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COLLECTANEA EURASIATICA CRACOVIENSIA KRAKOW 2003 wd. J. Pst RUsinsnr Marek J. Olbrycht (Miinster-Rzesz6w) Griechen und Perser in achaimenidischer Zeit. Uberlegungen zum Verhaltnis zwischen Orient und Okzident Motto: Wer sich selbst und andre kennt, wird auch hier erkennen: Orient und Occident sind nicht mehr zu trennen. JW, Goethe Die Perser nahmen unter den Nachbarn der antiken Griechen eine besondere Position ein, zum einen, weil sie iiber einen Teil der Griechen, namlich jene in Kleinasien, herrschten', zum anderen, weil sie auch die Geschichte der Hellenen in Europa politisch und kulturell vielfach beeinflussten. Ferner sollte man sich vergegenwartigen, dass die Griechen selbst eine bedeutende politische, kulturelle und wirtschaftliche Rolle im Achaimenidenreich spielten, und zwar nicht nur als Untertanen, sondern auch als Séldner, Handwerker, Arzte am Kénigshof, Fliichtlinge und Abenteurer. Die Beziehungen zwischen Hellenen und Persern sind seit langem Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen’. Zahlreiche Strabon (15,3,23) hebt mit Nachdruck hervor: ,,Die Perser wurden zu den bei den Griechen beriihmtesten Barbaren, weil keine der tibrigen in Asien herrschenden Barbaren jemals tiber Griechen geherrscht hatten”. Anmerkung: Alle Daten in dem vorliegenden Beitrag bezichen sich auf die vorchristliche Epoche. * Zu den Beziehungen zwischen Griechen und Persern siehe u.a.: Brunt, Persia and the Greeks; Starr, Greeks and Persians; Lewis, Sparta and Persia; Hofstetter, Griechen; Gillis, Collaboration with the Persians; Momigliano, Ho- 146 Marek J. Olbrycht Aspekte dieser Kontakte, etwa der Charakter der griechischen Vorstel- lungen von Persien und die Ausmasse des persichen Einflusses auf die Hellenen im politischen und kulturellen Bereich bleiben weitgehend noch strittig bzw. ungeniigend erforscht’, Immer noch gelaufig ist die Betrachtung der griechisch-persischen Beziehungen als Kampf der freiheitlich gesinnten und kulturell iiberlegenen Hellenen gegen eine despotische, orientalische ,,Barbaren”- Macht, eine Betrachtung, die durch eine generelie Geringschatzung der Nicht-Griechen gekennzeichnet ist’. Die Wechselbeziehungen zwischen Persern und Hellenen waren jedoch viel intensiver und differenzierter, als man meistens annimmt, und beide Seiten trafen sich nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern sie profitierten von einem regen kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Austausch. Diese Arbeit beansprucht nicht, die Problematik der griechisch-persischen Wechselbeziehungen auszuschépfen. Behandelt werden nur einige Aspekte dieser Kontakte, vornehmlich Fragen nach Charakter und Tendenz der einschligigen Quellen sowie nach ihrer Beziehung zur politischen und kulturellen Realitit. Die Vélker Griechenlands waren schon in der Bronzezeit vielfach mit dem Orient verbunden. Nach der Krise der Dunklen Jahrhunderte wurden die Kontakte zum Orient aufs neue aufgenommen und immer wieder intensiviert’, Ende des 7. Jhs. etablierte sich ein erstes iranisches Grossreich — der Staat der Meder. Inzwischen gelagten die griechischen Stadte Kleinasiens unter die Herrschaft der Lyder. In jene Epoche fallen erste kulturelle Kontakte der Ostgriechen mit den iranischen Medern®. Im chkulturen, 146-176; Sancisi-Weerdenburg, Yauna en Persai; Walser, Hellas und Iran: Hirsch, Friendship; Hirsch, 1001 Iranian Nights; Georges, Barbarian Asia and the Greek Experience; Funck, Griechen im Perserreich, Miller, Athens and Persia; Hutzfeld, Bild der Perser; Boardman, Persia and the West. ° Mit einigen strittigen Fragen beschéftigen sich etwa folgende Studien: Lewis, Persians in Herodotus; Bichler, Barbarenbegriff, Kingsley, Meetings with Magi; Wiesehdfer, Zusammenbruch; Gehrke, Das europaische Jran-Bild; Briant, Greeks and ‘Persian Decadence’. * Zu den ideologisch geladenen Vorstellungen von den Konflikten zwi- schen Hellenen und Persern s. Gehrke, Das europdische fran-Bild, 85-88. * Ausfiihrlich dazu u.a. West, East Face. Vgl. auch Boardman, Persia and the West. ° Boyce, History Il, 162 schreibt von einem starken zoroastrischen Ein- fluss auf Ionien in medischer und frihachaimenidischer Zeit, insbesondere auf dem Gebiet der Kosmologie und Soteriologie. Griechen und Perser in achaimenidischer Zeit. 147 5. Jh., als das medische Grossreich schon langst nicht existiert hatte, bezeichnete man Sympathie fiir die Perser mit dem Wort ,,Medismos’”, wobei dieser Sachverhalt auf cher intensive Kontakte zu den Medern weist. Mit der Erhebung des Kyros gegen die Vorherrschaft der Meder begann seit ca. 550 der Aufstieg der Perser: Ein bis dahin wenig bekanntes Volk unterwarf im Laufe von wenigen Jahrzehnten praktisch alle Lander von Nordwestindien im Osten bis Libyen im Westen, Seit 546 befanden sich die Griechen Kleinasiens unter der Herrschaft der persischen Achaimeniden’. : Kyros dem Grossen (558-530) waren die Griechen Kleinasiens nicht unbekannt. Zahlreiche Hellenen bewarben sich um persiche Unterstiitzung, und in vielen unterworfenen Stadten vertrauten die Perser die Regierung den propersischen