Sie sind auf Seite 1von 35
316 Eenst Haenehon auch hier ist der Dualismus nicht physischer Art, sondern ethischer Natur. Der Gegensatz ‘Teufel ~ Gott, Welt Gott im Johannes- evangelium ist zugleich der von ,,Sinde" (in 1, Joh.: ,,siindigen") und die Gebote halten, ,,die Wahrheit, fun". Und bei Paulus wird der Widerstreit der beiden Machte Gott und Sande darin wirk- sam und zum Austrag gebracht, da der Mensch Siinde tul, ,,Werke der Finsternis" vollbringt, oder aber ,,Friichte des Geistes" tragt in Gott wohigefilligen Taten der ,,Heiligung™*, Und dieser ethisch aus- geriohtete Dualismus ist im Neuen ‘Testament durchweg verbunden mit dem alttestamentlichen monotheistischon Schépfungsgedanken, Dies beides riickt das neutestamentliche Denken ganz in die Nahe dor neuen Sektentexte, Und beides irennt das neutestamentliche Den- ken von der Gnosis. So diirfte es fiir die Zukunft notwendig werden, die haufige Rede von ,,gnostischen Einflissen" im Neuen Testament, einer Revision zu unterzichen, Damit soll natiirlich nicht der im Neuen Testament, auch vorhandeno EinfluB hellenistisehen Denkens und speziell von Motiven aus der hellenistischen Mysterienkultfrommigkeit geleugnet worden, Er ist unbestreitbar vorhanden. Aber hollenistische Myste- rienreligionen und Gnosis sind zweierlei, In all diesen Fragen wird eine neue Klarung und Abgrenzung der Begriffe und religionsgeschicht- lichen Zusammenhange notwendig sein, und dabei wird dem neuen Material dieser judisch-palistinischen Texte eine entscheidende Be- deutung cukommen. Gab es eine vordhristlidhe Gnosis? Von Ernst Haenchen Gab es eine vorchristliche Gnosis? Die Tntensitat, mit der dar- liber verhandelt wird, laGt erkennen: Hier geht es nicht blof um eine akademische Frage. Ware die Gac alter als das Christentum, dann wire es zum mindesten moglich, daB sie das werdende Christentum beeinfluBt hat. und da ,,das junge Christentum ... als ein Beding- tes hineinverwoben" ist ,,in das Netz hellenistisch-synkretistischer 2 Ober diese Fragen paulinischer Theologie in Gogeabberstellung mit der Denk- ‘weite der neuen palistinischen Texte vgl meinen Aufsatz in Zeilschr. f. Theol. uu, Kirche 1952, Heft 2, 8. 200-222, Gab 0s eine vorshristliche Gnosis? 317 Religionsstromungen" (Jonas)!, Man kann verstehen, daB kirch- lice Kreise einer solchen Méglichkeit mit iuBerstem Mi€trauen be- geenen, und da man hier am licbsten auf die Stimmen derjenigen Forscher hért, welche die traditionello Auffassung der Gnosis ver- teidigen. Die von den Kirchenvitern begrandete ‘Tradition hat ném- lich in der Gnosis immer nur christliche Hiiresie erblickt. Damit, er- gab sich eine anscheinend sehr einfache Entwicklung: Im Anfang steht die ehristiche Verkiindigung. Ihre Gehoimnisso rufen Fragen ‘wach, welche die philosophische Gnosis beantworten will. Sie dege- neriert zur mythologischen Gnosis. Wenn wir diese der Tradition entsprechende Anschauung prifen wollen, dann missen wir zunichst die Frage beantworten: Gab es eine vorehristliche Gnosis? Aber damit ist es noch nicht geton. Wir miissen auch feststellen, wie sich die Gnosis entwickelt hat. War sie antangs wirklich eine philosophisehe Gnosis, die dann entartete und mythologisch wurde, oder stand am Begin die mythologische Gnosis und klarte und schwachte sich im Lauf der Zeit zu einer philosophi- sehen Gnosis ab? Oder war die Entwicklung nicht einheitlich ? Zum Glick erlaubt. uns ein und dasselbe Material, namlich die Reste der simonianischen Gnosis, das gesamte Problem in Angrift za nehmen. Die Berichte, die wir bei Hippolyt (um 220), bei Irendius (um 180), hei Justin (um 150) und in der Apostelgeschichte finden, gestatten uns, den urspriinglichen Charakter und die Entwicklung dieser Gnosis zu erkennen, und ermdglichen Aussagen tber ihr Al- ter, die iber bloBe Vermutungen hinausgehen, Wir wollen darum diese Berichte in der angegebenen Reihenfolge besprechen, B Der erste Bericht, den wir hier anhéren wollen, findet sich in Hippolyls Elenchos*, Dort hat er die simonianische Gnosis zweimal dargestellt: kurz zusammenfassend in X 12, ausfilhrlich in VI 9-20. Fiir uns kommt nur die zweite Darstellung in Betracht; sie allein gibt némlich die Eigentiimlichkeit der Hauptquelle wieder, die Hip- polyt (kiinftig abgekiirzt: H.) benutzt hat, Es ist eine Schrift, die Hane Jonas, Gnosis und epBtantiler Geist, Gottingen 1934, 8. L 2° F.C, Bonmtrx, Church and Gnosis, 1982, S. 40, zitiert bei Jonas a. a. 0. 3.206, Anm. 1. © Dioser erste Tell wurde am 17. X.52 dem Arbsitskreis Uber dic Gnosis vor getrogen, den Wenxen Fornsten an der Universitat Monster ins Leben gerufen hat ‘und dom Mitglioder versebiodener Fakultaten angenaren, ‘ilippolyt, herausgeg. von Pavt. WanDLAND (Griech. christ. Schriftsteller), Bond 3, 1916. Der Text von V1 9-18 ist abgedruckt bel Wairaen Vouxen: Quallen 318 east Haonehen von Simon stammen will und den Titel ,,GroBe Verkiindigung" trug (im Folgenden abgekiirzt: Gr. V.). Wir wollen ihren Verfasser der Kiirze halber Simon nennen. H. beginnt seine Darstellung der simonienischen Lehre in 9,3 mit dem Satz Simons, das Feuer sei die Urmacht. des Alls', Dieser Einsatepunkt ist nicht cuféllig. Denn einmal gehdrt die Lehre von der dey} notwendig an den Anfang; zum andern ist dies der einzige Fall in Kap. 9-18, in dem H. seine ‘These? cu beweisen versucht, Simons Lehre stamme nicht aus der Bibel, sondern aus dem Grie- chentum. Noch Moses ist Gott ein brennendes und verzehrendes Feuer, wondet H. ein*; Simon habe den dunklen Herallit, ausge~ pliindert®, Aber diese Lehre vom Feuor lit H. sogleich wieder fallen und nimmt sie erst in 9, 5 Mitte wieder auf, So wirkt der Absata 9,4 f. wie ein Kinschub. Hier wird sich H.s Arbeitsweise® geltend machen: er hat seine Vorlagen exzerpiert und diese Exzerpte dann, so gut es ging, zusemmengestellt zur Gecchichte dor christlichen Gnosis, Tubingen 1029, 8. 