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Viele Stunden harter Ausbildung auf dem Briickenbauplatz sind notwendig, es eres ee aren ... beim Bau a briicke ber den Strom beweisen kénnen und der erste Transport die neue Uberfahrt passiert Reihe Militirtechnische Hefte Heft Milittischer Eisenbahnbrickenbau ‘Autor: Oberstleutnant d. R. Dipl.-Ing. Georg Kerber ‘Abbildungen: AR/Gebauer (6), Archiv Autor (4), Archiv MV (16), ‘Autor (3 und Mittelseiten), Daniel (4), Haberzet! (2), Hamann (2), Kloppel (1), MBD/Striepling (15), MBD/Tessmer (3). Schiling (10), \VA/Jeromin (1), VA/KI6ppel (2) ISBN 3-327-00542-7 © Militdrvertag der Deutschen Demokratischen Republik (VEB) - Berlin, 1988 1. Auflage Lizenz-Nr. 5 LSv: 0559 LLektor: Dipl.-Ing, Werner Kiohauor Gosamtgestaltung: Bertold Dani Grafik: Bortold Danial, Goorg Kerbor Printed in the German Democratic Republic Gosamtherstellung: Druckerei des Ministeriums far Nationale Verteidigung (VEB) - Berlin - 3 0294-7 Bestellnummer: 747 087 2 ‘00200 Tausend Minuten Briickenbau Die Ubungsaufgabe fiir die Angehdrigen eines senbahnbriickenbaubataillons der NVA lautet: Ein durch ,Gegner"-Einwirkung unterbrochener Trans- Portweg ist in kiirzester Zeit wieder befahrbar zu machen! Die ,zerstérte" Briicke tiber einen brei- ten FluB ist bis zu ihrer Wiederherstellung durch eine zeitweilig zu errichtende Briicke zu umgehen. 400 Meter Briickenkonstruktion sowie die notwen- digen Zufahrten sind zu errichten, damit der Nachschub fur die Truppen wieder per Schiene roflen kann, Die Briickenbauer néhern sich von beiden Ufern het der Strommitte a J Si Noch wéhrend die Briickenbaustelle exakt ver- messen wird, stellen die Eisenbahnpioniere von beiden Seiten die Zufahrten zu der neuen Briicke her. Auf diesen Gleisen werden auch die schwe- ren Brickenteile auf die Baustelle gelangen. Der Briickenbau beginnt bereits in der Nacht. Die Lichter ber der Baustelle am FluB spiegein sich im dunklen Wasser. Kommandos hallen; A\ gregate summen. Die Lichter der Scheinwerfer zi hen Myriaden von Macken und Faltern an. Auf dem FluB bhybbert ein Schiffsdiesel im Leerlauf; das Schubboot ist hinter den roten und griinen Positionslichtern nur zu ahnen. Jetzt kriecht aus dem hellen Dunstkreis des Montageplatzes ein tiesiges, gespenstisch anmutendes Etwas in das Dunkel der FhuBniederung. Ein 50 Meter langer Eisenbahnspezialkran wird von einer Diesellok in Richtung der Briickenstelle geschoben. Im Schritt- tempo, denn an seinem Ausleger héngt ein 34 Ton- nen schwerer Eisenbahnbriickeniberbau von 16 Meter Lange. Die 12 Meter hohe Stiitze ist unter den Uberbau geklappt. Traige pendein die Scheinwerfer am Ausleger. Die Signallampe des Rangjerleiters schwingt beruhigend hin und her und verkiindet dem Triebfahrzeugfiihrer: .Lang- sam kommen! Der Kran rollt ber die bereits ein- gebaute Briickenkonstruktion. Behutsam leitet der Unterfeldwebel auf der Lok den Bremsvorgang ein. Jede ruckartige Bewegung ist zu vermeiden, denn die Langskrafte wiirden die 34 Tonnen schwere Last in Schwingungen versetzen, die Gefahren fir Menschen und Technik auslésen kénnten. Auf den PM eee class eeu Echogramm Der Echograf arbeitet nach dem Echolot- prinzip. Das 1. Echo gibt das