Kreisen an. Im Gefolge des Kyros des Grossen befand sich Pytharchos aus Kyzikos, ein Vertauter des Grosskénigs. Von Kyros erhielt er sieben Stddte in der Troas geschenkt’. Ein anderer Grieche, Eurybatos aus Ephesos, verriet Kroisos von Lydien und begab sich zu Kyros'°. Einige weitere Hellenen erscheinen in den Quellen im Zusam- menhang mit dem Griinder des persischen Grosstaates''. Unter Dareios {. (521-486) lassen sich prosopographisch mehr als dreissig Griechen im Perrserreich nachweisen, darunter Gestalten von herausragender Bedeutung. Zu solchen zahite Skylax von Karyanda in Karien, ein Grieche bzw. Halb- Grieche, der im Aufirag des Grosskénigs eine Erkundungsfahrt vom Indus-Fluss bis Agypten unternahm". Der zur Abdankung gezwungene spartanische Kénig Demaratos fliichtete zu Dareios 1.'°. Er scheint dabei eine wichtige Position am persischen Hofe in Susa gehabt zu haben, in erster Linie als Berater des Thronnachfolgers Xerxes und des Dareios selbst'". Demaratos, der vom Grosskénig einige Stadte in Westkleinasien 7 Vel. Graf, Medism, 1Sff. * Dandamaey, History, 21ff. ° Agathokles von Kyzikos, FGrHist 472 F 6; Hofstetter, Griechen, Nr. 282. Vel. Momigtiano, Hochkulturen, 148 und Carratelli, Inscriptions, 31f. Diod. 9,32; Hat. 1,76; 141; 149. Vgl, Hofstetter, Griechen, Nr. 110. Hofstetter, Griechen: Nr. 190 (Lakrines); Nr. 59 (Athenagoras); Nr. 182a (Komas); Nr. 150 (Herophile). , Hat. 4,44. Vgl, Hdt. 3,102. Skylax verfasste seine Schriften in Grie~ chisch. Ausfiihrlich tiber Skylax s. Hofstetter, Griechen, Nr. 288, und P*jankov, Srednjaja Azija, \2ff. : Zu Demaratos s. Hofstetter, Griechen, Nr. 77. Hat. 7,3; Plut. Artox. 2. 148 Marek J. Olbrycht erhielt'’, beteiligte sich am Feldzug des Xerxes gegen die Griechen (480). Charakteristisch fiir die damaligen persisch-griechischen Beziehungen war das Schicksal des altesten Sohnes des athenischen Politikers Miltiades, Metiochos. Er fiel 493 den Phoinikiern in die Hande und wurde zum Grosskénig Dareios I. gebracht, nachdem er zusammen mit seinem Vater vor persicher Rache zu fliichten versucht hatte. Der Grosskénig. behandelte ihn jedoch ehrenvoll, schenkte ihm Haus, Grundbesitz und ine persische Frau. Ihre Kinder galten dabei als Perser'’. Diese Bespiele weisen darauf hin, dass die persische Welt flir die Hellenen von Anfang an durchaus attraktiv war, und dass manche sogar bereit waren, sich der persischen Lebensweise anzupassen. Andererseits zeigten auch die Perser die weitgehende Bereitschaft, die Griechen fiir sich zu gewinnen. In der griechischen historiographischen Tradition galten die Perser z.T. als Tempelschander. In Krisensituationen, insbesondere angesichts von Revolten, zeigten die Streitkrafte des Grosskénigs in der Tat ihre brutale Macht. So etwa wurde der Aufstand der Ionier blutig nieder- geschlagen, und anschl iessend das Branchiden-Orake! in Didyma zerstért'’. Auch im europdischen Griechenland wurden einige Tempel verbrannt, etwa in Athen und Eretria'®, Dabei sollte man sich jedoch daran erinnern, dass die aufstandischen lonier die Stadt Sardes sowie das dortige Heiligtum der Kybele, wohi das wichtigste Kultzentrum in Kleinasien, zerstért hatten. Wie Herodot bemerkt, beriefen sich die Perser immer wieder auf diese Freveltat, wenn sie Tempel in Griechenland anziin- deten'’, Grundsiitzlich gab es keinen prinzipiellen Konflikt zwischen den Persern und den griechischen Kulten sowie religiésen Zentren. Ein wichtiges Zeugnis hierflir ist der bekannte Brief des Dareios I. an Gadatas”’. Letzterer war ein hoher Beamter in der persischen Verwaltung in Magnesia, zu seinen Pflichten gehérte die Bebauung des dortigen kéniglichen Landes. Im Brief ist Apollon erwahnt, der ,,den Persern die volle Rechts- ordnung kiindete”, und der yon Dareios’ ,,Vorfahren verehrt worden war”. 'S Seine Nachkommen — Eurysthenes und Prokles — herrschten dort noch um 400 v. Chr., siehe Hat. 6,70; Xen. Hell. 3,1,6; Anab. 2,1,3; 7,8,17; Athen. 1,29f.; Paus. 3,7,8. Hat. 6,41,4. Vgl. Hofstetter, Griechen, Nr. 221. "7 Hat. 6,19. Walser, Hellas, 49. "dt. 5,102,1. °° O. Kern, Die Inschriften von Magnesia, Berlin 1900, Nr. 115a. Vgl. Chaniotis, Historie, 234ff.; Metzler, Brief. Griechen und Perser in achaimenidischer Zeit... 149 Gemeint ist anscheinend Kyros der Grosse, der den Apollontempel in Magnesia am Maander mit Privilegien versehen hatte. Dareios legte auch in anderen Fallen auf das Wohlwollen Apollons Wert, wie das Weihrauchopfer seines Heerfiihrers Datis im Apollonheiligtum von Delos veranschaulicht”', Die Perser verehrten auch den delphischen Apollon, wobei, das Orakel den Griechen zur Unterwerfung unter Xerxes geraten hatte”, Die Rolle der Perser in die griechischen Welt wurde Schritt fur Schritt relevanter, mitunter fast itberwaltigend. Immer wieder wurden die Perser um Interventionen in den internen politischen Auseinander- setzungen der Hellenen gebeten. So etablierten die Perser Syloson auf der Insel Samos, nachdem er sich am persischen Hofe um ein Eingreifen des Grosskénigs geworben hatte’. In Athen (507), in Salamis auf Zypern (499), in Eretria (492) und in anderen Staaten kamen propersische Fraktionen