3-11. Hier finden sich Kommenden Texte aus Justin und Irenbus. ‘Dad Hippolyt dic von ihm bekimpften Gnostiker wirklich verstanden bitte, dart man leider nicht erwarien, Sein Verhiltnis za ihnen Ot sich an einem Bei spiel besonders deutlieh machen. Er wollte ja mit seinem Werk bewelsen, dad le Lehren der , Haretiker” ~ ,,Gnostiker" sind fur ihm die Angehorigen einer be- Sstimmten Sekte, die Naassener (V 11) ~ nicht aus der Heiligen Schrift stammen, sondern aus der Weisheit der Griechen: 11, 8. Herodol er2tblt IN 8-10, Herakles habe in Seythion cin Madchen ongetroffen, dus bis zur Weiehe eine Jungtrau war, darunter aber einen Schlangenleib hatte. Als ein solches Doppelwesen wird im gnostischen Daruchbueh die ,Edem" beschrieben, die Weltschopferin. mit wollte der Verfasser den zwielichtigen Charakter dieser Macht (und Ihres Wer- kes, Ger Schoplung) verunsehaulichen, Hippolyt aber triumphlert: Sein Gegner gebe die Fabel als etwas Neves umgestaltet seinen Zuhorern wieder und mache Sich aus ihr die ganze Grundlago seines Lehrgebindes! Er hat also nicht gemerict, af es wenig Wert hat, den Ursprung der gnostischen Ausdrucksmittel zu erken: hen, wenn man das mit dhnen Gemeinte nicht verstindlich machen kann ‘Dab eine Interpretation, welche sich dieses Ziel setzt, notwenig is, hat freilien auch die neuere Forsehung lange ubersehen. Aber auch nach dem hervorragen- dem, Won von ea UB lar noah vel 24 tu. Dar Verte der Groen Verkindiguag* wor tihig, soine Gedanken in dor Sprache sehr verechiedener Mythologien auszusprechen, ebento wie Mant (vel ILM. Scnanpen in GG? Band 3, Sp, 19% ib alva raw Chew vip dort 2 Hippolyt Klenches V4, 8.0 DL, 4, 245 Ex. 24, 17. « Hippolyt verwendet, wie auch die Gr. V. es tut, unbedenkdlich sogenannte Mischaitate, * Wexptaxp verweist auf Diets, Vorsokratiker, 3 Aull, 18, 72,96 ff :"Hoddiee- 0: . dggiy iy dxivean x) nig. &x sepdc ig vi nda ylseoBe, “Mian Kenn sie da sludieren, wo er elne uns bekaninte Quelle wiedergibt, 2. B. Jn Kap. 19 den Berieht des Inenbus, Gab e3 eine vorchristliche Gnosie? 319 Jene Urmacht des Alls nenne Simon eine ,.unendliche Krait' (dxdqavroz Séveusc): 9,4, Diese Behauptung belegt H. mit dem ersten der drei! wdrtlichen Zitate aus der Gr. V.: ,.Dies" ist die Schrift der Verkindigung* der Stimme und des Wortes (Bvoua)'', die da stammen ,,aus dem Gedanken der grofen Kraft, der unend- lichen, Darum soll sie (die Schrift) ,,versiogelt, verborgen, vor- hiillt sein, Hiogend in der Bohausung, wo die Wurzel des Alls gegrii det ist. Vielleicht hat Simons Schrift mit dieeen feierlich-geheimnis- vollen Worten begonnen*, H. entnimmt ihnen die Gleichung, ,,Wur- zol des Alls" — ,,unendliche Kraft", geht aber auf ihren Sinn nur ein mit der Bemerkung: diese Behausung sei nach Simon der gewbhn- liche Mensch, jedermann®, in jedem wohne die unendliche Kraft (das héchste Géttliche, wiirden wir sagen), wenn auch zundchet nur — wie wir alsbald héren werden ~ als eine Maglichkeit. Diese Verktindigung kommt nicht unmittelbar von der unend- lichen Kraft, sondern durch eine Reihe von Mittelgliedern, denen wir in Kop. 12 und 13 als weltbildenden Kraften und zugleich Bereichen der Welt wieder begegnen werden. Aber letatlich ist es doch dor Ruf der ,,unendlichen Kraft", wel- cher in der Gr. V. als Schrift erscheint und im Menschen aus dem Grunde ,,versiegelt, verborgen, verhiillt™ sein soll, weil dieses Gott- liche schon als Moglichkeit im Menschen liegt. Das Gottliche raft (co konnen wir sagen, wenn wir die Intention unseres Textes modern ausdricken wollen) den Menschen zur Verwirklichung seiner eigenen Moglichkeit auf. Sie sieht, freilich anders aus als bei Heipeccer. Fiir den Charakter dieses ersten Stiickes, aber auch der folgenden, ist_es bezeichnend, daB die einer Kosmologie zustrebende Betrach- “ 19,4: 14, 43 18, 2-7. Hinter vofro wird man nach An: P, Gan. Baum hat in ceinem Werk dcr ersten drei Jahrhunderte™ (2 Aufl. 1860) Bend 1, 8.191, Anm. 1 das Wort 'Aasgaatc als,,V eraeinung” verstanden und erklért: Die groBe Verneinung {st ohne Zweifel nichts wnderes als der durch Belahung und Verneinung, vwischen oben und unten, der Einhelt und der Zweihelt sich hindureh bewegende tische ProzeG. Aber das Wort ist hier nickt von éxdgyut, ,verneinen” Shea dern von daopalrw, ,kundtun' re "Die eriechischen Neutra konnen sich nur auf des vorangehende Wort veda, »,Sehritt™ hezlehen. ‘* WENDIAND bemerkt awar S. 14420 VI 18, 2 ,euch ... sebretbe ich, was feh schreie, diese Schrift": ,Hippotyt hat viellicht es Original, in dem aut roero +15 7edujea_ dicsalben Worle wio S. 126, 16 folzten" |— . .» Sehrift der Verklindi- Gung der Stimme uw. V1 9,4; siche im Text) ,gektret Dann kénnte aber der Satz Darum soll sie... gegrOndet ist nicht unmiltelbar auf... der groBen Krai der unendlichen gefolgt sein, was doch nach 9,8 offensichtich derail war Teby £8 oluder yeyermudvor ~ vor Bippalyt im Gegensatz 2 Jon. 1,13 1 ormuliort? NK. 403, Ey 320 Emst Haenehen tung (égz7) tv Blow!) sich alsbald der Anthropologie zuwendet. Das eigentliche Interesse unserer Schrift. {wie der Gnosis iberhaupt) hat- tet am Menschen und seinem Heil. Was an Kosmologisehem cinfiieSt, dient mehr zur Bestatigung der Anthropologie und vermag das, weil im Kosmos dieselben Krafte herrschen wie im Menschen, Nach dem Einschub aber die unendliche Kraft lenkt H. 9, 5 wie- der zur Lehre vom Feuer zuriiek. Nach Simon sei dieses Feuer nicht, wie bei allen Vertretern der Lebre von den vier Elementen, etwas Einfaches, sondern habe ein Doppelwesen : es sei etwas Verborgenes (xpuzerdy) und etwas Erscheinendes (gareoée): 9, 5. Das Verborgene sei im Erscheinenden verborgen, und das Erscheinende des Feuers sei von dem Verborgenen her geworden: 9, 6. ,,Das Erscheinende des Feuers umfaBt alles Sichtbare, was man wahrnimmt oder auch un- bemerkt vorbeigehen laBt"'t: es ist die sichtbare Korperwelt. ,,Das ‘Verborgene' (umfaGt) ,,alles Geistige' (voytév) und der Wahrneh- mung Entgehende, das man denkt oder ungedacht voriibergehen laBt'': 9, 7. Es ist also die Welt des unsichtbaren Geistigen. ‘Mit dieser Unterscheidung sei (dies konnte freilich auch eine von H. selbst. eingeschaltete Erklarung sein, da nach 9,8 Simon nur vom Verborgenen und