung 10-28: Schematische Darstellung einer ADWS-Kerbe. 120
Abbildung 10-29: Die Kerbbreiten, gemessen an der Oberfläche und an der engsten Stelle der
Kerben in Abhängigkeit vom Abrasivmassenstrom. 120
XIII

Abbildung 10-30: Schema der Energieverteilung und der daraus resultierenden Kerbbreite. 121
Abbildung 10-31: Die Kerbflanke einer mit GMA geschnittenen Plexiglasprobe. 122
Abbildung 10-32: PMMA-Probe, die nicht von einer Materialkante ausgehend geschnitten
wurde. 123
Abbildung 10-33: Lichtmikroskopie einer Kerbfront in PMMA. 123
Abbildung 11-1: Gemessene Strahlkraft in Abhängigkeit von Druck und Massenstrom. 125
Abbildung 11-2: Die gemessenen im Vergleich zu den errechneten Kerbtiefen in Abhängigkeit
von Druck und Massenstrom. 128
Abbildung 11-3: Gemessenen im Vergleich zu mit Gleichung 11-6 errechneten Kerbtiefen in
Abhängigkeit vom Druck. 129
Abbildung 11-4: Die gemessenen im Vergleich zu den mit dem Modell errechneten Kerbtiefen
in Abhängigkeit von Massenstrom und Druck. 131
Abbildung 12-1: Kerbtiefen des senkrecht auftreffenden Strahls in Abhängigkeit vom Druck.
133
Abbildung 12-2: Kerbtiefen des senkrecht im Vergleich zum mit 30° auftreffenden Strahls in
Abhängigkeit vom Druck in Knochen. 134
Abbildung 12-3: Typische Kerben in Knochenzement mit dem ADWS im Vergleich zum DWS.
134
Abbildung 12-4: Elektronenmikroskopie einer Kerbflanke in Knochen. 135
Abbildung 12-5: Im Kerbversuch gemessene und mit Modellen errechnete und Kerbtiefen in
Abhängigkeit vom Druck. 136
Abbildung 12-6: Lichtmikroskopie des Abtragsbildes an Poren in Knochenzement. 137
Abbildung 12-7: Knochen nach ADWS-Bearbeitung mit verschiedenen Winkeln. 137
Abbildung 12-8: Farbliche Markierung einer Kerbflanke in Knochenzement. 138
Abbildung 12-9: Bezug der Rillen zu den Poren in Knochenzement (schematisch). 138
Abbildung 13-1: Schema des Koordinatensystems der Spongiosaproben. 142
Abbildung 13-2: Schnittfugenwinkel in Abhängigkeit von Trennmethode, Druck und
Abrasivmassenstrom. 142
Abbildung 13-3: Rauigkeit der Kerbflächen in Spongiosa. 143
Abbildung 13-4: Lichtmikroskopien einer ADWS getrennten Spongiosaprobe und das
zugehörige Oberflächenprofil. 144
Abbildung 13-5: Schaumprobe zur Simulation der intertrabekulären Hohlräume. 146
Abbildung 13-6: Typischer Kerbquerschnitt mit negativem Schnittfugenwinkel für zwei
Abrasivmassenströme. 146
Abbildung 13-7: Histologische Schnitte von Spongiosaproben im Bereich der Trennfläche. 147
Abbildung 15-1: Operationsroboter mit einem ADWS-Strahlkopf. 156
Abbildung 19-1: Die Kerbtiefe in Abhängigkeit vom Abrasivmassenstrom für verschiedene
Bioabrasivstoffe. 200
Abbildung 19-2: Schema des Versuchaufbaus zur Druckmessung während der DWS-
Nukleotomie. 201
Abbildung 19-3: Schema zur Definition der Düsenpositionen. 202
Abbildung 19-4 Typischer Verlauf des Bandscheibendrucks in Abhängigkeit von der Zeit. 202
Abbildung 19-5: Der Bandscheibendruck in Abhängigkeit von der Düsenposition und der
Saugstärke. 202
Abbildung 19-6: Das Nukleusvolumen in Abhängigkeit vom Präparat. 204
Abbildung 19-7: Histologie von Fett. 205
Abbildung 19-8: Histologie eines Muskels. 205
Abbildung 19-9: Histologischer Querschnitt eines Rückenmarks 205
Abbildung 19-10: Histologie eines Spinalnervs. 206
Abbildung 19-11: Histologie eines Nukleus pulposus. 206
Abbildung 19-12: Histologie eines Anulus fibrosus. 206
XIV Abbildungsverzeichnis

Abbildung 19-13: Histologie eines Ligaments. 207


Abbildung 19-14: Histologie einer Sehne. 207
Abbildung 19-15: Schema zur Härteprüfung nach Brinell. 213
Abbildung 19-16: Schema zur Härteprüfung nach Vickers. 213
Abbildung 19-17: Die gebräuchlichen Härteskalen in einer vergleichenden Gegenüberstellung .
214
Abbildung 19-18: Blockschema der Hochdruckpumpe der Industrieanlage. 215
Abbildung 19-19: Blockschema der DWS-Laboranlage. 216
Abbildung 19-20: Schematische Darstellung der Flugförderung. 217
Abbildung 19-21: Schematische Darstellung der Strähnenförderung 218
Abbildung 19-22: Schematische Darstellung der Strähnen-Dünenförderung. 218
Abbildung 19-23: Der verwendete Vibrationsdosierer. 218
Abbildung 19-24: Schematische Darstellung eines WAIS mit CO2 als alternatives
Fördermedium. 219
Abbildung 19-25: Schema eines Schneckenförderers. 219
Abbildung 19-26: Modell eines Bioabrasiv-Schneckenförderers. 220
Abbildung 19-27: Modell eines ADWS-Strahlkopfes. 220
Abbildung 19-28: Die vom Strahl beförderte Luft in Abhängigkeit vom Druck und vom
Förderverfahren. 220
Abbildung 19-29: Gewebspräparat im Träger für die Paraffineinbettung. 221
Abbildung 19-30: Paraffinblöcke mit einer Gewebsprobe und der gefärbte Schnitt auch einem
Objektträger. 221
Abbildung 19-31: Befestigung der Wirbelsäulenpräparate in der Materialprüfmaschine. 225
Abbildung 19-32: Visuelle Analogskala. 228
Abbildung 19-33: Rauigkeit der Kerbflanken. 230
XV

Tabellenverzeichnis

Tabelle 3-1: Eigenschaften der vertebralen Weichgewebe und des Knochens als vertebrales
Hartgewebe. 15
Tabelle 7-1: Kerbtiefen in Abhängigkeit von Düsendurchmesser, Arbeitsabstand, Gewebe und
Druck. 65
Tabelle 7-2: Kerbtiefen für die Gewebe der Wirbelsäule. 68
Tabelle 7-3: Expansion (d/d0) für die Gewebe der Wirbelsäule. 73
Tabelle 7-4: Gewebetypische Faktoren der quadratischen Kurvenanpassung für die Expansion.
76
Tabelle 7-5: Gewebstypische Faktoren des empirischen Kerbtiefenmodells. 79
Tabelle 7-6: Materialtypische Abtragsenergie (ESP) für die Gewebe der Wirbelsäule. 80
Tabelle 9-1: Patientengut der Pilotstudie. 93
Tabelle 10-1:Kerbtiefen mit dem DWS an Rinderkortikalis und PMMA. 101
Tabelle 10-2 : Kerbtiefen für das Hartgewebe Kortikalis (Rind) und das Biomaterial
PMMA. 111
Tabelle 10-3: Die Härten der Materialien und einiger Abrasivstoffe. 118
Tabelle 19-1: E-Modul von humaner Kortikalis in Zug- und Druckrichtung im Vergleich zu
Rinderkortikalis231;232. 208
Tabelle 19-2: Zug- und Druckfestigkeit von humaner Kortikalis im Vergleich zu
Rinderkortikalis231;232. 208
Tabelle 19-3: Mechanische Eigenschaften im Vergleich zwischen Technovit und Refobacin-
Palacos und CMW-3. 208
Tabelle 19-4: Vergleich der mechanischen Eigenschaften von CMW-3-Knochenzement bei
verschiedenen Anmischtechniken160;181. 208
Tabelle 19-5: Klassifizierung der Korngröße nach König124;170. 209
Tabelle 19-6: Lichtmikroskopie des Abrasivstoffs Garnet* (GMA) und seine
Zusammensetzung. 209
Tabelle 19-7: Aminosäuren und ihre wichtigsten Eigenschaften. 212
Tabelle 19-8: Der Volumenstrom des Wasserstrahlskalpells in Abhängigkeit von Druck und
Düsendurchmesser. 214
Tabelle 19-9: Farbliche Darstellung verschiedener Gewebskomponenten in Abhängigkeit von
der Färbemethode. 223
Tabelle 19-10: Unabhängige und abhängige Variablen. 224
Tabelle 19-11: Bestimmtheitsmaß r2 für die linearen Korrelationen zwischen Druck und
Kerbtiefe sowie für die quadratischen Korrelationen zwischen Druck und
Expansion. 229
XVI Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzung Bezeichnung Einheit


A Größe der zu Grunde liegenden Materialstruktureinheit mm³
a0 Variabel der quadratischen Kurvenanpassung –
a1 Variabel der quadratischen Kurvenanpassung 1/MPa
a2 Variabel der quadratischen Kurvenanpassung 1/MPa²
b0 mm
b1 mm/MPa
bK Kerbbreite mm
AD Düsenquerschnittsfläche mm²
ADWS Abrasivdruckwasserstrahl –
ANOVA Varianzanalyse –
APLD Automatisierte Perkutane Lumbale Diskotomie –
BS Bandscheibe –
C Prozess- und Materialkennwert –
CAD Computer Aided Design –
Ck Widerstandskoeffizient der Materialstruktur gegen den Strahl –
Cx Prozess- und Materialkennwert
CNC Computer Numeric Control –
cW Schallgeschwindigkeit in Wasser m/s
d/d0 Expansion
dD Düsendurchmesser mm
DDWS Diskontinuierlicher Druckwasserstrahl –
dF Fokusrohrdurchmesser mm
dg Kritischer Düsendurchmesser mm
DIN Deutsche Industrienorm –
dp Mittlerer Korndurchmesser mm
DWS Druckwasserstrahl –
E Energie J
Ekin Kinetische Energie J
Epot Potenzielle Energie J
ESP Materialtypische Abtragsenergie J/m³
ESPG Materialtypische Abtragsenergie unter Berücksichtigung des Grenz-
drucks J/m³
ESWL Extrakorporale Stoßwellenlithotrypsie –
F Kraft N
FBA Finger-Boden-Abstand cm
FRb Reibungskraft N
FRS Reststrahlkraft N
FS Strahlkraft N
XVII

Abkürzung Bezeichnung Einheit


FSG Strahlkraft für Materialabtrag (unter Berücksichtigung des Grenz-
drucks) N
G Masse g
G Dynamische Materialpermeabilität m²
GMA Mineralischer Abrasivstoff Almandit –
Ha Härte des Abrasivmittels MPa
hakt Aktuelle Schnitttiefe mm
hB Höhe der Bandscheibe mm
HE Hämatoxylin-Eosin-Färbung –
Hw Härte des Werkstoffs, z.B. nach Brinell MPa
k Kerbtiefe mm
kmax Maximale Kerbtiefe mm
K Kennwert der Strahlflüssigkeit –
LASER Light Amplification by Stimulated Emission of Radiation –
lf Länge des Fokusrohres mm
m
&w Wasserdurchsatz g/s
m
& Massenstrom g/s
MANOVA Multifaktorielle Varianzanalyse –
MW Mittelwert –
N Anzahl der Proben / Probanden –
Nm Partikelzahl –
n1 ... n5 Exponenten im Modell nach Zeng und Kim
OP Operation –
P Druck MPa
p0 Druck der Flüssigkeit im unkomprimierten Zustand MPa
pB Bandscheibendruck kPa
pG Grenzdruck für Materialabtrag MPa
PES Schnitteffektive Abrasivstrahlleistung J
Ph Hydraulische Leistung J
PP Summe der Partikelleistung J
PMMA Polymethylmethacrylat –
PRB Durch Reibung verbrauchte Leistung J
PRS Leistung des Reststrahls J
pS Unterdruck im Sauger MPa
pStau Staudruck MPa
pStoß Stoßdruck MPa
pW Wasserdruck MPa
Q Kerbqualität im Modell nach Hoogstrate
.
Q Materialstrom im Modell nach Zeng und Kim n.b.
Qg Kritischer Volumenstrom l/min
XVIII Abkürzungsverzeichnis

Abkürzung Bezeichnung Einheit


R Beladung –
r2 Bestimmtheitsmaß –
Ra Arithmetischer Mittenrauwert mm
Re Materialparameter im Modell nach Zeng und Kim n.b.
Re Reynoldzahl –
Rz Mittlere Rautiefe mm
s Arbeitsabstand mm
sc Länge der Kernstrahlzone mm
STD Standardabweichung –
T Zeit s
TR Düse im Troikar –
V Volumen cm³
V& Volumenstrom l/min
VAS Visuelle Analogskala –
vP Partikelgeschwindigkeit m/s
vV Vorschubgeschwindigkeit mm/min
vW Strahlgeschwindigkeit m/s
WAIS Wasser-Abrasiv-Injektor-Strahl –
WASS Wasser-Abrasiv-Suspensions-Strahl –
α Kontraktionszahl –
β Strahlanstellwinkel °
γ Strahl-Werkstückwinkel °
∆G Massendifferenz mg
ε Geschwindigkeitszahl –
ζ Kompressibilität der Flüssigkeit MPa-1
η Düsenwirkungsgrad –
ηa Wirkungsgrad von Abrasivdüsen –
ηD Dämpfungsfaktor –
ηF Dynamische Zähigkeit der Flüssigkeit Ns/m2
λ Koeffizient des Geschwindigkeitsverlustes durch die Interaktion mit –
dem Material
χ Koeffizient der Expansion des reflektierten Strahls durch Vermi- –
schung mit abgetragenem Material
µ Ausflusszahl –
ξ Abschwächungskoeffizient des Strahls zwischen Düse und Material m-1
ρo Dichte der Flüssigkeit kg/m³
ρm Dichte des Materials mit Einschlüssen kg/m³
ρm* Dichte des Materials kg/m³
ρW Dichte des Wassers kg/m3
σ Spannung MPa
σd Druckfestigkeit des Materials MPa
XIX

Abkürzung Bezeichnung Einheit


σg Wandspannung MPa
σpd Elastizitätsgrenze (Druck) MPa
σs Scherfestigkeit des Materials MPa
σz Zugfestigkeit des Materials MPa
τ Koeffizient des Geschwindigkeitsverlusts in Mischkammer und Fo- -
kusrohr
ϕ Phasenwinkel °
1

1 Einleitung
Die Bearbeitung von lebenden Geweben und Der Begriff der „Präparation“ umschreibt
Organen stellt eine Besonderheit dar: Die einen operativen Trennprozess, der nicht nur
Operation am Biomaterial ist immer mit ei- geometrischen, sondern auch funktionellen
nem direkten Eingriff in den lebenden Orga- Zielparametern folgt. Bei der Präparation
nismus verbunden. Der Erfolg der Operation eines Nervs oder eines Blutgefäßes legt der
ist nicht unerheblich vom Ausmaß dieser Operateur eine Struktur frei, ohne sie in ihrer
Traumatisierung abhängig. Obwohl die Ziele funktionellen Integrität zu beeinträchtigen.
einer Operation, wie z.B. die Linderung von Das Präparieren selbst subsummiert ver-
Schmerzen, in den Ingenieurswissenschaften schiedenste Trennverfahren (z.B. Scher-
nicht eingeführte Parameter sind, haben auch schneiden, Messerschneiden oder Reißen) in
im Operationssaal die Begriffe der Ferti- einer individuell vom Operateur abhängigen
gungstechnik Gültigkeit. Zwar beruht die Art und Reihenfolge. Der Erfolg der Präpa-
orthopädische Chirurgie zu großen Teilen auf ration ist in erster Linie an Begabung, Erfah-
handwerklichen Fähigkeiten, aber besonders rung und Aufmerksamkeit des Chirurgen
in den letzten Jahren wurde der Schulter- gebunden.
schluss zu industriellen Standards vollzogen: Die Situation der Operation unterscheidet
Die Verwendung der Daten aus den Schnitt- sich darüber hinaus in einem ganz entschei-
bildverfahren Computer- und Kernspintomo- denden Punkt von industriellen Prozessen:
grafie macht es heutzutage möglich, Operati- Das Material, also das Gewebe, ist für den
onen patientenindividuell im dreidimensio- Patienten oft unersetzbar. Der weitere Ver-
nalen Raum zu planen und mit definierten lauf der Krankheit oder sogar sein Leben
Fertigungstoleranzen umzusetzen. Hierzu können davon abhängen.
verwendet man z.B. Roboter (Abbil-
dung 1-1)132.

Abbildung 1-1: Roboter für orthopädische


Operationen.
Links: Roboter (Robodoc®, ISS, Sacramento,
US) zur Implantation von Hüftendoprothesen
mit einem Modellknochen.
Rechts oben: Präoperative computergestützte
Planung der Prothese.
Rechts unten: Fräskopf zur Fertigung des
Implantatlagers im Knochen.
2 Einleitung

Ein Beispiel dafür stellt die Neurochirurgie Neben der langen und deshalb komplikati-
dar: Das Gehirn ist in bestimmten Arealen onsträchtigen Operation erschwert diese
unverzichtbar. Schon minimale Materialver- Schädigung des Knochens die Verankerung
luste, z.B. im Sprachzentrum, entscheiden einer neuen Prothese.
über die Zukunft des Patienten. Gefragt ist also ein Trennverfahren, das ei-
In der orthopädischen Chirurgie ist die Dra- nerseits den Verlust des Gewebes minimiert
matik naturgemäß geringer, aber auch hier und andererseits sowohl geometrische als
finden sich Situationen, in denen wichtige auch funktionelle Zielparameter erfüllt.
Gewebe der Unzulänglichkeit der Trennver- Die Druckwasserstrahltechnik umfasst eine
fahren geopfert werden müssen: Die Entfer- Gruppe von Trennverfahren, die nicht nur in
nung einer infizierten, aber fest verankerten der Industrie immer häufiger zum Einsatz
Hüftendoprothese ist z.B. nur mit großen kommen. Das Trennen mit Druckwasser-
Knochensubstanzverlusten möglich (Abbil- strahlen (DWS) weist einige Eigenschaften
dung 1-2), weil im dünnen Spalt zwischen auf, die bei der Bearbeitung von lebendem
Knochen und Prothese herkömmliche Werk- Gewebe von Vorteil sein könnten: Einerseits
zeuge versagen. ist der Trennprozess nahezu athermisch, an-
dererseits sind die Kräfte, die auf das Mate-
rial einwirken, vergleichsweise gering. Die
Eigenschaften des Materials haben beim
Druckwasserstrahltrennen einen überaus gro-
ßen Einfluss auf das Abtragsergebnis: Die
Materialparameter determinieren ganz we-
sentlich Art und Menge des Abtrages. Da-
durch ist die Chance für einen materialselek-
tiven Abtrag bei diesem Trennverfahren ge-
geben.
Diese Arbeit untersucht die Möglichkeiten
und Grenzen der DWS-Technik für die An-
wendung in der orthopädischen Chirurgie. Da
diese Anwendung neu ist, mussten sowohl
präklinische als auch anwendungsnahe klini-
sche Studien durchgeführt werden, um die
Technologie in die Nähe des orthopädischen
Patienten zu bringen.
Die Arbeit dokumentiert ein interdisziplinä-
res Projekt zwischen einer Technischen Uni-
versität und einem Krankenhaus. Es werden
daher zum Teil in der Medizin geläufige Be-
Abbildung 1-2: Bei der Revision entfernte Hüften-
doprothese.
griffe in Klammern erklärt. Außerdem wurde
Deutlich erkennbar sind die auf der Pfanne und dem der Arbeit ein Glossar angefügt (S.189). Dies
Stiel verbliebenen Knochenreste. soll dazu beitragen, den Inhalt gleichermaßen
für den Ingenieur und den Mediziner lesbar
zu machen.
3

2 Verfahren bei Operationen


In diesem Kapitel werden die in einer Opera- Elektrochirurgie (Schneiden mit hochfre-
tion etablierten Fertigungsverfahren vorge- quenten Strömen) im letzten Jahrhundert hat
stellt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den die Möglichkeit eröffnet, kleinere Gefäße
verschiedenen Trennverfahren. Die bisherige gleichzeitig mit dem Trennprozess koagulativ
Anwendung der Druckwasserstrahltechnik in zu verschließen277.
verschiedenen medizinischen Fachgebieten Eine Weiterentwicklung findet sich in den
wird erläutert. 1970er Jahren mit dem Einsatz des LASERs:
Eine hochenergetische, monochromatische
und kohärente elektromagnetische Strahlung
macht berührungsloses Schneiden möglich.
2.1 Klassische Verfahren Durch die Variation der Wellenlänge kann
auf die Schnittqualität Einfluss genommen
Die ersten Operationen werden aus prähisto- werden34;99;112.
rischer Zeit überliefert. Klingen aus Knochen
oder Stein sind Urformen der heutigen Skal-
pelle. Da Blutungen nicht beherrschbar wa- 2.1.1 Stand der Technik
ren, beschränkte sich die Chirurgie auf klei-
nere Eingriffe. Von der Steinzeit bis heute ist das Trennen
Hippokratesa stellte erstmals verfahrenstech- mit scharfen Klingen (Messerschneiden,
nische Regeln für chirurgisches Arbeiten DIN 85801;245), also dem Skalpell, Stand der
auf113. Aus seiner Zeit sind genaue Angaben Technik geblieben. Diese Methode ist uni-
über Patientenlagerung, Handreinigung und versell einsetzbar und stellt keinerlei verfah-
Ausstattung des Operationszimmers über- renstechnischen Aufwand dar. Fast ebenso
liefert. Klingen aus Stahl waren die Werk- häufig kommt bei der Operation die Schere
zeuge für Schädeltrepanationen (Öffnung des zum Einsatz. Diese wird als Werkzeug einer-
Schädels), Amputationen oder Nephrotomien seits zum Scherschneiden, andererseits aber
(Eröffnung des Nierenbeckens, um Nieren- auch zum Reißen von Gewebe durch das
steine zu entfernen). Limitationen waren Aufspreizen der Branchen genutzt. Seltener
ungenügende Narkosetechniken oder nicht findet auch das Beißschneiden Anwendung,
beherrschbare Blutungen. z.B. beim Zertrennen von Rippenknochen.
Im 3. Jh. vor Christus wurde erstmals das Das Spanen mit geometrisch bestimmten
Glüheisen zur Koagulation kleinerer Gefäße Schneiden wird im Bereich der Knochen-
verwendet. Bei Verletzung größerer Gefäße und Gelenkchirurgie eingesetzt. Sägen, Boh-
verblutete der Patient auch noch in dieser ren und Fräsen sind Verfahren der täglichen
Epoche. Erst die Entwicklung der Gefäßli- Routine. Aber auch im Bereich der weicheren
gatur (Unterbindung) in der alexandrinischen Biomaterialien findet der spanende Material-
Zeit machte es möglich, auch größere Opera- abtrag Verwendung. Beispiele sind die Syno-
tionen durchzuführen. vektomie (Entfernung der Gelenkinnenhaut
Das Trennen von Gewebe und die Blutstil- in entzündlich veränderten Gelenken).
lung wurden bis in die Neuzeit hinein nach- Thermisches Schneiden ist in der Medizin in
einander vollzogen. Erst die Erfindung der Form der Hochfrequenz- und LASER-Chi-
rurgie weit verbreitet. Beide Verfahren haben
a
Hippokrates von Kos, um 460 - 370 v. Chr.
4 Verfahren bei Operationen

den Vorteil, dass neben der Trennung von schen Zeit bis heute kaum gewandelt: Beim
Geweben eine Thermokoagulation, also ein Trennen eines Gewebes im lebenden Orga-
Verschließen der kleineren Blutgefäße statt- nismus werden immer auch andere Gewebe,
findet. Die wärmeinduzierte Proteindenatu- die anderen funktionellen Systemen oder
rierung (eigentlich eine Gewebeschädigung) Organen zugeordnet sind, in Mitleidenschaft
ist unter diesem Gesichtspunkt ein Vorteil gezogen. Häufigstes Beispiel hierfür ist die
dieser Trennverfahren. Verletzung des Gefäßsystems mit resultie-
Das Schneiden mit Ultraschall findet insbe- render Blutung. Ebenso ist die Nervenschä-
sondere in der Weichteilchirurgie Anwen- digung eine nicht seltene Komplikation. Der
dung230;298. Wirkbereich der bisher bekannten chirurgi-
Die Zerstörung der Funktion bestimmter Ge- schen Trennverfahren ist in erster Linie geo-
webeareale ohne deren chirurgische Entfer- metrisch und nicht funktionell begrenzt. Die
nung zählt zu den neueren medizinischen neueren Technologien (Elektroschneiden,
Verfahren, wobei der „Abtrag“ des nekroti- LASER und Ultraschall) bieten unter diesem
schen (toten) Gewebes dem Organismus Gesichtspunkt kaum Vorteile gegenüber dem
überlassen bleibt. Weiträumig bekannt ist die klassischen Messerschneiden.
Bestrahlung von Tumoren, ein nicht chirurgi- Lediglich die Präparation mit der Schere
sches Verfahren, das jedoch ähnliche Zielpa- durch Spreizen der Branchen ermöglicht eine
rameter wie die Tumoroperation verfolgt. Unterscheidung der Gewebe, so dass wich-
Auch lokal begrenzte Wärme- oder Kältean- tige Strukturen wie Nerven oder Gefäße im
wendungen sowie die Mikroembolisation von Trennprozess geschont werden können.
kleinen Gefäßen, die zu einer Nekrose des Durch das Aufspreizen der Schere kann der
Versorgungsgebiets führt, finden Anwen- Operateur eine Zugkraft ausüben. Dies er-
dung. laubt eine Differenzierung unterschiedlicher
Der Verschluss der Operationswunde ist der Gewebe über die Materialeigenschaft Zug-
Hauptgruppe „Fügen“ (DIN 85801) zuzu- festigkeit. Während z.B. die Blutgefäße die-
ordnen. Hier findet am ehesten das „textile ser Zugkraft widerstehen, wird das Binde-
Fügen“ in Form von unterschiedlichen Naht- gewebe, das die Gefäße umgibt, getrennt
techniken Anwendung; aber auch Klebetech- (Abbildung 2-1).
niken sind übliche Prozeduren. Fügen durch Hierbei handelt es sich aber nicht um eine
An- und Einpressen findet sich z.B. in der verfahrenstechnisch gebundene Qualität,
Verankerung zementfreier Endoprothesen: sondern vielmehr um eine von der Erfahrung
Hier wird der Prothesensitz im Knochen mit des Operateurs abhängige Gewebsdifferen-
einem Untermaß gefertigt und die Prothese in zierung.
diese Passung eingetrieben (press-fit), so dass In der orthopädischen Chirurgie finden sich
sich die Primärstabilität der Prothese aus Situationen, in denen aufgrund der räumli-
einer Kombination von Kraft- und Form- chen Verhältnisse diese Gewebsdifferenzie-
schluss ergibt. rung durch den Operateur nicht möglich ist:

2.1.2 Probleme konventioneller


Trennverfahren

Das Problem der bisher gebräuchlichen


Trennverfahren hat sich von der prähistori-
Klassische Verfahren 5

HE- Färbung (Anhang S.222)

Abbildung 2-1: Gewebspräparation durch das Abbildung 2-2: Mit einem LASER getrennte Mus-
Spreizen einer Schere. kelprobe.
Man sieht, wie die Blutgefäße ( ) der Zugkraft Links: Makroskopisch und
widerstehen, während das Bindgewebe (*) zwischen rechts: Mikroskopisch sieht man eine Nekrosezone
den Branchen der Schere zerrissen ist. (Pfeile) die breiter als der Schnitt selbst ist.

Bei der Operation eines Bandscheibenvor- deshalb beim Mikroschneiden wie z.B. zum
falls oder beim Entfernen von Knochenze- Trennen von DNA-Ketten benutzt254. Im Be-
ment während eines Endoprothesenwechsels reich der Augenheilkunde werden sie ver-
sind die räumlichen Verhältnisse so beengt, wendet um im Falle einer Fehlsichtigkeit
dass eine Gewebs- oder Materialdifferenzie- Material von der Cornea (Hornhaut) abzutra-
rung nur dann möglich ist, wenn sie an das gen. Es werden auch beim UV Laser Nekro-
Trennverfahren gebunden ist. sezonen von 0,1mm berichtet111;289.
Ein zweites Problem stellt die Gewebsschä- Das Trennen von Geweben des Stütz- und
digung durch die Trennverfahren dar. Da in Bewegungsapparats mit Hochdruckflüssig-
allen Geweben Proteine enthalten sind, die keitsstrahlen stellt eine Alternative zu be-
schon bei 42°C denaturieren können, ist in kannten Verfahren dar. Im Gegensatz zum
erster Linie die thermische Schädigung zu Trennen mit geometrisch bestimmten
nennen. Mag dies in einigen Fällen zur Koa- Schneiden oder mit dem LASER sind für den
gulation (Blutstillung erwünscht sein, so ist Hochdruckflüssigkeitsstrahl im menschlichen
sie besonders dann von großem Nachteil, Gewebe die Materialparameterunterschiede
wenn die biologische Potenz, also die Vitali- groß genug, um einen unterschiedlichen Ma-
tät des Gewebes wichtig ist. Hier haben be- terialabtrag verschiedener Gewebe grund-
sonders die neuen Technologien wie LASER sätzlich möglich zu machen. Dies kann für
oder Hochfrequenzschneiden erhebliche eine Gewebsselektion genutzt werden. Dar-
Nachteile. Eine mit dem Neodym-Yag- über hinaus entsteht beim Trennen mit Flüs-
LASER getrennte Muskelprobe zeigt z.B. sigkeitsstrahlen systembedingt keine hohe
eine thermische Schädigung des Gewebes in Prozesswärme. Es ist daher zu erwarten, dass
Form einer Nekrose (Gewebstod, Abbil- auch die thermische Schädigung des Gewe-
dung 2-2). UV-Laser haben grundsätzlich bes sehr gering ist.
günstigere Abtragseigenschaften durch hohe An einer Flüssigkeitsstrahl- getrennten Mus-
Verdampfungsraten infolge hoher Strahlin- kelprobe kann auch mikroskopisch keine
tensitäten mit kleiner zeitlicher und räumli- Nekrosezone nachgewiesen werden (Abbil-
cher Wirkauflösung. Sie werden dung 2-3).
6 Verfahren bei Operationen

erste medizinische Anwendung wurde im


Bereich der Zahnmedizin publiziert. Hier
verwendete man den DWS für die Mundhy-
giene21;29. Wenige Jahre später wurde die
Technologie auch zum Reinigen von Wunden
angewandt30;108;109.
Ende der 1970er Jahre wurde erstmals der
chirurgische Einsatz eines DWS zum Tren-
nen von weichen Organen brichtet219.
Wasserdruck pW=2MPa, Düsendurchmesser dD=0,1mm, Arbeits- Papachristou setzte ein Gerät aus der Land-
abstand s=5mm, HE-Färbung (Anhang S.222). wirtschaft für seine Studie zur Leberteilre-
Abbildung 2-3: Mit einem DWS getrennte Muskel- sektion an Hunden ein. Trotz der guten Er-
probe.
gebnisse erfolgte eine Weiterentwicklung erst
Links: Makroskopisch und
rechts: Mikroskopisch ist keine Nekrosezone zu Ende der 1980er Jahre71;141. In dieser Zeit
erkennen. Der Pfeil bezeichnet die Strahlrichtung. wurde die Technik auch auf andere Organe,
wie z.B. das Gehirn übertragen281. Aber erst
in den 1990er Jahren erreichte das chirurgi-
2.2 Druckwasserstrahltechnik sche DWS-Trennen das Stadium der Markt-
reife18;137;229.
2.2.1 Definition Ein DWS als chirurgisches Werkzeug hat den
entscheidenden Vorteil, dass ein selektives
Das Gebiet der DWS-Technik umfasst Trennen von verschiedenen Geweben mög-
Trenn- und Abtragsverfahren, bei denen die lich ist. Bei entsprechendem Druck kann der
potenzielle Energie einer unter Druck stehen- Operateur sicher sein, dass z.B. Blutgefäße
den Flüssigkeit mit Hilfe einer Düse in kine- vom DWS nicht verletzt werden. Deshalb hat
tische Strahlenergie umgewandelt wird. Ei- sich das DWS-Trennen in verschiedenen me-
nerseits kann die beschleunigte Flüssigkeit dizinischen Fächern etabliert.
den Materialabtrag selbst bewirken (reiner
Druckwasserstrahl, DWS), andererseits kann Chirurgie
die kinetische Energie der Flüssigkeit auf Die Chirurgen schätzen die Vorteile des se-
Festkörper, die dem Strahl in feinkörniger lektiven DWS-Trennens besonders bei Ope-
Form beigemischt sind, übertragen werden. rationen an der Leber (Abbildung 2-4). Die
Die vom Strahl beschleunigten Festkörper Leber besteht aus dem sehr weichen Leberpa-
bewirken dann den Materialabtrag (Abra- renchym (Leberzellgewebe) und ist von
sivdruckwasserstrahl, ADWS). unzähligen Blutgefäßen und Gallengängen
durchsetzt, die mit herkömmlichen Verfahren
unweigerlich zertrennt werden. Dies hat für
2.2.2 Druckwasserstrahltechnik in der den Patienten hohen Blutverlust und somit
Medizin ein hohes Operationsrisiko zur Folge. Der
DWS bewirkt in einem bestimmten Druckbe-
In der medizinischen Literatur wurde ein reich das Trennen von Leberparenchym,
DWS erstmals gegen Ende der 1960er Jahre ohne dass die Gefäße und die Gallengänge
in Zusammenhang mit einer Verletzung bei verletzt werden. Diese können unter Sicht
der industriellen Anwendung erwähnt211. Die
Druckwasserstrahltechnik 7

ligiert (unterbunden) und durchtrennt werden


(Abbildung 2-4).
Die Leberoperationen sind so wesentlich
blutungs- und somit risikoärmer und können
auch laparoskopisch (über Bauchspiegelung)
durchgeführt werden20;145. Neue Möglichkei-
ten zeichnen sich auch in der Chirurgie der
Gallenblase ab. Hier wird der DWS benutzt,
um die Gallenblase aus ihrem Leberbett her-
aus zu präparieren. pW=4MPa, dD=0,1mm, s=5mm, HE.

Abbildung 2-5: DWS-Schnitt einer Niere.


Links: Makroskopisch sieht man das getrennte Paren-
chym und das unversehrte harnableitende Kelchsystem
(weiß).
Rechts: Mikroskopisch erkennt man ein unverletztes
Glomerulum (Filtrationseinheit der Niere, Pfeil).

Neurochirurgie
Die Neurochirurgen nutzen den DWS z.B.
bei der Entfernung von Hirntumoren. Beson-
ders im Gehirn kommt es auf eine schonende,
aber effektive Blutstillung an, denn die an
pW=3MPa, dD=0,1mm, s=5mm, HE. das Operationsgebiet angrenzenden Hirn-
Abbildung 2-4: DWS-Schnitt einer Leber. areale sind meist funktionell von äußerster
Links: Makroskopisch finden sich unverletzte Blutge- Wichtigkeit. In der ersten Publikation im
fäße, die die Kerbe kreuzen. Gebiet der Neurochirurgie wurde das Wasser
Rechts: Mikroskopisch erkennt man unverändertes
Parenchym (Organgewebe) neben der Kerbe und ein noch mit Spritzen appliziert282. Spätere Stu-
unversehrtes Kapillargefäß (Pfeil). dien belegten, dass das Hirngewebe schon
mit einem Druck von pW=0,5MPa bearbeitet
werden kann. In histologischen Untersuchun-
Urologie gen konnte keine Nekrosezone nachgewiesen
In der Urologie stellt der DWS eine Alterna- werden (Abbildung 2-6)281.
tive in der organerhaltenden Nierenchirurgie Bei der operativen Entfernung von Tumoren
dar (Abbildung 2-5). des Großhirns werden die Selektivität, feh-
Mit herkömmlichen Methoden waren Blu- lende thermische Effekte und das leichte
tungen und Urinfisteln nicht selten. Die Handling des DWS-Werkzeugs hervorgeho-
Komplikationsrate konnte durch die Anwen- ben224.
dung der DWS-Technologie deutlich redu- Auch hier gibt es erste endoskopische An-
ziert werden24;25. Das DWS-Trennen macht wendungen im Hirnventrikelsystem (Raum
es auch hier möglich, diese Eingriffe lapa- des Liquors = Flüssigkeit, in der Gehirn und
roskopisch durchzuführen256;257. Rückenmark schwimmend gelagert sind)147.
8 Verfahren bei Operationen

Weiterhin finden sich Vorteile bei der Präpa-


ration von Lappen zur Hauttransplantation,
weil die Versorgungsgefäße mit dem DWS
leicht und ohne Gefahr, diese zu verletzen, zu
präparieren sind.

Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde
Der DWS ist ein ideales Werkzeug, um Tu-
more im Bereich der Glandula parotis (Ohr-
pW=1MPa, dD=0,1mm, s=5mm, HE. speicheldrüse) zu entfernen191;263. Innerhalb
Abbildung 2-6: DWS-Schnitt eines Hirns.
der Parotis zweigt sich der wichtigste motori-
Links: Makroskopisch sieht man einen Kerbschnitt sche Gesichtsnerv auf. Mit dem DWS ist der
der Hirnrinde. Chirurg in der Lage, das Drüsengewebe zu
Rechts: Im histologischen Präparat findet man unmit-
telbar neben der mit Tusche markierten Kerbe unge-
trennen, ohne diesen Nerven zu verletzen.
schädigte Nervenzellen. Eine ähnliche Situation findet sich in der
Zungenchirurgie. Auch hier werden Gefäß-
und Nervenstrukturen geschont, wenn ein
Diese mikroinvasiven Eingriffe sind für den Teil der Zunge entfernt werden muss.
Patienten wesentlich schonender als die kon-
ventionellen offenen Operationen. Die hier angeführten Beispiele aus verschie-
den Gebieten der Medizin zeigen, dass die
Augenheilkunde Selektivität als einer der entscheidenden
In der Augenheilkunde wird vom bisher ex- Vorteile zu werten ist. Der Begriff „Selekti-
perimentellen Einsatz der DWS-Technik be- vität“ bedeutet im medizinischen Kontext,
richtet, um die bei der Katarakt (Grauer Star) dass der chirurgische Prozess in einem funk-
getrübten Linsenanteile aus dem Auge zu tionellen System stattfindet, ohne dass un-
entfernen291. Auch in der Kataraktchirurgie mittelbar benachbarte Systeme verletzt oder
steht die Selektivität des Verfahrens im Vor- in ihrer Funktion gestört werden. Beispiels-
dergrund. Der Linsenkern wird abgetragen, weise wird Lebergewebe getrennt, ohne das
während die etwas festere Linsenkapsel un- funktionelle System des Blutkreislaufs oder
beschädigt bleibt. Es ist extrem wichtig, die der Gallengänge zu beeinflussen.
Kapsel der Linse bis auf die letzten Zell- In den zitierten medizinischen Publikationen
schichten zu „polieren“, weil von verbliebe- wird das DWS-Trennen ausschließlich aus
nen Zellresten der gefürchtete Nachstar aus- der Sichtweise des Mediziners beschrieben.
gehen kann. Auch hier zeigt der DWS deutli- Die „funktionelle Selektivität“ des DWS bei
che Vorteile gegenüber klassischen Metho- bestimmten erzeugungs- und prozessorien-
den292. tierten Parametern ist aber an mechanische
Eigenschaften der Gewebe, also an Material-
Plastische Chirurgie parameter gebunden.
In der plastischen Chirurgie nutzt man den Bisher offen ist die Frage, ob sich die DWS-
DWS zur Ausdünnung der Haut und zur Zer- Technik auch zum Trennen von Geweben
kleinerung von Fettgewebe, welches dann und Biomaterialien des orthopädischen Fach-
abgesaugt wird262. gebiets eignet.
9

3 Probleme bei orthopädischen Operationen

Die Verwendung der DWS-Technik in der schicklichkeit und Erfahrung spielt bei der
orthopädischen Chirurgie ist nur zu rechtfer- Materialbearbeitung, der Auswahl der
tigen, wenn daraus deutliche Vorteile für den Trenntechnik und der Wahl der Parameter
Patienten und für das Gesundheitssystem eine wesentliche Rolle.
resultieren.
In diesem Kapitel werden orthopädische
Krankheitsbilder und zugehörige Operations- 3.2 Empirisches Modell zu Trenn-
verfahren mit ihren Vor- und Nachteilen vor- prozessen bei einer Operation
gestellt. Ein empirisches Modell zu Trenn-
prozessen bei einer Operation soll es ermög- Das Trennverfahren in einer Operation wird
lichen, die bekannten Trennverfahren und die in der Regel aufgrund der erzielten Schnitt-
Druckwasserstrahltechnik in der spezifischen qualität und Schnitteffektivität ausgewählt
Operationsanwendung zu analysieren. (Abbildung 3-1). Die Ansprüche an die
Qualität der Schnittflächen sind zum Teil
sehr unterschiedlich. Eine hohe Qualität hat
3.1 Ziel einer Operation aber in der Regel eine geringe Effektivität zur
Folge.
Das übergeordnete Ziel einer Operation ist, Die Effektivität wiederum ist ein wesentli-
wie bei jeder ärztlichen Handlung, die Wie- cher Faktor für die Operationszeit und somit
derherstellung oder Bewahrung der Gesund- letztendlich für die Effizienz der Trennme-
heit. Dies reduziert sich bei orthopädischen thode. Die perioperative Morbidität ist defi-
Operationen in der Regel auf die Linderung niert als die Wahrscheinlichkeit, dass ein
von Schmerzen und/oder den Erhalt bzw. die Patient durch den operativen Eingriff eine
Verbesserung der Funktion des Stütz- und neue Erkrankung davonträgt. Beispiel dafür
Bewegungsapparats. wäre eine Thrombose, eine Lungenembolie
In Hinblick auf die Erfüllung des übergeord- oder eine Infektion. Die perioperative Morbi-
neten Operationsziels werden die dazu ge- dität ist grundsätzlich positiv korreliert mit
nutzten Trennverfahren anhand verschie- der Operationszeit und dadurch auch abhän-
denster Zielparameter, wie z.B. Effektivität gig von der Effektivität des Trennprozes-
und Qualität und nach der Effizienz ausge- ses221;285
wählt. Das Bewertungskriterium „Schädigung“ lei-
Jedes Trennverfahren verfügt über erzeu- tet sich aus der von Hippokratesa formulierten
gungsorientierte und prozessorientierte Pa- Grundregel für ärztliches Handeln „Nihil
rameter, die vom Operateur vor oder während nocere“ ab113. Jeder Trennprozess birgt
des Trennprozesses gewählt werden müssen. Schädigungsrisiken sowohl für den Patienten
Hierzu gehört z.B. die Energiedichte bei der als auch für das medizinische Personal, wel-
Verwendung eines LASERS (erzeugungsori- ches das Trennwerkzeug bedient.
entierter Parameter) oder die Vorschubge-
schwindigkeit einer oszillierenden Sägema-
schine (prozessorientierter Parameter). Die
Qualität des Operateurs in Form von Ge-
a
Hippokrates von Kos, um 460 - 370 v. Chr.
10 Probleme bei orthopädischen Operationen

Chirurgisches Trennverfahren
Erzeugungsorientierte Prozessorientierte
Parameter Geschwindigkeit Parameter

Arbeitssicherheit Materialbearbeitung Effizienz

Qualität des
Operateurs

Zielparameter

Qualität Effektivität Schädigung

Schädigung des zu
Schnittrauigkeit Schnitttiefe trennenden Materials

Schädigung des
Schnittgeometrie Schnittbreite Gewebeverbundes

Schädigung von
benachbartem Gewebe

Fernschäden

Perioperative Morbidität

Abbildung 3-1: Einflussfaktoren zu Trennprozessen bei einer Operation.


Empirisches Modell zu Trennprozessen bei einer Operation 11

Bei der Schädigung des Patienten kann zwi- die Verletzung eines Nervs sind Beispiele für
schen vier Schadensklassen unterschieden die Schadensklasse III.
werden (Abbildung 3-1):
Fernschäden (Schadensklasse IV):
Schädigung des zu trennenden Materials Fernschäden können vom Trennprozess sel-
(Schadensklasse I): ber z.B. durch in den Organismus einge-
Unter dieser Schadensklasse sind Schäden in brachte Stoffe ausgelöst werden. Fernschäden
Form von Materialabtrag oder Materialver- können auch Folge der Schadensklassen 2
änderung in unmittelbarer Umgebung der und 3 sein. Wird z.B. das Gefäßsystem er-
eigentlichen Schnittfuge subsummiert. Als öffnet und Luft in das venöse System einge-
Beispiel sei die thermische Schädigung der bracht, so kann es zu einer Luftembolie
Schnittflächen beim LASER-Schneiden ge- kommen, die unter Umständen zum soforti-
nannt (Abbildung 2-2, S.5). gen Tod des Patienten führen kann. Die
Schäden jeder Schadensklasse verlängern die
Schädigung des Gewebeverbundes Operation und können den Operationserfolg
(Schadensklasse II): in Frage stellen. Sie beeinflussen also die
Schäden an Gewebe, das mit dem zu tren- perioperative Morbidität.
nenden Material in unmittelbarer Verbindung Ein weiterer Faktor, der bei der Bewertung
steht, sind meistens unvermeidlich. Das an- von Trennverfahren berücksichtigt werden
schaulichste Beispiel ist die Verletzung von muss, ist die Sicherheit des medizinischen
kleinen Blutgefäßen, die das zu trennende Personals. Diese kann einerseits durch Ver-
Material durchziehen und versorgen. Auch haltensregeln, andererseits durch Schutzvor-
die Verletzung von Nervenästen, die mit dem richtungen gewährleistet werden. Die Ar-
zu trennenden Material im Verbund stehen, beitssicherheit kann aber auch bedingen, dass
ist zu diesen unmittelbaren Schädigungen zu Qualität und Effektivität des Trennprozesses
zählen. beeinflusst werden.

Schädigung von benachbartem Gewebe


(Schadensklasse III): Das empirische Modell zu Trennprozessen
Hierzu gehören Schäden an Geweben, die bei einer Operation lässt sich auf alle Opera-
nicht in unmittelbarer Verbindung zu dem zu tionen übertragen. Im Folgenden werden die
trennenden Material stehen, sondern in in dieser Arbeit untersuchten Operationsme-
räumlicher Nähe angeordnet sind. thoden dargestellt und neben den Zielpara-
Die Verletzung eines großen Gefäßes, das in metern die mögliche Schädigung definiert.
der Nähe des Schnittbereichs verläuft oder
12 Probleme bei orthopädischen Operationen

3.3 Nukleotomie 3.3.1 Operative Verfahren

Bandscheibenbedingte Rückenschmerzen Neben der konservativen Therapie, also der


haben eine überaus große sozialmedizinische Behandlung mit Medikamenten oder Phy-
und volkswirtschaftliche Bedeutung. Die siotherapie, sind eine Vielzahl verschiedener
Kosten der Frühberentungen wegen Rücken- operativer Verfahren bekannt. Die klassische
schmerzen werden in Deutschland mit 61,5 offene Bandscheibenoperation ist aber bis
Mrd. € pro Jahr beziffert253. Die Erkrankun- heute die Methode der Wahl geblieben. Der
gen der Wirbelsäule werden von Jahr zu Jahr operative Zugang (dorsaler Zugang, Abbil-
häufiger. So zeigen heute schon 98% aller dung 3-3) zum Bandscheibenvorfall erfolgt
Individuen bei einem Lebensalter von 50 direkt durch den Spinalkanal hindurch. Die
Jahren radiologisch eine Bandscheibendege- Nervenwurzeln und die Dura mater (harte
neration. Fast jeder Mensch hat mit Vollen- Rückenmarkshaut) müssen mit einem In-
dung des 30. Lebensjahres bereits eine Phase strument zur Seite gehalten werden, um den
mit Rückenschmerz durchgemacht. Vorfall erreichen zu können (Abbildung 3-3).
Die Bandscheibe besteht aus einem äußeren
Faserring (Anulus fibrosus) und einem inne-
ren Gallertkern (Nukleus pulposus), der nicht
kompressibel ist. Degeneriert die Band-
scheibe im Laufe des Lebens, entstehen Risse
in den Anulusfasern und der Nukleus kann
aus dem Anulus heraustreten (Bandscheiben-
vorfall, Abbildung 3-2).
Der Bandscheibenvorfall kann im unmittel-
bar benachbarten Spinalkanal (Wirbelkanal)
die Nerven bedrängen und so zu Schmerzen
oder Lähmungen führen.

Abbildung 3-3: Operative Zugangswege zur


Entfernung eines Bandscheibenvorfalls.

Eine häufige Komplikation dieser Operation


ist deshalb die Narbenbildung im Spinalka-
nal, die zu einem chronischen Schmerzsyn-
Abbildung 3-2: Kernspintomografischer Sagit- drom durch Irritation der Nervenwurzeln
talschnitt der Lendenwirbelsäule. führen kann (Postnukleotomiesyndrom)
Die beiden unteren Bandscheiben weisen einen Band- 77;91;154
scheibenvorfall mit Einengung des Spinalkanals auf. .
Nukleotomie 13

In den 1980er Jahren wurden mikroinvasive einer Schrumpfung des Nukleus pulposus
Verfahren entwickelt, die auf einen offenen führen148.
und direkten Zugang zur Bandscheibe ver- Die Automatisierte Perkutane Lumbale
zichten63;64;127;128;192;268. Diskotomie (APLD) ist ebenfalls weit ver-
Der dorsolaterale Zugang (Abbildung 3-3) er- breitet128;192. Die APLD erzielt den
möglicht es, durch zentrale Druckentlastung Materialabtrag mit Hilfe eines in die Band-
im Nukleus pulposus eine indirekte Reduk- scheibe eingeführten Gerätes zum Scher-
tion des Drucks im prolabierten Gewebe zu schneiden. Es wird im medizinischen
erreichen (Abbildung 3-4)54;56. Sprachgebrauch als Saugstanze bezeichnet
Vorteil dieser Methode ist einerseits die (Abbildung 3-5).
Möglichkeit des mikroinvasiven Vorgehens
durch eine Stichinzision, andererseits die
Tatsache, dass der Spinalkanal und die Ner- pneumatischer Antrieb
venwurzeln nicht tangiert werden. So ist eine
klinisch relevante Narbenbildung nahezu
ausgeschlossen. Die mikroinvasive Nukleo-
tomie beschränkt sich auf Protrusionen
(Bandscheibenvorwölbungen) oder nicht se-
questrierte Vorfälle (Bandscheibenvorfälle,
Sauger Schneiden
die noch mit dem Gallertkern in Verbindung
stehen).
Abbildung 3-5: Schema zum Aufbau des APLD-
Werkzeugs.

Beide Rohre des APLD-Geräts sind an der


Öffnung mit Schneiden versehen, die durch
die oszillierende Bewegung des inneren ge-
gen das äußere Rohr (pneumatischer Antrieb)
zum Abscheren von Nukleusgewebe führen.
Unter ständigem Sog wird so Nukleusgewebe
zerkleinert und aus der Bandscheibe beför-
dert.
In den 1990er Jahren wurde zunehmend auch
Abbildung 3-4: Schema der mikroinvasiven
Nukleotomie. die LASER-Nukleotomie eingesetzt63;64. Bei
der LASER-Nukleotomie wird das Band-
scheibengewebe mit entsprechend hohen
Energiedichten vaporisiert. Der Strahl des
Bei der Chemonukleolyse wird Chymopapain Holmium-Yag- oder Neodym-Yag-Lasers
oder ein ähnliches den Nukleus pulposus wird dazu mit Hilfe einer Fiberglasoptik auf
auflösendes Enzym in die Bandscheibe ein- den Nukleus pulposus fokussiert.
gespritzt268. Die Substanz soll über enzymati- Alle hier vorgestellten Verfahren haben
sche Trennung langer Polysaccharidketten Nachteile: Die Chemonukleolyse setzt vor-
und durch sekundäre osmotische Effekte zu aus, dass der äußere Faserring der Band-
14 Probleme bei orthopädischen Operationen

scheibe geschlossen ist, damit das aggressive ckenmark bzw. die Spinalnerven verlaufen.
Enzym nicht in den Spinalkanal eindringen Die Spinalnerven ziehen jeweils zwischen
kann. Meist verspürt der Patient durch den zwei Wirbelkörpern in die Peripherie.
chemischen Reiz zunächst eine deutliche Die Nähe der Bandscheibe zum Spinalkanal
Verschlimmerung seiner Beschwerden im bedingt, dass bei operativen Eingriffen die
Sinne einer chemischen Diszitis (Entzündung neurologischen Strukturen potenziell gefähr-
der Bandscheibe). Zusätzlich besteht ein det sind. Daraus ergibt sich für eine Scha-
nicht geringes Risiko auch lebensbedrohli- denklassifizierung nach dem empirischen
cher allergischer Reaktionen43;200. Modell zu Trennprozessen bei einer Opera-
Die Ergebnisse der APLD sind klinisch nach tion (Abbildung 3-1, S.10) die Notwendig-
eigener Erfahrung nicht zufrieden stellend keit, alle in der Abbildung 3-6 bezeichneten
und stehen in keiner guten Relation zum wirbelsäulennahen Gewebe zu untersuchen.
Zeitaufwand. Die Erfolgsraten werden in der
Literatur mit 37% bis 89% angegeben193;236.
Der LASER ist nicht selektiv, d.h., er bear-
beitet gleichermaßen Nukleus pulposus und
Anulus fibrosus45;226. Tritt der LASER-Strahl
aus dem Anulus fibrosus aus, so wird im
schlimmsten Fall Nervengewebe verletzt.
LASER-Anwendungen sollten daher endo-
skopisch kontrolliert werden. Die bei einer
LASER-Operation entstehende Hitze kann zu
einem starken Temperaturanstieg innerhalb
der Bandscheibe führen. Die so herbeige-
führte Nekrose von Nukleus- und Anulus-
zellen kann zu einer Segmentinstabilität bei- Abbildung 3-6: Schematische Darstellung eines
Teilbereichs der Lendenwirbelsäule.
tragen45.226 Die bei einer Nukleotomie relevanten Gewebe sind
bezeichnet. Die obere Bandscheibe zeigt einen Vorfall
mit Bedrängung eines Spinalnervs.
3.3.2 Anatomie und Gewebstypisierung

Die Wirbelsäule ist das zentrale Achsorgan Die Gewebe haben sehr unterschiedliche
des menschlichen Körpers. Einerseits dient Funktionen, was sich auch an den sehr unter-
sie als Vielgelenkkette der Rumpfbeweglich- schiedlichen Materialeigenschaften ablesen
keit, andererseits als Schutz für Strukturen lässt (Tabelle 3-1). Eine weitergehende histo-
des zentralen (Rückenmark) und des periphe- logische Typisierung findet sich im Anhang
ren Nervensystems (Spinalnerven). Die Wir- (S.205).
belsäule besteht aus einzelnen Wirbeln, die
untereinander durch die Bandscheibe, Ge-
lenke und Bänder miteinander in Verbindung
stehen. Direkt dorsal der Wirbelkörper befin-
det sich der Spinalkanal, in dem das Rü-
Nukleotomie 15

Funktion/ Zugfestigkeit Scherfestigkeit Kollagen


Gewebe Lokalisation
Beanspruchung [MPa] [MPa] [% i.Tr.]
Fett Unterhaut Energiespeicher n.b. n.b. 9,00
Muskel157 Rückenmuskel Kontraktion 0,16 n.b. n.b.
Rückenmark Wirbelkanal Nervensystem n.b. n.b. n.b.
Spinalnerv216 Wirbelkanal Nervensystem 13,20 n.b. n.b.
Dura mater270 Wirbelkanal Schutzhülle 9,90 22,30 n.b.
Nukleus n.b.
Bandscheibe Druck 0,30 25,00
pulposus269
Anulus n.b.
Bandscheibe Zug und Druck 3,20 67,00
fibrosus76
Ligament213 Längsband Zug 27,40 n.b. 90,00
Sehne Rückenmuskel Zug 16,50 n.b. 90,00
Knochen144;269 Wirbelkörper Druck und Zug 3,50 79,00 30,00
Tabelle 3-1: Eigenschaften der vertebralen Weichgewebe und des Knochens als vertebrales Hartgewebe.
(vgl. Anhang S.205, n.b. = nicht bekannt, i. Tr. = in der Trockenmasse).

3.3.3 Vorüberlegungen zur Anwendung


eines Druckwasserstrahls

Die Erfahrungen und Ergebnisse der DWS- Dies kann im schlimmsten Falle zur Quer-
Anwendung in anderen Bereichen der Medi- schnittslähmung führen. Daher ist es nicht
zin geben Anlass zu der Hypothese, dass nur wichtig, die Parameter für die Bearbei-
auch im Bereich der Bandscheibenchirurgie tung des Zielmaterials „Nukleus pulposus“ zu
die Vorteile der Gewebsselektivität zu nutzen kennen. Der Chirurg muss wissen, welche
sind. Die Anatomie der Bandscheibe mit dem grundsätzliche Gefährdung vom DWS aus-
faserigen Anulus fibrosus und dem zentralen geht. Vor einer klinischen Anwendung müs-
gallertartigen Nukleus pulposus impliziert die sen daher Daten zur Wirkweise des DWS an
Möglichkeit, das Nukleusgewebe mit einem allen vertebralen Geweben vorliegen.
Hochdruckwasserstrahl selektiv zu bearbei-
ten, ohne den Anulus fibrosus zu schädigen. Schadensklasse I:
Hauptanforderung an den Einsatz eines DWS Schäden am Material selbst wären denkbar in
für die mikroinvasive Nukleotomie ist die Form einer Veränderung der mechanischen
Entfernung von Nukleusgewebe, also der Eigenschaften des Nukleus pulposus durch
volumetrische Abtrag, der sich aus Schnitt- die Strahlflüssigkeit oder eine Erhöhung des
breite und -tiefe ergibt. Die Schnittqualität intradiskalen Drucks.
spielt bei dieser Anwendung keine besondere
Rolle. Schadensklasse II:
Eine gefürchtete Komplikation bei jeder Art Die Gefahr von Blutungen ist beim Nukleus
von Wirbelsäulenoperationen ist jegliche pulposus nicht gegeben, weil dieser keine
Verletzung der Spinalnerven oder des Rü- Gefäße besitzt, denn er wird ausschließlich
ckenmarks. über Diffusion ernährt. Auch befinden sich
16 Probleme bei orthopädischen Operationen

keine Nervenfasern innerhalb des Nukleus 3.4 Endoprothesenrevision


pulposus.
Die Kernleistung des orthopädischen Fach-
Schadensklasse III: gebiets vollzieht sich an harten Geweben und
Als ein Schaden der Klasse III wäre die Ver- Biomaterialien. Der Knochen spielt hier die
letzung oder Durchtrennung des Anulus übergeordnete Rolle. Aber auch artifizielle
fibrosus zu werten. Zwar hat dies für den Materialien wie Knochenzement oder Imp-
Operationserfolg keinen wesentlichen Nach- lantatwerkstoffe werden bei Operationen
teil, aber die Gefahr dem Patienten einen bearbeitet. Bisher verfahrenstechnisch unzu-
weiteren Schaden der Klasse III zuzufügen reichend gelöste Trennaufgaben finden sich
ist größer, weil eine Barriere zwischen dem insbesondere bei Revisionseingriffen von
Strahl und den potenziell gefährdeten Struk- Endoprothesen, wie z.B. am Hüftgelenk.
turen, wie dem Rückenmark, verloren geht. Die Primärimplantation einer Hüften-
Weitere Schäden der Klasse III sind die limi- doprothese verschafft dem Patienten sofort
tierenden Faktoren der Bandscheibenopera- Schmerzfreiheit und eine annähernd normale
tion. Hier sind in erster Linie die Verletzung Funktion des Gelenks. Die Zahl der Patien-
von Rückenmark, Dura mater und Spinalner- ten, die eine Hüftendoprothese erhalten,
ven zu nennen. Aber auch die Strahlbeauf- nimmt jährlich stetig zu und das Durch-
schlagung von Muskeln, Sehnen sowie von schnittsalter bei der Operation ab253.
Bändern und epiduralem und paravertebra- Zehn Jahre nach der Implantation sind noch
lem Fettgewebe ist denkbar. über 90%, 20 Jahre nach der Operation noch
über 80% der Kunstgelenke in Funktion272.
Schadensklasse IV: Die weltweit einmalige epidemiologische
Denkbare Schäden der Klasse IV sind Luft- Studie der schwedischen Gesundheitsbe-
embolien, wobei die Gefahr sehr gering sein hörde, die über 130.000 Patienten mit einer
dürfte, weil in der Bandscheibe keine Gefäße Hüftendoprothese einschließt, zeigt einer-
anzutreffen sind. Da für die Anwendung ei- seits, dass die Qualität der hüftendoprotheti-
ner physiologischen Kochsalzlöung im DWS schen Versorgung bereits sehr hoch ist, ande-
bei der Leberchirurgie ausreichend positive rerseits finden sich in allen Gruppen Thera-
Erfahrungen vorliegen18-20;25, sind toxische pieversager, die im Wesentlichen auf asepti-
oder andere Fernwirkungen unwahrschein- sche Lockerungen zurückzuführen sind124.
lich. Der heute anerkannte ätiologische Faktor für
aseptische Spätlockerungen der Implantate ist
die biologische Reaktion auf Verschleißpar-
tikel, die innerhalb der Gelenkpaarung (meist
Polyethylen-Metall) generiert werden26.
Diese führen auf Dauer zur Osteolyse (lokale
Knochenauflösung), zur Lockerung der En-
doprothese und so zum Versagen des Imp-
lantats. Ein weiterer Faktor ist die unphysio-
logische Lasteinleitung der Stielprothese. Die
Prothese versteift den elastischen Knochen
und erzielt ungewollt eine im Vergleich zum
normalen Hüftgelenk distale Lasteinleitung
Endoprothesenrevision 17

in das Femur (stress-shielding). Da Knochen


sich über die Materialspannung remodelliert,
ist eine zunehmende Atrophie der proximalen
medialen Kortikalis die Folge (Rückbildung
des Knochens, Abbildung 3-7)178.

ohne Prothese
mit Prothese
Partikel Abbildung 3-8: Schematische Darstellung der Ver-
ankerungsprinzipien von Hüftendoprothesen.
Osteolysen Knochen- Links: zementierter Prothesenstiel.
Rechts: zementfreier Prothesenstiel.
atrophie

3.4.1 Operative Verfahren

Spannung Bei der Revisionsoperation ergibt sich das


Abbildung 3-7: Ursachen einer aseptischen Problem, Materialien in einem schmalen
Lockerung von Hüftendoprothesen. Spalt, dem Interface zwischen Knochen und
Links: Osteolysen durch die biologische Reaktion auf
Verschleißpartikel und Knochenatrophie durch Stress- Prothese, trennen zu müssen. Für herkömmli-
Shielding. che Werkzeuge ist dieser Spalt fast unzu-
Rechts: ,Van Mises Spannung der medialen Femur- gänglich. In vielen Fällen muss deshalb der
kortikalis im Einbeinstand mit und ohne Prothese
(schematisch). Knochen zusätzlich „gefenstert“ werden, was
die Implantation einer neuen Prothese er-
schwert (Abbildung 3-9).
Therapie der aseptischen Lockerung ist die
Revision der Endoprothese. Bedingt durch
die steigende Anzahl der primären Implanta-
tionen wird der Revisionseingriff immer
häufiger. Diese Implantate sind zwar kli-
nisch/funktionell locker, aber intraoperativ
immer noch so fest mit dem Knochengewebe
verbunden, dass es für den Operateur schwie-
rig ist, diese Revision durchzuführen. Dies
gilt sowohl für die zementierte als auch für
die zementfreie Verankerung des Implantats
(Abbildung 3-8). Bei einer Infektion müssen
sogar fest verankerte Prothesen operativ
entfernt werden. Abbildung 3-9: Schematische Darstellung einer
Prothesenrevison.
18 Probleme bei orthopädischen Operationen

Bei zementierten Prothesen kann zwar in der Ein wesentlicher Nachteil der genannten
Regel der metallische Prothesenstiel aus dem Techniken ist die fehlende selektive Arbeits-
Zementköcher extrahiert werden, aber auch weise. Bei der ESWL werden auch im an-
der im Knochen verbliebene Zement stellt grenzenden Knochengewebe elektronenmik-
den Operateur vor große Probleme (Abbil- roskopisch nachweisbare Mikrobrüche er-
dung 3-10)216. zeugt (Schadensklasse II). Ultraschall und
Bisher beschriebene Alternativen zu den her- LASER schädigen den Knochen zusätzlich
kömmlichen Werkzeugen haben sich aus thermisch. ESWL, Ultraschall und LASER
unterschiedlichen Gründen klinisch nicht zeigen hinsichtlich der erzielbaren Material-
durchgesetzt. Weder die extrakorporale abtragsrate keine wesentlichen Vorteile im
Stoßwellenlithotrypsie (ESWL), die Mikro- Vergleich zu herkömmlichen Werkzeugen.
brüche im Knochenzement generieren und Eine intraoperative Anwendung der DWS-
die Scherkraftbelastbarkeit herabsetzen Technologie zum Trennen von Knochen oder
156;196;288
soll noch das Aufschmelzen und anderen harten Biomaterialien wurde bisher
anschließende Entfernen des Zements durch nicht beschrieben, obwohl der verfahrensbe-
Ultraschallsonden48;49;94;139;163 oder die dingt athermische Abtragsvorgang von bio-
252;307
LASER-Anwendung führten zum logischem Vorteil sein könnte.
Durchbruch.

Abbildung 3-10: Lockerung und Revision einer zementierten Hüftendoprothese.


Links: Röntgenbild einer gelockerten Hüftendoprothese. Es finden sich Osteolysen im Bereich des
gesamten Zementköchers.
Oben rechts: Ausschlagen eines zementierten Prothesenstiels während einer Operation.
Unten rechts: Distale Fensterung zum Entfernen des Knochenzements im Bereich der Prothesenspitze.
Endoprothesenrevision 19

Lediglich Giraud et al. erwähnten 1991 die Ein Osteon ist jedoch keine abgeschlossene
grundsätzliche Möglichkeit, mit einem DWS isolierte Baueinheit, sondern Teil eines zu-
Knochen zu schneiden, ohne über Ergebnisse sammenhängenden Systems:
zu berichten98. Untereinander und mit den Gefäßen von Pe-
riost (Knochenhaut) und Markraum sind
Osteone durch perforierende, radiär angeord-
3.4.2 Gewebs- und Materialtypisierung nete Gefäße, die Volkmann-Kanäle, verbun-
den.
Kortikaler Knochen Der Knochen ist demnach ein Verbundwerk-
Kleinste Baueinheit des Knochengewebes ist stoff, bestehend aus organischen Kollagenfa-
das Osteon (auch Havers-System genannt). serbündeln und der anorganischen Hydroxyl-
Diese in unterschiedlicher Größe vorkom- apatitgrundsubstanz. Innerhalb einer Lamelle
mende zylindrische Struktur ist 5–20mm lang verlaufen die Kollagenfibrillen als spitz-
und hat eine zentrale, 20–300µm weite Röhre winklig kreuzende Gitter mit insgesamt
(Havers-Kanal), die Blutgefäße und Nerven schraubenförmigem Verlauf. Durch den ge-
enthält (Abbildung 3-11). genläufigen Verlauf der Kollagenfibrillen
Die Osteone sind in Richtung der hauptsäch- von Lamelle zu Lamelle entstehen bei Druck-
lichen Druck- bzw. Zugspannung, also im und Zugbelastung Flächenpressungen, die
Diaphysenbereich parallel zur Röhrenkno- zusätzlich die Festigkeit erhöhen68. Aus den
chenlängsachse ausgerichtet. Jedes Osteon ist Fasersystemen benachbarter Lamellen mün-
aus 4–20 konzentrisch um den Havers-Kanal den Fasern ein und festigen hierdurch den
angeordneten Lamellen aufgebaut, die 5– Zusammenhalt zwischen den Lamellen.
10µm dick und durch ca. 0,1µm dünne Ze- Diese hochorganisierte Struktur hat zur
mentschichten voneinander getrennt sind47. Folge, dass die mechanischen Eigenschaften
des Knochens richtungsabhängig sind.
Knochengewebe ist in longitudinaler Rich-
tung um ca. 3% und senkrecht dazu um 0,7%
elastisch verformbar27;210;233;280.
Die Energieabsorption eines solchen Materi-
als ist aufgrund der an ihm zu leistenden
Formveränderungsarbeit größer als die eines
spröden Werkstoffs gleicher Druck- und Zug-
festigkeit. Daher ermöglicht die plastische
Verformung von Knochengewebe eine relativ
hohe Energieabsorption bis zum Erreichen
der Bruchgrenze233. Die plastische Verfor-
mung von Knochen unterscheidet sich von
der von Metallen, wobei die zu Grunde lie-
genden Vorgänge noch nicht endgültig ge-
MG+EvG. klärt sind. Es wird angenommen, dass Oste-
Abbildung 3-11: Histologie einer Femurkortikalis.
one gegeneinander verschoben und die Ze-
Man erkennt die um den zentralen Havers-Kanal (*) mentlinien zerstört werden233.
angeordneten Knochenlamellen und die Zellkerne der
Osteozyten (Knochenzellen, Pfeile).
20 Probleme bei orthopädischen Operationen

Knochenzement 3.4.3 Vorüberlegungen zur Anwendung


Knochenzement ist die umgangssprachliche eines Druckwasserstrahls
Bezeichnung eines Kunststoffs, der intra-
operativ durch Polymerisation von Im Fall der Endoprothesenrevision könnte
Methacrylsäuremethylester hergestellt wird. der DWS in tiefen und engen Spalten des
Er dient zur Formschlussverbindung von Interfaces zwischen Knochen und Prothese
biologischen und technischen Elementen im Abtrag erzielen. Darüber hinaus ist es denk-
Knochen. bar, dass bei bestimmten erzeugungsorien-
Er besteht zu über 95% aus Polymethyl- tierten Parametern der Zement selektiv abge-
methacrylat (PMMA), zu unter 5% aus Zir- tragen werden könnte, ohne den Knochen zu
konoxid oder Bariumsulfat als Röntgenkon- schädigen.
trastmittel, einem optionalen Antibiotikum Zielparameter einer DWS-Bearbeitung von
sowie Benzoylperoxid. Knochenzement sind die Kerbtiefe und die
Die Unterschiede zwischen den handelsübli- Kerbbreite, also die Schnitteffektivität. Die
chen Knochenzementen bestehen in der Vari- Kerbtiefe darf das distal im Femur gelegene
ation der Molekulargewichte und relativen Ende des Knochenzements nicht überschrei-
Anteile an Homopolymer und Copolymer. ten, da der Strahl sonst in den Markraum ein-
Diese Variation beeinflusst die Abbindekine- dringt und Schäden der Klasse III verursa-
tik, die Exothermie und die Viskosität des chen könnte. Die Kerbbreite ist durch die
Zements. Auch die mechanischen Eigen- Breite des Zementinterfaces limitiert. Die
schaften des Knochenzements sind in Gren- Schnittqualität ist bei der Revision von se-
zen an die Mischungsverhältnisse und Beiga- kundärer Bedeutung.
ben gebunden. Sie zeigen jedoch deutlich
höhere Variabilität durch Beimischungen wie Schadensklasse I:
Antibiotika oder durch Porenbildung. Poren Schäden der Klasse I sind bei dieser Anwen-
können 3–12% des Volumens ausmachen dung nicht definiert, weil der gesamte pe-
(Abbildung 6-1)183. riprothetische Zement entfernt werden soll.
Obwohl der Einfluss dieser Poren auf das
Materialversagen des Knochenzements noch Schadensklasse II:
nicht abschließend geklärt ist, sollte man die Die Schadensklasse II ist bei dieser Anwen-
Porosität so gering wie möglich halten. dung ebenfalls nicht definiert, weil der Kno-
Die Einflüsse des Knochenzement-Anmisch- chenzement keinen Gewebeverbund eingeht.
verfahrens auf mechanische Eigenschaften
sind erheblich161 (siehe Anhang S.208). Schadensklasse III:
Es ist daher heute operativer Standard, Va- Als Schaden der Klasse III ist bei der En-
kuum-Mischsysteme zu benutzen295, um Gas- doprothesenrevision der Abtrag oder die
blasen zu reduzieren. Schädigung des Knochens zu werten.
Typisch für makromolekulare Kunststoffe ist, Weitere Schäden der Klasse III sind in Ana-
dass die Geschwindigkeit, mit der eine Kraft logie zur DWS-Anwendung bei der Nukleo-
eingeleitet wird, Einfluss auf die Material- tomie Nerven-, Gefäß- oder Muskelverlet-
kennwerte hat209. Durch ei ne Erhöhung der zungen.
Deformationsgeschwindigkeit um den Faktor
106 wird z.B. der E-Modul von PMMA um
den Faktor zwei vergrößert.
Endoprothesenimplantation und Osteotomie 21

Schadensklasse IV: Der zweite wichtige Zielparameter ist die


Als Fernschäden sind Embolien oder toxische biologische Potenz des Knochens an den
Wirkungen des Schneidmediums zu nennen. Schnittflächen. Sie ist für das Einwachsen
Es ist zu erwarten, dass ein DWS für die Be- eines Implantats genauso relevant wie für die
arbeitung von Knochenzement über einen Heilung von Osteotomien (Knochendurch-
entsprechend hohen Druck verfügen muss. trennungen, Abbildung 3-13).
Die Unfallgefahr für Patient und medizini- Osteotomien werden zur Achs- oder Stel-
sches Personal darf daher nicht unerwähnt lungskorrektur durchgeführt. Durch eine
bleiben. Keilentnahme (= Trennschnitt) am Schien-
beinkopf wird z.B. die Beinachse begradigt
(Abbildung 3-13).