auf die politische Buhne™ Unter Dareios }. (521-486) fassten die Perser in Europa Fuss. Ihre Streitkrafte unterwarfen Thrakien, auch Makedonien geriet unter persische Kontrolle”*. Schliesslich wandten sich die Perser auch gegen die Grie- chenstaaten i in Europa. Die Laufbahn des Atheners Miltiades kann als Modellbild der komplizierten Beziehungen zwischen Hellenen und Persern zur Zeit der grossangelegten persischen Expansion im Balkanbereich und der Abwehr- kampfe der Hellenen betrachtet werden. Der aus einer alten athenischen Familie stammende Miltiades wurde persischer Vasallenfiirst als Herrscher von Chersonesos in Thrakien”®. Dabei nahm er am Skythenfeldzug des persischen K6nigs Dareios I. teil. In der Folgezeit, nach dem Scheitern des lonischen Aufstandes, fliichtete er aus Chersonesos nach Athen, wo er sich bekanntlich im Kampf gegen die Perser auszeichnete (Marathonkrieg, 490). Kurz darauf unternahm Miltiades einen Raubzug in die Agais, der jedoch scheiterte. Der im Laufe des Zuges schwer verletzte Heerfihrer wurde in Athen vor Gericht gezogen und mit 50 Talenten Busse bestraft. Kurz danach starb er an der Wunde, die er zuvor empfangen hatte. In Athen formierte sich inzwischen eine machtige propersische Adelsfraktion, Hat. 6,97,2. 2 Hat. 7,139-142; 148. > Het. 3,140ff. “Walser, Hellas, 31 und 38. Dandamaev, History, 147-152. Zu Miltiades s. Hofstetter, Griechen, Nr. 124. 150 Marek J. Olbrycht die die Restituierung der Peisistratiden betrieb. Somit verflochte sich der Kampf gegen die persische Invasion mit innerathenischen Streitigkeiten um die Herrschaft in der Polis. Es liegt auf der Hand, dass Persien zur Zeit des Miltiades zu einem miachtigen politischen Faktor wurde; der Grosskénig spielte dabei eine immer wieder grisser werdende Rolle in den Krafteverhiiltnissen des europdischen Griechenlands. Der Ionische Aufstand, der Marathonfeldzug und die persische Invasion unter Xerxes (486-465) sind der modernen Forschung wohl bekannt”. Anfinglich vermochten die Perser, zahlreiche griechische Staaten fiir sich zu gewinnen. Den Feldzug des Xerxes unterstiltzten vornehmlich einige Staaten des mittleren und nérdlichen Griechenlands, darunter die Thessaler (vor allem die Aleuaden aus Larisa), Doloper, Eniener, Lokrer, und die meisten Stadte Béotiens™. In der politischen Welt der Hellenen erschien auch der Begriff ,Medismos”. Mit diesem Wort bezeichnete man die freiwillige Kollaboration der Hellenen mit den Persern. Im Laufe der Zeit wurde der Termin inhaltlich erweitert, und bezog sich auch auf die Ubernahme persischer Sitten, Gebriuche samt einem luxuridsen Lebensstil”. Die griechisch-persischen Kriege wurden bald von griechischen Dichtern und Historikern behandelt. So befasst sich Aischylos in seinen Persern mit der persischen Niederlage bei Salamis. Die Hybris des Xerxes habe die Perser ins Verderben geflihrt. Bei Aischylos erscheinen Hellas und Asien immerhin als Schwestern gleichen Stammes”. Herodot verfasste seine Geschichte, damit ,,grosse und wunderbare Taten der Griechen und Barbaren nicht ohne Gedenken bleiben und nicht in Vergessenheit geraten”. Mit ,,Barbaren” sind dabei vor allem die Perser gemeint’'. Der Historiker aus Halikarnassos weiss noch nichts von einer grundsatzlichen Uberlegenheit der Griechen, die im 4. Jh. im griechischen politischen Denken besonders stark zur Geltung kommen sollte, an manchen Stellen verweist er jedoch auf griechische Errungenschaften. Er legt Wert auf die Freiheit des Wortes (isegoria), die fiir alle in jeder Val. etwa Brunt, Persia; Walser, 27-48; . 8 Vel. Walser, Hellas, 46f. Zum Medismos siehe Graf. Medism; McMullin, Aspects. °° Aischyl. Pers. 185f. Das ganze Geschehen wird Ubrigens aus der Per- spektive des besiegten Feindes dargestellt. 3! Hadt., Einleitung im Buch I. Zum Barbarenbegriff bei Herodot und an- deren griechischen Autoren s. Walser, Hellas, 1-8; Bichler, Barbarenbegriff. Griechen und Perser in achaimenidischer Zeit... 151 Hinsicht wichtig sei*’, und kritisiert die Knechtschaft (dowlosyne) als Merkmal der Vélker des Orients’. Von den Persern unter Kyros dem Grossen weiss Herodot zu berichten, dass sie Freiheit wahlten und zogen es vor, lieber ein mageres Land zu bewohnen als auf fruchtbarer Ebene stend anderen Knecht zu sein”. Herodots Urteil iiber die Barbaren/Perser ist demnach nicht eindeutig und enthalt sowohl positive als auch negative Elemente. An einigen Stellen der Geschichte Herodots erscheint eine starke, antipersische Tendenz, die die Perser sowie Asiaten im allgemeinen herabsetzte. Es handelt sich dabei um die Argumente, die Herodot dem Aristagoras aus Milet zuschreibt (Rede an die Lakedaimonier). Nach dieser Auffasung seien die Barbaren schlechte Soldaten, ferner verwies Aristagoras auf das Reichtum Asiens: dort gebe es Gold, Silber, Erz, bunte Stoffe, Zugtiere und Sklaven*®. An diese Argumentation sollte dann der antipersich eingestellte Isokrates in vieler Hinsicht ankniipfen. in besonderes Kapitel bilden die Laufbahnen der grossen griechischen Heerfiihrer und Politiker, die die Hellenen 480-479 zum Sieg gegen die Perser gefiihrt hatten. Der beriihmteste athenische