Erscheinenden gesprochen hat) das gemeint, was Aristoteles dendyet und deyelg nent und Plato voyréy und alobyrdv: 9,6. Genau trifft diese Behauptung nicht zu. Das Gott- liche ist zwar innerhalb des Geistigen, wie wir bald héren werden, zu- nichst nur als Méglichkeit, dorduee, da und mufi erst wirklich wer- den, Aber auch verwirklicht bleibt es ein Verborgenes. In Kap. 9, 9f., Kap. 12 und 16 wird davon ausfahrlicher die Rede sein, Die beiden gdaets des Fouers scheinen nach dem bisher Vorgetre genen friedlich neben- oder ineinander 2u existieren, beide auf di selbe UrgriBe zuriickgehend, das Feuer. Ein solches Verhiiltnis ent- spricht auch genau dem nachsten Satz: ,,.Des aberhimmlische Feuer kurz gesagt, die Schatzkammer aller sichtbaren und erkennbaren Dinge, die er (Simon) ,,verborgene und erseheinende nent": 9, 8 Bis zu dieser Stelle kann man noch meinen, eine platonisiorende Um- bildung der stoischen Lehre vom Feuer 2u hdren, das ja zugleich Weltvernunft und Weltsubstanz ist, Jetzt erklingt jedoch ein neuer Ton. Simon arbeitet freilich auch mit neem Material: statt der Begriffe griechischer Philosophie 2 Der auffallende Ausdruck scheint nicht eine Besonderneit der Spracha Sic ‘mons 7u sein, sondern eine in joner Zeit boliebte Wendung, sie kehrt. VI 19,1 bei dor Wiedergabe des sethianischen Systoms thalich wioder, aber auch VIT 22, 1 {Basilides) und VIII 12, § (Menoimos), einer Stelle, die uns noch in anderem Zu- sammenhang beschiftigen wird. Gab 08 eine vorehristliche Gnosis? 321 taucht das Bild des groGen Baumes auf, von dem Nebuknednezar triumte (Daniel 4, 7-9). Dieser Bau wird zundichst als der Welten- beum verstenden, ,,von dem alles Fleisch lebt': 9, 8. Insofern ist er nur eine Variante jenes Feuers, das die Schatzkammer aller Dinge ist. Aber er geht unmerklich in jenen Baum von Mt.3, 10 tiber, der Frucht tregen soll. Wir sind damit aufs neue von der Kosmologie in die Anthropologie hinitbergeglitten. Stamm, Zweige, Blitter! und dic Rinde auBen, sie alle werden von der verzehrenden Flamme er- faBt, angeziindet und vergehen : 9, 9. Unter diesem Stamm, Zweigen usw, haben wir das ,.Erseheinende des Feuers", also die korperliche Welt, zu verstehen, wird uns gesagt, Als Gegenbild zu diesem Er- scheinenden, AuBeren erwarten wir nun etwas Verborgenes, Inneres, etwa dos Mark dos Baumes. Aber nicht die Logik des Bildes herrscht hier, sondern die des Bildsinns: der Gegonbegrill wird die Frucht. Sie soll nicht, wie allee Kérperliche, in das Feuer zum Vorbrennen gewor- fen werden (man beachte, wie auch der Begriff des Fouers einen ganz anderen Sinn bekommen hat!), sondern in die Seheune gebrocht, falls sie éfeixovo07} und ihre eigene Gestalt wiederbekommen hat: 9, 10. Das Wort éfeixovieoBat erscheint in Kap. 9-18 zehnmal?, Das ‘Verbum bedeutet im Passiv: ganz dhnlich soin', , genau gleichon™. Jonas gibt die Form éeworguévovs sehr gut mit ,,zum Ebenbild geworden'* wieder’. Dio Frucht mul zum Ebenbild geworden sein, wenn sie vor dem Feuergericht gerettet werden soll - gemeint ist: zum Ebenbild des hochsten Gottlichen. Das wird aus der parallelen Aussage in 12, 3 f. deullich: ,,Wer zum Ebenbild geworden sein wird, der wird der ungewordenen tind unendlichen Kraft. ganz gleich sein an Wesen, Kraft, Grofle, Vollendung; wenn er nicht. zum Ebenbild geworden ist, verschwindet er und geht zugrunde". Was zum Eben- bild werden soll, ist nicht eigentlich der Mensch, sondern das als Moglichkeit in ihm liegende Gottliche, das in 9, 9. ,,Frucht" heiBt. Aber auch die zweite Halfle jener Wendung in 9, 10 verdient, un- sere Aulmerksamkeit: ,.Die Frucht muB ihre eigene Gestalt wieder- bekommen, wenn sie gerettet werden soll'', Das erklart sich aus dem gnostischen Mythus: Jenes himmlische Wesen, das sich in die Welt, verlor und erlést wieder zum Himmel steigt, erhalt das Lichtkleid ' Diese Zusammenstellung von Stamm, Zweigen, Blittern (Prachten) er scheint beim Thema ,,Samen der Well" auch VII 21, 3 (Basilides und Isider) uund X 41, 1 (Basiides), sowie VI118,5 (Dokelen; vgl.'X 16, 1) in anderem Zu semamenbing. 39, 10; 10, 2; 12, 3. 45 14, 6 (2weimal); 16, 9. 6; 17,1; 18, 1. Dazu X 12, 3.4, 8 Jonas a, a, 0.8, 841, 322, Ernst, Haenchon wieder (sein wahres Selbst). Del eine solche Bezichung zum Mythus tatstichlich besteht, beweist 16, 1. AuGerordentlich wichtig ist der letzte Satz des Kap. 9: ,.Die Spreu, die fir das Feuer de ist, der Stamm, ist nicht um ihretwillen gewor- den, sondern um der Frucht willen''. Gewif gilt das schon fiir den natiirlichen Baum. Aber Simon denkt hier an mehr: das ganze kor- perliche Dasein hat keinen eigenen Sinn. Die kérperliche Wirklich- keit ist nur dezs da, damit die ,Prucht zum Ebenbild wird, das Gottliche im Menschen aus einer bloBen Méglichkeit zur Wirklich- keit. Kap. 10 ist eigentlich nur cine Ergénzung zu Kap. 9, aber cine wichtige. In 9,8 ff. war in der allegorischen Deutung der Baum mit dem Menschen ineinsgesetzt worden. Da tatsichlich Baum = Mensch ist, wird jetzt aufgezeigt (8%Seaecac: 10,1) mit dem Hin- weis auf Jos.5,7. In dieser Prophetenstelle wird ja der Weinberg mit Israel und die Neupflanzung mit dem Mann yon Juda, also cin ESjor mit cinem Menschen ineinsgesetzt. Damit ist das Recht er- wiesen, auch den Baum des Nebuknadnezer und den von Mt.3 auf den Menschen zu bezichen. Hier wird cin Grundsatz der allegorischen Auslegung benutzt, den noch der junge Luther befolgt hat, Aber auch die Scheidung und Unterscheidung des Korperlichen vom Geistlichen wird durch eine Bibelstelle gerechtfertigt. Dabei zeigt sich Jes. 40,6 f. als entscheidend: ,,Alles Fleisch ist wie Gras usw. Aber das Wort des Hermn bleibt in Ewigkeit'. Simon figt hinzu: diese Stelle gendge zur Belehrung fur die zum Ebenbild Geworde- nen (26evonopdrove; wir kOnnten ebensogut sagen: tedelous oder mmeworiets). Zu diesem Sprachgebrauch vergleiche man die eine der beiden? Stellen in H.s Elenchos, wo éfeeoviteoda bei der Schilderung eines anderen gnostischen Systems, dem der Peraten, verwendet wird: ,,Gerettet werden wird mur 10 @eveomopévov réheor ybv0g dpooboior, das zum Ebenbild gewordene, vollkom- mene und (Gott) wesensgleiche Geschilecht"": V.17, 10. Wenn das Jesajazitat fir die Eingeweihten gentigt, dann muB es einen ihnen bekannten Sinn haben. Es muB also auf die Scheidung des vergeh den ,,Stammes" von der bleibenden ,,Frucht" gehen, von der in 9,10 die Rede war. Das verwelkende Gras entspricht offenbar der vergehenden Kérperwelt. Das bestehende Wort, des Herrn dagegen mub mit. der Frucht gleichsinnig sein. Von diesem Wort heift es hier 10, 2: es ist das im Munde entstehende ijya xat Adyos ; sonst gebe Die andere tindet sich in VI 53, 1: die vier Elemente und thre vier Wirkungen bilden gonau die Ogdoas ab. Gab es eine vorchristliche Gnosis? 