3.5 Endoprothesenimplantation
und Osteotomie

In der orthopädischen Chirurgie wird die


Qualität von Trennschnitten am Biomaterial
Knochen anhand von zwei Zielparametern
analysiert. Die Genauigkeit spielt eine we-
sentliche Rolle, wenn es um die Einhaltung
von Fertigungstoleranzen geht. Bei der Im-
plantation einer zementfreien Knieen-
doprothese wird z.B. eine gute Passung zwi-
schen Implantatoberfläche und Implantatla-
ger gefordert, damit die Primärstabiltät, die Abbildung 3-13: Schematische Darstellung einer
durch Kraft- und Formschluss erreicht wird, Umstellungsosteotomie an der Tibia.
optimal ist (Abbildung 3-12 und Abbil-
dung 3-14).
Damit diese genau so schnell wie eine Frak-
tur heilt, ist die biologische Potenz der
Schnittflächen von noch höherer Bedeutung
als die Genauigkeit.

3.5.1 Operative Verfahren

Das oszillierende Sägen hat sich in der Or-


thopädie als Standard bei der Durchführung
von Trennschnitten an Knochen etabliert
(Abbildung 3-14 und Abbildung 3-15).
Durch das mit kurzem Hub oszillierende Sä-
Abbildung 3-12: Schematische Darstellung einer
Knieendoprothesenimplantation. geblatt kann der Knochen mit geringem
Platzbedarf getrennt werden (Abbil-
dung 3-15).
22 Probleme bei orthopädischen Operationen

Abbildung 3-14: Implantation einer Knieendoprothese.


Oben links: Sägen des Knochens mit Hilfe einer Schnittschablone.
Oben rechts: Durch Sägen erzeugte Schnittflächen an Femur und Tibia.
Unten links: Zementieren der tibialen Prothesenkomponente.
Unten rechts: Knieendoprothese vor der Reposition.

Der Antrieb ist pneumatisch oder elektrisch, Die Effektivität ist gut, die Genauigkeit ist
der Vorschub erfolgt von Hand. bei Verwendung entsprechender Schablonen
hinreichend. Als limitierender Faktor muss
angeführt werden, dass lediglich planparal-
lele Flächen gefertigt werden können. Au-
ßerdem entsteht Reibungswärme, welche die
Biologie der Schnittflächen negativ beein-
flusst.
Bei Operationsrobotern hat sich hingegen das
Fräsen bewährt284. Die so mit dem Roboter
erzielte Fertigungsgenauigkeit übertrifft die
des Sägens deutlich, die Reibungswärme
jedoch ist auch hier für die Knochenbiologie
von erheblichem Nachteil23;87.
Abbildung 3-15: Oszillierende Sägemaschine zum
Trennen von Knochen.
Endoprothesenimplantation und Osteotomie 23

Das Keilschneiden (mit dem Osteotom =


Meißel) hat als nicht spanendes Verfahren
gegenüber dem Sägen oder dem Fräsen den
Vorteil, dass die Biologie des Knochens
kaum beeinträchtigt wird. Deshalb wird diese
Methode z.B. im Fall der Osteotomie zur
Verlängerung eines Knochens angewandt,
weil hier nicht die Genauigkeit, sondern die
biologische Potenz des Knochengewebes an
den Schnittflächen von übergeordneter Be-
deutung ist.
Zum Trennen dickerer und harter Knochen
ist das Keilschneiden ungeeignet.
Das thermische Schneiden mit LASER wurde
Abbildung 3-16: Schematische Darstellung der
bisher nur experimentell zum Schneiden von Schnitte bei der Implantation einer Knieendopro-
Knochen verwendet259. Mit dem LASER these (rot) und bei einer Tibiakopfosteotomie
lässt sich aus geometrischer Sicht ein sehr (blau).

genauer Schnitt realisieren. Es hat sich aller-


dings herausgestellt, dass sehr tiefe Schnitte –
wie sie für Trennschnitte z.B. am Femur er-
forderlich sind – nur mit einem CO2-LASER Zwar ist das Material, das Kortikalis und
unter Verwendung sehr hoher Energien aus- Spongiosa zugrunde liegt grundsätzlich das-
geführt werden können31. Diese verursachen selbe, aber die Struktur der Gewebe unter-
an den Schnittflächen inakzeptable thermi- scheidet sich erheblich. Der Unterschied zwi-
sche Schädigungen. Verwendet man YAG- schen Kortikalis und Spongiosa lässt sich am
oder Excimer-LASER, die aufgrund anderer einfachsten mit Hilfe der Porosität veran-
Wellenlängen geringere Temperaturbelastun- schaulichen: Die Kortikalis hat eine Porosität
gen verursachen, nimmt man den Nachteil von 3-5%, während die Spongiosa eine Poro-
einer geringeren Schnittleistung in Kauf146. sität von bis zu 90% aufweisen kann (Abbil-
dung 3-17)68. Die Maschenräume des
Trabekelwerks sind mit Knochenmark und
3.5.2 Gewebstypisierung Blutgefäßen ausgefüllt.
Im makroskopischen Aufbau spiegelt sich
Sowohl die Implantation von Endoprothesen das perfektionierte Prinzip der Leichtbau-
z.B. im Bereich des Kniegelenks als auch die weise mit einem Maximum an Stabilität bei
Osteotomie zur Achskorrektur werden in der einem Minimum an Material wieder. Die
Metaphyse oder Epiphyse des Knochens, also Spongiosa ist als ein trajektorielles Fachwerk
in Bereichen, in denen der Knochen vorwie- anzusehen. Die Adaptation an die Beanspru-
gend als Spongiosa anzutreffen ist, durchge- chung des Knochens erfolgt sowohl durch
führt (Abbildung 3-16). Es ist davon Veränderung der Trabekelausrichtung und
auszugehen, dass sich Parameter für die Be- -dimensionierung als auch durch Verände-
arbeitung von kortikalem Knochen nicht auf rung der Materialeigenschaften der Trabekel.
die Spongiosa übertragen lassen.
24 Probleme bei orthopädischen Operationen

Um Knochen mit der geforderten Qualität bei


ausreichender Effektivität bearbeiten zu kön-
nen, wird vermutet, dass der Druck des DWS
entsprechend hoch sein muss. Die Einschät-
zung des damit verbundenen Schädigungs-
potenzials ist notwendig.

Schadensklasse I:
Für die Knochenheilung ist entscheidend,
dass an den Schnittflächen die biologische
Potenz des Knochens erhalten bleibt.
Der Knochen, der an die Schnittfuge angrenzt
darf daher nicht geschädigt werden.

Abbildung 3-17: Computertomogramm einer Schadensklasse II:


Spongiosaprobe des Tibiakopfes (colorisiert). Eine Schädigung des intertrabekulären
Raums, der Nerven und Blutgefäße beher-
bergt, ist denkbar.

3.5.3 Vorüberlegungen zur Anwendung Schadensklasse III:


eines Druckwasserstrahls Da bei Osteotomien der Knochen durchtrennt
werden muss, besteht die Gefahr, dass der
Sowohl für die Osteotomie als auch für die aus der Schnittfuge austretende Wasserstrahl
Fertigung des Implantatlagers bei der Knie- weitere Strukturen verletzt.
endoprothesenimplantation ist die Schnitt-
qualität (Schnittgeometrie und Schnittrauig- Schadensklasse IV:
keit) ein wesentlicher Zielparameter. Gleich- Für die Schäden der Klasse IV gelten die
zeitig soll die Schnitteffektivität ebenso wie selben Überlegungen wie bei der Endopro-
die Effizienz ausreichend sein, um die Ope- thesenrevision.
rationszeit in Grenzen zu halten.
25

4 Zielsetzung
4.1 Offene Fragen 4.3 Von der Idee zur klinischen
Anwendung

Es ist bisher offen, ob die Anwendung der Im deutschen Medizinproduktegesetz steht


DWS-Technik im orthopädischen Operati- geschrieben: „Die klinische Prüfung eines
onsalltag möglich und sinnvoll ist. Unbe- Medizinproduktes darf bei Menschen nur
kannt sind die Wirkung und der Materialab- durchgeführt werden, wenn und solange die
tragsmechanismus aller Subtypen der DWS- Risiken, die mit ihr für die Person verbunden
Technik bei Weichgeweben, Hartgeweben sind, bei der sie durchgeführt werden soll,
und Biomaterialen. gemessen an der voraussichtlichen Bedeu-
Offen ist weiterhin die Frage, ob für die tung des Medizinproduktes für die Heilkunde
DWS-Technik an Geweben und Biomateria- ärztlich vertretbar sind“a.
lien ein Modell entwickelt und angewandt Vor einer klinischen Anwendung der DWS-
werden kann, das dazu beiträgt, die Wirkung Technik mussten daher alle möglichen Vor-
des Strahls an Geweben und Biomaterialien und Nachteile beleuchtet und Risiken mit
vorherzusagen. Neben der Effektivität des dem zu erwartendem Nutzen abgewägt wer-
Trennprozesses muss hier das Schädigungs- den.
potenzial in Analogie zur Schadensklassifi- Die erste Phase des vorgestellten Projekts
zierung im Modell zu Trennprozessen bei bestand aus In-vitro-Schnittversuchen an
einer Operation abgeschätzt werden. Gewebe- und Biomaterialproben. Diese soll-
ten dazu dienen, Zusammenhänge zwischen
erzeugungsorientierten Parametern der DWS-
4.2 Ziel des Projekts Technik und Zielparametern des Trennpro-
zesses aufzuzeigen und das Schädigungspo-
Die Vor- und Nachteile der DWS-Technik tenzial einzuschätzen.
für eine intraoperative Anwendung in Hin- Die Abwägung zwischen Vorteilen,
sicht auf die drei Indikationen: Nukleotomie, Nachteilen und Risiken nach der ersten Pro-
Prothesenrevision und Prothesenimplantation jektphase diente zur Einschätzung, ob für die
bzw. Osteotomie sollten herausgearbeitet jeweilige Indikation eine zweite vorklinische
werden. Projektphase sinnvoll und notwendig ist.
Darüber hinaus sollten Modelle entwickelt Die Projektphase 2 bestand ebenfalls aus In-
werden, die Abhängigkeiten zwischen den vitro-Versuchen. Im Gegensatz zu einfachen
Parametern der DWS-Technik und den Ziel- Schnittversuchen an Gewebsproben fanden
parametern des Trennprozesses in einer Ope- diese am anatomischen Präparat statt. Vor-
ration aufzeigen. Weiterhin sollten die Me- und Nachteile der DWS-Technik im Hinblick
chanismen, die zum Materialabtrag im Ge- auf Effektivität, Qualität und Schädigung
webe und Biomaterial führen, diskutiert wer- waren im Vergleich zu bisher bekannten
den. Methoden zu überprüfen.

a
Gesetz über Medizinprodukte,
http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/mpg
26 Zielsetzung

Erst als sich in dieser Projektphase belegen und Biomaterialien analysiert werden. In
ließ, dass in der Risiko-Nutzenabwägung weiterer Folge werden im Rahmen einer em-
immer noch deutliche Vorteile für die An- pirischen Modellbildung Zusammenhänge
wendung der DWS-Technik zu erwarten zwischen erzeugungsorientierten Parametern
sind, war eine In-vivo-Anwendung am Pati- und Zielparametern aufgezeigt. Gleichzeitig
enten, also eine 3. Projektphase möglich. soll die Gültigkeit analytischer Kerbtiefen-
Die klinische Pilotstudie ist die einzige Mög- modelle für Gewebe und Biomaterialien
lichkeit, den Operationserfolg im Sinne einer überprüft werden.
Schmerzlinderung beurteilen zu können. Im Anschluss daran findet eine kritische Be-
wertung der Ergebnisse im Hinblick auf die
spezielle OP-Situation statt, um entscheiden
4.4 Experimentelle zu können, welche Anwendungen für weitere
Vorgehensweise Projektphasen bis hin zur klinischen Nutzung
in Frage kommen.
In dieser Arbeit werden im Rahmen der Pro- Für diese Anwendungen werden in den wei-
jektphase 1 Schnittversuche an Weichgewe- teren Kapiteln dieser Arbeit die Versuche zur
ben, Hartgeweben und Knochenzement vor- Projektphase 2 und die Anwendung der
gestellt. Anhand dieser Versuche soll der DWS-Technik am Patienten als Projekt-
Materialabtragsmechanismus in Geweben phase 3 beschrieben.
Allgemeine Grundlagen 27

5 Druckwasserstrahl-Verfahrenstechnologie
Dieses Kapitel soll in die Prinzipien der realisieren lässt. Mit Hilfe der Strahldynami-
DWS-Technik und in die Mechanismen des sierung beim diskontinuierlichen Druckwas-
Materialabtrags einführen. Die Parameter, die serstrahl (DDWS) kann zwar die Abtragsrate
den Materialabtrag beeinflussen, werden für bestimmte Materialien gesteigert wer-
definiert und Modelle zur Darstellung der den78, aber keramische Werkstoffe oder ge-
Abhängigkeiten untereinander vorgestellt. härtete Stähle sind auch mit dieser Technik
Dies dient als Grundlage für die Bildung ei- schlecht zu bearbeiten.
nes empirischen Modells zum DWS-Trennen Anfang der 1980er Jahre wurde das Trennen
bei einer Operation. mit Abrasiv-Druckwasserstrahlen (ADWS)
entwickelt125. Beim ADWS wird die Trenn-
wirkung des reinen DWS durch Zusatz von
5.1 Allgemeine Grundlagen Feststoffpartikeln als Schneidmedium so ge-
steigert, dass auch gehärtete Stähle, Glas und
Bereits zum Ende des 18. Jh. wurden Druck- Keramik bearbeitet werden können. Beim
wasserstrahlen zum Abbau von Gesteinen in ADWS dient der DWS in erster Linie zur
den Goldminen Alaskas benutzt. In den Beschleunigung des Abrasivstoffs, der den
1960er Jahren wurde diese Idee zum Trennen größten Teil des eigentlichen Materialabtrags
von Faserverbundwerkstoffen in der Luft- bewirkt.
und Raumfahrtindustrie wieder aufgegriffen. Das Trennen mit DWS ist den in DIN8200
Inzwischen sind hochenergetische Flüssig- beschrieben Strahlverfahren zuzuordnen2.
keitsdruckstrahlen in vielen Bereichen der Strahlen wird hier definiert als ein Ferti-
industriellen Fertigungstechnik als Schneid-, gungsverfahren, das Strahlmittel in Strahlge-
Bohr- und Reinigungswerkzeug67;96;167;201 räten beschleunigt und zum Aufprall auf die
etabliert. Ein wesentlicher Vorteil gegenüber Werkstückoberfläche bringt. Das Strahlsys-
anderen Trennverfahren liegt im athermi- tem ist der Druckflüssigkeitsstrahl.
schen Charakter des Abtragsprozesses. Dar- Unabhängig von der verfahrenstechnischen
über hinaus bietet der DWS die Option des Systematik der DIN8200 hat sich die Unter-
selektiven Abtrags eines Werkstoffs im teilung der DWS nach Belastungsregime und
Werkstoffverbund, wenn die mechanischen Strahlmittel neben der Klassifizierung des
Eigenschaften unterschiedlich genug sind. Druckbereichs bewährt204.
Ein weiterer Vorteil ist, dass trotz der hohen
lokalen mechanischen Beanspruchung die
Reaktionskräfte am gesamten Werkstück und
am Schneidwerkzeug selbst vergleichsweise 5.2 Druckwasserstrahl
gering sind. Das Schneidwerkzeug unterliegt
einem im Vergleich zu anderen Trennverfah- Das Prinzip des reinen DWS ist die Um-
ren sehr geringen Verschleiß290. wandlung potenzieller Energie in kinetische
Der Einsatz des reinen DWS ist vorwiegend Energie.
auf nicht-metallische Werkstoffe beschränkt, Die potenzielle Energie kann über verschie-
weil sich der zum Schneiden härterer Werk- denartige Druckerzeuger (Pumpen) bereitge-
stoffe notwendige sehr hohe Pumpendruck stellt werden105. Zentraler Bestandteil einer
technisch schwer und nur mit hohen Kosten DWS-Anlage ist die Düse, in der die Strahl-
28 Druckwasserstrahl-Verfahrenstechnologie

flüssigkeit beschleunigt und potenzielle •


2
E m v
Energie in kinetische Energie umgewandelt Gleichung 5-1: η = kin = W W•
E pot 2 pW V
wird (Abbildung 5-1).
η ..........Düsenwirkungsgrad
Ekin .......Kinetische Energie
5.2.1 Wirkungsgrad
Epot .......Potenzielle Energie
m& W ..... Wasserdurchsatz
Der Energieumwandlungsprozess in der Düse
vW ........Strahlgeschwindigkeit
ist nicht verlustfrei (Gleichung 5-1). Der Dü-
pW ........Wasserdruck
senwirkungsgrad (η) hängt ab vom Kennwert
der Strahlflüssigkeit (K), der Kontraktions- ρW ........Dichte des Wassers
zahl (α) und der Geschwindigkeitszahl (ε).
Die Wandströmung wird beim Eintreten in Der Strahl hat deshalb nicht in der Düse
die Ausflussöffnung der Düse zur Strahlachse selbst, sondern kurz danach seinen geringsten
hin umgelenkt. Durchmesser.

Düsenöffnung

Wasser- Kernstrahlzone
tank
Kompaktstrahlzone

Pumpe

Zerstäubungskegel
Düse

Sprayzone
Werkstück

Abbildung 5-1: Schematische Darstellung einer Druckwasserstrahlanlage und der Zonen des Freistrahls.
Links: DWS-Anlage bestehend aus einer Pumpe und einer Düse, in der die potenzielle Energie des Wassers in
kinetische Strahlenergie umgewandelt wird.
Rechts: Freistrahl im Umgebungsmedium Luft mit Darstellung der Kernstrahlzone, der Kompaktstrahlzone und
des Zerstäubungskegels.
Druckwasserstrahl 29

Die Kontraktionszahl (α) gibt Aufschluss mengefasst (Gleichung 5-2). Diese wird
über das Verhältnis von Durchmesser des experimentell bestimmt und liegt für stetige
erzeugten Strahls zum Düsendurchmesser Düsen zwischen 0,6 und 0,75.
und ist in erster Linie von der Düsengeomet-
rie abhängig. Mit einer stetigen Düsengeo- Gleichung 5-2: µ = α⋅ε
metrie werden höhere Kontraktionszahlen µ ....... Ausflusszahl
erreicht als mit einer unstetigen (Abbildung α....... Kontraktionszahl
5-2). ε ....... Geschwindigkeitszahl

5.2.2 Strahlgeschwindigkeit
unstetige Düse
Die Geschwindigkeit des resultierenden
Strahls kann nach Bernoulli unter Berück-
stetige Düse sichtigung von ε berechnet werden (Glei-
chung 5-3).

Abbildung 5-2: Schema der Strahlkontraktion in 2p W


Abhängigkeit von der Düsengeometrie. Gleichung 5-3: v = ε⋅
w ρW

Pumpendruck und Düsendurchmesser beein- vW ........Strahlgeschwindigkeit


flussen die Kontraktionszahl ebenfalls. Eine ε ..........Geschwindigkeitszahl
Erhöhung beider Kennwerte führt zu niedri- pW ........Wasserdruck
geren Kontraktionszahlen. Der Wertebereich ρW........Dichte des Wassers
von α liegt in der Praxis zwischen α=0,5 und
α=0,99 247;290. Da die Dichte der Flüssigkeit mit in diese
Die Geschwindigkeitszahl (ε) berücksichtigt, Berechnung eingeht, ist besonders für die
dass durch die Wandreibung in der Düse ein Anwendung des DWS im Hochdruckbereich
Druckverlust entsteht. Die wahre Strahlge- zu beachten, dass mit zunehmendem Druck
schwindigkeit ist daher gegenüber der theo- die Dichte des Wassers zunimmt. Bei einem
retischen, maximalen Strahlgeschwindigkeit Druck von pW=400MPa ist die Dichte von
um den Faktor ε vermindert. Wasser um ca. 13% größer als bei Umge-
Dieser Druckverlust und damit die Ge- bungsluftdruck, was eine Verringerung der
schwindigkeitszahl ε hängen von der Düsen- Strahlgeschwindigkeit um ca. 3,5% bewirkt.
geometrie und dem Volumenstrom ab297.
Unstetige Düsen sind in diesem Zusammen-
hang vorteilhafter, da die Endstücke von 5.2.3 Wasserdurchsatz
stetigen Düsen einen höheren Druckverlust
verursachen. Gerade für die medizinische Anwendung mit
Die Werte für ε werden zwischen 0,90 und einer Volumenbegrenzung im Sterilbereich
0,98 angegeben297. ist der Wasserdurchsatz eines DWS wichtig
Kontraktionszahl (α) und Geschwindigkeits- (Gleichung 5-4).
zahl (ε) werden zur Ausflusszahl (µ) zusam-
30 Druckwasserstrahl-Verfahrenstechnologie

Bei einem Wasserdruck von pW=50MPa, 5.2.5 Wechselwirkung des Strahls mit
einem Düsendurchmesser von dD=0,2mm der Umgebung
und einer Ausflusszahl von µ=0,7 resultiert
ein Wasserdurchsatz von ca. 7g/s. In der in- Nach Verlassen der Düse tritt das Wasser mit
dustriellen Anwendung werden solche Men- dem Umgebungsmedium Luft in Wechsel-
gen belächelt, im Operationssaal stellen ste- wirkung, was den Zerfall des Strahls bewirkt.
rile 5L-Beutel schon die größte handelsübli- Ohnesorge beschrieb schon 1936 die bis
che Einheit dar. Bei den zuvor genannten heute gültigen Zerfallsmechanismen „Zer-
Parametern ergibt sich hier eine maximale tropfen“, „Zerwellen“ und „Zerstäuben“215.
Schneiddauer von 11,9min. Die Art des Strahlzerfalls ist einerseits von
der Reynoldszahl, andererseits von der Ober-
flächenspannung der Flüssigkeit abhängig.
Gleichung 5-4: & W = α ⋅ AD ⋅ ρW ⋅ vW
m Im Verlauf der Tropfenbildung wird Arbeit
gegen die Oberflächenspannung der Flüssig-
m
& W .......Wasserdurchsatz keit verrichtet, wodurch dem Strahl zusätz-
lich Energie entzogen wird. Es wird zwischen
α ..........Kontraktionszahl
AD ........Düsenquerschnitts- Kernstrahlzone, Kompaktstrahlzone, Zer-
fläche stäubungskegel und Sprayzone unterschieden
ρW ........Dichte des Wassers (Abbildung 5-1)150.
vW.........Strahlgeschwindigkeit Die Kernstrahlzone ist ein Bereich, der un-
mittelbar an die Düse anschließt und annä-
hernd die Form eines Kegels hat. Geschwin-
5.2.4 Hydraulische Leistung digkeit und axialer Staudruck sind in dieser
Zone nahezu konstant und der Strahl hat
Eine weitere wichtige Größe ist die hydrauli- seine größte Energiedichte150. Die Länge
sche Leistung (Ph), die sich als Produkt aus der Kernstrahlzone (sc) wächst mit steigen-
Druck und Volumenstrom berechnet (Glei- dem Düsendurchmesser an. Unterhalb einer
chung 5-5). Grenz-Reynoldszahl von etwa Re=460.000
ist sc zudem umgekehrt proportional zur
Strahlgeschwindigkeit. Über dieser Rey-
noldszahl ist die Kernstrahllänge geschwin-
µ⋅π 3
2
digkeitsunabhängig. Yanaida, dessen Unter-
Gleichung 5-5: Ph = ⋅ pW 2 ⋅ dD
8ρ w suchung bis heute Gültigkeit hat, gibt die
Länge der Kernstrahlzone mit dem 73- bis
Ph .........Hydraulische Leistung 135-fachen des Düsendurchmessers dD an300.
µ...........Ausflusszahl Die Kernstrahlzone wird von der Kompakt-
ρW ........Dichte des Wassers strahlzone umschlossen, die sich axial weiter
pW.........Wasserdruck in Strahlrichtung fortsetzt. Diese Zone ist von
dD .........Düsendurchmesser der Wechselwirkung des Strahls mit dem
Umgebungsmedium (meist Luft) gekenn-
zeichnet. Geschwindigkeit und Druck neh-
men zum Randbereich hin und mit zuneh-
mendem Abstand von der Düse ab. Die Ge-
Druckwasserstrahl 31

schwindigkeitsverteilung über den Strahl- kann. Diese wird geradezu eingeschlossen.


querschnitt gleicht einer Normalverteilung. Dadurch wird eine kurze, aber sehr hohe
Durch weitere Reibung kommt es mit zu- Druckspitze aufgebaut, die als Stoßdruck
nehmendem Abstand von der Düsenöffnung bezeichnet wird (Abbildung 5-3, Glei-
einerseits zu zunehmenden strahlinternen chung 5-6:).
Diskontinuitäten mit Tropfenbildung und
andererseits zum Auffächern des Strahls. Die
Energiedichte des Strahls nimmt daher ab. Gleichung 5-6: p Stoß = c W ⋅ ρ W ⋅ v W
Trotzdem findet sich in der Mitte der Kom-
paktstrahlzone noch ein kontinuierlicher pStoß......Stoßdruck
Strahlanteil205. cW ........Schallgeschwindig
Die Kompaktstrahlzone geht schließlich flie- keit in Wasser
ßend in den Zerstäubungskegel über. Der ρW........Dichte des Wassers
Strahl ist hier vollständig in Einzeltropfen vW ........Strahlgeschwindigkeit
zerfallen und die Energiedichte hat sich wei-
ter verringert. Der Zerstäubungskegel und die
Sprayzone, welche den gesamten Freistrahl Wenn der Druck innerhalb des Rings groß
einhüllt, werden deshalb nicht zum gezielten genug geworden ist, strömt das Wasser
Materialabtrag genutzt. schließlich ab. In dieser Zeit wirkt ein gerin-
gerer Druck auf die Materialoberfläche, der
als Staudruck bezeichnet wird Abbil-
5.2.6 Werkstoffbeanspruchung dung 5-3, Gleichung 5-7).

Die DWS-Beanspruchung des Werkstoffs ist 1 2


Gleichung 5-7: p Stau = ⋅ ρW ⋅ vW
durch eine Kombination von statischen und 2
dynamischen Anteilen gekennzeichnet, die
im Folgenden am Beispiel eines einzelnen pStau ......Staudruck
Wassertropfens, der auf eine Werkstückober- ρW........Dichte des Wassers
fläche prallt, erklärt werden14. vW ........Strahlgeschwindigkeit
Die Wirkung eines Einzeltropfens beim Auf-
prall auf eine Oberfläche wurde schon zu
Beginn des letzten Jahrhunderts im Rahmen Während des seitlichen Abströmens („jetting-
der Regen-Erosionsforschung untersucht. Im off“) entstehen extrem hohe Wasserge-
zunächst punktförmigen Kontaktbereich des schwindigkeiten, welche die anfängliche
Einzeltropfens mit dem Material kommt es Tropfengeschwindigkeit beträchtlich über-
zu einem Druckanstieg sowohl in der Materi- schreiten126. Die Materialoberfläche wird so
aloberfläche als auch im Tropfen selbst (Ab- mit Schubspannungen infolge von Reibung
bildung 5-3)28;36. beaufschlagt44.
Die zuerst auftreffende Wasserportion ver- In der kontinuierlichen Kernstrahlzone wird
sucht, seitlich abzuströmen. Der Tropfen ver- beim Auftreffen des Strahls auf das Material
formt sich, und ein zweiter Wasserring trifft primär ebenfalls ein Stoßdruck erzeugt.
außerhalb der initialen Aufschlagzone auf, Durch das nachströmende Wasser geht der
bevor die initiale Wasserportion abströmen Druck nach diesem Stoßdruck jedoch nicht
32 Druckwasserstrahl-Verfahrenstechnologie

p
Umgebungs-
1– druck
t
p
Druck-
2–
anstieg
t
p
3– Stoßdruck
t

p
4– Staudruck
t
p
Umgebungs-
5– druck
t

Abbildung 5-3: Schematische Darstellung der Phasen des Einzeltropfenschlags.


Links: Wassertropfen. Mittig: Druck (p) in Abhängigkeit von der Zeit (t). Rechts: Abtragsbild.
1– Der Tropfen berührt die Oberfläche noch nicht, es herrscht der Umgebungsdruck.
2– Durch das Auftreffen des Tropfens wird ein Druck auf die Materialoberfläche übertragen, der eine zentrale
Impression und radiale Risse aufgrund induzierter Zug- und Scherspannungen hervorruft.
3– Der Tropfen verformt sich, und es kommt zu einer Druckspitze, die als Stoßdruck bezeichnet wird. Folge sind
weitere Risse durch die Druckspannungen.
4– Der Stoßdruck fällt nach wenigen Mikrosekunden auf den Staudruck ab. Durch die sehr hohen Flussgeschwin-
digkeiten werden Risse propagiert und ganze Partikel aus dem Material ausgebrochen.
5– Durch das Abströmen der Flüssigkeit fällt der Druck wieder auf den Umgebungsdruck.

bis auf den Umgebungsdruck zurück, son- eine Tropfenschlagfrequenz von 16.106Hz
dern fällt auf den Staudruck ab. berechnet246. Beutin konnte einen Zu-
Der initiale Stoßdruck wirkt zwar nur für sammenhang zwischen der Höhe des Drucks
einige Mikrosekunden, kann den Staudruck und der Aufschlagfrequenz und der Auf-
aber um ein Vielfaches übertreffen181. schlaggeschwindigkeit verschiedener Trop-
Darüber hinaus wirkt im Bereich des fengrößen nachweisen28.
Strahlmantels ein Mehrfachtropfenschlag,
dessen komplexe Materialbeanspruchung bis
heute nicht im Einzelnen geklärt ist. Die 5.2.7 Mechanismen des Materialabtrags
Feststoffoberflächen werden durch Tropfen-
kollektive beansprucht, deren Größenvertei- Rissinitiierung
lung unbekannt ist. Auch die Zahl der Trop- Der Materialabtrag beim DWS beruht auf
fen kann nur überschlägig geschätzt werden. Druck-, Zug- und Schubspannungen, die in
Schikorr hat für die Voraussetzung eines die Werkstückoberfläche eingebracht wer-
konstanten Tropfendurchmessers von 200µm den188. Zu Beginn des Aufschlags einer Was-
Druckwasserstrahl 33

serportion resultieren direkt im Zentrum


Druckspannungen. Durch die zentrale Ver- Erosionskraft
formung (Eindellung) entstehen um das Auf-
schlagzentrum herum Zugspannungen. Über-
schreiten diese die Materialgrenzwerte,
kommt es zum Materialversagen. Bei der
Bearbeitung von spröden Kunststoffen ent-
stehen z.B. radialsymmetrische Risse um ein
nahezu unbeschädigtes Aufschlagzentrum
herum174;205. Abbildung 5-4: Schematische Darstellung des
Abtragsmechanismus Erosion.
Risspropagierung
Nach Abklingen des Stoßdrucks bewirkt der
Staudruck eine statische Beanspruchung des
Materials, wobei die durch den initialen Abrasion
Stoßdruck generierten Risse aufgeweitet Aus dem Materialverbund herausgelöste Par-
werden188;223. Zur Aufrechterhaltung eines tikel können wiederum selbst mit dem Mate-
kontinuierlichen Risswachstums ist in Rela- rial in Wechselwirkung treten: Die Belastung
tion zur Erzeugung eines initialen Risses ein kann stoßend, aber auch schleifend erfolgen.
viel geringerer Druck nötig. Mit der Länge Abrasiveffekte sind direkt abhängig von
des Risses nehmen die erforderlichen Span- Form und Härte dieser Partikel, also dem
nungen überproportional ab199;303. Treffen Material selbst. Während man sich bei Beton
schließlich mehrere Risse aufeinander, bre- solche Effekte vorstellen kann, sind diese im
chen Materialpartikel heraus und es entsteht Bereich der weichen Gewebe des Menschen
Materialabtrag202. eher zu vernachlässigen.

Erosion Kavitation
Erosionseffekte sind für den Materialabtrag Wasserdampfgefüllte Bläschen entstehen an
von Bedeutung, wenn das Material für Was- Orten turbulenter Strömungsverhältnisse, wie
ser permeabel ist. Der Begriff Erosion um- sie beim Aufprall des Strahls auf Poren und
fasst ein Schädigungsmuster, das auf der Risse vorliegen, wenn der Dampfdruck des
Wirkung des Wassers in Poren des Materials Wassers unterschritten wird. Die Lebens-
beruht (Abbildung 5-4). dauer einer Kavitationsblase ist extrem kurz
Die sich im Porensystem entwickelnde Strö- und ihre Größe liegt im Mikrometer-Bereich.
mung erzeugt Kräfte, die auf die Wandung Die Implosion einer Kavitationsblase erzeugt
der Poren wirken. Zum Materialabtrag müs- eine Druckwelle, durch die Materialabtrag
sen diese so groß sein, dass die Bindungen hervorgerufen werden kann204. Durch ver-
innerhalb des Materials aufgehoben wer- schiedene technische Modifikationen des
den231. Der Stellenwert der Erosion als Ab- Düsenkopfes ist es möglich die Anzahl der
tragsmechanismus wurde für verschiedene Kavitationsbläschen zu erhöhen, so dass der
Gesteine nachgewiesen22. Kavitationseffekt andere Mechanismen des
Materialabtrags übertreffen kann152.
Der makroskopisch sichtbare Materialabtrag
ist eine Kombination der oben beschriebenen
34 Druckwasserstrahl-Verfahrenstechnologie

Phänomene. Die Materialabtragsmechanis- dynamischen Stoßdruckbelastung durch am


men haben einerseits Einflussgrößen, die Strahlrand abgelöste Flüssigkeitstropfen ist
dem Strahl (erzeugungsorientierte Parameter) erst ab einer bestimmten Strahllänge bzw.
und dem Prozess (prozessorientierte Para- einem bestimmten Arbeitsabstand in nen-
meter) zugeordnet werden, andererseits sind nenswerter Anzahl zu erreichen.
viele der beschriebenen Abtragsmechanismen
vom Material selbst abhängig. Diese Ein- Strahlanstellwinkel
flussgrößen werden als Materialparameter Der Strahlanstellwinkel (β), d.h. der Winkel
bezeichnet. Die erzeugungs- und prozessori- zwischen Werkstückoberfläche und DWS in
entierten Parameter werden in der industriel- einer in Strahlrichtung (z) und Vorschub-
len Anwendung an die Materialparameter richtung (y) aufgespannten Ebene (Abbil-
angepasst. dung 5-5) beeinflusst ebenfalls den Material-
abtrag. Ein nachgestellter Strahl (β>90°) un-
terstützt das Abfließen von Wasser und ab-
5.2.8 Erzeugungsorientierte Parameter getragenen Partikeln. Ein vorgestellter
Strahl (β<90°) erhöht die Abtragsleistung,
Die wichtigsten erzeugungsorientierten Pa- da das Wasser am Abfließen aus der Kerbe
rameter sind der Pumpendruck (pW) und der gehindert wird und sich so der resultierende
Düsendurchmesser (dD). Oberhalb des mate- Druck an der Schnittfront erhöht205.
rialspezifischen Grenzdrucks (pG) ist die
Kerbtiefe (k) positiv mit dem Pumpendruck
sowie mit dem Düsendurchmesser korreliert.
Verschiedene Untersuchungen zeigten, dass
die Kerbtiefe in der Regel linear vom Druck
und auch vom Düsendurchmesser abhängig
ist15;110;205. Mit zunehmendem Düsendurch-
messer nimmt außerdem auch die Kerbbreite
zu15;110.

5.2.9 Prozessorientierte Parameter


Abbildung 5-5: Definition prozessorientierter Para-
Arbeitsabstand meter in einer schematischen Darstellung.
Der Arbeitsabstand (s) ist definiert als der
Abstand zwischen Düsenaustritt und Ober-
fläche des Werkstücks (Abbildung 5-5). Der Vorschubgeschwindigkeit
optimale Arbeitsabstand ist abhängig vom Die Erhöhung der Vorschubgeschwindigkeit
Druck und vom bearbeiteten Werkstoff. Hier (vV) führt generell zu Abnahme von Kerb-
spielt es eine entscheidende Rolle, ob ein tiefe und Materialabtrag15;110. Die Vorschub-
Werkstoff eher durch dynamische oder stati- geschwindigkeit hat aber auch Einfluss auf
sche Beanspruchung abgetragen werden die Schnittqualität. Je geringer die Vorschub-
kann, weil sich mit dem Arbeitsabstand auch geschwindigkeit ist, desto geringer ist die
der Anteil der Stoßdruckbelastung erhöht188. Oberflächenrauigkeit der Schnittflä-
15;110;205
Die Initiierung von Mikrorissen infolge der che .
Diskontinuierlicher Druckwasserstrahl 35

5.3 Diskontinuierlicher Druck-


wasserstrahl

Das Prinzip des diskontinuierlichen Druck-


wasserstrahls (DDWS) ist die Nutzung des p pStoß
Kontinuierlicher
Einzeltropfenschlags durch gezielte Unter- DWS.
brechung eines kontinuierlichen Strahls. pStau
Der Staudruck wirkt
Auch ein kontinuierlicher DWS verfügt über kontinuierlich.
t
Strahlzonen, in denen mit einer hauptsächlich
dynamischen Werkstückbeanspruchung zu
rechnen ist300. Wegen des hohen Abstandes p
dieser Zonen von Düse und Strahlzentrum ist pStoß Diskontinuierlicher
die Energiedichte jedoch deutlich geringer. DWS.
pStau Der Staudruck wird
Die dynamischen Komponenten wirken im
t unterbrochen.
kontinuierlichen Strahl mehr im Strahlmantel
als im Strahlkern. Beim diskontinuierlichen
DWS betrifft die Dynamik auch die Kern-
zone des Strahls. Die durch gezielte Unter- Abbildung 5-6: Druck in Abhängigkeit von der
Zeit für einen DWS und einen DDWS.
brechung entstehenden einzelnen Strahlseg- Die geschweifte Kammer bezeichnet die Druckampli-
mente sind größer und energiereicher als tude.
Einzeltropfen, die durch den normalen
Strahlzerfall im Strahlmantel entstehen.
Beim diskontinuierlichen DWS treffen ein- Erdmann-Jesnitzer et al. führten Parameter-
zelne Strahlabschnitte aufeinander folgend studien mit dem DDWS an verschiedenen
auf das Werkstück auf. Mit jedem Strahlab- Metallen durch78. Sie beschreiben, dass z.B.
schnitt wird initial der Stoßdruck und in eine glatte Aluminiumoberfläche im kon-
weiterer Folge der Staudruck übertragen. Im tinuierlichen DWS mit einem Druck von
Gegensatz zum kontinuierlichen Strahl wirkt pW=70MPa nicht gekerbt oder deformiert
der Staudruckanteil jedoch nur kurze Zeit, werden kann. Durch eine Strahlunterbre-
weil der Strahl unterbrochen wurde. So wird chung war das selbe Material bereits mit ei-
wieder der Umgebungsdruck erreicht, bevor nem Druck von pW=20MPa zu bearbeiten. Im
der nächste Stoßdruckimpuls folgt. Der hohe DDWS seien die Stoßdruckanteile in der
Stoßdruckanteil bricht die Materialoberfläche Lage, den Abtragsvorgang zu starten, weil sie
auf. Durch das nachfolgende Wasser und den Oberflächenrisse erzeugten, die mit Hilfe des
neuerlichen Staudruckanteil wird diese initi- nachfolgenden Staudrucks erweitert würden.
ale Oberflächenschädigung ausgeweitet. So- Für spröde und duktile Metalle folgert Erd-
wohl die Frequenz als auch die Amplitude mann-Jesnitzer, dass bei spröden Werkstof-
der maximalen Druckbeanspruchung sind fen sowohl Stoßdruck als auch Staudruck, bei
beim diskontinuierlichen Strahl größer als duktilen Werkstoffen allein der Staudruck für
beim kontinuierlichen DWS (Abbildung 5-6). den Materialabtrag verantwortlich sei78.
Die dadurch bedingte höhere Spannungs-
amplitude und Lastwechselzahl führt eher zur
Materialermüdung als eine Beaufschlagung
mit einem kontinuierlichen DWS.
36 Druckwasserstrahl-Verfahrenstechnologie

5.3.1 Erzeugung der Strahldiskontinuität ein Wasseranteil verdampft, was den Strahl
kurzzeitig unterbricht (Abbildung 5-8).
Im DDWS kann die Diskontinuität z.B. durch Der Nachteil besteht im Aufwand der Erzeu-
mechanische Strahlzerteiler185, Resonanz58 gung der notwendigen Laserenergie.
oder gezielte Kavitation286 hervorgerufen
werden.
Frequenzen bis 3000Hz werden durch Loch-
oder Zahnscheiben, die den Strahl zyklisch
unterbrechen, realisiert (Abbildung 5-7). Dies
hat jedoch den Nachteil, dass ein Teil der
hydraulischen Energie für den Abtragspro-
zess nicht genutzt werden kann. Bei der
Selbstresonanz wird das Prinzip der Helm-
holz-Oszillation auf Flüssigkeitsstrahlen
übertragen.
Hierbei wird die Randschicht (Scherschicht)
zwischen Strömung und Wandung gezielt zur
Abbildung 5-8: Schematische Darstellung der
Ablösung angeregt. Johnson und Cahaine Strahlzerteilung durch LASER.
berichteten erstmals 1984 über entsprechende
Kammergeometrien151.

Durch Ultraschall kann die Düse entlang der


Strahlachse in Oszillation versetzt wer-
den90;198. Während die Bewegung in Strahl-
richtung die Flüssigkeit beschleunigt, wird
diese bei Bewegung des piezoelektrischen
Transformers entgegen der Strahlrichtung
verzögert (Abbildung 5-9). Durch die Ge-
schwindigkeitsdifferenzen resultiert ein dis-
kontinuierlicher Freistrahl.

Abbildung 5-7: Schematische Darstellung eines


mechanischen Strahlzerteilers.

Vorteil dieser Methode ist, dass die gesamte


Strahlenergie auf das Werkstück trifft.
Nachteil ist, dass die jeweilige Kammergeo-
metrie nur für ganz spezielle erzeugungsori-
entierte Parameter geeignet ist243.
Höhere Pulsfrequenzen sind durch LASER-
Einkopplung in den Strahl zu verwirkli-
Abbildung 5-9: Schematische Darstellung der
chen197. Durch LASER-Pulse wird jeweils Strahlzerteilung durch einen Ultraschallmodulator.
Diskontinuierlicher Druckwasserstrahl 37

Kavitierende Druckwasserstrahlen können p pStoß f=1; ϕ=180°


durch den Einbau von Störkörpern in der
Düse erzeugt werden122. 1– pStau

t
Abbildung 5-10:
5.3.2 Erzeugungsorientierte Parameter p pStoß f=1; ϕ=270°
Druck in Abhängigkeit
von der Zeit bei Varia-
2– pStau
Das Verhältnis zwischen Stoß- und Stau- tion der Frequenz und
des Phasenwinkels im
druckanteilen kann beim DDWS ebenso wie
t DDWS.
die Frequenz variiert werden. Am anschau- Druck (p); Zeit (t), Fre-
lichsten lässt sich dies anhand eines DDWS f=2; ϕ=180°
quenz (f), Phasenwinkel
p (ϕ).
erklären, der mit einer rotierenden Loch-
scheibe erzeugt wurde. Der Stoßdruckanteil 3–
ist proportional zur Drehzahl der Loch-
scheibe und damit der Frequenz, mit der die t
Öffnung der Lochscheibe durch den Strahl
geführt wird. Der Staudruckanteil ist weitge-
hend unabhängig von der Frequenz, denn das
Winkelverhältnis zwischen Öffnungs- und 5.3.3 Prozessorientierte Parameter
Schließwinkel (Phasenwinkel ϕ) der Loch-
scheibe bestimmt den Staudruckanteil (Ab- Die prozessorientierten Parameter entspre-
bildung 5-10). Der Stoßdruck bleibt von chend im Wesentlichen jenen des DWS
ϕ aber unbeeinflusst. (siehe S.34). Im Gegensatz zum DWS wird
Vergrößert man ϕ (Abbildung 5-10, 1–/2–) beim DDWS jedoch schon bei einem gerin-
so bleibt die Anzahl der Stoßdruckimpulse gen Arbeitsabstand eine dynamische Werk-
gleich, aber der Staudruckanteil wird größer. stückbelastung erzielt.
Bei Erhöhung der Frequenz f erhöht sich die Sind die Geschwindigkeitsdifferenzen, die
Anzahl der Stoßdruckimpulse. Der Stau- für die Formierung der einzelnen Pulsseg-
druckanteil bleibt rechnerisch konstant (Ab- mente bestimmend sind, nicht groß genug, so
bildung 5-10, 1–/3–). Die Zeitperiode, in der ist ein gewisser Mindestarbeitsabstand erfor-
ein Staudruck wirkt, ist jedoch kürzer. derlich, um die Vorteile der Pulsation zu nut-
Da der Staudruck zur Risspropagierung auch zen. Der Abstand zwischen den Pulsseg-
eine Mindestwirkzeit benötigt, schließt Yie, menten sollte darüber hinaus ausreichend
dass der für den Materialabtrag wirksame sein, damit genug Zeit für den Aufschlag und
Staudruckanteil umgekehrt proportional zur das Abfließen eines Pulssegmentes zur Ver-
Frequenz ist302. fügung steht bevor das nächste Segment auf-
schlägt302.
38 Druckwasserstrahl-Verfahrenstechnologie

5.4 Abrasivdruckwasserstrahl

Die Effektivität des reinen DWS kann durch 5.4.1 Wasserabrasivinjektorstrahl


Zumischung feinkörniger Feststoffpartikel
(Abrasivstoffe) gesteigert werden119;171;205. Beim WAIS ist der Wasserdüse eine Misch-
Mit Abrasiv-Druckwasserstrahlen (ADWS) kammer nachgeschaltet, in der sich nach dem
werden selbst gehärteter Stahl oder Materia- Injektorprinzip ein Unterdruck ausbildet (Ab-
lien wie Keramik oder Glas bearbeitet, was bildung 5-11). Eine seitliche Öffnung der
weder mit dem kontinuierlichen noch mit Mischkammer dient der Zuführung der Abra-
dem diskontinuierlichen DWS möglich ist299. sivstoffe. Die Abrasivpartikel werden am
Das vielfache Auftreffen der Abrasivpartikel Ende einer Schlauchleitung in den Luftstrom
bewirkt eine gesteigerte Häufigkeit und gebracht. Mit speziellen Dosiersystemen
Amplitude der Stoßbeanspruchung im Mate- (z.B. Vibrationsförderer, Schneckenförde-
rial. Im Gegensatz zu Wasser wird das zuge- rer, Anhang S.217) wird ein konstanter
führte scharfkantige, mineralische Strahlmit- Abrasivmassenstrom gewährleistet.
tel mit sehr hohen Leistungsdichten (bis
20kW/mm²)114 auf das Werkstück transpor- Der Luftstrom fördert die Abrasivpartikel in
tiert. Die Verformbarkeit der Feststoffpartikel die Mischkammer. Trifft der Strahl in der
ist geringer als die von Wasser, d.h., sie kön- Mischkammer auf Abrasivpartikel, so werden
nen nach dem Aufprall nicht sofort seitlich diese mitgerissen und beschleunigt217. Der
abströmen. Daraus ergibt sich eine verlän- Mischkammer ist ein Fokusrohr nachge-
gerte Belastungsdauer als beim Aufprall schaltet, welches bewirkt, dass sich die be-
eines Wassertropfens125. schleunigten Abrasivpartikel kollinear zur
Der größte Teil der Energie des Wassers wird Strahlachse ausrichten. Das Fokusrohr dient
auf die Abrasivpartikel übertragen118. Das auf diese Weise der Strahlstabilisierung (Ab-
Beschleunigungsmedium Wasser nimmt da- bildung 5-11). Die Partikel erreichen in Ab-
her nur sekundär am Zerspanungsprozess teil. hängigkeit von der Fokusrohrlänge 50–70%
Es verhindert den Rückprall der Abrasivpar- der Wassergeschwindigkeit129.
tikel, kann diese erneut beschleunigen und so Der entstehende Dreiphasenstrahl besteht zu
mehrfach zum Aufschlag bringen301. Der einem Volumenanteil von ca. 95% aus Luft,
Wasseranteil hilft, initiierte Risse aufzuwei- zu 4% aus Wasser und zu weniger als 1% aus
ten und den Abtrag aus der Kerbe abzutrans- Feststoff37. Die Luft beeinflusst die Strahlsta-
portieren. bilität negativ. So werden im Strahl Turbu-
Es besteht die Möglichkeit, die Abrasivparti- lenzen erzeugt, die eine Divergenz des Abra-
kel hinter der Wasserdüse (Wasser - Abrasiv sivstrahls hervorrufen278. Innerhalb der
- Injektor - Strahl = WAIS) oder vor der Mischkammer und im Fokusrohr werden
Düse, also im Hochdruckbereich, beizumi- bereits 80% der Abrasivpartikel zerkleinert,
schen (Wasser - Abrasiv - Suspensions - was bis zu 10% der Strahlenergie ver-
Strahl = WASS). braucht205.
Abrasivdruckwasserstrahl 39

Wasser Abrasivstoff

Düsenöffnung

Mischkammer
Pumpe
Fokusrohr

Abrasiveffekt
WAIS-Kopf Vp Vp Vp

Werkstück
Abbildung 5-11: Prinzip des Wasser-Abrasiv-Injektor-Strahls (WAIS).
Links: Schema einer ADWS-Anlage, bestehend aus einer Pumpe und einem WAIS-Kopf, in dem die Energie des
Wassers auf die Partikel übertragen wird.
Rechts: Schema eines WAIS-Kopfes mit einer Mischkammer und einem Fokusrohr und schematische Darstellung
des Abrasiveffekts.

5.4.2 Wasserabrasivsuspensionsstrahl

Der WASS geht von einer primären Mi- Technik zu höheren Druckbereichen bisher
schung des Abrasivstoffs mit Wasser aus, verhindert hat.
also einer Suspension im Hochdruckbereich, Das Prinzip „indirektes Pumpen“ verwendet
die in der Düse beschleunigt wird. WASS einen Abrasivstoffvorratsbehälter, in dem
können mit verschiedenen Techniken erzeugt sich eine fertig angemischte Suspension und
werden: Das „direkte Pumpen“ beruht auf der ein verschieblicher Kolben („Separator“)
Verdichtung einer im Niederdruckbereich befinden (Abbildung 5-12). Der Kolben wird
vorgemischten Suspension (Abbildung 5-12). auf der einen Seite mit Druckwasser beauf-
Dieses Verfahren wurde bei geringem Druck schlagt und drückt die Suspension aus dem
bisher nur zur Unterstützung von Bohrpro- Vorratsbehälter durch die Düse. Größter
zessen in Gesteinen eingesetzt. Von erhebli- Nachteil des indirekten Pumpens ist die
chem Nachteil ist die abrasive Belastung Mengenbegrenzung. Die Pumpe ist aber kei-
der Pumpe, die eine Weiterentwicklung dieser ner abrasiven Beanspruchung ausgesetzt.
40 Druckwasserstrahl-Verfahrenstechnologie

Direktes Pumpen Indirektes Pumpen Bypass-Prinzip


Suspension Wasser Wasser

Pumpe Pumpe Pumpe

Suspension

Abrasivstoff

Abbildung 5-12: Prinzipien des Wasser-Abrasiv-Suspensions-Strahls (WASS).


Links: Direktes Pumpen mit Förderung einer Abrasivmittelsuspension durch die Pumpe selbst.
Mittig: Indirektes Pumpen durch Beaufschlagung eines Trennkolbens mit Pumpendruck.
Rechts: Bypass-Prinzip, bei dem über ein Ventil ein Teil des Wassers durch den Abrasivstoffbehälter geleitet und
die geförderte Suspension dem Hauptstrom wieder zugeführt wird.

Das „Bypass-Prinzip“ ist am weitesten ver- ser und Abrasivstoff besteht. Dadurch wer-
breitet: Über eine Bypassleitung wird der den Abrasivstoff und Wasser besser durch-
Abrasivstoffvorratsbehälter mit einem Teil mischt und die Abrasivpartikel erreichen
des Druckwassers beaufschlagt. Das durch durch die gemeinsame Beschleunigung mit
den Vorratsbehälter strömende Wasser reißt dem Wasser höhere Endgeschwindigkeiten.
kontinuierlich Abrasivstoffpartikel mit. Die Der so generierte WASS ist insgesamt stabi-
aus dem Vorratsbehälter strömende Suspen- ler, und die Energiedichte im WASS ist bis
sion wird dem Hauptstrom wieder zuge- zu 20 -fach höher als im WAIS. Bei der Sus-
mischt (Abbildung 5-12). Die Konzentration pensionstechnik müssen allerdings beide
der Abrasivpartikel in der Suspension kann Phasen (Wasser und Feststoff) die Düse pas-
mit dem Wasservolumen, das durch den Vor- sieren, was einerseits einen hohen Düsenver-
ratsbehälter strömt, reguliert werden. schleiß bedingt, andererseits aber auch den
Ein Vorteil der WASS-Technik gegenüber minimalen Düsendurchmesser limitiert.
der WAIS-Technik ist, dass der WASS luft-

frei ist, d.h., nur aus den zwei Phasen: Was-


Abrasivdruckwasserstrahl 41

5.4.3 Abrasivparameter Kornform


Die Gestalt des Einzelkorns wird nach
Abrasive Feststoffe sind in der industriellen DIN 82014 klassifiziert. Grundformen sind
Anwendung weit verbreitet. Häufig werden „kugelig“, „kantig“ und „zylindrisch“. Es
sie mit Luft beschleunigt und zum Reinigen wird zwischen der relativen Form (Verhältnis
von Oberflächen verwendet (z.B. Sandstrah- von Länge, Breite und Dicke zueinander) und
len). Sie sind in der Regel härter als das ab- der geometrischen Form (Annäherung an
zutragende Material. eine ideale geometrische Form wie Kugel,
Beim ADWS-Trennen stellen abrasive Fest- Würfel oder Tetraeder) unterschieden.
stoffpartikel das zentrale Element der Tech-
nologie dar214. In Abhängigkeit vom Werk- Korngröße
stoff, der bearbeitet werden soll, finden eine Wichtige Kenngröße für Abrasivstoffe ist der
große Anzahl natürlicher Materialien, z.B. mittlere Partikeldurchmesser (dp) als Maß für
Metalle, Quarzsand, gebrochenes Gestein die durchschnittliche Korngröße nach
und synthetischer Materialien, z.B. Elektro- DIN 691003 (Anhang S.209). Die Korngrö-
korund, Siliziumkarbid, Schlacken, Glas- ßenverteilung folgt meist einer Normalver-
bruch als Abrasivstoffe Anwendung195;205. teilung. Von praktischem Nutzen ist die
Abrasive Feststoffe lassen sich anhand der Siebanalyse der Partikel und die Angabe der
Parameter Struktur, Härte, Kornform und Korngröße in Mesh. Die Partikel können so
Korngröße beschreiben. in Größenklassen eingeteilt werden, ohne
eine große Anzahl einzeln vermessen zu
Struktur müssen (Gleichung 5-8).
Strukturell ist ein Abrasivstoff durch Eigen-
schaften wie Gitterkonstante, kristallografi-
sche Gruppe und Symmetrie, chemische und
kristallochemische Zusammensetzung und Gleichung 5-8: d p = 17,479 ⋅ Mesh -1,0315
Einschlüsse (Wasser-, Gas- oder Mineralein-
schlüsse) gekennzeichnet. dp...Mittlerer Korndurchmesser

Härte
Der Härtewert stellt ein direktes Vergleichs- Mechanisches Verhalten
maß für den abrasiven Verschleißwiderstand Masse und Geschwindigkeit der Abra-
dar. Die von der Struktur abhängige Härte sivstoffe beim Aufprall auf die Werkstoff-
eines Abrasivstoffs wird bei mineralischen oberfläche bestimmen neben den genannten
Strahlmitteln mit dem Ritzverfahren nach Parametern das Ausmaß des Materialab-
Mohs und bei metallischen Strahlmitteln mit trags88. Die Geschwindigkeiten der einzelnen
verschiedenen Eindringverfahren (z.B. Abrasivpartikel liegen in der Regel über den
Rockwell, Vickers) bestimmt (vgl. Abbil- Grenzwerten für Prallzerkleinerung. Die
dung 19-17, Anhang S. 214)74. Die Mohs- Körner werden deshalb beim Auftreffen auf
Härte gebräuchlicher technischer Abra- Feststoffoberflächen (z.B. Mischkammer,
sivstoffe variiert zwischen 5,5 (Glasbruch) Fokusrohr, Werkstück) zerkleinert264.
und 9,1 (Siliziumkarbid)283.
42 Druckwasserstrahl-Verfahrenstechnologie

Es besteht ein Zusammenhang zwischen breitung kann zu größeren Materialausbrü-


Korndurchmesser und Bruchverhalten: Der chen führen.
Anteil der ungeschädigten Körner, die das Die Art des Materialabtrags wird von Auf-
Werkstück erreichen, nimmt mit steigender treffwinkel und Rotationsrichtung der Abra-
Korngröße ab92;172. sivpartikel sowie den Werkstoffeigenschaften
Die kinetische und damit auch die beim Auf- von Abrasivpartikel und Werkstück be-
prall auf eine Werkstoffoberfläche zur Ver- stimmt. Bei flachem Auftreffwinkel wird das
fügung stehende Energie eines einzelnen Werkstück je nach Rotationsrichtung mikro-
Korns nimmt bei gleicher Teilchengeschwin- gepflügt (Vorwärtsrotation, Abbildung 5-13)
digkeit mit steigender Masse zu. oder mikrogespant (Rückwärtsrotation, Ab-
bildung 3-15).

5.4.4 Mechanismen des Materialabtrags

Wenn auch die Materialabtragsmechanismen


nicht abschließend geklärt sind, kann man
doch davon ausgehen, dass der elementare
Vorgang der Stoß eines Feststoffpartikels auf
das Werkstück ist.
Der dadurch entstehende lokal äußerst be- Abbildung 5-13: Schema der Partikelwirkung beim
grenzte Druck wird auf mehrere GPa ge- Materialabtrag.
schätzt und verursacht Verformungsge- Links: Bei Vorwärtsrotation wird eine Materiallippe
aufgeschoben (Mikropflügen).
schwindigkeiten von bis zu 106m/s bei Stoß- Rechts: Bei Rückwärtsrotation wird ein Span abge-
zeiten von wenigen Mikrosekunden125. schert (Mikrospanen).
Der eigentliche Materialabtrag wird nach
heutigem Kenntnisstand im Wesentlichen
durch Abrasion hervorgerufen. Dabei können Treffen die Abrasivstoffpartikel senkrecht
vier Mikromechanismen beteiligt sein11: auf eine Werkstoffoberfläche, wird diese im
Beim Mikropflügen wird der Werkstoff plas- Kontaktbereich mikroermüdet.
tisch verformt und zu den Furchenrändern Die Hauptrolle des Wassers ändert sich vom
verdrängt. Die entstehende Materiallippe eigentlichen Schneidmedium hin zum Be-
wird von nachfolgenden Partikeln abgetra- schleunigungsmedium für die Abrasivpartikel
gen. Bei wiederholter Belastung wird das sowie zur Transportflüssigkeit für abgetrage-
Verformungsvermögen des beanspruchten nes Material aus dem Kerbgrund.
Werkstoffs erschöpft, was zu Materialabtrag Der Kompaktstrahl wird durch die Abra-
durch Rissbildung und Rissausbreitung füh- sivstoffzugabe gestört, so dass einzelne Flüs-
ren kann. Dieser Vorgang wird Mikroermü- sigkeitstropfen unterschiedlicher Größe ent-
dung genannt. Beim Mikrospanen bildet sich stehen. Diese übertragen zusammen mit den
vor dem Abrasivteilchen ein Span, dessen Abrasivkörnern Impulse auf den Werkstoff
Volumen dem der entstandenen Verschleiß- und steigern damit die dynamische Belastung
furche entspricht. Mikrobrechen tritt vorwie- der Materialoberfläche.
gend bei spröden Werkstoffen an Orten hoher
Spannungskonzentration auf. Die Rissaus-
Abrasivdruckwasserstrahl 43

Unterschiede zum kontinuierlichen


Druckwasserstrahl
Die dynamische Stoßbelastung des ADWS ist
durch das vielfache Auftreffen von Abrasiv-
partikeln häufiger als beim DWS. Die Stoß-
belastung wird auf eine kleinere Fläche kon-
zentriert als beim Wassertropfen eines reinen
DWS33. Der Impuls, der auf das Werkstück
übertragen wird, ist aufgrund der höheren
Dichte der Partikel im Vergleich zu Wasser
Abbildung 5-14: Schematische Darstellung des
größer. Die Belastungsdauer ist länger, weil zyklischen Prozessablaufs beim ADWS-Schneiden.
das Abrasivkorn nicht wie ein Wassertropfen
abströmen kann125. Höhere Dichte und Mas-
senträgheit bewirken stärkere Abrasivität in
Zonen der Strahlablenkung. 5.4.5 Erzeugungsorientierte Parameter
Der makroskopisch sichtbare Materialabtrag
vollzieht sich deshalb beim ADWS-Trennen Druck und Düsengeometrie
in Zyklen. Der Abtragsprozess in der Tiefe Pumpendruck und Düsendurchmesser sind
des Schnitts läuft dem Abtrag auf der Werk- die wichtigsten erzeugungsorientierten Para-
stückoberfläche zeitlich nach. Dies wird meter. Sie bestimmen die hydraulische Leis-
durch die Ausbildung der gegen die Vor- tung des ADWS (Gleichung 5-5, S.30). Der
schubrichtung gekrümmten Schnittfront ver- Pumpendruck beeinflusst die Strahlge-
ursacht110. Aufgrund der Abnahme der Parti- schwindigkeit (Gleichung 5-3, S.29) und die
kelenergien kommt es mit zunehmender Partikelgeschwindigkeit (Gleichung 5-9). Da-
Schnitttiefe zu einem geringeren Abtrag. durch wird die kinetische Energie der Abra-
Durch die Schnittfront wird der Strahl mit sivpartikel, welche eine maßgebende Größe
wachsender Schnitttiefe umgelenkt. Guo be- für den Materialabtrag ist, determiniert.
schreibt eine darauf beruhende Entmischung
des Strahls und eine örtliche Konzentration
von Partikeleinwirkung auf das Werkstück110. vW
Gleichung 5-9: v p = ηA ⋅
Dies führt zu einer Stufenbildung im Schnitt- 1+ R
frontverlauf. Die Strömung über der Schnitt-
front löst sich ab und der Abtrag begrenzt vp ...... Partikelgeschwindigkeit
sich auf die Stufe, die immer tiefer in das ηA ..... Wirkungsgrad des
Material vorgetrieben wird. Beim Erreichen Abrasivstrahlkopfes
vW ..... Strahlgeschwindigkeit
der maximalen Kerbtiefe wiederholt sich der
Prozess der Stufenbildung (Abbildung 5-14). R....... Beladung
Der zyklische Prozess hinterlässt daher an
den Kerbflanken und am Kerbgrund ein typi-
sches Rillenmuster.
44 Druckwasserstrahl-Verfahrenstechnologie

Die Geschwindigkeit des Einzelpartikels ist Fokusrohrgeometrie


dabei abhängig von der Beladung (R) des Die Fokusrohrgeometrie (Abbildung 5-11
Abrasivstrahls (Gleichung 5-10). Je mehr S.39) wird durch die Parameter Fokusrohr-
Abrasivstoff von einer bestimmten Wasser- länge und Fokusrohrdurchmesser festgelegt.
menge beschleunigt werden muss, desto ge- Die Fokusrohrlänge bestimmt das Beschleu-
ringer ist die Geschwindigkeit des Einzelpar- nigungsverhalten der Abrasivpartikel und die
tikels. Bündelung des Dreiphasenstrahls. Es ist eine
Mindestlänge erforderlich, um die benötigte
Geschwindigkeit auf die Partikel zu übertra-
m
& gen. Ab einer optimalen Fokusrohrlänge
Gleichung 5-10: R=
m
&w überwiegen Reibungserscheinungen, welche
einer weiteren Geschwindigkeitssteigerung
entgegen wirken. Es hat sich gezeigt, dass bei
R .......Beladung größerer Abrasivdichte die optimale Fokus-
m
& ......Abrasivmassenstrom rohrlänge zunimmt125. Als Richtlinie für die
m
& w Wasserdurchsatz optimale Fokusrohrlänge wird ein Wertebe-
...
reich vom 25- bis 50fachen des Fokusrohr-
durchmessers angegeben32.
Der optimale Fokusrohrdurchmesser wird mit
Die Überschreitung einer vom Werkstoff dem Dreifachen des Düsendurchmessers an-
abhängigen Grenzenergie und damit eines gegeben125. Allerdings ist der Durchmesser
bestimmten Grenzdrucks ist erforderlich, um auch abhängig von der Größe der Abrasiv-
Material abtragen zu können. Ab diesem partikel. Bei zu kleinem Fokusrohrdurchmes-
Druckwert ist die Kerbtiefe des ADWS bei ser treten durch Kollisionen der Partikel und
konstantem Düsendurchmesser linear vom Reibung mit der Fokusrohrwandung Verluste
Pumpendruck abhängig. Der Grenzdruck ist auf, die letztlich zu vermindertem Material-
keine ausschließlich werkstoffspezifische abtrag führen. Bei größer werdenden Durch-
Konstante, sondern wird auch wesentlich von messern wird vermehrt Luft angesaugt und
den Abrasivparametern sowie den prozess- die Treibstrahldichte sinkt. Dadurch werden
orientierten Parametern beeinflusst. die Abrasivpartikel nicht effektiv genug be-
In Analogie zum Pumpendruck existiert ein schleunigt.
kritischer Düsendurchmesser, der zur Erzie- Die Beschleunigungsprozesse im Fokusrohr
lung eines sichtbaren Materialabtrags über- sind so komplex, dass eine Berechnung in
schritten werden muss. Ab diesem Durch- befriedigender Weise bisher nicht gelungen
messer nimmt die erzielbare Kerbtiefe bei ist. Die optimale Fokusrohrdimensionierung
konstantem Druck annähernd linear mit dem wird daher anhand von Schnittversuchen er-
Düsendurchmesser zu, wobei bei größeren mittelt117.
Düsendurchmessern die Abhängigkeit zu-
nehmend degressiv wird59.
Abrasivdruckwasserstrahl 45