Fiihrer jener Zeit war Themistokles, der einige Jahre nach seinem Sieg bei Salamina verbannt wurde*®. In einem Hochverratsprozess wurde Themistokles zum Tode verurteilt, er fliichtete jedoch inzwischen nach Kleinasien. Dort erlernte er Persich und eignete sich die persischen Sitten sowie Brauche. In Susa wurde er schliesslich vom Grosskénig Artaxerxes I. (465-424) empfangen. Dieser schenkte dem griechischen Uberldufer die Stadte Magnesia am Maiandrios, Lampsakos, Myus, Perkote und Sepsis*’. Der grosse Sieger von Salamina verwandelte sich somit in einen treuen persichen Vassalen — eine frappierende Wende. Neben Themistokles spielte der spartanische Kénig Pausanias, der das griechische Heer in der Schlacht bei Plataiai zum Sieg fiihrte (479), eine herausragende Rolle in den persisch-griechischen Kampfen der Jahre 480-479". Schon 478 trat er aber in Verbindung mit dem Grosskénig Xerxes, bewarb sich um eine kénigliche Tochter, und bot dabei die Hist. 5,78. Vel. Hat. 7,102,2. Hist. 9,122,1-4, Hat. 5,49 und 5,97. Vgl. Starr, Greeks and Persians, 58. Hofstetter, Griechen, Nr. 305. 7 Thuk. 1,138,5. Zu Pausanians s. Hofstetter, Griechen, Nr. 246. 152 Marek J. Olbrycht Unterwerfung der griechischen Staaten an’*, Der spartanische Kénig eignete sich den persischen Lebensstil, die persische Tracht, Tafelluxus und persisch-dgyptische Leibwache". All dies flihrte zur Abberufung des Pausanias nach Sparta, da wurde er wegen einzelner Vergehen zwar verurteilt, aber von der Anklage wegen ,.Medismos” freigesprochen* Pausanias floh nach Kolonai (in der Troas), wurde jedoch von der Filhrung Spartas in die Heimat zurtickgerufen. Dort versuchte er, seine politischen Plane mit Hilfe der Heloten zu verwirklichen, wurde aber schliesslich zu Tode gebracht. Die Einstellung des Pausanias zu den Persern war ahnlich der des Themistokles. Beide scheinen von der persischen Welt tief fasziniert gewesen zu sein. Pausanias war jedoch in seinem Vorgehen nicht so geschickt und konsequent wie sein athenischer Kollege. Die hippokratische Schrift Von der Umwelt (zweite Hilfte des 5. Shs.) leitet die angebliche Schwache der Asiaten aus einer Kombination von Klima und Rechte ab. Vorteilhaft flir Europa — im Gegesatz zu Asien — seien haufige Wandlungen der Jahreszeiten. Starke Erschiitterungen des Gemiites sollen Wildheit erzeugen, und eine sanfte und milde Gemiitsart schwachen. Daher seien die Europder mutiger als die Asiaten. In einem ewigen Einerlei entstehe ,,Leichtfertigkeit und Arbeitsscheu”, im Lande voller Wechsel entwickele sich Abhartung an Kérper und Geist. Kritisiert wird auch die Monarchie in Asien. Die Asiaten werden ,,zu vollendeten Feiglingen” mit ,,versklavten Seelen”. Die Grundverfassung eines Volkes. habe schliesslich entscheidenden Einfluss auf die Erweckung seines Mutes*?. Wenn man die oben angefiihrten Auffassungen iiber Persien zusam- menstellt, so erweist sich, dass im Laufe der Zeit eine grundlegende Geringschéitzung der Perser starker zum Ausdruck kam. Parallel dazu existierte auch Bewunderung und Faszination (greifbar etwa bei Aischylos und Herodot), und zwar auf beiden Seiten’. Solche Gegensatzfiguren *° Thuk. 1,128,5ff.; Diod. 11,44,3. Thuk. 1,130. ' Thu. 1,95. De aere locis aquis 23. “Man denke hierbei an die Neigung zur griechischen Kultur bei Kyros dem Jiingeren, sowie an die persischen Einwirkungen im Bereich der griechischen Philospohie und Religion, vgl. dazu Kingsley, Meetings with Magi; Bivar, Sym- bolon. Griechen und Perser in achaimenidischer Zeit. 153 lassen sich im allgemeinen in den meisten. griechischen Werken des 5. Jhs. nachvollziehen“, zum Teil auch im 4. Jh.*. Nicht nur Politik und Kriege bestimmten die persich-griechischen Beziehungen im 5. Jh. Im kulturellen Bereich lassen sich z.T. starke persische Einwirkungen nachvollziehen“®. Hier sei nur ein Beispiel erwahnt. Das Odeion des Perikles in Athen wurde in Nachahmung des Zeltes des Xerxes errichtet””. Zuzustimmen ist der Meinung, dass ,,in producing the Odeion, the Athenians deliberately adopted a building type developed in Iran to convey a specific message of imperial majesty for the Persian kings™®. Im Odeon wurde der Tribut (Phoros) von den Griechen der Agais erhoben. Eine der Quellen aus dem Ende des 5. Jhs., spricht von einer gemischten, griechisch-barbarischen Lebensweise der Athener, wobei auf orientalische, darunter auch persiche Einfliisse angespielt wird’®. Vollkommen berechtigt ist die Auffassung, die Perser nahmen im 5. Jh. ,,von allen Fremden den gréssten Einfluss auf das Leben, auf das Bewusstsein und auf die Geschichte Griechenlands””. Persien trat stark in klassischer Zeit in die politische Welt der Hellenen ein. Und manche persische Kulturerscheinungen fanden ihren Weg sogar nach Athen, in die Hochburg der raffinierten hellenischen Kultur. Im Laufe des Peloponnesischen Krieges (431-404) vollzogen sich in der Politik Persiens gegeniiber den Hellenen wichtige Veranderungen. Der Grosskénig begann, immer starker in die Konflikte zwischen den griechischen Staaten einzugreifen, sein Geld und geschickte Diplomatic sollten ihm dabei zahlreiche Erfolge bescheren. Sparta