393 es keinon Ort des Werdens. Wir werden bei der Besprechung von 17,7 das damit Gemeinte deutlicher sehen. Das in 9, 8 verlassene Thema des Feuers kehrt zurack in Kop. 11. Zu ihm gehért auch noch der erste Satz von Kap. 12. Sein Text ist so verderbt, da sich nicht mehr erkennen lat, wozu hier die Lehre des Empedokles von der Erkenntnis des Gleichen durch Gleiches eingefuhrt war. Mit dem Satz ,,Die gewordene Welt ist also aus dem ungewordenen Feuer entstanden” (12, 1) geht H. dann zu einem andern Thema liber, das schon oben in 9,6 genannt war. Bisher war die Welt als schon bestehende mit fhrer Zweiheit und der abergreifenden Fin- heit geschildert worden, Nun wendet sich Simon dem Werden der Welt au. Aber wir werden raseh mit Erstaunen dessen inne, daB es gar nicht die Welt der Dinge ist, deren Wesen Kap. 12 heschreibt, sondern die innere Welt des Menschen, und zwar in dem, was sie vor allem ander auszeichnet: der religidsen Moglichkeit. ‘Aus der doz des ungewordenen Feuers bekam der xdapoc yeroytdc die ersten sechs ,,Wurzeln''* des Begins des Werdens: 12,1; sie bringen also das Werden in Gang. Und rwar treten sie paarweise aus dem Feuer heraus: yotic und éxtvora, qwrt und dvoua, Royeopds und &Odynots: 12, 24. Was diese Groen im einzelnen zu bedeuten haben, ist nicht ganz durchsichtig. Den Nus konnen wir vielleicht am ehesten als die ,,Vernunft* wiedergeben; in 18,3 wird die zuerst: aus der Urgréfe der Zigrj emanierte ,,GroBe Kraft" ,,rofc tv Stay" genannt, die Weltvernuntt, Die Epinoia (vielleicht ist diese Namens- form gewablt stett Ennoia, weil Epinoia die zum Nus Hinzukom- mende zu bedeuten scheint) kOnnte hier mit, ,Gedanke" wieder- gegeben werden; in Kap, 18 wiirde aber ,,Bewulteein" eher das da- mit Gemeinte bezeichnen. Vernunft und Gedanke werden laut in der ,,Stimme", welche das ,,Wort' (@oya) spricht ®, Das letzte Paar 1 gat: in 12, 4 heiBen sie dordueis. + Snden Acta Arehelai, Kap. 10, treten die funf Grbden Nus, Epinoia, Phrone- tis, Enthymesis; Logiemos auf, An unserer Stelle warde ober die Funfeahl nicht in-aas Schema der Paare passen. Unsere Deutung geht von 9, 4 aus: , Schrift der Verkandigung der Stimme und des Wortes aus dem Gedanien der ‘Grofen Kraft, der nnenclichen’. Hier, zwischen dem Godanken einerseits und der Verkindigung ondererseits, mul die edende Stimme und das von ihr gesprochene Wort gemeint sein, Hier pat also ‘ie, grammatische" Bedeutung von dvoua am besten, Man wird freilich bei guy} tund Soya an ole Rolle erinnert, welche ,,Rut™ und ,,Antwort" im gnostischen Denken spielten (JONAS, a. a. 0.) S. 126-139). Aber dyoya heldt weder Antwort noch etwas Abnliches, und im obigen Zusammennang wirde ein solcher Begrift ‘auch nicht passen, 34 Eenst Hoenchen geht im Grunde nicht uber das erste hinaus; es ist wohl aus der Tra- dition dbernommen. Diese geistigen Krafte in ihrer Gesamtheit machen - so interpre- tieren wir — die geistige Begabung aus, die dem Menschen zuteil wird. In diesen sechs Kraften ist latent oder als Méglichkeit mitgegeben die siebente Kraft (12,2); sie fuhrt auch den Namen ,,der da stand, steht und stehen wird", Aber diese héchste Kraft ist eben nur dvrduer, als blofe Moglichkeit oder Anlage in und mit der geistigen Bega- bung des Menschen gegeben: Die religiése Erkenntnis ist. zuntchst nur eine Maglichkeit, dio cich auf dem Boden dor menschlichen Ver- niinftigkeit verwirklichen kann. Was das Ziel einer solehen Verwitk- lichung ist, wird aus dom Folgonden doutlich: ,,Wenn dioso als Moglichkeit gegebene GroGe zum Ebenbild wird, dann wird sie an Wesen, Kraft, GroBe, Vollendung ein und dieselbe sein mit der un- gewordenon und unendlichen Kraft und in gor nichts nachstehen der ungewordenen und unwendelbaren und unendlichen Kroft" 12, 3. Will man diose einmal als ,,dos hochste Gdttliche" umsehrei ben, so gilt also: Wenn die im Menschen liogende Moglichkeit des Géttlichen verwirklicht wird, dann 14Gt cio eich nicht mehr unter- seheiden von dem Gottlichen, das nicht in das Werden eingegangen ist. Der Mensch ist ~ wenn man nur auf jene Anlage oder Mogtich- kelt sieht - duoovotos 1@ nazgi. Jeder Mensch hat die Moglichkeit, in seinem Kern zur Ureinheit mit der ungewordenen und unwandel- baren Kraft zurdckzukehren, Bleibt. aber jene Anlage ungenutzt, dann vergeht. sie so, wie die geometrischen und die sprachlichen geistigen Puhigkeiten mit dem Menschen untergehen, wenn sie nicht durch die rechte Lehre ausgebildet werden: 12, 4. Seit Pla- tons ,,Menon"* wuBie man ja: die Geometrie ist. im Menschen ange- legt und kann durch das rechte Wort entwickelt werden. Wenn das geometrische Vermégen und die ygayparve) das rechte Wissen (éq7) hinzubekommen (in 16,5 heiGt es dafiir: duébasxaiia), dann werden sie ,,zu einem Licht der werdenden Dinge": sie erhellen die Welt. Andernfalls bleiben jene Vermagen ,,Unwissenbeit, und Dunkel" und gehen mit. dem Stethen des Menschen zugrunde, als waren sie nie gewesen; 12, 4. Dasselbe gilt. von der religidsen Anlage oder Mag- lichkeit, far welche die Geometrie ja nur eine Analogie bildet. Wo sie ht entwickelt wird, da stirbt sie mit dem Menschen. Nur der zum Ebenbild Gewordene, bei dem das Gattliche aus bloBer Moglichkeit zur Wirklichkeit geworden ist, verfallt nicht der Vernichtung. Ge- rnauer: es ist sein Pneuma, welches das Ende ibersteht. Denn dieses Pneuma ist (wie wir in Kap. 14 noch erfahren werden) jener, ,,der Gab os cine vorehrietliche Gnosis? 