Profil des Flu8- bodens an. Das 2. Echo gibt Aus- kunft dber die Bodenbeschaffenheit S-m-Linie mit 5-m-Aarken Millimeter genau kommt der Kran zum Stehen. Ein Meter vor den Rédern des vorderen Drehgestells ist die Briicke zu Ende. Der 18 Meter lange Aus- leger mit der angehéngten Last ragt in die Dun- kelheit iber dem FluB. Unter dem sanft pendeln- den Uberbau ist gahnende Finsternis. Unten gur- gelt der Strom. Da schallt aus dem Sprechfunk- gerat des Kranfiihrers das Kommando: ,Montage- traverse fiinf, fieren!* Langsam klappt die Stiitze unter dem Briickeniiberbau in die Senkrechte. Rauschend schlagen die Wellen des Flusses aber den quadratmetergroBen FluBplatten der Stitze zusammen. Rufe erténen. Der Schiffsdiesel des Schubbootes heult auf; hell quirlen am Heck die aufgewirbelten Wassermassen im Widerschein der Lampen. Millimeter um Millimeter zieht das Boot die Stiitze, die durch die Gewalt der anprallen- den Wassermassen abzutreiben droht, gegen den Strom. Im Sprechfunkgerat des Zugfiihrers reiBen die Kommandos und Meldungen nicht ab. End- lich stehen die FuBplatten der Stitze auf dem FluBgrund. Der Uberbau ist mit dem Quertrager der zuvor aufgestellten Stiitze verbunden, die La- schen an den Schienen sind festgezogen. Der Leutnant gibt das Kommando zum Lésen der Mon- tagetraversen. Mit einem kurzen Hupton des Lok- typhons quittiert der Unterfeldwebel das Signal des Rangierleiters zum Zuriickfahren. Der 600-PS-Die- sel der Lok heult auf, und schwankend entfernen sich die Lichter des Kranes, der nach 60 Minu- ten mit einem neuen BriickenUberbau und einer neuen Stiitze wieder ber der Deichkrone des Flusses erscheint. Der Morgen bricht an. Jetzt sieht man, daB die Briicke von beiden Ufer her in den FluB hinein- gewachsen ist. Eisenbahnpioniere sind dabei, die noch bestehende Liicke in Strommitte mit einem weiteren Briickenteil zu verkleinern. Nun dauert es nicht mehr lange, und ein zweiter Montagekran n&hert sich von der anderen FluBseite her mit dem letzten Briickeniiberbau an den Traversen. letzte Anstrengung der Soldaten, und die Briicke ist geschlossen. Nach der Kontrolie der sicheren Verbindung des letzten Uberbauteils und seiner Schienen mit den beiden Briickenhdlften geht die Meldung iiber die Befahrbarkeit der Briicke per Funk ab. Kurz darouf ertént ein Loksignal. Man hért hin- ter dem Deich einen Zug anfahren. Und dann n&hert sich die Schlange eines Militértransports der Briicke. Mit verminderter Geschwindigkeit poltert der mit Panzern T-55 beladene Zug Uber die gerade fertiggestellte 400 Meter lange Briik- ke. Mit kurzem Pfiff griiBt der Eisenbahner im FUh- rerstand der schweren Diesellok die Eisenbahner in Uniform, die sehr aufmerksam die Zugfahrt ver- folgen: Dieser schwere Transport ist Nachschub und Belastungsprobe der Briicke zugleich. Nur wenige Minuten nach diesem Zug fahrt eine Kfz-Kolonne iiber die Briicke. Der Nachschub fiir die Truppen rollt wieder. Rund 1000 Minuten sind seit dem Beginn der Arbeiten an der Briicke vergangen. 