kniipfte mit Persien engere Beziehungen (412-411) und die massive Finanzhilfe sicherte den Lakedaimoniern den endgiiltigen Sieg tiber Athen im Peloponnesischen Krieg (404). Die politischen Konstellationen sollten sich in der Folgezeit, im Laufe des 4. Jhs., Sfters verindern, Persien trachtete jedoch immer wieder danach, ein gewisses Gleichgewicht zwischen den fuhrenden Staaten Griechenlands zu behalten. Die persichen Streitkrafte errungen “ Hutzfeld, Das Bild der Perser, zeigt diese Problematik in vollem Umfang. Starr, Greeks and Persians. e vorziigliche Studie zu den kulturellen Wechselbeziehungen zwi- schen Persien und Hellas bietet Miller, Athens and Persia. “’ Plut. Perikles 13,5; Pausanias 1, 20,4. Vgl. von Gall, Das Zelt des Xerxes; ders., Das persische Kénigszelt ‘Miller, Athens and Persia, 241. ® Xen. Ath. 2,8. Vgl. Miller, Athens and Persia, 243. %° Hutzfeld, Das Bild der Perser, 217. 4s 46 154 Marek J. Olbrycht zudem direkte militarische Siege iiber die Hellenen. So brachte der aus Athen stammende persische Admiral Konon der spartanischen Flotte bei Knidos eine vernichtende Niederlage bei (394). Durch diesen Sieg wurde die spartanische Hegemonie in der Agiis zerschlagen. Eine andere, wenig in der Forschung beachtete Niederlage der Griechen erfolgte kurz darauf (391). Der persische Befehlshaber Struthas schlug véllig eine spartanische Armee unter der Fihrung eines Thibron, dabei fielen fast 8000 Hellenen’'. Im Jahre 387 v. Chr. kam es zu einem einzigartigen Ereignis: Der persische K6nig diktierte den griechischen Staaten Friedensbedingungen. Dieser sogenannte K6nigsfrieden bzw. Antialkidasfrieden gab dem Gross- kénig alle hellenischen Stiidte in Kleinasien und Zypern, alle iibrigen Poleis wurden fir autonom erklart. Diese Bedingungen sollten Grundlage einer allgemeinen Friedensordnung bilden (koine eirene). Die Spartaner galten dabei als von Persien unterstiitzte Hitter (prostatai) des Kénigsfriedens. Mit diesem Vertrag und seinen Folgen erreichte Persien eine starke, z.T. sogar entscheidende Position im politischen Kraftespiel der griechischen Staaten. Griechenland éffnete sich zunehmend dem Einfluss des persischen Geldes. Den Opportunismus der persischen Politik zeigen solche Beispiele wie das Schicksal der griechischen Generale in persischen Diensten, Konons und Iphikrates: Beide entzogen sich der kéniglichen Ungunst durch die Flucht. Auch die Behandlung des persischen Gesandten Antialkidas durch den Grosskénig Artaxerxes II. ist hierbei vielsagend. Als Sparta machtig war, nannte der Grosskénig den Antialkidas Gastfreund (xenos) und Freund (filos). Als aber die Macht der Spartaner nach der Schlacht bei Leuktra gesunken war, wurde Antialkidas als Spartas Gesandte in Persien schimpflich und verdchtlich behandelt®. Wichtige Informationen tiber Persien liefert Xenophon, Soldat und Schrifisteller, und zwar in der Anabasis und der Kyroupaideia®’. Die Anabasis bietet eine Fille von Beobachtungen aus dem Hauptquartier des achaimenidischen Prinzen Kyros des Jtingeren und aus seinem Feldzug, gegen seinen Bruder und Grosskénig Artaxerxes II. Den Kern der rebellischen Armee bildeten griechischen Séldner, darunter auch Xenophon. Die Kyroupaideia liefert dagegen eher eine Art ideales Bild des persischen Herrschers und war nicht als historiographisches Werk 5! Xen, Hell. 4,8,18f, Diod. 14,99,2f. © Plut. Artox. 22,3-4. 53 Zu diesen Werken s. Hirsch, Friendship; 1001 Iranian Nights. Griechen und Perser in achaimenidischer Zeit... 155 gedacht™. Das Persienbild Xenophons ist nicht einheitlich, richtet sich aber nach bestimmten Zielsetzungen’’. Xenophon versucht zu beweisen, dass die Perser aus seiner Zeit (d.h. im 4. Jh.) minderwertiger als die fritheren unter Kyros dem Grossen seien®®, So sollen sie zu Xenophons Zeiten (,,heutzutage”) weniger Tapferkeit im Krieg, weniger Gerechtigkeit, und weniger Ehrfurcht vor den Gottern als frither, d-h. unter Kyros dem Grossen, zeigen’’. Xenophon hebt die griechische Uberlegenheit immer wieder hervor, so sollen die Hellenen besser Kalte, Warme und Miihsal ertragen, und dank den Géttern tiberlegene Seelenkraft besitzen. Ferner huldigen sie nur den Géttern und leben als freie Menschen in Poleis®®. Das Erlernen und Austiben der Reitkunst habe in Persien aufgehért”. Die Perser seien der Meinung, dass man gegen die Griechen nur mit Hilfe der Griechen kampfen kénnte®. Manche Xenophons Vorwiirfe erscheinen als vollkommen tendenziés. So behauptet Xenophon, im Sommer giben sich die Perser nicht mit dem Schatten der Baume und Felse zufrieden, sondern da sti inden noch Leute neben ihnen, um noch zusatzlich Schatten zu spenden®'. Xenophon bemitht sich insgesamt darum, die Degeneration persischer Sitten, Bréuche und des Erziehungswesens darzustellen, dabei kontrastiert er die glanzvolle Epoche des Kyros des Grossen mit einem Niedergang unter den spaiteren persischen Konigen. In den angeftihrten Bemerkungen Xenophons lassen sich natiirlich Vorurteile bzw. Klischees nachvollziehen, etwa die Vorstellung vom Auf- héren der Reitkunst. Zum anderen muss man auch zugeben, dass sie stichhaltige Elemente enthalten. Bekanntlich wurde die Rolle der hellen- ischen Sdldner in der Levante, in Agypten und Kleinasien durchaus relevant, sie bildeten den Kern der dort operierenden persischen Truppen. Xenophon betont zu Recht strategische Nachteile des persichen Reiches. So sei zwar die Herrschaft des Grosskénigs machtig dank der Grésse des Landes und der Zahl der Menschen, zum anderen sei sie doch schwach Sg a - A . Sie enthalt dabei zahlreiche Reminiszenzen der altiranischen Traditio- nen, die mitunter ihre Parallelen bei Ferdousi finden, siche Momigliano, Hoch- Aulturen, 158 (nach A. Christensen). © Dies wird bei Hirsch, Friendship, 140 hervorgehoben. 