325 de stand, steht und stchen wird". Wie aber'vollzieht sich das zum Ebenbild Werden? Simon hat iber das bisher Angedeutete hinaus in 16,5 und 17, 7 kurz derauf geentwortet, Wir wollen dort die Frage aufnehmen. ‘Vom Werden des Kosmos selbst war bisher freilich noch nicht die Rede. Diesen Mangel scheint das 13. Kapilel xu beheben. HeiDt es doch hier, Simon habe das erste jener drei Paare, nimlich Nus und Epinoia, ,,Himmel und Erde" genannt, Das erinnert an Gen. 1, und tatsiichlich hat Simon (wie Kap. 14 zeigen wird) auch in der bibli- schen Schdpfungsgeschichte seine eigene Lehre bezeugt. gefunden. Aber die Art, wie jetzt Himmel und Erde beschrieben werden, hat, mit der Bibel nichts zu tun, sondern erinnert eher an eine alte und primitive Kosmologie: Der Himmel, m&nnlich, blickt von oben hinab und sorgt (xgovoei) far die Gattin, Die Erde unten aber empfangt die geistigon, vom Himmel herabkommenden, der Erde verwandten Frichte. Als cine Kosmogonie konnen wir das nicht ensprechen. Hier wird vielmehr ein bestehender Zustand geschildert, bei dem der Him- mel die verkérperte Pronoia zu sein scheint. Der alte Mythus liefert nur noch ein Bild fir eine ,,vergeistigto Aussogo: Der Mensch, der auf der Erde lebt, empfindet den Segen der himmlischen Macht, cinen Segen, den der Gnostiker vor allem in der goistigen und roligidsen Begabung gefunden haben ditrfte, Kap. 18 wird uns zu diesem Thema zurickfibren, Das Folgende zeigt, wie sich die Simonisner ouch das AT nutz- bar machten: der Aéyos" (nicht der Logos der christlichen Theo- logie, aber auch nicht der der griechischen Philosophie, sondern wie in 15,4 und 16,5 die Rede der Lehre) ,spricht ofter im Blick aut die aus Nus und Epinoia, d. h. Himmel und Erde Erzeugten‘ ~ Jes. 1,2 wird als Beispiel dafir angefihrt. Wer aber hat hier geredet ? Niemand anders als die siebente Kraft selbst, die so als der Kyrios des AT und zugleich als der gords, ards, ommadperos erscheint! Dieser hat all das Gute verursacht. (aftioc ty xaliy), das Moses gelobt und sehr gut genannt hat. Diese Ausdrucksweise darf uns aber nicht verleiten, diesen Soudbs, ordc, orqadjeros als eine Person wie den Gedg von Gen. 1,31 2 denken -, das beweist der SehluB dieses Kapitels. Nachdem kurz erwahnt. ist, da® gow und dyopa Sonne und Mond, Aoyiepde und eftynous aber Luft. und Wasser sind, wird hier hinaugetugt: ,,[n all diesen aber ist hineingemengt und -gemischt die grofe Kraft, die unendliche, der gordc". Es ist. kein Zulall, daB die Gr. V. nicht von Gott redet, sondern nur von Suodpers. 326 Emst Haenchen In Kap. 14 spricht zunuchst H. selbst und tadelt, daB Simon das Wort des Mose (Ex. 20,17; Gen. 2,2) falsch verwende und sich selbst zum Gott mache. Erst in 14,2 kommen Simons Ansichten wieder zu Wort, Drei Tage lisgen vor der Erschaflung yon Sonne und Mond? Das sind Nus und Epinoia, d. h. Himmel! und Erde, und dio siebente Kraft: sie sind vor allen andern entstanden (14,2)! Dagegen der Spruch ,,Vor allen Aonen erzeugte er mich” — ein sMischzitat™ aus Prov. 8,23 und 25 - bezieht sich auf die siebonte Kraft, die in der unendlichen Kraft vorhanden war: 14, 3, Wir sehen hier: der Begriff ,,unendliche Kraft" ist mehrdeutig. Einmal kann die siebente Kraft ,,dxéoastos" genannt werden, andererseits aber auch die Urkraft, von der die siebente Kraft ausgeht. Diese Span- nung hangt mit der gnostischen Grundanschauung zucammen: Das Gottliche ist ~ weltschopferisch oder der Welt verfallend ~ in die Welt eingegangen. Zugleich ist es aber auch in unberihrter Hoheit liber der Welt verblieben, Beides gehort notwandig zum gnostischen Glauben. Denn wenn der Gnostiker keinen gottlichen Lichtfunken in sich glauben dirfte, dann konnte er auch nicht mehr hoffen, zum gotllichen Lichtort im Himmel 2urickzukehren. Gabe es wiederum diese gottliche Heimat nicht, dann ware der Mensch hoffnungslos dem Irdischen ausgeliefert. Das Gottliche in mir und das Gottliche auBer mir - beide mul der gnostische Glaube fordern, und beide miissen letatlich identisch sein. In 14,4 wird nun jene gottliche Kraft, welche in die Welt einge- gangen ist, mit dem tber den Wassern schwebenden Geist von Gen. 1,2 identifiziert. Er wird als 76 svedua gedoutet, welches alles in sich hat und das Ebenbild jener unendlichen Kraft ist. Ober ihn wird das 2weite der wdrtlichen Zitate aus der Gr. V. mitgeteilt: (Der Geist ist) ,,Ebenbild aus ciner unvergtinglichen Gestalt, das allein alles ordnet": 14,4, Aber vielleicht wird man den Satz cindy... xoogotioa urn ridyca sogar abersetzen miissen: dieses Bben- bild, d.h. der Geist, schafft den ganzen Kosmos, macht ihn zum Kosmos. Das wiirde jenem adrra éyor éy Eaved genau entsprechen: der gottliche Geist tragt die gesamte Wirklichkeit in sich selbst und er verwirklicht sie auch. Dabei haben aber die Simonianer zwischen einem die Welt Schaffen und einem zur Welt Worden nicht unter- sehieden. Als eine solche Weltentstehungstebre mu H. den Text verstan- den haben, Denn er fahrt 14, 5 fort: ,,Nachdem ungeftihr so bei ihnen'* (den Simonianern) ,,die Welt eingerichtet worden ist, bildete Gott den Menschen, indem er Staub von der Erde nahm, Gott hat aber, Gab 0s cine vorehristliche Gnosis? uy so heiBt es weiter, den Menschen nicht dled, wie soeben nach Gen, 2,7 beschriehen, gebildet, sondern Suxody, namalich auch nat” elxdva xal xa?’ Suolacw nach Gen. 1,26. Das Bild, nach dem der Menseh geschafien ist, ist der Geist, der tber den Wassern schwebt: 14,6. Wenn sich dieses Bild im Menschen nicht ganz verwirklicht, sondern nur Moglichkeit bleibt, wird es mit der Welt untergchen; daraut wird 1. Kor. 11, 32 bezogen. Wenn aber der Geist zum Ebenbild wird (exon) und ,,von dem unteilbaren Punkt. aus wird", dann ,,wird das Kleine gro® werden. Dieses dunkle Wort, (14, 6) fordert eine Erlauterung. Es findet sie in einer oben (Seite 319Anm. 2) schon genannten Stelle: V.9,5 (VOLKER a.a. 0.8.24, 2.23 - 8.25, Z.3). Hier wird von dem unteilbaren Punkt zuntichst. aus- gesagt: Aus ihm geht das Kleinste hervor, um nacheinander zu wechsen?, Denn dieser unteilbare Punkt (ateyw) duéquoros), der nichts ist und aus nichts besteht, wird zu einer auch fir sein eignes BewuBtsein unfaBbaren GréBe werden. Br ist das Himmelreich, das Senfkorn' (Mt. 13, 31), der unteilbare im Kérper'' des Menschen »seiende Punkt, den niemand kennt als allein die Pneumatiker", Das Gattliche im Menschen ist ~ als bloBe Méglichkeit ~ ein Punkt. Ein Punkt ist nichts - er hat ja keine Ausdehnung. Und doch ist er vorhanden. Damit wird die Dialektik dieser géttlichen Moglich- eit im Menschen, wie sie der Gnostiker sieht, wundervoll wieder- gegeben. Aus diesem Nichts kann das selbst fir den Preumatiker unfaghar GroSe werden. Es wird dann ewig sein, ,,bis 2um unend- "Wie aus dem geometsisehen Punkt das ,Grode™ wird, zigt 1V 51, 3: ,Wenn man den Punt der Linge nach Dewegt, ondstent.. eine Linie, ia einen Punk tls Grenre hat" (~ Endpunkt. Die Linke ist ebensowonig ols unondlich gedacht wie im Folgenden dio Pliche und der Kérper);" die Linie, dar Breito nach bewegt, er zeugt eine Fltebe, deren Crenzen Linton sind; die Pliche, dor Tiefo nach bewost, ‘wird zum Korper, .. » 80 beruht das Weeen des groDen Korpers av! dem al Nieinsten Punkt, wn dns Ist, was Simon so sazt: Das Kleine wird grof sein; ‘in Punkt, das Gro aber urendiien, indem er dom geometrischen Punkt folgl Die Beginnings of Christianity, Band 1V, S, 00, walehe aut diese Stele hinweisen, meinen: ,,Simon bonutete die pythagordischs Wendung +8 puxgér néya fovan, Yilleicht"in Verbindung mit Sakrameuten, die den Wes vom einen” zum NGroden" zeigten:" U_E. wird hierein Fehler begangen: man unteracheidet nicht ie verschiedenen Sehiehten der Uberlieferang, aut die ru achten die Form. [geecbiehta uns gelchrt hot. Man darf nicht Avseagen dor Gr. V. ohne weltares ‘dem bistorisehea Simon zuschrelben, ~ Dad Simon, der Verfasser der Gr. V., die pythagordischo Zahlenlcire heranzog, schlieGL keineswegs aus, dad er den Pankt auf das Cottliche im Menschen bezog, im Gegentell; hier zeigte sich far inn wieder sinmal, Jaf! das gottiche Gehsimnis uberall geannt ist and der Kune digon erkonnbar wind, bel Pythagoras ebensogut wie bel Homer oder Geleaus, — Dad bir pythaporiesne Letve autgenoramen wird, gont ave VI 38,2 Mitte er ‘Yor (Abschaitt ber Valentin). 328 Ernst Haenchen lichen und unwendelbaren Xon', ,,als etwas, das nicht mehr dem Werden unterliegt (x6 rere yusdevon): 14,6. Auf welche Weise bildet nun Gott den Menschen? Die Frage wird Inder Sprachedes Alten Testaments gestellt, und zur Antwort setat der Verlasser zwei alitestamentliche Stellen ineins: In Jes. 44, 2 heiBts:¢ Teh bin es, der dich bildete in der Gebarmutter* deiner Mutter’, und an- dererseits folgt fir Simon aus Gen. 2, da Gott den Menschen im Para- diesbildete. Also muB das Paredies allegorisch die Gebarmutter bedeu- ten! Damit wird die Erschaffumg des Menschen aus dem geheimnis- vollen Einst des biblischen Berichts in das sich immer wiederholende Jetat des Menschen versetzt. So kann nun flir die Beschreibung dieser Schopfung Galenus* verwendet werden! Auch in der zeitgendssi schen Medizin findet der Verfasser - er stand damit, unter den Gnos kern nicht allein’—Belege far seine Theologie. Die medizinische Dar- stellung als solche ~ Eden wird als das zéovor, die hdutige Hille, welche die Frucht im Mutterleib umgibt, gedeutet, die vier Peradies- flisse als die vier Adern, durch die der Embryo mit alua und vedua versorgt wird, usw. - braucht uns hier nicht zu beschaftigen. Kap. 15 wandelt, die allegorische Deutung des Paradiesstromos, der sich in vier Flisse teilt, zunichst (15,1) neu ab: Nun werden darunter die vier Sinne Gesicht, Geruch, Geschmack und der Tast- sinn verstanden. Der Verfasser findet sie wieder im Namen oder In- halt der finf Bucher Mosis. Das 2. Buch, das dem Horen entsprechen mite, fallt fir die Zahlung der Sinne aus, wird aber besonders stark allegorisch ausgewertet: Das Erzeugie mu8 durch das Rote Meer ~ das Blut ~ gehen, zur Wiiste kommen und das bittere Wascer ko- sten (Ex. 15, 22-86). Das ist der Weg der Lebenserkenntnis des Mil seligen und Bitteren! Das Bittere aber wird sii8, wenn es von Moses, d.h. dem Wort (Adyoc) verwandelt wird. Dies Wort. ist, wie aus 16,5 deutlich wird, die rechte Unterweisung, Sie zeig! dem Menschen, wer er eigentlich ist: namlich gottlicher Geist, der nicht zur Welt * Diese Stelle bildet einen wichligen Beleg for Auexanoen Rapticns Versuch ciner Deutung der Apophusis ,Die "Azdpooke des. Simon Magus", Archiv f Gesch. d. Philsophie, N.F., XVi. and, 1909, 8.374. una 537M, de in dem Satz giptelt: ,,Die Metra ist das Urweten, welches aus sich eolbet einen Sohn seugland mit'dicem eipen Dri [9 0.'S 048) + Wenotano hat zu VI 14, 8 (xablpoder ye wo dupaod dv elaiy dor los nopareray van Sxctot xretuatoc, xai dbo gidpec, dyetol afuaros) hingewle- Sen auf Galen, In Hipp. De alim. Bd, XV 387 KCuw dow ydg dv ave dypeta Terrapa, Sue jby dgrnotan, Ovo Oe piefec.. xal ud rosrran .. Ebust rb bufoao® ‘ala wal neta. Das dvrite tor die Aitersbestinmung der Gr. V. wicktig een, Fur Vi 14, 11 vorgleicht WenpLanb Galen AGA. Akad. Berl 1605'S. 37, 1 (acegfh PB: Blonchon 1V°51;H0-19 (Coin nd ckenmack) VIM 10,9 EP). Gab es eine vorehristliche Gnosis? 329 gehort. Hat der Mensch das vernommen, so wird das Bittere sal: das mihselige Leben ist nicht das Letzte, und der Mensch braucht, nicht aus der Welt heraus, als einen bloGen Teil von ihr zu ver~ stehen. Dali diese Interpretation nicht in die Irre geht, erhellt aus der Fortsetzung in 15,5 und Kap. 15. Von derselben Situation des Men- schen, die der Verfasser in der Geschichte vom Bitterwasser be- schrieben fond, handelt nimlich nach seiner Uberzeugung auch eine Stelle aus dem 10, Buch der Odyssee (Vers 304-306). Das Zauber- Kraut Moly - ,schwarz an der Wurzel, der Mileh gleich die Blite, schwer auszugraben fur die sterblichen Manner; aber die Gotter konnen ja alles" ~ ist jene ,,Frucht", von der wir in 9, 10 gehort hatten. ,,Wer Ohren hat. 2u horen, far den gendgt das von den Vol- korn Gesagte zur Erkenntnis des Ganzen. Denn er, der diese Frucht gekostet hatte, wurde allein nicht von Ciree zu einem Tier gemacht, sondern hat auch, indem er die Kraft dieser Frucht benutzte, die schon in Tiere Verwandelten wieder 2u ihrem eigenen ersten Wesen aurlickgebildet und zurdckgebracht und zuriickgerufen.