5.4.6 Prozessorientierte Parameter Der Kerbtiefenzuwachs nimmt mit niedrige-


ren Vorschubgeschwindigkeiten ab, da es mit
Neben den erzeugungsorientierten Parame- zunehmender Kerbtiefe zu Reibungs- und
tern kann der Abtrag durch die folgenden Dämpfungsverlusten im Schnittspalt kommt.
prozessorientierten Parameter beeinflusst Dämpfungsverluste entstehen, da die Abra-
werden: sivpartikel das am Kerbgrund befindliche
Wasser durchschlagen müssen115.
Arbeitsabstand
Grundsätzlich verringert sich die Kerbtiefe Anzahl der Übergänge
bei zunehmendem Arbeitsabstand durch Das mehrmalige Überfahren der zu bearbei-
Luftreibung und Strahlturbulenzen. Außer- tenden Fläche ermöglicht eine Reduktion der
dem nimmt die Kerbbreite wegen der Strahl- Dämpfungsverluste, da der Wasserfilm am
divergenz mit größeren Arbeitsabständen zu, Kerbgrund geringer ist115. Es ist möglich,
wenn die Energie der Abrasivpartikel für den beim mehrmaligen Kerben mit hoher Vor-
Materialabtrag ausreicht15. schubgeschwindigkeit eine größere Kerbtiefe
zu erzielen, als dies bei einer geringen Vor-
Strahlanstellwinkel schubgeschwindigkeit mit gleicher Gesamt-
Durch Variation des Strahlanstellwinkels belastungszeit der Fall wäre. Der mit steigen-
(Abbildung 5-5, S.34) kann der Abtragsme- der Schnittanzahl abnehmende Kerbtiefen-
chanismus wie folgt beeinflusst werden: Bei zuwachs ist Folge davon, dass ab einer be-
flachem Anstellwinkel überwiegt der Gleit- stimmten Kerbtiefe die Reibungsverluste an
verschleiß während bei großem Anstellwin- den Kerbflächen die Dämpfungsverluste am
kel der Prallverschleiß dominiert. Hoher Kerbgrund überschreiten.
Materialabtrag bei duktilen Werkstoffen er-
fordert flachere Strahlanstellwinkel, als dies Abrasivmassenstrom
bei spröden Werkstoffen der Fall ist283. Der Der Abrasivmassenstrom ( m & ) beeinflusst die
optimale Strahlanstellwinkel liegt für Ge- Geschwindigkeit der Abrasivpartikel und die
steine bei etwa β=80°125. Für andere Materia- Frequenz der Partikelaufschläge110. Je höher
lien liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Es der Abrasivmassenstrom ist, desto geringer
wird daher empfohlen, die „traditionelle Ar- ist die Geschwindigkeit, da mehr Abrasiv-
beitsweise“ mit β=90° beizubehalten205;218. partikel beschleunigt werden müssen. Zudem
ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass die
Vorschubgeschwindigkeit Partikel aufgrund von Wechselwirkungen
Die Kerbtiefe verringert sich mit zunehmen- untereinander und mit dem Fokusrohr kineti-
der Vorschubgeschwindigkeit (vV), weil die sche Energie verlieren. Die Frequenz der
bei Beibehaltung aller anderen Parameter Partikelaufschläge ist jedoch höher. Bei nied-
konstante ADWS-Leistung auf eine zur rigen Abrasivmassenströmen ist die Partikel-
Schnittgeschwindigkeit proportionale Fläche geschwindigkeit höher, doch nimmt die Fre-
verteilt wird. Bei hoher Vorschubgeschwin- quenz der Partikelaufschläge ab.
digkeit sinkt die Belastungszeit, die für den Die gegenseitige Beeinflussung von Fre-
Materialabtrag zur Verfügung steht. Bei quenz und Geschwindigkeit führt dazu, dass
Überschreitung eines kritischen Grenzwerts mit zunehmendem Abrasivmassenstrom die
findet kein Materialabtrag mehr statt115. Kerbtiefe zunächst deutlich ansteigt, bis ein
optimaler Wert erreicht ist. Nach diesem Op-
46 Druckwasserstrahl-Verfahrenstechnologie

timum fällt die Kerbtiefe wieder ab. Der op- metern, meist der Kerbtiefe herzustellen
timale Abrasivmassenstrom ist abhängig von (Gleichung 5-11).
Pumpendruck, Wasserdurchsatz und Fokus-
rohrgeometrie110.
Die industriell verwendeten Abrasivstoffe Gleichung 5-11: k = C ⋅ dD ⋅ pW
werden in Beladungen von ca. 20% bis 40%
zudosiert15;115;205. k.......Kerbtiefe
C......Prozess- und Material-
Abrasivparameter kennwert
Die Korngröße, Kornverteilung, Partikel- dD .....Düsendurchmesser
form, Partikelhärte und Partikeldichte sind pW ....Wasserdruck
die wichtigsten Abrasivparameter. Der ma-
ximale Partikeldurchmesser sollte den halben Bei analytischen Modellen werden diese Zu-
Fokusrohrdurchmesser nicht überschreiten. sammenhänge aufgrund von physikalischen
Zu kleine Partikel besitzen aufgrund ihrer Gesetzmäßigkeiten deduktiv hergeleitet.
geringeren Masse einen zu geringen Impuls, Diese Vorgehensweise kann hilfreich sein,
so dass bei sonst konstanten Parametern die die Anzahl der Kerbversuche zu reduzieren
maximal erzielbare Kerbtiefe sinkt110;279. Mit oder im Idealfall vollständig zu ersetzen.
zunehmender Partikelgröße sind mineralische Analytische Modelle zur Bestimmung der
Abrasive weniger scharfkantig, was ebenfalls Kerbtiefe und anderer Zielparameter der
zu einer geringeren Schnittleistung führt. DWS-Bearbeitung sind von verschiedenen
Generell wird in der technischen Anwendung Autoren aufgestellt worden179. Aufgrund des
gefordert, dass die Abrasivpartikel eine grö- komplexen Materialabtragsmechanismus
ßere Härte als das zu bearbeitende Material, beim DWS-Schneiden müssen auch bei allen
aber eine geringere Härte als das Fokusrohr- bisher bekannten analytischen Modellen
material aufweisen. darin enthaltene Parameter experimentell
bestimmt werden, so dass eine gewisse An-
zahl von Kerbversuchen weiterhin notwendig
bleibt140. Wegen der schlechten praktischen
5.5 Modellierung des DWS- Anwendbarkeit ist es nach wie vor – selbst
Trennens bei homogenen, isotropen Werkstoffen –
Stand der Technik, die optimalen erzeu-
Die Vielfalt der Einflussfaktoren beim DWS- gungs- und prozessorientierten Parameter
Trennen lässt für die praktische Anwendbar- durch Kerbversuche zu ermitteln.
keit die Frage aufkommen, inwieweit opti- In der Regel sind Kerbtiefenmodelle nur für
male erzeugungs- und prozessorientierte Pa- bestimmte Materialien, wie z.B. Ge-
rameter für den speziellen Anwendungsfall steine66;86;162;176, Kohle100;175 und Beton60
durch eine Modellbildung hergeleitet werden gültig und können nicht ohne weiteres auf die
können. Grundsätzlich kann zwischen empi- in dieser Arbeit untersuchten Gewebe und
rischen Modellen und analytischen Modellen Biomaterialien übertragen werden. Dies
unterschieden werden. Empirische Modelle erklärt sich aus der Tatsache, dass diese Mo-
basieren auf Kerbversuchen, die dazu dienen, delle für poröse Werkstoffe unter maßgebli-
Zusammenhänge zwischen den erzeugungs- cher Beteiligung des Abtragsmechanismus
orientierten Parametern und den Zielpara- Erosion aufgestellt wurden. Crow69 und Reh-
Modellierung des DWS-Trennens 47

binder232 z.B. erstellen Modelle unter der sacht wird. Unter Berücksichtigung der Ge-
Annahme, dass die vom DWS beanspruchten setze der Massen- und Impulserhaltung und
Materialien aus vergleichsweise groben Par- bei Vernachlässigung der Wärme- und Rei-
tikeln bestehen, was bei Geweben nicht der bungsverluste leitet Hlavac die Gleichung
Fall ist. Auf diese Partikel wirken Erosions- 19-2 (Anhang S.197) ab.
kräfte, die laut Rehbinder in der Umgebung Hlavac verzichtet in seiner Publikation auf
des Wasserstrahlaufschlagpunktes Gefügebe- eine genaue Spezifizierung vieler Variablen
standteile aus dem Verbund herauslösen. Die und beschreibt insbesondere nicht, wie die
Kräfte müssen so groß sein, dass sich Bin- zur Berechnung der Kerbtiefe notwendigen
dungen zwischen einzelnen Partikeln aufhe- Parameter durch Messung zu ermitteln sind.
ben. Sie legen jeweils eine homogene Poren- Hier sind z.B. im Bereich der Materialpara-
größe, eine gleichmäßige Kornverteilung und meter der Widerstandskoeffizient der Materi-
Permeabilität des Materials zugrunde, was im alstruktur gegen den Strahl (Ck) und die dy-
Gewebe nicht gegeben ist. Crow geht darüber namische Materialpermeabilität (g) zu nen-
hinaus davon aus, dass es an Abtragsflächen nen. Im Bereich der erzeugungsorientierten
hinter freigelegten Gesteinspartikeln zu Parameter sind Variablen, wie z.B. der Ab-
Kavitationen kommt, deren Implosion Parti- schwächungskoeffizient des Strahls zwischen
kel aus dem Material entfernen. Das Fehlen Düse und Material (ξ) oder der Koeffizient
von Partikeln und die grundweg von Gestei- der Expansion des reflektierten Strahls durch
nen und Beton verschiedenen Materialeigen- Vermischung mit abgetragenem Material (χ)
schaften führen zu dem Schluss, dass dieser als Größen aufzufassen, für deren Messung
Abtragsmechanismus im Weichgewebe nicht keine Information vorliegt. Das Kerbtiefen-
zutrifft und das Modell nicht anwendbar ist.. modell ist deshalb laut Momber für prakti-
Die für diese Projekt in Frage kommenden sche Belange ungeeignet205. Wegen der Un-
Modelle seien hier kurz skizziert: durchführbarkeit der Modellparameteridenti-
fikation wurde auf eine weiterführende Ana-
5.5.1 Modelle für den Druckwasserstrahl lyse bezüglich der Anwendbarkeit bei Kerb-
versuchen an Weichgeweben, Hartgeweben
Kerbtiefenmodell nach Hlavac und Knochenzement verzichtet.
Ein allgemeingültiges Kerbtiefenmodell
wurde 1992 von Hlavac publiziert130. Seine Kerbtiefenmodell nach Hashish
Beschreibung der Interaktion zwischen Flüs- Hashishs Kerbtiefenmodell von 1978 basiert
sigkeit und Material basiert auf dem Gesetz auf dem Gleichgewicht der in einem Kon-
der Energieerhaltung. Die kinetische Strahl- trollvolumen auf die Kerbe wirkenden Kräfte
energie wird bei der Interaktion mit dem (Abbildung 5-15)120. Eine Reststrahlkraft
Material aufgeteilt in: wird bei der Modellierung nicht berücksich-
• Energie, die für den Materialabtrag not- tigt. Das durch den Wasserstrahl bean-
wendig ist spruchte Material wird als Bingham-Medium
• kinetische Energie des reflektierten Strahls modelliert. Oberhalb einer materialspezifi-
• kinetische Energie des abgetragenen schen Schubspannung beginnt es zu fließen.
Materials Der hydrodynamische Reibungskoeffizient
• Wärme- und Reibungsverluste (Cf) und der Dämpfungsfaktor (ηD) sind
Es wird angenommen, dass der Materialab- wichtige Bestandteile seiner Gleichung (Glei-
trag aufgrund von Scherspannungen verur- chung 19-11, S.199). Sie müssen mit
48 Druckwasserstrahl-Verfahrenstechnologie

Kerbversuchen ermittelt werden. Hashish • die zum Materialabtrag erforderliche


verwendet darüber hinaus als Maß für den Energie
Widerstand des Materials gegen den Materi- • die in der Schnittfuge durch Reibung er-
alabtrag die Elastizitätsgrenze für Druck zeugte Wärme
(σpd). Auch diese Größen stehen für die • die Reststrahlenergie des austretenden
meisten Gewebe und Biomaterialien nicht zur Strahls
Verfügung, so dass die Anwendung seines Dies führt unter der Annahme, dass die
Kerbtiefenmodells in diesem Projekt nicht Strahlgeschwindigkeit und die Schnittfugen-
durchführbar war. breite konstant sind, zu dem als Gleichung
5-12 dargestellten Kerbtiefenmodell.
Strahlkraft FS Das Modell setzt die Messung der Strahlkraft
(FS) und der Reststrahlkraft (FRS) voraus (Ab-
Wasserstrahlwirkraum
Kontrollraum bildung 5-16, grüne Pfeile). FS ist die Kraft
des nicht abtragenden Wasserstrahls (d.h. des
Reibungskraft FRb Freistrahls) und FRS ist die Kraft des Wasser-
strahls nach dem Passieren der Schnittfuge.
Nach der Messung von FS lässt sich mit Glei-
chung 5-13 der Parameter α⋅ε2 als Maß für
Bruchwiderstands-
kraft FN die Düsengeometrie ermitteln.
Die Reibungskraft (FRb) ergibt sich bei vV=0
als Differenz von Strahlkraft (FS) und Rest-
strahlkraft (FRS)72.
Abbildung 5-15: Schema zum Kerbtiefenmodell
nach Hashish.
In weiterer Folge muss die materialspezifi-
Kerbtiefenmodell nach Decker sche Abtragsenergie (ESP) ermittelt werden
Decker et al. publizierten ein analytisches (unter Zuhilfenahme der Gleichung 5-12 und
Kerbtiefenmodell für Kunststoffe72. Da es experimenteller Daten).
sich beim Biomaterial Knochenzement um Die Werte, die zur Berechnung der Kerbtiefe
einen Kunststoff handelt, soll dieses Modell erforderlich sind, können für die Gewebe und
hier näher betrachtet werden. Biomaterialien ermittelt werden. Daher soll
Decker et al. gehen von einem integralen das Modell im Rahmen der vorgestellten Ar-
Ansatz, basierend auf dem Gesetz der Ener- beit Verwendung finden.
gieerhaltung aus (Abbildung 5-16).
Die eingebrachte Strahlenergie wird aufge-
teilt in:
Modellierung des DWS-Trennens 49

erzeugungsorientierte belastungsspezifische prozessbegleitend


Parameter Werkstoffparameter ermittelte Messwerte

Modell mit integralem Energieansatz


Strahlenergie

Reibungswärme Abtragsenergie Reststrahlenergie

Kerbtiefe

Abbildung 5-16: Struktur des Kerbtiefenmodells nach Decker.

FS3 2 − FRb
32
− FRS
32

Gleichung 5-12: k=
π ⋅ ρ W ⋅ α ⋅ E SP ⋅ d D ⋅ b K ⋅ v V
k.................. Kerbtiefe ESP ...............Materialtypische Abtrags-
FS ................ Strahlkraft energie
dD.................Düsendurchmesser
FRb .............. Reibungskraft
bK.................Kerbbreite
FRS .............. Reststrahlkraft
vV.................Vorschubgeschwindigkeit
ρW ............... Dichte des Wassers
α ................. Kontraktionszahl

π ⋅ d 2D ⋅ α ⋅ ε 2 ⋅ p W FS ................Strahlkraft
Gleichung 5-13: FS =
2 dD ................Düsendurchmesser
2FS α ................. Kontraktionszahl
⇔ α ⋅ ε2 =
π ⋅ d 2D ⋅ p W ε .................. Geschwindigkeitszahl
pW ...............Druck der Flüssigkeit

nung der Kerbtiefe beim Auftreffen eines


5.5.2 Modelle für den diskontinuierlichen Strahlabschnitts von einer bestimmten
Druckwasserstrahl Länge120.
Die bei der Herleitung getroffenen Annah-
Kerbtiefenmodelle für den DDWS sind bis- men und Vereinfachungen sind dieselben,
her in der zugänglichen Literatur nicht be- wie sie bei der Aufstellung des Kerbtiefen-
schrieben worden. Lediglich Hashish et al. modells für den kontinuierlichen DWS (Ab-
entwickelten eine Gleichung für die Berech- bildung 5-15, S.48) verwendet wurden. Im
50 Druckwasserstrahl-Verfahrenstechnologie

Kerbtiefenmodell für einen Strahlabschnitt Die Auflösung der Konstanten C gelang


einer bestimmten Länge wurde zusätzlich Oweinah, wobei seine Herleitung einge-
dazu die kompressible Phase des initialen schränkt ist auf festgelegte prozessorientierte
Wasseraufschlags berücksichtigt. Dieses Parameter und auf bestimmte Abrasivpara-
Modell ist nicht unmittelbar geeignet, die meter218. Hier ist neben der Korngröße insbe-
Kerbtiefe aufgrund des wiederholten Flüssig- sondere die Härte des Abrasivstoffs zu nen-
keitsaufschlages, wie er beim DDWS auftritt, nen. Da in diesem Projekt relativ weiche
zu berechnen. Eine Verifizierung des Mo- Abrasivstoffe verwendet wurden, kann das
dells ist daher mit den in dieser Arbeit durch- Kerbtiefenmodell nicht auf die in dieser Ar-
geführten DDWS-Kerbversuchen weder beit durchgeführten Kerbversuche übertragen
sinnvoll noch möglich. werden.
Zeng und Kim305;306 konnten 1993 das von
5.5.3 Modelle für den Abrasivdruck- Hashish116 vorgestellte Modell weiter entwi-
wasserstrahl ckeln. Sie übertragen den zuvor von Hashish
postulierten Materialabtragsstrom und die
Auch für den ADWS sind verschiedene ana- Wirkung der Mikrozerspanung auf einzelne
lytische Kerbtiefenmodelle beschrieben wor- Abrasivteilchen.
den. Sie weisen in der Regel wesentlich mehr Über die Geometrie des Abtrags, die Vor-
Parameter auf als Modelle für den DWS. schubgeschwindigkeit und den Strahlaus-
Viele dieser Parameter sind für Weichge- trittswinkel
.
kann man auf den Materialstrom
webe, Hartgewebe und Knochenzement nicht ( Q ) rückschließen. Dieser lässt sich aus der
bekannt, so dass sich diese Modelle für die- Partikelgesamtmenge berechnen, wobei das
ses Projekt als wenig hilfreich erwei- idealisierte Abtragsvolumen eines Einzelpar-
sen9;16;116;121. Da sich Teile dieser Ansätze für tikels, welches sich ebenfalls berechnen lässt,
eine eigene Modellierung eignen könnten, dazu benötigt wird.
werden diese im Folgenden kurz diskutiert. Für die Aufstellung der Kerbtiefengleichung
Hashish stellte z.B. 1984 einen analytischen wird ein Materialparameter Re definiert, der
Ansatz vor, mit dem er gute Übereinstim- über Kerbversuche zu ermitteln ist.
mungen zwischen experimentell ermittelten Die resultierende Gleichung (Glei-
und Modellwerten erreichte116. chung 19-13) enthält fünf Exponenten, die
Dieser Ansatz gilt jedoch nur für Werkstoffe durch Kerbversuche zu ermitteln sind, so
mit duktilen Eigenschaften, so dass das Mo- dass sie trotz des analytischen Ansatzes einen
dell insbesondere für den Knochenzement überaus großen empirischen Anteil enthält.
nicht in Frage kommt. Seine Anwendbarkeit Momber stellt hingegen eine Beziehung zwi-
im Bereich eines Verbundwerkstoffs (Kno- schen dem ADWS-Schneiden und der Kine-
chen) muss ebenso in Frage gestellt werden. tik chemischer Reaktionen dar206. Er setzt die
Oweinah und Blickwedel erstellten ein Kerb- Anzahl der chemischen Reaktanten mit der
tiefenmodell mit dem Grundgedanken, dass Anzahl der Abrasivpartikel gleich.
die zugeführte Strahlleistung vollständig in In der Chemie hängt die Reaktionswahr-
Abtragsleistung umgewandelt wird33;218. Sie scheinlichkeit von der Aktivierungsenergie
fassen alle Prozess- und Materialeigenschaf- ab. Die Partikelenergien folgen aber einer
ten zu einer Konstanten (C) zusammen (Glei- Normalverteilung59. Momber berechnet sie
chung 19-12, Anhang, S.199). über Vereinfachungen, wie einer festen Par-
Modellierung des DWS-Trennens 51

tikelgröße über einen Impulsaustausch zwi- Es ist daher weder möglich, durch diese Mo-
schen Wasser und Partikel. dellgleichungen Kerbversuche zu ersetzen
Neben einer Abtragswahrscheinlichkeit defi- noch die Gültigkeit der genannten Modelle
niert er eine Grenzenergie, die benötigt wird, nach erfolgten Kerbversuchen zu überprüfen.
eine minimale Kerbe zu erzeugen. Deckers Kerbtiefenmodell kann ebenfalls
Eine experimentelle Überprüfung des Kerb- nicht alle Kerbversuche ersetzen, weil die in
tiefenmodells für den ADWS fand bisher seiner Gleichung enthaltene materialtypische
nicht statt. Abtragsenergie neben anderen Parametern
Alle vorgestellten Ansätze zeigen, dass eine durch Versuche zu ermitteln ist72. Die Gül-
Berechnung der Kerbtiefe über herkömmli- tigkeit für den Bereich der Biomaterialien
che physikalische oder werkstoffkundliche kann jedoch anhand der durchgeführten Ex-
Ansätze sehr aufwendig ist. Die Vielzahl der perimente überprüft werden.
unbekannten Parameter macht diese Modelle Weiterhin haben alle beschrieben Modelle
meist für praktische Belange unbrauchbar. den Nachteil, dass nur ein Zielparameter,
meist die Kerbtiefe, hergeleitet wird. Die für
die medizinische Anwendung erforderliche
5.5.4 Modelle als Ersatz für Klassifizierung des Schädigungspotenzials ist
Schnittversuche mit Hilfe dieser Modelle daher nur sehr ein-
geschränkt möglich.
Biologische Gewebe und Organe sind in ihrer
Mikro- und Makrostruktur sehr komplexe
Verbundwerkstoffe, so dass mit einer großen 5.5.5 Empirisches Modell des DWS-
Anzahl unbekannter Materialparameter zu Trennens bei einer Operation
rechnen ist. Die mechanischen Eigenschaften
der Bandscheibe und anderer Gewebe des Aus den genannten Gründen wurde für dieses
Stütz- und Bewegungsapparats sind zwar Projekt ein empirisches Modell, das sowohl
zum größten Teil hinreichend bekannt, aber die Parameter der DWS-Technik als auch die
erzeugungsorientierte Parameter für eine Materialparameter der Gewebe und Biomate-
DWS-Bearbeitung sind durch Kerbtiefenmo- rialien beinhaltet, aus der Erfahrung des ope-
delle mit Hilfe dieser Werkstoffeigenschaften rativen Alltags aufgestellt (Abbildung 5-17).
nicht herzuleiten205. Da dieses Modell dazu genutzt werden soll,
Hlavac130 verwendet in seinem Kerb- eine Anwendung der DWS-Technik bei or-
tiefenmodell keine gebräuchlichen Werk- thopädischen Operationen zu überprüfen,
stoffparameter, so dass die Kenntnis der Zug- müssen die Zielparameter einer Operation
oder Druckfestigkeit eines Weichgewebes berücksichtigt werden.
Kerbversuche nicht ersetzen kann.
Hashish integriert die Druckfestigkeit des Diese sind analog zum empirischen Modell
Materials als eine Größe zur Beurteilung des zu Trennprozessen im lebenden Körper (Ab-
Materialwiderstandes in seine Kerbtiefen- bildung 3-1, S.10) klassifiziert in Effektivität,
Gleichung120. Allerdings benötigt er in sei- Qualität und Schädigung (Abbildung 5-17).
nem Kerbtiefenmodell, ebenso wie Hlavlac, Diese Zielparameter ergeben sich direkt aus
Kenngrößen, die selbst mit Hilfe von Kerb- der Materialbearbeitung. Sie werden beein-
versuchen nicht zu ermitteln sind. flusst von den Eigenschaften des Materials,
welches bearbeitet wird. So kann z.B. die
52 Druckwasserstrahl-Verfahrenstechnologie

Härte des Gewebes oder Biomaterials die chung einen direkten Einfluss auf die Zielpa-
Effektivität des Trennprozesses beeinflussen. rameter. Bei Anwendung des ADWS ergeben
Die Effektivität kann durch die prozessorien- sich andere Aspekte in Bezug auf den Zielpa-
tierten Parameter oder die erzeugungsorien- rameter Schädigung als beim DWS und
tierten Parameter des DWS beeinflusst wer- DDWS, weil ein Abrasivstoff in den Körper
den. Beide beeinflussen wiederum auch die eingebracht werden muss.
Zielparameter Qualität, Schädigung aber Eine sinnvolle Eingrenzung der Strahltech-
ebenso Effizienz und Arbeitssicherheit (Ab- nik, der erzeugungsorientierten sowie der
bildung 5-17).). prozessorientierten Parameter ist nur mög-
In diesem Projekt sollen sehr verschiedene lich, wenn auf Erfahrungswerte aus der
Gewebe und Biomaterialien, also sehr vari- Technik zurückgegriffen wird. Weiterhin
able Materialparameter im Hinblick auf die muss die Fülle der möglichen Parameter
Zielparameter untersucht werden. Theore- durch empirische Studien sinnvoll einge-
tisch sind alle Subtypen der DWS-Technik grenzt werden.
zum Trennen von Geweben und Biomateria-
lien einsetzbar.
Die Wahl der Strahltechnik hat über die
Strahlerzeugung und die Materialbeanspru-
Modellierung des DWS-Trennens 53

Druckwasserstrahltechnik

DDWS DWS ADWS


Erzeugungsorientierte
Abrasivparameter
Parameter

Frequenz Kornverteilung
Phasenwinkel Korngröße
Fokusrohrgeometrie Partikelform
Pumpendruck Partikelhärte
Düsendurchmesser Strahlerzeugung Partikeldichte

Prozessorientierte
Materialbearbeitung Materialparameter
Parameter
Arbeitsabstand Härte
Vorschubgeschwindigkeit Festigkeit, Elastizität
Anzahl der Übergänge Duktilität
Strahlanstellwinkel Porosität
Strahl-Werkstückwinkel
Zielparameter Struktur
Abrasivmassenstrom Verbund

Qualität Effektivität Schädigung

Abbildung 5-17: Einflussfaktoren des DWS-Trennens bei einer Operation.


54 Material und Methode der Projektphasen 1

6 Material und Methode der Projektphasen 1


Es wird in diesem Kapitel zunächst die Pro- Die Präparate stammten von den Spezies
bengewinnung für die In-vitro-Schnittversu- Schwein (100±20kg, 0,8±0,2J), Rind
che der Projektphase 1 vorgestellt. Es folgt (210±31kg, 2,2±0,6J) und Mensch (62±23kg,
die Auswahl eines geeigneten Abrasivstoffs 72,3±14,2J). Es wurden mit einer Rasierklinge
für Schnittversuche mit dem ADWS. Außer- Proben aller Gewebe der Wirbelsäule und des
dem werden die verwendeten Geräte skiz- angrenzenden Bewegungsapparats, die bei
ziert. Schließlich folgen die Methoden, die einer Nukleotomie strahlbeaufschlagt werden
zur Messung der Zielparameter herangezogen können, gewonnen (Tabelle 3-1). Diese wur-
werden. den bis zur DWS-Bearbeitung in physiologi-
scher Kochsalzlösung gelagert. Nur die
Deckplatten der Wirbelkörper wurden in toto
für die Schneidversuche verwendet.
6.1 Probengewinnung

6.1.1 Weichgewebe 6.1.2 Hartgewebe Knochen

Ein eingeführtes Modell in der biomechani- Für die Schnittversuche standen 60 sofort
schen Forschung der Wirbelsäule ist der In- nach der Schlachtung tiefgefrorene Rinder-
vitro-Versuch an menschlichen Präparaten. femora (Oberschenkelknochen) zur Verfü-
Präparate vom Menschen sind nicht zuletzt gung. Aus der mittleren Diaphyse wurden mit
aus ethischen Gründen nur in einer sehr be- Hilfe einer diamantbestückten Bandsägema-
grenzten Anzahl verfügbar. Außerdem ist es schinea Knochenproben von 80×15×15mm³
aus hygienischen Gründen nicht vorstellbar, (L×B×H) gewonnen. Die dem Wasserstrahl
dass humane Präparate in industriellen Was- zugewandte periostale Fläche wurde plan
serstrahlanlagen, die zum Teil für die Versu- geschliffen (600er Körnung).
che Verwendung fanden, bearbeitet werden. Darüber hinaus wurden neun humane Femora
Präparate natürlich Verstorbener entsprechen (65±8J) mit der Bandsägemaschine in
darüber hinaus in der Regel nicht den Wir- 36 Diaphysensegmente zerteilt. Die Kno-
belsäulen eines Patientenkollektivs mit fri- chenblöcke wurden ständig mit 4°C kalter
schen Bandscheibenvorfällen, weil Band- isotonischer Kochsalzlösung feucht gehalten.
scheibenvorfälle eher im mittleren Lebens- Für die Schnittexperimente zur Knieen-
alter auftreten. doprothesenimplantation wurden 60 Spongio-
Die Gültigkeit eines In-vitro-Tiermodells, mit saproben aus den Femurkondylen schlachtfri-
dem die genannten Bedenken zu relativieren scher Schweine (12±1,4 Monate) gewonnen.
wären, ist für DWS-Schneidversuche bisher Diese wurden mit der diamantbestückten
nicht belegt worden. Bandsägemaschinea auf das Format
Es standen insgesamt 60 Lendenwirbelsäu- 30×20×15mm³ (L×B×H) zugerichtet.
lenpräparate für die Versuche zur Verfügung,
die innerhalb von 24 Stunden post mortem
entnommen und, ohne sie zuvor tiefzugefrie-
ren, den Versuchen zugeführt wurden.
a
EXAKT Apparatebau GmbH & Co. KG, Norderstedt,
DE, http://www.exakt.de.
Bioabrasivstoffe 55

6.1.3 Knochenzement 6.2 Bioabrasivstoffe

Knochenzement wird aus Polymethylmeth- Das Zumischen eines Abrasivstoffs zur Stei-
acrylat-Granulat und dem entsprechenden gerung des Materialabtrags ist in der indus-
Monomer angemischt. Nach dem Aushärten triellen Technik ein weit verbreitetes Prinzip
sieht man mikroskopisch die durch PMMA (vgl. Kapitel 5.4, S.38). Eine chirurgische
verbundenen Polymerkugeln (Abbil- Anwendung des Abrasiv-Druckwasserstrahls
dung 6-1). Es wurde eine entsprechende (ADWS) ist erstmals im Rahmen dieses Pro-
Anzahl Materialproben in Form von Blöcken jekts beschrieben worden134.
der Maße 80×15×15mm³ (L×B×H) aus Po- Im technischen System werden die Abra-
lymethylmethacrylat (PMMA), einem techni- sivstoffe einfach im sog. Strahlcatcher aufge-
schen Äquivalent zu Knochenzement (Tech- fangen und können zum Teil sogar wieder-
novit 4004a), in einem im Operationssaal verwertet werden. Bei einer Operation ist
üblichen Mischsystem unter Vakuum herge- daran nicht zu denken. Man muss vielmehr
stellt. davon ausgehen, dass sich das Abrasivmittel
weiträumig im gesamten Operationsgebiet
verteilt. Eine Möglichkeit, dieses sekundär
z.B. durch Spülen vollständig zu entfernen,
besteht nicht. Neben der weiteren abrasiven
Wirkung, die z.B. in der Gleitpaarung einer
Endoprothese Drittkörperverschleiß hervor-
ruft, ist an toxische Wirkungen zu denken.
Vor einer denkbaren Anwendung bei einer
Operation muss daher erst ein geeigneter
Abrasivstoff gefunden werden. Die in der
Industrie bekannten Abrasivstoffe sind für
die medizinischen Anwendung ungeeignet.
Denn Biokompatibilität ist unabdingbar: Der
Abrasivstoff darf nicht toxisch sein und muss
Abbildung 6-1: Lichtmikroskopie einer
Knochenzementprobe. im Körper gelöst, verstoffwechselt oder aus-
Die einzelnen Polymerkugeln sind ebenso wie die geschieden werden können (Anhang S.209).
eingelagerten Poren (Pfeile) sichtbar.
Trotzdem soll er die Eigenschaften techni-
scher Abrasivmittel erfüllen, also möglichst
hart und wenig hygroskopisch sein. Pharma-
Für weitere Kerbversuche wurde der Kno-
kokinetik und -dynamik müssen es zulassen,
chenzement CMW-3b in gleicher Weise zu
die Substanz auch in höheren Dosierungen in
Probeblöcken vergossen.
den Organismus einzubringen, ohne dass im
Gebiet der Bearbeitung oder im Organismus
Schäden eintreten. Daraus ergibt sich die
Forderung nach einem hohen Molekularge-
wicht, damit der Abrasivstoff auch in hohen
Massenströmen ohne Überschreitung der
a
Heraeus Kulzer GmbH, Hanau, DE, physiologischen Osmolarität zugesetzt wer-
http://www.kulzer.com. den kann. Wird die Osmolarität im extrazel-
b
DePuy, Leeds, GB, http://www.depuy.com.
56 Material und Methode der Projektphasen 1

lulären Raum überschritten, so wird den Zel- Im Injektorverfahren ist die kristalline Sub-
len Wasser entzogen, was zum Zelltod führen stanz nur kurze Zeit mit dem Wasser in
kann. Kontakt, so dass die Gefahr von Lösungs-
Der ideale Abrasivstoff aus biologischer und Abrundungsvorgängen im Wasser als
Sicht wäre daher Wasser in seinem festen gering anzusehen ist. Die folgenden Parame-
Aggregatzustand (Eis), das von einem DWS terstudien wurden daher mit dem Wasser-
beschleunigt wird. Icejetting, das zum Teil Abrasiv-Injektor-Strahl = WAIS durchge-
zum Entfernen alter Lackschichten von Flug- führt.
zeugtragflächen eingesetzt wurde, stellt einen Die Anwendung der Suspensionstechnik, die
großen verfahrenstechnischen Aufwand ohne Frage den Vorteil der geringeren Luft-
dar97;184;258;265. Die Wasserinjektion in eine beimengung bietet, ist aber konzeptionell
gekühlte Gasphase ist bei Schneemaschinen weiter zu überdenken, weil Luft in den Gefä-
zwar Stand der Technik, aber der hohe Druck ßen eine unter Umständen tödliche Luftem-
und der Einsatz von Wasser als Beschleuni- bolie hervorrufen kann.
gungsmedium erschweren die Umsetzung In der Regel folgt die Auswahl technischer
erheblich. Man könnte sich den Vorgang der Abrasivstoffe der Gesetzmäßigkeit, dass
Energieaufnahme einer Flüssigkeit beim abrasiver Verschleiß mit Partikeln, die härter
Druckabfall hinter der Düse zu Nutze ma- als der zu bearbeitende Werkstoff sind, mög-
chen, um Eiskristalle entstehen zu lassen. lich ist. Die Bio-Abrasivbearbeitung kann in
Doch dies ist nur mit Flüssigkeiten, die bei Ermangelung geeigneter Stoffklassen diese
Raumtemperatur verdampfen (z.B. Ether) Optimierung nicht leisten.
möglich, was wiederum der Biokompatibili- Durch Vorversuche (Anhang S.200) wurden
tät entgegen stünde. Neben dem verfahrens- die ausgewählten Bioabrasive auf ihre abra-
technischen Aufwand hat Eis jedoch weitere sive Wirkung hin verglichen. In Abwägung
entscheidende Nachteile: Die Masse ist ge- der Kriterien Biokompatibilität, Verfügbar-
ringer als die von flüssigem Wasser, so dass keit in entsprechenden Korngrößen, techni-
der Impuls durch den Aufprall relativ gering scher Handhabbarkeit und Preis wurde für
sein dürfte. Auch die Härte von Eiskristallen folgende Studien das Disaccharid α-Laktose-
ist mit einer Vickers-Härte von 10HV nicht Monohydrat gewählt.
sehr hoch. Laktose (Milchzucker) wird bereits zur Infu-
Für die weiteren Projektschritte wurden vier sionstherapie genutzt. Die Verträglichkeit
Substanzgruppen (Disaccharide, Zuckeralko- auch größerer Mengen ist durch Studien be-
hole, Salze und Aminosäuren) gefunden, die legt worden, so dass für diesen Stoff keine
theoretisch für die Anwendung in einer Ope- Neuzulassung nötig wäre7;235.
ration geeignet sind (Abbildung 6-2 und An- Laktose ist in verschiedenen Korngrößena
hang S.209). erhältlich und gut rieselfähig, also kaum hyg-
Die Löslichkeit dieser Bioabrasive legt nahe, roskopisch. Laktose hat eine Molmasse von
dass die Anwendung leichter im Injektorver- 360,32 g/Mol, eine Dichte von 1,52g/cm3 und
fahren als im Suspensionsverfahren umsetz- ist bei 25°C langsam in Wasser löslich (Sät-
bar ist (vgl. S.39). tigung ca. 16% Volumen, 25% Masse).

a
Danone GmbH, München, DE,
http://www.danone.com.
Druckerzeugung 57

Abbildung 6-2: Lichtmikroskopie biokompatibler Abrasivstoffe.


Oben: Zuckeralkohole: links: Sorbitol, mittig: Mannitol, rechts: Xylitol.
Unten: Zucker: links: Laktose, mittig: Glukose, rechts: Saccharose.
Auffallend sind die Unterschiede in der Korngröße und der Kornform.

6.3 Druckerzeugung
Beim indirekten Pumpen hingegen wird im
Beim industriellen Wasserstrahlschneiden unsterilen Bereich z.B. mit einer Hydraulik
wird der Druck in den meisten Fällen durch der Druck aufgebaut. Dieser wird über eine
Plungerpumpen, die elektrisch angetrieben Membran oder einen Kolben auf die sterile
werden, zur Verfügung gestellt. Diese er- Lösung übertragen (Abbildung 6-3).
möglichen derzeit Betriebsdrücke bis zu Bei dieser Methode ist die Wassermenge auf
1400MPa und Förderleistungen bis zu das Volumen des Vorratsbehälters begrenzt.
300L/min. Das direkte Pumpen mit sterilisierbaren Kol-
Problem der medizinischen Wasserstrahlan- benpumpen, Rollenpumpen oder Peristaltik-
wendung ist die Druckerzeugung unter steri- pumpen beschränkt sich zur Zeit auf die nicht
len Bedingungen. Dabei müssen die Mecha- CE-zertifizierte Anwendung in Forschung
nismen zur Regelung des Drucks genau und und Entwicklung.
schwankungsfrei sein, weil unbeabsichtigte Mit dem direkten Pumpen lassen sich höhere
Druckerhöhungen erhebliche Schäden nach Volumenströme erzeugen. Für den Opera-
sich ziehen können. Zylinder, Kolben und tionssaal stellen sie das beste System dar,
Ventile einer Kolbenpumpe müssen sterili- wenn die Volumenströme hoch sein müssen.
sierbar sein.
58 Material und Methode der Projektphasen 1

Abbildung 6-3: Das Wasserstrahlskalpell „Helix Hydrojet“.


Links: Prinzipskizze: Der Druckaufbau erfolgt über das Auspressen einer sterilen Kartusche, im Sinne des
indirekten Pumpens durch Beaufschlagung eines Trennkolbens.
Mittig: Ansicht des Geräts
Rechts: Detailansicht der Bedienelemente: 1– Display, 2– Kartuschenschacht, 3– Kartuschendeckel, 4– Ventil.

6.3.1 Pumpe für Weichgewebeversuche 6.3.2 Pumpe für Versuche mit Knochen
und Knochenzement
Zum Aufbau des Drucks bei den Weichge-
websversuchen wurde das Wasserstrahlskal- Um Hartgewebe und Knochenzement bear-
pell „Helix Hydrojet“ a verwendet. Die Funk- beiten zu können, war es erforderlich, einen
tion dieses Gerätes basiert auf dem Verfahren Druck pW>16MPa zu erreichen. Zum Einsatz
des indirekten Pumpens, wobei eine sterile kam eine industrielle Wasserstrahlanlage, die
Flüssigkeitsmenge in einem Zylinder mit mit einer Hochdruckpumpeb, ausgelegt für
Hilfe eines Kolbens verdichtet wird (Abbil- einen Maximaldruck von 400MPa Abbil-
dung 6-3). dung 6-4und Anhang S.215), ausgestattet
Geräte dieser Bauart sind Standard in der war. Da diese Anlage fest in einer industriel-
chirurgischen Anwendung. So nutzt bei- len Umgebung installiert war, wurde sie aus-
spielsweise das in Schwerin entwickelte schließlich für Versuche mit nicht humanen
Wasserstrahlskalpell eine sterile Einmalkar- Geweben verwendet.
tusche, die über eine Hydraulik ausgepresst Für weiter gehende Untersuchungen wurde
wird. eine Laboranlage zum Schneiden humaner
Der Druck lässt sich bis 16MPa mit einer Gewebe entwickelt (Abbildung 6-5).
Genauigkeit von 0,05MPa einstellen. Der Zentrales Element bildet eine Differenzial-
Volumenstrom variiert in Abhängigkeit vom kolbenpumpe (ASF-122c), die im
Düsendurchmesser bis zu 200ml/min (An- Primärkreislauf mit Druckluft angetrieben
hang S.214). wird.

b
Böhler Hochdrucktechnik, Graz, AT,
http://www.bht.kom.at.
a c
Andreas Pein Medizintechnik, Schwerin, DE, Haskel Hochdrucksysteme GmbH, Wesel, DE,
http://www.helix-hydro-jet.de. http://www.haskel.de.
Strahlköpfe 59

Bild: Böhler Hochdrucktechnik.

Abbildung 6-4: Ansicht der geöffneten Hochdruck-


pumpe.

Abbildung 6-5: Ansicht der Druckwasserstrahl-


Laboranlage.
Das Verhältnis zwischen den Kolbenflächen Die wichtigsten Bestandteile sind die pneumatische
der Luft- und Wasserseite beträgt 122:1. Der Differenzialkolbenpumpe (1) und der Blasenspeicher
(2) als Pulsationsdämpfer.
Pumpendruck kann über den Pressluftdruck
eingestellt werden (Abbildung 19-19).
Die Eigenpulsation der Kolbenpumpe wird
durch einen Blasenspeicher als Pulsations- 6.4 Strahlköpfe
dämpfer ausgeglichen (Abbildung 6-5).
Dieser Pulsationsdämpfer besteht aus zwei 6.4.1 Düsen für Weichgewebe
durch eine Membran getrennte Kammern.
Eine Seite der Membran ist mit Stickstoff Für die Bearbeitung der Weichgewebe wur-
(28MPa) gefüllt. Die zweite Kammer ist mit den Düsen verwendet, die sich bereits für
dem Hochdruckkreislauf verbunden. Beim andere medizinische Anwendungen der
Rückführen des Pumpenkolbens wird der DWS-Technik bewährt haben. Diese standen
Druck durch das sich ausdehnende Gas auf in verschiedenen Durchmessern zur Verfü-
der anderen Membranseite nahezu konstant gung. Die Düsen sind als stetige Düsen aus-
gehalten. geführt. Ein Düsenstein (Rubin) ist am Ende
Mit der Laboranlage kann der Wasserdruck eines Stahlröhrchens eingepresst (Abbildung
bis zu 70MPa mit einer Genauigkeit von 6-6).
0,1MPa bei einem maximalen Volumenstrom
von 1L/min eingestellt werden.
60 Material und Methode der Projektphasen 1

Diskontinuierlicher Druckwasserstrahl
Der o.g. Strahlkopf wurde in einem Strahl-
zerteiler montiert:
Eine motorgetriebene Lochscheibe wurde
dazu 2mm hinter der Düsenöffnung angeord-
net (Abbildung 6-8). Die Lochscheibe des
Strahlzerteilers hatte acht Öffnungen, wobei
Öffnungs- und Schließwinkel jeweils gleich
groß waren.
Abbildung 6-6: Kapillardüse für Schnittversuche
an Weichgeweben.
Links: Man sieht die Spitze eines Metallröhrchens,
(∅=1,5mm) verschlossen durch einen Düsenstein, und
den DWS.
Rechts: Lichtmikroskopie eines Düsensteins (Rubin).

6.4.2 Düsen und Strahlköpfe für


Knochen und Knochenzement

Druckwasserstrahl
Bei den Versuchen mit einem DWS und
DDWS wurde ein industrieller Strahlkopf mit Abbildung 6-8: Ansicht des mechanischen
Strahlzerteilers für Versuche mit dem DDWS.
Saphirdüsen (Abbildung 6-7) verwendeta. Die Man erkennt die Positionierung der Lochscheibe vor
Düse wurde in einem Strahlkopf mit einer dem Düsenkopf.
Überwurfmutter gesichert.

Die Frequenz der Strahlunterbrechung wurde


mit einem fotooptischen Sensorsystemb
gemessen, bei dem ein LASER-Strahl durch
eine auf die Welle geklebte Markierung re-
flektiert wurde.

Abrasivdruckwasserstrahl
Für die orientierenden Kerbversuche wurde
Abbildung 6-7: das Injektorverfahren gewählt, da dieses aus
Schnittzeichnung technischer Sicht am einfachsten zu realisie-
der Düse für Ver-
suche an Knochen ren ist und weil eine kurze Kontaktzeit von
und Knochenze- Wasser und löslichem Abrasivstoff realisiert
ment. ist. Der Strahlkopf verfügte über ein Hart-
Bild: Comadur
metallfokusrohr mit einem Innendurchmesser
von 1mm und einer Länge von 60mm (Abbil-
dung 6-9).

a b
Typ 10, Comadur, Le Locle, CH, Typ DT1L, Conrad Elektronik, Hirschau, DE,
http://www.comadur.ch. http://www.conrad.de.
Vorschubeinrichtungen 61

6.5 Vorschubeinrichtungen

6.5.1 Vorschubeinrichtung für


Weichgewebeversuche

Die Vorschubgeschwindigkeit wurde mit


einem Schrittmotor, der die Düse auf einer
Doppel-Säulenführung über einen Spindel-
Muttern-Trieb horizontal bewegte, konstant
gehalten (Abbildung 6-11).
Abbildung 6-9: WAIS-Kopf für Schnittversuche an
Knochen und Knochenzement.

Der Abrasivmassenstrom wurde mit einem


Vibrationsdosierer auf einen konstanten Wert
eingestellt. Mit der oszillierenden Rinne des
Vibrationsdosierers (umgangssprachlich
Schüttelrinne) wurde die Laktose in einen
Trichter am Ende des Abrasivmittelschlauchs
gefördert, wo sie dann durch den Luftstrom
in die Mischkammer gesaugt wurde (Abbil-
dung 6-10 und Anhang S.217).
Abbildung 6-11: Versuchsaufbau für Schnittversu-
che an Weichgewebe.
Die Präparatshalterung ist in einem Plexiglaskasten
(Spritzschutz) angeordnet. Auf diesem ist die Vor-
schubeinrichtung mit der Kapillardüse fixiert.

6.5.2 Vorschubeinrichtung für Versuche


mit Knochen und Knochenzement

Die industrielle Wasserstrahlanlage verfügte


über eine computergesteuerte, dreiachsige
Vorschubeinrichtung, die den Düsenkopf
Abbildung 6-10: Oszillierende Rinne zur Abrasiv- gegen das Material bewegte.
mitteldosierung. Bei der Bearbeitung von humaner Kortikalis,
Durch die Oszillation der geneigten Rinne fällt der
Abrasivstoff (Pfeil) kontinuierlich in den Trichter der Spongiosa und Knochenzement mit der o.g.
Abrasivzufuhr und wird in die Mischkammer gesaugt. DWS-Laboranlage wurden die Proben gegen
die ortsfeste Düse bewegt (Abbildung 6-12).
Die Präparathaltevorrichtung wurde mit Hilfe
eines Spindel-Muttern-Triebs über einen
Schrittmotor angetrieben (Abbildung 6-12).
62 Material und Methode der Projektphasen 1

6.6.2 Untersuchungen an Knochen und


Knochenzement

Die Kerbtiefen wurden hier mit einer Mess-


uhrb mit Nadelprüfspitze als Durchschnitts-
wert von 20 Messungen an einer Probe (Ab-
stand 1mm) gemessen. Zusätzlich wurden
ausgewählte Proben licht- und elektronen-
mikroskopischc untersucht.
Abbildung 6-12: Versuchsaufbau für Schnittversu-
che an Knochen und Knochenzement.
Die Probe (hier eine Spongiosaprobe) ist mit Hilfe 6.6.3 Schnittfugengeometrie
zweier Klemmbacken auf der Vorschubeinrichtung
fixiert. Der Freistrahl tritt ungehindert an der Rück-
seite der Probe aus. Die Schnittflächen der getrennten Spongio-
sablöcke (Werkstück und Abfallstück) wur-
den mit einer Koordinatenmessmaschined
6.6 Bestimmung der unter Zuhilfenahme einer Rubinkugelspitze
Zielparameter (d=2mm) vermessen (Abbildung 6-13).

6.6.1 Untersuchungen an Weichgewebe

Die Kerbtiefe bei Weichgeweben wurde mit


dem Lichtmikroskop und einer mittels einer
geeichten Zählkammer für Blutzellen kali-
brierten Messlupea an Querschnitten be-
stimmt. Hierzu wurden aus dem Präparat
senkrecht zur Vorschubrichtung 2mm dicke
Scheiben gewonnen.
Die Scheiben wurden dann mit Formalde-
hydlösung fixiert und den histologischen
Techniken und Färbeverfahren zugeführt (im
Anhang S.221). Im Lichtmikroskop wurde
mit Hilfe eines Messokulars sowohl die
Kerbtiefe als auch die Dicke der Präparate
bestimmt. 20 Messwerte einer Materialprobe
wurden arithmetisch gemittelt. (Histologische Abbildung 6-13: Koordinatenmessmaschine zur
Methoden im Anhang S.222.) Bestimmung der Schnittflächengeometrie.
Probe im Maschinenschraubstock, die mit einer Ru-
binkugelspitze (Vergrößerung) abgetastet wird.

b
Hahn und Kolb, Stuttgart, DE, http://www.hahn-
kolb.de.
c
LEO 1530, LEO Electron Microscopy Ltd,
Cambridge, UK, http://www.leo-em.co.uk.
a d
Typ Magnifying Luna, No.1208, Chung Luen Optik, Mitutoyo Messgeräte GmbH, Neuss, DE,
Hongkong, CN, http://www.luna-imaging.com. http://www.mitutoyo.com.
Statistische Methoden 63

Der Kugeldurchmesser wurde so gewählt, 6.7 Statistische Methoden


dass ein Eindringen der Messspitze in die
Spongiosazwischenräume vermieden wurde. Alle statistischen Berechnungen in dieser
Mit der Koordinatenmessmaschine wurden Arbeit erfolgten mit dem Programm SPSSa.
an jeder Probe jeweils drei Linien in Strahl- Das Konfidenzintervall war für alle Tests
richtung (z) und drei Linien in Vorschub- 95%. Die statistische Analyse erfolgte beim
richtung (y) mit 10/mm abgetastet (Abbil- Vergleich von mehr als zwei Stichproben
dung 6-14). durch Varianzanalysen.
Um zu bestimmen, welche Stichproben sich
unterscheiden, wurde im Anschluss an die
Varianzanalyse ein Post-Hoc-Test (Tukey-B-
Test) durchgeführt.

Zum Vergleich der Mittelwerte zwischen


zwei Stichproben wurde ein t-Test durchge-
führt. Die p-Werte der ANOVA oder
MANOVA sind im Text abgedruckt. Da der
Post-Hoc-Vergleich immer mit einer Irr-
tumswahrscheinlichkeit von α=0,05 durchge-
führt wurde, entspricht der Gebrauch des
Ausdrucks „signifikant“ immer einem Wert
von p<0,05.
Bei bivariaten Korrelationen erfolgte zusätz-
lich eine Berechnung des Bestimmtheitsma-
ßes r².
Abbildung 6-14: Schema des Koordinatensystems Im Anhang sind die unabhängigen und ab-
und der abgetasteten Linien auf den Schnittflä- hängigen Variablen der statistischen Aus-
chen. wertungen für jede Studie aufgeführt (Tabelle
19-10, Anhang S.224).

a
SPSS für Windows, Version 9.0.1, SPSS Inc.,
Chicago, US, http://www.spss.com.
64 Nukleotomie – Projektphase 1

7 Nukleotomie – Projektphase 1
In diesem Kapitel werden Schnittuntersu- 7.2 Parametereingrenzung
chungen an den Geweben, die bei einer
Nukleotomie im Wirkbereich des Strahls sind 7.2.1 Material und Methode
oder sein können, durchgeführt. Dabei soll
die Frage geklärt werden, ob die für eine Zur Eingrenzung der erzeugungs- und pro-
Nukleotomie erforderliche Selektivität in zessorientierten Parameter wurden mit einem
Bezug auf den Nukleus pulposus vorhanden DWS Kerbversuche an den Weichgeweben
ist. Anulus fibrosus, Nukleus pulposus, sowie an
Weiterhin sollen die experimentellen Daten knorpeligen und knöchernen Deckplatten der
herangezogen werden, um das analytische Lendenwirbelsäule vom Schwein durchge-
Kerbtiefenmodell nach Decker auf seine führt. Bei einer konstanten Vorschubge-
Anwendbarkeit am Weichgewebe hin zu schwindigkeit von vV=2mm/s wurden alle
überprüfen. Gewebe mit verschiedenen Arbeitsabständen
s=2mm, s=5mm und s=20mm gekerbt. Die
Vorschubgeschwindigkeit wurde gewählt,
weil sie für einen späteren operativen Einsatz
7.1 Auswahl der Strahltechnik realistisch ist. Der Druck wurde von
pW=2MPa bis pW=12MPa in 2MPa-Schritten
Für eine Anwendung eines DDWS zum variiert. Die Versuchsreihe wurde mit drei
Trennen von Weichgeweben sind im Ver- Düsendurchmessern (dD=0,08mm; 0,10mm
gleich zum DWS keine Vorteile zu erwarten, und 0,12mm) mit vier Proben pro Test
weil durch die dynamische Werkstoffbean- durchgeführt.
spruchung lediglich die Abtragsleistung bei
spröden Materialien gesteigert wird. So ist es
nicht verwunderlich, dass der experimentelle 7.2.2 Ergebnis
Einsatz eines „gepulsten DWS“ an Weich-
geweben die Zielparameter unbeeinflusst Während der sehr weiche Nukleus pulposus
ließ30;109;274. schon bei pW=2MPa gekerbt und bereits bei
Wie sich bei bisherigen DWS-Anwendungen pW=6MPa die gesamte Probendicke durch-
in der Medizin gezeigt hat, ist eine Steige- trennt wurde, waren Kerben im Anulus fibro-
rung der Abtragsleistung durch Abrasivstoffe sus erst bei pW=10MPa sichtbar. In der knor-
bei der Bearbeitung von Weichgeweben nicht peligen Apophyse war eine minimale Kerb-
erforderlich. Der Einsatz eines ADWS ist wirkung erst bei pW=10MPa vorhanden und
daher aufgrund des großen verfahrenstechni- das Hartgewebe Knochen war mit den ange-
schen Aufwandes nicht gerechtfertigt. wandten Strahlparametern nicht sichtbar zu
Die Anwendung eines DWS ist in der Chi- kerben (Tabelle 7-1). Die lineare Korrelation
rurgie der Organe bereits eine etablierte Me- von Druck und erzielter Kerbtiefe war statis-
thode (siehe S.6). Sterilisierbare Pumpen, tisch signifikant für Nukleus pulposus
Düsen und entsprechende Operationssets sind (r²=0,84; p<0,001) und Anulus fibrosus
über den Handel zu beziehen. (r²=0,73; p<0,001).
Parametereingrenzung 65

dD s Gewebe 2MPa 4MPa 6MPa 8MPa 10MPa 12MPa


Nukleus 2,2±0,8 4,2±0,6 * * * *
Anulus 0 0 1,2±0,9 2,4±0,7 4,4±1,2 5,1±1,7
0,08 2
Knochen 0 0 0 0 0 -
Knorpel 0 0 0 1,1±0,4 1,3±0,2 *
Nukleus 2,1±0,7 4,3±0,6 * * * *
Anulus 0 0 1,8±0,3 2,2±0,4 4,0±1,0 6,1±1,7
0,10 2
Knochen 0 0 0 0 0 0
Knorpel 0 0 0 1,0±0,4 1,4±0,5 *
Nukleus 2,4±0,9 4,4±0,5 * * * *
Anulus 0 0 0,8±0,4 2,3±0,6 4,2±1,6 5,9±1,4
0,12 2
Knochen 0 0 0 0 0 0
Knorpel 0 0 0 0,9±0,3 1,5±0,7 *
dD s Gewebe 2MPa 4MPa 6MPa 8MPa 10MPa 12MPa
Nukleus 2,1±0,9 4,2±0,6 * * * *
Anulus 0 0 1,3±0,8 2,4±0,7 4,4±1,2 5,1±1,7
0,08 5
Knochen 0 0 0 0 0 -
Knorpel 0 0 0 1,1±0,4 1,3±0,2 *
Nukleus 2,3±0,2 4,3±0,6 * * * *
Anulus 0 0 1,7±0,4 2,7±0,9 4,0±1,0 6,1±1,7
0,10 5
Knochen 0 0 0 0 0 0
Knorpel 0 0 0 1,0±0,4 1,4±0,5 *
Nukleus 2,4±0,9 4,4±0,5 * * * *
Anulus 0 0 0,9±0,6 2,1±0,6 4,2±1,6 5,9±1,4
0,12 5
Knochen 0 0 0 0 0 0
Knorpel 0 0 0 0,9±0,3 1,5±0,7 *
dD s Gewebe 2MPa 4MPa 6MPa 8MPa 10MPa 12MPa
Nukleus 0 0 0 0,8±0,3 2,2±0,4 3,4±1,2
Anulus 0 0 0 0 0 2,0±1,7
0,08 20
Knochen 0 0 0 0 0 0
Knorpel 0 0 0 0 0 0
Nukleus 0 0 0 0,6±0,5 1,5±1,3 2,4±0,9
Anulus 0 0 0 0 0 1,1±0,7
0,10 20
Knochen 0 0 0 0 0 0
Knorpel 0 0 0 0 0 0
Nukleus 0 0 0 0,9±0,6 1,8±1,4 2,9±1,7
Anulus 0 0 0 0 0,4±1,7 1,9±1,3
0,12 20
Knochen 0 0 0 0 0 0
Knorpel 0 0 0 0 0 1,5±0,7
Alle Werte in [mm]; Kerbtiefen MW±STD aus 4 Kerbversuchen; * bezeichnet einen Trennschnitt.

Tabelle 7-1: Kerbtiefen in Abhängigkeit von Düsendurchmesser, Arbeitsabstand,


Gewebe und Druck.
66 Nukleotomie – Projektphase 1

Die Kerbtiefen bei einem Arbeitsabstand von messer, der einem kritischen Volumenstrom
s=20mm waren signifikant geringer als bei entspricht (Gleichung 7-2).
s=2mm und s=5mm (p<0,001 für alle Dü-
sendurchmesser). Der Düsendurchmesser
Gleichung 7-2: α ⋅ π ⋅ d g2 ⋅ v W
hatte keinen Einfluss auf die Kerbtiefe Qg =
(p=0,67). 4
Qg ....Kritischer Volumen-
strom
α ......Kontraktionszahl
7.2.3 Diskussion dg .....Kritischer Düsendurch-
messer
Bei einem Düsendurchmesser von dD=0,1mm vW ....Strahlgeschwindigkeit
hat die Kernstrahlzone eine Länge von min-
destens 7,5mm und höchstens 13,5mm300. Dieser kann z.B. dadurch erklärt werden,
Die Kerbtiefe bei s=20mm, also mit dynami- dass ein bestimmter minimaler Volumen-
scher Werkstoffbeanspruchung durch den strom Voraussetzung für Erosionsmechanis-
bereits in hohem Maße zu Einzeltropfen zer- men ist231.
fallenem Strahl, war geringer als bei der Be- Um den kritischen Düsendurchmesser be-
arbeitung innerhalb der Kernstrahlzone. rechnen zu können, muss für diese Gleichung
Ein Einfluss des Düsendurchmessers auf die der kritische Volumenstrom experimentell
Kerbtiefe konnte nicht nachgewiesen werden. bestimmt werden. Da jener für die Frage-
Zwar geht der Düsendurchmesser als Ein- stellung der Arbeit nicht von Bedeutung war,
flussgröße in die hydraulische Leistung wurde auf die Messung verzichtet.
(Gleichung 5-5, S.30) ein, aber für die Strahl- Eine Variation der Düsendurchmesser hat in
geschwindigkeit, die nach Gleichung 5-3 diesem Versuch keine messbaren Änderun-
(S.29) berechnet wird, ist der gen der Kerbtiefe erzielt, so dass man davon
Düsendurchmesser nicht entscheidend. Yos- ausgehen muss, dass alle verwendeten Dü-
hida beschreibt, im Gegensatz zu den Ergeb- sendurchmesser oberhalb des kritischen Dü-
nissen dieser Studie, einen Zusammenhang sendurchmessers lagen.
zwischen Düsendurchmesser und erzielter Für weitere Kerbversuche an Weichgeweben
Kerbtiefe304 (Gleichung 7-1). wurde der Düsendurchmesser von dD=0,1mm
gewählt, weil hier einerseits der Wasser-
durchsatz nicht zu hoch für das Wasserstrahl-
Gleichung 7-1: k = Cx ⋅ dD skalpell war, andererseits ein Verstopfen der
k .......Kerbtiefe Düse (dies kam bei der Düse mit dD=0,08mm
Cx .....Prozess- und Material regelmäßig vor und ist wahrscheinlich auf
kennwert Verunreinigungen in der Strahlflüssigkeit
dD .....Düsendurchmesser zurückzuführen) vermieden wurde.

Leider werden in dieser Gleichung Prozess-


und Materialkennwerte zu einer Konstanten 7.2.4 Schlussfolgerung
zusammengefasst. Der Wert dieser Variablen
ist für die hier vorgestellten Versuche nicht Der Druck war der wesentlichste Parameter
bekannt. Es ergibt sich jedoch für jedes Ma- für die erzielte Kerbtiefe. Der statistisch sig-
terial ein kritischer minimaler Düsendurch- nifikante lineare Zusammenhang zwischen
Weitere Kerbversuche 67

Druck und Kerbtiefe lässt es zu, ein empiri- 7.3.2 Ergebnis


sches Modell zur Berechnung der Kerbtiefe
in Abhängigkeit vom Druck für einen be- Für keines der untersuchten Gewebe wurden
stimmten Düsendurchmesser und Arbeitsab- signifikante Kerbtiefenunterschiede zwischen
stand aufzustellen. den einzelnen Spezies gefunden (z.B. Abbil-
Eine selektive Bearbeitung des Nukleus pul- dung 7-3a; c).
posus ist bei einem Druck unterhalb von Jedes Gewebe (außer Knochen) konnte bei
pW=4MPa bei einem Arbeitsabstand s≤5mm den gewählten erzeugungsorientierten Para-
möglich, ohne den Anulus fibrosus zu schnei- metern gekerbt werden (Tabelle 7-2).
den. Ob dies auch für menschliches Gewebe Zwischen pW=1MPa und pW=4MPa wurde
zutrifft, muss durch weiterführende Kerbver- der Nukleus pulposus gekerbt, während im
suche belegt werden. Anulus fibrosus kein sichtbarer Abtrag zu
Der Arbeitsabstand wurde für weitere Versu- erzielen war (Abbildung 7-1).
che auf s=5mm eingegrenzt, weil hier die Spinalnerven wurden schon bei pW=1MPa
Kernstrahlzone genutzt werden kann und gekerbt. Von einer Verletzung des Spinal-
trotzdem die Sicht auf die Schnittfuge nicht nervs muss also bei jedem Druck ausgegan-
von der Düse verdeckt wird. gen werden. Rückenmark war das Gewebe
mit der höchsten Kerbtiefe in jeder Druck-
klasse.
Eine selektive Bearbeitung des Nukleus pul-
7.3 Weitere Kerbversuche posus, ohne den Anulus fibrosus zu schädi-
gen, ist innerhalb eines begrenzten Druckbe-
7.3.1 Material und Methode reichs unterhalb von 5MPa möglich. In die-
sem Druckbereich müssen jedoch Rücken-
In einer weiteren Versuchsreihe wurden mark und Nerven sicher vor einem Kontakt
Kerbversuche an allen wirbelsäulennahen mit dem Strahl geschützt werden (Abbil-
Geweben durchgeführt, damit eine Abschät- dung 7-1).
zung des Schädigungspotentials, hier insbe-
sondere der Schadensklasse III, bei einer
intraoperativen DWS-Anwendung möglich Rückenmark
ist. Alle Versuche wurden jeweils an zehn k Spinalnerv
14
Proben vom Schwein und Rind ebenso wie [mm] Nukleus pulposus
12
Anulus fibrosus
an humanen Präparaten durchgeführt. Basie- 10
rend auf den Ergebnissen der Parameterein- 8
grenzung wurden die Versuche mit einem 6
Düsendurchmesser von dD=0,1mm und ei- 4
nem Arbeitsabstand von s=5mm bei einer 2
Vorschubgeschwindigkeit von vV=2mm/s 0 pW
durchgeführt. 1 2 3 4 5 6 7 12 [MPa]
Kerbtiefe (k); Druck (pW); humane Präparate.

Abbildung 7-1: Die Kerbtiefen der Weichgewebe,


die bei einer Nukleotomie von zentraler Bedeutung
sind, in Abhängigkeit vom Druck.
68 Nukleotomie – Projektphase 1

Gewebe Spezies 1MPa 2MPa 3MPa 4MPa 5MPa 6MPa 7MPa 12MPa
Schwein 4,2±0,8 5,4±0,9 6,5±0,7 8,6±0,5 * * * *
Fett Rind 4,4±0,4 5,0±0,8 6,3±1,0 9,2±0,9 * * * *
Mensch 4,4±0,8 5,0±0,8 6,3±0,4 * * * * *
Schwein 0,5±0,3 1,6±0,4 2,7±0,6 4,0±0,8 4,8±1,0 6,0±0,8 7,9±1,5 *
Muskel Rind 0,4±0,4 1,6±0,3 2,8±0,7 3,8±0,8 4,7±0,7 5,8±0,5 8,0±1,4 *
Mensch 0,5±0,3 1,8±0,6 2,7±0,2 3,9±0,5 4,3±0,4 6,0±0,9 7,6±0,8 *
Schwein * * * * * * * *
Rücken-
Rind * * * * * * * *
mark
Mensch 7,5±1,5 8,1±5,1 9,3±1,2 * * * * *
Schwein 0,0±0,1 0,5±0,2 0,9±0,2 1,4±0,1 1,5±0,3 * * *
Spinalnerv Rind 0,1±0,1 0,4±0,3 0,9±0,1 1,6±0,1 1,8±0,1 * * *
Mensch 0,1±0,1 0,6±0,2 1,0±0,2 1,1±0,1 1,4±0,0 * * *
Schwein 0 0 0,1±0,1 0,7±0,2 1,8±0,2 * * *
Dura mater Rind 0 0,0±0,1 0,1±0,2 0,6±0,1 1,7±0,2 * * *
Mensch 0 0 0,2±0,1 0,7±0,2 1,7±0,1 * * *
Schwein 2,0±0,3 4,2±0,6 4,9±0,2 * * * * *
Nukleus
Rind 2,1±0,4 4,1±0,4 5,0±0,3 * * * * *
pulposus
Mensch 2,9±0,4 4,6±0,5 5,0±0,2 * * * * *
Schwein 0 0 0 0,2±0,2 0,8±0,3 1,6±0,2 3,2±0,4 5,0±0,5
Anulus
Rind 0 0 0,1±0,2 0,3±0,1 0,9±0,3 1,4±0,3 3,5±0,5 5,3±0,8
fibrosus
Mensch 0 0 0,0±0,1 0,2±0,2 0,8±0,2 1,8±0,3 3,4±0,6 4,9±0,5
Schwein 0 0 0,1±0,1 0,6±0,2 0,7±0,2 1,0±0,3 1,4±0,4 2,0±0,3
Ligament Rind 0 0 0,1±0,1 0,5±0,3 0,7±0,2 1,0±0,3 1,4±0,4 2,0±0,5
Mensch 0 0 0,2±0,1 0,6±0,2 0,7±0,2 1,0±0,3 1,3±0,4 2,2±0,3
Schwein 0 0,1±0,2 0,2±0,2 0,7±0,2 1,0±0,2 1,2±0,3 1,5±0,3 *
Sehne Rind 0 0,0±0,1 0,2±0,1 0,7±0,4 0,9±0,3 1,2±0,3 1,7±0,3 *
Mensch 0 0,0±0,5 0,2±0,4 0,8±0,3 0,9±0,2 1,4±0,3 1,9±0,4 3,1±0,2
Schwein 0 0 0 0 0 0 0 0
Knochen Rind 0 0 0 0 0 0 0 0
Mensch 0 0 0 0 0 0 0 0
Kerbtiefen in [mm]; MW±STD aus 10 Kerbversuchen; * bezeichnet einen Trennschnitt.

Tabelle 7-2: Kerbtiefen für die Gewebe der Wirbelsäule.

Auffallend war bei einigen Geweben eine Wasser wurde histologisch nie innerhalb
ausgeprägte Dickenzunahme (d/d0) durch der Zellen nachgewiesen, sondern es befand
die DWS-Bearbeitung, die im Folgenden als sich immer im Interstitium (Interzellulär-
Expansion bezeichnet wird (Tabelle 7-3). raum). Im klinischen Alltag wird eine Ein-
Diese wurde von einer Einlagerung des lagerung von Wasser in das Interstitium als
Wassers in das Gewebe verursacht. Bis auf interstitielles Ödem bezeichnet. Sie muss
wenige Ausnahmen befand sich das Wasser als Schädigung des Gewebes, die aber
in runden Bläschen, die histologisch keine grundsätzlich reversibel ist, gewertet wer-
sichtbare Verbindung zur Kerbe aufwiesen den.
(Abbildung 7-2).
Weitere Kerbversuche 69

Die Zunahme der Präparatdicke durch das


Schneiden war lediglich für die Gewebear-
ten Dura mater (p=0,046) und Nukleus pul-
posus (p=0,049) von der Spezies abhängig.
Bei allen anderen Geweben war der Unter-
schied statistisch nicht signifikant (Details
im Anhang S.229). Am Kriterium Zunahme
der Präparatdicke, im folgendem als Expan-
sion bezeichnet, teilten sich die Materialien
pW=4MPa, MG+EvG. in zwei Gruppen:
Abbildung 7-2: Histologie einer Präparatdicken- Einige Gewebe, wie z.B. Muskel (Abbil-
zunahme. dung 7-3b) oder Rückenmark, zeigten keine
Dieses Bild von der Dura mater zeigt von Septen
gekammerte Vakuolen. Die Kerbe (Pfeil) hat ledig- Expansion durch die DWS-Bearbeitung,
lich eine Tiefe von 0,1mm. während andere Gewebe, wie z.B. Liga-
mente, mit einer sehr ausgeprägten Expan-
sion reagierten (Abbildung 7-3d).

k [mm] Schwein Rind Mensch d/d0 Schwein Rind Mensch


10 5
8 4
6 3
4 2
2 1
0 *** pW 0 pW
1 2 3 4 5 6 7 12 [MPa] 1 2 3 4 5 6 7 12 [MPa]

k [mm] Schwein Rind Mensch d/d0 Schwein Rind Mensch


10 5
8 4
6 3
4 2
2 1
0 pW 0 pW
1 2 3 4 5 6 7 12 [MPa] 1 2 3 4 5 6 7 12 [MPa]
Kerbtiefe (k); Druck (pW); * bezeichnet einen Trennschnitt.

Abbildung 7-3: Kerbtiefe und Gewebeexpansion in Abhängigkeit vom Druck.


Oben: Dargestellt sind die Ergebnisse für das Gewebe „Muskel“. Die linke Grafik zeigt die Kerbtiefe (k) in Ab-
hängigkeit vom Druck (pW). Rechts sieht man, dass eine Änderung der Präparatdicke (d/d0) nicht gemessen werden
konnte.
Unten: Beim Weichgewebe „Ligament“ hingegen waren die erzielten Kerbtiefen (links) geringer, aber es zeigte
sich eine ausgeprägte Zunahme der Präparatdicke durch die DWS-Bearbeitung (rechts).
70 Nukleotomie – Projektphase 1

7.3.3 Schädigung Schadensklasse III


Anulus fibrosus
Schadensklasse I Präparate des Anulus fibrosus zeigten immer
Nukleus pulposus eine ausgeprägte Dickenzunahme (Tabel-
Das histologische Bild der Kerbe in Nukleus le 7-3). Die typische fischgrätenartige Kolla-
pulposus zeigte eine Kerbe mit fast unverän- genfaseranordnung des Anulus fibrosus wird
dertem Randbereich (Abbildung 7-4). durch Vakuolen auseinandergedrängt (Abbil-
Im Nukleus pulposus fanden sich sehr ver- dung 7-5).
einzelt bis zu 5mm von der Kerbe entfernte Auch im Anulus fibrosus nahm die Wasser-
Vakuolen. Ein lokales interstitielles Ödem ist einlagerung in das Präparat zunächst mit dem
in vivo reversibel261. Druck zu.

pW=8MPa, HE, Kerbe tuschemarkiert. pW=6MPa, HE.

Abbildung 7-4: Histologie eines DWS-getrennten Abbildung 7-5: Histologie eines Anulus fibrosus.
Nukleus pulposus. Diese lichtmikroskopische Vergrößerung wurde 4mm
Man sieht eine scharf begrenzte Kerbe (Pfeil) und neben der Kerbe angefertigt. Man sieht einige Vakuo-
zwei Vakuolen neben der Kerbe. len zwischen den Kollagenfibrillen.

Wenn aufgrund der Wassereinlagerung aber Bei einem Druck, der Trennschnitte zur
das Volumen des Gewebes zunimmt, könnte Folge hatte, wurde die Expansion geringer.
dies wiederum Schäden der Klasse III her- Die Dickenzunahme war bei diesem Gewebe,
vorrufen. So könnte z.B. die Volumenzu- wenn auch in geringerem Maße, bei einem
nahme des Nukleus pulposus eine Irritation Druck nachweisbar, der noch keine sichtbare
des Spinalnervs verursachen. Kerbe hinterließ.

Schadensklasse II Spinalnerv
Aufgrund des Fehlens von Blutgefäßen ist In einigen Präparaten zeigte sich vereinzelt
diese Schadensklasse beim Nukleus pulposus im Verlauf des Kerbschnitts eine Fortsetzung
nicht definiert. der Kerbe in Richtung der Nervenfasern in
Form interfaszikulärer Spalten (Abbil-
dung 7-6).
Weitere Kerbversuche 71

pW=2MPa, HE, Kerbe tuschemarkiert. pW=1MPa, MG+EvG, Kerbe tuschemarkiert..