8° Xen. Kyr. 8,8,1-27. 7 Xen, Kyr. 8,8,27. 8 Xen. Anab. 3,1,23; 3,2,13. % Xen. Kyr. 88,13. °° Xen. Kyr. 8,8,20-26. Xen. Kyr. 8,8,17. ot 156 Marek J. Olbrycht infolge der Lange der Wege und der Verzettelung der Truppen, sofern man nur den Krieg in aller Schnelligkeit erdffnet™. Diese Beobachtung ist aus militarischer Sicht zutreffend. Ferner fitgt Xenophon hinzu, dass jeder, der krieg gegen die Perser fihrt, in ihrem Land umherziehen kénnte, ohne kampfen zu miissen®. Dies ist wiederum iibertrieben, aber einige griechische Angriffe, etwa unter Agesilaos, zeigten zahlreiche schwache Punkte in der persischen Verteidigung Kleinasiens. Fir einen panhellenischen Krieg gegen Persien sprach sich immer wieder der athenische Redner und Politiker Isokrates aus. Er pladierte in seinem Panegyrikos, der 380 erschien, fur ein gemeinsames Vorgehen der Hellenen gegen die ,,Barbaren”, unter denen die Perser gemeint sind. Als Fuhrer sieht Isokrates zuniichst Athen, dann aber, nach der Schwachung dieses Staates, denkt er an Dionysios I. von Syrakus, und schliesslich versucht, Philipp II. von Makedonien zu gewinnen™. Isokrates betont, der Grosskénig habe es geschafft, was keiner seiner Vorfahren vermocht habe: Athener und Lakedaimonier hatten zugelassen, dass die Perser in Kleinasien herrschten. Dabei sei der Grosskénig mit solch unum- schrankter Selbstherrlichkeit vorgegangen, dass er manche Poleis zerstérte, in anderen Befestigungen bauen liesse®*, Mit anderen Worten: Isokrates war sich bewusst, dass die Perser mit dem Kénigsfrieden des Jahres 387 einen schwerwiegenden politischen Sieg tiber die Hellenen errungen®™. Er kritisiert scharf die Einstellung mancher Hellenen, die voll Bewunderung fiir die Macht des Perserkénigs seien®”, und behauptet, die Hellenen hatten die Macht, alle Barbaren (sprich: Perser) zu ihren Pel en (im Sinne der Knechte) zu machen". Far ihn sind die Perser die natiirlichen Feinde™. Isokrates verspricht den Hellenen, dass sie den Wohfstand von Asien nach Europa bringen kénnten”. Aufs Ganze gesehen sind bei Isokrates Ressen- Xen. Anab. 1,5,9. Ahnlich: Isokr. Paneg. 4,141, 162, 165; Diod. 15,9,2; 16,44-6. ® Xen. Kyroup. 8,8,7 °* Dies zeigt die Schrift Philippos, die 346 entstand. ° Isokr. Paneg. 136-137. ° Griinde fir die Erstarkung Persiens sieht Isokrates nicht in der Macht des Grosskénigs, sondern in der Unvernuft der Hellenen (Paneg. 137). °7 Isokr. Paneg. 138. ® Isokr. Paneg. 131. ° Isokr. Paneg. 184. 7 Isokr. Paneg. 187. Griechen und Perser in achaimenidischer Zei 157 timenst zu beobachten, die aus der damaligen politischen Uberlegenheit Persiens resultierten. In der Folgezeit richtete Isokrates sein Augenmerk auf Philipp von Makedonien. Der Redner behauptet, dass Philipp im giinstigsten Fall das ganze Perserreich erobern kénnte. Zunachst einmal schlagt er vor, Asien bis Kilikien und Synope zu erobern, dort Poleis zu griinden und Menschen anzusiedeln, die zur Zeit heimatlos umherschweifen”'. Die Voraussetzung fiir den Perserkrieg sei die Einigung der Heflenen””. Isokrates nent zahlreiche Beispiele, vor allem antipersische Aufstinde in Agypten und Zypern, um zu beweisen, dass der Grosskénig als allein auf sich gestellt schwach sei”. Zum anderen betont Isokrates die Leichtigkeit, mit der mehrere hellenische Truppen die Westkiiste Kleinasiens beherrschen bzw. verwiisten konnten, so unter Derkylidas, Drakon, Thibron und besonders unter Agesilaos™. Dabei werden griechische Niederlagen, wie etwa jene Thibrons, verschleiert. Isokrates betont ferner die Leistungen der grie~ chischen Séldner im Feldzug des Kyros des Jiingeren. Die Perser hatten wenig ruhmvoll gekampft, ,,ihre Schlaffheit und Feigheit wurden an allen Orten unter Beweis gestellt””’. Die Beurteilung Persiens bei loskrates hangt mit seinen politischen Zielsetzungen zusammen — um jeden Preis wollte er Philipp und Hellenen zu einer gemeinsamen Aktion gegen das angeblich schwache, aber reiche Persien bewegen. Dabei verbanden sich rein publizistische Argumente (etwa die ,,Feigheit” der Perser) mit realitétsnahen Vorwiirfen (z. T. unwirksame Verteidiung Kleinasiens durch die Perser). Einige relevante Bemerkungen zu Persien liefert Platon, der philo- sophisch-politische Erwagungen zu Staatsverfassungen mit Einschadtzung der Perser verbindet. Laut Platon gibt es zwei Formen von Staaten; die eine ist als Monarchie zu bezeichnen, die andere als Demokratie. Monarchie in der ausgepragtesten Form hatte sich in Persien, Demokratie dagegen in Athen entwickelt”. Kyros’ Herrschaft gilt als die Zeit der ™ Isokr. Philip. 