“ Wer die gnostische Erkenntnis besitzt, der wird nicht von Frau Well, betort und zum ,,Tier gemacht, das nur seinen irdischen Trieben lebt, sondern vermag kraft dieser Frueht die schon ,,Vertierten'* wieder zu ihrem wabren Sein, dem gottlichen, zurickzubringen?. Das Eigen- artige ist, fligt Simon hinzu, da sogar Circe ihn nicht nur respek- tiert, sondern liebt um seiner Erkenntnis willen: 16, 2. Ad vocem Deuteronomium kommt es 16,5 zu einem Exkurs, bei dem noch einmal von der Verwandlung des Bitteren in SiBes ge- sprochen wird. Alles was unerzeugt, ungeworden ist, existiert po- tentiell, als eine Méglichkeit in uns, wie z. B, die Sprachwissenschaft und die Geometric. Die Geometric ist also etwas Ungewordenes ~ wir verstehen diese Behauptung: cin geometrischer Satz ist heute nicht. weniger wabr als gestern und morgen; seine Wahrheit ist dem zeitlichen Werden entriickt. Dieses Wissen ist in uns angelegt. Es existiert in uns ~ als Méglichkeit, Wenn es nun, meint Simon, das entsprechende Wort (Adyoc) findet und die Belehrung (8daoxalla), dana wird das Bittere siB, dann wird das Ewige wirklich. Das gilt nun aber auch von jener ,,Frucht', von der (als Moglichkeit in uns liegenden} Erkenntnis unseres Selbst in seiner Gottverwandtschatt. 1 ele én mpiizon éxsivoy ran iéuow . Gvexaidoato zagmerfga: 16, |. Mit jg wird auch sonst in der G: rgl. V 17, 6-8 (Peraten); VIII 8, 4; 10,1 (Dokelen) ~ der gdttliche Weeonszug bezsichnel, den der Mensch von oben, mitbekommen hat und bei der Esldsung wiederechalt. 330 Wo diese Erkenntnis eintritt, da verwandelt sich das Bittere in SiiBes, dic ,,Lanzen werden zu Sicheln und die Schwerter zu Pflug- scharen“ (Jes. 2, 4). Wir interpretieren: Mit dieser Selbsterkenntnis wird der Mensch aus seiner Bindung an dic Welt und damit aus dem Streit herausgenommen und in den Frieden hineingestellt. Ex wird, zum Ebenbild geworden, ganz gleich der ungewordenen und un- wandelbaren unendlichen Kraft", dem héchsten Géttlichen. ,,Bleibt, er aber nur Baum, keine Frucht bringend", entsteht in ihm nicht der gottliche Geistesmensch, dann geht er mitsamt seiner religidsen Anlage zugrunde'' (dgarieras). Wir kommen zu Kap. 17, Es bietet in mancher Hinsicht erst den — ‘von uns bisweilen schon vorausgesetzten ~ Schliissel zur Lehre der Gr. V, Nach Simon ist jenes Selige (uaxdgvor) und Unvergangliche (dgPagtor val. die dePagtos woopy des Urwesens in 14, 4) in jedem Menschen verborgen da, aber chen nur durduec, als Anlage, Méglich- keit. Durch die sechs Krafte entsteht ein bloBes Vernunftwesen. Da- mit ist die religidse Méglichkeit noch nicht verwirklicht. Man kann ein groBer Mathematiker sein und doch nichts von seiner eigentlichen Natur als Gottwesen wissen, die hier wieder bezeichnet wird als der, s,Welcher stand, steht, stehen wird'*, Diese ritselhafte Formel wird im Folgenden erlautert: ,,einst stehend™ (éotas) ,,oben in der un- + Dic Schulgrammatik verlangt dic Wiedergabe von éordc mit ,stehend"', von ceede mit. trotend', von wenaduevoc mil, treten werdend”, Lessecans, PREYSING thd Jone tbersetzen trotidem , steht, sland, siehen wird. Dafa sprieht, dad im Folgenden von den drei ,,Stehenden oder ,stehenden Xonen' dle Res i ‘Aber die Zatstaten vertelle sich anders, alse nach den ODersetaem den A fchein hat: 6 forts bozelehnet den Ureustand, der mit orncéyivos wieder erreieht ‘wird, wahrend edz cut den gogonwartigon Zwischenzuctand geht. ~ In den Clem, Recognitionen wird 117 (vel auch 1! 11 und 111 47) ala Wordename deo Simon das bloGe Zoviic genanat und als ,der Bestehende™ gedeutet; es hesage soviel icht der Verginglenkelt unterworfen” H. Warr hat in seinem Aufeat yon Magus in Ger altehristiionen Literatur" (ZNW 1904, s. 12-143) nacagewie- en, da éaeiic als Boiname des héchsten Wesent mehrfach bei Philo vorkommt {ari devilichsten de poster. Caini lc, 226), aber dich auch bei Clemons Alex. Andel (a, a. 0.3. 159}, Watra, der von den Clom. Rec. ausging, hat allein den dort vorkommenden Titel in Betracht yezonen, wolcher in er Tai den Von WAITe behaupteten Sinn (dee wnveranderliche Urwesen., das une ewig isl"; a, a. 0. 140) besesson hat. Da dioser ital in der al ‘Thoologie gebraucht wird, folgert Wa'rz, mon habe ihn dem Simon 2 andrien augelogl. ~ das ist kein zwingender SehluO. Aber auch wenn es der Pell sein sollte, daG die Formel éotcic, exdc, ernaduevo: aus einem in alexandrinischer ‘Theologie oder Philoscphie blichen Gottespradikat heraus entwickelt Ist, 60 dart man doch nicht vergessen, dal sie dann datei den Sinn vellig Verandert hat: dae Cotilicho steht nent mekr unbeweglich ols dae unwardelbare Sein, sondern es gorit in Bewegung und betchreibt jene enactischo Kurve vom Himmiel durch dic Well cam Himmel. ~ BloBes éovic Komal in der Or.¥. nur em Schlud von Kap. 13 vor und dort offersichtich als AbkOrzung fir die sonst gebriuchliche angers Formel. Gab es eine vorcheistiiche Gnosis? 