Abbildung 7-6: Histologie eines DWS-getrennten Abbildung 7-7: Histologie von DWS-getrenntem
Spinalnervs. Rückenmark.
Man sieht die Kerbe ebenso wie ovale Vakuolen Bis in die unmittelbare Nachbarschaft zur Kerbe
fernab der Kerbe. Auffallend sind die Längsspalten (Pfeil) finden sich unveränderte Nervenzellen.
zwischen den Nervenfasern, die mit den Vakuolen in
Verbindung stehen.

Die einzelnen Nervenfaserbündel wurden in Folgen hat, wird demzufolge immer geschä-
diesen Bildern vom DWS auseinanderge- digt, wenn es mit den untersuchten Strahlpa-
drängt, ohne dass die Zellen selbst sichtbar rametern beaufschlagt wird (Abbildung 7-1,
geschädigt wurden. S.67).
Neben diesen Spalten fanden sich auch runde
Vakuolen, die teilweise mit den Spalten in Dura mater spinalis
Verbindung standen. Eigenständige Vakuo- Die Dura mater (harte Hirnhaut) zeigte von
len waren ebenso häufig anzutreffen. Man allen Geweben die ausgeprägteste Expansion
muss dabei berücksichtigen, dass aufgrund (Abbildung 7-8, ).
der zweidimensionalen Darstellung im his-
tologischen Schnitt die Verbindung zwischen
den Vakuolen nicht regelhaft dargestellt wer-
den kann. Bei Trennschnitten wurden aber
weder isolierte noch mit der Schnittfuge
kommunizierende Vakuolen gesehen.

Rückenmark
Ab pW=4MPa wurden bei allen untersuchten
Spezies Trennschnitte im Weichgewebe Rü-
ckenmark verzeichnet (Tabelle 7-2). Die
Kerbwirkung war für die graue Substanz pW=1MPa, HE, Kerbe tuschemarkiert, Ø = Strahl.
(Nervenzellkörper) und die weiße Substanz Abbildung 7-8: Histologie einer DWS-getrennten
(Nervenzellfortsätze) gleich. Dura mater.
Die resultierende Kerbtiefe ist verschwindend gering,
Das Rückenmark als das Organ, dessen intra-
aber das Gewebe wurde auf mehr als das Doppelte der
operative Verletzung die schwerwiegendsten ursprünglichen Dicke expandiert.
72 Nukleotomie – Projektphase 1

Auffallend war, dass die Volumenexpansion


bei tiefen Kerbschnitten und Trennschnitten
wieder abnahm.

Ligament
Die in dieser Studie untersuchten Bänder
zeigten ein dem Anulus fibrosus sehr ähnli-
ches Verhalten bezüglich Kerbtiefe und Ge-
webeexpansion (Abbildung 7-9).
pW =3MPa, HE, Kerbe tuschemarkiert.

Abbildung 7-10: Histologie einer DWS-getrennten


Sehne.
Hier ist die expandierte Sehne im Vergleich zu ihrer
ursprünglichen Dicke dargestellt.

Knochen
An Knochen konnte weder eine makrosko-
pisch noch eine mikroskopisch sichtbare
Kerbe erzeugt werden. Im histologischen
Bild fanden sich nicht die geringsten Spuren
einer DWS-Bearbeitung.
pW=6MPa, HE, Kerbe tuschemarkiert.

Abbildung 7-9: Histologie eines DWS-getrennten


Ligaments.
Hier entspricht die Tiefe der Kerbe fast der gesamten
Probendicke.
k [mm] Schwein Rind Mensch
4
Auch bei diesem Gewebe konnte eine Expan- 3
sion schon bei einem Druck von pW=1MPa 2
gemessen werden, bei dem das Gewebe nicht
gekerbt wurde. Oberhalb davon war die 1
Wassereinlagerung in das Gewebe deutlich 0 ** pW
geringer (Abbildung 7-3, Tabelle 7-3). 1 2 3 4 5 6 7 12 [MPa]
Kerbtiefe (k); Druck (pW); * bezeichnet einen Trennschnitt..
Sehne
Abbildung 7-11: Kerbtiefen in Abhängigkeit von
Die histologischen Bilder nach der DWS- Druck und Spezies am Beispiel Sehne.
Bearbeitung ähneln jenen der Ligamente
(Abbildung 7-10). Die erzielten Kerbtiefen
waren jedoch größer (Abbildung 7-11).
Weitere Kerbversuche 73

7.3.4 Diskussion

Materialabtragsmechanismen Fläche führen, weil durch die zentrale De-


Um die Kerbtiefenunterschiede zwischen den formation periphere Zug- und Scherungs-
Materialien erklären zu können, sollen zu- spannungen induziert werden (Abbil-
nächst die Mechanismen, die den Material- dung 7-12)188. In spröden Werkstoffen
abtrag im Weichgewebe bedingen könnten, resultieren aufgrund der zentralen Deforma-
diskutiert werden. tion Scherspannungen (gelb) außerhalb der
Bei spröden Werkstoffen, wie z.B. Plexiglas, strahlbeaufschlagten Zone, die zum Material-
kann eine Deformation zum Materialversa- versagen führen können, wenn die Zugfestig-
gen außerhalb der direkt strahlbeaufschlagten keit überschritten wird (Abbildung 7-12
links).
.
Gewebe Spezies 1MPa 2MPa 3MPa 4MPa 5MPa 6MPa 7MPa 12MPa
Schwein 1 1 1 1 1 1 1 1
Fett Rind 1 1 1 1 1 1 1 1
Mensch 1 1 1 1 1 1 1 1
Schwein 1 1 1 1 1 1 1 1
Muskel Rind 1 1 1 1 1 1 1 1
Mensch 1 1 1 1 1 1 1 1
Schwein 1 1 1 1 1 1 1 1
Rücken-
Rind 1 1 1 1 1 1 1 1
mark
Mensch 1 1 1 1 1 1 1 1
Schwein 1 1 1 1 1 1 1 1
Spinalnerv Rind 1 1 1 1 1 1 1 1
Mensch 1 1 1 1 1 1 1 1
Schwein 1,6±0,2 2,3±0,5 2,5±0,4 2,8±0,3 2,8±0,4 2,4±0,5 1,9±0,4 1,6±0,1
Dura mater Rind 1,4±0,1 1,9±0,4 2,3±0,4 2,7±0,3 2,8±0,2 2,2±0,5 1,8±0,3 1,5±0,2
Mensch 1,4±0,2 1,7±0,2 2,0±0,4 2,5±0,4 2,8±0,2 2,1±0,5 1,7±0,4 1,5±0,2
Schwein 1,2±0,1 1,6±0,1 1,5±0,1 1,2±0,1 1,1±0,1 1,1±0,1 1,1±0,0 1
Nukleus
Rind 1,2±0,1 1,5±0,1 1,4±0,1 1,2±0,1 1,1±0,1 1,1±0,1 1,1±0,1 1
pulposus
Mensch 1,1±0,1 1,5±0,1 1,2±0,0 1,1±0,0 1,1±0,1 1,1±0,1 1,1±0,1 1
Schwein 1,1±0,1 1,2±0,1 1,5±0,2 1,8±0,2 2,1±0,3 2,1±0,2 2,0±0,2 1,4±0,2
Anulus
Rind 1,1±0,1 1,2±0,1 1,5±0,2 1,8±0,2 2,0±0,3 2,0±0,3 2,0±0,3 1,4±0,2
fibrosus
Mensch 1,1±0,0 1,2±0,1 1,4±0,2 1,7±0,2 1,9±0,9 2,0±0,3 2,1±0,2 1,5±0,2
Schwein 1,3±0,1 1,9±0,4 2,7±0,2 2,8±0,2 2,7±0,2 2,7±0,2 2,1±0,3 1,5±0,1
Ligament Rind 1,3±0,2 1,9±0,3 2,7±0,2 2,8±0,3 2,7±0,1 2,7±0,3 2,2±0,5 1,5±0,2
Mensch 1,4±0,2 1,7±0,4 2,4±0,2 3,0±0,4 2,6±0,4 2,4±0,3 1,2±0,4 1,0±0,1
Schwein 1,1±0,1 1,5±0,2 2,0±0,2 2,6±0,2 2,5±0,2 2,3±0,3 2,0±0,2 1,5±0,2
Sehne Rind 1,1±0,1 1,4±0,2 2,0±0,3 2,5±0,3 2,5±0,2 2,4±0,4 2,0±0,3 1,5±0,2
Mensch 1,1±0,3 1,4±0,4 2,1±0,5 2,8±0,2 2,6±0,4 2,2±0,2 1,8±0,4 1,5±0,1
Schwein 1 1 1 1 1 1 1 1
Knochen Rind 1 1 1 1 1 1 1 1
Mensch 1 1 1 1 1 1 1 1
MW±STD aus 10 Kerbversuchen.

Tabelle 7-3: Expansion (d/d0) für die Gewebe der Wirbelsäule.


74 Nukleotomie – Projektphase 1

Fraglich ist, ob dieser Abtragsmechanismus


auch für Weichgewebe zutrifft, denn die his-
tologischen Bilder aller untersuchten Gewebe
wiesen in keinem Fall darauf hin, dass das
Material außerhalb der strahlbeaufschlagten
Zone versagte.
Da eine nachträgliche Bestimmung der Kerb-
breite an den histologischen Präparaten nicht
möglich war, wurden exemplarisch zehn
weitere Weichgewebeproben (Muskel und
Nerv) geschnitten, die vorher so auf einem
Präparatsträger für die histologische Aufar-
beitung (Anhang S.221) befestigt wurden,
dass bei der Präparation die Breite der Kerbe pW =6MPa, MG+EvG, Kerbe tuschemarkiert.
nicht verändert werden konnte. An diesen Abbildung 7-13: Histologie eines DWS-getrennten
Präparaten wurde mit Hilfe des Messokulars Nervs.
eine Kerbbreite von 0,084±0,016mm gemes- Anzeichen für ein Materialversagen findet sich nur in
der strahlbeaufschlagten Zone (Pfeile).
sen.

Außerhalb der Strahlbeaufschlagung findet


Material- Kern- sich zwar eine Verlaufsänderung der Nerven-
versagen strahl fasern, aber keine Unterbrechung des Faser-
verlaufs (Abbildung 7-13). Materialversagen
tritt also im Gegensatz zu spröden Materia-
spröder Werkstoff Weichgewebe lien nicht außerhalb der Strahlbeaufschla-
gung auf (Abbildung 7-12).
Druck-
spannung Ob nun das Durchtrennen des kollagenfaser-
verstärkten Weichgewebes aufgrund des
Zug- und
Scherspannung Überschreitens der Druckfestigkeit oder der
Zugfestigkeit durch die Deformation der Fa-
Abbildung 7-12: Schematische Darstellung der
DWS-induzierten Materialspannungen.
ser stattfindet, kann anhand dieser Studie
Links: Der spröde Werkstoff wird im Wirkbereich des nicht geklärt werden.
Strahls auf Druck und in der Peripherie bis zum Mate- Der Abtragsmechanismus Erosion setzt ein
rialversagen auf Zug und Scherung beansprucht.
Rechts: Beim Weichgewebe zeigt lediglich die direkt
poröses Material voraus231. Alle Gewebe des
strahlbeaufschlagte Zone Materialversagen. Körpers verfügen über ein weitverzweigtes
Porensystem. Dieses besteht aus Kapillarge-
fäßen, Lymphbahnen und dem Interstitium
(Zwischenzellraum), das dem Wasser- und
Diese war immer schmaler als die strahlbe- Nährstoffaustausch dient. Die Erosion hat bei
aufschlagte Zone, deren Breite beim Arbeits- technischen Materialien wie Beton eine über-
abstand von s=5mm durch den Strahlzerfall geordnete Bedeutung für den Abtrag203. Beim
mehr als 0,1mm betrug (Abbildung 7-13). Eintritt in das Porensystem muss vom Wasser
ein Widerstand überwunden werden. Dieser
wird wesentlich durch den primären Poren-
Weitere Kerbversuche 75

durchmesser bestimmt. In Beton oder in Ge-


steinen führt ein DWS zu Strömungen im
Mikroporensystem. Auf die Porenwandungen
werden Druckspannungen übertragen, die
zum Materialversagen führen können.
Voraussetzung für Druck in den Poren ist
eine hohe Steifigkeit der Porenwand, die in
Materialien wie Beton gegeben ist203.
Wenn aber ein steigender Druck zu einer
kontinuierlichen Vergrößerung des Poren- pW=0,5MPa, dD=0,1mm, s=5mm, HE.
durchmessers führt, weil das Porensystem, Abbildung 7-14: Histologie eines Hirngewebe-
wie im Weichgewebe, sehr elastisch ist, muss Kerbrands.
Freie Hirngewebspartikel (Pfeil) finden sich innerhalb
der resultierende Druck in der Pore ver-
der Kerbe.
gleichsweise gering bleiben. Dass dann die
Energie ausreicht, um die Bindungskräfte des
Gewebes zu überwinden, ist eher unwahr- Nach dem Prozess konnten im aufgefangenen
scheinlich, kann aber anhand dieser Studie Wasser hohe Konzentrationen zelltypischer
nicht abschließend geklärt werden. Es kann intrazellulärer Enzyme nachgewiesen wer-
jedoch davon ausgegangen werden, dass das den. Dies ist ein direkter Hinweis darauf,
in die Poren eintretende Wasser nicht zum dass auch beim DWS-Trennen Zellen zerstört
Abtrag, sondern zur Gewebeexpansion führt. werden.
Die mikroskopische Untersuchung des nach
dem Trennen von Leber aufgefangenen Was-
Der DWS wird in der technischen Nomen- sers zeigt neben Zelltrümmern und Erythro-
klatur den spanenden Trennverfahren mit zyten (rote Blutkörperchen) auch ganze He-
unbestimmter Schneide zugeordnet1. patozyten (Leberzellen), die aus dem Ver-
Der medizinische Begriff der „DWS-Dissek- bund herausgelöst wurden (Abbildung 7-15).
tion“ leitet sich jedoch aus der Annahme ab,
dass der Wasserstrahl das Gewebe nicht spa-
nend trennt, sondern lediglich auseinander
drängt. Die meisten Autoren beschränken
sich auf die Beschreibung der Kerbrän-
der17;19;143;169;222. Nur in wenigen Publikatio-
nen wird darüber berichtet, dass nach dem
Trennprozess im Wasser Zellbestandteile als
Zeichen einer spanenden Bearbeitung nach-
gewiesen wurden229;230.
Durch weitere exemplarische In-vitro-Kerb-
versuche an den Organen Hirn, Herzmuskel, pW=4MPa, dD=0,1mm, s=5mm, HE.
Leber und Niere konnte der spanende Trenn- Abbildung 7-15: Lichtmikroskopie eines zytologi-
prozess bestätigt werden. In den histologi- schen Ausstrichs.
Diese Flüssigkeit wurde nach dem Schneiden von
schen Schnitten wurden Gewebepartikel ohne
Leber mit dem DWS aufgefangen. Man sieht Erythro-
eine Verbindung zum Material nachgewiesen zyten (rot), unbeschädigte Leberzellen (#) und Zell-
(Abbildung 7-14). trümmer (*).
76 Nukleotomie – Projektphase 1

Daraus ist zu schließen, dass auch die DWS- Dura Schwein 1,69 0,29 -0,02
Dissektion ein spanendes Trennverfahren Rind 0,13 0,35 -029
darstellt. Mensch 1,23 0,33 -0,27
Schwein 1,50 -0,07 0
Nukleus
Rind 1,43 -0,60 0
pulposus
Mensch 1,30 -0,38 0
Expansion als Schaden der Klasse I Schwein 0,60 0,41 -0,02
Die Expansion bestimmter Gewebe durch die Anulus
Rind 0,64 0,38 -0,02
fibrosus
DWS-Bearbeitung war ebenfalls bei einigen Mensch 0,62 0,37 -0,02
Geweben vom erzeugungsorientierten Para- Schwein 1,15 0,49 -0,04
meter Druck abhängig. Sie ließ sich durch die Ligament Rind 1,12 0,50 -0,04
Funktion einer quadratischen Kurvenanpas- Mensch 1,36 0,35 -0,03

sung beschreiben. (Gleichung 7-3). Schwein 0,78 0,48 -0,30


Sehne Rind 0,71 0,50 -0,37
Mensch 0,84 0 ,47 -0,35
Gleichung 7-3: d/d0=a0+a1pW+a2pW2 Tabelle 7-4: Gewebetypische Faktoren der qua-
dratischen Kurvenanpassung für die Expansion.
d/d0 ............. Expansion
a0, a1, a2 ...... materialspezifische Variablen
der quadratischen Kurvenan-
passung
Die relativ dünnen Kapillarwände haben Po-
ren, durch die Wasser und im Blutplasma
gelöste Stoffe frei in das Interstitium filtriert
Die gewebsspezifischen Variablen sind im werden. Die Druckdifferenz zwischen Ka-
Vergleich der untersuchten Spezies für ein pillargefäß und Interstitium ist die treibende
Gewebe sehr ähnlich, aber zwischen den Kraft für diesen Prozess. Im Normalfall be-
Geweben durchweg unterschiedlich. trägt der Druck im Interstitium 0kPa. In pa-
Die zu erwartende Expansion lässt sich aber thologischen Situationen kann es zu einer
mit einer hohen statistischen Sicherheit (An- Druckerhöhung im Interstitium auf Werte bis
hang S.229) für die verwendeten zu 4kPa kommen. Da der interstitielle Raum
Prozessparameter vorhersagen. Aus dem sehr elastisch ist, wird schon bei geringen
parabelförmigen Verlauf der Expansions- Druckänderungen ein sehr großes Flüssig-
kurven lässt sich folgern, dass bei hohem keitsvolumen in das Gewebe eingelagert249.
Druck, also hoher Strahlenergie diese Art der Die Mechanismen der Filtration aus den Ka-
Materialgefügeänderung in geringerem Maße pillaren in das Gewebe und der Rückresorp-
oder gar nicht auftritt. Bei niedrigem Druck tion in die Lymphgefäße laufen bei allen
tritt diese Form der Gewebveränderung nicht Geweben des Körpers auf einem vergleichba-
auf. ren Druckniveau ab249. Die Strömungswider-
stände des interstitiellen Raums für die hier
untersuchten Gewebe müssen daher ebenfalls
Zur Erklärung der Expansion soll an dieser gleich oder sehr ähnlich sein.
Stelle die Physiologie beleuchtet werden: Bei der Bildung eines Ödems durch den
Die Versorgung der Zellen mit Sauerstoff DWS wird also Arbeit gegen den Widerstand
und Nährstoffen erfolgt über Blutkapillaren. des Interstitiums verrichtet. Ist die Energie
des Strahls nicht groß genug, um in Strahl-
Gewebe Spezies a1 a2 a3 richtung zum Materialversagen zu führen,
Weitere Kerbversuche 77

wirkt der Druck des deflektierten Strahls auf pW=6MPa nahm die Expansion des Gewebes
das Interstitium und weitet dieses auf. Die wieder ab.
Aufweitung geschieht ungleichmäßig über Weitere exemplarische Schnittversuche an
das Gewebe verteilt, so dass sich in elasti- den Geweben Dura mater, Ligament und
scheren Gewebearealen Bläschen bilden, weil Sehne zeigten, dass bei pW=40MPa
dort die Druck/Dehnungskurve flacher ver- (dD=0,1mm, s=5mm) weder eine Expansion
läuft. Dies ist in den Bereichen der Fall, wo noch interstitielle Vakuolen vorhanden wa-
die Kollagenfasernetze der Interzellularsub- ren.
stanz keine Querverbindungen zueinander Die zum Auftreten dieses Effekts notwendige
aufweisen. Die gebildeten Wasserbläschen Energie muss also in einem Bereich liegen, in
sind von kollagenen Septen umschlossen. dem die Grenzenergie zum Trennen des
Nach dem Laplace-Gesetz werden die mit Biomaterials in der strahlbeaufschlagten
Wasser gefüllten kugelförmigen Hohlräume Zone nicht erreicht oder nur geringfügig
bei konstantem Druck mit zunehmendem übertroffen wird. Dies wird von der Tatsache
Durchmesser leichter dehnbar (Glei- gestützt, dass die Expansion bei Geweben,
chung 19-1, Anhang S.197)249. die mit einem vergleichsweise hohen Druck
Geht man davon aus, dass die Grenzenergie gekerbt wurden (z.B. Sehne und Ligament,
für den Wassereinstrom in das Interstitium Tabelle 7-6, S.80), besonders ausgeprägt war.
bei allen Geweben gleich ist249, so kann er- Bei Geweben, die bereits mit einem geringe-
klärt werden, warum Muskel, Fett, Nukleus ren Druck gekerbt wurden (z.B. Muskel),
und Nerv keine Wassereinlagerungen auf- zeigte sich hingegen keine Expansion.
weisen: Sie werden schon weit unterhalb Gropetti verwendet eine ähnliche Hypothese
dieser kritischen Energiegrenze gekerbt. zur Erklärung der Delamination von Faser-
Aufgrund des Durchtrennens der „Faserma- verbundwerkstoffen, die in der industriellen
trix“ kann der Strahl von dieser nicht deflek- DWS-Anwendung ein großes Problem dar-
tiert werden. Bei Geweben, die eine ausge- stellt107. Die Delamination ist von den
prägte Expansion zeigten, liegt die kritische verwendeten erzeugungsorientierten
Grenzenergie für das Materialversagen ober- Parametern abhängig und tritt besonders an
halb der Grenzenergie für den Wasserein- der Werkstückunterseite auf, wo die Strahl-
strom. energie am geringsten ist107;155. Delamination
Die Tatsache, dass die Gewebeexpansion mit nimmt in Gropettis Versuchen mit geringe-
zunehmendem Druck (Strahlenergie) wieder rem Druck oder schnellerem Vorschub zu.
abnimmt, kann damit erklärt werden, dass bei Erklärt wird die Delamination ebenfalls mit
höherem Druck die Strahlenergie ausreicht, einer Deflexion des Strahls an der Fasermat-
um die Fasermatrix zu durchtrennen. Die rix. Wird die Grenzenergie zum Trennen der
Strahlenergie wird gar nicht oder nur für Faser nicht überschritten, so wird ein großer
kurze Zeit deflektiert. Diese Hypothese wird Anteil des Strahls umgelenkt50. Werden da-
durch den parabelförmigen Verlauf der durch die Bindungskräfte zwischen Faser-
Druck/Expansionskurve gestützt (Abbil- matrix und Grundsubstanz überschritten,
dung 7-3d, S.69). Im Gewebe „Ligament“ kommt es zur Rissinitiierung und Risspropa-
zeigte sich z.B. eine ausgeprägte Zunahme gierung.
der Präparatdicke (d/d0>1) schon bevor eine Im Verbundwerkstoff Weichgewebe kann es
Kerbwirkung vorhanden war. Oberhalb von analog zum technischen Material zur ver-
mehrten Deflexion des Strahls (z.B. an der
78 Nukleotomie – Projektphase 1

Kollagenfasermatrix) kommen, wenn die 7.4 Kerbtiefenmodelle der


Strahlenergie nicht ausreicht, um das Mate- Weichgewebebearbeitung
rial in Strahlrichtung zu trennen. Die Energie
des Strahls wirkt dann auf die Verbindungen 7.4.1 Empirisches Modell
zwischen den einzelnen „Composite layers“.
Im technischen Material haben die so er- Für alle untersuchten Gewebe konnte eine
zeugten Delaminationsspalten immer in der statistisch signifikante lineare Korrelation
Kerbe selbst ihren Ursprung und stehen des- berechnen. Mit der gefundenen linearen
halb mit dieser Kerbe in direkter Verbindung. Regressionsgeichung lässt sich die erzielbare
Die histologischen Bilder dieser Arbeit zei- Kerbtiefe in Abhängigkeit vom Druck vor-
gen aber nur in einem Fall, dass die wasser- hersagen (Gleichung 7-4).
gefüllten Räume in direkter Verbindung mit
der Kerbe stehen: Bei spinalen Nerven
konnte eine echte Delamination histologisch Gleichung 7-4: k = b0 +b1pW
gesichert werden (Abbildung 7-16).
k .......Kerbtiefe
b0,
b1 ...... Variablen der linearen
Kurvenanpassung

Die Korrelationskoeffizienten sind für jedes


Gewebe hinreichend gut, so dass ein linearer
Zusammenhang zwischen Druck und Kerb-
tiefe angenommen werden kann (Anhang
S.229).
Dieses empirische Kerbtiefenmodell ist für
pW=2MPa, MG+EvG, Kerbe tuschemarkiert, ( ).
die in den Versuchen verwendeten Weichge-
webe im Rahmen der gewählten prozess- und
Abbildung 7-16: Histologie einer Delamination
beim Spinalnerv. erzeugungsorientierten Parameter gültig. Für
diese lassen sich mit einer hohen statistischen
Sicherheit (Anhang S.229) gewebstypische
Werte für die Variablen der Gleichung 7-4
festlegen (Tabelle 7-5).
Der unterschiedliche y-Achsenabschnitt der
Geraden spiegelt wider, dass für den Abtrag
eine minimale Strahlenergie also ein Min-
destdruck nötig ist. Dieser wurde durch die
Kerbversuche zwar nicht ermittelt, kann aber
anhand der Modellierung errechnet werden.
Diese Art der empirischen oder statistischen
Modellbildung hat jedoch einen Nachteil: Die
gefundenen Modelle sind nur auf die hier
durchgeführten Versuche und deren Parame-
Kerbtiefenmodelle der Weichgewebebearbeitung 79

ter anwendbar. Während der Einfluss weite- Kerbtiefenvorhersagen genereller und abge-
rer Parameter auf die Kerbtiefe, wie z.B. der löst von bestimmten Versuchsbedingungen
Düsendurchmesser ebenfalls empirisch zu zu ermöglichen.
ermitteln wäre, ist diese Modellierung bei
Änderung der Materialparameter (also des
Materials) zur Vorhersage der Kerbtiefe 7.4.2 Analytisches Modell
ungeeignet. Es erlaubt die Herleitung materi-
altypischer Größen, aber diese bleiben be- Die Anwendung des Kerbtiefenmodells nach
schränkt auf spezielle erzeugungsorientierte- Decker et al.72 bedarf einiger zusätzlicher
und Prozessparameter gültig. Messwerte:
Zunächst wurde mit Hilfe einer Kraftmess-
dose die Strahlkraft des Freistrahls in einem
Arbeitsabstand von s=5mm bei einem Dü-
Gewebe Spezies b0 b1 sendurchmesser von dD=0,1mm gemessen
Schwein 2,60 1,43 (Abbildung 7-17). Es zeigt sich eine sehr
Fett Rind 2,30 1,57 gute Übereinstimmung zwischen gemessener
Mensch 3,33 0,95 und errechneter Strahlkraft. Durch eine
Schwein -0,83 1,19 Kleinste-Quadrate-Anpassung von Gleichung
Muskel Rind -0,83 1,18
5-13 ergab sich für α⋅ε2 ein Wert von 0,56 .
Mensch -0,64 1,12
Schwein - -
Rücken-
Rind - -
mark
Mensch 6,48 0,92
FS[N] Messwerte
Schwein -0,27 0,38
Gleichung
Spinal- 0,20
Rind -0,24 0,37
nerv 0,16
Mensch -0,16 0,36
Schwein -0,75 0,42 0,12
Dura 0,08
Rind -0,47 0,29
mater 0,04
Mensch -0,68 0,40
Schwein 0,83 1,44 0,00
Nukleus
Rind 0,84 1,45 0 2 4 6 8 10 12 14 16
pulposus pW [MPa]
Mensch 2,13 1,03
Schwein -1,22 0,51
Anulus s=5mm; dD=0,1mm; Strahlkraft (FS); Druck (pW).
Rind -1,17 0,51
fibrosus Abbildung 7-17: Mit der Prallplatte gemessene im
Mensch -1,18 0,50
Vergleich zur errechneten Strahlkraft in Abhän-
Schwein -0,29 0,20 gigkeit vom Druck.
Ligament Rind -0,31 0,20
Mensch -0,32 0,21
Schwein -0,39 0,26
Sehne Bei Kerbversuchen ist die Reststrahlkraft
Rind -0,47 0,29
Mensch -0,47 0,30 (FRS) so gering, dass die Energie für weiteren
Materialabtrag nicht ausreicht. Die Rest-
Tabelle 7-5: Gewebstypische Faktoren des empiri-
schen Kerbtiefenmodells. strahlkraft wurde daher für die Anwendung
des Modells vernachlässigt (FRS=0).
Die Reibungskraft (FRb) wurde ebenfalls ver-
Im Weiteren soll geprüft werden, ob ein teil- nachlässigt, da deren experimentelle Mes-
weise analytischer Ansatz hilfreicher ist um
80 Nukleotomie – Projektphase 1

sung bei Weichgeweben nicht durchführbar innen8;75;266, was der Strahlrichtung in diesen
ist. Kerbversuchen entspricht.
Die Kerbbreite (bK) wurde aufgrund von ex- In Deckers Experimenten zur Validierung
emplarischen Kerbbreitenmessungen mit seines Kerbtiefenmodells korrelieren die
einem konstanten Wert von bK=0,1mm in die materialspezifischen Abtragsenergien von
Berechnung einbezogen. Kunststoffen nicht mit bekannten Materialei-
Die materialspezifische Abtragsenergie (ESP) genschaften wie Zug- und Druckfestigkeit,
wurde bei jedem Weichgewebe durch Anpas- was auf den ersten Blick nicht plausibel er-
sung des Kerbtiefenmodells an die experi- scheint. Es schließt sich daher die Frage an,
mentell ermittelten Kerbtiefen bestimmt (Ta- ob die materialtypische Abtragsenergie der
belle 7-6). Weichgewebe von bekannten Materialeigen-
Für die meisten der untersuchten Biomateria- schaften abhängig ist.
lien lieferte das Kerbtiefenmodell nach Die mit seinem Modell und den beschriebe-
Decker gute Anpassungen (Abbildung 7-18). nen Kerbversuchen ermittelten spezifischen
Bei Fett, Rückenmark und Nukleus pulposus Abtragsenergien wurden daher mit den Daten
war die Übereinstimmung zwischen Modell für die Zugfestigkeit und den Kollagengehalt
und Messwerten schlechter, da diese Gewebe (soweit vorhanden Tabelle 3-1, S.15) korre-
schon bei geringem Druckniveau Trenn- liert.
schnitte aufwiesen und somit nur eine ge- Die Korrelation zwischen materialtypischer
ringe Anzahl an Messwerten zur Verfügung Abtragsenergie und Zugfestigkeit (r²=0,82,
stand. p=0,004) war statistisch signifikant.
Beim Anulus fibrosus fiel auf, dass bei
pW=7MPa die gemessene Kerbtiefe, im Ge-
gensatz zu der errechneten, sprunghaft an-
stieg (Abbildung 7-18). Es muss primär Gewebe ESP [J/m³]
vermutet werden, dass in diesem Fall zufällig Fett 6,13.108
Randbedingungen dazu geführt haben, dass Muskel 2,09.109
der eine Messwert ein „Ausreißer“ ist. Aber Rückenmark 3,98.108
immerhin wurde an 30 Präparaten, jeweils 20 Spinalnerv 5,62.109
Dura mater 7,66.109
mal je Präparat. gemessen und eine sehr ge-
Nukleus pulposus 7,50.108
ringe Standardabweichung erzielt, so dass
Anulus fibrosus 7,38.109
hier systematische Ursachen zu diskutieren Ligament 1,53.1010
sind. Sehne 1,13.1010
Eine Erklärungsmöglichkeit wäre, dass das
Tabelle 7-6: Materialtypische Abtragsenergie (ESP)
getrennte Material nicht über die gesamte für die Gewebe der Wirbelsäule.
Kerbtiefe die gleichen mechanischen Eigen-
schaften hat. Verschiedene Autoren beschrei-
ben ein Abnahme der Zugfestigkeit des Ge-
webes des Anulus fibrosus von außen nach
Kerbtiefenmodelle der Weichgewebebearbeitung 81

k [mm] Fett k [mm] Muskel

12 Messwerte 12 Messwerte
Modell 8 Modell
8
4 4
0 0
0 4 8 12 0 4 8 12
pW [MPa] pW [MPa]

k [mm] Rückenmark k [mm] Spinalnerv

12 Messwerte 12 Messwerte
8 Modell 8 Modell
4 4
0 0
0 4 8 12 0 4 8 12
pW [MPa] pW [MPa]

k [mm] Dura mater k [mm] Nukleus pulposus

12 Messwerte 12 Messwerte
8 Modell 8 Modell
4 4
0 0
0 4 8 12 0 4 8 12
pW [MPa] pW [MPa]

k [mm] Anulus fibrosus k [mm] Ligament

12 Messwerte 12 Messwerte
8 Modell 8 Modell
4 4
0 0
0 4 8 12 0 4 8 12
pW [MPa] pW [MPa]

k [mm] Sehne
Kerbtiefe (k); Druck (pW).

12 Messwerte Abbildung 7-18: Mit dem Kerbtiefenmodell nach


Modell Decker errechnete und gemessene Kerbtiefen in
8 Abhängigkeit vom Druck für die Gewebe der Wir-
4 belsäule.

0
0 4 8 12
pW [MPa]
82 Nukleotomie – Projektphase 1

Ebenfalls signifikant war die Korrelation Ein Beweis für diese Abhängigkeit sollte je-
zwischen materialspezifischer Abtragsener- doch in weiteren Studien gesucht werden, in
gie und Kollagengehalt des Weichgewebes denen Zug- und Druckfestigkeit an dem Ge-
(r²=0,9, p=0,013; Abbildung 7-19). Dabei webe bestimmt werden, das auch für die
sollte man berücksichtigen, dass die Zugfes- Kerbversuche verwendet wird.
tigkeit im Verbundmaterial Weichgewebe
von den Kollagenfasern ausgeht.
Für die Druckfestigkeit der Weichgewebe 7.5 Schlussfolgerung
konnten in der zugänglichen Literatur keine
geeigneten Messwerte gefunden werden, so Der Druck ist der wichtigste erzeugungsori-
dass auf diese Betrachtung verzichtet werden entierte Parameter. Für alle Gewebe konnte
musste. ein statistisch signifikanter linearer Zusam-
Die Abhängigkeit der materialtypischen Ab- menhang zwischen Druck und Kerbtiefe be-
tragsenergie der Weichgewebe von der Zug- rechnet werden. Eine auf einer Berechnung
festigkeit kann als Hinweis dafür gewertet im empirischen Modell beruhende Vorher-
werden, dass der Trennprozess als Folge ei- sage der Kerbtiefe wird dadurch in Grenzen
ner Zugbeanspruchung in der strahlbeauf- ermöglicht.
schlagten Zone eintritt. Das analytische Modell nach Decker zeigt
bei einigen Weichgeweben eine überaus gute
Übereinstimmung mit den Messwerten, so
20
dass auch dies für eine Abschätzung der
15 Kerbtiefe angewandt werden kann. Der dem
ESp [J/mm ]
3

Modell zu Grunde liegende energetische An-


10
satz hat sich als praktikabel erwiesen, weil
5 die Variablen des Modells durch wenige
Kerbversuche zu messen sind.
0
Beide Modelle erlauben keine für die Medi-
0 10 20 30
σZ [MPa] zinproduktesicherheit ausreichende Vorher-
sage der Kerbtiefe, weil sie die inter- und
20 intraindividuellen Unterschiede in den Mate-
rialeigenschaften der Weichgewebe nicht
15
ESp [J/mm ]

berücksichtigen können.
3

10 Bezogen auf den Anwendungsfall Nukleoto-


mie kann gefolgert werden, dass eine selek-
5 tive Bearbeitung des Nukleus pulposus, ohne
0 den Anulus fibrosus zu schädigen, innerhalb
0 50 100 eines begrenzten Druckbereichs möglich ist.
Kollagengehalt [%] Innerhalb dieses Druckbereichs werden bei
einer direkten Strahlbeaufschlagung Nerven
Abtragsenergie (ESP).
und Rückenmark geschädigt, also Schäden
Abbildung 7-19: Materialtypische Abtragsenergie
in Abhängigkeit von Zugfestigkeit und Kollagenge- der Klasse III eintreten, wenn diese Struktu-
halt. ren nicht vor dem Strahl geschützt werden.
(Materialeigenschaften aus Tabelle 3-1, S.15)
83

8 Nukleotomie – Projektphase 2
In diesem Kapitel wird zunächst das im 8.1 Instrumente für die Druck-
Rahmen dieses Projekts entwickelte Instru- wasserstrahl-Nukleotomie
mentarium zur mikroinvasiven DWS-Nukle-
otomie vorgestellt. Damit werden weitere Durch den DWS wird in die geschlossene
Schnittversuche in der geschlossenen Band- Bandscheibe ein Wasservolumen einge-
scheibe, also in einem operativen Situs bracht. Eine Druckerhöhung, die den Scha-
durchgeführt. Dabei wird die DWS-Nukleo- densklassen I und III zuzuordnen ist, könnte
tomie mit bereits bekannten Methoden der Schmerzen hervorrufen und einen Band-
Nukleotomie verglichen und eine Schadens- scheibenvorfall provozieren oder simulieren.
analyse durchgeführt. Das Wasser muss also aus der Bandscheibe
abfließen können. Für die mikroinvasive
DWS-Nukleotomie wurde daher ein Instru-
mentarium konstruiert, das den intraoperati-
ven Druckausgleich gewährleistet (Abbil-
dung 8-1).

Abbildung 8-1: Das Instrumentarium für die Druckwasserstrahlnukletomie.


Links: Ansicht des gesamten Instrumentensets und Vergrößerung der Trepanspitze.
Rechts oben: Diskografie zur Verifizierung der schmerzhaften Bandscheibe am Wirbelsäulenmodell.
Rechts unten: Das DWS-Instrumentarium in der Bandscheibe des Wirbelsäulenmodells.
1– Nadel zur Punktion der Bandscheibe, 2– konischer Troikar, 3– Trepan, 4– Kapillardüse
(4a– Hochdruckschlauch, 4b– Absaugschlauch), 5– Arbeitstroikar in gerader (5a) und
gebogener (5b) Ausführung.
84 Nukleotomie – Projektphase 2

Ein Troikar-System wurde so gestaltet, dass dient so zur Führung für den Troikar. So
durch den als Rohr ausgeführten Troikar die können Diagnostik und Therapie ohne In-
Kapillardüse in die Bandscheibe vorgescho- strumentenwechsel durchgeführt werden
ben werden kann. Die Durchmesser sind da- (Abbildung 8-1). Mit dem Trepan wird aus
bei so gewählt, dass im Lumen zwischen der dem Anulus fibrosus ein 2mm großes Loch
Kapillare und dem Troikar Wasser und Ab- herausgeschnitten, durch das der Troikar in
trag abfließen können (Abbildung 8-2). die Bandscheibe vorgeschoben wird. Wenn
durch Röntgenbilder in zwei Ebenen die
Troikarlage gesichert ist, kann die DWS-Be-
arbeitung des Nukleus ohne weitere Sicht-
kontrolle stattfinden.
Es stellt sich hier die Frage, wie Nerven und
das Rückenmark gegen die Strahleinwirkung
oder vor einem fehlgeleiteten Strahl ge-
schützt werden. Dies wird gewährleistet
durch eine exakt anatomische Positionierung
des Troikars in der Bandscheibe, die durch
intraoperatives Röntgen verifiziert werden
muss. Die Strahlrichtung ist von diesen
Abbildung 8-2: Schematische Darstellung des Strukturen abgewandt. Der dorsale Anteil des
Nukleotomie-Instrumentariums in der Band- Anulus fibrosus stellt eine Barriere zum Spi-
scheibe.
nalkanal hin dar, während der ventrale Anteil
die großen Gefäße schützt.

Die Düsenkapillare ist am externen Ende des


Arbeitstroikars luftdicht geführt, damit in der 8.2 Vergleich des Materialabtrags
Bandscheibe mit Hilfe eines Saugers Unter-
druck aufgebaut werden kann. 8.2.1 Problem
In Vorversuchen wurde geprüft, ob das Troi-
karsystem gewährleistet, dass das in die ge- Für den selektiven Abtrag des Nukleus pul-
schlossenen Bandscheibe eingebrachte Vo- posus konnten zwar erzeugungsorientierte
lumen abgesaugt wird, ohne dass die Gefahr Parameter identifiziert werden, aber die Ef-
einer Druckerhöhung in der Bandscheibe fektivität in Bezug auf den volumetrischen
besteht (Anhang S.201). Abtrag kann anhand der bisherigen Experi-
Das Troikarsystem wurde durch eine Punkti- mente nicht hergeleitet werden. Im Gegen-
onsnadel und ein rundes gezahntes Messer satz zum einfachen Kerbversuch sind der
(Trepan) ergänzt, um den Anulus fibrosus Arbeitsabstand (s), die Vorschubgeschwin-
perforieren zu können. Mit der Punktions- digkeit (vV) und die Anzahl der Übergänge
nadel kann zunächst die Diskografie (Kon- bei der Operation nicht konstant, weil das
trastmitteldarstellung der Bandscheibe) Instrument von Hand platziert und in der
durchgeführt werden. Da der Adapter für die Bandscheibe bewegt wird.
Spritze von der Nadel entfernt werden kann, Offen ist die Frage, ob mit diesen variablen
verbleibt die Nadel in der Bandscheibe und Prozessparametern ein Materialabtrag zu
85

erzielen ist, der dem Vergleich mit den be-


kannten Methoden APLD und LASER-
Nukleotomie (siehe Kapitel 3.3, S.12) stand-
hält.

8.2.2 Material und Methode

In dieser Studie wurden 120 Bewegungsseg-


mente von jungen Schweinen (62,3±10,2kg) DWS LASER
in die Gruppen LASER, APLD und DWS Abbildung 8-3: Einspritzen des Kunststoffs in
randomisiert. einen Nukleushohlraum und nach dem Auftrennen
der Bandscheiben gewonnene Abgüsse.
Für die LASERa-Gruppe wurde eine Energie
von 384J (0,8J/Puls mit 8Hz) gewählt. Die
Operationsparameter der APLDb-Gruppe
waren maximale Schnittfrequenz (180/min) Danach wurden die Bandscheiben aufge-
und maximaler Saugunterdruck (0,09MPa trennt (Abbildung 8-4) und der ausgehärtete
unter dem Atmosphärendruck). Kunststoff entfernt und gewogen.
Die erzeugungsorientierten Parameter waren Die Bandscheiben wurden auch in diesem
pW=4MPa Pumpendruck mit dD=0,1mm Dü- Versuch nach bekannten histologischen Me-
sendurchmesser. Der mit den o.g. Versuchen thoden aufgearbeitet.
ermittelte maximale Druck wurde gewählt, (Statistische Methoden im Kapitel 6.7, S.63;
um einen möglichst hohen Materialabtrag des unabhängige und abhängige Variablen im
Nukleus pulposus zu gewährleisten. Für alle Anhang S.224.)
Gruppen wurde die Zeit auf t=4min festge-
legt und der dorsolaterale Zugang zur Band-
scheibe mit dem gleichen Troikar (∅3mm
bei 0,15mm Wandstärke) genutzt.
Zur Volumenbestimmung nach der Nukleo-
tomie wurde ein Dentalkunststoff c mit einem
Injektionsdruck von 0,2MPa in die Band-
scheibe eingespritzt (Abbildung 8-3).
Die Reproduzierbarkeit dieses Verfahrens
war in Vorversuchen ermittelt worden (Ka-
pitel 19.2.3, Anhang S.203).

Abbildung 8-4: Aufgetrennte Bandscheibe nach


LASER-Nukleotomie als Beispiel für eine Hohl-
raumauffüllung.

a
Neodym-Yag-LASER, Coherent, Santa Clara, US,
http://www.coherent-lasergroup.de.
b
Surgical-Dynamics, Mineapolis, US,
http://www.surgicaldynamics.com.
c
Typ PROVIL® novo Medium CD, Heraeus Kulzer
GmbH, Hanau, DE, http://www.kulzer.com.
86 Nukleotomie – Projektphase 2

8.2.3 Ergebnis 8.2.5 Schlussfolgerung

Das entfernte Nukleusvolumen war zwischen Die DWS-Nukleotomie trägt die gleiche
den untersuchten OP-Methoden nicht signifi- Menge Nukleus pulposus wie die bereits be-
kant unterschiedlich (p=0,572, Abbil- kannten Methoden APLD und LASER ab.
dung 8-5). Die vom Operateur abhängige Variation der
In der DWS-Gruppe, aber auch in der APLD- Prozessparameter Arbeitsabstand, Strahl-
Gruppe fanden sich keine Hinweise auf Ver- Werkstückwinkel und Anzahl der Übergänge
letzungen des Anulus im Sinne der Scha- verhindert nicht, dass die Menge des abgetra-
densklasse II. genen Nukleus hinreichend reproduzierbar
ist. Von Seiten des Zielparameters Effektivi-
tät ist eine klinische Anwendung also mög-
V [cm³] lich. Mit dem vorgestellten Instrumentarium
ist es möglich, die Operation durchzuführen,
0,3 ohne einen relevanten Schaden der Klasse III
0,2 hervorzurufen, während beim LASER eine
Anulusschädigung eintritt.
0,1
0,0
DWS LASER APLD
Volumen (V). 8.3 Vergleich der Biomechanik
Abbildung 8-5: Das durch die Operation entfernte
Nukleusvolumen in Abhängigkeit von der Me- 8.3.1 Problem
thode.
Für die eingeführten Operationsmethoden
APLD und LASER ist der Nachweis einer
In der LASER-Gruppe zeigte sich hingegen intradiskalen Druckentlastung im In-vitro-
an jedem Präparat histologisch und Modell erbracht worden39;54-56. Durch
makroskopisch eine Schädigung des Anulus Anwendung dieser Verfahren resultiert eine
fibrosus. Andere Schädigungen wurden bei Reduktion des Bandscheibendrucks, was als
keinem Operationsverfahren verifiziert. Vorraussetzung für den Erfolg der Operatio-
nen gesehen wird77;242;275.
Zwar wurde der Volumenabtrag durch den
8.2.4 Diskussion DWS in der oben beschriebenen Studie
nachgewiesen, aber ein direkter Schluss auf
Diese Studie belegt, dass die DWS-Nukleo- den biomechanischen Effekt ist nicht zuläs-
tomie im gewählten Tiermodell mit den sig, weil Schäden der Klasse I, wie z.B. die
etablierten Methoden vergleichbare Nukleus- Ödembildung, den Druck in der Bandscheibe
volumina abträgt. Die variablen Parameter ebenfalls beeinflussen könnten.
Arbeitsabstand, Strahlanstell-, Strahl-Werk- In der folgenden Studie sollte die Auswir-
stückwinkel und Anzahl der Übergänge kung der DWS-Nukleotomie auf die Biome-
betreffen alle Gruppen. Trotzdem war es chanik der Bandscheibe untersucht und mit
möglich, eine reproduzierbare Menge Nukle- den Ergebnissen bekannter Methoden vergli-
us pulposus zu entfernen. chen werden.
87

drucks (pB) während der Belastung des


Präparats. In einer Materialprüfmaschineb
8.3.2 Material und Methode (Abbildung 8-6) wurde zunächst eine axiale
Vorlast von 20N über die Zeit von einer Mi-
Es wurden 42 lumbale Bewegungssegmente nute eingeleitet.
schlachtfrischer Mastschweine (96±14kg) in
drei Gruppen DWS, APLD und LASER ran-
domisiert. Die hintere Säule einschließlich
der Facettengelenke (kleine Wirbelgelenke)
wurde entfernt, so dass zwei Wirbelkörper,
verbunden durch eine Bandscheibe, in eine
spezielle Haltevorrichtung eingegossen und
in der Materialprüfmaschine montiert werden
konnten (Abbildung 8-6 und Anhang S.225).

Abbildung 8-7: Platzierung des Miniaturdrucksen-


sors in der Bandscheibe und Detailansicht der Sen-
sor- und Troikarspitze.

Danach wurde kraftgeregelt mit 2N/s das


Kompressionsmaximum von 150N ange-
fahren und für eine Minute gehalten (Haupt-
Abbildung 8-6: Materialprüfmaschine mit einem last, Abbildung 8-8).
eingegossenen Bewegungssegment einer Modell-
wirbelsäule. Es folgte danach eine Entlastung auf 20N für
fünf Minuten (Nachlast, Abbildung 8-8 und
Anhang S.224).
Gemessen wurde jeweils der Bandscheiben-
Der Anulus fibrosus wurde zur Aufnahme druck (pB) und die relative Bandscheiben-
der OP-Instrumente mit oben beschriebenem höhe (hB) über den in der Materialprüfma-
Trepan perforiert. Durch die Perforation schine integrierten Wegsensor. Die Messda-
konnte einerseits die jeweilige Operation ten wurden mit 20Hz digitalisiert, um auch
durchgeführt werden, andererseits konnte ein während der an- oder absteigenden Belastung
Miniaturdruckaufnehmera in den Nukleus eine ausreichende Menge an Datenpunkten
eingebracht werden39 (Abbildung 8-7). Die- zu erhalten.
ser diente zur Messung des Bandscheiben-

a
Typ EPIH-212-3.5B, Entran, Ludwigshafen, DE,
b
http://www.entran.com. Typ UTS 5T, Zwick, Ulm, DE, http://www.zwick.de.
88 Nukleotomie – Projektphase 2

Kraft pB[MPa] 8.3.3 Ergebnis


F[N] Druck hB[mm]
Haupt-
150 Weg 0,8 Vor der Operation zeigte die Druckdifferenz
Vor- Nach- Last
0,6 zwischen Vor- und Hauptlast (∆pB) keine
100
0,4 signifikanten Unterschiede zwischen den
50 Gruppen (p=0,415;Abbildung 8-10).
0,2
Zunächst wurde der Einfluss des Tests auf
0 0 das Präparat überprüft: Im nativen Präparat
0 120 240 360 480 600 t [s] war der Bandscheibendruck bei 20N Vorlast
Kraft (F); Bandscheibendruck (pB); relative Bandscheibenhöhe (pB=0,080±0,020MPa) nicht signifikant unter-
(hB); Zeit (t). schiedlich vom Druck bei 20N Nachlast
Abbildung 8-8: Eingeleitete Kompressionskraft (pB=0,079±0,010MPa; p=0,77).
und die abhängigen Variablen Druck und Weg
über die Zeit.

∆ pB
prä OP post OP
[MPa]
So konnte für jeden Versuch die Hysterese 0,4
für den Druck in Abhängigkeit vom Weg
dargestellt werden (Abbildung 8-9). 0,2
Nach Messung der nicht operierten Band-
scheibe wurde die Operation mit den auf S.85 0,0
beschriebenen Parametern durchgeführt. An-
DWS APLD LASER
schließend wurde die Belastung wiederholt.
(Statistische Methoden, S.63; Unabhängige Abbildung 8-10: Bandscheibendruckdifferenz in
und abhängige Variablen im Anhang S.224.) Abhängigkeit von der Operationsmethode.
Dargestellt ist die Differenz (∆pB) des Bandscheiben-
drucks zwischen Vorlast (F=20N) und Hauptlast
(F=150N).

pB
prae OP Auch nach Durchführen der jeweiligen Ope-
[MPa] ration zeigten sich keine signifikanten
0,4 post OP
Druckunterschiede vor (pB=0,040±0,020MPa)
0,3
und nach einer Belastung
0,2
(pB=0,049±0,020MPa; p=0,78). In allen
0,1
Gruppen zeigte sich, dass die Druckdifferenz
0 hB
∆pB zwischen Ende der Vorlastphase und
0 0,2 0,4 0,6 [mm]
Ende der Hauptlastphase vor der Operation
Bandscheibendrruck (pB); relative Bandscheibenhöhe (hB). signifikant größer war als nach der Operation
Abbildung 8-9: Typische Hysteresekurven des (DWS p=0,012, APLD p=0,013, LASER
Bandscheibendrucks in Abhängigkeit von der rela- p=0,041).
tiven Höhe.
Im Vergleich zwischen den Gruppen fand
sich kein signifikanter Unterschied der durch
die Operation erzielten Drucksenkung zwi-
schen DWS und APLD. Im Gegensatz dazu
89

war in der LASER-Gruppe die Senkung der werden. Für die LASER-Nukleotomie konnte
Druckdifferenz ∆pB durch die Operation sig- der Nachweis einer Druckabnahme nicht er-
nifikant geringer als bei APLD und DWS bracht werden. Da in der klinischen Anwen-
(p<0,001; Abbildung 8-10). dung der Zielparameter „Schmerzreduktion“
Der Vergleich der Bandscheibenhöhendiffe- für den LASER nachgewiesen wurde260, ist
renz (∆hB) zwischen Ende der Vorlastphase entweder das mechanische Modell der
und Ende der Hauptlastphase vor und nach Schmerzentstehung an sich oder die Validität
der Operation zeigte für die Methoden DWS der zitierten Studie in Frage zu stellen.
und APLD einen postoperativ signifikant Die verfahrenstechnischen Parameter der
größeren Wert, während sich bei der Opera- LASER-Nukleotomie wurden aus der klini-
tion mit LASER die relative Bandscheiben- schen Anwendung übernommen und an das
höhe nicht signifikant änderte (DWS kleinere Nukleusvolumen des Tiermodells
p=0,024, APLD p=0,041, LASER p=0,41). angepasst260. Die Materialabtragsrate der
Zwischen den Gruppen DWS und APLD Operationsmethoden ist bereits in der vo-
zeigte sich kein signifikanter Unterschied in rausgegangenen Studie ermittelt worden. Für
der Abnahme der Bandscheibenhöhe durch den LASER wurde eine dem DWS und der
die Operation (p=0,21), während die Minde- APLD vergleichbare Effektivität nachgewie-
rung der relativen Bandscheibenhöhe in der sen.
LASER-Gruppe signifikant geringer war Hieraus ist zu schließen, dass die Bearbeitung
(p<0,001; Abbildung 8-11). des Biomaterials Nukleus pulposus mit dem
LASER die mechanischen Eigenschaften
verändert, also einen Schaden der Klasse I
hervorruft. Nur so kann die erhaltene Band-
scheibenhöhe und der weiterhin hohe Druck
∆ hB erklärt werden. Choi berichtet über eine Ver-
prä OP post OP
[mm] änderung der mechanischen Eigenschaften
0,4
des Nukleus durch die LASER-Anwen-
dung61. Das Gewebe würde durch die Hitze
0,2
stark schrumpfen und einen Teil der Elasti-
zität einbüßen. Die höhere Steifigkeit der
0,0
LASER-Gruppe wäre so zu erklären, aber der
DWS APLD LASER
unverminderte Bandscheibendruck nach
LASER-Bearbeitung des Nukleus entzieht
Abbildung 8-11: Bandscheibenhöhendifferenz in sich dieser Argumentation. Choi berichtet
Abhängigkeit von der Operationsmethode. darüber hinaus, dass durch die LASER-Va-
Differenz (∆hB) der Bandscheibenhöhe zwischen
Vorlast (F=20N) und Hauptlast (F=150N; vgl. Abbil- porisierung Bläschen gebildet werden. Diese
dung 8-8). wären in der Lage, den Druck auf präoperati-
vem Niveau zu halten.
Über In-vitro-Messungen des Bandscheiben-
8.3.4 Diskussion drucks an humanen Präparaten berichtet
Castro54;56. Die Druckabnahme durch die
Für die DWS-Nukleotomie und die APLD Operation war in diesen Studien deutlich
konnte eine signifikante Abnahme des Band- höher als in der hier vorgestellten Studie und
scheibendrucks nach der Operation gemessen auch beim LASER vorhanden. Limitiert wird
90 Nukleotomie – Projektphase 2

die Aussagekraft der zitierten Studien da- ben mit nur 150N reicht dazu aus, weil die
durch, dass die Parameter der Operation nicht Bandscheiben des Tiermodells im Vergleich
angegeben werden. Außerdem wurde der zum Menschen kleiner sind.
Einfluss der Belastung auf das Bewegungs- Für die Auswertung der Versuche wurde je-
segment nicht untersucht. weils das Ende der Haltephasen gewählt, da
Für die DWS-Nukleotomie kann dieser hier zu diesem Zeitpunkt das Creeping (Kriechen)
nicht zu klärende Diskussionspunkt als se- des Biomaterials bestmöglich ausgeglichen
kundär angesehen werden. Die Hypothese war.
einer Veränderung der mechanischen Eigen-
schaften des Nukleus durch den LASER
sollte in weiteren experimentellen Studien 8.3.5 Schlussfolgerung
beleuchtet werden. Dies hindert nicht daran
weitere Projektschritte in Richtung auf eine Die DWS-Nukleotomie erzielt eine Reduk-
klinische Anwendung der DWS-Nukleotomie tion des Bandscheibendrucks, ohne dass die
in Angriff zu nehmen. Kinematik der Bandscheibe wesentlich ver-
Der Nukleus pulposus des verwendeten ändert wird.
Tiermodells hatte aufgrund des geringen Al- Es ist daher davon auszugehen, dass weder
ters der Tiere wenig kollagene Fasern und ein biomechanisch relevanter Schaden der
einen hohen Anteil an Hyaluronsäure (Prote- Klasse I am Nukleus pulposus noch ein
oglykane). Auch das Nukleus-Gewebe von Schaden der Klasse III am Anulus fibrosus
Patienten mit frischen Bandscheibenvorfällen resultiert. Eine Schädigung, die zur Perfora-
enthält signifikant mehr Hyaluronsäure und tion des Anulus fibrosus führte, trat nicht auf,
weniger kollagene Fasern als Vergleichsge- so dass davon ausgegangen werden kann,
webe der Kontrollgruppe309. Humane Präpa- dass der Anulus als Barriere zu den Nerven
rate natürlich Verstorbener zeigen diesen und Gefäßen in der Nähe der Bandscheibe
Aufbau nicht mehr220. Bei Autopsiematerial erhalten bleibt und so einen Schutz vor weite-
ist der Nukleus pulposus bereits zum großen ren Schäden der Klasse III garantiert, wenn
Teil von kollagenen Fasern durchsetzt101. Der das vorgestellte Instrumentarium verwendet
Altersgipfel für den diskogenen Kreuz- und wird und sich die Düse in der Bandscheibe
Beinschmerz liegt aber bei 45±10 Jahren273, befindet.
der Altersgipfel für Autopsiepräparate liegt Somit ist im empirischen Modell zu
weit höher. Daraus ergeben sich Argumente Trennprozessen bei einer Operation die Ab-
für das gewählte sehr junge Tiermodell, weil wägung für den Zielparameter Effektivität
die klinische Situation der diskogenen und die Schadensklassen I-III so positiv zu
Schmerzentstehung besser als mit humanen bewerten, dass ein weiterer Projektschritt
Autopsiepräparaten abzubilden ist. Die Ver- folgen kann. Rückschlüsse auf die Schadens-
gleichbarkeit des Tiermodells mit humanen klasse IV lassen die bisherigen Ergebnisse
Präparaten bezüglich einer DWS-Bearbeitung nicht zu, aber diese lassen sich aus den Er-
wurde in oben beschriebener Studie nachge- gebnissen der DWS-Anwendung in anderen
wiesen (Kapitel 6; S.54). medizinischen Fachgebieten ziehen.
In diesem In-vitro-Modell sollte ein Band- Die vorgestellten Ergebnisse bildeten die
scheibendruck simuliert werden, der beim Grundlage für ein von der Zulassungsbehörde
Menschen einer alltäglich Belastung ent- gefordertes unabhängiges Gutachten, was
spricht293. Die Kompression der Bandschei- sich mit der Frage befasste, ob beim jetzigen
91

Erkenntnisstand eine klinische In-vivo-Studie ben. Außerdem können in einer Studie am


möglich ist oder eine tierexperimentelle Stu- lebenden Tier lediglich gesunde Bandschei-
die vorgeschaltet werden sollte. Eine tierex- ben operiert werden könnten.
perimentelle Studie würde lediglich einen In- Es konnte der Schluss gezogen werden, dass
formationsgewinn für die Schadensklasse IV basierend auf den vorliegenden Ergebnissen
bringen, die aber im Tierversuch bereits hin- eine kontrollierte klinische Studie am Men-
reichend abgebildet wurde25;141;219;222;281. schen möglich ist.
Die Tierstudie könnte keinerlei Aussage über
den Zielparameter Schmerzreduktion erlau-
93

9 Nukleotomie – Projektphase 3
In diesem Kapitel wird über die 3. Projekt- produktion des Schmerzbildes durch die
phase der DWS-Nukleotomie, also über die Druckerhöhung ist spezifisch für die Diag-
klinische Anwendung im Rahmen einer Pi- nose eines diskogenen Kreuzschmerzes. Eine
lotstudie berichtet. positive Schmerzreproduktion der betroffe-
nen Etage und eine Negativprüfung der an-
grenzenden Etage waren weitere Einschluss-
9.1 Problem kriterien für diese Studie.

Die Zielparameter des Abtragsprozesses und Patienten [#] 43


die Zielparameter der Biomechanik sind nach Bandscheiben[#] 47
den bisherigen Studien erfüllt. Die klinische Alter [Jahre] 39,5±13,2
Übertragbarkeit dieser Ergebnisse ist leider Geschlecht (m/w) 21/22
begrenzt, weil der Pathomechanismus der Schmerzdauer [Mon.] 3,4±2,4
Schmerzentstehung nicht geklärt ist. Die Re- Nachuntersuchungszeit [Mon.] 39,0±4,3
duktion des diskogenen Schmerzes ist aber Krankenhausverweildauer [d] 1,2±1,0
das eigentliche Operationsziel. Die klinische Kernspin- Protrusion 38,0
Pilotstudie verfolgt das Ziel, die DWS- befund [#] Sequester 9,0
Nukleotomie bezüglich der Schmerzreduk- L4/L5 16,0
Segment [#]
tion zu bewerten. Außerdem soll sie an einer L5/S1 31,0
begrenzten Patientenzahl Risiken und Kom- Tabelle 9-1: Patientengut der Pilotstudie.
plikationen im Rahmen der Schadensklassifi-
kation I-IV erfassen. Die Studie wurde unter
Berücksichtigung des Medizinproduktegeset-
zes nach Votum einer Ethikkommission und Bei vier Patienten wurden zwei schmerzhafte
mit einer besonderen Aufklärung der Patien- Bandscheiben identifiziert und mit dem DWS
ten durchgeführt. nukleotomiert. Während der Operation wurde
die Sauerstoffsättigung des arteriellen Bluts
ebenso wie Herzfrequenz und Blutdruck do-
9.2 Material und Methode kumentiert.
Aus Kostengründen wurde nur bei fünf Pati-
In diese Studie gingen 43 Patienten mit ei- enten ca. eine Stunde nach der Operation eine
nem Kreuz-Beinschmerz ohne Wurzelkom- Kernspintomografie durchgeführt, um ein
pressionszeichen (Nervenlähmungen) ein. Ödem der Bandscheibe darstellen zu können.
Einschlusskriterium war eine mindestens Für die prä- und postoperative klinische Un-
über drei Monate erfolglose konservative tersuchung wurde der funktionelle Wirbel-
Therapie (Tabelle 9-1). Bei allen Patienten säulenscore nach Oswestry verwendet (An-
wurde zusätzlich zur Kernspintomografie hang S.226)102;186. Der hierzu angefertigte
eine Diskografie (Kontrastmitteldarstellung Fragebogen wurde in Abwesenheit des Un-
des Nukleus pulposus) mit Bandscheiben- tersuchers ausgefüllt. Als objektives Krite-
distensionstest vorgenommen. Die Band- rium für die untere Rumpfbeweglichkeit
scheibe wird für diesen Test mit einer Nadel wurde der Finger-Bodenabstand bei maximal
punktiert und unter Druck gebracht. Die Re- flektierter Lendenwirbelsäule und Hüfte ge-
94 Nukleotomie – Projektphase 3

messen. Weiterhin wurde das subjektive Das entfernte Nukleusgewebe wurde abfil-
Schmerzempfinden des Patienten mit der triert und histologisch untersucht.
visuellen Analogskala (VAS) gemes-
sen38;131;149;158. In dieser Skala wird stufenlos
zwischen schmerzfrei (0) und maximal vor- 9.3 Ergebnis
stellbarem Schmerz (10) klassifiziert (An-
hang S.228). Die Patienten wurden präopera- Die Operation selbst wurde von den Patien-
tiv, postoperativ (innerhalb der ersten post- ten als insgesamt unbelastend eingestuft. Sie
operativen Woche) sowie nach 6, 12 und 36 dauerte einschließlich Sichern des Zugangs
Monaten klinisch untersucht und befragt. und Diskografie des operierten und der an-
Alle Patienten konnten zur Nachuntersu- grenzenden Segmente 29,0±8,9min.
chung einbestellt werden (Wiederfindungs- In einigen Fällen (7/43=16%) berichteten die
rate 100%). (Statistische Methoden S.63; Patienten über diffusen Rückenschmerz wäh-
unabhängige und abhängige Variablen im rend der Nukleotomie. In einem Fall war
Anhang S.224.) dieser Schmerz unbeeinflussbar, so dass die
Die Wasserstrahlapplikation fand ohne Anti- Nukleotomie nur nach Sedierung (leichter
biotikaprophylaxe in Linksseitenlage statt. Narkose) vorgenommen werden konnte.
Nach der üblichen Lokalanästhesie wurde die In der histologischen Untersuchung des aus
Bandscheibe zunächst mit einem Kirschner- der Bandscheibe abgesaugten Wassers zeig-
draht punktiert, wobei hier die korrekte Posi- ten sich ausschließlich Nukleuspartikel mit
tion durch Bildwandlerdokumentation in einem maximalen Durchmesser von 2mm.
zwei Ebenen gewährleistet war. Der Ar- Anulus fibrosus wurde in keinem Fall nach-
beitstroikar wurde in die Bandscheibe einge- gewiesen.
führt. An diesen wurde der Sauger gekoppelt, 36/43=84% der Patienten berichteten bereits
und die Wasserstrahldüse (dD=0,1mm) wurde am ersten postoperativen Tag über eine deut-
in die Bandscheibe eingebracht. Die DWS- liche Schmerzreduktion.
Nukleotomie wurde über 3–5min mit einem 2/43=4,6% Patienten wurden innerhalb von
Druck von pW=4MPa durchgeführt (Abbil- sechs Wochen konventionell nukleotomiert,
dung 9-1). weil die Symptomatik durch die Operation
nicht beeinflusst worden war. Beide Patien-
ten zeigten größere sequestrierte Bandschei-
benvorfälle (ohne Verbindung zum Nukleus
pulposus). Bei weiteren fünf Patienten
(5/43=11,6%) war eine Besserung erzielt
worden, jedoch blieb eine Einschränkung der
Lebensqualität auch nach der Operation.
Beim Rest der operierten Patienten
(36/43=84%) bestanden keine oder nur noch
sehr geringe Beschwerden. Ihre Lebensqua-
lität war nicht mehr durch den Rücken-
schmerz eingeschränkt.
Abbildung 9-1: DWS-Instrumentarium bei einer
Operation am Patienten. In 31/43=72% der Fälle beschrieben die Pati-
Zur sterilen Abdeckung wurde eine Folie verwendet. enten nach 12 Monaten das Operationsergeb-
95

nis mit „besser als erwartet“ oder „wie er- Die Schmerzklassifikation mit der VAS
wartet“ (Abbildung 9-2). zeigte eine signifikante Abnahme durch die
Auch im weiteren Verlauf des Nachuntersu- DWS-Nukleotomie (p<0,001; Abbil-
chungszeitraums von drei Jahren war dieser dung 9-4).

14% VAS

14% 10
53% 8
6
19%
4
besser als erwartet 2
wie erwartet 0
schlechter als erwartet prae OP post OP 12 Mon 36 Mon
unbefriedigend
Abbildung 9-2: Subjektive Zufriedenheit 12 Mo- Abbildung 9-4: Schmerz in Abhängigkeit vom
nate nach der Operation. Untersuchungszeitpunkt.

Effekt trotz der bei Rückenschmerzen be- Der vom Patienten erreichte Finger-Boden-
kannten Rezidivhäufigkeit weiter messbar. abstand nahm durch die Operation statistisch
Der Oswestry-Score als Maß für die Beein- signifikant ab (p<0,001 für Vergleich prä OP
trächtigung des Patienten war signifikant zu 12 Monate).
niedriger als präoperativ (p<0,001 für alle
Intervalle; Abbildung 9-3).

Score FBA [cm]


100 60
80 50
40
60
30
40
20
20 10
0 0
prae Op post OP 12 Mon 36 Mon prae OP post OP 12 Mon 36 Mon
Finger-Bodenabstand (FBA).