120. 7” Wir bekriegen uns selbst wegen unbedeutenden Bagatellen, obwohl wir die Macht und den Reichtum der Perser besitzen kénnten” (Isokr. Philip. 126) 73 |sokr. Paneg. 138ff. So etwa konnte der Grosskinig einige Jahre Land gegen so unbedeutende Macht wie Euagoras in Zypern die Oberhand nicht gewin- nen (Isokr. Paneg. 141). ™ Isokr. Paneg. 144. * Joskr. Paneg. 145-149. Plat. Leg. 3, 693D. 158 Marek J. Olbrycht Freiheit der Perser, der Kénig sei sogar weitherzig genug gewesen, um Redefreiheit zu gew4hren, Unter Kambyses sei ein verderbrlicher Riickgang eingetreten, aber Dareios I. habe vermocht, die Macht der Perser zu erneuern’”. Dareios sei nicht durch tippige Erziehung verwohnt gewesen. Aber schon unter dem in einer sittenverder-benden Weise erzogenen Xerxes seien Krisensymptome sichtbar gewesen. Seitdem soll in Persien kein wahrhaftig grosser Kénig geherrscht haben. Platon kritisiert scharf die Weiberherrschaft — die Séhne der K6nige wiirden von Frauen und Eunuchen erzogen unter dem Einfluss der _,,griindlich verpfuschten medischen Bildungsweise”. Die originelle persische Zucht sei hart und geeignet gewesen, Hirten von besonderer Kraft zu bilden, die imstande gewesen seien, Tag- sowie Nachtwachen zu leisten und zu Felde zu ziehen”®. Prinzipiell unterscheidet sich dieses Bild nicht viel von dem Xenophons. Die goldene Epoche des Kyros wird kontrastiert mit einer Degenerierung unter seinen Nachfolgern, nur Dareios I. zaéhlt noch zu tapferen und starken Herrschern. Eine niichterne, politische Einschatzung Persiens liefert Demostenes. In seiner Symmorien-Rede warnte Demostenes die Athener, sich in einen Krieg gegen Persien verwickeln zu lassen. Er hebt hervor, der Grosskénig habe eine machtige Flotte, Gelder, und befestigte Stiitzpunkte”. Der Perserherrscher sei zwar der gemeinsame Feind von allen Hellenen, aber die Athener seien nicht bereit, gegen Persien einen Krieg zu eréffnen. Das Persienbild bei den Hellenen des 4. Jhs. war sehr differenziert. Ofters wird die Geringschatzung der persischen Truppen ausgedriickt. Zum Teil lassen sich solche Vorwirfe untermauern. Aber die politischen Realien des 4 Jhs. zeigten zugfeich, dass die politische, militarische und finanzielle Macht Persiens ausreichend war, um die spartanische Flotte bei Knidos zu vernichten, um den Hellenen einen ,,K6nigsfrieden” aufzu- oktroyieren, und um die griechischen Stadte Kleinasiens unter persische Kontrolle zu stellen. Die persischen Grosskénige trachteten im 4. Jh. nicht danach, das griechische Festland direkt zu unterwerfen. Sie hatten jedoch ausreichende Mittel, um im Kraftespiel zwischen den griechischen Staaten eine z.T. entscheidende Rolle zu spielen. Die persische Uberlegenheit suchte man in Griechenland durch oberflachliche negative Einschatzungen ” Plat. Leg. 3, 694. 7 Plat. Leg. 3, 695. ® Demost., Peri ton Symmorion 9. 159 Griechen und Perser in achaimenidischer Zeit und publizistisch geprigte Argumente zu kompensieren®, Wenig Aufmerksamkeit wurde den realen Verhiltnissen in Persien geschenkt®'. Wie schon in der Einfihrung bemerkt, spielten die Hellenen im Perserreich eine nicht geringe Rolle. “Nach 500 gehort der Hellene zum Alltag des achamenidisch beherrschten Gebiets”””. Nach Persien reisten Kaufleute, Séldner, Mediziner, Arbeiter und Handwerker. Es fehlte auch nicht an Uberlaufern und Verbannten. Schliesslich gab es Zwangsver- schleppte aus Kleinasien, die ins Innere des Reiches deportiert wurden. Am persischen Hofe waren Arzte griechischer Herkunft tatig, unter denen manche dann als Literaten wirkten. Der bekannteste Arzt und Schriftsteller in persischen Diensten war wohl Ktesias von Knidos, der 17 Jahre bei dem Grosskénig Artaxerxes I]. als Arzt der Kéniginmutter Parysatis verbrachte®. Ktesias spielte dabei eine Rolle als politischer Vermittler zwischen dem Grosskénig und griechischen Staaten sowie einzelnen Fiihrern, wie etwa Konon. Nach seiner Riickkehr bzw. Flucht aus Persien verfasste er einige Werke, darunter die Persika, die Intrigen am persischen Hofe in den Vordergrund stellt, enthalt aber zugleich auch manche wertvolle Nachrichten tiber Persien™. Einige Forscher sehen die Teilnahme der griechischen Architekten und Skulptoren am Bau der persischen Palaste schon unter Kyros dem Grossen®, In Persepolis lasst sich ein nicht geringer Anteil der Hellenen (vor allem der Ionier) bei Steinmetzarbeiten und Reliefs beweisen®*. Karer und lonier fléssten um 510 Zedernholz aus Babylon nach Susa®”. Als wichtige Quelle sind Tontifelchen aus Persepolis zu bewerten, die sogenannten Persepolis Treasury Tablets (114 Stick, Zeitraum 492- 460), und Persepolis Fortification Tablets (iiber 2100, Zeitspanne 510- 494). Einige von den Texten nennen Yauna, die wahrscheinlich als 80 Br Dihle, Griechen, 49. Laut Briant, Greeks and ,, Persian Decadence", passim, bes. 201, verfo gten solche Autoren wie Xenophon, Isokrates und Platon vor allem ideologische Zielsetzungen. © Funck, Griechen, 30. © Hofstetter, Griechen, Nr. 186. Zu Ktesias’ Position am Hofe vgl. die Ausfuhrungen Meissners, Historiker, 362-368. An den persischen Hof gelangte er wohl als Kriegsgefangener Ende des 5. Jhs. * pjankoy, Istorija. Vgl. Momigliano, Hochkulturen, 156f. Nylander, lonians. *° Starr, Greeks and Persians 1, S6f. und 65ff. Vgl. Richter, Greeks in Persia. *” Punck, Griechen, 31. 