1000 Minuten, daB sind knapp 17 Stunden. Trotz Krantechnik und Sprechfunic Briicken- bauer miissen fest 2upacken kénnen Viele Handgriffe sind nétig, bevor die letzten Fahrbahntafein eingesetzt werden kénnen und die Briicke in Betrieb genommen werden kann Militar- eisenbahnen uber Oder und Elbe So wie der Eisenbahnbriickenbau sich unmittelbar mit dem Entstehen der ersten Schienenwege ent- wickelte, so gibt es den militdrischen Eisenbahn- briickenbau seit Beginn der Nutzung der stahler- nen Bahnen fiir militdrische Zwecke. Der Einsatz der Eisenbahn fiir Heereszwecke nahm bald beachtliche Dimensionen an. So lieB der deutsche Generalstab wahrend der Vorberei- tung auf den Deutsch-Franzésischen Krieg inner- halb von nur 13 Tagen (vom 24, Jul 5. Au- gust 1870) mit der Eisenbahn 510000 Mann, 160.000 Pferde und 1476 Geschiitze an die fran- zésische Grenze bringen. Dieser Transport erfolgte nach vorher genau festgelegten Fahrplénen auf neun Bahntinien der preuBischen und bayrischen Staatsbahnen und klappte praktisch reibungslos. Die zu diesem Zeitpunkt erst 35jahrige deutsche Eisenbahn hatte damit eine beachtliche Leistung vollbracht, Probleme erwuchsen erst durch die Zer- Rekonstruktion des Baues einer Rheinbriicke durch das rémische Heer unter Gajus Julius Casar (100-44 v. u.Z.). Diese Briicke ‘war 400 m lang und 4 m breit. nur 10 Tagen et || Siewurde strung von Elsenbahnanlagen im Verloufe des Krieges. 1876 wurde das erste deutsche Eisenbahnregl- ment aufgestellt. Fir Ausbildungszwecke war be- reits 1875 die Militéreisenbahn Berlin — Zossen — Jterbog entstanden. Die 1890 gebildete Versuchs- abtellung der Eisenbahntruppen priifte und er- probte alle elsenbahntechnischen Entwicklungen auf ihre militdrische Verwendbarkeit. Der im sel- ben Jahr aufgestellten ersten preuBischen Eisen- bahnbrigade gehérten eine Eisenbahnpionierab- teilung sowie eine Eisenbahnbriickenbaukompanie an, Die am hdufigsten verwendete Eisenbahnbrikk- kenkonstruktion jener Zeit war der sHovesche Tré- ger". Unter geschickter Ausnutzung der Primi eigenschaften der fast Gberall zur Verfligung ste- henden Baumaterialien Holz und FluBstahl stellte man die Uberbauten in Form eines ebenen Fach- werks her, bei dem die Zugspannungen vom Stahl und die Druckspannungen von Kant- oder Rund- hdlzern Gbernommen wurden. Mit dieser Pionier- konstruktion konnten, je nach Belastungsart, Stiitz- weiten bis zu 60 m erreicht werden. Die hohe Ela~ stizitét der eingesetzten Baustoffe gewihrleiste- te, daB selbst kurzzeitige Uberbelastungen verkraf- tet wurden. Es ist kein Beispiel des Einsturzes einer solchen Briicke Uberliefert. Die gréBten militdirischen Eisenbahnbriicken vor dem ersten Weltkrieg bauten die preuBischen Eisenbahnpioniere 1900 dber die Oder bei Kiistrin (dem heutigen Kostrzyn, VR Polen) und 1905 tiber die Elbe bei Prettin. Die iber die Oder fuhrende »Militér-Eisenbahnbriicke” war 650 m lang und wurde in 23 Tagen von einer rund 1500 Mann star- ken Eisenbahnbrigade errichtet. Die Fachpresse jener Tage lobte: .Die Erfahrung hat gelehrt, in welch geradezu glénzender Weise die Aufgabe gelést worden ist, denn dieser gewaltige Bau, der an GrdBe bis jetzt in der Pionier-Technik einzig richtet und stelite eine Leistung dar, die von einem hohen technischen Kénnen ihrer Erbauer zeust. Sie la&t bereits die Verwendung normierter Uber- bauteile erkennen.

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