Abbildung 9-3: Oswestry-Score in Abhängigkeit Abbildung 9-5: Finger-Bodenabstand in Abhängig-


vom Untersuchungszeitpunkt. keit vom Untersuchungszeitpunkt.
96 Nukleotomie – Projektphase 3

Die fünf Kernspintomografien, die unmittel- Eine Druckmessung während der Applika-
bar postoperativ (1,3-4,7h) angefertigt wur- tion, die als In-vivo-Studie geplant ist, kann
den, zeigten keine erhöhte Signalintensität im hier zur Klärung beitragen.
Bereich des Nukleus pulposus.
Schadensklasse II
Diese Schadensklasse ist im Zusammenhang
mit der Nukleotomie nicht definiert, weil im
9.4 Diskussion Nukleus kein Gewebeverbund mit Gefäßen
oder Nerven vorliegt.
9.4.1 Schädigung
Schadensklasse III
Schadensklasse I Hinweise auf Verletzungen im Bereich des
Eine Veränderung des Nukleus pulposus im Anulus fibrosus konnten durch die Kern-
Sinne einer Ödembildung und Volumenzu- spintomografie nicht verifiziert werden. His-
nahme könnte einen pseudoradikulären oder tologisch wurde im abgesaugten Gewebe
radikulären Schmerz provozieren. In keinem ausschließlich Nukleus pulposus nachgewie-
Fall wurde perioperativ eine Symptomatik sen. Dies ist als Hinweis dafür zu werten,
gesehen, die als Hinweis darauf gedeutet dass der Anulus fibrosus aufgrund der Selek-
werden könnte. tivität des DWS nicht abgetragen wurde.
Aus den post OP durchgeführten Kernspin- In keinem Fall kam es – abgesehen von an-
tomografien ist zu schließen, dass Wasser nur fänglichen gerätetechnischen Problemen – zu
in geringem Maße eingelagert wird oder dass intraoperativen oder postoperativen Kom-
es schon in der ersten Stunde postoperativ plikationen. Insbesondere wurde nicht über
resorbiert wird. spinale Symptome wie Kopfschmerz und
Vor der Operation wurden die Patienten dar- Übelkeit oder periphere neurologische Sym-
über aufgeklärt, dass durch die Anwendung ptome geklagt. Infektionen, Lähmungen oder
eines DWS innerhalb der Bandscheibe auch Verschlimmerungen der Schmerzsymptoma-
ein Bandscheibenvorfall provoziert werden tik im Vergleich zum präoperativen Status
könnte. Eine solche Komplikation trat in der wurden in keinem Falle gesehen. Es kann
Pilotgruppe nicht auf. Da der maximale daraus geschlossen werden, dass Gewebe wie
Bandscheibendruck, wie in Vorversuchen Rückenmark, Spinalnerven oder Dura mater
ermittelt (Anhang S.201), unterhalb von nicht verletzt wurden.
0,1MPa bleibt, ist diese Komplikation eher
unwahrscheinlich, weil bei normaler Belas- Schadensklasse IV
tung im Stehen ein deutlich höherer Druck Die intraoperativ aufgezeichneten Werte von
gemessen werden kann244. Blutdruck, Puls und Sauerstoffsättigung
Die während der klinischen Applikation auf- zeigten keine signifikanten Unterschiede zu
getretenen diffusen Rückenschmerzen könn- den präoperativen Werten, so dass von Seiten
ten aber das Korrelat der möglichen Druck- dieser Parameter nicht von einer Fernwirkung
erhöhung bis 0,1MPa sein. Eine andere Er- ausgegangen werden kann. Wichtig dafür
klärung hierfür wäre die Irritation der mit war die Verwendung einer normoosmolaren
sensiblen Nervenendigungen versehenen Kochsalzlösung als Strahlmedium. Bringt
Wirbelkörperdeck- und Grundplatte durch man hingegen hypoosmolare Lösungen in
den DWS. großen Mengen in den Körper ein, kann es zu
97

lebensbedrohlichen Komplikationen kom- lidierten Wirbelsäulenscores Oswestry


men187. diente 106;170;180
, wurde jedoch ohne die Anwe-
senheit des Arztes ausgefüllt (Anhang S.226).
Der Score fragt eine Mischung aus rein sub-
9.4.2 Schmerztherapie als Operationsziel jektiven und objektivierbaren Daten ab, so
dass eine Plausibilitätskontrolle durch den
Schmerz ist im physikalischen Sinn nicht Arzt möglich ist.
messbar41;42. Schmerz ist eine Sinneswahr- Klinisch zeigte sich eine deutliche Besserung
nehmung, deren primäre Grundlage die Erre- der Beschwerden über eine 12-Monats-Peri-
gung von afferenten Fasern ist. Die Erregung ode in 72% aller Fälle. Fraglich ist, ob dieser
in der Peripherie erfolgt über Rezeptoren und Effekt auf Dauer anhalten wird. Dies ist nicht
freie Nervenendigungen. Die Potenziale wer- mehr allein vom Operationsverfahren abhän-
den auf Rückenmarkebene verschaltet und gig, sondern die Compliance des Patienten
u.a. an das Gehirn weitergeleitet. Art und tritt bezüglich eines entsprechenden Rumpf-
Ausmaß dieser Weiterleitung wird durch ef- muskeltrainings zur Rezidivprophylaxe in
ferente Bahnen, die vom Gehirn zum Rü- den Vordergrund207.
ckenmark ziehen, reguliert. So ist es möglich,
dass ein und der selbe Schmerzreiz situativ
völlig unterschiedlich wahrgenommen wer- 9.4.3 Ergebnisse bekannter Verfahren
den kann. Kommt es z.B. in einer Stresssitu-
ation zu einer Verletzung, so verspürt das Die offene Nukleotomie zeigt zu einem nicht
Individuum keinen oder wenig Schmerz. Die geringen Anteil nur unbefriedigende Ergeb-
Schmerzweiterleitung und -wahrnehmung nisse. Loupasis fand z.B. bei einer Untersu-
unterliegt also einer Vielzahl von Einflüssen, chung von 109 Patienten, die konventionell
die inter- und intraindividuell sehr variabel operiert wurden, nur in 64% der Fälle gute
sind40. So ist die Schmerzwahrnehmung und - bis sehr gute Resultate189.
verarbeitung von psychischen Faktoren Auch die Ergebnisse der Chemonukleolyse
ebenso abhängig wie von Art und Ausmaß werden von verschiedenen Autoren kritisch
der afferenten Signale aus der Peripherie. bewertet. In Wittenbergs Studie zur Chemo-
Trotzdem ist der Schmerz der wichtigste nukleolyse zeigte sich z.B. nur in 52% der
Zielparameter nicht nur der vorgestellten Fälle ein Therapieerfolg294. Diese Ergebnisse
Operation. wurden auch von Poynton bestätigt225.
Um Schmerzen im Quer- und Längsschnitt Ramberg berichtete in seiner Arbeit über
vergleichen zu können, wurde die visuelle „ungewöhnlich schlechte Ergebnisse“ nach
Analogskala eingeführt und in diesem Projekt der Nukleotomie mit einem APLD System.
angewandt. Weiterhin wurde der Operations- Es kam bei einem Drittel seiner Patienten zu
erfolg durch objektivierbare Befunde, wie einer operativen Revision228. Sortland zeigte
z.B. den Finger-Bodenabstand ergänzt. vergleichbar schlechte Ergebnisse271.
Die Patienten wurden von einem Arzt nach- Degobiss zeigte im Gegensatz dazu, dass die
untersucht, der nicht an der Operation betei- APLD zu einer befriedigender Schmerzlinde-
ligt war. Trotzdem könnten die Ergebnisse rung führt und eine offene Nukleotomie auf
teilweise aufgrund der Interaktion von Arzt Dauer zu verhindern vermag73.
und Patient beeinflusst worden sein. Der Fra- Die Ergebnisse der LASER-Nukleotomie
gebogen, der zur Ermittlung des klinisch va- sind im Vergleich dazu besser: Casper ver-
98 Nukleotomie – Projektphase 3

wendete z.B. in seiner Arbeit einen Hol- Längsbandes und anderer Strukturen gedeutet
mium-YAG-LASER für die Nukleotomie bei werden276. Denkbar ist auch eine Reduktion
223 Patienten51-53. Die Nachuntersuchung chemischer Faktoren, die direkt oder indirekt
ergab nach 1 Jahr bei 84% gute Ergebnisse. für die Entstehung des Schmerzes von Be-
Auch Choy berichtet nach 17-jähriger Erfah- deutung sind57;133.
rung mit der LASER-Nukleotomie von guten
Ergebnissen, wenn die Indikation richtig ge-
stellt wurde62, was von anderen Autoren bes-
tätigt wurde10. 9.5 Schlussfolgerung
Die DWS-Nukleotomie zeigte in der vorge-
stellten Studie eine vergleichbare Erfolgsrate Das Operationsziel Schmerzreduktion kann
bei geringeren Risiken und geringeren Fall- mit der DWS-Nukleotomie in der Mehrzahl
kosten. der Fälle erreicht werden. Das Nukleusge-
Falsch positive Ergebnisse werden aufgrund webe wird bei den verwendeten erzeugungs-
des nicht zu vernachlässigenden Placeboef- orientierten Parametern selektiv abgetragen.
fekts bei dieser Operation ebenso wie bei Schäden der Klassen I-III waren nicht zu
anderen Operationsmethoden produziert13. erwarten und sind nicht aufgetreten. Schäden
Der allgemeingültige Beweis lässt sich letzt- der Klasse IV sind beim untersuchten Pati-
endlich nur mit Hilfe einer prospektiven ran- entengut ebenfalls nicht beobachtet worden.
domisierten Studie im Vergleich mit einer Klinisch relevante Schädigungen sind somit
anderen Operationsmethode antreten. Im auch bei einer Anwendung in einer größeren
idealen Fall geschieht dieses durch eine Anzahl für alle Schadensklassen unwahr-
Blindstudie (Patient weiß nicht, welches scheinlich.
Verfahren angewendet wird) oder Doppel- Der Aufwand der DWS-Nukleotomie ist ge-
blindstudie (nachuntersuchender Arzt und ring und am ehesten mit einer Injektion ver-
Patient wissen nicht, welches Verfahren an- gleichbar.
gewendet wird). Die aus wissenschaftlicher Die DWS-Nukleotomie kann in weiteren
Sicht am besten geeignete Vergleichsgruppe Projektschritten in einer Multicenterstudie
einer Scheinoperation (Placebogruppe), bei auf größere Patientenkollektive ausgedehnt
der nur der Zugang zur Bandscheibe geschaf- und mit anderen Verfahren verglichen wer-
fen wird, ohne den DWS anzuwenden, lässt den. Histologisch wurde im abgesaugten
sich aus ethischen Gründen nicht rechtferti- Gewebe ausschließlich Nukleus pulposus
gen. nachgewiesen. Dies ist als Hinweis dafür zu
Für eine Vergleichsstudie z.B. mit der Che- werten, dass der Anulus fibrosus aufgrund
monukleolyse stellt die vorgestellte Arbeit der Selektivität des DWS nicht abgetragen
die zwingende Grundlage dar. Allerdings wurde.
muss man sich darüber im Klaren sein, dass Ein fester Platz in der Differenzialtherapie
man die Vergleichsgruppe den oben be- des bandscheibenbedingten Rückenschmer-
schriebenen Nachteilen der Chemonukleolyse zes ist als realistisch einzuschätzen.
aussetzt. Das empirisches Modell zu Trennprozessen
Der Wirkmechanismus der neuen Methode bei einer Operation hat sich in der Anwen-
kann als reine Druckentlastung und hieraus dung zur Entwicklung der DWS-Nukleoto-
folgender Spannungsreduktion des hinteren mie bewährt.
99

10 Endoprothesenrevision – Projektphase 1
In diesem Kapitel werden Schnittversuche an Die Vorschubgeschwindigkeit betrug
kortikalem Knochen und Knochenzement mit vV=10mm/min.
den drei Gruppen der DWS-Technik (DWS, Wegen der Anisotropie des Knochens wur-
DDWS, ADWS) vorgestellt. Das Kerbtie- den Versuche längs und quer zur Osteon-
fenmodell nach Decker wird modifiziert und richtung durchgeführt. Bei der Endoprothe-
findet für den DWS seine Anwendung. Für senrevision ist darüber hinaus ein tangentia-
den ADWS wird ein analytisches Kerbtie- les Auftreffen des Strahls auf die Kortikalis
fenmodell aufgestellt und mit Hilfe weiterer zu erwarten. Daher wurden zwei Strahl-
Kerbversuche validiert. Auch für die En- Werkstückwinkel (γ=90°, γ=30°) untersucht
doprothesenrevision wird eine Risiko-Nut- (vgl. Abbildung 5-5, S.34). In der Knochen-
zen-Analyse im Rahmen des empirischen gruppe wurden für jede Parameter-Kombina-
Modells zu Trennprozessen bei einer Opera- tion zehn Proben gekerbt. Wegen der relativ
tion durchgeführt. konstanten Materialeigenschaften von Tech-
novit® wurden in der PMMA-Gruppe für jede
Kombination nur fünf Proben verwendet.

10.1 Druckwasserstrahl
10.1.2 Ergebnis
Die Kerbversuche am Wirbelkörper (S.67)
haben gezeigt, dass die bisher untersuchten Kerbtiefe
erzeugungsorientierten Parameter eines DWS Unterhalb von pW=40MPa zeigte sich kein
keine Bearbeitung von Knochen zulassen. Es sichtbarer Materialabtrag in Knochen. Bei
musste daher zunächst herausgefunden wer- pW=40MPa wurde Knochen lediglich an 2/10
den, bei welchen erzeugungs- und prozess- Proben gekerbt. Die erzielten Kerbtiefen bei
orientierten Parametern Knochen und Kno- pW=40MPa waren sehr gering und streuten
chenzement überhaupt bearbeitet werden stark (0,13±0,20mm). Eine intraoperativ an-
können. nehmbare Kerbtiefe für den Anwendungsfall
der Osteotomie oder der Primärendoprothetik
zeigte sich erst ab einem Druck von
10.1.1 Material und Methode pW=100MPa (5,51±0,98mm).
Schnitte parallel und senkrecht zur Osteon-
Exemplarische Kerbversuche an Knochen- richtung zeigten keine signifikanten Unter-
zement und bovinem Knochen dienten zu- schiede in der Kerbtiefe (p=0,9; Tabel-
nächst dazu, eine grobe Parametereingren- le 10-1).
zung vorzunehmen. Eine Veränderung des Strahl-Werkstückwin-
Die dann folgenden Versuche wurden mit der kels auf γ=30° verringerte die Tiefe der Ker-
industriellen DWS-Anlage bei einem Düsen- ben in Knochen erheblich: Die Kerbtiefen
durchmesser von dD=0,3mma und einem Ar- waren bei γ=90° immer signifikant größer als
beitsabstand von s=5mm durchgeführt. Der bei γ=30° (p<0,001 für 40; 60; 80MPa; Ta-
Druck wurde in 20MPa-Schritten zwischen belle 10-1).
pW=20MPa und pW=120MPa variiert. In der PMMA-Gruppe waren an allen Proben
schon bei pW=40MPa Kerben sichtbar.
a
Comadur, Le Locle, CH, http://www.comadur.ch.
100 Endoprothesenrevision – Projektphase 1

Die Kerbtiefen in PMMA waren signifikant


größer als in Knochen (p<0,001 für alle
Druckklassen, Abbildung 10-1 und Tabel-
le 10-1). Bei einem Druck von pW=40MPa ist
auf eine selektive PMMA-Bearbeitung zu
schließen.

k [mm] Knochen PMMA


pW=100MPa.
10 r²=0,90
8 Abbildung 10-2: Typische Kerbbilder in Knochen
(p<0,001) im Vergleich zu PMMA.
6
4 r²=0,82
2 (p<0,001)
0 pW
0 20 40 60 80 100 120 [MPa]

Kerbtiefe (k); Druck (pW).


10.1.3 Diskussion
Abbildung 10-1: Kerbtiefe in Knochen und PMMA
in Abhängigkeit vom Druck bei senkrecht auftref-
fendem Strahl. Der Pumpendruck war auch hier der ent-
scheidende erzeugungsorientierte Parameter.
Für eine intraoperativ annehmbare Effektivi-
tät sollte dieser größer als pW=100MPa sein.
Kerbqualität
In PMMA waren die mit dem DWS erzeug- Die Strahlbeaufschlagung von Kortikalis in
ten Kerben in allen Druckklassen sehr unre- flachen Winkeln, wie sie bei der Endoprothe-
gelmäßig. Es waren unzählige von der Kerbe senrevision zu erwarten ist, verringert den
in das Material hineinreichende Risse zu er- Materialabtrag in Knochen und ist somit
kennen (Abbildung 10-2). vorteilhaft für die Schädigungsgefahr des
Die Kerben in Knochen waren hingegen Knochens zu werten.
durchgehend gleichmäßiger und schärfer
begrenzt als die in PMMA. Makroskopisch Mechanismen des Materialabtrags
ließen sich in Knochen nur oberhalb von Im Bereich der harten Gewebe oder Biomate-
pW=100MPa vereinzelte in das Material hin- rialien sind alle erwähnten Formen des Mate-
einreichende Risse (bis 2mm) erkennen (Ab- rialabtrags (S.32) grundsätzlich denkbar.
bildung 10-2). Vermutlich liegt eine Kombination von Deh-
Schnittkanten und Kerboberflächen der quer nung über die Bruchgrenze hinaus, Erosion,
zur Osteonrichtung geschnittenen Proben Abrasion und möglicherweise auch Kavita-
waren, soweit mit dem Lichtmikroskop tion vor. Selbst in der industriellen Technik
beurteilbar, schärfer begrenzt und glatter als kann der Anteil der einzelnen Mechanismen
bei längsgeschnittenen Proben (Abbil- am Gesamtabtrag nicht erfasst werden205.
dung 10-2).
101

Druck [MPa]
Material γ Orientierung
20 40 60 80 100 120
Knochen 90° längs 0 0,13±0,20* 0,62±0,34 2,35±0,74 5,51±0,98 7,31±1,44
Knochen 90° quer 0 0,12±0,19* 0,78±0,39 2,59±0,80 5,10±0,55 7,42±1,24
Knochen 30° längs 0 0 0,06±0,02 0,08±0,03 0,12±0,23 0,81±0,64
Knochen 30° quer 0 0 0,02±0,03 0,07±0,03 0,10±0,03 0,78±0,43
PMMA 90° – 0 1,20±1,22 5,21±0,48 7,53±0,70 6,21±0,69 7,53±0,70
Kerbtiefen in [mm]; MW±STD aus 10 Kerbversuchen bei Knochen und 5 Kerbversuchen bei PMMA; *nur 2 von 10 Proben gekerbt.

Tabelle 10-1:Kerbtiefen mit dem DWS an Rinderkortikalis und PMMA.

Knochen weist zwar eine um den Faktor zehn Grenzdruck, d.h. der Druck, bei dem erstmals
geringere Elastizität als PMMA auf, hat aber Materialabtrag erzielt wird, für die Kortikalis
eine höhere Druck- und Zugfestigkeit und höher als für PMMA.
eine größere Härte68 (Anhang S.208). Unab- Die relativ geringe Zugfestigkeit kann als
hängig von den Mechanismen, die den Mate- Erklärung für die weit in das Material
rialabtrag im Einzelnen bedingen, ist die PMMA hineinreichende Rissbildung ange-
Grenzenergie für den Abtrag in Knochen führt werden. Eine oberflächliche Rissbil-
größer als in PMMA. dung in Knochen konnte in sehr begrenztem
In der vom Strahl beaufschlagten Zone wer- Umfang nur bei einem Druck von
den Druckspannungen im Material erzeugt. pW>100MPa beobachtet werden. Neben den
Diese führen zu einer Deformation in dieser genannten Materialeigenschaften, die eine
Zone und bedingen gleichzeitig in der nicht Rissinitiierung verhindern, sind für die feh-
strahlbeaufschlagten Umgebung Zugspan- lende Rissausbreitung im kortikalen Knochen
nungen188. Aufgrund der Rissbildung außer- die Zementlinien verantwortlich210;234. Diese
halb der Schnittfuge ist zu schließen, dass Zementlinien sind Regionen, die einen gerin-
diese bei PMMA eher zu Materialversagen geren Mineralisierungsgrad als die Osteon-
führen als bei Knochen. lamellen, aber einen wesentlich höheren Ge-
Der eigentliche Materialabtrag findet aber bei halt an Mucopolysacchariden aufweisen.
beiden Materialien in der strahlbeaufschlag- Diese Zusammensetzung verleiht den Ze-
ten Zone statt. mentlinien zwar eine verminderte Festigkeit,
Rochester berichtet, dass beim DWS-Schnei- aber wesentlich duktilere Eigenschaften als
den eine Rissinitiierung von zentraler Be- der übrigen Knochenmatrix. Es wird ange-
deutung ist, die ihren Ursprung in kleinen nommen, dass die Zementlinien deshalb die
Oberflächenkratzern oder Materialinhomo- Risspropagierung hemmen47.
genitäten hat240. Von den vielen in PMMA Die Spannungen, die an einer Rissspitze zur
eingelagerten Poren könnte demnach eine Aufrechterhaltung eines kontinuierlichen
Rissinitiierung ausgehen. Aber auch in Kno- Risswachstums nötig sind, liegen in einem
chen finden sich Hohlräume, so dass die homogenen Werkstoff erheblich unter den
Kerbtiefenunterschiede allein dadurch nicht theoretischen Materialversagenswerten. In
erklärbar sind. einem Verbundwerkstoff jedoch wird die
Der kortikale Knochen ist Druck- und insbe- Spannungsverstärkung an der Rissspitze
sondere Zugspannungen gegenüber wesent- durch die eingebundenen schwächeren Inter-
lich resistenter als PMMA. Daher liegt der faces stark gemindert. Die Rissgeschwin-
102 Endoprothesenrevision – Projektphase 1

digkeit eines Verbundwerkstoffs nimmt bei Analytisches Kerbtiefenmodell


Passage eines duktilen Interfaces kurzzeitig Zur Anwendung des Kerbtiefenmodells nach
zu, doch im Verlauf der duktilen Schicht Decker wurde die Strahlkraft bei einem Dü-
wird die Rissgeschwindigkeit wieder gerin- sendurchmesser von dD=0,3mm in einem
ger und kommt schließlich am nachfolgenden Arbeitsabstand von s=5mm gemessen (Abbil-
festeren Interface ganz zum Stillstand160. dung 10-3). Für α⋅ε2 ergab sich durch eine
Um einen solchen Riss durch das ganze Ver- Kleinste-Quadrate-Anpassung an Gleichung
bundmaterial zu treiben, sind daher höhere 5-13 (S.49) ein Wert von 0,28.
Anfangsrissgeschwindigkeiten als in einem
vergleichbaren homogenen Werkstoff erfor-
derlich. Die besondere Verbundstruktur des
Biomaterials „Knochen“ hemmt daher ein
FS [N] Messwerte
weites Vordringen von Rissen. 0,6
Gleichung
Im Gegensatz zu den weichen Geweben 0,4
konnte in Knochen weder makroskopisch
0,2
noch mikroskopisch eine Auswirkung der
DWS-Beanspruchung außerhalb der eigentli- 0
chen Kerbe festgestellt werden. Die Strahl-
0 2 4 6 8 10 12 14 16
energie, die in diesem Biomaterial deflektiert pW [MPa]
wird, reicht weder für eine für Verbundwerk-
Strahlkraft (FS); Druck (pW).
stoffe typische Delamination107 noch für eine
Abbildung 10-3: Gemessene und berechnete Strahl-
Wassereinlagerung in den Knochen aus. kraft in Abhängigkeit vom Druck.
Der interstitielle Raum ist zwar auch im
Knochen vorhanden, hat aber hier im Gegen-
satz zu Weichgeweben eine hohe Steifigkeit.

Die Reststrahlkraft wurde ebenso wie die


10.1.4 Kerbtiefenmodelle Reibung in der Kerbfuge vernachlässigt.
Die materialspezifische Abtragsenergie für
Empirisches Kerbtiefenmodell Knochen beträgt ESP=6,84.1011J/m³, jene für
Sowohl für PMMA als auch für Kortikalis PMMA ESP=3,3.1011J/m³. Für beide Materi-
zeigte sich eine statistisch signifikante lineare alien zeigten sich gute Übereinstimmungen
Korrelation zwischen Druck (pW) und Kerb- zwischen Experiment und Modell im höheren
tiefe (k). Die bereits für die Weichgewebe Druckbereich, wohingegen im unteren
aufgestellte Modellgleichung (Gleichung 7-4, Druckbereich zunehmend größere Diskre-
S.78) kann auch für diese Materialien panzen bestanden (Abbildung 10-4).
Anwendung finden. Das empirische Modell Das Modell zeigte darüber hinaus für Kno-
kann dazu dienen, die Kerbtiefe im gleichen chen eine schlechtere Übereinstimmung mit
Versuchsaufbau auch für höhere Druckni- den gemessenen Kerbtiefen als für PMMA.
veaus abzuleiten. Es errechnet sich in Deckers Modell eine
Kerbtiefe von k=0 für pw=0.
103

Die Kerbversuche an Knochen und PMMA Die durch die Modellmodifikation errech-
zeigen jedoch, dass ein Mindestdruck erfor- neten Kerbtiefen stimmen auch im unteren
derlich ist, um Materialabtrag zu erzielen. Druckbereich überaus gut mit den Messwer-
Decker berücksichtigt in seiner Modellglei- ten dieser Studie überein (Abbildung 10-4).
chung nicht, dass für den sichtbaren Mate- Auffallend ist, dass bei Berücksichtigung
rialabtrag ein Grenzdruck (pG) existiert. Bei eines Grenzdrucks für den Materialabtrag die
den Versuchen an Weichgeweben war dies materialtypische Abtragsenergie (unter Be-
eher zu vernachlässigen, weil der Grenzdruck rücksichtigung des Grenzdrucks, ESPG) im
relativ klein, also nahe null gelegen war. Vergleich zur materialtypischen Abtrags-
Eine Modifikation seines Modells ist die Be- energie (ESP) insbesondere für Knochen
rücksichtigung des Grenzdrucks bei der Be- deutlich geringer ist. Bei Knochen wird ein
rechnung der Strahlkraft. Geht man davon großer Anteil der Strahlenergie für die Über-
aus, dass nur die Strahlkraft oberhalb des windung des Grenzdrucks benötigt, ohne
Grenzdrucks zum Abtrag führt, so definiert dass dieser Energieanteil Materialabtrag be-
sich die Strahlkraft für den Materialabtrag wirkt.
(FSG) nach Gleichung 10-1.

Gleichung 10-1: Messwerte Knochen


k [mm]
π ⋅ d ⋅ α ⋅ ε ⋅ (p W − p G )
2 2
10 mod. Modell
FSG = D

2 8 Decker-Modell
FSG.....Strahlkraft für Materialabtrag
6
dD ......Düsendurchmesser 4
α .......Kontraktionszahl 2
ε ........Geschwindigkeitszahl 0
pW......Wasserdruck 0 20 40 60 80 100 120
pG ......Grenzdruck für Materialabtrag
pW [MPa]

k [mm] Messwerte PMMA


Der Grenzdruck für den Materialabtrag ist mod. Modell
10
hier wiederum aus der Anpassung des Mo- 8 Decker-Modell
dells an experimentelle Daten einzelner 6
Kerbversuche zu entnehmen. Setzt man die 4
auf diese Weise korrigierte Strahlkraft (FSG) 2
anstatt von FS in Deckers Modellgleichung 0
(Gleichung 5-12, S.49) ein, so errechnen sich 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90
andere materialtypische Abtragsenergien. pW [MPa]
Die materialtypische Abtragsenergie unter
Kerbtiefe (k); Druck (pW).
Berücksichtigung des Grenzdrucks für den
Abbildung 10-4: Errechnete und gemessene Kerb-
Materialabtrag beträgt für Knochen tiefen in Abhängigkeit vom Druck für Knochen
ESPG=2,97 10 J/m³ und ESPG=2,38.1011J/m³
. 11
und PMMA.
für PMMA. Die grüne Kurve zeigt die mit dem Modell nach
Decker, die rote Kurve die nach dem modifizierten
Modell errechneten Kerbtiefen im Vergleich zu den
Messwerten (blaue Kurve).
104 Endoprothesenrevision – Projektphase 1

Schädigung 10.1.5 Schlussfolgerung


Ein Schaden der Klasse I ist in Knochenze-
ment nicht definiert, weil dieser bei der Revi- Der Pumpendruck erwies sich wiederum als
sion in toto entfernt werden soll. Daher ist die der wichtigste erzeugungsorientierte Para-
Bruchbildung außerhalb der Kerbfuge in meter. Allerdings ist die Effektivität des Ma-
PMMA nicht von Nachteil. terialabtrags in PMMA und Knochen beim
In Knochen zeigte sich Materialabtrag neben untersuchten Druck als klinisch nicht ausrei-
der Kerbfuge erst bei einem hohen Druck. chend zu bezeichnen. Es muss daher die Ef-
Die kleinen herausgesprengten Fragmente fektivität des Abtrags gesteigert und die Ge-
bleiben beim gezielten Trennen von Kortika- fahr einer Schädigung der Klasse III gesenkt
lis ohne klinische Relevanz. werden, was sich möglicherweise durch den
Ein Materialabtrag mit resultierender Kerb- Einsatz eines DDWS oder ADWS erzielen
tiefe von 4mm ist mit den untersuchten er- lässt.
zeugungsorientierten Parametern in PMMA Die Grenzenergie für Materialabtrag ist für
erst ab pW=50MPa möglich. Für Knochen ist kortikalen Knochen größer als für PMMA.
eine klinisch eventuell akzeptable Schnitt- Im Druckbereich unterhalb von 40MPa wird
leistung mit einem Druck von pW=100MPa bei den gewählten erzeugungsorientierten
zu realisieren. Bei diesen Druckniveaus wür- Parametern selektiv PMMA gekerbt, ohne
den – in Wertung der o.a. Schnittversuche an Knochen zu schädigen.
Weichgeweben – alle übrigen Gewebe des Die Schnitteffektivität ist jedoch bei diesem
menschlichen Körpers (Patient und Opera- Druck nicht ausreichend. Bei höheren
teur) durchtrennt. Die Wahrscheinlichkeit der Druckniveaus steigt die Gefahr, Knochen zu
Verursachung von Schäden der Klasse III ist schädigen (Schadensklasse III).
daher extrem hoch. Die Modifikation des analytischen Modells
In der Industrie sind DWS-Anlagen als ge- zeigt eine gute Übereinstimmung mit den
kapselte Systeme ausgelegt, um berufsgenos- Messwerten, so dass der gewählte energeti-
senschaftlichen Unfallverhütungsvorschriften sche Ansatz auch für weitere Modellierungen
gerecht zu werden. Beim Trennschneiden ist genutzt werden sollte.
dem Strahl ein so genannter Strahlcatcher
nachgeschaltet, der die Strahlenergie nach
Werkstückdurchtritt neutralisiert und das
Wasser auffängt. Der Einsatz eines Strahlcat-
chers ist in den Anwendungsfällen der Oste-
otomie und Primärendoprothetik durchaus
denkbar. Bei der Revisionsendoprothetik
besteht diese Möglichkeit nicht.
105

10.2 Diskontinuierlicher bei pW=40MPa (p<0,001). Für jede Puls-


Druckwasserstrahl frequenz und jeden Druck ergab sich eine
höhere Kerbtiefe in PMMA als in Knochen
Erdmann-Jesnitzer konnte zeigen, dass durch (p<0,001).
eine gezielte Strahlunterbrechung im DDWS Bei pW=40MPa zeigte sich in PMMA nur ein
die dynamische Werkstückbeanspruchung signifikanter Kerbtiefenunterschied zwischen
zunimmt und besonders spröde Materialien f=50Hz und f=0Hz (p=0,006) bzw. 250Hz
mit geringerem Druck als mit dem kontinu- (p=0,008), während keine signifikanten Un-
ierlichen DWS abgetragen werden können78. terschiede bei pW=60MPa gesehen wurden
Diese Arbeit gibt Anlass zu der Hypothese, (p=0,09; Abbildung 10-5).
dass auch bei spröden Biomaterialien wie
PMMA eine Erhöhung der dynamischen
Strahlkomponenten den Materialabtrag ver-
bessert. Dies wäre für den Anwendungsfall
Knochen 40MPa 60MPa
der Revisionsendoprothetik von Vorteil.
k [mm] PMMA 40MPa 60MPa
10.2.1 Material und Methode 6
4
Es wurden weitere Proben (bovine Kortikalis
2
und PMMA) mit dem DDWS bearbeitet. Die
Düsea (dD=0,2mm) wurde mit einem Arbeits- 0
abstand von s=5mm senkrecht zur Proben- 0Hz 50Hz 250Hz
oberfläche ausgerichtet (γ=90°, β=90°, vgl.
Kerbtiefe (k).
Abbildung 5-5, S.34) und es wurde eine Vor-
Abbildung 10-5: Kerbtiefen in Abhängigkeit von
schubschwindligkeit von vV=10mm/min ge- Druck und Frequenz.
wählt. Der DDWS wurde mit dem in Abbil-
dung 6-8 (S.60) beschriebenen Strahlzerteiler
erzeugt.
Es wurden jeweils zehn Versuche in zwei In Knochen war die Kerbtiefe in der Druck-
Druckklassen (pW=40MPa und pW=60MPa) klasse pw=40MPa bei f=250Hz signifikant
bei drei Frequenzen (f=0; 50; 250Hz; f=0Hz geringer als beim kontinuierlichen Strahl
steht für einen kontinuierlichen Strahl) gefah- (p=0,006). Bei pw=60MPa zeigten sich keine
ren. Es folgte die Bestimmung der Kerbtiefe signifikanten Kerbtiefenunterschiede zwi-
für beide Materialien und des Massenabtrags schen den Pulsfrequenzgruppen für Knochen
für PMMA. (p=0,198).
Bezieht man die hydraulische Leistung des
DWS unter Berücksichtigung des ausgeblen-
10.2.2 Ergebnis deten Strahlanteils in die Betrachtung ein
(Gleichung 5-5, S.30), so ändern sich die
Für alle Kombinationen aus Pulsfrequenz und Verhältnisse erheblich:
Material waren die Kerbtiefen bei einem Für PMMA zeigten sich signifikante Unter-
Druck von pW=60MPa signifikant größer als schiede in der leistungsbezogenen Kerbtiefe
zwischen allen Pulsfrequenzen. Der Unter-
a
Typ FLN-Y-1020, Comadur, Le Locle, CH, schied zwischen dem kontinuierlichen Strahl
http://www.comadur.ch.
106 Endoprothesenrevision – Projektphase 1

und f=50Hz (p<0,001) war statistisch ebenso zeigte sich hingegen kein signifikanter Unter-
signifikant wie zwischen f=50Hz und schied in der Druckklasse pW=60MPa
f=250Hz (p=0,05; Abbildung 10-6). (p=0,806; Abbildung 10-7).

k/Ph kontinuierlich ∆ G[mg] PMMA 40MPa


[mm/kW] 200 PMMA 60MPa
f=50Hz
20
f=250Hz
15
100
10
5
0 0
PMMA Knochen 0Hz 50Hz 250Hz
Kerbtiefe (k); hydraulische Leistung (Ph). Massendifferenz vor und nach dem Schnitt (∆G).

Abbildung 10-6: Auf die hydraulische Leistung Abbildung 10-7: Der Massenabtrag in PMMA in
bezogene Kerbtiefen in Abhängigkeit von Material Abhängigkeit von Druck und Frequenz.
und Frequenz.

Im Gegensatz dazu zeigte sich in Knochen Kerbqualität


kein signifikanter Unterschied zwischen den In PMMA zeigte sich das bereits bekannte
Frequenzgruppen f=50Hz und f=250Hz Bild mit zentralem Materialabtrag und seit-
(p=0,074; Abbildung 10-6). Bei f=50Hz war lich bis 8mm in das Material hereinreichen-
auch in Knochen die leistungsbezogene der Rissbildung (Abbildung 10-8).
Kerbtiefe höher als bei f=0Hz (p=0,034; Ab-
bildung 10-6).

Massenabtrag
Der Massenabtrag in PMMA korrelierte mit
der Kerbtiefe (r²=0,74; p<0,001).
Das Bestimmtheitsmaß der linearen Korrela-
tion zwischen dem Massenabtrag und der
Kerbtiefe in PMMA wurde aber mit steigen-
der Pulsfrequenz geringer (0Hz: r²=0,87;
p<0,001; 50Hz: r²=0,64; p<0,001; 250Hz:
r²=0,32; p=0,011). Dies ist als Hinweis dar-
auf zu werten, dass beim DDWS Materialab-
trag außerhalb der eigentlichen Kerbe statt-
findet. pW=60MPa.
Die Masse des abgetragenen PMMA war in
Abbildung 10-8: PMMA-Proben nach Bearbeitung
der Druckklasse pW=40MPa bei der Pulsfre- mit dem DDWS.
quenz f=250Hz signifikant größer als für die Man erkennt deutlich die Rissbildung neben der
anderen beiden Frequenzen (p<0,001). Es Kerbe, die hier bei 250Hz am ausgeprägtesten ist.
107

Die Zone der Rissausbreitung war (soweit nach dem Stoßdruck der Staudruck wirkt,
mit dem Auge beurteilbar, Abbildung 10-8) nimmt hingegen ab (Abbildung 10-10 und
nicht von der Frequenz abhängig. Die Riss- Abbildung 5-10, S.37).
bildung führte zum Aussprengen ganzer Ma- Die Zerstörung des PMMA durch Einzelim-
terialpartikel aus der Oberfläche, was durch pulse ist vergleichbar mit den von Kolle und
die Kerbtiefenmessung nicht zu detektieren Hashish beschriebenen Mechanismen des
war (Abbildung 10-9). Materialabtrags bei Beton168.

p p
Stoß

1– pStau Abbildung 10-10:


Beeinflussung von
t Stoß- und Staudruck
f=1; ϕ=180° durch die Frequenz.
p Aufgetragen ist jeweils
Abbildung 10-9: 2– der Druck (p) gegen
Ansicht einer PMMA-Probe. die Zeit (t):
Man erkennt deutlich die ausge- 1– DWS,
sprengten Fragmente neben der t 2– DDWS,
Kerbe p f=2; ϕ=180° 3– DDWS mit verdop-
pelter
3– Frequenz.
pW=60MPa, f=250Hz.
Frequenz (f),
t Phasenwinkel (ϕ).

10.2.3 Diskussion In der initialen Phase wird ein Hohlraum


(Riss) erzeugt, in den in einer zweiten Phase
Im DDWS können neben den üblichen er- Flüssigkeit eindringt. In der dritten Phase
zeugungsorientierten Parametern der Phasen- übersteigt der Druck im Hohlraumsystem die
winkel und die Frequenz der zyklischen Zugfestigkeit des Werkstoffs, Risse breiten
Strahlunterbrechung variiert werden. Das sich aus und Materialpartikel werden heraus-
Maximum der Materialbeanspruchung ist, gebrochen.
wie beim kontinuierlichen DWS, mit dem
Stoßdruck gleichzusetzen (S.37). Darüber Bei Erhöhung des Drucks wird einerseits der
hinaus gilt im diskontinuierlichen Strahl, dass Stoßdruck, andererseits der Staudruck erhöht.
der Staudruckanteil, also die Zeitperiode, in Der höhere Stoßdruck könnte die Rissintiie-
der ein Staudruck jeweils wirken kann, um- rung steigern, der höhere Staudruck könnte
gekehrt proportional zur Frequenz der Strahl- Risse effektiver über eine weitere Distanz
unterbrechung ist (Abbildung 10-10). propagieren.
Im kontinuierlichen DWS wirkt einmalig ein Durch Erhöhung der Frequenz wird hingegen
Stoßdruckimpuls, gefolgt von einer sehr lan- die Anzahl der Stoßdruckereignisse gestei-
gen Staudruckperiode. Im DDWS erhöht sich gert. Folglich ist die Rissinitiierung häufiger.
mit zunehmender Frequenz die Anzahl der Mit der Pulsfrequenz wurde die Korrelation
Stoßdruckimpulse. Die Zeit, in der jeweils zwischen Kerbtiefe und Massendifferenz
108 Endoprothesenrevision – Projektphase 1

schlechter. Es fand z.B. bei einer Frequenz Das visköse Verhalten kann zu gewissen
von f=250Hz vermehrt Materialabtrag neben Teilen auf die Eigenschaften der einzelnen
der Kerbe statt. Es handelt sich dabei um Materialien, die im Materialverbund den
Effekte nahe der Werkstückoberfläche. Die Knochen bilden, zurückgeführt werden. Aber
Kräfte, die nötig sind, ein Partikel zur freien auch fluidmechanische Prozesse in den Poren
Oberfläche hin abzusprengen, sind hier ge- des Volkmann- und Havers-Systems tragen
ringer als in der Mitte des Materials. zur Viskoelastizität bei.
Aus dem Rissbild in Knochen kann geschlos- Der Elastizitätsmodul von Knochen nimmt
sen werden, dass die deformationsinduzierten aufgrund dieser Eigenschaften mit steigender
Zugkräfte im Randbereich des Strahls zu Dehnungsgeschwindigkeit linear zu227. Wird
gering sind, um zum Materialversagen von diese Tatsache in das Modell des Einzeltrop-
Knochen zu führen. Drei Ursachen sind zu feneinschlages auf Knochen einbezogen, so
diskutieren: ist davon auszugehen, dass durch die Über-
tragung des Stoßdrucks eine kurzfristige re-
1. Die DWS-induzierten Zugspannungen in versible Erhöhung des E-Moduls im Areal
Knochen sind außerhalb der direkt strahlbe- der Druckbeanspruchung resultiert. Dies
aufschlagten Zone genauso hoch wie bei könnte sich in zweierlei Hinsicht auswirken:
PMMA, aber die Zugfestigkeit von Knochen
ist so groß, dass diese nicht zum Materialver- • Durch die Erhöhung des E-Moduls ist die
sagen führen. durch den Einzeltropfenschlag resultie-
rende Randdehnung im Knochen geringer
2. Das Biomaterial Knochen überträgt auf als bei mit niedrigeren Geschwindigkeiten
den Strahlrandbereich geringere Zugspan- eingeleiteten Impulsen.
nungen als PMMA.
• Durch die vom Tropfenschlag induzierte
3. Das Knochenmaterial verfügt als E-Modulerhöhung ist die Druckfestigkeit
Verbundmaterial über bruchhemmende Ele- im Bereich der primären Auftrefffläche
mente (S.100). höher, so dass für Materialabtrag mehr
Energie nötig wird.
Elastische Fasern innerhalb der Knochenmat-
rix sorgen dafür, dass der Knochen seine ur- Diese Faktoren, gepaart mit der schon im
sprüngliche Form nach Deformation in Gren- unbelasteten Zustand im Vergleich zu
zen zurückerlangt. Der kortikale Knochen hat PMMA geringeren Elastizität und höheren
darüber hinaus viskoelastische Eigenschaf- Zugfestigkeit von Knochen, vermindern die
ten. Die viskosen Elemente sind verantwort- Wahrscheinlichkeit, dass durch den Stoß-
lich für die Abhängigkeit der Steifigkeit von druckimpuls ein Riss initiiert wird.
Dehnungsrate und Dehnungsgeschwindig- Nach der Deformierung durch einen Stoß-
keit. Darüber hinaus kann der Knochen im druckimpuls nimmt der Knochen aufgrund
plastischen Verformungsbereich in hohem seines elastischen Verhaltens die ursprüngli-
Maße mechanische Energie absorbieren. che Form wieder an. Auch die Materialeigen-
Auch die diesem Biomaterial eigenen Cha- schaften kehren wieder in den Ausgangs-
rakteristika wie Creep-Verhalten und Stress- zustand vor dem ersten Tropfenschlag zu-
Relaxation werden den viskösen Elementen rück, so dass kein bedeutender additiver
zugeordnet194. Effekt der Einzelereignisse zu erwarten ist.
109

Im Gegensatz dazu würde ein DDWS bei 10.2.4 Schlussfolgerung


ausreichendem Energieniveau ein Metall
plastisch verdichten (Kaltverfestigung) und Durch den DDWS konnte zwar die leistungs-
so die Sprödigkeit steigern. So wären die bezogene Kerbtiefe gesteigert werden, doch
Vorraussetzungen für eine mögliche Materi- reicht die Schnitteffektivität für die operative
alermüdung im Wirkbereich des DDWS ge- Anwendung nicht aus.
schaffen185. Es bleibt hier zu untersuchen, ob der diskon-
Auch bei Knochen wird eine Materialermü- tinuierliche Strahl für Weichgewebe ein ge-
dung durch zyklische Belastung beschrie- ringeres Schädigungspotenzial besitzt als der
ben177. Die Dauerfestigkeit von Knochen bei kontinuierliche Strahl. Die Elastizität des
Biegebeanspruchungen nimmt zwar bei zu- Weichgewebes könnte auch die Dynamik des
nehmender Materialspannung ab, aber bei DDWS kompensieren, so dass die Weichge-
gesteigerter Lastwechselfrequenz sogar zu. webeschädigung im Vergleich zum kontinu-
Inwieweit hier die Deformationsgeschwin- ierlichen DWS geringer ausfallen könnte.
digkeit mit ihrem Einfluss auf viskoelastische In einem weiteren exemplarischen Kerbver-
Stellgrößen von Knochen oder die Dauer der such an Rindermuskulatur konnte gezeigt
Belastung an sich eine Rolle spielen, ist bis- werden, dass mit dem DDWS an 60mm di-
her nicht geklärt. Zioupos zeigte jedoch an- cken Muskelproben nur Trennschnitte mög-
hand von mechanischen Tests, dass das Ver- lich sind (pW=60MPa; f=250Hz).
halten von Knochen unter zyklischer Be- Es muss daher weiterhin davon ausgegangen
lastung nicht als Funktion der Zykluszahl, werden, dass die Strahlenergien so groß sind,
sondern eher als Funktion der Zeit der Bean- dass ein erhebliches Verletzungsrisiko für
spruchung gesehen werden muss308. Arzt und Patient bestehen bleibt. Möglicher-
Bezogen auf die dynamische Beanspruchung weise kann hier eine weitere Steigerung der
im DDWS ist die Dehnungsrate und die Be- Pulsfrequenz noch deutliche Effekte erzielen.
anspruchungsdauer des Knochens ver- Verfahrenstechnisch muss der Strahlzerteiler
gleichsweise gering. Die Lastwechselfre- in der klinischen Anwendung durch andere
quenz ist aber sehr hoch. Alle diese Faktoren Methoden zur Erzeugung eines diskontinu-
sprechen eher gegen den Faktor Materialer- ierlichen DWS (Ultraschall- oder LASER-
müdung als Abtragsmechanismus in Kno- Einkoppelung, Kapitel 5.3, S.35) ersetzt wer-
chen. den.
Bei Kunststoffen wie PMMA zeigt sich Der DDWS erzielt also nicht den erwarteten
durch Verformung zwar ebenfalls eine Ände- Effektivitätsgewinn, so dass mit dieser Tech-
rung des E-Moduls, doch das Energieabsorp- nologie der nötige Druck zum Bearbeiten von
tionsvermögen ist deutlich geringer als in Knochen und Knochenzement noch gefähr-
Knochen. Wegen der höheren Elastizität von lich hoch sein wird. Daher sollte im nächsten
PMMA ist die Deformation (Muldenbildung) Projektschritt geklärt werden, ob der Abra-
durch die Stoßdruckimpulse in der primären sivdruckwasserstrahl geeignet ist, die Effek-
Strahlauftreffzone höher. Die der Strahlauf- tivität ausreichend zu steigern, um der Ver-
treffzone benachbarten Zugspannungen füh- hinderung eines Schadens der Klasse III und
ren wegen der geringen Zugfestigkeit dieses der Arbeitssicherheit Genüge zu tun.
Kunststoffs zum Materialversagen.
110 Endoprothesenrevision – Projektphase 1

10.3 Abrasivdruckwasserstrahl

Der ADWS ist das Verfahren der Wahl bei Ergebnis


der industrieller Bearbeitung von harten Ma- Kerbtiefe
terialien. Die Beschreibung der Bioabrasiv- Die Kerbtiefe korrelierte für beide Materia-
technik macht es prinzipiell möglich, einen lien mit dem Druck (z.B. für m & =1g/s und
ADWS zum Trennen von Knochen einzuset- γ=90°: r²=0,9; p<0,001 in Knochen und
zen134. r²=0,82; p<0,001 in PMMA; Abbil-
dung 10-11).
10.3.1 Orientierende Kerbversuche In Knochen konnte kein signifikanter Kerb-
tiefenunterschied zwischen Schnitten in
Es war zunächst zu untersuchen, ob durch Längs- und Querrichtung der Osteone festge-
den Einsatz von biokompatiblen Abrasiven stellt werden (z.B. p=0,74 bei pW=40MPa,
grundsätzlich ein entscheidender Effektivi- Tabelle 10-2).
tätsgewinn im Vergleich zum DWS möglich
ist.

Material und Methode k [mm] Knochen PMMA


Die Versuche an boviner Kortikalis und 15 r²=0,82
PMMA wurden mit den vorangegangenen
10 p<0,001
Studien mit dem DWS vergleichbaren erzeu- r²=0,90
gungs- und prozessorientierten Parametern p<0,001
5
durchgeführt (vV=10mm/min, dD=0,3mm,
s=5mm). Auch in diesen Experimenten 0 pW
wurde der Knochen in verschiedenen Strahl- 0 20 40 60 80 [MPa]
Werkstückwinkeln (γ=90°; 30°) gekerbt (vgl.
γ=90°, m
& =1g/s; Kerbtiefe (k); Druck (pW).
Abbildung 5-5, S.34) und es wurden Schnitte
Abbildung 10-11: Kerbtiefen mit dem ADWS in
längs und quer zur Osteonenausrichtung ge- Abhängigkeit vom Druck.
fahren. Zur Erzeugung des ADWS wurde ein
WAIS-Kopf mit einem Fokusrohrdurchmes-
ser von dF=1mm verwendet. Drei Abrasiv-
massenströme wurden untersucht: Auch die Variation des Strahl-Werkstück-
m
& =0,5; 1,0; 1,5g/s (Laktose, Mesh#45). Der winkels von γ=90° auf γ=30° resultierte – wie
Druck wurde in drei Stufen variiert beim DWS – in einer verminderten Kerbtiefe
(pW=20; 40; 60MPa). Ein geringerer Druck (p<0,001 bei pW=20; 40; 60MPa, Tabel-
als pW=20MPa konnte aus Gründen der le 10-2). Der kleinste Druck, bei dem Materi-
Abrasivmittelförderung nicht gefahren wer- alabtrag in Knochen auftrat, war pW=20MPa.
den. Bei jedem Druck und Massenstrom waren die
Kerben in PMMA signifikant tiefer als in
Knochen (p<0,001 für alle Druckklassen).
111

Massenstrom Druck pW [MPa]


Material γ Orientierung
m
& [g/s] 20 40 60
Knochen 90° längs 0,5 0,67±0,16 1,09±0,25 1,54±0,21
PMMA 90° – 0,5 5,01±0,21 8,84±0,35 12,12±0,69
Knochen 90° längs 1,0 0,80±0,21 1,19±0,26 1,61±0,33
Knochen 30° längs 1,0 0,34±0,07 0,46±0,09 0,60±0,07
Knochen 90° quer 1,0 0,73±0,08 1,26±0,09 1,48±0,22
PMMA 90° – 1,0 6,32±0,25 11,11±0,45 15,25±0,66
Knochen 90° längs 1,5 0,76±0,08 1,66±0,32 2,61±1,21
PMMA 90° – 1,5 6,13±0,35 12,49±0,70 17,17±0,66
[mm]; MW±STD.

Tabelle 10-2 : Kerbtiefen für das Hartgewebe Kortikalis (Rind) und das Biomaterial PMMA.

Beim Abrasivmassenstrom m & =1g/s waren Für PMMA war der Unterschied noch deutli-
die erzielten Kerbtiefen in Knochen und cher als für Knochen. Bei pW=60MPa betru-
PMMA signifikant größer als mit m& =0,5;g/s gen die im Durchschnitt erzielten Kerbtiefen
(z.B. p<0,001 für pW=60MPa und beide Ma- für Knochen / PMMA 0,61±0,33mm /
terialien, Tabelle 10-2) 5,20±0,47mm mit dem reinen DWS und
1,61±0,33mm / 15,25±0,66mm mit dem
Vergleich DWS und ADWS ADWS (p<0,001 für beide Vergleiche und
Verglichen mit dem reinen DWS waren die m& =1g/s). Beim ADWS konnte kein selekti-
Kerbtiefen für beide Materialien und für je- ver Druckbereich für die Bearbeitung von
den Druck und jeden Strahl-Werkstückwin- PMMA festgelegt werden.
kel in der Abrasivgruppe signifikant höher
(p<0,001 für alle Druckklassen; Abbil- Kerbbreite
dung 10-12). Die Kerbbreite mit dem ADWS war, gemit-
telt über Material, Druck und Massenstrom,
signifikant größer als bei den Versuchen mit
dem DWS (DWS: 0,61±0,18mm; ADWS:
Knochen DWS ADWS 1,84±0,61mm; p<0,001). Dies begründet sich
k [mm] PMMA DWS ADWS dadurch, dass der Fokusrohrdurchmesser
größer war als der Düsendurchmesser beim
15
DWS.
10
5 Kerbqualität
Die ADWS-Kerben waren sehr scharf be-
0
grenzt. In Knochen war bei Anwendung des
40MPa 60MPa ADWS keine Rissbildung zu beobachten
γ=90°, m
& =1g/; Kerbtiefe (k). (Abbildung 10-13).
Abbildung 10-12: Kerbtiefen mit DWS und ADWS In PMMA zeigte sich ebenfalls ein sehr glat-
in Abhängigkeit von Druck und Material. ter Schnitt ohne die beim DWS und DDWS
beobachtete Rissbildung (Abbildung 10-14).
112 Endoprothesenrevision – Projektphase 1

pW=60MPa. pW=60MPa.

Abbildung 10-13: Elektronenmikroskopie einer Abbildung 10-14: Mit dem DWS und dem ADWS
ADWS-Kerbe in Knochen. geschnittene Proben im Vergleich.
Man sieht die V-Form des Qualitätsschnittbereichs
und eine insgesamt rissfreie Oberfläche.

Sowohl für Knochen als auch für PMMA


wurde die Ausbildung einer Schnittfront be-
obachtet. Diese war konvex in der Vorschub-
richtung gekrümmt (Abbildung 10-15).
Innerhalb des Kerbschnitts zeichneten sich
sowohl in PMMA als auch in Knochen unter-
schiedliche Zonen ab:
Nahe der Werkstückoberkante zeigte sich
eine sehr glatte Oberfläche (Zone 1, Quali-
pW=60MPa, x = Ort von Abbildung 10-16, Abbildung 10-17.
tätsschnittbereich110, Abbildung 10-16). Dar-
unter fand sich eine Zone 2, die durch ein Abbildung 10-15: Ansicht einer PMMA-Kerb-
flanke mit dem ADWS.
ausgeprägtes Wellenprofil (Rauigkeit
Ra=1,43mm) gekennzeichnet ist (Abbil-
dung 10-17). Das Wellenmuster wird von
einer Oszillation des Strahls senkrecht zur
Vorschub- und Strahlrichtung hervorgeru-
fen110. Die so gebildeten Rillen verliefen bo-
genförmig zum Kerbgrund, wobei der Ab-
stand zueinander mit der Kerbtiefe größer
wurde. Die Zone 2 entspricht dem aus der
Technik bekannten Trennschnittbereich110,
wobei diese Bezeichnung beim Kerbschnei-
den zwar korrekt, aber etwas missverständ-
lich ist. Vergrößerung aus Abbildung 10-15.

Abbildung 10-16: Lichtmikroskopie der Zone 1.


113

zyten enthalten, voneinander getrennt sind


(vgl. Abbildung 3-11, S.19)68.
Der Anschnitt einer Lamelle resultiert in ei-
ner senkrecht zur Strahlrichtung verlaufenden
Welle. Der Wellenberg wird durch den für
Abrasiv-Gleitverschleiß weniger zugängli-
chen mineralisierten Anteil gebildet. Das
Wellental repräsentiert die duktilere kolla-
gene Schicht. Das Abtragspotenzial ist hier
Vergrößerung aus Abbildung 10-15. für unter flachen Winkeln einwirkende Abra-
Abbildung 10-17: Lichtmikroskopie der Zone 2. sivpartikel besonders groß.
Die deutlich sichtbaren Rillen ergeben im Querschnitt
ein Wellenmuster.

Die Zone 2 ging in eine dritte Zone über.


Diese Zone 3 war von einer beiderseits der
Kerbe gelegenen glattwandigen, aber unre-
gelmäßigen Zerklüftung des Materials ge-
kennzeichnet.

Diskussion
Im Qualitätsschnittbereich zeigte sich im
Querschnitt in beiden Materialien ein V-för-
miges Profil der Bioabrasivkerbe (Abbil-
dung 10-13).
pW=60MPa, = Strahlrichtung.
In Knochen konnte elektronenmikroskopisch
Abbildung 10-18: Elektronenmikroskopie der
im Qualitätsschnittbereich ein feines Wel- Kerbwandung in Knochen.
lenmuster mit einer Wellenlänge von 10-
40µm gesehen werden, das quer zur Strahl-
richtung ausgerichtet war (Abbildung 10-18).
Dieses Muster könnte durch Materialinho- Ausbildung der Kerbzonen
mogenitäten verursacht worden sein. Während in Zone 1 (Qualitätsschnittbereich)
Im Verbundmaterial Knochen müssten dann ein kontinuierlicher Abtragsprozess stattfin-
Schichten, die dem abrasiven Verschleiß bes- det, unterliegt die Zone 2 einem dreidimensi-
ser zugänglich sind, vorhanden sein. Bei he- onal periodischen Prozess110. Dieser Prozess
terogenen Werkstoffen kann eine eingela- ruft das Rillenmuster der Kerbflanken hervor.
gerte harte Phase den Verschleiß des gesam- Die Oszillationsvorgänge sind zeitlich wie-
ten Werkstoffs reduzieren. Eine Matrix, die derkehrende Abtragsphänomene, die durch
sich in der Verschleißhochlage befindet, wird die Wechselwirkung zwischen Werkstück
so vor abrasivem Verschleiß geschützt239;287. und Strahl hervorgerufen werden. Dadurch
Der Havers-Kanal ist von zirkulären Lamel- pendelt der Strahl seitlich, was zu einer
len umgeben, die durch geringer minerali- wechselseitigen Schnittfugenverbreiterung
sierte, kollagenreiche Schichten, die Osteo- führt (Abbildung 10-19). Die Amplitude die-
114 Endoprothesenrevision – Projektphase 1

ser Oszillation wird mit zunehmender Tiefe Material eingebrachte Energie zu gering, um
größer. weiteren Abtrag zu erzielen. Durch den
In der durch die Strahl- und die Vorschub- Strahlvorschub wiederholt sich der Prozess
richtung aufgespannten Ebene ist der Ab- der Stufenbildung und Stufenwanderung.
tragsprozess folgendermaßen zu beschreiben: Guo und Blickwedel beschreiben mehrere
primäre Stufen, die zu voll ausgebildeten
Stufen zusammenlaufen32;110.
Eine primäre Stufe wird sehr schnell in
Richtung Kerbgrund vorangetrieben. Ober-
halb dieser wird jedoch gleichzeitig die
nächste primäre Stufe gebildet, wobei die
untere Stufe zum Stillstand kommt und erst
weiter bearbeitet wird, wenn die nächste
Stufe mit dieser zusammenläuft32.
Der Mechanismus der Stufenbildung führt
dazu, dass ein Plateau im Material ausgebil-
det und vom Strahl in die Tiefe vorgetrieben
wird. Die Fläche des Plateaus wird bei Lak-
tose im Gegensatz zu technischen Abra-
Abbildung 10-19: Schemazeichnung der Strahl- sivstoffen mit zunehmender Kerbtiefe größer
oszillation und des resultierenden Kerbbildes. (Abbildung 10-20). Dies kann man aus der
kometenschweifartigen Ausbildung der Ril-
len in Zone 2 schließen. Die Rillen werden in
Richtung des Kerbgrunds breiter (Abbil-
Durch die Abnahme der durchschnittlichen dung 12-8, S.138).
Partikelenergie mit zunehmender Kerbtiefe Ursache dafür könnte eine mit zunehmender
bildet sich die gekrümmte Schnittfront Kerbtiefe größere Streuung des Bioabra-
aus32;110. sivstrahls sein, die durch die im Vergleich zu
Diese Schnittfront lenkt den Strahl in unter- GMA geringere Masse des Einzelpartikels
schiedlichem Maße um. Am Ort dieser Um- verursacht sein könnte.
lenkung resultiert eine höhere Konzentration
von Partikeln und ein höherer Materialabtrag.
Der jeweilige Umlenkpunkt der Schnittfront
wandert als kleine Stufe vom Ende des Qua-
litätsschnittbereichs bis zum Kerbgrund (Ab-
bildung 10-20). Am Kerbgrund ist die in das
115

energiereich energiearm

1 2 3 1

Abbildung 10-20: Schematische Darstellung des zyklischen Abtragsprozesses in der Zone 2.


c Unterhalb des Qualitätsschnittbereichs entsteht eine Stufe, die im Verlauf der Schnittfront weiter in die Tiefe
vorgetrieben wirdd. Dabei vergrößert sich die Stufenfläche aufgrund einer mit der Kerbtiefe zunehmenden
Strahldesintegration. Nachdem die Stufe bis zum Kerbgrunde, also der maximalen Kerbtiefe vorgetrieben wurde,
wird eine neue Stufe ausgebildetc.

Zone 3
Die Zone 3 ist in der zugänglichen Literatur Die Formgebung der Zone 3, also des Kerb-
bisher nicht in dieser Form beschrieben wor- grunds, folgte keiner Periodizität.
den. Sie war in PMMA besonders stark aus- Als mögliche Ursache für die Ausbildung der
geprägt (Abbildung 10-21). In Knochen war Zone 3 wäre denkbar, dass der nach dem
diese hingegen nur geringfügig ausgebildet Prozess abströmende Strahl am Kerbgrund
(Abbildung 10-13, S.112). Das Abtragsbild weiteren Hydroabrasivverschleiß hervorruft:
der Zone 3 zeigte auch mikroskopisch keine Das in die Kerbe eingebrachte Strahlvolumen
Risse oder oberflächlichen Veränderungen, kann nicht, wie beim Trennschneiden, frei
die als ein Hinweis auf Prallverschleiß zu abfließen, sondern muss die bereits gefertigte
werten wären. Die mikroskopischen Bilder Kerbe als Abstromkanal nutzen.
der Zone 3 entsprachen denen der Kerbfront,
so dass auch hier ein Gleitverschleiß stattge-
funden haben muss.
116 Endoprothesenrevision – Projektphase 1

(pW=60MPa).
Abbildung 10-22: Schematische Darstellung des
Abbildung 10-21: Schema des Kerbquerschnitts hypothetischen Abtrags durch eine Kerbgrundre-
mit Bezeichnung der Zonen. flexion.

Wenn das Muster der Zone 3 erheblich auf Die Materialstärke der Probe in Strahlrich-
den abfließenden Strahl zurückzuführen tung wurde jeweils für eine Strecke von
wäre, müssten sich Form und Menge des 20mm in Vorschubrichtung auf Trenn-
Abtrags in Vorschubrichtung ändern. Zu Be- schnitttiefe reduziert. Diese Proben wurden
ginn der Kerbe wäre dann der Materialabtrag mit dem ADWS unter Verwendung des
größer, weil hier das gesamte Abrasivstrahl- Abrasivstoffs Laktose geschnitten (Mesh#45,
volumen des Arbeitsprozesses vorbeifließt. In pW=100MPa, s=5mm vV=10mm/min).
dieser Studie war die Zone 3 aber gleichmä- Die Zone 3 war an diesen Proben sowohl bei
ßig über die Vorschubrichtung verteilt, so- Trenn- als auch bei Kerbschnitten vorhanden.
dass der abfließende Strahl nicht als Ursache Alle Qualitätszonen wurden unabhängig von
für die Ausbildung der Zone 3 gesehen wer- der Materialstärke ausgebildet (Abbil-
den kann. dung 10-23). Die Zone 3 verlief regelmäßig
In einem zusätzlichen Kerbexperiment sollte sowohl in Trenn- als auch in Kerbabschnit-
die Frage geklärt werden, ob der Strahlrück- ten, so dass man denken könnte, die Materi-
prall am Kerbgrund als Ursache für die unge- alstärke wäre erst nach dem Versuch redu-
richtete Strömung in Zone 3 weiter zu disku- ziert worden. Dies widerlegt die Hypothese
tieren ist (Abbildung 10-22). einer Strahlreflexion am Kerbgrund als Ursa-
Die Zone 3 wäre beim Trennschnitt nicht zu che der Zone 3.
erwarten, weil ein Strahlrückprall am Kerb- Der wahrscheinlichste Grund für die Ausbil-
grund beim Trennschnitt nicht möglich ist. dung der Zone 3 ist, dass die Bioabrasiv-
Zu diesem Zweck wurden PMMA-Proben Strömung deutlich instabiler ist und daher
angefertigt, die von ihrer Stärke her für einen schon vor dem Aufprall im Kerbgrund Tur-
Kerbschnitt dimensioniert waren. bulenzen bildet. Diese Turbulenzen verursa-
chen den ungerichteten Abtrag in Zone 3.
117

10.3.2 Untersuchungen zu Partikelhärte


und Abrasivmassenstrom

In technischen Anwendungen finden sich in


der Regel keine Fragestellungen, die dazu
bewegen würden, einen weichen Abrasivstoff
zu verwenden.
Bei Verschleißprüfungen im Bergbau wurde
in den 1950er Jahren erstmals die Hoch-
Tieflage-Charakteristik für den abrasiven
Abbildung 10-23: Ansicht der Kerbflanken einer Verschleiß beschrieben: Verschleiß nimmt
PMMA-Probe mit schrittweiser Reduktion der
Materialstärke. nicht kontinuierlich mit der Kornhärte zu,
Die Kerbzonen sind bei Trenn- und Kerbschnitten sondern steigt bei einem bestimmten Härte-
gleichermaßen ausgebildet und werden beim Trenn- wert steil an und bleibt bei hohen Werten
schnitt nicht von der Dicke der Probe beeinflusst.
dann fast konstant287. Grundlage des Ver-
schleißvorgangs ist das Eindringen der Abra-
Schlussfolgerung sivkornspitze. Ist die Härte des Abrasivkorns
Für die erzeugungs- und prozessorientierten geringer als die des Materials, das bearbeitet
Parameter können die selben Schlussfolge- wird, so zerbricht es oder stumpft ab. Der
rungen gezogen werden wie beim DWS. Der Verschleiß bleibt minimal, also in der Tief-
Pumpendruck ist für die Schnitteffektivität lage. Mit zunehmender Partikelhärte führen
der wichtigste erzeugungsorientierte Para- scharfe Kanten mehr und mehr zum Materi-
meter. Seine Variation resultierte in der alabtrag. Die Verschleißkurve steigt relativ
größten Änderung der erzielten Kerbtiefe bei stark an, bis sie in ein Plateau übergeht, in
beiden Materialien. Die Variation des Abra- dem das Abrasivkorn den maximalen Abtrag
sivmassenstroms wirkte sich auch signifikant erzielt. Auch eine weitere Härtesteigerung
auf die Kerbtiefe aus, wobei die Unterschiede kann den Abtrag nicht erhöhen (Abbil-
bei weitem nicht so groß waren wie bei der dung 10-24).
Variation des Drucks. Beim ADWS macht man sich die Ver-
Ein Abrasivmassenstrom von m & =1,5g/s schleißhochlage gezielt zu Nutze. Der techni-
zeigte hier die größte Kerbtiefe. Ob dieser sche Abrasivstoff GMA erfüllt z.B. gegen-
Massenstrom das Optimum darstellt, kann über Plexiglas diese Hochlage-Charakteristik
anhand dieser Studie nicht geklärt werden. (Tabelle 10-3).
Der Effektivitätsgewinn durch den ADWS im Die Härte von Laktose wird bei Nanoinden-
Vergleich zum DWS ist insbesondere bei tation mit 66,7MPa angegeben (Tabel-
PMMA so groß, dass eine intraoperative le 10-3)296. Die Härte von PMMA (Plexi-
Anwendung zur Prothesenrevision machbar glasa) beträgt hingegen laut Hersteller
erscheint und weiter untersucht werden 195MPa.
sollte.

a
Degussa, Röhm, Darmstadt, DE,
http://www.roehm.de/de/plexiglas.
118 Endoprothesenrevision – Projektphase 1

relativer Würde man Kochsalz als Abrasivmittel ver-


Verschleiß Hochlage wenden, so nähert sich das Härteverhältnis
mit Hw/Ha=1,3 diesem Anstiegsbeginn.
PMMA
Pharmakologisch ergäben sich hier jedoch
Knochen Probleme im Sinne der Schadensklassen 1 bis
4 (vgl. Anhang S.210). In der folgenden Stu-
die sollte der Einfluss von Partikelhärte und
Abrasivmassenstrom auf die Kerbwirkung an
Tieflage Partikelhärte
einem homogenen isotropen Material unter-
sucht werden.
Abbildung 10-24: Schematische Darstellung des
relativen Verschleißes in Abhängigkeit von der
Partikelhärte.
Material und Methode
Hierzu wurden 20 Proben aus Plexiglas als
chemisches Analogon zu Knochenzement
Das Härteverhältnis von Werkstoff zu Abra- gefertigt. Die Keilform dieser Proben machte
sivmittel (Hw/Ha) soll für den Anstiegsbeginn es möglich, sowohl Trennschnitte als auch
der Verschleißkurve zwischen 0,4 und 1,0 Kerbschnitte in einem Versuchsdurchlauf
liegen239;287. untersuchen zu können (Abbildung 10-25).
Legt man die Härtewerte aus Tabelle 10-3 zu
Grunde, so ergibt sich ein Härteverhältnis
Hw/Ha von 2,90 bei Laktose und von 0,13 bei
GMA. Es ist also zu folgern, dass sich die
Verhältnisse beider Materialien zu Laktose
weit im Bereich der Verschleißtieflage befin-
den. Es bedarf daher schon großer Härtestei-
gerungen des Bioabrasivs, um das System in
den steilen Anstieg der Härte-Verschleiß-
kurve zu bringen.

Material Härte Verfahren Abbildung 10-25: ADWS-Schnittversuch an einem


Kortikalis 68MPa Vickers [HV1,5/10] Plexiglaskeil.
Knochenzement 195MPa Vickers [HV1,5/10]
Plexiglas 195MPa Vickers [HV1,5/10] Es wurden die Abrasivmittel Almandit
Technovit 137MPa Vickers [HV1,5/10] (GMAb) und Laktose, beide in einer Korn-
Laktose296 66,7MPa Nanoindentation größe von Mesh#45 (Kapitel 5.4.3 S.41) ver-
GMAa 1500MPa Vickers [HV1,5/10] wendet. Ein WAIS-Kopf (dD=0,3mm) mit
Kochsalz 150MPa Vickers [HV1,5/10] Hartmetallfokusrohr (dF=1mm, lF=60mm,
Abbildung 6-9, S.61) wurde unter Verwen-
Tabelle 10-3: Die Härten der Materialien und
einiger Abrasivstoffe. dung eines Vibrationsdosierersc (Anhang
S.217) mit verschiedenen Abrasiv-

b
GMA Garnet Europe GmbH, Hamburg, DE,
http://www.gma-garnet.de.
a c
Produktspezifikation, Garnet Europe GmbH, Laborette, Laval Lab, Laval, CA,
Hamburg, DE, http://www.gma-garnet.de. http://www.lavallab.com.
119

massenströmen von m & =1,0–5,8g/s beauf- Trotz der Wasserlöslichkeit der Laktose
schlagt. waren aber auch nach dem Prozess scharf-
Für beide Abrasivmittel wurden sowohl glei- kantige Partikel sichtbar (Abbildung 10-26).
che Massenströme als auch gleiche Volu-
menströme eingestellt. Die Versuche wurden
in einem Strahl-Werkstückwinkel von γ=90°
(vgl. Abbildung 5-5, S.34) von der Keilspitze
beginnend mit einer Vorschubgeschwindig-
keit von vV=30mm/min gefahren. Der Druck
von pW=100MPa wurde mit einer Industrie-
anlagea erzeugt (S.58).
Gemessen wurden die Kerbtiefen und Kerb-
breiten. An den Kerbflanken erfolgte eine
Rauigkeitsmessungb in Abständen zur Werk-
stückoberfläche, die das 0,14-fache, 0,43-
fache und 0,71-fache der maximalen Kerb-
tiefe (kmax) betrugen.
Sowohl in der GMA- als auch in der Lakto-
segruppe wurde das Abrasivmittel im Strahl-
Abbildung 10-26: Lichtmikroskopie der
catcher aufgefangen und getrocknet, so dass Abrasivpartikel vor und nach dem Schneiden.
die Partikel im Mikroskop verglichen werden
konnten.