8s 160 Marek J. Olbrycht Hellenen zu interpretieren sind®®. Zwei solche Yauna waren Kénigs- beamte™. Einer der Texte wurde in Griechisch abgefasst™. Wahrend der Kriege gegen die Hellenenstaaten deportierten die | Perser d ie Bevélkerung von einigen Staédten. So wurden 490 die Ein- wohner Eretrias nach Mesopotamien umgesiedelt”'. 494 zersérten die Perser Milet und die gefangenen Milesier wurden in Ampe an der Miindung des Tigris angesiedelt”. Die Hellenen waren praktisch ausgeschlossen aus den hohen Positionen in der persischen Staatsstruktur. Die Sdldnerfiihrer, obwohl zeitweise einflussreich, bekleidetend in der Regel keine hohen Amter. Die einzigen Mentor Ausnahmen sind Memnon aus Rhodos” und sein Bruder Unter Artaxerxes III. Ochos war Memnon Hyparchos der asiatischen Kiiste (als Nachfolger seines verstorbenen Bruders, Mentor), Dareios IIL ernannte ihn zum Oberkommandierenden der persischen Flotte and der Streitkrafte in Westkleinasien. Diese hohe Stellung hatte Memnon nicht nur seinen militarischen Leistungen, sondern auch seinen verwand: schaftlichen Beziehungen zum KGnigshaus zu verdanken. Seine Gattin war eine Tochter seines Schwagers Artabazos (dieser war ein hochrangiger persischer Aristokrat) und Witwe Mentors. Die ischen. Am kéniglichen Hof gab es Dolmetscher fiir das Griechische”’. Kyros d Kanzlei des Grosskénigs bediente sich manchmal des Griech- | ler Jiingere besass wohl Griechischkenntnisse, er verftigte aber auch fiber Dolmetscher”. Dareios III. kannte die griechische Sprache: Er konnte sich mit dem Sdéfdnerftihrer Patron ohne Dolmetscher verstan- Der Untergang des persischen Grossreiches verwirklichte sich fur die Hellenen wohl unerwarteterweise. So bemerkt Demetrios von Phaleron ein paar Jahrzehnte nach dem Tod des letzten Achaimenidenkénigs (330): 8 Vel. aber 90 Eine derartige Gleichsetzung nimmt Sancisi-Weerdenburg, Yawna an. Klinkott, Yauna. Lewis, Persians, 108. Starr, Greeks and Persians 1, 46, n. 14. Hdt. 6, 99ff. Hdt. 6,22. Hofstetter, Griechen, Nr. 215. Hofstetter, Griechen, Nr. 220. Hdt. 3,140,2-3. Xen. Anad, 1,2,17. Vgl. Walser, Hellas, 95-97. Curt. 5,11,5. Griechen und Perser in achaimeni ischer Zeit... 161 »Wer hatte vor ftinfzig Jahren fiir méglich gehalten, dass der Name der Perser véllig verschwinden werde, der Perser, die Herren beinahe der gesamten bewohnten Erde waren?””*. Die meisten griechischen Autoren begriindeten die angebliche Degenerierung der Perser vor allem mit ihrer Verweichlichung (thrypsis) und luxuriéser Lebensweise (tryphe)”. Als Alexander der Grosse began — in Ankniipfung an die persichen Grosskénige — durch iippige Mahizeiten, Kleidung (seine eigene und seiner Gardisten) und andere Merkmale sein Reichtum hervorzuheben und zur Schau zu stellen, vollendete sich eine Wende in der dominierenden griechischen Denk- weise'”. In hellenistischer Zeit besass namlich das Wort tryphe keine negative Bedeutung mehr. Es galt vielmehr als Symbol der Macht und des Reichtums des Kénigs'*', Eine solche Einstellung veraunschaulichen Worte des Herakleides vom Pontos, der die Perser und Meder als die adeligsten (megalopsychotatoi) und mutigsten (andreiotatoi) ansah!”. BIBLIOGRAPHIE Bichler R., Der Barbarenbegriff des Herodot und die Instrumentalisierung der Barbaren-Topik in politisch-ideologischer Absicht, [in:] 1. Weiler, H. Grassl (Hgg.), Soziale Randgruppen und Aussenseiter im Altertum, Graz 1988, 117-128. Bivar A. D. H., Symbolon. A Noteworthy Use for a Persian Gold Phiale, {in:] G. R. Tsetskhladze (ed.), Ancient Greeks west and east (Mnemosyne Suppl. 196), Leiden/Boston/Kéin 1999, 379-384. Boardman J., Persia and the West. An Archaeological Investigation of the Genesis of Achaemenid Art, London 2000, Boyce M., A History of Zoroastrianism. Vol. Il, Under the Achaemenids, Leiden/Kdln 1982. os Polyb. 29,21,4. Vegi. Plut. Artox. 20,1; Strab, 15,3,22. Schon der Hof des Philipp Il. zeichnete sich durch orientalische Merk- male aus, und die Lebensweise der makedonischen Aristokratie orientierte sich damals in vieler Hinsicht an persichen Vorbildern. Ausflthrlich dazu Briant, Greeks and ., Persian Decadence”, 208f. Athen, 12, 512a-b. Dabei hielt er Vergniigen und Luxus fiir Charakteris- tika von freien Ménnern 99 100 162 Marek J. Olbrycht Briant P., History and Ideology: the Greeks and ‘Persian Decadence’, {in:] Harrison (ed.), Greeks and Barbarians, 193-210. Brunt A. R., Persia and the Greeks. The Defence of the West 546-478 B.C., London 1962. Carratelli G. P. 1966: Greek Inscriptions of the Middle East, ,,East and West” 16, 31-36. Chaniotis A., Historie und Historiker in den griechischen Inschrifien, Stuttgart 1988. Dandamaev M. A., 4 Political History of the Achaemenid Empire, Leiden 1989. Dihle A., Die Griechen und die Fremden, Miinchen 1994, Dorrie H., Die Wertung der Barbaren im Urteil der Griechen. Knechts- naturen? 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