Ergebnis Kerbtiefe
Der Vergleich der Abrasivmittel im mikro- Die mit dem technischen Abrasivstoff Al-
skopischen Bild zeigte, dass beide Abra- mandit (GMA) erzielten Kerbtiefen waren
sivstoffe durch den Prozess zerkleinert wur- mit allen Abrasivmassenströmen signifikant
den (Abbildung 10-26). größer als mit Laktose (p<0,001, Abbil-
Während vor dem Prozess die mittlere Parti- dung 10-27).
kelgröße (dP) zwischen den Abrasivstoffen Für beide Abrasivstoffe konnte ein optimaler
nicht unterschiedlich war (GMA - Massenstrom für die maximale Kerbtiefe
dP=0,26±0,04mm; Laktose: dP=0,25±0,04mm; ermittelt werden. Dieser betrug m& =3,5g/s für
p=0,58), waren nach dem Prozess die Lakto- GMA und m & =2,5g/s für Laktose. Umgerech-
separtikel signifikant kleiner als die GMA- net auf den Volumenstrom V & war das Opti-
Partikel (GMA: dP=0,17±0,10mm; Laktose - mum für GMA V & =1,25cm³/s und für Lak-
dP=0,08±0,06mm; p=0,04). Ferrendier be- & =1,29cm³/s (Abbildung 10-27).
tose V
richtet, dass Abrasivpartikel in Mischkammer
und Fokusrohr zerkleinert und dadurch
scharfkantiger würden88.

a
Böhler Hochdrucktechnik, Graz, AT,
http://www.bht.kom.at.
b
Typ Perthometer S6P, Mahr Maryland Metrics,
Ovings Mills, US, http://www.mdmetric.com.
120 Endoprothesenrevision – Projektphase 1

k [mm]
GMA
60 Laktose
40

20

0 .
m [g/s]
0 2 4 6

k [mm] Abbildung 10-28: Schematische Darstellung einer


GMA ADWS-Kerbe.
60 Laktose (QS = Qualitätsschnittbereich, TS = Trennschnittbe-
reich, z = Strahlrichtung, y = Vorschubrichtung).
40

20 Die GMA-Kerben hatten an der Material-


0
. oberfläche für alle Massenströme gleiche
V [cm³/s]
Werte für die Kerbbreite. Die Kerben mit
0 1 2
Laktose waren statistisch signifikant schma-
.
Kerbtiefe (k); Massenstrom ( m
& ); Volumenstrom ( V ). ler als mit GMA (p<0,001 für alle Massen-
ströme, Abbildung 10-29).
Abbildung 10-27: Kerbtiefe in Abhängigkeit vom
Massen- und Volumenstrom des Abrasivmittels. Bei GMA konnte eine geringe, aber signifi-
kante positive Korrelation der minimalen
Kerbbreite mit dem Abrasivmassenstrom
berechnet werden (r²=0,63, p=0,048).
Kerbbreite Ab m & =3,5g/s waren die Kerbflanken mit
Bei den mit Laktose geschnittenen Proben GMA nahezu parallel (Abbildung 10-29).
kann anhand der Messung der Kerbbreiten
auf einen negativen Schnittfugenwinkel im
Qualitätsschnittbereich geschlossen werden
(Abbildung 10-28). . Oberfläche . Oberfläche
Dieser negative Schnittfugenwinkel war m[g/s] Minimum m[g/s] Minimum
(wenn auch sehr gering ausgeprägt) ebenfalls 5,8 5,8 Laktose
GMA
bei GMA vorhanden: Es wurden die Breiten 4,6 4,6
der Kerbe an der Werkstückoberfläche und 3,5 3,5
an der engsten Stelle der Kerbe gemessen 2,5 2,5
(Abbildung 10-28). 2 2
Die Differenz zwischen der Kerbbreite an der 1,5 1,5
1 1
Materialoberfläche und der minimalen Kerb-
breite war bei Laktose signifikant größer als 0 0,5 1 [mm] 0 0,5 1 [mm]
bei GMA (p<0,001).
Abbildung 10-29: Die Kerbbreiten, gemessen an
der Oberfläche und an der engsten Stelle der Ker-
ben in Abhängigkeit vom Abrasivmassenstrom.
121

Diskussion Laktose größer sein als für GMA (Abbil-


Der negative Schnittfugenwinkel ist durch dung 10-30, rechts). Diese Argumentation
die Verteilung der Energie über den Strahl- wird gestützt durch die Vorversuche zur
querschnitt, die einer Normalverteilung folgt, Auswahl der Abrasivstoffe, die im Anhang
erklärbar248. In Abbildung 10-30 wird die auf S. 200 beschrieben sind.
Kerbbreite durch die Schnittpunkte der werk-
stoffspezifischen Grenzenergie (dargestellt
als rote Linie) mit der Energieverteilungs-
kurve hinter dem Fokusrohr definiert. Die FOKUS FOKUS FOKUS
schmalere Kerbe kann als Korrelat dafür an- ROHR ROHR ROHR
gesehen werden, dass die für den Material-
abtrag notwendige Grenzenergie im Randbe-
reich des Strahls bei Laktose nicht erreicht GMA Laktose
E E E
Energie-
wurde. Ein möglicher Grund wäre die Ab- grenze
bremsung oder geringere Beschleunigung des Energie-
grenze
Randstrahls im Fokusrohr (Abbil-
65
dung 10-30) . Es finden sich jedoch keine Kerbbreite Kerbbreite Kerbbreite
Mechanismen einer Abbremsung von Lakto-
separtikeln im Fokusrohr, die nicht auch auf Abbildung 10-30: Schema der Energieverteilung
GMA-Partikel wirken würden. Geht man und der daraus resultierenden Kerbbreite.
Die skizzierten Größenverhältnisse zwischen Abrasiv-
davon aus, dass die Energieübertragung in- korn und Fokusrohr entsprechen ungefähr den realen
nerhalb von Mischkammer und Fokusrohr Bedingungen. Es können also maximal zwei Abrasiv-
auf die Laktose geringer ist, so ergibt sich körner nebeneinander das Fokusrohr passieren.

ebenfalls eine schmalere Kerbfuge (Abbil-


dung 10-30, Mitte). Es lässt sich jedoch auch
kein plausibles Argument finden, warum die Kerbqualität
Gesamtenergie, die auf die Partikel übertra- Bei beiden Abrasivstoffen zeigte sich ein
gen wird, bei Laktose niedriger sein sollte. relativ glatter Qualitätsschnittbereich
Zwar ist die Masse des Einzelkorns geringer, (0,14kmax Laktose /GMA: Ra=0,015/
aber die Anzahl der Körner ist bei gleichem 0,046mm), gefolgt von einem Trennschnitt-
Massenstrom bei Verwendung von Laktose bereich (Abbildung 10-31). Auf den Schnitt-
größer. Der Impuls eines GMA-Partikels flächen waren unterhalb des Qualitätsschitt-
kann aufgrund der höheren Masse größer sein bereichs zur Schnittfront parallele Rillen
als bei Laktose, wenn die durch das System vorhanden (Abbildung 10-31)123. Der Trenn-
determinierte Höchstgeschwindigkeit (Was- schnittbereich war gekennzeichnet von einer
sergeschwindigkeit) erreicht ist. gerillten Zone (0,43kmax Laktose/GMA:
Zur Erklärung der geringeren Kerbbreite bei Ra=0,021/ 0,073mm; Anhang S.230).
Laktose müssen vielmehr die Eigenschaften Im unteren Trennschnittbereich waren die
des Abrasivstoffs herangezogen werden. We- Rillen, die dem Verlauf der gegen die Vor-
gen unterschiedlicher Ausprägung der Parti- schubrichtung gekrümmten Schnittfront
keleigenschaften (z.B. Härte, Kornform, E- folgten, noch tiefer (0,71kmax: Ra=0,072/
Modul) muss die Grenzenergie, die im glei- 0,528mm Laktose/GMA, Anhang S.230).
chen Material zum Abtrag führt, für
122 Endoprothesenrevision – Projektphase 1

Guo beschreibt eine Zunahme der


Kerbrandrauigkeit mit der Partikelgröße110.
Die Partikel beider Abrasivstoffe wurden
während des Prozesses zerkleinert. Dies ge-
schieht zu einem großen Anteil (bis 80%)
bereits in der Mischkammer und im Fokus-
rohr205. Es ist daher davon auszugehen, dass
der Abtragsprozess in der Laktosegruppe von
kleineren Partikeln verursacht wird als in der
pW=100MPa, GMA, m& =2,5g/s. GMA-Gruppe. Darüber hinaus ist zu disku-
Abbildung 10-31: Die Kerbflanke einer mit GMA tieren, dass aufgrund der geringeren Härte
geschnittenen Plexiglasprobe. und damit verbundener geringeren Abrasi-
vität der Laktose die erzielten „Schleifspu-
ren“ insbesondere im Qualitätsschnittbereich
weniger tief ausgebildet worden sind.
Die Kerbflanken der Bioabrasivgruppe waren
in allen Strahlzonen glatter als die der GMA- Materialabtragsmechanismus
Gruppe (Anhang S.230). Der Materialabtragsmechanismus beim
In der Laktosegruppe war die Rauigkeit der ADWS unterscheidet sich wesentlich von
Kerbflanken mit allen untersuchten erzeu- dem eines DWS. Er wird als das Ergebnis
gungsorientierten Parametern und in allen von den örtlich äußerst begrenzten Wechsel-
Qualitätszonen geringer als in der GMA- wirkungen zwischen Abrasivpartikel und
Gruppe (vgl. Abbildung 19-33, Anhang Werkstoff als Mikrozertrümmerung, Mikro-
S.230). zerspanung und Mikrofurchung beschrie-
ben205. Es kann sowohl Prallverschleiß als
Die Härte des Abrasivstoffs ist ein Parameter, auch Gleitverschleiß auftreten.
der in diesen Versuchen als übergeordnete Prallverschleiß ist das Korrelat einer Wech-
Größe bestätigt wurde. Er hat einen größeren selwirkung zwischen Partikel und Material
Einfluss auf die Kerbtiefe als der Abrasiv- mit steilen Aufprallwinkeln. Beim DWS und
massenstrom. Trotz der geringen Härte von DDWS sind die so auf das Material übertra-
Laktose resultiert eine größere Schnitteffek- genen Stoßdruckimpulse für die Rissinitiie-
tivität und bessere -qualität im Vergleich zum rung von Bedeutung. Da das Abrasivkorn
DWS. nicht wie der Wassertropfen zerfließt, wird
Nur das Volumenstromoptimum war für hier die Stoßenergie auf eine kleinere Fläche
beide Abrasivstoffe vergleichbar. Daraus ist übertragen (größere Energiedichte)125. Trotz-
zu schließen, dass nicht der Massenstrom des dem wurden in diesen Versuchen keine
Abrasivmittels den Abtrag limitiert, sondern Bruchlinien in PMMA und Knochen gese-
dass nur ein begrenztes Partikelvolumen ef- hen, obwohl die Bedingungen für eine Riss-
fektiv in Mischkammer und Fokusrohr be- initiierung durch den ADWS theoretisch
schleunigt werden kann. Für die Anwendung ideal sind.
von Bioabrasiven sollte man sich wegen ihrer Eine Erklärung hierfür wäre, dass die Strö-
geringen Masse nicht an den Massenströmen, mung an der Schnittfront einen Prallver-
sondern an den Volumenströmen technischer schleiß primär verhindert.
Abrasivmittel orientieren.
123

Zur Überprüfung dieser Hypothesen wurde man Schleifspuren, die durch eine Wechsel-
ein zusätzliches Experiment herangezogen: wirkung von Partikel und Werkstück in fla-
Ein senkrechtes Auftreffen von Partikeln auf chem Winkel resultieren, also auf Gleitver-
die Oberfläche als Vorrausetzung für Prall- schleiß schließen lassen.
verschleiß kann erzwungen werden, wenn die Bei allen mit dem ADWS geschnittenen Pro-
Schnittfront ihren Ausgang von der Materi- ben hat sich eine in Vorschubrichtung kon-
almitte her nimmt. Hierzu wurde eine vexe Schnittfront ausgebildet (Abbil-
PMMA-Probe mit einer Stahlplatte abge- dung 10-31, S.122). Die Abrasivströmung
deckt, damit sich im WAIS-Kopf Gleichge- wird von dieser Schnittfront gegen die Vor-
wichtsbedingungen einstellen konnten. Da- schubrichtung umgelenkt. Folglich ist die
nach wurde der Strahl freigegeben. Wahrscheinlichkeit, dass ein Partikel senk-
An dieser Probe entstanden auch im ADWS recht auf die Oberfläche trifft und Prallver-
die von DWS und DDWS bekannten Risse, schleiß hervorruft, eher gering.
aber ausschließlich am Startpunkt der Kerbe
(Abbildung 10-32).

pW=60MPa, Ø = Strahlrichtung.

Abbildung 10-32: PMMA-Probe, die nicht von Abbildung 10-33: Lichtmikroskopie einer Kerb-
einer Materialkante ausgehend geschnitten wurde. front in PMMA.

Nachdem sich die Kerbfront eingestellt hatte, Die gesamte Schnittfront ist vielmehr so aus-
war die Umgebung der Kerbe wieder rissfrei. gebildet, dass der Gleitverschleiß, also die
Daraus kann geschlossen werden, dass auch Wechselwirkung zwischen Partikel und
im ADWS eine Rissinitiierung und Risspro- Werkstoff, unter flachen Winkeln überwiegt.
pagierung möglich ist. Dies wird jedoch Die Abtragsmechanismen Mikrospanen und
durch das Ausbilden der Schnittfront verhin- Mikropflügen stehen daher im Vordergrund.
dert. Guo hat in elektronenmikroskopischen Ana-
Für die Hypothese, dass Prallverschleiß keine lysen in unterschiedlichen Schnitttiefen ver-
wesentliche Rolle nach Ausbildung der gleichbare Verschleißbilder an Metallen ge-
Schnittfront spielt, finden sich weitere Ar- funden110. Er schließt aus seinen Untersu-
gumente in den mikroskopischen Bildern der chungen, dass der Abtragsvorgang beim
Kerbflanke (Abbildung 10-33). Hier erkennt ADWS im Wesentlichen eine Mikrozerspa-
124 Endoprothesenrevision – Projektphase 1

nung ist. Der lokale Auftreffwinkel der Abra- dem DWS. Daher ist der ADWS die Technik
sivkörner ist in jeder Materialtiefe nach Aus- der Wahl für die Revisionsendoprothetik.
bildung der Schnittfront annähernd gleich. In Die Schnittqualität ist beim ADWS besser.
den hier vorgestellten Experimenten wurde Für die Zemententfernung bei einer Revision
der Strahl immer vom freien Werkstückrand mag das von sekundärer Bedeutung sein136.
zur Mitte hin geführt. So kam es schon zu Bei der Osteotomie und Prothesenimplanta-
Beginn des Kerbvorgangs zu einem tangenti- tion, wo geometrische Genauigkeit einen
alen Kontakt des Strahls mit dem Werkstück. wesentlichen Faktor darstellt, wäre der
Die Schnittfront bildete sich also vom Rand ADWS dem DWS und dem DDWS vorzu-
her aus, bis sich ein Gleichgewicht zum Zeit- ziehen.
punkt des Erreichens der vollen Kerbtiefe
eingestellt hatte. Die Volumenströme der 0,3mm-Düse sind
für eine Anwendung im Sterilbereich zu
groß. Eine klinische Anwendung mit diesen
Schlussfolgerung Wassermengen scheint eher unwahrschein-
Obwohl die Masse der Bioabrasivkörner ge- lich.
ring ist und die relativ weichen Partikel in Zwischen humaner und boviner Kortikalis
Mischkammer und Fokusrohr, aber auch bestehen nicht zu vernachlässigende Unter-
durch Wechselwirkung mit dem Material schiede in den Materialeigenschaften (An-
zerkleinert werden93, waren bei gleichem hang S.208). Auch Knochenzement unter-
Pumpendruck die mit dem ADWS und Lak- scheidet sich in einigen Punkten von PMMA,
tose erzielten Kerbtiefen im Vergleich zum welches in den ersten Kerbversuchen als
DWS signifikant größer. Ein Druckbereich Modell benutzt wurde. Daher sind weitere
für selektives Kerben war mit dem ADWS Versuche an Humanknochen und Knochen-
zwar nicht mehr vorhanden, aber die Diffe- zement notwendig.
renz der Kerbtiefen in PMMA und Knochen
ist mit dem ADWS erheblich größer als mit
125

11 Kerbtiefenmodelle des Abrasivdruckwasserstrahls

11.1 Empirisches Modell auch vom Aufschlag des Wassers verursacht


wird. Da es bisher nicht klar ist, welchen
Für PMMA und Knochen lässt sich auch Einfluss das Beimischen eines Abrasivstoffs,
beim ADWS mit Hilfe einer linearen Regres- also der Abrasivmassenstrom auf die Strahl-
sionsgleichung die erzielbare Kerbtiefe in kraft hat, wurde zunächst ein weiterer Ver-
Abhängigkeit vom Druck vorhersagen (Glei- such durchgeführt:
chung 11-1). Mit einer Prallplatte wurden die Strahlkräfte
bei variiertem Druck (pW=20-100MPa) und
Abrasivmassenstrom ( m & =0-1,5g/s) gemes-
Gleichung 11-1: k = b0 +b1pW
sen. Der Durchmesser der Düse betrug
dD=0,2mm, der Arbeitsabstand war s=5mm
k ........Kerbtiefe und der Strahlkopf wurde bei den Strahl-
b0, b1 .Variablen der linearen Kur-
venanpassung kraftmessungen nicht bewegt.
Die gemessene Strahlkraft zeigte die vom
DWS bereits bekannte Abhängigkeit vom
Druck. Der Abrasivmassenstrom beeinflusste
Dieses empirische Kerbtiefenmodell ist je- die mit dieser Anordnung gemessene Strahl-
doch nur für die gewählten prozess- und er- kraft jedoch nicht (Abbildung 11-1).
zeugungsorientierten Parameter gültig, aber Die Modellbildung über die Strahlkraft als
nicht für verschiedene Abrasivmassenströme. Äquivalent für die in den Trennprozess ein-
gebrachte Energie kann daher für das Wasse-
rabrasivstrahlschneiden nicht sinnvoll ange-
wendet werden. Denn die Kerbtiefe ist bei
11.2 Analytisches Modell gleichem Druck sehr wohl abhängig vom
Abrasivmassenstrom.
Ein für praktische Belange geeignetes analy-
tisches Modell, mit dem das ADWS-Kerben
von Knochen und Knochenzement hinrei-
chend beschrieben werden kann, war der zu-
gänglichen Literatur nicht zu entnehmen.
F [N] 0 g/s
Der energetische Ansatz, den Decker für den
DWS gewählt hat, hat sich am Biomaterial 3 0,15 g/s
und Gewebe als gangbarer Weg der Model- 0,3 g/s
2
lierung erwiesen. Eine Übertragung auf den 0,5 g/s
ADWS erfolgte aber bisher nicht, obwohl das 1 g/s
1
Berechnen der Energie über errechnete oder
1.5 g/s
gemessene Strahlkräfte grundsätzlich auch 0
beim ADWS möglich sein könnte. Man muss
0 20 40 60 80 100 pW [MPa]
jedoch berücksichtigen, dass eine durch eine
Prallplatte gemessene Strahlkraft nicht nur Abbildung 11-1: Gemessene Strahlkraft in Abhän-
von den beschleunigten Partikeln, sondern gigkeit von Druck und Massenstrom.
126 Kerbtiefenmodelle des Abrasivdruckwasserstrahls

Für die Modellierung der Kerbtiefe beim Die Leistung des Abrasivstrahls ist durch den
ADWS musste daher ein anderer Weg ge- Partikelmassenstrom und die Partikelge-
gangen werden: schwindigkeit bestimmt (Gleichung 11-3).
Die hydraulische Leistung des Wasserstrahls
nach Düsenaustritt berechnet sich nach Glei-
chung 5-5, S.30 und ist die in das ADWS- Gleichung 11-3:
System pro Zeiteinheit eingebrachte Energie. & ⋅ vP2
m
PP =
Sie wird in der Mischkammer zu einem ge- 2
wissen Anteil auf die Partikel übertragen. Der
Anteil bestimmt sich einerseits aus dem Wir- PP ......Summe der Partikelleistung
kungsgrad der Abrasivdüse (ηA), andererseits m
& .....Abrasivmassenstrom
aus den Abrasivparametern und dem Abra- vP ......Partikelgeschwindigkeit
sivmassenstrom, also der Beladung.
Der so erzeugte Mischstrahl teilt sich ener-
getisch in die Summe der Partikelenergien
Die Geschwindigkeit der Abrasivpartikel
und die Restenergie des Wassers auf. Durch
lässt sich mit Hilfe der Gleichung 5-3 (S.29),
beide kann Materialabtrag bewirkt werden,
der Gleichung 5-9 (S.43) und der Glei-
wenn auch der überwiegende Anteil auf die
chung 5-10 (S.44) berechnen und ergibt, ein-
beschleunigten Partikel zurückzuführen ist118.
gesetzt in die Gleichung 11-3 die Gleichung
Die in einer definierten Zeit in den Trennpro-
11-4.
zess eingebrachte Energie lässt sich danach
als Summe der Partikelleistung PP beschrei-
ben.
Gleichung 11-4: & ⋅ ηA 2 ⋅ ε 2 ⋅ p W ⋅ m
m &W
Die in den Trennprozess in einem definierten Pp =
Zeitraum eingebrachte schnitteffektive ρ W ⋅ (m& +m & W)
Strahlenergie pro Zeiteinheit entspricht der
Abtragsleistung PES. Die schnitteffektive PP ......Summe der Partikelleistung
Abrasivstrahlleistung PES lässt sich aus der m
& .....Abrasivmassenstrom
Summe der Partikelleistung, der durch Rei- ηA ..... Wirkungsgrad des Abra-
bung verbrauchten Leistung und der Leistung sivstrahlkopfes
des Reststrahls berechnen. (Gleichung 11-2). ε ........Geschwindigkeitszahl
m& W .. Wasserdurchsatz
ρW .....Dichte des Wassers

Gleichung 11-2: PES =PP – PRB – PRS

Der Wasserdurchsatz ( m & W ) berechnet sich


PES .... schnitteffektive Abra-
sivstrahlleistung nach Gleichung 5-4 (S.30) und kann in die
PP...... Summe der Partikelleistung Gleichung 11-4 eingesetzt werden.
PRB.... durch Reibung verbrauchte Ausgehend von einer bekannten Breite der
Leistung Schnittfuge (bK) lässt sich die Abtragsleis-
PRS .... Leistung des Reststrahls tung aus dem abgetragenem Materialvolumen
nach Gleichung 11-5 berechnen.
127

Gleichung 11-5: PES = E ASP ⋅ b K ⋅ k ⋅ v V Gleichung 11-6 dargestellte Kerbtiefenmo-


dell aufstellen.
P........Abtragsleistung In dieser Gleichung findet auch die Minde-
EASP ...Material- und abrasivtypische rung der Kerbtiefe durch die Reststrahlleis-
Abtragsenergie tung (PRS) und die Reibungsleistung (PRB)
bK ......Kerbbreite Berücksichtigung.
k ........Kerbtiefe Legt man für eine erste Validierung des Mo-
vV ......Vorschubgeschwindigkeit dells die vorangegangen Kerbversuche zu
Grunde, so ergeben sich für beide Materialien
relativ gute Übereinstimmungen zwischen
In Analogie zum reinen DWS muss für den den gemessenen Kerbtiefen (Tabelle 10-2,
Abrasivstrahl eine material- und abra- S.101) und mit diesem Modell errechneten
sivstofftypische Abtragsenergie EASP Be- Kerbtiefen (Abbildung 11-2) obwohl die
rücksichtigung finden (Gleichung 11-5). Reibungsleistung und die Reststrahleistung
Die material- und abrasivstofftypische Ab- vernachlässigt wurden. Allerdings errechnen
tragsenergie ist in diesem Fall nicht nur sich durch dieses Modell zu hohe Kerbtiefen
abhängig von den Materialparametern des bei höheren Abrasivmassenströmen.
Werkstücks, sondern auch von den Abrasiv- Die material- und abrasivtypische Abtrags-
parametern. Sie ist eine für ein Material und energien, ermittelt über eine Kleinste-Quad-
einen Abrasivstoff typischer Wert, der sich rate-Anpassung von Gleichung 11-6 an expe-
empirisch mit wenigen Kerbversuchen er- rimentell ermittelte Kerbtiefen, waren für
mitteln lässt. PMMA EASP=4,05⋅109J/m³ und für Knochen
Mit Hilfe von Gleichung 11-5, Gleichung EASP=3,27⋅1010J/m³ (bei dD=0,3mm, α=0,8,
11-4 und Gleichung 11-2 lässt sich nun das in ε=0,8, ηA=0,4, bK=0,5mm, vV=10mm/min).

Gleichung 11-6:

& ⋅ ηA 2 ⋅ ε 4 ⋅ α 2 ⋅ π 2 ⋅ p W 2 ⋅ d D 4
m PRB PRS
k= − −
π
2
b K ⋅ v V ⋅ E ASP b K ⋅ v V ⋅ E ASP
2
&  ⋅ b K ⋅ v V ⋅ E ASP
8 ⋅  ⋅ d D ⋅ α ⋅ ε ⋅ 2 ⋅ pW ⋅ ρW + m
4 

k ....... Kerbtiefe ρW......Dichte des Wassers


m
& ..... Abrasivmassenstrom bK ......Kerbbreite
ηA ..... Wirkungsgrad des Abra- vV ......Vorschubgeschwindigkeit
sivstrahlkopfes EASP ...Material- und abrasivtypische
ε........ Geschwindigkeitszahl Abtragsenergie
α....... Kontraktionszahl PRB.....Durch Reibung verbrauchte
pW ..... Wasserdruck Leistung
PRS .....Leistung des Reststrahls
dD ..... Düsendurchmesser
128 Kerbtiefenmodelle des Abrasivdruckwasserstrahls

k [mm] 0.5 g/s


1.0 g/s
3 1.5 g/s
Modell: 0,5 g/s
Modell: 1,0 g/s
2 Modell: 1,5 g/s

0
20 30 40 50 60 pW [MPa]

k [mm]
25
Abbildung 11-2: Die gemes-
20 senen im Vergleich zu den
errechneten Kerbtiefen in Ab-
15 hängigkeit von Druck und
Massenstrom.
10
Oben: Rinderknochen, unten:
5 PMMA. Zu Grunde gelegt wurde
das in der Gleichung 11-6 darge-
0 stellte Kerbtiefenmodell.
20 30 40 50 60 pW [MPa]

11.3 Validierung durch weitere


Kerbversuche
Die gemessenen Kerbtiefen zeigten wie-
Offen war nun die Frage, ob das gefundene derum die bekannte Abhängigkeit vom Druck
Modell auch für ein größeres Parameterfeld und Massenstrom (Abbildung 11-3.
gültig ist. Die Anwendung des Kerbtiefenmodells nach
Es wurden weitere Kerbversuche an PMMA Gleichung 11-6 zeigte jedoch eine relative
mit dem in Abbildung 6-9 (S.61) dargestell- schlechte Übereinstimmung zwischen den
tem Abrasivkopf, mit einem Düsendurchmes- gemessenen und den gerechneten Kerbtiefen.
ser von dD=0,2mm wiederum mit s=5mm Lediglich bei einem Abrasivmassenstrom
gefahren. Der Druck wurde zwischen von m & =1,0g/s kann man von einer dem
pW=20MPa und pW=100MPa, der Laktose- Experiment äquivalenten Kerbtiefe reden.
Abrasivmassenstrom zwischen m & =0,15g/s Bei geringeren und besonders bei höheren
und m & =1,5g/s variiert. Es wurden Kerben Massenströmen sind die nach Gleichung 11-6
von 40mm Länge erzeugt, die Messung der errechneten Kerbtiefen unbrauchbar.
Kerbtiefe und der Kerbbreite erfolge in jeder
Kerbe an zehn Punkten.
129

k [mm]
0,15g/s
12
Modell: 0,15g/s
10 0,30g/s
Modell: 0,30g/s
8 0,50g/s
6 Modell: 0,50g/s
1,00 g/s
4 Modell: 1,00g/s
1,50g/s Abbildung 11-3: Ge-
2
Modell: 1,5g/s messenen im Vergleich zu
0 mit Gleichung 11-6 er-
pW [MPa] rechneten Kerbtiefen in
10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Abhängigkeit vom Druck.

11.4 Erweiterung des Modells

Dies begründet sich aus der Tastsache, dass Hoogstrate beschreibt den Energietransfer
die Modellgleichung eine mit dem Abrasiv- von den Wassertropfen auf die Partikel als
massenstrom zunehmende Kerbtiefe ein Impulsgleichgewicht140. Er berücksichtigt
zugrunde legt. Im Experiment nimmt die neben der Beschleunigung der Partikel einen
Kerbtiefe jedoch bei steigendem Abrasiv- Partikel-Wand-Reibungseffekt, der mit zu-
massenstrom wieder ab, wenn ein Abrasiv- nehmender Abrasivbeladung größer wird.
massenstromoptimum überschritten wurde. Dieser Effekt lässt sich zu einer Konstanten
Dies erklärt sich aus der Tatsache, dass sich zusammenfassen, die bei der Berechnung der
die Abrasivpartikel in Mischkammer und Partikelgeschwindigkeit und damit der Parti-
Fokus gegenseitig stören. Folglich nimmt die kelleistung insbesondere bei hohen Massen-
Geschwindigkeit der Abrasivpartikel ab ei- strömen einbezogen werden sollte.
nem bestimmten Abrasivmassenstrom wieder In einer Weiterentwicklung des Modells
ab. Bei der Berechnung der Partikelge- (Gleichung 11-6) wurde daher ein Koeffi-
schwindigkeit nach Gleichung 5-9 (S.43) zient für den Verlust der Abrasivkorn-
findet dieser Umstand jedoch keine Berück- geschwindigkeit in Abhängigkeit von der
sichtigung. Beladung in die Formel eingebracht, so dass
sich die Geschwindigkeit der Abrasivpartikel
nach Gleichung 11-7 berechnen lässt.
130 Kerbtiefenmodelle des Abrasivdruckwasserstrahls

Gleichung 11-7: unter Vernachlässigung der Reibungs- und


vW  m
&  Reststrahlleistung- die Gleichung 11-8
v p = ηA ⋅ ε ⋅ ⋅ 1 − τ ⋅ 
1+ R  m
&W  aufstellen. Sie beinhaltet neben anderen
Konstanten den Koeffizienten des Geschwin-
vp .......Partikelgeschwindigkeit digkeitsverlustes τ.
ηA ......Wirkungsgrad des Sowohl der Koeffizient des Geschwindig-
Abrasivstrahlkopfes keitsverlustes τ als auch die material- und
ε ........Geschwindigkeitszahl abrasivtypische Abtragsenergie EASP lassen
vW......Strahlgeschwindigkeit sich durch eine Kleinste Quadrate Anpassung
R .......Beladung der Gleichung 11-8 an experimentell be-
τ ........Koeffizient des stimmte Kerbtiefen bestimmen.
Geschwindigkeitsver- Für das Parameterfeld bei Abrasivmas-
lusts in Mischkammer
und Fokusrohr senströmen von m & =0,15 bis 1,5g/s ergaben
m
& .....Abrasivmassenstrom sich: τ=2,46 und EASP= 3,94⋅109J/m³ (bei
m
& W ..Wasserdurchsatz dD=0,2mm, α=0,8, ε=0,8, ηA=0,4,
bK=0,5mm, vV=10mm/min).
Die Berücksichtigung des Geschwindigkeits-
Der Koeffizient τ ist ein vom Abrasivkopf
verlustes der Abrasivpartikel führt zu einer
und vom Abrasivmittel abhängiger, dimensi-
ziemlich genauen Vorhersage der experi-
onsloser Wert.
mentell ermittelten Kerbtiefen (Abbildung
Legt man für die Partikelgeschwindigkeit nun
11-4).
die Gleichung 11-7 zu Grunde so lässt sich -

Gleichung 11-8:
2
 
 p 
 2⋅ W  
1 ρ  τ⋅m & 
& ⋅ η A ⋅ ε ⋅
m W
⋅ 1 − ⋅ 
2  m&  π 2 
 1+  ⋅ d D ⋅ α ⋅ ε ⋅ 2p W ⋅ ρ W 
 π 2  4 
⋅ d D ⋅ α ⋅ ε ⋅ 2p W ⋅ ρ W
 4 
k=
b K ⋅ v V ⋅ E ASP

k .......Kerbtiefe m
& .... Abrasivmassenstrom
ηA ..... Wirkungsgrad des Abra- bK...... Kerbbreite
sivstrahlkopfes
vV...... Vorschubgeschwindigkeit
ε........Geschwindigkeitszahl
EASP .. Material- und abrasivtypische
α .......Kontraktionszahl Abtragsenergie
pW .....Wasserdruck τ.........Koeffizient des Geschwindig-
dD......Düsendurchmesser keitsverlusts in Mischkammer
und Fokusrohr
ρW .....Dichte des Wassers
131

k [mm]

14 20 MPa
30 MPa
12 40 MPa
50 MPa
60 MPa
10 70 MPa Abbildung 11-4: Die ge-
80 MPa messenen im Vergleich zu
8 90 MPa den mit dem Modell er-
100 MPa rechneten Kerbtiefen in
6 Abhängigkeit von Massen-
strom und Druck.
Zu Grunde gelegt wurde die
4 Gleichung 11-8. Die errech-
neten Kerbtiefen sind jeweils
2 in der gleichen Farbe als
gestrichelte Linie dargestellt.
0 Bei pW=100MPa sind die
.
m [g/s]
Standardabweichungen der
0 0,5 1 1,5 Kerbtiefenmessung beispiel-
haft abgebildet.

Das modifizierte Kerbtiefenmodell für den abrasivtypische Abtragsenergie EASP“


ADWS erlaubt es, nach exemplarischen bestimmen.
Kerbversuchen die Kerbtiefe beim Wasse- Offen bleibt die Frage ob mit dieser Modell-
rabrasivstrahlschneiden über einen großen bildung eine für die Anwendung in der En-
Abrasivmassenstrombereich mit hinreichen- doprothesenrevision hinreichende Kerbtie-
der Genauigkeit vorherzusagen. fenvorraussage möglich ist. Es soll daher eine
Mit einigen Kerbversuchen lassen sich die in Überprüfung der bisherigen Ergebnisse der
diesem Modell bisher nicht analytisch her- Projektphase 1 zur Endoprothesenrevision an
leitbare Größen „Koeffizient des Geschwin- humanen Biomaterialien folgen.
digkeitsverlustes τ“ und „material- und
133

12 Validierung an humanen Biomaterialien


Das Ziel der folgenden Experimente war eine Jeweils ein Diaphysensegment wurde mit
Validierung der bisherigen Ergebnisse der fünf unterschiedlichen Druckstufen
Kerbversuche an humanen Materialien. (pW=30; 40; 50; 60; 70MPa) bei einem
Gleichzeitig sollte in dieser Phase eine Re- Strahl-Werkstückwinkel von γ=90° parallel
duktion des Wasservolumenstroms durch zur Diaphysenachse gekerbt. Ein weiteres
einen geringeren Düsendurchmesser erzielt Diaphysensegment desselben Femurs wurde
werden, um die sterile Bereitstellung des mit gleichem Druck unter einem Strahl-
Schneidmediums zu vereinfachen. Eine wei- Werkstückwinkel von γ=30° gekerbt. Auch
tere Reduktion des Fokusrohrdurchmessers jede Knochenzementcharge wurde mit fünf
sollte es in der späteren Anwendung ermögli- Druckstufen unter den gleichen Winkeln be-
chen, den Strahl im Interface zwischen Kno- aufschlagt. Die Kerbtiefen wurden in 1mm
chen und Prothese zu applizieren. Außerdem Abständen an insgesamt 20 Messpunkten je
sollte die Frage beantwortet werden, ob durch Probe bestimmt.
die Anwendung des neuen Kerbtiefenmodells
für den ADWS und des modifizierten
Kerbtiefenmodells für den DWS die Ergeb-
nisse vorherzusagen sind. 12.2 Ergebnis

Humane Kortikalis wurde mit einem senk-


recht auf die Knochenoberfläche auftreffen-
12.1 Material und Methode den DWS (γ=90°) an allen Proben erst bei
pW=50MPa gekerbt, bei pW=30MPa und
Neun humane Femora wurden in pW=40MPa wurde die natürliche Knochen-
36 Diaphysensegmente geteilt und 36 Kno- oberfläche in keinem Fall makroskopisch
chenzementproben wurden aus CMW-3a sichtbar geschädigt (Abbildung 12-1).
angefertigt. Die Knochenzementblöcke wurden alle be-
Es wurden Versuche mit dem DWS und dem reits ab pW=30MPa gekerbt.
ADWS unter Verwendung der gleichen Düse
(dD=0,2mm) durchgeführt. Das Fokusrohr
der ADWS-Gruppe hatte einen Durchmesser Knochen
k [mm] DWS ADWS
von df=0,9mm und eine Länge von lf=60mm CMW3 DWS ADWS
(Abbildung 6-9, S.61). Die Vorschubge- 12
schwindigkeit betrug vV=10mm/min und der 10
8
Arbeitsabstand wurde auf s=5mm eingestellt.
6
Der Abrasivmassenstrom betrug m& =1g/s 4
(Laktose, Mesh#45). Aus hygienischen Grün- 2
den konnten humane Gewebe nicht mit der 0 pW
industriellen DWS-Anlage bearbeitet werden. 30 40 50 60 70 [MPa]
Zum Druckaufbau diente die bereits be- Kerbtiefe (k); Druck (pW).
schriebene pneumatische Differenzialkolben-
Abbildung 12-1: Kerbtiefen des senkrecht auftref-
pumpe (Abbildung 6-5, S.59). fenden Strahls in Abhängigkeit vom Druck.

a
DePuy, Leeds, UK, http://www.depuy.com.
134 Validierung an humanen Biomaterialien

Bei einem Strahl-Werkstückwinkel von k[mm] DWS 30° DWS 90°


γ=30° wurde ein sichtbarer Materialabtrag an 4 ADWS 30° ADWS 90°
humaner Kortikalis erst ab pW=60MPa erzielt
und die resultierenden Kerbtiefen waren in
jeder Druckklasse signifikant kleiner als bei 2
senkrecht auftreffendem Strahl (p<0,001,
Abbildung 12-2).
In Knochenzement war die Kerbfuge, wie in 0 pW
PMMA, unregelmäßig und rau. Es ließen 30 40 50 60 70 [MPa]
sich immer bereits bekannte, von der Kerb- Kerbtiefe (k); Druck (pW).
fuge in das Material hineinreichende Risse Abbildung 12-2: Kerbtiefen des senkrecht im
erkennen (Abbildung 12-3). Vergleich zum mit 30° auftreffenden Strahls in
Abhängigkeit vom Druck in Knochen.

ADWS DWS ADWS DWS ADWS DWS


pW=20MPa pW=40MPa pW=60MPa

Abbildung 12-3: Typische Kerben in Knochenzement mit dem ADWS im Vergleich zum DWS.
Oben: Aufsicht, unten: Querschnitt.
135

Die Kerbschnitte in Humanknochen waren ADWS und senkrecht auftreffendem Strahl


wesentlich gleichmäßiger als die in Kno- waren jeweils die in Knochen und Knochen-
chenzement. Makroskopisch ließen sich auch zement erzielten Kerbtiefen im Vergleich
bei humaner Kortikalis keinerlei Risse um zum DWS auf jeder Druckstufe signifikant
die Kerbfuge herum erkennen, mikroskopisch größer (p<0,001; Abbildung 12-1 S.133). Bei
stellte sich der Kerbrand in Knochen jedoch einem Strahl-Werkstückwinkel von γ=30°
ebenfalls unregelmäßig dar (vgl. Abbil- wurde an humaner Kortikalis bei jedem
dung 12-4). Beim DWS sieht man Druck ein sichtbarer Materialabtrag erzielt.
elektronenmikroskopisch eine zerklüftete Die resultierenden Kerbtiefen waren auf je-
Oberfläche mit einer vom Havers-System dem Druckniveau signifikant kleiner als beim
ausgehenden Rissbildung. senkrecht auftreffenden Strahl (p<0,001 für
alle Druckklassen; Abbildung 12-2).

12.3 Anwendung der Kerbtiefen-


modelle

Für den DWS wurde das modifizierte


Kerbtiefenmodell nach Decker, bei dem sich
die Strahlkraft für Materialabtrag nach Glei-
chung 10-1 (S.103) berechnet, und für den
ADWS das Kerbtiefenmodell nach Glei-
pW=60MPa, Ø = Strahlrichtung.
chung 11-8 angewendet. Hierbei zeigten sich
Abbildung 12-4: Elektronenmikroskopie einer sehr gute Übereinstimmungen zwischen ex-
Kerbflanke in Knochen.
Links: DWS-gekerbt, mit deutlicher Rissbildung. perimentellen und errechneten Kerbtiefen für
Rechts: ADWS-gekerbt, ohne sichtbare Risse. beide Modelle sowohl bei Knochenzement
als auch bei Knochen (Abbildung 12-5).
Beim ADWS betrug die material- und abra-
Bei einem Wasserstrahl-Werkstückwinkel sivtypische Abtragsenergie bei CMW
von γ=30° entstand keine schmale Kerbfuge EASP=3,95⋅109J/m³ und bei Humanknochen
wie bei einem senkrecht auftreffenden DWS. EASP=1,16⋅1010J/m³ (bei τ=1,32, dD=0,2mm,
Die Kerbe war breit und hatte eine angedeu- α=0,8, ε=0,8, ηA=0,4, bK=0,5mm,
tete Muldenform. Bei diesem Auftreffwinkel vV=10mm/min).
wurden kleine Fragmente ausgebrochen, je- Auffallend ist, dass trotz Verwendung des
doch entstanden auch hierbei keine sichtba- gleichen Strahlkopfes der Wert für den Koef-
ren Risse im verbliebenen Knochenmaterial. fizient des Geschwindigkeitsverlustes τ im
Vergleich zu den oben beschrieben Versu-
Mit dem ADWS wurden sowohl humane chen stark unterschiedlich ist. Dies kann
Kortikalis als auch Knochenzement bei je- durch den verkleinerten Innendurchmesser
dem Druck gekerbt. In Knochenzement wa- des Fokusrohrs zurückzuführen sein und ver-
ren die Kerbtiefen in allen Druckklassen sig- deutlicht die große Anzahl der Einflussfakto-
nifikant größer als in Kortikalis (p<0,001 für ren.
jeden Druck, Abbildung 12-1, S.133). Beim
136 Validierung an humanen Biomaterialien

k [mm] DWS- Knochenzement k [mm] DWS- Knochen


6 6 Messwerte
Messwerte
4 mod. Modell n. Decker 4 mod. Modell n. Decker

2 2

0 0
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90
pW [MPa] pW [MPa]

k [mm] ADWS- Knochenzement k [mm] ADWS- Knochen


12 Messwerte 12 Messwerte
10 ADWS-Modell 10 ADWS-Modell
8 8
6 6
4 4
2 2
0 0
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90
pW [MPa] pW [MPa]

Abbildung 12-5: Im Kerbversuch gemessene und mit Modellen errechnete und Kerbtiefen in Abhängigkeit
vom Druck.
Oben links: DWS an CMW3-Knochenzement.
Oben rechts: DWS an Humanknochen.
Unten links: ADWS an CMW3-Knochenzement.
Unten rechts: ADWS an Humanknochen.

12.4 Diskussion

In diesen Versuchen wurde Knochenzement insgesamt geringere Festigkeit als Rinder-


mit dem DWS selektiv auf den Druckstufen knochen (Anhang S.208).
pW=30MPa und pW=40MPa gekerbt, während Als Erklärung könnte die These herangezo-
in Humanknochen erst ab pW=50MPa Kerb- gen werden, dass der primäre Zugang zum
schnitte erzeugt wurden. Es fällt auf, dass die Mikroporensystem für den Abtrag mit dem
humane Kortikalis erst auf einer um 20MPa DWS eine wichtige Rolle spielt.
höheren Druckstufe als Knochenzement ge- Im Knochen findet sich das Havers- und
kerbt wurde. Rinderkortikalis und PMMA Volkmann-Kapillarsystem. Darüber hinaus
wurden jedoch annähernd auf gleichem ist auch das lakunäre System, welches die
Druckniveau gekerbt, wenn auch die Kerbtie- Zellleiber der Osteozyten (Knochenzellen)
fen in Rinderknochen geringer waren (siehe enthält, von Bedeutung.
Kapitel 10.1, S.99). Dies steht im Wider- In den vorgestellten Experimenten an huma-
spruch zu den mechanischen Eigenschaften ner Kortikalis wurde die unbearbeitete subpe-
der Biomaterialien: Humanknochen hat eine riostale Knochenoberfläche verwendet. Bei
137

dieser Fläche muss davon ausgegangen wer- Es schien hier lediglich zu einer Auffäche-
den, dass sowohl die lakunären Mikroporen rung des Strahls beim Hinwegstreichen über
als auch das Kapillarsystem geschlossen sind. eine Pore gekommen zu sein. Mit dem
Im Gegensatz dazu wurden in den Versuchen ADWS war die Qualität der Kerbe auch in
an Rinderknochen die Generallamellen ent- diesen beiden Materialien wesentlich besser
fernt, um eine plane Fläche zu erhalten. Die als beim DWS (Abbildung 12-4). Die Kerb-
Havers- und Volkmann-Kanäle, aber auch fuge war aber durch den im Vergleich zum
das lakunäre Mikroporensystem sind durch Wasserdüsendurchmesser (dD=0,2mm) grö-
diese Vorbehandlung eröffnet worden. So ßeren Fokusrohrdurchmesser (0,9mm) brei-
konnte das Wasser leichter in das Mikropo- ter. Bei einem Strahl-Werkstückwinkel von
rensystem des Werkstoffs eindringen und γ=30° erfolgte Materialabtrag über eine
erosive Kräfte entfalten. größere Fläche in Form von Mulden (Abbil-
Evers vertritt die Theorie, dass über Kapilla- dung 12-7).
ren hinwegstreichende Druckwasserstrahlen
erhebliche Druckspannungen im Material
erzeugen79;80. Von verschiedenen Autoren
werden Druckverstärkungen um den Faktor
3,0 bis 3,5 berichtet. So beschreibt z.B.
Yong, dass der so verstärkte DWS wie ein in
das Material getriebener Keil wirkt303.
Auch in PMMA sind Poren anzutreffen.
Hinter den Poren fand sich in allen Fällen
mikroskopisch eine mehr oder weniger starke
Verbreiterung der Abtragszone, die jedoch in
diesen Versuchen sicher nicht mit einer drei-
fachen Verstärkung des Materialabtrags ein- oben: pW=40; 30MPa; unten: pW=30; 40; 50; 60MPa.
herging (Abbildung 12-6). Abbildung 12-7: Knochen nach ADWS-Bearbei-
tung mit verschiedenen Winkeln.

In der Zone 1 waren die Oberflächen sehr


glatt. Es fanden sich in der Zone 2 die bereits
bekannten Rillen, die für den zyklischen Ab-
tragsprozess typisch sind.
Auffallend war, dass diese bogenförmigen
Rillen nicht, wie aus industriellen Prozessen
bekannt, parallel von oben nach unten verlau-
fen (Abbildung 12-8). Die Rillen wurden
vielmehr in Strahlrichtung breiter, so dass sie
pW=50MPa, Ø = Strahlrichtung. ein kometenschweifartiges Aussehen hatten.
Abbildung 12-6: Lichtmikroskopie des Abtrags-
bildes an Poren in Knochenzement.
138 Validierung an humanen Biomaterialien

kommt durch das Nachlaufen der Schnittfront


zu einem dreidimensionalen Abtrag.
Dies kann durch Reduktion der Vorschubge-
schwindigkeit im Bereich enger Kurven ver-
mindert werden, weil das Nachlaufen der
Kerbfront proportional zur Vorschubge-
schwindigkeit (vV) ist15;110.
Der Strahl-Werkstückwinkel von γ=30° ist
dem Winkel am nächsten, mit dem Knochen
pW=70MPa, Ø = Strahlrichtung. intraoperativ vom Strahl getroffen wird.
Abbildung 12-8: Farbliche Markierung einer Knochenzement wird hingegen bei der En-
Kerbflanke in Knochenzement. doprothesenrevision mit γ=90° bearbeitet.
Die Kerbtiefen des DWS sind bei diesem
Winkel signifikant kleiner als bei einem
senkrecht auftreffenden DWS.
Bei der mikroskopischen Betrachtung der
Vorteil des ADWS gegenüber einem DWS
Zone 1 zeigte sich, dass die Rillen der Zone 2
ist der effektivere Materialabtrag auf einem
hier bereits mikroskopisch als kleine bogen-
niedrigeren Druckniveau, wodurch das Ver-
förmige Kratzer beginnen (Abbildung 12-9).
letzungsrisiko für Anwender und Patient ge-
In vielen Fällen hatten die Rillen ihren Ur-
ringer ist. Vorteil des DWS gegenüber dem
sprung in Poren des Knochenzements.
ADWS ist die Möglichkeit des selektiven
Ebenso häufig fanden sich jedoch Poren im
Schneidens von Knochenzement innerhalb
Verlauf, aber auch Poren ohne Verbindung
eines bestimmten Druckbereichs.
zu den bogenförmigen Rillen.
Die Rissbildung, die in Knochenzement mit
dem DWS gesehen wurde ist für die Entfer-
nung von Knochenzement aus dem Knochen
sicher positiv zu bewerten.

12.5 Schädigung bei der


Endoprothesenrevision

Im Rahmen der Schadensklasse I ist für alle


Abbildung 12-9: Bezug der untersuchten Strahltechniken, besonders aber
Rillen zu den Poren in Kno- beim DWS und DDWS die Rissbildung in
chenzement (schematisch).
der Nachbarschaft zur Kerbfuge zu nennen.
Während die Rissbildung in PMMA für den
Abtrag positiv zu werten ist, ist diese in Kno-
Ein Nachteil des ADWS ist der in Strahl- chen grundsätzlich nachteilig, wobei die sehr
richtung zeitlich versetzt ablaufende Materi- kleinen Fragmente, die in den vorgestellten
alabtrag, wenn von einer planen Fläche ab- Versuchen ausgesprengt wurden, klinisch
weichende Geometrien zu fertigen sind. Es nicht von Bedeutung sein dürften. Der
ADWS zeigte diesbezüglich deutliche Vor-
139

teile, obwohl der von der Kerbfuge abwei- 12.6 Schlussfolgerung


chende Materialabtrag der Zone 3 zu beden-
ken ist. Mit dem Bio-ADWS sind humane Kortikalis
Schäden der Klasse II sind sowohl in Kno- und Knochenzement effektiver und qualitativ
chen als auch in Knochenzement aus den besser zu bearbeiten als mit DWS oder
vorgestellten Versuchen nicht herleitbar. DDWS. Der zum Schneiden von Knochen-
Die Schadensklasse III ist beim Trennen von zement nötige Druck kann in einen Bereich
Kortikalis oder Knochenzement von überge- von pW=30MPa gesenkt werden, wobei ein
ordneter Bedeutung, weil mit allen verwen- Düsendurchmesser von dD=0,2mm ausrei-
deten Strahltechniken eine Schädigung der chend ist, um Zementabtrag im Interface zu
dem Knochen benachbarten Weichteile un- erzielen. Durch den großen Kerbtiefenunter-
vermeidlich ist. schied zwischen Kortikalis und Knochenze-
Es kommen somit zwei Möglichkeiten in ment kann materialadaptiertes Schneiden in
Frage, dies zu verhindern. gewissen Druckbereichen mit dem ADWS
umgesetzt werden135.
1. Der Druckwasserstrahl wird so positio- Das modifizierte Kerbtiefenmodell nach
niert, dass eine Weichgewebeschädigung Decker kann für den DWS verwendet wer-
nicht möglich ist. den, um die Kerbtiefe sowohl an Knochen-
2. Es werden entsprechende Strahlcatcher zement als auch an Knochen sehr genau vor-
zwischen zu trennendem Material und herzusagen.
Weichgewebe installiert. Die Bildung eines analytischen Modells zum
ADWS-Trennen macht es darüber hinaus
möglich, die Kerbtiefe eines ADWS vorher-
Bisher ist nicht bekannt, ob die Bioabrasive zusagen.
Schäden der Klassen I-III hervorrufen. Zwar Diese Berechnungen bleiben aber nur dann
ist z.B. für Laktoselösung die parenterale sinnvoll, wenn das zu trennende Material
Verträglichkeit nachgewiesen worden, aber gleich bleibt. In der industriellen Technik
über die Gewebsverträglichkeit von Kristal- oder auch beim Knochenzement mag das in
len liegen bisher wenig Erkenntnisse vor. gewissen Grenzen möglich sein, bei den Ge-
Eine außerhalb dieses Projekts durchgeführte weben hingegen sind die Unterschiede in den
Untersuchung an Zellkulturen zeigte hier Materialeigenschaften inter- und intraindivi-
recht viel versprechende Ergebnisse. duell sehr variabel. Man muss sich hier nur
Schäden der Klasse IV ergeben sich aus der die Beschaffenheit eines periprothetischen
bereits erwähnten Luftemboliegefahr und der Knochens vor Augen führen, der über Jahr-
Wirkung des Bioabrasivstoffs, wenn er ent- zehnte aufgrund des stress-shieldings durch
weder kristallin oder gelöst in das Gefäßsys- die Prothese zurückgebildet worden ist70.
tem gelangt und sich im Körper verteilt. Die Intraoperativ stellt sich solch ein Femur meist
Luftbeimengung könnte durch die Anwen- sehr weich und „papierdünn“ dar.
dung eines Suspensionsstrahls gesenkt wer-
den.
140 Validierung an humanen Biomaterialien

In Wertung des empirischen Modells des sivmittel mit einer guten Qualität zu bear-
DWS-Trennens bei einer Operation ist die beiten ist, so dass die bisherigen Ergebnisse
Gefahr, einen Schaden der Klasse III hervor- eher dazu motivieren, Untersuchungen für
zurufen, nicht zu verantworten. Also scheint Osteotomie und Primärendoprothetik anzu-
es für die Endoprothesenrevision zum ge- schließen, weil hier der Reststrahl nach dem
genwärtigen Wissensstand nicht sinnvoll, Materialdurchtritt, im Gegensatz zur Hüften-
weitere Projektschritte anzugehen. doprothesenrevision, abgefangen werden
Die bisherigen Ergebnisse zum ADWS haben kann.
jedoch gezeigt, dass Knochen mit dem
ADWS und einem biokompatiblem Abra-
141

13 Endoprothesenimplantation und Osteotomie – Projektphase 1


In diesem Kapitel werden Schnittversuche
mit dem ADWS an spongiösen Knochen
vorgestellt. Diese Trennschnitte in Spongiosa
sind notwendig, um die Zielparameter 13.2 Material und Methode
Schnittflächengeometrie und -rauigkeit, die
für die Trennschnittanwendung zur Knieen- Es wurden 60 Spongiosaproben auf der in
doprothesenimplantation oder Osteotomie Abbildung 6-12 (S.62) dargestellten Vor-
wichtig sind, untersuchen zu können. schubeinrichtung montiert.
Der bereits in vorhergehenden Kapiteln vor-
gestellte WAIS-Kopf (dD=0,2mm) mit einem
Hartmetallfokusrohr (dF=0,9mm, lF=60mm)
13.1 Problem wurde unter Verwendung eines Vibrations-
förderers mit Laktose (Mesh#45) beauf-
Die Ergebnisse der bisher vorgestellten Pa- schlagt. In der ADWS-Gruppe wurden die
rameterstudien haben gezeigt, dass der Parameter Druck (pW=35MPa; 70MPa) und
ADWS zum Trennen von Hartgewebe im Abrasivmassenstrom ( m & =0,5g/s; 1,0g/s und
Vergleich zum DWS und DDWS die güns- 2,0g/s) gewählt.
tigsten Vorraussetzungen zeigt. Die Ergeb- In der Sägemaschinen-Gruppe wurde eine
nisse lassen sich jedoch nur ansatzweise auf Maschine zum oszillierenden Sägen (Säge-
die Spongiosa übertragen. blattdicke=1mm)a vor die ortsfest mit der
Für eine ADWS-Anwendung am Biomaterial Spongiosaprobe verbundene tibiale Schnitt-
Spongiosa ergeben sich eine Fülle zusätzli- schablone eines Knieendoprothesensystemsb
cher Variablen, die unbekannte Einflussgrö- positioniert. Die Vorschubgeschwindigkeit
ßen für die Zielparameter des Prozesses dar- für beide Gruppen war vV=10mm/min. In der
stellen. Hier sind neben der erwähnten Poro- ADWS-Gruppe wurden für jeden Druck und
sität die unbekannten inter- und intraindivi- Massenstrom ebenso wie in der Sägemaschi-
duellen Unterschiede in der Trabekeldimen- nen-Gruppe je acht Proben geschnitten.
sionierung und in den Materialeigenschaften Sowohl in Vorschubrichtung als auch in
der Trabekel zu nennen. Eine Kerbschnittan- Strahlrichtung wurden jeweils drei Linien mit
wendung an spongiösem Knochen ist im einem Abstand von 6mm und acht Mess-
klinischen Einsatz darüber hinaus eher un- punkten je mm abgetastet (Abbildung 6-14,
wahrscheinlich, da im operativen Prozess an S.63).
Spongiosa Trennschnitte gefordert sind. Die Raumkoordinaten der abgetasteten
Es stellt sich die Frage, inwieweit der ADWS Punkte bezogen sich auf ein Koordinaten-
mit Bioabrasiven zum Trennen von Spongi- system, dessen Ausrichtung bei jeder Probe
osa geeignet ist und ob sich die erforderli- über zwei zugehörige Probenflächen definiert
chen Genauigkeiten für die Osteotomie oder wurde.
Prothesenimplantation erzielen lassen. Ziel Da es sich um Trennschnitte handelte, konnte
der nachfolgenden Studie war es, die ADWS- die Schnittfugendicke (Abstand zwischen den
Technik im Hinblick auf die erreichte Trenn-
schnittqualität mit der oszillierenden Säge- a
Typ5071-174, Linvatec GmbH, Trebur, DE,
maschine zu vergleichen. http://www.linvatec.de.
b
Typ PFC, Depuy, Leeds, GB, http://www.depuy.com.
142 Endoprothesenimplantation und Osteotomie – Projektphase 1

Scans von Werkstück und Abfallstück) mit dung 13-2). Trotzdem war die Stan-
dieser Methode nicht bestimmt werden. dardabweichung des Schnittfugenwinkels bei
Für alle Proben wurde jeweils für Strahl- und ADWS-Schnitten größer als bei gesägten
Vorschubrichtung der mittlere Schnittfugen- Proben. ( m& =2g/s konnte nur mit pW=70MPa
winkel (DIN 23105) als Maß für die Paralle- gefahren werden.)
lität des Schnitts bestimmt (Abbildung 13-1). Bei den jeweiligen Massenströmen zeigte
Weiterhin wurde für alle Linien mit Hilfe der sich kein signifikanter Unterschied zwischen
abgetasteten Punkte der arithmetische Mit- den Druckstufen (p=0,739). Der Abrasiv-
tenrauwert (Ra) ermittelt. massenstrom hatte dagegen einen signifi-
kanten Einfluss auf den Schnittfugenwinkel
(p<0,001). Der größte Schnittfugenwinkel
wurde beim Massenstrom m & =1g/s sowohl
bei 35MPa als auch bei 70MPa gemessen,
y der Unterschied zu m & =2g/s war signifikant
(p<0,001).
x

z
δ[°] 35MPa 70MPa gesägt

δ
9

Abbildung 13-1: Schema des Koordinatensystems 6


der Spongiosaproben.
3

0
Bei einem Druck von pW=35MPa und einem
Abrasivmassenstrom von m & =2g/s kam es
-3
wiederholt zur Verstopfung der Mischkam- m[g/s]
gesägt 0,5 1 2
mer, so dass nur wenige Proben ausgewertet
&).
Schnittfugenwinkel (δ); Abrasivmassenstrom (m
werden konnten.
Abbildung 13-2: Schnittfugenwinkel in Abhängig-
keit von Trennmethode, Druck und Abrasivmas-
senstrom.

13.3 Ergebnis

Schnittfugenwinkel Das oszillierende Sägen zeigte bezüglich des


Der mittlere Schnittfugenwinkel in Strahl- Schnittfugenwinkels in Strahlrichtung keinen
richtung (z) war für jeden Druck und Abra- signifikanten Unterschied zu den ADWS-
sivmassenstrom in der ADWS-Gruppe posi- Gruppen mit den Massenströmen m & =0,5g/s
tiv (Abbildung 13-2).
Der Mittelwert des Schnittfugenwinkels war und m& =2g/s. Im Vergleich zu m& =1g/s war
bei einem Massenstrom von m& =2g/s in der der Schnittfugenwinkel der oszillierend ge-
ADWS-Gruppe am niedrigsten (0,14°; Abbil-
143

sägten Proben signifikant kleiner (Abbil- den (p=0,264; Abbildung 13-3). Bei einem
dung 13-2). Druck von pW=70MPa war Ra für m & =1g/s
signifikant größer als für m& =0,5g/s und für
Rauigkeit m& =2g/s (p=0,005; Abbildung 13-3). Bei
Die Rauwerte (Ra) waren, gemittelt über die pW=35MPa war Ra für m & =1g/s signifikant
drei Scans in Vorschubrichtung, für alle größer als beim Abrasivmassenstrom
Druck- und Abrasivmassenstromklassen sig- m& =0,5g/s (p<0,001).
nifikant niedriger als in Strahlrichtung Sowohl in Strahlrichtung (z) als auch in Vor-
(p<0,001, Abbildung 13-3). schubrichtung (y) war Ra beim ersten Scan
Mit einem Massenstrom von m & =0,5g/s war (z1, y1) signifikant kleiner als beim letzten
Ra, gemittelt über alle Scanstrecken, bei Scan (z3, y3; p<0,001 für alle, Abbil-
pW=35MPa signifikant größer als bei dung 13-3).
pW=70MPa (p=0,002). Bei m & =1g/s war hin-
gegen kein signifikanter Unterschied vorhan-

Ra[mm]
0,16 35MPa Ra[mm]
,16 35MPa
70MPa 70MPa
0,12 0,12

0,08 0,08

0,04 0,04

.
(z) (y) gesägt 0,5 1,0 2,0 m[g/s]
Ra[mm] .
m=0,5g/s Ra[mm]
0 0
.
.
m=1,0g/s
m=2,0g/s
0,12 0,12

0,08 0,08

0,04 0,04

1 2 3 1 2 3
(z) (y) (z) (y)
Arithmetischer Mittenrauwert (Ra), Abrasivmassenstrom ( m
& ).
Abbildung 13-3: Rauigkeit der Kerbflächen in Spongiosa.
Oben links: Rauigkeit (Ra) in Abhängigkeit von Scanrichtung und Druck (pW).
Oben rechts: Ra in Abhängigkeit vom Druck (pW) und Massenstrom ( m& ).
Unten links: Ra in Abhängigkeit von Scanrichtung und Massenstrom ( m& ).
Unten rechts: Ra in Abhängigkeit von der Scanlinie.
144 Endoprothesenimplantation und Osteotomie – Projektphase 1

Die besten Werte für Ra wurden bei 13.4 Diskussion


pW=70MPa und m & =2g/s erzielt. Der Ver-
gleich dieser mit den Werten der Sägema- Rauigkeit
schinen-Gruppe zeigte, dass der mit dem Eine Zone 3, wie bei den zuvor beschriebe-
Sägen erzielte Rauwert signifikant kleiner nen Kerbversuchen, konnte für diese Trenn-
war (p<0,001, Abbildung 13-3. In diesen schnitte nicht nachgewiesen werden. Mög-
Versuchen waren die besten erzeugungsori- licherweise waren die Proben so dünn, dass
entierten Parameter hinsichtlich Schnittfu- die Zone 3 gar nicht abgebildet werden
genwinkel und Rauigkeit identisch. konnte.
Auch beim Trennen von Spongiosa wurde Die Rauigkeit wurde vom erzeugungsorien-
die bekannte Zone des Qualitätsschnitts tierten Parameter Abrasivmassenstrom be-
(Zone 1) einer ADWS-Bearbeitung gefun- einflusst. Bei einem Massenstrom von
den. Während die Rauigkeit nahe der Ober- m
& =2g/s und pW=70MPa war die Oberflä-
fläche gering war, konnte an der Unterseite chenrauigkeit am niedrigsten. Mit diesen
der Proben das typische Wellenprofil des Parametern scheint die gesamte Werkstück-
Trennschnittbereichs nachgewiesen werden dicke in der Zone des Qualitätsschnitts zu
(Abbildung 13-4). liegen.

pW=60MPa, m& =1g/s, Ð = Strahlrichtung.


x [mm] z =1,5mm x [mm] z =13,5mm
Werkstück

Abfall
0 5 10 15 0 5 10 15

Abbildung 13-4: Lichtmikroskopien einer ADWS getrennten Spongiosaprobe und das zugehörige
Oberflächenprofil.
Links: Werkstückoberkantennahes Bild (oben,) und Profil der Scanlinien (unten) bei z1=1,5mm
Rechts: Werkstückunterkantennahes Bild (oben,) und Profil der Scanlinien (unten) bei z3=13,5mm.
145

Die Oberflächenrauigkeit zu Beginn des Im vorgestellten Versuch konnte Spongiosa


Schnitts (Scanlinie z1) war geringer als zum mit allen erzeugungsorientierten Parametern
Ende des Schnitts (Scanlinie z3). Eine mög- getrennt werden. Die Sägemaschinen-Gruppe
liche Ursache ist, dass das Wasser am Beginn war bezüglich des Rauwerts der ADWS-
des Schnitts abfließen kann. Das Gleichge- Gruppe geringfügig überlegen. Man muss
wicht der Schnittfront stellt sich erst in weite- sich hier jedoch vor Augen halten, dass die-
rer Folge ein. ser Unterschied im Bereich von 10µm liegt.
Darüber hinaus ist nicht bekannt, ob eine
Abrasivmassenstrom glatte Fläche biologische Vorteile gegenüber
Es hat sich in diesen Experimenten gezeigt, einer rauen Fläche aufweist.
dass der Laktose-Massenstrom m & =1g/s für Die besten ADWS-Parameter konnten den
beide Zielparameter signifikant schlechtere Mittelwert des Schnittfugenwinkels der Sä-
Ergebnisse erbringt als die Massenströme gemaschine übertreffen. Leider war die
m
& =0,5g/s und m& =2g/s. Streuung der Werte sehr hoch. Der Strahl-
Dies ist ungewöhnlich, weil z.B. für den Werkstückwinkel kann deshalb nicht um ei-
Zielparameter Kerbtiefe ein Massenstromop- nen festen Wert korrigiert werden.
timum besteht (S.120). Beim optimalen Mas- Es muss darüber hinaus davon ausgegangen
senstrom wird die maximale Kerbtiefe er- werden, dass bei einer Knieendoprothese-
zielt. Oberhalb und unterhalb dieses Werts ist nimplantation die Materialeigenschaften des
die Kerbtiefe geringer. zu trennenden Knochens inter- und intraindi-
Für die Zielparameter Rauigkeit und Schnitt- viduell unterschiedlich sind. So bildet sich
fugenwinkel wird eine vergleichbare Abhän- durch eine geänderte Lasteinleitung aufgrund
gigkeit vom Massenstrom in der Literatur des Verschleißes des Gelenkknorpels eine
nicht beschrieben. Axmann zeigte an Alumi- subchondrale Sklerose (erhöhte Knochen-
nium (AlMg3) unter Verwendung des Abra- dichte) aus. In vorausgegangen Studien
sivstoffs GMA, dass sich die Kerbflächen- wurde bewiesen, dass die Materialeigen-
rauigkeit mit steigendem Abrasivmassen- schaften einen Einfluss auf den Schnitt ha-
strom an ein Minimum annähert15. Seine Un- ben. Während sich diese Einflussgröße beim
tersuchungen erfassen jedoch lediglich einen selektiven Trennen als Vorteil erweist, ist
minimalen Abrasivmassenstrom von dieser für die geometrische Genauigkeit ein
m
& =0,83g/s, so dass die Kurve u.U. nur ober- Nachteil.
halb des Maximums abgebildet wurde. Auch Diese Studie zeigt aber, dass durch die Vari-
Guo berichtet über diesen Kurvenverlauf110. ation der erzeugungsorientierten Parameter
Die Erklärung für die besseren Rauwerte bei sowohl die Oberflächenrauigkeit als auch der
geringem oder sehr hohem Laktosemassen- Schnittfugenwinkel optimiert werden kön-
strom könnte darin liegen, dass die Länge des nen.
Qualitätsschnittbereichs mit zunehmendem Beim Schneidprozess mit dem Bio-ADWS
Massenstrom zunächst ein Minimum durch- wird die Wärme kontinuierlich abgeführt, so
schreitet, um dann ebenso wie die Kerbtiefe dass davon auszugehen ist, dass eine thermi-
ein Maximum anzunehmen. Dies würde die sche Schädigung an den Schnittflächen nicht
Ergebnisse der Studie erklären, wenn die stattfindet251.
Rauigkeit der Schnittflächen mit einem DWS
geringer wären. Diese Hypothese sollte in
weiteren Projektschritten überprüft werden.
146 Endoprothesenimplantation und Osteotomie – Projektphase 1

Schnittfugenwinkel der nächsten Materialschicht eine Verbreite-


In der ADWS-Gruppe wurde zwischen rung der Schnittfuge.
Werkstück und Abfallstück in der Regel ein
positiver mittlerer Schnittfugenwinkel in
Strahlrichtung (z) gemessen. In Kortikalis
und PMMA zeigte sich dagegen immer ein
negativer Schnittfugenwinkel des Qualitäts-
schnittbereichs. Auch in technischen Publi-
kationen wird in der Regel über einen negati-
ven Schnittfugenwinkel berichtet15;248. Ledig-
lich für den Trennschnittbereich findet man
in manchen Fällen eine Hinterschneidung im
Sinne eines positiven Schnittfugenwinkels in
Strahlrichtung. Doch die Hinterschneidung in
diesen Experimenten hatte ihren Ursprung Abbildung 13-5: Schaumprobe zur Simulation der
oberflächennah (Scanlinie z1) und erstreckte intertrabekulären Hohlräume.
In der Mitte wurde das Vollmaterial und jeweils an
sich linear bis zum Strahlaustritt des Werk- den Seiten das Material mit einer verschiedenen An-
stücks (Scanlinie z3). Der positive Schnittfu- zahl von Hohlräumen geschnitten.
genwinkel muss von den Materialeigen-
schaften oder der Struktur des Werkstoffs
abhängen. Bei diesen Proben zeigte der Strahl durch die
Zur Beantwortung dieser Frage wurden zwölf Grenzfläche Material – Luft eine Beugung.
Proben aus einem Polyurethanschauma, der Dadurch wurde die Kerbbreite nach jeder
sich in der biomechanischen Forschung als zusätzlichen Materialschicht größer (Abbil-
Modellmaterial für spongiösen Knochen be- dung 13-6).
währt hat, weil er ähnliche Materialeigen-
schaften besitzt, mit dem ADWS geschnitten.
Bei einem Drittel der Proben handelte es sich
um solide Körper. Bei jeweils vier Proben
wurde das Material parallel zur Oberfläche
mit sechs bzw. drei Nuten versehen (Abbil-
dung 13-5). So wurde erreicht, dass in Strahl-
richtung jeweils eine 3mm bzw. 9mm dicke
Materialschicht von einem 3mm-Zwischen-
raum gefolgt wurde.
Beim Vollmaterial zeigte sich ein leicht po-
sitiver Schnittfugenwinkel in Strahlrichtung. pW=40MPa, links: m& =1g/s, rechts: m& =2g/s, = Strahlrichtung.
Beim unterbrochenen Materialdurchtritt Abbildung 13-6: Typischer Kerbquerschnitt mit
ergab sich in Abhängigkeit vom Abrasivmas- negativem Schnittfugenwinkel für zwei Abrasiv-
massenströme.
senstrom nach jedem Hohlraumdurchtritt in
Die Kerben bei den unterbrochenen Werkstücken sind
breiter und es fällt ein positiver Schnittfugenwinkel
nach jedem Materialaustritt auf.
a
Dichte 0,16g/cm³, Porengröße 0,5 – 2,0mm,
Druckfestigkeit 2,3MPa;
Sawbones, Pacific Research Laboratories,
Washington, US, http://www.pacific-research.com.
147

Jede Materialschicht wirkte sich als eine neue Schädigung


Düse mit größerem Durchmesser aus. Im Durch das Wasser wird jedoch das Spongio-
nachfolgenden Materialstück wurde so eine sanetzwerk weiträumig freigespült, so dass
Kerbe mit negativem Schnittfugenwinkel Knochenmark und Blutgefäße bis zu 1cm
geschaffen. In der Summe wurde die Kerbe neben dem Schnitt histologisch nicht mehr
jedoch breiter. nachweisbar waren (Schadensklasse II; Ab-
In der echten Spongiosa ist die Grenzfläche bildung 13-7). Die Folge für die biologische
Material – Luft um ein Vielfaches häufiger Potenz der Kerbflächen in vivo ist nicht be-
als in diesem Modell, so dass sich dieser Ef- kannt. Das Auswaschen der Trabekelzwi-
fekt noch stärker summieren kann. schenräume führt zwar sicher zu einem bes-
Axmann führte Untersuchungen zur Sekun- seren Formschluss, falls das Implantat mit
därkerbgeometrie beim ADWS-Schneiden Knochenzement fixiert wird. Für zementfreie
durch15. Als Sekundärkerbe definiert er die Prothesen kann aber die Vermutung geäußert
Kerbe, die nach Austritt des Strahls aus dem werden, dass das Auswaschen eher von
eigentlichen Werkstück an anderen Materia- Nachteil für die biologische Integration der
lien entsteht. Er konnte zeigen, dass die Se- Prothese ist.
kundärkerbtiefe proportional zur Dicke des Inwieweit die Strahldeflektion an den einzel-
primären Werkstücks zunimmt. Die Sekun- nen Spongiosabälkchen auch zum Einbringen
därkerbbreite hingegen war umgekehrt pro- von Luft in das Kreislaufsystem führt (Scha-
portional zur Dicke des primären Werk- densklasse IV, Luftembolie), kann letztend-
stücks. Bei geringer Werkstückdicke wirkt lich nur durch In-vivo-Studien beantwortet
der Werkstückdurchtritt wie eine Blende, werden.
durch die der Strahl gestreut wird. Dickere
Werkstücke bewirken hingegen eine Fokus-
sierung des Strahls, was eine höhere Sekun-
därkerbtiefe und geringere Sekundärkerb-
breite bedingt.

.
Abbildung 13-7: Histologische Schnitte von Spongiosaproben im Bereich der Trennfläche.
Links: Spongiosa nach einem Sägeschnitt mit knochenmarkgefüllten Zwischenräumen.
Rechts: Spongiosa nach einem ADWS-Schnitt mit ausgespültem Knochenmark.
148 Endoprothesenimplantation und Osteotomie – Projektphase 1

13.5 Modellierung Die Schnittqualität beschreibt er als den


Kehrwert der relativen Schnitttiefe (Glei-
Nicht nur für die Schnitteffektivität sondern chung 13-2).
auch für die Schnittqualität finden sich Ab-
hängigkeiten von den erzeugungsorientierten,
1 k max
prozessorientierten Parametern, aber auch Gleichung 13-2: Q= =
h h akt
zwischen den Abrasiv- und den Materialpa-
rametern. mit 0 < Q ≤ 1
Guo konnte die Abhängigkeit der Schnittflä- Q..........Schnittqualität
chenrauigkeit, des Schnittfugenwinkels und h ..........Relative Schnitttiefe
der Länge des Qulitätsschnitts von den o.g. hakt .......Aktuelle Schnitttiefe
Parametern durch entsprechende Versuche kmax ......Maximale Kerbtiefe
nachweisen. Er hat seine Ergebnisse lediglich
in Diagrammen dargestellt. Auf die Zusam- Dieser Ansatz mag zwar analytisch richtig
menfassung seiner Ergebnisse in empirischen sein, kann aber Kerbversuche zur Bestim-
Kerbtiefen- und Kerbqualitätsgleichungen mung der Oberflächenqualität nicht ersetzen.
verzichtet er. Es kann zusammenfassend gesagt werden,
Bei den hier durchgeführten Versuchen dass es zum jetzigen Zeitpunkt weder mög-
wurde zwar eine entsprechende Anzahl von lich noch sinnvoll ist, für die Zielparameter
Proben untersucht, aber die Variationsbreite Schnittfugenwinkel und Schnittflächenrauig-
für die Parameter Massenstrom und Druck ist keit eine Modellbildung oder –Anwendung
für eine sinnvolle empirische Modellbildung für den ADWS an Knochen anzustreben.
nicht ausreichend. Diese bleibt weiteren
Projektschritten vorbehalten.
Analytische Modelle zur Beschreibung der
Qualität eines ADWS-Schnitts sind ebenfalls 13.6 Schlussfolgerungen
bereits aufgestellt worden. Diese Modellie-
rung ist aber noch wesentlich komplexer als Die Zielparameter Effektivität, Genauigkeit
die Modellierung der Kerbtiefe. und Schnittflächenrauigkeit des ADWS-
Hoogstrate begnügt sich in seinem Modell Trennschneidens von Spongiosa sind ausrei-
damit, die Kerbqualität über das dimensi- chend, um weitere Projektphasen250 zur En-
onslose Verhältnis zwischen aktueller doprothesenimplantation und Osteotomie
Schnitttiefe und der maximalen Kerbtiefe anzuschließen.
auszudrücken (Gleichung 13-1)140. Die Spongiosablöcke der Versuchsreihe wa-
ren kleiner als die Flächen, die zur Implanta-
h akt tion einer Knieendoprothese bearbeitet wer-
Gleichung 13-1: h=
k max den müssen. Wenn sich z.B. ein 8cm breites
mit 0 ≤ h ≤ 1 Schienbeinplateau im Qualitätschnittbereich
h ...........Relative Schnitttiefe der ADWS-Bearbeitung befinden soll, muss
hakt ........Aktuelle Schnitttiefe die Strahlenergie entsprechend erhöht wer-
kmax.......Maximale Kerbtiefe den. Es kann der Schluss gezogen werden,
dass eine Minimierung des von diesem Ver-
fahren ausgehenden Gefahrenpotenzials nicht
149

mit den Parametern für optimale Schnitter- Ein weiteres Problemfeld ist in der im Strahl
gebnisse in Einklang zu bringen ist. enthaltenen Luft zu sehen. Diese sollte wei-
Die materialtypische Abtragsenergie für testgehend minimiert werden.
Knochen liegt mindestens um den Faktor 20 Lösungsansätze sind neben der Suspensions-
über der von Weichgeweben. Daraus kann technik, die Luftreduktion des Injektorstrahls
geschlossen werden, dass Weichgewebe durch Ersetzen der Luft durch ein ungefährli-
immer geschädigt werden (und zwar unab- cheres Gas (CO2), (Anhang S.219) oder die
hängig von der Strahltechnik), wenn es mit Anwendung einer Förderschnecke (Anhang
den erzeugungsorientierten Parametern zum S. 220).
Trennen von Knochen und Knochenzement Schäden der Klasse III durch den Abra-
(oder auch für andere Hartgewebe) beauf- sivstoff sind nicht ausgeschlossen, obwohl
schlagt wird165. für Laktoselösungen bereits eine klinische
Deshalb sind geeignete Schutzvorrichtungen, Zulassung vorhanden ist. Die Reaktion des
wie z.B. Strahlcatcher und gekapselte Bear- Gewebes auf hohe lokale Konzentrationen
beitungsräume zu fordern. oder Laktosekristalle bleibt Gegenstand wei-
Der nächste Schritt muss die Entwicklung terer Untersuchungen.
entsprechender Protektoren und Strahlcatcher
sein, die den Strahl nach dem Materialdurch-
tritt neutralisieren.
151

14 Schlüsse der Modellbildung


14.1 Empirische Kerbtiefenmodelle auf andere erzeugungsorientierte Parameter
möglich bleibt.
Die in den vorausgehenden Kapiteln aufge- Eine aus medizinischer Sicht hinreichende
stellten empirischen Kerbtiefenmodelle kön- Voraussage der Kerbtiefe ist aber auch mit
nen bei Weichgeweben, Kortikalis und Kno- dieser Modellierung letztendlich kaum mög-
chenzement dazu verwendet werden, die lich.
Kerbtiefe vorherzusagen. Die Anwendung Ein für einen analytischen Ansatz nicht lös-
der Gleichungen ist jedoch nur für die in den bares Problem stellt ebenso wie bei der empi-
Versuchen verwendeten Parameter möglich. rischen Modellierung die intra- und interindi-
Sie helfen daher eigentlich nur, Rückschlüsse viduellen Unterschiede in den Materialeigen-
auf nicht untersuchte Druckbereiche inner- schaften der Gewebe dar. Die Zugfestigkeit
halb einer Kerbversuchsreihe zu ziehen. des Anulus fibrosus wird z.B. mit 3,2±2,7MPa
Die Streuung der gemessenen Kerbtiefen ist angegeben76. Daraus würde bei Anwendung
sowohl bei Weich- auch als bei Hartgeweben der signifikanten Korrelation zwischen Zug-
zu einem gewissen Anteil auf inter- und festigkeit und materialtypischer Abtragsener-
intraindividuelle Materialunterschiede zu- gie (Abbildung 7-19, S.82) eine
rückzuführen. Aber auch beim Knochenze- materialtypische Abtragsenergie von
9
ment, einem isotropen Werkstoff, streute die ESP=7,38·10 ±1,35·10 J/m³ und eine entspre-
9

Kerbtiefe je nach Strahltechnik um bis zu chend ungenaue Vorhersage der Kerbtiefe


30%. Dies muss als Hinweis darauf gewertet resultieren.
werden, dass unabhängig von der Strahltech- Das im Rahmen dieses Projekts erarbeitet
nik die geometrische Bestimmtheit in Strahl- analytische Modell zum ADWS hat überaus
richtung (z) das größte Problem der DWS- gute Übereinstimmungen mit den Mittel-
Technik darstellt. Eine Vorhersage der Kerb- werten der Kerbversuche gezeigt. Das Mo-
tiefe war im empirischen Modell mit einer für dell sollte in anderen Projekten auf seine
medizintechnische Belange hinreichenden Eignung für andere ADWS-Trennaufgaben
Genauigkeit daher nicht möglich. und insbesondere andere Materialien über-
Somit können empirische Modelle nur als prüft werden.
intraoperative Orientierung für den erzeu- Das in diesem Projekt erarbeitete Modell
gungsorientierten Parameter Pumpendruck fasst sämtliche, im analytischen Ansatz zum
(pW) herangezogen werden. heutigen Kenntnisstand nicht abbildbaren
Parameter des Werkstoffs und des Abrasiv-
mittels in der material- und abrasivtypischen
14.2 Analytische Abtragsenergie zusammen. Diese ist mit
Kerbtiefenmodelle Hilfe weniger Kerbversuche zu bestimmen.
Die Abhängigkeit dieses Werts von bekann-
Die Anwendung der analytischen Kerbtie- ten Material- und Abrasivparametern ist
fenmodelle zeigte in der Regel eine gute bisher offen und sollte Gegenstand weiterer
Übereinstimmung mit den durch Kerbversu- Untersuchungen sein.
chen ermittelten Werten. Vorteil des analyti- Bei homogenen Materialien werden empiri-
schen Ansatzes ist, dass eine Übertragbarkeit sche, aber auch analytische Modelle bereits
in der Programmierung von Robotern zum
152 Schlüsse der Modellbildung

DWS-Trennen berücksichtigta. Über die stän- Die materialspezifische Abtragsenergie für


dige Anpassung der erzeugungsorientierten Knochenzement liegt mindestens um den
und der prozessorientierten Parameter an die Faktor 20 über der der Weichgewebe. Daraus
zu fertigende Geometrie können die Ferti- kann geschlossen werden, dass Weichgewebe
gungsgenauigkeiten erheblich verbessert immer geschädigt wird (und zwar unabhän-
werden164. Darüber hinaus wird berichtet, gig von der Strahltechnik), wenn es mit den
dass auch eine Steigerung der Effektivität erzeugungsorientierten Parametern zum
möglich sei164. Trennen von Knochen und Knochenzement
In der medizinischen Anwendung kann je- beaufschlagt wird. Bei einer Prothesenrevi-
doch auf Kerbversuche nicht verzichtet wer- sion mit einem Druckwasserstrahls muss
den. Man muss sogar soweit gehen, dass eine deshalb gewährleistet sein, dass ein Kontakt
ständige Online-Kontrolle der Kerbtiefe ent- des Strahls mit umgebendem Weichgewebe
weder über das Auge des Operateurs oder nicht möglich ist. Aus diesem Grund ist auch
über entsprechende Messsysteme gefordert eine Freihandführung des Strahlkopfes nicht
werden muss, es sei denn die Anatomie bein- möglich.
haltet eine sichere Barriere gegen unbeab- Sowohl für die Anwendung der DWS-Tech-
sichtigte Strahlwirkungen, wie z.B. in der nik zu einer Prothesenimplantation als auch
geschlossenen Bandscheibe. -revision könnten Führungsschablonen ver-
wendet werden, die den Strahlkopf aus-
schließlich in Vorschubrichtung für die
14.3 Empirisches Modell zu Trenn- Handführung freigeben. Da diese Schablonen
prozessen bei einer Operation für die Endoprothesenrevision patientenindi-
viduell gefertigt werden müssten, scheint die
Die materialspezifische Abtragsenergie für Integration des Strahlkopfes in einen Opera-
den Nukleus pulposus ist ungefähr doppelt so tionsroboter die praktikablere Lösung zu sein
hoch wie für Rückenmark (Tabelle 7-6, (Abbildung 15-1, S.156).
S.80). Hieraus ist zu schließen, dass für eine Andere Probleme ergeben sich, wenn die
intraoperative Anwendung gewährleistet sein Prothesen in Längsrichtung gekrümmt sind.
muss, dass Rückenmark ebenso wie die Spi- Denkbar wäre bei der Anwendung eines
nalnerven nicht vom Strahl beaufschlagt ADWS ein biegsames oder gebogenes Fokus-
werden. Nukleusgewebe kann deshalb ge- rohr mit entsprechend geringer Wandstärke.
fahrlos nur in der geschlossenen Bandscheibe Nicht unproblematisch ist auch das Nachlau-
abgetragen werden. fen der Schnittfront. Zum Erzielen einer ent-
Die Gefahr, dass klinisch relevante Schäden sprechenden geometrischen Genauigkeit an
der Klassen II und III entstehen, kann unter engen Radien könnte es nötig sein, die Vor-
der o.g. Vorrausetzung als relativ gering an- schubgeschwindigkeit stark zu reduzieren.
gesehen werden. Auf Schäden der Klasse IV Dies wirkt sich wiederum negativ Effektivität
kann anhand der bisherigen Versuche nicht und Effizienz aus und führt zu einer Verlän-
geschlossen werden. gerung der Operationszeit.
Die Abwägung zwischen Vor- und Nachtei- In den vorgestellten Kerbversuchen an korti-
len einer DWS-Nukleotomie anhand der bis- kalem Knochen und Knochenzement konnte
herigen Ergebnisse rechtfertigt weitere Pro- zwar für alle Arten der DWS-Technik eine
jektphasen für diese Anwendung. Selektivität nachgewiesen werden, aber die
Gültigkeit des verwendeten In-vitro-Modells
a
http://www.flowcorp.com/newsite/Products/dwj.htm
153

für alle Revisionsfälle muss angezweifelt Bei der Endoprothesenimplantation hingegen


werden. In den Kerbversuchen wurde gesun- lässt sich hinter dem Knochen ein Protek-
der kortikaler Knochen verwendet. Bei einer tionsmechanismus für die Weichteile
Revision ist der periprothetische Knochen installieren, weil der Knochen während der
aufgrund von Osteolysen papierdünn (Abbil- Operation zugänglich ist166. Aus diesem
dung 3-10, S.18). Seine Materialmenge und – Grund fällt eine Abwägung der Vor- und
Festigkeit nimmt darüber hinaus im Laufe Nachteile sicher positiver aus.
der Zeit aufgrund des stress-shieldings durch Gerade bei der Bearbeitung des spongiösen
den Prothesenstiel ab (Abbildung 3-7, S.17). Knochens ist aber der Eintritt von Luft in das
Es kann für die intraoperative Anwendung Gefäßsystem eine große Gefahr. So war z.B.
nie ausgeschlossen werden, dass der Strahl in den Anfangszeiten der arthroskopischen
deflektiert wird, die dünne Kortikalis durch- Gelenkchirurgie, in der man noch Kohlendi-
bricht und umliegendes Weichgewebe, Ner- oxid statt einer Flüssigkeit zum Auffüllen des
ven oder Blutgefäße trifft. Die Gefahr, einen Gelenks verwendete, die Luftembolie eine
erheblichen Schaden der Klasse III zu verur- gefürchtete Komplikation. Diese trat beson-
sachen, ist deshalb extrem groß. Da das Fe- ders häufig auf, wenn bei der Arthroskopie
mur während der Operation von außen nicht der spongiöse Knochen eröffnet wurde.
zugänglich ist, sind Protektoren gegen das Smith et al. berichten im Rahmen einer Fall-
Austreten des Strahls, die von außen an das darstellung über eine Luftembolie bei der
Femur angelegt werden, undenkbar. Leberresektion mit einem DWS267. Unklar ist
Somit ist auch eine entsprechende Arbeitssi- jedoch, ob die Ursache in der Trenntechnik
cherheit für das Personal nicht zu gewähr- zu suchen ist oder ob nicht vielmehr die Er-
leisten166. öffnung einer großen Vene dafür verantwort-
In Bezug auf den Zielparameter Effektivität lich war.
hat ADWS gegenüber den anderen Strahl- Der Luftanteil des ADWS muss daher ver-
techniken Vorzüge. Bisher ist zwar ungeklärt, fahrenstechnisch minimiert werden, um der
ob der Luftanteil des WAIS zu einem Scha- Gefahr eines Schadens der Klasse IV vorzu-
den der Klasse IV im Sinne einer Lungenem- beugen. Diese Fragestellung wird im Rahmen
bolie führen kann, aber die Wahrscheinlich- Forschungsprojekts außerhalb der vorge-
keit sollte hier ebenfalls als hoch angesehen stellten Arbeit untersucht (Abbildung 19-24,
werden. Abbildung 19-25, Anhang S.219).
In Abwägung aller genannten Vor- und Erst wenn diese Erfolg versprechend sind
Nachteile sind die Risiken für den Patienten, und entsprechende Strahlcatcher für die Pro-
die mit einer DWS-Anwendung verbunden tektion der Weichteile zur Verfügung stehen,
sind, gemessen an der voraussichtlichen Be- kann an weitere Projektphasen für die Oste-
deutung für die Heilkunde zu diesem Stand otomie und Prothesenimplantation gedacht
des Wissens nur schwer vertretbar (vgl. werden. Diese sind daher nicht Gegenstand
Medizinproduktegesetz S.25). der vorliegenden Arbeit.
155

15 Schlussbemerkung und Ausblick


Das empirische Modell zu Trennprozessen der Existenz und Eindeutigkeit einer Lösung
bei einer Operation hat sich in diesem Projekt wie auch der stetigen Abhängigkeit der Lö-
als gute Systematik zur Evaluierung der sung von den Rand- und Anfangsbedingun-
DWS-Technik erwiesen. Die Definition der gen des operativen DWS-Trennprozesses er-
Schadensklassen und die Anwendung auf die bracht werden.
durchgeführten Kerbversuche erlaubte es, Das empirische Modell zu Trennprozessen
eine frühzeitige Abwägung zwischen Risiken bei einer Operation kann aber allgemeingül-
und Nutzen der DWS-Technik für orthopädi- tig auf alle Fertigungsverfahren im menschli-
sche Operationen vorzunehmen. Der experi- chen Körper angewendet werden.
mentelle Aufwand dieser Arbeit blieb so in Es kann dazu dienen, sowohl bekannte Ferti-
einem begrenzten Rahmen und In-vivo-Ver- gungsverfahren in einer Operation zu bewer-
suche an Tier und Mensch konnten verhin- ten als auch die Erforschung neuer Methoden
dert werden. sinnvoll zu strukturieren.
Das empirisches Modell des DWS-Trennens Das im Rahmen dieser Arbeit aufgestellte
bei einer Operation konnte nur in rudimentä- Kerbtiefenmodell für den ADWS soll an
rer Weise mit mathematischen Abhängigkei- weiteren Materialien und Abrasivstoffen
ten (empirisch oder analytisch) zwischen den überprüft werden. Außerdem kann es durch
erzeugungsorientierten Parametern und den eine entsprechende Modifikation auch auf
Zielparametern ausgefüllt werden. Es wurden den WASS übertragen werden. In weiteren
für DWS, DDWS und ADWS empirische Schritten sollen zunächst Abhängigkeiten der
Modelle für die Abhängigkeit der Kerbtiefe material- und abrasivtypische Abtragsenergie
vom Wasserdruck aufgestellt. Für den DWS EASP zu Abrasivparametern, wie Härte oder
wurde mit Hilfe des analytischen Kerbtie- Korngröße aber auch von Materialparame-
fenmodells eine materialspezifische Abtrags- tern, wie Zug- oder Druckfestigkeit unter-
energie für die untersuchten Gewebe und sucht werden.
Biomaterialien errechnet. Diese Größen sind Sowohl die material- und abrasivtypische
für die Zielparameter zwar wichtig, aber die Abtragsenergie EASP und der Koeffizient des
Schädigung des Patienten kann nur zu ganz Geschwindigkeitsverlusts in Mischkammer
geringen Teilen abgebildet werden. und Fokusrohr τ sollten in der Zukunft ana-
Das DWS-Trennen ist schon in der Anwen- lytischen Ansätzen nicht verschlossen blei-
dung an isotropen Werkstoffen eine äußerst ben. Zunächst offen bleibt, ob eine material-
komplexe und vielschichtige Weise, Material und abrasivtypische Abtragsenergie (EASP)
abzutragen. Entsprechend aufwändig sind die für den ADWS und materialspezifische Ab-
Modelle, die in einem analytischen Ansatz tragsenergie (ESP) für DWS von den erzeu-
herangezogen werden müssen, um diesen gungsorientierten Parametern unabhängig
Abtrag zu beschreiben. sind. Dies ist durch weitere Parameterstudien
Es sind komplexe Modelle mit vielen Unbe- zu untersuchen.
kannten. Das Problem liegt insbesondere in Die DWS-Nukleotomie wird im Jahr 2006 in
der fehlenden Linearität und der fehlenden einer klinischen Multi-Center-Studie unter-
Definiertheit vieler Einflussgrößen, insbe- sucht, um so den Weg zu einer
sondere im Bereich des zu trennenden Mate- Standardtherapiemethode zu ebnen. Aus den
rials. In diesem Projekt konnte kein Beweis vorgestellten In-vitro-Studien an Geweben
156 Schlussbemerkung und Ausblick

des Bewegungsapparats haben sich außerdem Abtrag zu erzielen, während sie für die Oste-
andere Anwendungen abgeleitet. In erster otomie und Prothesenimplantation von
Linie ist die DWS-Synovektomie (Entfer- Nachteil sind, weil sie die geometrische Ge-
nung der Gelenkinnenhaut z.B. bei Rheuma) nauigkeit verschlechtern.
zu nennen, die ebenfalls schon klinisch an- Die Reaktionskräfte des Strahlkopfes sind
gewandt wird138. Zur Zeit wird untersucht, ob gering und zudem unabhängig vom Werk-
dieses Verfahren auch auf kleine Gelenke, stück. Die DWS-Technik eignet sich daher
wie z.B. Fingergelenke übertragbar ist. Auch besonders für die robotischen Systeme, wie
die Anwendung der DWS-Technologie in der sie heute schon im orthopädischen Operati-
Knorpelchirurgie und beim Tissue-Engineer- onssaal alltäglich sind (Abbildung 15-1).
ing sind Gegenstand weiterer Untersuchun- Ob das orthopädische Druckwasserstrahl-
gen der Arbeitsgruppe. trennen die Trenntechnik der Zukunft dar-
Die Bearbeitung von Hartgeweben und Bio- stellt, kann nach dieser Arbeit für ausge-
materialien mit dem ADWS wurde nicht auf- wählte Indikationen als nahe liegend angese-
gegeben. hen, für andere aber angezweifelt werden...
Es werden Schutzmechanismen (Strahlcat-
cher) entwickelt, um sicherzustellen, dass der
Strahl nicht unbeabsichtigt auf Weichgewebe
trifft. Weitere Arbeiten betreffen die Luftre-
duktion im Wasser-Abrasiv-Injektor-Strahl
(WAIS), wie sie z.B. durch eine Schnecken-
förderung bis in die Mischkammer zu ver-
wirklichen ist.
Aber auch der Wasser-Abrasiv-Suspensions-
Strahl (WASS) wird in diesem Zusammen-
hang weiter untersucht. An Zellkulturen wird
darüber hinaus untersucht welche Auswir-
kungen biokompatible Kristalle auf die Zel-
len hat. Die DWS-Technik repräsentiert eine
Gruppe spanender Trennverfahren mit geo-
metrisch unbestimmter Schneide. Die Zielpa-
rameter stehen in direkter Verbindung mit
den Materialparametern des Werkstücks. Bei
der DWS-Nukleotomie und der Endoprothe-
senrevision sind die unterschiedlichen Mate- Abbildung 15-1: Operationsroboter mit einem
rialparameter hilfreich, um einen selektiven ADWS-Strahlkopf.
157

16 Zusammenfassung des Nukleus pulposus gefunden werden.


Gleichzeitig stellte sich die Frage nach dem
Bei verschiedenen orthopädischen Opera- Schädigungspotenzial für angrenzende
tionen finden sich Probleme, die den Trenn- Strukturen, wie z.B. das Rückenmark oder
prozess betreffen: Bei der mikroinvasiven die Spinalnerven. Es wurden In-vitro-Kerb-
Nukleotomie wird der Nukleus pulposus versuche mit dem DWS an allen wirbelsäu-
durch einen kleinen Arbeitskanal abgetragen. lennahen Weichgeweben durchgeführt.
Mechanische Werkzeuge oder ein LASER Der Nukleus pulposus konnte mit einer Düse
erlauben keinen gewebeselektiven Material- mit dD=0,1mm Durchmesser schon bei einem
abtrag, und bergen die Gefahr andere Ge- Druck von pW=1MPa bearbeitet werden, wo-
webe, wie z.B. den Anulus fibrosus zu schä- hingegen der Anulus fibrosus (Faserring der
digen. Bei der Endoprothesenrevision muss Bandscheibe) erst ab pW=4MPa gekerbt
gesunder Knochen geopfert werden, weil wurde. Es wurden zwei Typen der DWS-Be-
bisher bekannte Trennverfahren für den Ma- arbeitung von Weichgeweben gesehen: Ge-
terialabtrag im Spalt zwischen Knochen und webe wie Rückenmark, Muskel oder Nukleus
Prothese ungeeignet sind. Bei der En- pulposus wiesen glatt begrenzte Kerben ohne
doprothesenimplantation oder der Osteotomie Veränderung angrenzender Gewebeareale
fehlt bisher ein athermisches Trennverfahren auf. Weichgewebe wie Anulus fibrosus (Fa-
mit hoher geometrischer Genauigkeit. serring der Bandscheibe), Hirnhaut oder
Das Trennen mit Hochdruckflüssigkeits- Sehnen zeigten dagegen eine ausgeprägte
strahlen hat sich u.a. beim Bearbeiten von Expansion durch Wassereinlagerung in den
thermosensiblen Verbundwerkstoffen be- interstitiellen Raum (Zwischenzellraum). Die
währt. Der entscheidende Vorteil einer medi- Expansion, eine grundsätzlich reversible Ge-
zinischen DWS-Anwendung liegt in der websschädigung, kann als Folge davon ge-
Möglichkeit des selektiven Materialabtrags deutet werden, dass der DWS im Gewebe
und im athermischen Trennprozess. deflektiert wird, weil die Energie zum Tren-
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Eig- nen der Fasermatrix nicht ausreicht. Anhand
nung der DWS-Technik für operative Trenn- eines empirischen Modells zu Trennprozes-
prozesse in der Orthopädie zu hinterfragen sen bei einer Operation konnte für die
und den Materialabtragsprozess im Gewebe mikroinvasive Nukleotomie mit einem DWS
zu untersuchen. Durch eine empirische und eine Risiko-Nutzen-Abwägung getroffen
analytische Modellbildung sollten Abhängig- werden, die weitere Projektphasen rechtfer-
keiten zwischen erzeugungsorientierten Para- tigte.
metern des DWS und Zielparametern der Das nachgewiesene Druckfenster für die se-
Operation aufgezeigt werden. lektive Nukleusbearbeitung (1-4MPa) war
Zunächst wurde ein empirisches Modell zu Grundlage für weitere präklinische In-vitro-
Trennprozessen bei einer Operation formu- Tests zur DWS-Nukleotomie. Die Material-
liert, das zur Wertung sämtlicher Versuchs- abtragsrate und der biomechanische Effekt
ergebnisse in Hinblick auf die geplante An- der DWS-Nukleotomie wurde im Vergleich
wendung am Menschen dienen sollte. mit den bereits klinisch angewendeten Me-
Für eine DWS-Nukleotomie mussten zu- thoden LASER-Nukleotomie und der Auto-
nächst geeignete Parameter zur Bearbeitung matisierten Perkutanen Lumbalen Diskoto-
mie (APLD) untersucht.
158 Zusammenfassung

Die Materialabtragsrate des DWS für Ge- Wegen der Gefahr einer Schädigung musste
webe des Nukleus pulposus zeigte keinen nach Wegen gesucht werden, den Druck zu
signifikanten Unterschied zu diesen Verfah- reduzieren.
ren. Im biomechanischen In-vitro-Vergleich Beim diskontinuierlichen Druckwasserstrahl
wurde eine Reduktion des Drucks innerhalb (DDWS) wird durch eine gezielte Strahlun-
der Bandscheibe durch die DWS-Nukleoto- terbrechung die dynamische Beanspruchung
mie und durch die APLD nachgewiesen. Der des Materials erhöht. Der DDWS wurde mit
LASER hatte keinen Effekt auf den Band- einer vor der Düse rotierenden Lochscheibe
scheibendruck. erzeugt. Bei gleicher hydraulischer Energie
Die Frage, ob das Operationsziel „Schmerz- des Strahls nahm die erzielte Kerbtiefe in
reduktion“ erzielbar ist, wurde in einer klini- PMMA durch die Strahldynamisierung zu,
schen Pilotstudie, in die 43 Patienten einge- während in Knochen die Kerbtiefen fast
schlossen und über 36 Monate nachunter- gleich blieben. Trotzdem musste das Druck-
sucht wurden, geklärt. Die DWS-Nukleoto- niveau für die Anwendung im Operationssaal
mie wurde in Lokalanästhesie (örtlicher als gefährlich hoch eingeschätzt werden.
Betäubung) bei einem Druck von pW=4MPa Eine weitere Alternative, um die Materialab-
und einem Düsendurchmesser von tragsrate zu erhöhen, ist der Abrasiv-Druck-
dD=0,1mm unter Verwendung eines speziel- wasserstrahl (ADWS). Hier werden dem
len Instrumentariums, welches das Absaugen Strahl Feststoffpartikel wie z.B. Korund bei-
von Wasser und Nukleuspartikeln ermög- gemischt. Da eine Anwendung des ADWS
lichte, durchgeführt. Es traten keine intra- bei Operationen bisher nicht beschrieben
und postoperativen Komplikationen auf. In wurde, mussten zunächst biokompatible
72% der operierten Fälle zeigten sich auch Abrasivstoffe gefunden werden. Geeignete
drei Jahre postoperativ sehr gute Ergebnisse. Stoffklassen sind z.B. Aminosäuren, ver-
Die DWS-Nukleotomie erzielte bei den Pati- schiedene Zucker oder Zuckeralkohole.
enten eine signifikante Schmerzreduktion, die In den folgenden Studien wurde der ADWS
über den gesamten Untersuchungszeitraum mit der Wasser-Abrasiv-Injektor-Technik
anhielt, so dass der Erfolg dieser Operation erzeugt. Als Abrasivmittel kam Laktose
als verifiziert gilt. (Milchzucker) zum Einsatz. Es wurden auch
Für die Endoprothesenrevision war zunächst hier Kerbversuche an Rinderkortikalis und
die Frage zu klären, ob und mit welchen Pa- PMMA durchgeführt. Die erzielten Kerbtie-
rametern die Materialien Knochen und Kno- fen sowohl in Knochen als auch in PMMA
chenzement mit einem DWS bearbeitet wer- waren signifikant größer als jene mit dem
den können. Dazu wurden vergleichende DWS. Ein selektiver Druckbereich konnte
Parameterstudien an Rinderkortikalis und zwar nicht ermittelt werden, aber die Kerbtie-
Polymethylmethacrylat (PMMA), dem fendifferenz zwischen PMMA und Rinder-
Hauptbestandteil von Knochenzement, mit knochen war mehr als doppelt so hoch wie
einem Düsendurchmesser von dD=0,3mm beim DWS.
durchgeführt. Eine Kerbflankenzone in der Nähe des Kerb-
Unterhalb von pW=40MPa wurde selektiv grunds war durch weit über die eigentliche
PMMA gekerbt. Beide Materialien konnten Fuge hinausgehenden Materialabtrag ge-
mit dem DWS nur oberhalb von pW=100MPa kennzeichnet. Als Ursache wird eine kerb-
mit einer auch in einer Operation akzeptablen grundnahe Strahldesintegration diskutiert.
Leistung gekerbt werden.
159

Um die Anwendbarkeit des ADWS zur Pro- werden: Wenn ein Grenzdruck für den Mate-
thesenimplantation und Osteotomie untersu- rialabtrag berücksichtigt wurde, zeigten sich
chen zu können, wurden Spongiosaproben auch hier gute Übereinstimmungen zwischen
mit unterschiedlichem Druck und Abrasiv- errechneten und gemessenen Kerbtiefen.
massenstrom getrennt. Die Schnittflächen Für den ADWS wurde eine eigene Kerbtie-
wurden vermessen, um Rauigkeit und fengleichung aufgestellt, bei der eine mate-
Schnittfugenwinkel bestimmen zu können. rial- und abrasivtypische Abtragsenergie als
Die Qualität der Trennschnitte wurde mit bekannt vorausgesetzt wurde. Diese war em-
jener einer oszillierenden Sägemaschine ver- pirisch mit wenigen Kerbversuchen zu
glichen. Mit dem ADWS erzielte Schnitt- bestimmen. Das Modell wurde an weiteren
fugen hatten einen positiven Schnittfugen- Kerbversuchen validiert. Dabei zeigte sich
winkel. Die Schnittfuge wurde in Strahlrich- eine gute Übereinstimmung mit den Mess-
tung breiter, was auf eine Beugung des werten in einem niedrigen Abrasivmassen-
Strahls an den einzelnen Schichten des trabe- strombereich, aber mit zunehmender Abra-
kulären Fachwerks zurückzuführen war. sivbeladung lagen die errechneten Kerbtiefen
Beim Abrasivmassenstrom von m& =2g/s über den gemessenen. Erst die Berücksichti-
zeigten sich im Vergleich zum Sägen keine gung eines Koeffizienten für den Geschwin-
signifikanten Unterschiede bezüglich Schnitt- digkeitsverlust in Mischkammer und Fokus-
fugenwinkel und Rauigkeit. Dies belegt die rohr erzielte eine überaus gute Übereinstim-
prinzipielle Eignung der Technik für Trenn- mung der errechneten Kerbtiefen mit den
schnitte in Spongiosa. experimentell ermittelten Werten. In der
Wesentliche Parameter des empirischen Mo- praktischen Anwendung bleibt die Ein-
dells zu Trennprozessen bei einer Operation schränkung bestehen, dass unbekannte intra-
konnten nicht durch empirische oder analyti- und interindividuelle Unterschiede in den
sche Kerbtiefenmodelle ersetzt werden. Materialeigenschaften der Gewebe die Ge-
Für alle getrennten Gewebe und Materialien nauigkeit einer errechneten Kerbtiefe limitie-
konnten zwar empirische Kerbtiefenmodelle ren.
aufgestellt werden, die aber auf andere er- In Abwägung der möglichen Vorteilen mit
zeugungsorientierte Parameter nicht über- dem Schädigungspotenzial einer DWS- An-
tragbar sind und die Schädigung des Patien- wendung zur Bearbeitung von Knochen und
ten nur marginär abbilden können. Knochenzement wurde auf weitere Untersu-
Das analytische Kerbtiefenmodell nach De- chungen zur Prothesenrevision, -implantation
cker konnte auf die Versuche mit einem und Osteotomie im Rahmen des vorgestellten
DWS an Weichgeweben angewandt werden Projekts verzichtet.
und es zeigten sich gute Übereinstimmungen Die Luftreduktion im Abrasivstrahl, die In-
zwischen errechneten und gemessenen Kerb- tegration in robotische Systeme und die Ent-
tiefen. Eine für die medizinische Anwendung wicklung geeigneter Weichgewebe-Schutz-
hinreichend genaue Kerbtiefenvorhersage mechanismen sind Ziele für zukünftige
war mit diesem Modell nicht möglich, weil Projekte. Die Anwendung des analytischen
bei diesen Geweben Materialparameter intra- ADWS-Kerbtiefenmodells im Bereich
und interindividuell sehr stark unterschied- technischer Materialien ist geplant.
lich sein können.
Für Knochen und Knochenzement musste das
Kerbtiefenmodell nach Decker modifiziert
160 Literatur

17 Literatur

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18 Glossar
Abrasion: Materialabtrag durch Partikel. Arthroskopie: Gelenkspiegelung durch
kleine Hautschnitte mit Faseroptik und Vi-
Abrasivmassenstrom: Abrasivmittelmasse, deokamera.
die dem Strahl in einer Sekunde beigemischt
wird. Asparagin: Aminosäure.

afferent: hinleitend, bezeichnet Nerven die athermisch: Ohne Temperaturerhöhung,


Signale zum zentralen Nervensystem hin welche die Werkstoffeigenschaften verän-
leiten (im Gegensatz zu efferent). dert.

Aldose: Zucker sind polyhydroxylierte Alde- ätiologisch: Die Entstehung betreffend.


hyde (Aldosen) und Ketone (Ketosen). Der
häufigste natürlich vorkommende Zucker ist Atrophie: Vollständige Rückbildung eines
die Aldose Glukose. Organs oder Gewebes.

Aldose-Reduktase: Enzym, das Zucker in Autopsiepräparat: Bei der Leichenöffnung


den entsprechenden Zuckeralkohol umwan- gewonnenes Präparat.
delt.
Axon: Zellfortsatz einer Nervenzelle, der bis
Almandit: Almandit ist eines der härtesten zu 1,5m lang sein kann.
Mineralien. Westaustralien hat das größte
Almandit-Vorkommen der Welt mit Reser- Azidität: Verhalten einer Säure.
ven von über sechs Millionen Tonnen.
Bandscheibendistensionstest: Die Band-
Aminosäure: Baustein der Eiweißmoleküle. scheibe wird mit einer Nadel punktiert und
unter Druck gebracht, um die den Schmerz
Ampholyte: Stoffe, die sowohl Säure als verursachende Bandscheibe zu finden.
auch Base sein können (z.B. Wasser oder
Aminosäuren). Basizität: Verhalten einer Lauge.

Anisotropie: Nicht gleichmäßige Verteilung Benzoylperoxid: Dient zur radikalischen


von Materialeigenschaften. Polymerisation von Methacrylsäuremethyl-
ester. Das den Monomeren zugesetzte Ben-
Antibiotikaprophylaxe: Gabe eines Antibio- zoylperoxid dient als Initiator der Reaktion.
tikums vor der Operation, um eventuell in Es zerfällt bei höherer Temperatur unter Bil-
den Körper eingebrachte Bakterien zu be- dung von Primärradikalen.
kämpfen, bevor diese zur Infektion führen.
Bingham-Medium: Modellbezeichnung
Anulus: Ring. eines Körpers, der nicht einer Newtonschen
Flüssigkeit entspricht, aber rheologische
Apophyse: Wachstumszone des Wirbelkör- Eigenschaften aufweist. An Stelle einer
pers. konstanten Viskosität Newtonscher
Flüssigkeiten wird bei Bingham Festkörpern
Arachnoidea: „Spinngewebshaut“. Zarte, oft mit einer scheinbaren (apparenten)
gefäßarme, bindegewebige, beidseits endo- Viskosität gerechnet
thelbedeckte mittlere Gehirn- und Rücken-
markshaut. Liegt der sie bedeckenden Dura
mater eng an.
190 Glossar

Bioabrasiv: Abrasivstoff, der im lebenden Disaccharid: Zucker, der aus zwei Molekü-
Organismus eingesetzt werden kann len eines Monosaccharides aufgebaut ist.
(Wortprägung des Autors).
diskogen: Bandscheibenbedingt.
bovin: Vom Rind.
Diskografie: Kontrastmitteldarstellung der
cerebrospinalis: Gehirn und Rückenmark Bandscheibe.
zugehörig.
Diskotomie: = Nukleotomie = Operation zur
Chemonukleolyse: Auflösen des Nukleus Entfernung eines Bandscheibenvorfalls.
pulposus durch Injektion eines Enzyms.
Dissektion: Zertrennung durch Schneiden.
Chymopapain: Enzym der Papaya-Frucht.
distal: Zur Körperperipherie hin gelegen.
Compliance: Bereitschaft des Patienten, bei
diagnostischen und therapeutischen Maß- Diszitis: Entzündung der Bandscheibe.
nahmen mitzuwirken.
dorsal: Zum Rücken hin gelegen.
Composite-Layer: Lagen eines Faserver-
bundwerkstoffs. dorsolateral: Seitlich und zum Rücken hin
gelegen.
Copolymer: Ein Copolymer setzt sich aus
unterschiedlichen Molekülen zusammen, die Dura mater: Harte Hirn- oder Rückenmarks-
zufällig an verschiedenen Stellen der Kette haut.
eingefügt sind. Homopolymer bedeutet
hingegen, dass die molekulare Kette des Po- Elastizität: Gültigkeit des Hooke-Gesetzes
lymers sich aus vielen identischen Molekülen (Proportionalität zwischen Spannung und
zusammensetzt. Verformung, Deformation vollständig
reversibel).
Creeping: Kriechen von Geweben bei Be-
lastung. Embolie: Ein im Gefäßsystem abgelöstes
Blutgerinnsel oder eine Luft- oder Fettblase
Deckplatte: Obere Abschlussplatte eines wandert mit dem Blutstrom in eine
Wirbelkörpers. Endstrombahn und verhindert hier den
Blutfluß. Bei der meist tödlichen Lungenem-
Deflexion: Strahlumlenkung durch Oberflä- bolie wird die Endstrombahn der Lunge ver-
chenkontakt. stopft und es findet kein Gasaustasch mehr
statt.
Dehydrogenase: Zur Gruppe der Oxidore-
duktasen gehöriges, im Allgemeinen sub- E-Modul: Der Elastizitätsmodul gibt das
stratspezifisches Enzym (z.B. Alkohol- Verhältnis der Spannung zur zugehörigen
Dehydrogenase). elastischen Verformung an, die nach einer
Entlastung vollständig zurückgeht.
Delamination: Schichttrennung bei Ver-
bundmaterialien. Endoprothese: In das Körperinnere einge-
brachter künstlicher Ersatz, z.B. eines Gelen-
Diaphyse: Mittelteil des Röhrenknochens, kes.
der eigentliche Anteil in dem der Knochen
als Kortikalisrohr ausgebildet ist. Endoprothesenrevision: Erneute Operation
am Kunstgelenk, z.B. wegen Lockerung oder
Infektion.
191

Endoskopie: Diagnostisches Verfahren zur Fluidmechanik: Verhalten von Flüssigkeiten


Untersuchung von Körperhöhlen und Hohl- oder Gasen unter Einfluss von Kräften.
organen wie z.B. Luftröhre, Bronchien, Ma-
gen oder Dickdarm durch die direkte Glomerulum: Filtrationseinheit der Niere als
Betrachtung mit Hilfe eines Endoskops. Man knäuelbildende Kapillarschleife des arteriel-
verwendet hier auch den Begriff „Spiege- len Wundernetzes.
lung“ (z.B. Magen- oder Darmspiegelung).
Granulozyt: Vor allem der Infektionsabwehr
Enzyme: Für den Stoffwechsel aller Orga- dienende weiße Blutzelle (Leukozyt).
nismen unentbehrliche Eiweiße, die als Bio-
katalysatoren biochemische Vorgänge durch Havers-System: Osteon, Baueinheit des
Senkung der notwendigen Aktivie- Knochens: bestehend aus Speziallamellen +
rungsenergie ermöglichen. Havers-Kanal + Havers-Gefäß.

Epithel: Deckzellschicht. Hirnventrikelsystem: Das Liquor führende


Hohlraumsystem des Gehirns.
Epiphyse: Gelenktragendes Ende eines
Röhrenknochens. Bei jungen Organismen Homopolymer: Siehe Copolymer.
findet in der Epiphyse das Längenwachstum
statt. Hyaluronsäure: Saures, hochviskoses, stark
wasserbindendes Glykosaminoglykan aus
Erosion: Schädigungsmechanismus, der 1,4-verknüpften Hyalobiuronsäure-Einheiten.
durch in das Material eindringendes Wasser
hervorgerufen wird. Hydroabrasivverschleiß: Abrasiver Ver-
schleiß in einer Flüssigkeit.
Excimer-LASER: Excimer oder "excited
dimer" steht dafür, dass zweiatomige Mole- Hydroxylapatit: Schwer lösliches komple-
küle angeregt werden. Es handelt sich hierbei xes Salz, das Bestandteil der Mineralsubstanz
um einen Gasentladungslaser und nicht um des Knochens und der Zahnhartsubstanz ist
einen Festkörperlaser. (3 Ca3[PO4]2·Ca[OH]2).

exotherm: Es wird Wärme abgegeben. hyperosmolar: Überschreiten der physiolo-


gischen Osmolarität.
Extrakorporale Stoßwellenlithotrypsie:
Verfahren, das über spezielle Ankoppelung Icejetting: Materialabtrag mit beschleunigten
Schallwellen, die piezoelektrisch erzeugt Eiskristallen.
werden, in den Körper einbringt. Bekannt ist
diese Methode als Nierensteinzertrümmerer. Indikation: Grund für die Durchführung
einer medizinischen Untersuchung oder
Femur: Oberschenkelknochen. Therapie, der diese rechtfertigen sollte.

Femurkondylen: Zwei spiralig gekrümmte Interstitium: Zwischenraum zwischen Kör-


Verbreiterungen am rumpffernen Ende des perorganen oder -geweben.
Oberschenkelknochens (Femur), die einen
Gelenkpartner des Kniegelenks bilden. interzellulär: Zwischen einzelnen Zellen.

Fettembolie: In das venöse System einge- interindividuell: Zwischen verschiedenen


brachtes Fett verstopft die Lungenstrombahn. Individuen.

Fibrozyt: Bindegewebszelle. intraindividuell: Innerhalb eines Indivi-


duums.
192 Glossar

intrazellulär: In einer Zelle. Konfidenzintervall: Ant einer Zufallsstich-


probe können Aussagen über eine unbe-
in vitro: Am nicht lebenden Objekt. kannte Grundgesamtheit getroffen werden.
Der Wertebereich, in dem der interessierende
in vivo: Am lebenden Individuum. Parameter der Grundgesamtheit mit einer
bestimmten Wahrscheinlichkeit zu erwarten
isoelektrischer Punkt: Der pH-Wert, bei ist, bezeichnet man als Konfidenzintervall.
dem amphotere Stoffe (z.B. Eiweiße) infolge
gleich starker Dissoziation ihrer sauren und Kortikalis: Synonym für Kompakta. Härtere,
basischen Gruppen elektrisch neutral er- äußere Knochenschicht. Die Substantia
scheinen. compacta erscheint als verdichtetes,
kompaktes Gewebe (kompakter Knochen),
Isomer: Eine Ausprägungsform von die Substantia spongiosa ist in Form von
Verbindungen bei gleicher elementarer Zu- schwammartigen Knochenbälkchen or-
sammensetzung (Summenformel) vorhan- ganisiert (spongiöser Knochen).
dene, durch Struktur (= Struktur- oder
Konstitutions-Isomer) oder räumliche An- Laktatazidose: Übersäuerung des Körpers
ordnung (= Raum- oder Stereo-Isomer) be- aufgrund erhöhter Milchsäurekonzentration.
dingte stoffliche Verschiedenheiten.
Lakune: Vertiefung, Grube, Lücke.
intraoperativ: Während der Operation.
laparoskopisch: Über eine Bauchspiegelung.
Katarakt: (Grauer Star) Linsentrübung des
Auges. lateral: Seitlich.

Kernspintomografie: Bildgebendes, als to- Ligament: Band.


pografische MR-Spektroskopie funktionie-
rendes Diagnoseverfahren (Schnittbildverfah- ligieren: Unterbinden eines Gefäßstumpfes
ren) unter Nutzung eines Magnetfelds hoher zur Verhinderung der Blutung.
Feldstärke sowie von in gepulster Form
eingestrahlten Radiowellen im Megahertz- Liquor: Der Liquor cerebrospinalis = Ge-
Band. hirnflüssigkeit dient dem Schutz des zentra-
len Nervensystems vor mechanischer
Kirschnerdraht: Spitzer steifer nicht-ros- Verformung un der Ernährung des
tender Draht, meist zur Fixation von Hirngewebes.
Frakturen an kleineren Knochen verwendet.
Luftembolie: In das venöse System einge-
Koagulation: Übergang eines kolloidalen brachte Luft, die physikalisch nicht im Blut
Systems aus dem Solzustand in ein Gel, das gelöst ist und daher in Form von Luftblasen
sich anschließend unter Austritt von Flüssig- die Lungenstrombahn verlegt.
keit verdichtet (z.B. bei Blutgerinnung). Die
Koagulation kann durch ein Enzym oder lumbal: Zur Lendenwirbelsäule gehörig.
durch chemisch-physikalische Faktoren
(Elektrolyte, Wärme) verursacht werden. Medizinproduktegesetz (MPG): Es regelt
die Anwendung von technischen Geräten am
Koagulationsnekrose: Nekrose infolge Ei- Patienten.
weißgerinnung, z.B. nach Temperaturerhö-
hung. metabolisieren: Verstoffwechseln.

Kondylen: Siehe Femurkondylen. Metaphyse: Ein Abschnitt eines Röhren-


knochens zwischen Diaphyse und Epiphyse.
193

Methionin: Aminosäure. Neurotransmitter: Überträgerstoffe, die an


Nervenendigungen freigesetzt werden.
Mikroembolisation: Verschließen von Ka-
pillaren durch kleine Festkörper. Nukleotomie: Operatives Entfernen eines
Bandscheibenvorfalls.
mikroinvasiv: Operation durch ein „Schlüs-
selloch“. Nukleus pulposus: Gallertkern der Band-
scheibe.
Mohs-Härte: Mohs führte 1811 ein Ritz-
Verfahren zur Prüfung der Härte von Mine- Ödem: Ein Ödem (Gewebswassersucht) ist
ralien ein. Er ordnete zehn Mineralien derart eine meist schmerzlose Ansammlung aus
in eine Härteskala ein, dass jedes Mineral dem Gefäßsystem ausgetretener Flüssigkeit
vom folgenden geritzt wird, das vorherge- in den Gewebsspalten.
hende dagegen selbst zu ritzen vermag.
onkotischer Druck: Er bildet sich entlang
mononukleäre Riesenzellen: Große parti- einer nur für Wasser durchlässigen Membran,
kelaufnehmende Zellen. wenn sich dies- und jenseits dieser Grenze
unterschiedlich stark konzentrierte Lösungen
Monosaccharid: Zucker, der aus einem Zu- befinden.
ckermolekül bestehen (z.B. Glukose).
Osmodiuretikum: Stoff, der über osmoti-
Morbidität: Wahrscheinlichkeit einer Neuer- sche Effekte die Urinausscheidung erhöht.
krankung.
Osteolyse: Auflösung und Abbau von Kno-
Mucopolysaccharid: Auch als Glykosa- chensubstanz, vor allem bei Entzündungen
minglykan bezeichnet, besteht aus Disac- und Tumoren.
charideinheiten, welche 1-4-glykosidisch zu
linearen Polysacchariden verbunden sind. Sie Osteon: Aus Knochenlamellen bestehendes
sind in der Lage Wasser zu binden und Knochensäulchen; entspricht als morphologi-
Bestandteil verschiedenster Gewebe wie z.B. sche Baueinheit einem Havers-Lamellensys-
Nukleus pulposus oder Knorpel. tem.

Myelin: Komplexes Gemisch aus Lipoiden Osteotom: Instrument zur Knochen-


(Phospholipide, Cholesterin und Cerebro- durchtrennung, einem Meißel vergleichbar.
side), das zusammen mit Neurokeratin we-
sentlicher Bestandteil der Markscheide der Osteotomie: Knochendurchtrennung.
Nervenzellen ist. Es dient als elektrischer
Isolator. paravertebral: Neben der Wirbelsäule.

Nekrose: Gewebstod in einem lebenden Parenchym: Das spezifische Gewebe eines


Organismus. Organs.

Nephrotomie: Schnitt in die Niere zur Ent- parenteral: Unter Umgehung des Verdau-
fernung von Steinen (Nephrolithotomie), zur ungstrakts.
transrenalen Fistelung (Nephrostomie) oder
Biopsie. pathologisch: Krankhaft.

Nervus facialis: Der VII. Hirnnerv versorgt Pathomechanismus: Der naturwissenschaft-


die mimische Muskulatur des Gesichts. lich erklärbare Ablauf einer Erkrankung.
194 Glossar

Perineurium: Kollagenhaltiges faseriges proteinogen: Eiweiß bildend.


Bindegewebe, das die einzelnen Faserbündel
im Nerv umkleidet. Proteoglykan: Makromolekulare Glykopro-
teine, bei denen viele Glykosaminoglykane
Periost: Knochenhaut. an ein Kernprotein gebunden sind;
Hauptkomponente der Bindegewebe neben
perkutan: Durch die Haut. Kollagen.

Pharmakodynamik: Wirkung eines Arz- Prothesenrevision: Zweiteingriff bei einem


neimittels auf den Organismus bzw. Reaktio- Kunstgelenk, meist Wechseloperation.
nen des Arzneimittels mit entsprechenden
Rezeptoren. Protrusion: Bandscheibenvorwölbung, die
in Verbindung mit der eigentlichen Band-
Pharmakokinetik: Wirkung des Organis- scheibe steht.
mus auf das Arzneimittel; beinhaltet Vor-
gänge wie Resorption, Verteilung, proximal: Zum Körperstamm hin gelegen.
Proteinbindung und Ausscheidung, die den
zeitlichen Ablauf der Arzneimittelkonzentra- randomisieren: Zufällig verteilen.
tion im Körper bestimmen.
Rautiefe: Maß für die Unebenheit einer
Plastizität: Proportionalität zwischen Span- Festkörperoberfläche. Gebräuchlich ist die
nung und Verformung bei irreversibler Angabe des arithmetischen Mittenrauwerts
Deformation. Ra (ISO 5436-1) oder der gemittelten Rau-
tiefe Rz (ISO 5436-1).
Polymethylmethacrylat (PMMA): Amor-
phes, transparentes und farbloses renal: Über die Niere.
Thermoplast, das zwar fest und starr, aber
gleichzeitig spröde und kerbempfindlich ist. Reposition: Einrenkung eines Gelenks, z.B.
einer Knieendoprothese.
Polysaccharidketten: Aus Zuckermolekülen
aufgebaute Moleküle, wie z.B. Stärke. Revisionsoperation: Erneute Operation.

Polyurethan: Thermoplastischer Kunststoff, Reynolds-Zahl: Eine nach dem Physiker


der in einer Polyadditionsreaktion aus Dial- Osborne Reynolds benannte dimensionslose
koholen oder Polyether und Diisocyanaten Kennzahl, die in der Strömungslehre
hergestellt wird. verwendet wird und das Verhältnis von
Trägheits- zu Zähigkeitskräften darstellt.
Post-Hoc-Test: Statistischer Test in Ergän-
zung zur Varianzanalyse. Wird auf Grund Sagittalschnitt: Schnitt durch die Körper-
dieser die Nullhypothese abgelehnt, muss mitte senkrecht zum Frontal- und
zum Zwei-Gruppenvergleich eine Post-Hoc- Transversalschnitt.
Testung (z.B. Tukey Test) durchgeführt wer-
den. Schädeltrepanation: Chirurgische Öffnung
der Schädeldecke.
Prolaps: Vorfall.
Sedierung: Beruhigung bzw. In-Schlaf-Ver-
Prostata: Vorsteherdrüse. setzung.

Proteindenaturierung: Irreversible Struk- Sequester: Bandscheibenvorfall ohne Ver-


turveränderung von Eiweißkörpern. bindung zur Bandscheibe.
195

Sorbitol: Zuckeralkohol. toxisch: Giftig.

Spinalkanal: Kanal innerhalb der Wirbel- Trabekel: Knochenbälkchen.


säule, in dem sich das Rückenmark und die
Spinalnerven befinden. Transmitter: Botenstoffe, die zur Informati-
onsübertragung im Körper dienen.
Spongiosa: Schwammknochen, siehe auch
Kortikalis. Trepan: Werkzeug zur Eröffnung einer Kör-
perhöhle.
Stichinzision: ca. 6mm langer Hautschnitt.
Tribologie: Kunde von Reibung und Ver-
Stoßwellenlithotripsie: Infraschalleinkopp- schleiß.
llung in den Körper, führt zur hohen me-
chanischen Energiedichte im Körper, was Troikar: Werkzeug zur Perforation von Ge-
z.B. zum Zertrümmern von Nierensteinen webe, insbesondere bei mikroinvasiven Ope-
genutzt werden kann. rationen.

Strahldeflexion: Ablenkung des Strahls. Tryptophan: Aminosäure.

Strahloszillation: Hin- und Herschwingen Tyrosin: Aminosäure


des Strahls.
univariate Varianzanalyse: Einfaktorielle
Stress-Shielding: Begriff für das Phänomen, Varianzanalyse, bei der lediglich eine abhän-
dass Implantate den Knochen vor gige Variable betrachtet wird.
Beanspruchung abschirmen.
Urinfistel: Verbindung des harnableitenden
Stress-Relaxation: Langsames Wiederein- Systems zu anderen Organen oder
nehmen der ursprünglichen Dehnung eines Körperhöhlen oder zur Außenseite des
Materials nach einer Belastung. Körpers.

Subarachnoidalraum: Raum zwischen den Utilisation: Gebrauch oder Ausnutzung eines


Hirnhäuten Arachnoidea und Pia mater, ge- Substrates im Zwischenstoffwechsel.
füllt mit Liquor.
Vakuole: Rundliches Bläschen im histologi-
subperiostal: Unter der Knochenhaut gele- schen Schnitt ohne sichtbaren Inhalt.
gen.
Validierung: Gültigkeitsprüfung.
Synovektomie: Entfernung der Gelenkin-
nenhaut (Synovialis). Validität: Gültigkeit.

Tenozyt: Sehnenzelle. vaporisieren: Übergang vom festen direkt in


den gasförmigen Aggregatzustand.
Thermokoagulation: Eiweißdenaturierung
durch Hitze führt zum Verkleben z.B. von vertebral: Zur Wirbelsäule gehörig.
Gefäßwänden, also zur Blutstillung.
Vickers-Härte: Härteprüfverfahren, bei dem
Thrombose: Durch Blutgerinnung entstan- eine Diamantpyramide in den Prüfkörper
dener Pfropf (Thrombus) innerhalb des Ge- eindringt.
fäßsystems (meist Venen).
Vigilanz: Aufmerksamkeit.
Tibia: Schienbein.
196 Glossar

Viskosität: Gültigkeit des Newton-Fließens Zuckeralkohole: Polyalkohole, entstanden


(Proportionalität zwischenSpannung und durch Reduktion der Aldehyd- oder Ke-
Verformungs-/ Flussrate bei Flüssigkeiten). togruppe von Monosacchariden.

viskoelastisch: Viskoses Verhalten mit elas- Zytoplasma: Zellinhalt mit Ausnahme des
tischem Anteil. Zellkerns. Das Plasma der Zelle ist durchsetzt
von Zellorganellen und ist der Ort vieler
Xylitol: Zuckeralkohol. Stoffwechselprozesse.
197

19 Anhang
19.1 Gleichungen

Laplace-Gesetz
pr σ..........Wandspannung
Gleichung 19-1: σ=
2d p ..........Druck (innerhalb des
Hohlkörpers)
r ...........Radius (des Hohlkörpers)
d ..........Wanddicke (des Hohlkörpers)

Kerbtiefenmodell nach Hlavac

Gleichung 19-2: k=
(
2 ⋅ p 0 ⋅ x 3 2 ⋅ π ⋅ d D ⋅ y −5 ⋅ 1 − λ2 ⋅ z )
c
(
4 ⋅ ρ m ⋅ ν ⋅ (v V + ν ′ ⋅ d D ⋅ y ) ⋅ λ ⋅ y
2 −4
⋅ x + c ⋅ σg )
p0 .........Druck der Flüssigkeit im un- ρm.........Dichte des Materials mit Ein-
komprimierten Zustand schlüssen
x ..........Gleichung 19-3 ν...........Gleichung 19-7
dD ........Düsendurchmesser c ...........Gleichung 19-5
y ..........Gleichung 19-4 k...........Kerbtiefe
λ .......... Koeffizient des Geschwindig- vV .........Vorschubgeschwindigkeit
keitsverlustes durch die Inter- ν’ .........Gleichung 19-8
aktion mit dem Material (Glei-
chung 19-10) σg .........Gleichung 19-9
z...........Gleichung 19-6

Gleichung 19-3: x = µ ⋅ p 0 ⋅ (1 − ζ ⋅ p 0 ) x ..........Variable für die Gleichung 19-2


µ .......... Ausflusszahl
p0 .........Druck der Flüssigkeit im un-
komprimierten Zustand
ζ .......... Kompressibilität der Flüssigkeit

Gleichung 19-4: y=γ 2 ⋅ξ⋅s y ..........Variable für die Gleichung 19-2


γ........... Strahl-Werkstückwinkel
s...........Arbeitsabstand
ξ .......... Abschwächungskoeffizient des
Strahls zwischen Düse und Mate-
rial
198 Anhang

c..........Variable für die Gleichung 19-2


Gleichung 19-5: c = ρ 0 ⋅ ρ m−1
ρo ........Dichte der Flüssigkeit
ρm .......Dichte des Materials mit Ein-
schlüssen

z..........Variable für die Gleichung 19-2


Gleichung 19-6: z = cos β + sin c − cos β ⋅ sin γ
c..........Gleichung 19-5
β .........Strahlanstellwinkel
γ..........Strahl-Werkstückwinkel

Gleichung 19-7: ν = 1+ χ ⋅a− 2 ν .........Variable für die Gleichung 19-2


a..........Größe der zu Grunde liegenden
Materialstruktureinheit
χ .........Koeffizient der Expansion des
reflektierten Strahls durch Ver-
mischung mit abgetragenem
Material

ν’........Variable für die Gleichung 19-2


Gleichung 19-8: ν′ = 1 + a − 2
a..........Größe der zu Grunde liegenden
Materialstruktureinheit

Gleichung 19-9: σ g = σ d ⋅ cos β + σ s ⋅ sin β β .........Strahlanstellwinkel


σs ........Scherfestigkeit des Materials
σd........Druckfestigkeit des Materials

3 3 3
Gleichung 19-10: 2 ⋅ C ⋅ µ ⋅ p ⋅ (1 − ζ ⋅ p w ) 2 ⋅ ρ ∗m ⋅ g
2 2 2
λ = 1− k w

8 ⋅ ρ W ⋅ η F ⋅ σ s ⋅ a ⋅ γ 3⋅ξ⋅s

λ........Koeffizient des Geschwindig- ηF ...... Dynamische Zähigkeit der Flüs-


keitsverlustes durch die Interaktion sigkeit
mit dem Material (Variable für die σs ...... Scherfestigkeit des Materials
Gleichung 19-2) a........Größe der zu Grunde liegenden
Ck ......Widerstandskoeffizient der Mate- Materialstruktureinheit
rialstruktur gegen den Strahl s ........Arbeitsabstand
µ .......Ausflusszahl
γ ........ Strahl-Werkstückwinkel
pW .....Wasserdruck
ξ........ Abschwächungskoeffizient des
ζ........Kompressibilität der Flüssigkeit Strahls zwischen Düse und Mate-
ρ ∗m ....Dichte des Materials ohne Ein- rial
schlüsse
g........Dynamische Materialpermeabilität
ρW .....Dichte der Flüssigkeit
199

Kerbtiefenmodell nach Hashish

  
C ⋅p
d  σ pd − 2 , 256⋅ f Stau

Gleichung 19-11: k = 1,128 ⋅ D ⋅ 1 − 0,5 ⋅  ⋅ 1 − e ηD ⋅ v V

Cf  p Stau   

k........... Kerbtiefe σpd.........Elastizitätsgrenze (Druck)


dD ......... Düsendurchmesser ηD .........Dämpfungsfaktor
Cf ......... Hydrodynamischer Reibungs- vV..........Vorschubgeschwindigkeit
koeffizient
pStau ...... Staudruck

Kerbtiefenmodell nach Blickwedel

pW − pG k .............Kerbtiefe
Gleichung 19-12: k = C⋅
( 0 ,86 +
2 , 09
) C.............Prozess- und Materialkennwert
vV vV
pW ...........Wasserdruck
pG ...........Grenzdruck für Materialabtrag
vV ...........Vorschubgeschwindigkeit

Kerbtiefenmodell nach Zeng und Kim

k .............Kerbtiefe
n1 . n2 . n3
Nm ⋅ pW ⋅ mW ⋅ m Nm ..........Partikelzahl
Gleichung 19-13: k= n4 n5 pW ...........Wasserdruck
C ⋅ d Str ⋅ v V
m
& w ........Wasserdurchsatz
m
& ..........Abrasivmassenstrom
n1-5 ..........empirisch zu ermittelnde Exponen-
ten
C.............Prozess- und Materialkennwert
200 Anhang

19.2 Vorversuche darüber hinaus verschiedene Massenstrom-


optima (Abbildung 19-1).
19.2.1 Vergleich potenzieller
Bioabrasivstoffe
k [mm] Sorbitol
Xylitol
Problem Saccharose
Die Materialhärte der nach physiologischen 8 Laktose
Gesichtspunkten ausgesuchten Bioabrasive 6
war nur teilweise bekannt. Die abrasive Wir- 4
kung bei Kunststoffen wie PMMA wurde in
der zur Verfügung stehenden Literatur nicht 2
beschrieben. 0 1 2 . 3
m [g/s]
Das Ziel dieser Vorstudie war der Vergleich
Kerbtiefe (k); Abrasivmassenstrom ( m
& ).
verschiedener potenzieller Bioabrasive, die in
der Abwägung aller Vor- und Nachteile den Abbildung 19-1: Die Kerbtiefe in Abhängigkeit
vom Abrasivmassenstrom für verschiedene Bio-
Weg in die klinische Anwendung finden abrasivstoffe.
könnten.

Methode Die unterschiedlichen Massenstromoptima


Es wurden die Zuckeralkohole Sorbitol und lassen sich auch hier zum Teil durch die un-
Xylitol sowie die Disaccharide Saccharose terschiedliche Masse der Abrasivstoffe erklä-
und Laktose in einer Korngröße von ren.
Mesh#45 verwendet. Es wurde der bekannte
WAIS-Kopf (dD=0,3mm) mit Hartmetall-
fokusrohr (dF=1mm, lF=60mm, Abbil- Schlussfolgerung
dung 6-9, S.61) eingesetzt und unter Verwen-
dung eines Vibrationsförderersa (S.217) mit Die pharmakologische Sicherheit von Lak-
verschiedenen Abrasivmassenströmen von tose im Sinne der Gefahr eines Gewebsscha-
m& =0,25–2,75g/s beaufschlagt. Die Versuche dens, z.B. durch direkte Zelltoxizität oder
wurden an Plexiglasproben mit einem Druck osmotische Wirkung (Klasse III) oder eines
von pW=100MPa durchgeführt. Mit jedem Fernschadens (Klasse IV), kann aufgrund der
Abrasivstoff und mit jeder Beladung wurden vorliegenden pharmakologischen Studien als
zehn 20 mm lange Kerben erzeugt. Diese relativ gering angesehen werden249. Laktose
wurden an 10 Punkten im Abstand von 2mm ist preiswert in unterschiedlichen Korngrößen
vermessen. erhältlich und stellt so den Abrasivstoff der
Wahl für weitere Untersuchungen dar.
Ergebnis
Für alle Abrasivmittel konnte eine Kerbwir-
kung nachgewiesen werden, wobei mit Lak-
tose die höchste Kerbtiefe erzielt wurde (Ab-
bildung 19-1). Die Abrasivmittel zeigten

a
Laborette, Laval Lab, Laval, CA,
http://www.lavallab.com.
201

19.2.2 In-vitro-Prüfung des


Instrumentariums für die DWS-
Nukleotomie C

Problem
Bei einem Druck von pW=4MPa und einem B
Düsendurchmesser dD=0,1mm ist das in die A
Bandscheibe eingebrachte Wasservolumen
sehr gering (30cm³/min, S.214). Trotzdem
führt eine rein rechnerische Ermittlung des
resultierenden Drucks in der Bandscheibe Abbildung 19-2: Schema des Versuchaufbaus zur
nicht zu der vom Medizinproduktegesetz Druckmessung während der DWS-Nukleotomie.
geforderten Sicherheit. Auch nach den be- Der Druck in der Bandscheibe wurde über ein Bohr-
loch im oberen Wirbelkörper gemessen. – Düse (A),
schriebenen Parameterstudien ist nicht be- Troikar (B), Drucksensor (C).
kannt, wie sich das Nukleusgewebe bei der
DWS-Bearbeitung in einem geschlossenen
Raum verhält. Möglicherweise entstehen
beim Abtrag so große Partikel, dass diese den
Der Wasserdruck wurde in 1MPa-Schritten
Saugkanal verstopfen. Offen ist die Frage, ob
bis zum Höchstdruck des Wasserstrahlskal-
die vorgestellten Instrumente eine gefährliche
pells (12MPa) gesteigert. Die untersuchten
Druckerhöhung in der Bandscheibe verhin-
Arbeitstroikare hatten Außendurchmesser
dern.
von 2,5mm und 3,0mm und Wandstärken
von 0,15mm. Der Druck wurde für zwei Po-
Ziel der folgenden Studie war die Messung
sitionen der Düsenkapillare relativ zum Troi-
des Bandscheibendrucks (pB) während der
kar gemessen: In der Position „TR“ befand
DWS-Bearbeitung des Nukleus mit einem In-
sich die Düse 5mm innerhalb des Troikarroh-
vitro-Modell.
res. In der Position „BS“ wurde die Düse
5mm in Relation zur Troikarspitze in den
Material und Methode
Bandscheibenraum vorgeschoben (Abbil-
In die Deckplatten 48 schlachtfrischer, lum-
dung 19-3).
baler Bewegungssegmente (Hausschwein,
Der Unterdruck für die Absaugung wurde
~100kg) wurde ein Druckaufnehmera einge-
zwischen -10kPa und -90kPa variiert. Für
schraubt (Abbildung 19-2).
jede Kombination der Parameter Druck,
Dieser stand über eine Bohrung in direkter
Troikardurchmesser und Unterdruck des
Verbindung mit dem darunter liegenden
Saugers wurden vier Segmente operiert: Zu-
Nukleus. Mit Hilfe des beschriebenen In-
nächst wurde die Düse in der Stellung „TR“
strumentariums wurde die DWS-Nukleoto-
mit dem jeweiligen Druck beaufschlagt und
mie bei gleichzeitiger Aufzeichnung des
dann in die Bandscheibe vorgeschoben und
Drucks in der Bandscheibe durchgeführt.
vor Ort belassen („BS“).

a
Typ MAR-K-2410, Fa. Megatron Elektronik GmbH,
München, DE, http://www.megatron.de.
202 Anhang

5 mm pB „BS“ 2,5mm Troikar


„BS“ [kPa] „TR“ 2,5mm Troikar

"BS" 60
40
20
5 mm 0
„TR“ -20
-40 messbares Minimum
pS [kPa]
-10 -20 -30 -40 -50 -60 -70 -80 -90
Bandscheibendruck (pB ; Saugunterdruck (pS).

Abbildung 19-3: Schema zur Definition der Düsen- Abbildung 19-5: Der Bandscheibendruck in
positionen. Abhängigkeit von der Düsenposition und der
Saugstärke.
(Der Messbereich des Drucksensors war nach unten
auf –25kPa beschränkt.)

Ergebnis Der 3mm-Troikar zeigte einen geringeren


In der Düsenposition „TR“ fand sich bei je- Druckanstieg innerhalb der Bandscheibe in
dem applizierten Druck (pW), Unterdruck (pS) jeder Düsenposition (p<0,001). In beiden
und Troikardurchmesser zu Beginn der Ope- Positionen, mit beiden Instrumentendurch-
ration ein Druckanstieg bis maximal 80kPa messern sowie bei jedem Absaugunterdruck
(42±24kPa, Abbildung 19-4). wurde ein maximaler intradiskaler Druckan-
Ein positiver Bandscheibendruck wurde ge- stieg um 90kPa registriert. Einzelne Druck-
messen, wenn sich die Düsenöffnung inner- spitzen während der Messungen waren im-
halb des Troikars befand und der pS<-60kPa mer kleiner als 20kPa. Diese Druckanstiege
war (Position „TR“, Abbildung 19-5). waren signifikant höher, wenn sich die Düse
im Troikar („TR“) befand (p=0,012).

Diskussion
Andersson hat bei In-vivo-Messungen an
pB[kPa]
gesunden Probanden einen maximalen intra-
100 diskalen Druck von pB=0,2MPa gemessen12.
Die Gültigkeit dieser Daten wird auch durch
50
neueste Publikationen bestätigt244.
0 Da beim Patienten das Bandscheibengefüge
bereits in unbekanntem Ausmaß vorgeschä-
-50 digt ist, muss die Zielvorgabe sein, dass der
0 60 120 180 240 t [s] intradiskale Druck während der Wasser-
Bandscheibendruck (pB) vs. Zeit (t) bei pW=4MPa. strahlapplikation deutlich unterhalb dieses
Abbildung 19-4 Typischer Verlauf des Band- Niveaus gehalten wird. Beim Einsatz des
scheibendrucks in Abhängigkeit von der Zeit. vorgestellten Instrumentariums mit einer in-
tegrierten Absaugung ist ein Maximaldruck
von weniger als 0,1MPa gemessen worden.
Dieser Wert liegt deutlich niedriger als die
203

beim normalen Gehen und Stehen gemesse- 19.2.3 Volumenbestimmung


nen Werte.
In der Düsenposition „BS“ herrschte immer Problem
ein vom Sauger aufgebauter Unterdruck in Das durch eine mikroinvasive Nukleotomie
der Bandscheibe. Ein höherer Druck wurde entfernte Nukleusvolumen zu messen, ist
gemessen, als sich die Düse im Troikar be- auch in vitro nicht einfach. Trennt man die
fand. Die durch den DWS erzeugte Strömung Bandscheibe nach der Operation auf, so kann
stört dann den Rückfluss von Wasser und eine Veränderung an diesem gallertartigen
Bandscheibenmaterial in den Troikar. Weichgewebe nicht verhindert werden. Das
Der Materialabtrag in der Bandscheibe er- Volumen muss in der geschlossenen Band-
zeugt feinkörnige Partikel (∅ ca. 0,1mm), so scheibe bestimmt werden. Aufgrund von
dass ein Verstopfen des Zwischenlumens Wasser, was im Präparat verbleiben kann,
nicht möglich ist. Es wäre allerdings mög- kann durch die Bestimmung der Präparats-
lich, dass Teile des bearbeiteten Nukleus pul- masse vor und nach der Operation nicht auf
posus in das Troikarlumen eingesaugt werden das entfernte Volumen rückgeschlossen wer-
und dieses für kurze Zeit verstopfen. Die in den.
dieser Studie gemessenen Druckerhöhungen Es galt daher, diesen geschaffenen Hohlraum
waren mit <0,1MPa so gering, dass von Fol- so zu fixieren, dass er durch ein Auftrennen
gen für den Patienten nicht auszugehen ist. der Bandscheibe nicht verändert wurde.
Hierzu wurde ein hochflexibles Abformmate-
Schlussfolgerung rial aus der Zahnmedizina verwendet.
Bei der DWS-Nukleotomie mit dem be- Die Reproduzierbarkeit dieses Verfahrens
schriebenem Operationsinstrumentarium ist war zunächst zu überprüfen.
mit einem Maximaldruck in der Bandscheibe
von pB=0,1MPa zu rechnen. Dieser Druck Material und Methode
kann in Wertung der Literatur als ungefähr- Es wurden 3 Bewegungssegmente mit einer
lich eingestuft werden, so dass mit einem Anulusperforation versehen. Dann wurden
Schaden der Klasse II und III von dieser die Bandscheiben quer aufgetrennt und mit
Seite her nicht zu rechnen ist. dem scharfen Löffel wurden unterschiedliche
Der hohe Druck kann vermieden werden, Mengen des Nukleusgewebes entfernt. Die
wenn die Düsenöffnung über das Troikarende Bandscheiben wurden mit Hilfe einer
vorgeschoben wird, so dass der Rückstrom Schraubzwinge dicht aufeinander gepresst.
im Troikar nicht durch den DWS behindert Zur Volumenbestimmung wurde der Dental-
wird. kunststoff mit einem Injektionsdruck von
0,2MPa in die Bandscheibe eingespritzt.
Nach dem Aushärten wurde die Bandscheibe
geöffnet und der Kunststoff entfernt. Jedes
Bewegungssegment wurde zehn Mal hinter-
einander ausgegossen. Die Gusskörper wur-
den gewogen und mit Hilfe der Dichte des
Kunststoffs wurde das Volumen bestimmt.

a
Typ PROVIL® novo Medium CD, Heraeus Kulzer
GmbH, Hanau, DE, http://www.kulzer.com.
204 Anhang

Ergebnis
Das entfernte Nukleusvolumen konnte mit
einer maximalen Standardabweichung von
±0,05cm³ bestimmt werden (Abbildung
19-6).

V [cm³]
1,0
0,8
0,6
0,4
0,2
0,0
1 2 3
Präparat

Abbildung 19-6: Das Nukleusvolumen in


Abhängigkeit vom Präparat.

Schlussfolgerung
Die Reproduzierbarkeit der Volumenbestim-
mung kann als hinreichend angesehen wer-
den.
205

19.3 Paravertebrale Weichgewebe


im histologischen Bild Abbildung 19-8:
Histologie eines
Fett Muskels.
Neben der DWS-
Fettgewebe besteht aus großen polyedrischen Kerbe sieht man
Zellen mit wandständigem abgeplattetem die typische quer-
Kern (Siegelringform der Zellen, Abbil- gestreifte Musku-
latur mit randstän-
dung 19-7). Die Fettzellen sind durch faseri- digen Zellkernen
ges Bindegewebe zu Läppchen zusammenge- (blau).
fasst. Ihre Funktion besteht im Wesentlichen
darin, Energiereserven für den Körper zu Die Untereinheiten der Fibrillen sind die
bilden. Mechanisch wird Fett relativ gering Proteine Aktin und Myosin. Diese Proteine
auf Druck beansprucht. sind die Grundlage der Kontraktilität. Sie
wandeln chemische in mechanische Energie
um.

Rückenmark
Abbildung 19-7: Rückenmark als Teil des zentralen Nerven-
Histologie von
Fett. systems hat einen runden bis elliptischen
Neben der schwarz Querschnitt.
markierten DWS- Es findet sich eine innen gelegene schmetter-
Kerbe sieht man
unversehrte groß- lingsförmige Figur, die sog. graue Substanz
blasige Fettzellen (Substantia grisea). Sie besteht hauptsächlich
mit randständigem aus multipolaren Nervenzellen und deren
Kern (rot)
Fortsätzen (Axone und Dendriten), Neuroglia
(Hüllzellen) sowie Blutgefäßen.
Die weiße Substanz (Substantia alba) um-
schließt die graue Substanz und besteht
Muskel größtenteils aus längs verlaufenden, mark-
Quergestreifte Muskelfasern haben eine haltigen und marklosen Nervenfasern
Länge von bis zu mehreren Zentimetern (Ab- (Axone) und Neuroglia (Abbildung 19-9).
bildung 19-8). Die Dicke der Fasern
schwankt zwischen 10µm und 100µm. Jede
Muskelfaser enthält meist hunderte an der Abbildung 19-9:
Oberfläche der Muskelfaser gelegene Zell- Histologischer
Querschnitt eines
kerne. Die Längsstreifung der Fasern ent- Rückenmarks
spricht der regelmäßigen Anordnung der Gekennzeichnet
Myofibrillen, deren Durchmesser 0,5–2µm sind die graue
Substanz (Nerven-
beträgt. Die charakteristische Querstreifung zellkörper) und die
beruht auf der Mikrostruktur dieses Gewebes. weiße Substanz
(Axone). Die Dura
umhüllt beides
(*= Ödem durch
DWS).
206 Anhang

Spinalnerv Nukleus pulposus


Nerven bestehen aus einzelnen Fasern, die Der nicht kompressible unregelmäßig be-
wiederum aus Achsenzylindern und myelin- grenzte Nukleus pulposus ist histologisch
haltigen, der elektrischen Isolation dienenden eine wenig faserige, gallertige Masse, die
Hüllen (Neuroglia) bestehen. Myelin besteht über 90% Flüssigkeit enthält (Abbil-
zu einem hohen Teil aus Lipiden. Das dung 19-11).
Grundgerüst der Nervenfasern besteht aus Vereinzelt sind in diesem Gewebe Zellkerne
Neurofibrillen, die untereinander Querver- sichtbar.
bindungen aufweisen, in den Fortsätzen an-
nährend parallel verlaufen und deren Ur-
sprung in den Zellkörpern liegt (Abbil-
dung 19-10).
Abbildung 19-11:
Histologie eines
Nukleus pulpo-
sus.
Von Septen ge-
kammerte, große,
mit Flüssigkeit
gefüllte Zellen
beherrschen das
Abbildung 19-10: Bild (Zellkerne
Histologie eines rot).
Spinalnervs.
Unter der DWS-
Kerbe sieht man
ein Spinalgang-
lion. Anulus fibrosus
Der Anulus fibrosus besteht aus konzentri-
schen, durchflochtenen Lagen von straffem
Dura mater Bindegewebe. Der Faserring zeigt einen la-
Direkt dem Rückenmark angelagert findet mellären Aufbau; daraus entsteht das mikro-
sich die weiche Rückenmarkshaut, die Pia skopisch charakteristische Fischgrätenmuster
mater spinalis. Die Pia („die Zarte“) besteht (Abbildung 19-12).
aus lockerem, faserigem Bindegewebe –
kollagenen Fasern mit longitudinaler Ver-
laufsrichtung – und umschließt kleinere Blut-
gefäße. Zwischen Pia und äußerer Dura be-
findet sich der Subarachnoidalraum (Arach-
noidea = Spinngewebshaut), der den Liquor Abbil-
dung 19-12:
cerebrospinalis enthält. Die aus straffem,
Histologie eines
faserigem Bindegewebe aufgebaute Dura Anulus fibrosus.
mater spinalis (harte Hirnhaut) stellt die äu- Lamellärer Auf-
bau mit sich
ßere Umhüllung dar (Abbildung 19-9). Sie
kreuzenden
hat eine mechanische Schutzfunktion. Dieser Schichten. (Zell-
Anteil der Hirnhaut wurde in der Studie un- kerne blau).
tersucht.
207

Diese sind zu größeren Bündeln zusammen-


Die Beanspruchung erfolgt im Wesentlichen gefasst und verlaufen parallel zueinander in
auf Zug: Druckkräfte wirken auf den zentra- Zugrichtung.
len Nukleus, wodurch die Fasern des Anulus Zwischen ihnen liegen Kollagen- und Gitter-
gespannt werden und so Zugkräfte auf die fasern, welche die elastischen Faserbündel
knöchernen Randleisten des Wirbelkörpers vornehmlich quer zur Längsachse umwi-
übertragen. ckeln.

Band Sehne
Die Kollagenfasern der zugfesten Bänder Sehnen enthalten als mechanisch wirksame
(Ligamente) sind zu parallel geordneten Fa- Bauelemente kräftige Kollagenfasern, die zu
serbündeln zusammengefasst. Charakteris- parallel geordneten Bündeln zusammenge-
tisch ist der gewellte Verlauf (Abbil- fasst sind. Im ungedehnten Zustand verlaufen
dung 19-13). Die Fibrozyten liegen, der Ver- sie leicht gewellt (Abbildung 19-14). Zwi-
laufsrichtung angepasst, in langen Reihen schen den Faserbündeln liegen in Reihen
geordnet und mit spindelförmig gewellten angeordnet die Kerne der als Tenozyten
Kernen vor. (Sehnenzellen) bezeichneten Fibrozyten.
Weiterhin enthalten sie einen größeren Anteil
elastischer Fasernetze.

Abbildung 19-13: Abbildung 19-14:


Histologie eines Histologie einer
Ligaments. Sehne.
Die Fibrozyten Typischer gewell-
sind in Verlaufs- ter Verlauf der
richtung in langen Fasern im unge-
Reihen angeord- dehnten Zustand.
net.
208 Anhang

19.4 Eigenschaften der Materialien und Abrasivstoffe

19.4.1 Hartgewebe Kortikalis

E-Modul [GPa] E-Modul [GPa]


Richtung Orientierung
Humane Kortikalis Bovine Kortikalis
Zug longitudinal 17,9±0,9 23,1±3,2
Zug transversal 10,1±2,4 10,4±1,6
Druck longitudinal 18,2±0,9 22,3±4,6
Druck transversal 11,7±1,0 10,1±1,8
Tabelle 19-1: E-Modul von humaner Kortikalis in Zug- und Druckrichtung
im Vergleich zu Rinderkortikalis233;234.

Festigkeit [MPa] Festigkeit [MPa]


Richtung Orientierung
Humane Kortikalis Bovine Kortikalis
Zug longitudinal 135±16 150±11
Zug transversal 053±11 049±07
Druck longitudinal 105±17 172±03
Druck transversal 131±21 146±32
Tabelle 19-2: Zug- und Druckfestigkeit von humaner Kortikalis im Vergleich zu Rinderkortikalis233;234.

19.4.2 Knochenzement

E-Modul Druckfestig- Schlagzähigkeit Biegefestig- Vickers-Härte


Material
[N/mm²] keit [MPa] [kJ/m²] keit [kJ/m²] [MPa]
Refobacin-
2226±117 95,11±2,57 3,88±0,45 72,3±3,29 195
Palacos
Technovit
2000-2300 100-120 6,41 95,00 137
4004
CMW-3™ 1950 81,42 2,90 70,30 148

Tabelle 19-3: Mechanische Eigenschaften im Vergleich zwischen Technovita und Refobacin-Palacosb und
CMW-3c.

Zugfestigkeit Druckfestigkeit
Mischtechnik
[MPa] [MPa] E-Modul [MPa]
Handmischung 25,0 87,0 2340
Vakuummischung 47,0 96,0 2710
Tabelle 19-4: Vergleich der mechanischen Eigenschaften von CMW-3-Knochenzement
bei verschiedenen Anmischtechniken161;182.

a
Heraeus Kulzer GmbH, Hanau, DE, http://www.kulzer.com.
b
Biomet Merck, Sjöbo, SE, http://www.bonecement.com.
c
Depuy, Leeds, GB, http://www.depuy.com.
209

19.4.3 Technische Abrasivstoffe

Normbezeichnung Handelsbezeichnung Korngröße dp [µm]


grob sehr grob 775-4550
mittel grob 274-650
fein mittel 81-230
sehr fein fein 6,5-68
mikrofein <4,5-6,5
Tabelle 19-5: Klassifizierung der Korngröße nach König125;171.

Mineral Masse

Garnet (Almandit) 97-98%

Ilmenit 1-2%

Zirkon <0,20%

Quartz <0,50%

Andere <0,25%

Tabelle 19-6: Lichtmikroskopie des Abrasivstoffs Garnet* (GMA) und seine Zusammensetzung.

*
GMA Garnet PTY, Sydney, AU, http://www.gmagarnet.com

19.4.4 Eigenschaften der Bioabrasive Bei alleiniger Betrachtung der resultierenden


osmotischen Belastung kann z.B. Laktose mit
In diesem Kapitel werden die Überlegungen, einer Molmasse von 360g theoretisch mit
die zur Auswahl der Abrasivmittel zum ca. 100g pro Liter Infusionslösung zugesetzt
Schneiden von Knochen und Knochenzement werden, ohne dass die physiologische Os-
geführt haben, dargelegt. molarität von 290mosmol/L überschritten
wird249. Die Untersuchungen ergaben, dass
Disaccharide die Enzyme Saccharase und Laktase im Blut
In der großen Stoffklasse der Kohlenhydrate bzw. an den Blutangrenzenden Membranen
erfüllen einige Disaccharide die geforderten nur in unbedeutender Menge vorkommen, die
Eigenschaften an einen biokompatiblen Disaccharide also bei parenteraler Zufuhr
Abrasivstoff besonders gut. Pharmakologi- enzymatisch nicht in die für den Organismus
sche Datena liegen für Saccharose (Glukose - verwertbaren Monosaccharide spaltbar oder
Fruktose), Laktose (Glukose - Galaktose) und auf andere Weise metabolisierbar sind, son-
Maltose (Glukose - Glukose) vor. dern unverändert renal eliminiert werden208.
Bei parenteraler Zufuhr von Maltose wurde
eine Umsatzkapazität von 100g/d beobachtet,
a
Pharmacia & Upjohn GmbH, Erlangen, DE, wobei jedoch diese Utilisationsrate für die
http://www.pharmacia.de.
210 Anhang

Praxis zu niedrig ist und eine ununterbro- Aus technischer Sicht ist Mannitol als Abra-
chene Zufuhr erforderlich machen würde237. sivstoff gut geeignet, da es gering hygrosko-
Diesen Untersuchungen zufolge sind toxische pisch und somit gut rieselfähig und zudosier-
Effekte bei Zufuhr einer hyperosmolaren bar ist (Abbildung 6-2, S.57). Ein Problem
Lösung allein aufgrund von Flüssigkeitsver- im Vergleich zur Laktose ist die Beschaffung
schiebungen aus dem intra- in den extrazel- einer geeigneten Körnung, weshalb der Lak-
lulären Raum zu erwarten. Die hohen Mol- tose für die Durchführung dieser Arbeit der
massen sind für eine Anwendung als Abra- Vorzug gegeben wurde. Nach entsprechender
sivstoff interessant, da sich Massenströme Siebung zeigten einige Kerbversuche mit
von ca. 10% (s.o.) realisieren lassen. Selbst Mannitol jedoch ähnlich gute Ergebnisse wie
wenn größere Mengen in den Blutkreislauf ADWS-Kerben mit Laktose.
gelangen sollten, würden diese Substanzen Ebenso geeignet ist das zu Mannitol isomere
mit Ausnahme der Maltose unverändert renal Sorbitol, mit dem sich auch gute Kerber-
eliminiert werden208. gebnisse erzielen ließen. Obwohl es hygro-
Das Disaccharid α-Laktose-Monohydrat ist skopischer als Mannitol ist und ein schnelle-
in verschiedenen Korngrößen erhältlich, gut res Verstopfen der Düse und des zuführenden
rieselfähig, d.h. mäßig hygroskopisch und Systems zu erwarten gewesen wäre, ließ sich
relativ preiswert. Es hat eine Molmasse von das Probekerben ohne Probleme durchführen.
360,32g/Mol, eine Dichte von 1,52g/cm3 und Sorbitol hat nahezu die gleiche Molmasse
ist bei 25°C langsam in Wasser löslich, bis zu wie Mannitol und weist eine sehr gute Lös-
einem Volumenanteil von ca. 16% bzw. lichkeit in Wasser auf. Es wird im Gegensatz
einem Massenanteil von ca. 25%. zu Mannitol in der Leber durch das Enzym
Sorbitol-Dehydrogenase in Fructose und in
Zuckeralkohole kleinen Mengen durch das Enzym Aldose-
Der sechswertige Zuckeralkohol Mannitol ist Reduktase in Glukose umgewandelt. Intrave-
ebenfalls aus der parenteralen Anwendung nös wurde Sorbitol zur parenteralen Ernäh-
bekannt. Zwar weist Mannitol nur eine Mol- rung sowie als Osmodiuretikum verwendet,
masse von 182,17g/Mol auf und ist daher was jedoch wegen des Risikos einer Laktat-
hinsichtlich des maximal möglichen Abra- azidose nicht mehr üblich ist.
sivmassenstroms begrenzt (max. 5,3%). Je-
doch wird es als pharmakodynamisch inertes Salze
Osmodiuretikum in Dosen von bis zu 2g/kg NaCl ist nur bedingt geeignet, da es höchs-
Körpergewicht verwendet und als hyperos- tens mit einem Massenstrom von 0,9% zudo-
molare Lösung innerhalb von 30–60 Minuten siert werden kann. Da jedoch die anorgani-
appliziert. Dadurch sind selbst bei ungüns- schen Kochsalzkristalle einen höheren Härte-
tigsten Umständen mit großen Mengen von grad als die organischen Zucker-, Zuckeral-
in den Blutkreislauf eingeschwemmtem kohol- oder Aminosäurekristalle aufweisen
Mannitol keine schädlichen Effekte für den und dadurch wahrscheinlich auch der Materi-
Organismus zu befürchten, da es bei einer alabtrag erhöht wird, wären vergleichende
Eliminationshalbwertszeit von ca. 100 Mi- Kerbversuche hinsichtlich der Effektivität
nuten rasch und unverändert renal ausge- interessant.
schieden wird. Die Löslichkeit ist der von Aminosäuren
Laktose ähnlich, der Auflösungsprozess er- Aminosäuren (AS) sind kristalline, erst ober-
folgt aber schneller208. halb von 230°C unter Zersetzung schmel-
211

zende Substanzen von meist süßlichem Ge- Die basischen Aminosäuren Arginin und Ly-
schmack, die sowohl basische als auch saure sin sind aufgrund ihrer Basizität theoretisch
Eigenschaften aufweisen und daher mit Mi- ungeeigneter212. Werden diese Substanzen
neralsäuren und Laugen Salze bilden. Solche während des dem Materialabtrag folgenden
Verbindungen, die in saurer Lösung Kationen Auflösungsprozesses nicht schnell genug
und in alkalischer Lösung Anionen bilden verdünnt und abgesaugt, besteht das Risiko
können, werden auch als Ampholyte be- lokaler irreversibler Kolliquationsnekrosen
zeichnet. AS lösen sich gut in Wasser, weni- durch alkalische Hydrolyse der Proteine des
ger gut in Ethanol und sind in Ether und an- betroffenen Gewebebereichs.
deren organischen Lösungsmitteln praktisch Ähnliches gilt theoretisch für die sauren AS
unlöslich103. Asparaginsäure und Glutaminsäure und
Unter Berücksichtigung technischer und eingeschränkt auch für ihre weniger sauren
biologischer Parameter sind von den 20 pro- Amide Asparagin und Glutamin. Im Gegen-
teinogenen AS uneingeschränkt nur fünf satz zu basischen Substanzen könnte durch
neutrale AS (Alanin, Glycin, Isoleucin, Thre- Ansäuerung des Gewebes eine lokale Koa-
onin und Valin) als Abrasivmittel geeignet gulationsnekrose durch Denaturierung der
(Tabelle 19-7). Die heterozyklischen AS Gewebeproteine entstehen.
Histidin und Prolin sind ebenfalls verwend- Azidität bzw. Basizität könnten jedoch durch
bar. Diese AS sind hinsichtlich Molmasse, eine geeignete Pufferlösung als Beschleuni-
Wasserlöslichkeit und isoelektrischem Punkt gungsmedium für die Abrasivpartikel ver-
bzw. pH-Wert einer wässrigen Lösung gut mindert werden. Die pH-geeigneten AS soll-
für einen Einsatz als Abrasivmittel geeignet. ten zunächst bevorzugt untersucht werden.
Eine letzte Entscheidung könnte nur durch Problem bei der Verwendung von AS als
vergleichende Schnittversuche sowie um- Abrasivstoffe ist, dass es sich nicht um
fangreiche Gewebeverträglichkeitsstudien pharmakologisch inerte Substanzen handelt,
getroffen werden. sondern dass diese in verschiedenen Stoff-
Leucin hat einen durch die Wasserlöslichkeit wechselwegen metabolisiert und in andere
begrenzten maximalen Abrasivstoffmas- Stoffe, wie z.B. Hormone (Tyrosin, Tryp-
senstrom, der aber trotzdem noch im Bereich tophan, Histidin) oder Neurotransmitter
der Massenströme anderer AS liegt. Eine (Glutaminsäure) umgewandelt werden208.
Lösung der AS Serin könnte nach Dissozia- Wie jedoch aus der vorausgegangenen Be-
tion schon zu sauer sein. Limitiert durch die trachtung ersichtlich, kommen bei Nutzung
maximale Wasserlöslichkeit und nicht durch von reinem Wasser als Beschleunigungsme-
Erreichen der Grenzosmolarität von dium uneingeschränkt nur die AS Alanin,
290mosmol/l sind eindeutig die sauren AS Glycin, Isoleucin, Threonin und Valin sowie
Asparaginsäure und Glutaminsäure, die aro- die heterozyklischen AS Histidin und Prolin
matische AS Tyrosin sowie die heterozykli- als Abrasivstoffe in Frage.
sche AS Tryptophan (Tabelle 19-7). Im Die Belastung bei einer späteren intraoperati-
Grenzbereich der Wasserlöslichkeit, d.h., ven Anwendung ist zwar nur kurz, aber im
290mosmol/l können nicht ganz erreicht ungünstigsten Fall kommt es innerhalb weni-
werden, befinden die Amide der sauren AS ger Minuten zu einer massiven Einschwem-
Asparagin und Glutamin, die schwefelhaltige mung einer oder mehrerer AS in den Blut-
AS Methionin sowie die aromatische AS kreislauf mit daraus resultierenden Plasma-
Phenylalanin (Tabelle 19-7). konzentrationen, die erheblich über denen der
212 Anhang

gebräuchlichen Infusionslösungen liegen Aus technischer Sicht sollten diese ausge-


könnten. Langzeitschäden, wie sie infolge wählten AS noch auf die für die Zudosierung
permanent erhöhter AS-Konzentrationen bei wichtigen Eigenschaften, wie die erhältlichen
Stoffwechselstörungen auftreten, sind wegen Korngrößen, die Kristallform sowie die Hyg-
des äußerst kurzen Applikationszeitraums roskopie untersucht werden. Probeversuche
nicht zu erwarten. Die Auswirkungen einer mit Glycin als Abrasivstoff verliefen jedoch
kurzzeitigen Überdosierung müssen aber vor hinsichtlich der Schnittergebnisse sowie der
einer Anwendung geprüft werden. Förderungseigenschaften unproblematisch.

Wasser- Iso-
Massenstrom bei
Molmasse Plasma-Konzentration löslichkeit elektri-
Aminosäure 290 mosm/L
[g/Mol] postabsorptiv[µMol/L] bei 25°C scher
[g/min]
[g/100g] Punkt
Alanin 089,10 344 ±29 2,60 16,50 6,01
Glycin 075,07 215 ±8 2,20 25,00 5,97
Leucin 131,18 112 2,30 (3,80) 2,30 5,98
Isoleucin 131,18 59 ±2 3,80 4,10 6,02
Serin 105,10 109 3,00 5,00 5,68
Threonin 119,12 134 3,50 20,50 6,16
Valin 117,15 212 ±8 3,40 8,80 5,96
Arginin 174,21 69 ±8 5,10 15,00 10,76
Lysin 146,19 164 ±9 4,20 100,00 9,82
Asparaginsäure 133,11 <20 0,50 (3,80) 0,50 2,77
Asparagin 132,12 – 3,10 (3,80) 3,10 5,41
Glutaminsäure 147,14 600 0,84 (4,27) 0,80 3,24
Glutamin 146,15 70 3,60 (4,24) 3,60 5,65
Cystein 121,16 92 ±5 3,50 100,00 5,02
Methionin 149,22 24 3,50 (4,30) 3,50 5,74
Phenylalanin 165,20 49 3,00 (4,80) 2,90 5,48
Tyrosin 181,20 54 ±4 0,05 (5,30) 0,05 5,66
Histidin 155,16 73 ±4 4,50 7,50 7,59
Prolin 115,14 175 ±3 3,30 162,30 6,30
Tryptophan 204,23 39 1,10 (5,90) 1,10 5,89
Tabelle 19-7: Aminosäuren und ihre wichtigsten Eigenschaften.
Die Massenströme sind einerseits für die physiologische Osmolarität unter Berücksichtigung der Löslichkeit dar-
gestellt, andererseits sind die allein aufgrund der Molmasse theoretisch möglichen Abrasivmassenströme bei Ver-
nachlässigung der Wasserlöslichkeit bei 25° aufgeführt (Werte in Klammern).
213

19.5 Verfahren zur Härtebestim- metern gemessen werden, miteinander ver-


mung glichen werden.
Verschiedene Arbeitsgruppen verwenden
Als Härte wird der Widerstand bezeichnet, Mikroprüfspitzen, um die Härte von kleinen
den ein Körper dem Eindringen eines ande- Kristallen296 oder von einzelnen Osteonlam-
ren entgegensetzt. ellen im Knochen238 bestimmen zu können
Mohs führte 1811 ein Ritz-Verfahren zur (Nanoindentation).
Prüfung der Härte von Mineralien ein. Er
ordnete zehn Mineralien derart in eine Härte-
skala ein, dass jedes Mineral vom folgenden F Prüfkraft
geritzt wird, das vorhergehende dagegen
selbst zu ritzen vermag. Die Härteskala von Pyramiden
Eindring-
Mohs konnte sich nur in der Mineralogie eindruck
spitze
behaupten. Für die Härteprüfung von Metal-
len ist sie zu grob. Probe d2
Dementsprechend wird bei den gebräuch-
lichsten Härteprüfverfahren nach Brinell
Unterlage d1
(Abbildung 19-15), Vickers (Abbildung Aufsicht Probenoberfläche
19-16), oder Rockwell ein unterschiedlich
Abbildung 19-16: Schema zur Härteprüfung nach
gestalteter, harter Prüfkörper senkrecht zur Vickers.
Oberfläche der Probe in diese eingedrückt.
Der mit einer definierten Prüfkraft hervorge-
rufene Eindruck wird vermessen.
Leider fand sich in der Literatur kein Tabel-
lenwerk, in dem alle für das Projekt wichti-
gen Härten, gemessen mit einem Verfahren,
F Prüfkraft dargestellt waren. Lediglich die Vickers-
Härte von GMA konnte der Herstellerinfor-
Kugel
Eindring- mation entnommen werden. Um die Vickers-
dK eindruck
kugel Härten der Abrasivstoffe bestimmen zu kön-
nen, wurden in einer übersättigten Lösung
Probe d2 große Kristalle gezüchtet. Im Gegensatz zu
Saccharose und Kochsalz, bei denen sich das
Unterlage d1 Züchten von Kristallen als unproblematisch
Aufsicht Probenoberfläche erwies, gelang es nicht, eine entsprechende
Kristallgröße bei Laktose zu erlangen.
Abbildung 19-15: Schema zur Härteprüfung nach
Für dieses Projekt sind die Härten lediglich
Brinell.
zur Abschätzung der Abrasivität gefragt, so
dass eine Härteprüfung der beteiligten Mate-
rialien durch Nanoindentation in weiteren
Der ermittelte Wert ist abhängig von Prüf- Projektschritten erfolgt.
kraft, Prüfdauer und Geometrie der Prüf- In Abbildung 19-17 sind die gebräuchlichsten
spitze. Es können daher nur Werte, die mit Härteskalen gegenübergestellt.
der gleichen Methode unter gleichen Para-
214 Anhang

Al- ungehärtete gehärtete Nitrier- Hartmetalle Diamant


Legierung Stähle Stähle Härteschichten
100 300 500 HB
Brinell
60 115 HRF
20 30 40 50 60 70 HRG
Rockwell
65 70 75 80 82 84 84 86 88 92 94 HRA
35 100 HRB
100 200 400 600 800 1000 1400 2000 HV 10000
Vickers
1 4 5 6 7 8 9 10
Mohs
Speck- Fluß- Apatit Feldspat Quarz Topas Korund Diamant
stein spat

Abbildung 19-17: Die gebräuchlichen Härteskalen in einer vergleichenden Gegenüberstellung a.


a
nach: Höhere Technische Bundeslehranstalt,
Steyr, AT, http://www.htl-steyr.ac.at.

19.6 Details zu Methoden zur Druckerzeugung

Wasserstrahlskalpell

pW [MPa] 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
0,10mm 13,4 19,5 24,6 29,8 31,7 36,1 38,9 41,6 43,8 47,2 49,6 50,8 53,6 56,1 57,1 58,8

0,12mm 20,9 27,0 32,9 37,9 44,4 48,7 52,6 56,1 59,4 62,5 65,9 68,9 72,3 75,9 77,9 80,0

0,15mm 40,5 72,3 88,2 98,4 111,1 125,0 139,5 146,3 153,8 162,2 171,4 176,5 187,5 193,5 200,0 206,9
[ml/min].

Tabelle 19-8: Der Volumenstrom des Wasserstrahlskalpells in Abhängigkeit von Druck und
Düsendurchmesser.
215

Industrieanlage

Bild: Böhler Hochdrucktechnik.

Abbildung 19-18: Blockschema der Hochdruckpumpe der Industrieanlage.

Laboranlage
Zentrales Element der Pumpeneinheit (Abbil- dämpfer ausgeglichen. Dieser Pulsations-
dung 19-19 und Abbildung 6-5, S.59) bildete dämpfer ist bis zu einem Druck von 70MPa
eine Differenzialkolbenpumpe, die im Pri- zugelassen. Er besteht aus zwei durch eine
märkreislauf mit Druckluft angetrieben wird. Membran getrennte Kammern. Eine Seite der
Das Flächenverhältnis zum Sekundärkolben Membran ist mit Stickstoff (28MPa) gefüllt.
ist 1:122. Der Sekundärdruck kann also über Die zweite Kammer ist mit dem Hochdruck-
den Pressluftdruck geregelt werden. kreislauf verbunden. Bei Rückführen des
Die Eigenpulsation der Kolbenpumpe wurde Pumpenkolbens wird der Druck durch das
durch einen Blasenspeicher als Pulsations- sich ausdehnende Gas auf der anderen
Membranseite nahezu konstant gehalten.
216 Anhang

Abbildung 19-19: Blockschema der DWS-Laboranlage.


Druckluft (rot): a– Kompressor, b– Schnellkupplung, c– Kugelhahn, d– Filter mit Wasserabscheider,
e– Druckregelventil, f– Druckmessgerät, g– Druckluft-Öler, h– Pneumatisch betriebene Kolbenpumpea (Überset-
zung 1:122), i– Abluft-Schalldämpfer, j– 3/2 Wegeventil, k– Pneumatisches Absperrventil.
Wasser (blau): 1– Wasserzulauf, 2– Filter, 3– Blasenspeicherb, 4– Druckbegrenzungsventil, 5–Drucksensor mit
Digitalanzeige, 6– Handbetätigtes Hochdruckventil, 7– Strahlkopf.

a
Typ 122, Haskel, Burbank, US, http://www.haskel.com.
b
Olaer GmbH, Düdingen, CH, http://www.olaer.ch.
217

19.7 Schüttgutförderung Förderung besonders gut geeignet. Für den


ADWS bietet die pneumatische Abrasivmit-
Dieses Kapitel gibt einen Einblick in Mög- telförderung den Vorteil, die Förderleitung
lichkeiten und Grenzen der Abrasivmitteldo- als flexiblen Schlauch gestalten zu können.
sierung und -förderung bei Verwendung ei- Unterschieden werden zwei Prinzipien der
nes WAIS. pneumatischen Förderung:

Flugförderung
19.7.1 Schüttgüter Die Flugförderung ist durch hohe, konstante
Luftgeschwindigkeiten gekennzeichnet, bei
Lose lager- oder transportfähige Materialien denen die Einzelkörner annähernd gleichmä-
bezeichnet man als Schüttgüter. Eine wich- ßig über den Leitungsquerschnitt verteilt im
tige Eigenschaft aller Schüttgüter ist eine nur Luftstrom schweben (Abbildung 19-20). Der
geringe oder keine Kohäsion zwischen den typische Betriebsdruck liegt bei 0,02MPa,
Einzelpartikeln. Diesbezüglich unterscheidet womit Beladungen bis 5kg Schüttgut pro kg
man kohäsionsloses, freifließendes und ge- Luft erreicht werden.
ring kohäsives Schüttgut104. Die Kohäsion
war ein wichtiger Faktor bei der Auswahl der
Abrasivmittel für dieses Projekt. Ist diese zu
hoch, so kommt es leicht zum Verstopfen der
Fördereinrichtung und der Mischkammer.
Dies war insbesondere bei den als Bioabra-
Abbildung 19-20: Schematische Darstellung der
sive grundsätzlich geeigneten Zuckeralkoho- Flugförderung.
len der Fall (vgl. S.210).
Zum Transport von Schüttgütern werden
pneumatische oder mechanische Fördersys-
teme je nach Eigenschaft des Gutes und Be- Damit das Schüttgut im Luftstrom mit der
schaffenheit der Transportstrecke eingesetzt. Schwerkraft in der Senkrechten nicht zurück-
Aufgrund der großen Schwankungen der fällt oder zum Stehen kommt, muss die Luft-
Fördermenge sind sie nur teilweise als Do- geschwindigkeit größer als die Schwebege-
siersysteme geeignet. Daher müssen beim schwindigkeit des Schüttguts sein95.
ADWS-Schneiden Fördereinrichtungen in
Kombination mit Dosiersystemen angewen- Strähnenförderung
det werden. Die Strähnenförderung ist ein Förderzustand,
der sich bei zu geringer Luftgeschwindigkeit
einstellt. Dabei wird das Einzelkorn zuneh-
19.7.2 Förderung abrasiver Feststoffe mend in der unteren Rohrleitung bewegt. Je
nach Korngröße und Korndichte fällt das Gut
Pneumatische Fördereinrichtungen im Luftstrom aus und bewegt sich als Strähne
Pneumatische Transportsysteme sind Schütt- durch die Förderleitung (Abbildung 19-21).
gutförderer mit geschlossenem Rohrsystem, Mit einem Förderdruck von ca. 0,1MPa kann
in dem das Gut durch Druck- oder Saugluft die Beladung bis zu 20kg Schüttgut pro kg
gefördert wird. Zur Überbrückung von lan- Luft betragen.
gen Transportstrecken ist die pneumatische
218 Anhang

Abbildung 19-21: Schematische Darstellung der


Strähnenförderung

Dünenförderung
Bei noch geringerer Fördergeschwindigkeit
bildet das Schüttgut Ballen und Pfropfen. Die
Luftgeschwindigkeit ist nun stellenweise so Abbildung 19-23: Der verwendete Vibrationsdosie-
gering, dass Körner nicht mitgerissen wer- rer.
den. Durch die Ablagerung verengt sich der
Querschnitt, was eine Erhöhung der Luftge-
schwindigkeit an den Verengungen zur Folge
hat, so dass die Körner wieder losgerissen Vibrationsrinnen zeigen eine relativ kon-
und stufenweise weiter transportiert werden stante Fördermenge und sind daher zur Do-
(Abbildung 19-22)95. sierung von Abrasivmitteln geeignet.
Bei der Anwendung des WAIS ist die Kom-
bination einer Vibrationsrinne mit der pneu-
matischen Flugförderung die typische An-
ordnung. Die Dosierung des Abrasivmittels
kann sehr genau (±5%) durch die Rinne vor-
gegeben und mit Hilfe einer elektrischen Re-
Abbildung 19-22: Schematische Darstellung der gulierung dem Fördervolumen angepasst
Strähnen-Dünenförderung. werden. Die Abrasivmittelzuführung zum
Strahlkopf geschieht über eine flexible
Schlauchzuführung, in der der Sog für den
Pneumatische Fördereinrichtungen sind auf- nötigen Luftstrom zum Guttransport dient.
grund größerer Schwankungen ungeeignet, Der Unterdruck in der Mischkammer des
um Abrasivmittel zu dosieren. Strahlkopfes war bei fast allen Versuchen
ausreichend, um das Abrasivmittel in den
Wasserstrom einzusaugen (Ausnahme im
Mechanische Stetigförderer Kapitel 10.2, S.105). Eine Zwangsförderung
des Abrasivmittels war somit in horizontaler
Vibrationsrinnen Lage nicht notwendig. Bei senkrechter För-
Eine klassische Vibrationsrinne für Labor- derung, die bei Handgeführten Geräten auf-
zwecke besteht aus einem höhenverstellbaren treten kann, könnte diese jedoch erforderlich
Vorratstrichter, einer Förderrinne und dem sein.
Vibrationsantrieb. Mit 50Hz sind je nach Vorteil der Vibrationsrinne ist, dass das
eingestellter Schichthöhe (Trichterhöhenein- Abrasivmittel steril verpackt in einem Be-
stellung) Dosier- und Fördermengen bis ca. 5 hälter an den Vibrationsarm angehängt wer-
dm3/min zu erreichen. den könnte.
Allerdings ist mit Luftbeimengungen in grö-
ßerem Maße zu rechnen, weil die Luft das
219

Fördermedium im Abrasivmittelschlauchs ist. rechten Förderern reicht die aus der Eigenlast
Aus diesem Grund wurde die Überlegung resultierende Reibkraft aus, damit die umlau-
angestellt, die Luft durch ein Gas mit guter fende Schneckenwendel das Fördergut axial
physikalischer Löslichkeit, wie CO2, zu erset- verschieben kann89.
zen (Abbildung 19-24).

Abbildung 19-25: Schema eines Schneckenförde-


rers.

Zum Einsatz kommen Schneckenwellen


Abbildung 19-24: Schematische Darstellung eines
WAIS mit CO2 als alternatives Fördermedium. meistens dort, wo große Mengen von Förder-
gut eine Ladedistanz überwinden müssen.
Die Schneckenwelle kann dabei sowohl in
der Horizontallage als auch in der Vertikal-
Der verfahrenstechnische Aufwand ist jedoch lage eingesetzt werden. Möglich sind auch
sehr hoch, so dass die Kombination aus Fördersysteme mit biegsamen Schnecken-
pneumatischer Förderung und Vibrationsrin- wellen.
nen-Dosierung für die klinische Anwendung Die Zuführung des Abrasivmittels über einen
im Operationssaal eher ungeeignet ist. Zur Schneckenförderer direkt in den Strahlkopf
Verhinderung von Luftembolien sollte die hinein wurde bereits 1985 beschrieben255.
geförderte Luftmenge für die Anwendung am Die Schnecke war hier zur Reduzierung der
lebenden Menschen möglichst klein gehalten Verstopfungsanfälligkeit von Vorteil.
werden. Die über einen stufenlos regelbaren Elektro-
motor angetriebene Förderschnecke zeigte im
Schneckenförderer Rahmen der Weiterführung des vorgestellten
Nach DIN 152016 sind Schnecken Schüttgut- Projekts die besten Eigenschaften. Die
Förderer, bei denen ein rotierender, schrau- Schneckenwelle wurde hier aus Teflon ge-
benförmiger, durchgehender oder unterbro- fertigt, um eine flexible Zuführung zum
chener Körper (Schnecke) das Fördergut in Strahlkopf zu gewährleisten (Abbil-
einem ruhenden Trog oder Rohr als Tragor- dung 19-26). Die Arbeitsweise des
gan vorwärts schiebt (Abbildung 19-25). Fördersystems ist schwerkraftunabhängig.
Schneckenförderer arbeiten nach dem Das Abrasivmittel wird über die in einem
Schraube-Mutter-Prinzip. Die Förderschne- Schlauch rotierende Schnecke in die Misch-
cke stellt dabei die Schraube dar; das im För- kammer eines speziell konstruierten Strahl-
derrohr liegende Fördergut fungiert als Mut- kopfes gefördert.
ter. Eine zwischen dem Fördergut und dem
Rohr wirkende Reibkraft hindert die Mutter
am Mitdrehen mit der Schraube. Bei waage-
220 Anhang

Außerdem konnte mit dieser Technik der


Luftvolumenstrom signifikant reduziert wer-
den (Abbildung 19-28).

Injektorverfahren
V[L/min]
20 Schneckenförderun
15
10
5
0
Abbildung 19-26: Modell eines Bioabrasiv-Schne-
ckenförderers. 20 30 40 50 60 70
Die Förderschnecke wird in einem Schlauch bis in den pW [MPa]
Strahlkopf geführt. Der Vorratsbehälter ist geschlos-
Luftvolumenstrom ( V& ); Druck (pW).
sen, damit keine zusätzliche Luft in das System gelan-
gen kann. Abbildung 19-28: Die vom Strahl beförderte Luft
in Abhängigkeit vom Druck und vom Förderver-
fahren.

19.7.3 Zusammenfassung

Ein zusammenfassender Systemvergleich mit


dem Bioabrasivstoff Laktose zeigte, dass der
Vibrationsdosierer und Schneckenförderer
über den größten Stellbereich für den Mas-
senstrom verfügen.
Die in dieser Arbeit vorgestellten Versuche
wurden mit dem Vibrationsdosierer durchge-
führt.
Abbildung 19-27: Modell eines ADWS-Strahlkop-
fes.
Die Zufuhr des Abrasivmittels erfolgt über eine
Schnecke direkt bis in die Mischkammer. Als Fokus-
rohr wurde eine Injektionskanüle mit einem Durch-
messer von Df=1,5mm und einer Wandstärke von
0,3mm genutzt. Dieses kann in die gewünschte Form
gebogen werden.
221

19.8 Histologische Techniken

Dieses Kapitel gibt dem Leser einen Einblick


in die angewandten Techniken.

19.8.1 Allgemeine Übersicht

Die Histologie ist die Lehre von den Gewe-


ben des Körpers. Im Gegensatz zur
makroskopischen Anatomie befasst sie sich
Abbildung 19-29: Gewebspräparat im Träger für
mit dem Aufbau auf zellulärem Niveau. Das die Paraffineinbettung.
Hauptwerkzeug des Histologen ist daher das
Lichtmikroskop.
Um ein Gewebe im Durchlichtmikroskop
untersuchen zu können, musste es nach spe- Eingebettet in Paraffin wurden nun die his-
ziellen Verfahren aufgearbeitet werden: tologischen Schnitte gewonnen, bevor das
Zunächst wurde das Gewebe zur Fixierung Paraffin im Wärmeofen entfernt wurde (Ab-
für 12h in einer 3,5%igen gepufferten For- bildung 19-30).
maldehydlösung (mit Phosphatpuffer auf Nun erfolgte die Anfärbung der Probe mit
pH=6,8–7,2) eingelegt. Von erheblicher zwei verschiedenen Färbungen: Hämatoxy-
Wichtigkeit ist die Zeit zwischen DWS-Be- lin-Eosin (HE)- und Masson-Goldner-Fär-
arbeitung und Einlegen in Formalinlösung. bung in Kombination mit einer van-Gieson-
Hier sollte eine Zeitspanne von zwei bis drei Färbung (Kombifärbung).
Minuten nicht überschritten werden, da sich
sonst Vakuolen, Ödeme o.ä. durch die Eigen-
elastizität des Gewebes schon in der Rück-
bildung befinden und die Ausdehnung nicht
mehr genau bestimmt werden kann. Kurz vor
der Tuschemarkierung kann eine schnelle
Schnitttiefenmessung mittels einer Messlupea
durchgeführt werden (Abbildung 19-29).
Sehr kleine Präparate, z.B. Nerven, wurden
zusätzlich zur normalen Markierung mit Tu-
sche noch in Spezialpapier eingelegt und mit
einem Tropfen Hämalaunlösung zum besse-
ren Auffinden vorgefärbt (Abbildung 19-29).
Es folgte eine Entwässerungsreihe mit Alko- Abbildung 19-30: Paraffinblöcke mit einer
hol, die mit einem Paraffinbad (flüssig) abge- Gewebsprobe und der gefärbte Schnitt auch einem
schlossen wird. Objektträger.

a
Typ Magnifying Luna, No.1208, Chung Luen Optik,
Hongkong, CN, http://www.luna-imaging.com.
222 Anhang

19.8.2 Histologische Färbeverfahren Hämatoxylin-Eosin-Färbung


Hämatoxylin, der Extrakt des Blauholzbau-
Die Farbstoffe für wissenschaftliche Zwecke mes, ist ein hellbraunes, alkohollösliches
sind fast ausnahmslos von der Textilienfärbe- Pulver, das keinerlei Färbekraft besitzt.
rei übernommen worden. Heute verfügt man Durch Oxidation (Luft, NaJO3, Fe-III-Salze)
über eine hohe Anzahl von Farbstoffen, von geht es in Hämatein über, das den eigentli-
denen aber nur eine kleinere Auswahl in der chen Farbstoff darstellt.
histologischen Technik Verwendung findet. Die Hämalaun-Eosin- (HE-) Färbung ist die
Die Farbstoffe dienen dazu, Zell- und Ge- gängigste Übersichtsfärbung in der Histolo-
websbestandteile in einem histologischen gie und Histopathologie. Mit ihr kann der
Schnitt mikroskopisch differenzieren zu kön- Untersucher die meisten diagnostischen Fra-
nen. Es sind Färbungen bekannt, die speziell gestellungen beantworten241. In dieser Fär-
geeignet sind, z.B. Fasern darzustellen, an- bung werden saure Moleküle im Präparat
dere wiederum sind für die Darstellung von durch das Hämalaun nach Mayer, Hämato-
Fett, Schleim, Knochen oder Knochenmark- xylin nach Delafield oder mit artverwandten
zellen vorteilhaft. Das Ergebnis der Färbun- Farbstoffen dargestellt, so dass die Kerne,
gen ergibt sich jeweils aus den Gewebseigen- aber auch saure Schleimsubstanzen, Bakte-
schaften und den Eigenschaften der Farblö- rien und Kalk blau erscheinen (Tabelle 19-9).
sungen. Das Zytoplasma wird anschließend mit Eo-
Alle Färbungen beruhen auf chemischen oder sin, das zu den Fluorescein-Farbstoffen ge-
physikalischen Wechselwirkungen zwischen hört, gegengefärbt. Das Zytoplasma der
Farbstoff und Gewebe. Kennt man die Ge- Zellen, Kollagen und proteinhaltige Lösun-
webseigenschaften und die Eigenschaften der gen werden damit abgestuft rot angefärbt.
Farblösungen, ist das gewünschte Ergebnis Somit gelingt eine gute Gesamtdarstellung
planbar. des Gewebes173;241.
Unterschieden werden basische und saure
Farbstoffe. Basische Farbstoffe färben
„saure“ Strukturen (z.B. Nukleinsäuren im Masson-Goldner-Färbung
Zellkern). Zu den basischen Farbstoffen Die Masson-Goldner-Färbung (MG) ist eine
zählen: Hämatoxylin, Methylenblau und To- Trichromfärbung. Im Gegensatz zur Van-
luidinblau. Gieson-Färbung werden hier mehrere Farb-
Saure Farbstoffe zeigen eine Affinität zu ba- stoffe sowohl simultan als auch sukzedan
sischen Strukturen (z.B. Zytoplasmaproteine) angewendet. Im Masson-Gemisch befinden
und werden deshalb azidophil oder eosi- sich zwei feindisperse Farbstoffe (Ponceau de
nophil genannt. Gängige saure Farbstoffe Xylidin, Azophloxin) und ein grobdisperser
sind Eosin, Azokarmin, Anilinblau und Säu- Farbstoff (Säurefuchsin). Das Säurefuchsin
refuchsin46;142;153. Lässt man Mischungen von wird hier jedoch nicht zur Darstellung des
Farbstoffen simultan oder sukzedan auf einen Bindegewebes eingesetzt, sondern farbunter-
Schnitt einwirken, kommt es zur differen- stützend für die beiden anderen feindispersen
zierten Anfärbung unterschiedlicher Gewe- Farbstoffe.
beanteile mit den einzelnen Farbstoffen. Je Um nur das Bindegewebe für den nachfol-
nach der Zahl der kombinierten Farben genden Farbstoff zu entfärben, muss mög-
spricht man von Doppel-, Dreifach- oder lichst mit grobdispersen Differenzierungs-
Mehrfachfärbungen. mitteln gearbeitet werden (z.B. Phosphor-
223

molybdänsäure oder Phosphorwolframsäure). Van-Gieson-Elastin-Färbung


Die nachfolgende Färbung des jetzt entfärb- Bei der erstmalig von van Gieson beschrie-
ten Bindegewebes erfolgt mit den grob- benen Dreifachfärbung mit Hämatoxylin,
dispersen Farbstoffen Anilinblau oder Licht- Pirinsäure und Säurefuchsin werden die Zell-
grün (Tabelle 19-9). kerne und elastischen Fasern braunschwarz,
Bei der Trichromfärbung nach Goldner wer- das kollagene Bindegewebe leuchtend rot,
den zunächst die Zellkerne mit Eisenhämato- Muskulatur und Epithelien intensiv gelb und
xylin schwarzbraun gefärbt, Zytoplasma und Nervengewebe gelblich gefärbt, während u.a.
Erythrozyten mit Säurefuchsin-Ponceau rot Amyloid, Kolloid und Hyalin verschiedene
gefärbt und Kollagenfasern mit Lichtgrün Farbabstufungen annehmen.
grün dargestellt. Sie gilt heute als Standard Das Masson-Goldner-Färbeverfahren wird
für Hartgewebematrix und Kollagenfasern. kombiniert mit der van Gieson-Färbung (vG):
Die feinsten Bindegewebsfasern werden Dabei wird einem Eisen-Hämatoxylin-Bad
durch sie zwar etwas weniger scharf darge- eine Blaufärbung in Wasser angeschlossen,
stellt als durch die Azanfärbung. Dafür sind bevor mit dem van-Gieson-Gemisch gefärbt
infolge der Farbengegensätze/Farbkontraste wird. Nach kurzem Abspülen erfolgt eine
die einzelnen Bestandteile besser sicht- Alkoholreihe mit aufsteigender Konzentra-
bar190;241. tion. Damit können neben den anderen Präpa-
Zusätzlich ist eine Differenzierung zwischen ratbestandteilen vor allem die kollagenen und
unversehrten und pathologischen (geschä- elastischen Fasern gemeinsam beurteilt wer-
digten) Fasern möglich. den (Tabelle 19-9)142;241

H.E. Masson-Goldner van Gieson


• Hämatoxylin • Eisenhämatoxylin • Eisenhämatoxylin
• Eosin • Säurefuchsin • Pikrinsäure
• Orange-G • Säurefuchsin
• Lichtgrün
Zellkerne blau bräunlich-schwarz schwarz-braun
azidophil = blassrot
Zytoplasma basophil = bläulich
ziegelrot gelb-braun

Retikulinfasern und
ungefärbt bis blassrot blassgrün ungefärbt – blassrot
Basalmembranen
Kollagenfasern rot grün braunschwarz
Elastische Fasern und
blassrosa blassgrün bis blassrot blassgelb
Membranen
Knorpelgrundsubstanz blassblau bis blau hellgrün rot und gelb
Interzellularsubstanz violett – –
Fett herausgelöst herausgelöst herausgelöst
Zytoplasma von Mus-
leuchtend rot orange-rot – braun gelb
kelzellen
Erythrozyten ziegelrot orange-gelb gelb
Tabelle 19-9: Farbliche Darstellung verschiedener Gewebskomponenten in Abhängigkeit von der Färbeme-
thode.
224 Anhang

19.9 Unabhängige und abhängige Variablen

Die abhängigen sowie die unabhängigen Va- suche wurden in der Tabelle 19-10
riablen der in dieser Arbeit vorgestellten Ver- zusammengefasst.

Versuchsreihe Unabhängige Variablen Abhängige Variablen


DWS – Weichgewebe • Gewebetyp • Kerbtiefe (k)
Kapitel 7.2, S.64 und 7.3, S.67 • Druck (pW) • Dickenzunahme (d/d0)
Volumetrischer Vergleich • Operationsmethode • Volumen des entfernten
Kapitel 8.2, S.84, Nukleusgewebes
Biomechanischer Vergleich • Operationsmethode • Bandscheibendruck (pB)
Kapitel 8.3 S.87 • Bandscheibenhöhe (h)
Klinische Studie, • Zeit • Wirbelsäulenscore
Kapitel 9.2, S.93 Oswestry
• Schmerz (VAS)
• Beweglichkeit
DWS – Kortikalis und • Material • Kerbtiefe (k)
PMMA, • Druck (pW)
Kapitel 10.1, S.99 • Strahl-Werkstückwinkel (γ)
• Osteonausrichtung
DDWS – Kortikalis und • Material • Kerbtiefe (k)
PMMA, • Druck (pW) • Massendifferenz (∆G)
Kapitel 10.1.1, S.99 • Pulsfrequenz (f) • Kerbtiefe je kW
• Rauigkeit (Ra)
ADWS – Kortikalis und • Material • Kerbtiefe (k)
PMMA, • Druck (pW)
Kapitel 10.3, S.110 • Strahl-Werkstückwinkel (γ)
• Osteonausrichtung
DWS und ADWS – Human- • Material • Kerbtiefe (k)
kortikalis und Knochenzem- • Druck (pW) • Rauigkeit (Ra)
ment, • Strahltechnik
Kapitel 12.1, S. 133
ADWS – Spongiosa • Trennverfahren • Schnittfugenwinkel (δ)
Kapitel 13.2, S.141 • Druck (pW) • Rauigkeit (Ra)
• Abrasivmassenstrom ( m& )
Tabelle 19-10: Unabhängige und abhängige Variablen.

19.10 Details zum biomechanischen


Vergleich
Die Materialprüfmaschine wurde für den
Die Präparate wurden nach Entfernen der biomechanischen Vergleich der mikroinvasi-
hinteren Säule in speziellen Präparatträgern ven Methoden zur Nukleotomie über die
unter Zuhilfenahme von PMMA befestigt Kraft geregelt. Die Belastung wurde in ver-
(Abbildung 19-31). schiedenen Phasen aufgebracht:
225

Zur Erzielung des Kraftschlusses zwischen ten Kraft, welche bei Bandscheiben asym-
Probe und Testmaschine wurde eine Vorlast ptotisch verläuft, bezeichnet159.
von 5N eingeleitet, bevor mit der Datenauf- Bei der Auswertung der Messdaten zeigte
nahme begonnen wurde. Anschließend wurde sich, dass das Creeping in allen Haltephasen
kraftgesteuert die Vorlast auf 20N erhöht, die nicht durch die Operation beeinflusst wurde.
für eine Minute gehalten wurde (Vorlast- Es wurde daher auf die Darstellung dieser
phase). Danach wurde kraftgesteuert mit Ergebnisse verzichtet.
2N/s die Maximalkraft von 150N angefahren Da bei dem vorliegenden Versuchsaufbau
(Belastungsphase) und für eine Minute jedes Segment zweimal getestet werden
gehalten (Hauptlastphase). Es folgte eine musste (prä- und postoperativ), war es not-
Entlastung mit der gleichen Geschwindigkeit wendig, sicherzustellen, dass durch den ers-
(Entlastungsphase) auf 20N, welche fünf ten Belastungszyklus die Eigenschaften des
Minuten gehalten wurden (Nachlastphase). Segments nicht verändert wurden. Deshalb
Die Vorlastphase diente dazu, vergleichbare erfolgte nach der Kraftgeregelten Entlas-
Grundvoraussetzungen (Gleichgewicht zwi- tungsphase eine weitere Nachlastphase, wie-
schen onkotischem Druck innerhalb der derum zum Ausgleich des Creeping. Die
Bandscheibe und extern eingeleiteter Kraft) Druckwerte der Bandscheibe zeigten vor und
in den verschiedenen Präparaten zu errei- nach den Tests keine signifikanten Unter-
chen. Die Haltephase nach Erreichen der schiede (p=0,77), so dass davon ausgegangen
Maximallast diente dem Ausgleich des Cree- werden kann, dass der Test selbst keinen Ein-
ping unter Last. Als Creeping wird die zeit- fluss auf das Präparat hatte.
abhängige Verformung unter einer konstan-

Wirbel-
körper PMMA

Abbildung 19-31: Befestigung der Wirbelsäulenpräparate in der Materialprüfmaschine.


Man erkennt sowohl auf dem Foto als auch in der Prinzipskizze die kraft- und formschlüssige Verbindung zwi-
schen dem Wirbelkörper und der Materialprüfmaschine durch PMMA.
226 Anhang

19.11 Methoden zur Erfolgsbeur- Bereich der Wirbelsäule stehen diese nicht
teilung im Vordergrund bei einer Erfolgsbewertung
einer Operation. Man muss hier vielmehr die
Die Kernspintomografie hat es möglich ge- subjektive Empfindung des Patienten in den
macht, geringste morphologische Verände- Vordergrund der Bewertung stellen. Die
rungen im Bereich der Wirbelsäule in Bildern Messbarkeit ist nach den Kriterien der Inge-
darzustellen. Diese radiologisch erhobenen nieurswissenschaften naturgemäß beschränkt,
Befunde korrelieren jedoch nur in der ge- aber durchaus möglich.
ringsten Anzahl der Fälle mit den Beschwer- Man bedient sich in der Regel eines Fragebo-
den (Schmerzen) des Patienten. So findet gens, dem ein Score zugeordnet ist.
man radiologisch schwer veränderte Wirbel- Der Oswestry-Score hat sich zu einem der
säulen, die schmerzfreien Patienten zuzuord- spezifischsten Messinstrumente für das Ma-
nen sind, ebenso wie Patienten mit größten nagement von Wirbelsäulenerkrankungen
Schmerzen ohne einen radiologischen Be- entwickelt106;170;180. Der Fragebogen ist von
fund35. Fairbank et al. in mehreren Studien validiert
Dies gilt ebenso für objektivierbare Untersu- worden81-85. Er findet sich in fast allen neue-
chungsbefunde, wie z.B. die Wirbelsäulen- ren Publikationen, die Therapiemethoden für
beweglichkeit. den Rückenschmerz untersuchen. Der Os-
Das subjektive Befinden des Patienten kann westry-Score ist ein Schmerzfragebogen, der
durchaus Ursache oder Folge von somatisch in einer validierten deutschen Übersetzung
objektivierbaren Befunden sein. Gerade im vorliegt:

Fragebogen für den Oswestry-Score

1. Schmerzintensität
– kein Schmerz 0
– deutlicher Schmerz, jedoch Bewältigung der Situation(en) ohne Schmerzmedikamente 1
– kein Schmerz bei der Einnahme von Schmerzmedikamenten 2
– gemäßigte oder erträgliche Schmerzen durch Einnahme von Schmerzmedikamenten 3
– starker Schmerz trotz der Einrahme von Schmerzmedikamenten 4
– starker Schmerz, der auch durch Schmerzmedikamente nicht gelindert wird 5
2. Körperpflege
– Waschen, Anziehen etc. unproblematisch selbstständig ohne fremde Hilfe 0
– Waschen, Anziehen etc. unter Schmerzen selbstständig ohne fremde Hilfe 1
– Selbständiges Waschen, Anziehen etc. deutlich verlangsamt aber ohne fremde Hilfe 2
– auf fremde Hilfe angewiesen, den größten Teil der Körperpflege jedoch alleine 3
– auf fremde Hilfe angewiesen, den größten Teil der Körperpflege nicht alleine 4
– Waschen, Anziehen etc. selbst nicht möglich und nur mit fremder Hilfe 5
3. Gewichtheben
– schwere Gewichte (volle Getränkekiste) können ohne Probleme gehoben werden 0
– schwere Gewichte können mit Schmerzen gehoben werden 1
– schwere Gewichte können nur bei günstiger Positionierung (z.B. Tisch) gehoben werden 2
– schwere Gewichte zu heben ist nicht möglich, jedoch mittlere (volle Einkaufstasche) kön- 3
nen bei günstiger Positionierung gehoben werden
– nur leichte Gewichte (volle Getränkeflasche) können gehoben werden 4
– nichts kann gehoben oder getragen werden 5
227

4. Gehstrecke/-Hilfen:
– jede Strecke kann gegangen werden 0
– bis zu 1,4 km kann gegangen werden 1
– bis zu 0,7 km kann gegangen werden 2
– bis zu 0,35 km kann gegangen werden 3
– Gehen ist nur mit Stock/Krücke möglich 4
– die meiste Zeit muss im Liegen verbracht werden 5
5. Sitzen
– Sitzen in jeder Art von Stuhl, unbegrenzte Zeit 0
– Sitzen in einem speziellen Stuhl, unbegrenzte Zeit 1
– Sitzen bis zu 1 Stunde möglich 2
– Sitzen bis zu 1/2 Stunde möglich 3
– Sitzen bis zu 10 Minuten möglich 4
– Sitzen nicht möglich 5
6. Stehen
– Stehen unbegrenzte Zeit, ohne Auslösen von vermehrten Schmerzen 0
– Stehen unbegrenzte Zeit, mit Auslösen von vermehrten Schmerzen 1
– Schmerz hält davon ab, mehr als eine Stunde zu stehen 2
– Schmerz hält davon ab, mehr als eine halbe Stunde zu stehen 3
– Schmerz hält davon ab, mehr als 10 Minuten zu stehen 4
– Schmerz hält davon ab, überhaupt zu stehen 5
7. Schlafen
– normaler erholsamer Schlaf 0
– mit Schlaf- oder Schmerztabletten erholsamer Schlaf möglich, unbegrenzt 1
– mit Schlaf- oder Schmerztabletten erholsamer Schlaf möglich, bis zu 6 Stunden 2
– mit Schlaf- oder Schmerztabletten erholsamer Schlaf möglich, bis zu 4 Stunden 3
– mit Schlaf- oder Schmerztabletten erholsamer Schlaf möglich, bis zu 2 Stunden 4
– Schmerz hält davon ab, überhaupt zu schlafen 5
8. Sexualleben
– normales Sexualleben 0
– normales schmerzhaftes Sexualleben 1
– annähernd normales Sexualleben, jedoch sehr schmerzhaft 2
– Sexualleben ist stark eingeschränkt 3
– Sexualleben ist nahezu aufgehoben 4
– kein Sexualleben 5
9. Soziale Stellung
– normales, soziales Leben 0
– normales, soziales Leben unter Schmerzen 1
– einschränkender Effekt auf höhere soziale Aktivitätsstufen, z.B. Tanzen etc. 2
– soziales Leben eingeschränkt, selten Aktivitäten außerhalb des Hauses 3
– soziales Leben komplett auf den häuslichen Bereich eingeschränkt 4
– soziales Leben auch innerhalb der Wohnung nicht möglich 5
10. Mobilität/Reisen
– normale, uneingeschränkte Mobilität 0
– normale, uneingeschränkte Mobilität, mit Auslösen von Schmerzen 1
– Bewältigung von Ausflügen über 2 Stunden 2
– Bewältigung von Ausflügen von 1 bis 2Stunden 3
– Bewältigung von Ausflügen unter 30 min, maximal Arztbesuch. 4
– keine Ausflüge/Reisen/Mobilität möglich 5
erreichte Punktzahl ⋅ 2 = Oswestry-Score
228 Anhang

Visuelle Analogskala

Die Visuelle Analogskala (VAS) ist Grund- chende Zahlenangabe von null bis zehn (kein
lage eines semiqantitiven Verfahrens für die Schmerz = 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 =stärkst vorstell-
subjektive Messung einer Empfindungsstärke bare Schmerzen).
(z.B. Schmerz oder Jucken, Wärme oder Bei der visuellen Analogskala ist die Strecke
Kälte). nur durch die Endpunkte markiert; in der
Der Patient muss dabei seinen Empfindung Regel beträgt der Abstand zwischen den bei-
auf einer Skala von 0 (= keine Empfindung) den Punkten 10cm. Der Patient gibt auf die-
bis 100 (= stärkste vorstellbare Empfindung) ser Strecke durch einen Strich seine aktuellen
einschätzen. Als Skala wird dabei meistens Schmerzen an; man kann auch nach dem
ein Balken oder eine Strecke vorgegeben, auf durchschnittlichen Schmerz innerhalb eines
der der Patient die Empfindungsstärke als Zeitintervall, z.B. den letzten 4 Wochen, wie
Abstand vom linken Rand einträgt. Bei wie- in der vorgestellten Studie geschehen, fragen.
derholter Dokumentation gibt diese Methode Bei der Auswertung wird vom Arzt die Stre-
einen orientierenden Überblick über den cke ausgemessen und in cm angegeben. Dies
zeitlichen Verlauf und den Erfolg einer The- geschieht in der Regel unter Zuhilfenahme
rapie. eines Lineals mit einem Schieber, den der
Man unterscheidet bei der Schmerzmessung Patient auf seine Empfindung einstellt, ohne
die visuelle Analogskala von der numeri- die Skala zu sehen und der Arzt auf der Ge-
schen Analogskala. Bei dieser erfolgt die genseite abliest (Abbildung 19-32).
Schmerzquantifizierung durch eine entspre-

Patientenseite
keine Schmerzen unerträgliche Schmerzen
pas de doleur doleurs insupportable
niente dolori dolori insupportabili

Arztseite
keine Schmerzen unerträgliche Schmerzen
pas de doleur doleurs insupportable
niente dolori dolori insupportabili
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Abbildung 19-32: Visuelle Analogskala.


229

19.12 Statistische Sicherheit der empirischen Modelle der


Weichgewebebearbeitung

Die Korrelationskoeffizienten des empiri- schen Modells für die Gewebsexpansion sind
schen Kerbtiefenmodells und des empiri- in der Tabelle 19-11 dargestellt.

r2 der linearen r2 der quadratischen


Gewebe Spezies n Korrelation von Korrelation von
Druck und Kerbtiefe Druck und Expansion
Schwein 10
Fett Rind 10 0,79 (p<0,001) –
Mensch 10
Schwein 10
Muskel Rind 10 0,89 (p<0,001) –
Mensch 10
Schwein 10 –
Rückenmark Rind 10 – –
Mensch 10 0,69 (p<0,001)
Schwein 10
Spinalnerv Rind 10 0,70 (p<0,001) –
Mensch 10
Schwein 10 0,35 (p<0,001)
Dura mater Rind 10 0,85 (p<0,001) 0,41 (p<0,001)
Mensch 10 0,36 (p<0,001)
Schwein 10 0,33 (p<0,001)
Nukleus
Rind 10 0,85 (p<0,001) 0,42 (p<0,001)
pulposus
Mensch 10 0,37 (p<0,001)
Schwein 10
Anulus
Rind 10 0,89 (p<0,001) 0,76 (p<0,001)
fibrosus
Mensch 10
Schwein 10
Ligament Rind 10 0,65 (p<0,001) 0,76 (p<0,001)
Mensch 10
Schwein 10
Sehne Rind 10 0,74 (p<0,001) 0,64 (p<0,001)
Mensch 10
Tabelle 19-11: Bestimmtheitsmaß r2 für die linearen Korrelationen zwischen Druck und Kerbtiefe sowie für
die quadratischen Korrelationen zwischen Druck und Expansion.
230 Anhang

19.13 Kerbflankenrauigkeit bei GMA und Laktose

Die Rauigkeit der Plexiglas-Kerbflanken Trennschnittbereich (0,71kmax) eine hohe


wurde für Kerbversuche GMA und Laktose Rauigkeit entsprechend dem Wellenprofil
relativ zur maximalen Kerbtiefe mit dem gemessen wurde (Abbildung 19-33). Das
Perthometer bestimmt. Oberflächennah Oberflächenprofil der mit GMA geschnitten-
(0,14kmax) war die Kerbflanke relativ glatt en Proben war immer rauer.
(Qualitätsschnittbereich, QS), während im

0,14⋅
kmax QS 1/7
3/7
0,43⋅ 5/7
kmax
Ra[mm] TS
0,6 0,52

0,4 Laktose GMA

0,2
0,07 0,07
0,71⋅ 0,01 0,04 0,02
kmax 0
1/7 3/7 5/7
der maximalen Kerbtiefe

Perthometerkurve für Almandit (GMA). Ra vs. relative Kerbtiefe.

Abbildung 19-33: Rauigkeit der Kerbflanken.


Links ist die vom Perthometera aufgezeichnete Kurve für eine mit GMA geschnittene Probe dargestellt.
Rechts sind die Rauwerte für GMA und Laktose im Vergleich dargestellt.

a
Typ Perthometer S6P, Mahr Maryland Metrics, Ovings Mills, US, http://www.mdmetric.com.
231

19.14 Sonstiges

19.14.1 Votum der Ethikkommission der Ärztekammer Hamburg


232 Anhang

19.14.2 Projektförderung

Behörde Umwelt und Gesundheit der Freien und Hansestadt Hamburg


Hamburger Straße 47
22083 Hamburg
040 428630
http://www.hamburg.de/Behoerden/BUG.

Deutsche Forschungsgesellschaft (DFG)


Kennedyallee 40
53175 Bonn
0228 8851
 postmaster@dfg.de

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)


Heinemannstrasse 2
53175 Bonn-Bad Godesberg
01888 570
 bmbf@bmbf.bund.de

Arbeitsgemeinschaft Industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e.V. (AiF)


Tschaikowskistraße 49
13156 Berlin
030 481633
 gsb@aif.de

Richard und Annemarie Wolf-Stiftung


Postfach 1164
75438 Knittlingen
07043 35214

Andreas Pein Medizintechnik GmbH


Wilhelm-Hennemann-Straße 9
19061 Schwerin
0385 395700
 info@helix-hydro-jet.de

DePuy Medizintechnik GmbH


Mellinweg 16
66280 Sulzbach
06897 50060
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233

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