331 gezeugten Kraft, jetzt stehend’* (otds) ,,unten in der Stromung der Wasser, im Bilde gezeugt, stehen werdend" (oradjesog]" oben bei der seligen unendlichen Kraft, wenn er zum Ebenbild geworden ist 17, 1. Hier werden die drei Stadien bezeichnet, durch die das Gott- liche geht. Zuntchst steht es noch in der ungetrabten Einheit mit der Urmacht des htchsten Gottlichen. Aber dabei Lleibt es nicht. Es findet sich wieder hier unten, stehend in der Zeitlichkeit, die im Bild der Chaosflut dargestellt, wird. Das legt den Gedanken eines Falles nahe. Aber er wird nicht ausgesprochen, sondern statt seiner erscheint der Gedanke einer gottlichen Zeugung; denn die Wen- dung é» eixde yerrpBeig werden wir analog dem obigen xat’ elxéya (rhaodeis) verstehen darten. Aber ob Fall oder Schopfung, auch bei diesem Stadium darf es nicht bleiben: ,.Es sind drei Stehende", heiBt es im nachsten Satz, ,und ohne daB die drei stehenden Aonen sind’, wird das Heilsdrama nicht vollendet. So ist das dritte Sta- dium unerlsBlich: einst wird er wieder oben stehen bei der seligen Kraft, von der er ausgegangen ist, wenn er némlich zum Ebenbild geworden ist. Hier ist der gnostische Mythus ~ als unser aller Mog- lichkeit - deutlich genug beschrieben. Da wir es mit ihm zu tun haben, diese Erkenntnis bestarkt sich, wenn wir den nur angedeuteten SchluG des Satzes und Gedankens 2u Ende fiibren, Ohne die drei ystehenden Aone ~ wir sagten: Stadien ~ ,wird der Erzeugte, der ihnen gemaQ auf den Wassern schwebt, der nach dem Gleichnis ge- bildete vollkommene Himmlische" in keiner Hinsicht zuriickstehen hinter der ungezeugten Kraft, Damit erfiille sich das Wort: ,,Jeh und du sind cins. Vor mir du, nach dir ich." (17,2) Der nach dem Gleichnis Gebildote ist der Geist, der als Moglich- keit im Menschen ruht und dyévrros ist. Sein Ziel aber ist, da er ein vollkoramener Himmlischer wird. Wir mtissen uns einen mit, der hochsten Kraft, Diese Kraft, in die wir zurUckkehren sollen, wird nun in 17,3 aut eine neue Weise besehrieben. Bisher war sie uns gezeigt worden als die Urmacht, aus der das Werden seinen Anfang nimmt, als die Wur- zel dee Alls, als des uberhimmlische Feuer, als die groBe Schatz~ Kammer, die alle Dinge enthalt. Alle diese Bilder des Gottlichen wa- ren gleichsam von jenseits seiner aufgenommen: das Gottliche er- schion als der Ausgangspunkt, von dem alles herkommt. Und wieder- ‘um wurde es als des Ziel gezeigt, dem alles zustrebt oder doch zu- streben soll: als die ungewordene und unwandelbare Kraft, in der man dem Werden entriickt ist. Jetat aber wird das Gottliche nicht mehr als das sichtbar gemacht, was es einst war oder einst far uns 332 Emst Haenchen sein wird, sondern was es in ewiger Lebendigkeit ist: ,,Zine Kraft, sich teilend nach oben, nach unten, sich schaffend, sich mehrend™. Das Géttliche ist sich selbst genug, aber nicht in einer sich selbst genieBenden Ruhe, sondern in stindigem Handeln und stiirmischer Bewegung: ,.sich suchend, sich findend". Das Gattliche ist. inter sich selbst her, und sein Suchen gelingt: es erfaBt sich selbst. Es ver- wirklicht - immer neu - sich selber. Als ,,seine eigene Mutter, sein eigner Vater, Schwester, Gate, Tochter, Sohn, Mutter-Vater"* er~ streckt es sich in alle Dimensionen, aus denen sonst die Wesen ihr Sein bekommen oder in deren Gemeinschaft sie allein ihre Existenz haben. Es ist, als ob die unendliche Fruchtbarkeit selbst in diesen Zeilen herautbeschworen wiirde, als ob das Géttliche von einer ge- heimnisvollen Mitte aus nach allen Seiten hin sproBte und wucherte, Aber gerade, als es in eine unibersehbare Vielheit zu zerflieBen droht, wird die Bewegung aulgehalten: ,,cines, die Wurzel des Alls‘**, Die Einheit, von der ausgegangen war, steht nun auch am Ende. Kop. 17, 4-6 versucht, das sooben abstrakt Behauptote konkret aufzuweisen, Dabei wird an zweicrlei angekniipit: einmal an die Lehre vor Feuer als der deyy}, zum andern an Gen. 3, 24, an die Ge- Schichte vom sich wendenden Schwert, dos den Weg 2um Lebens- baum bewecht, Dieses ,,sich wenden“ wird aber als ein ,,sich wan- deln" gedeutet, Vom Feuer geht der Ansto zum Werden aus; man nennt ja auch das sehnstchtige Verlangen nach (Liebe und) Zeugung ,,brennen‘*: 17,4. Schon damit ist deutlich, daB es sich hier nicht um die groBen kosmischen Zusammenhange handelt, sondern um den Menschen 2 Vet. wedgrne 17, 6. + Fine lenreiche Paraliele aru bietet dle Verkandigung des Arabers Monoimcs, Elenehos VIII 12-19 und X17. Zu ihrem Verstindnie mu man beachton, Gab Monoimes im Monschon 2weiorlot unlerecheidnt , Wenn du dao Ganzo begreiten wills, Ienrte Menoimes, dann la das Suchen nach Goll und SchOpfang und Aergleichen und suche dich selbst In dir selbst" (Wexptanns Textvarschlag int Voruusgesetst) und veratene, we schleeh hin alles inv elehaneigmet und eo ‘Mein Gott, mein Verstand', mein Denken’, ymeine Sele mein Leib (hee Jot tatfehlich, moder ausgodrickt, das nichtgogentandliche Teh erfat und ols, das Gotlliche gewertet worden), ,,Und verstehe, wober es kommt, dal) man obne 5-71 wollen teaurig und troh is, let und hat, wacht und sehlaft, surat und freundiicn ist" (damit it. das gegenstandlicne, relative Teh Deschrieben). Und ‘Wenn du das genau sntorsuchst, wiret du dich in dir linden ale dee Hino und Viely fnlsprechend jenom Punkt, der von tich selbst ceinon Ausgang nimmal." Deids Seiten cusammen erecheinen nun in der Darstolling deo Menschen: Dieser Mensch ist cine Einhell, nicht zusemmengesctat, untelbar, zusammeagesctst, tellbar, ganz freundlich, ganz friedlich, ganz stretiusti gegen sich selbst Kamp. fend, wnahalleh, atntich wie ein musikalitcher Aldkord! alles in sich enthollend, was jemand sagt oder, ohne doran 2u denken, Ubergebt; alles aufweisend, alles ereugend (ndrea yerséion}; iat Mutter, Vator die awei uncterblichen Personen.” 332 Emst Haenchen sein wird, sondern was es in ewiger Lebendigkeit ist: ,,Zine Kraft, sich teilend nach oben, nach unten, sich schaffend, sich mehrend™. Das Géttliche ist sich selbst genug, aber nicht in einer sich selbst genieBenden Ruhe, sondern in stindigem Handeln und stiirmischer Bewegung: ,.sich suchend, sich findend". Das Gattliche ist. inter sich selbst her, und sein Suchen gelingt: es erfaBt sich selbst. Es ver- wirklicht - immer neu - sich selber. Als ,,seine eigene Mutter, sein eigner Vater, Schwester, Gate, Tochter, Sohn, Mutter-Vater"* er~ streckt es sich in alle Dimensionen, aus denen sonst die Wesen ihr Sein bekommen oder in deren Gemeinschaft sie allein ihre Existenz haben. Es ist, als ob die unendliche Fruchtbarkeit selbst in diesen Zeilen herautbeschworen wiirde, als ob das Géttliche von einer ge- heimnisvollen Mitte aus nach allen Seiten hin sproBte und wucherte, Aber gerade, als es in eine unibersehbare Vielheit zu zerflieBen droht, wird die Bewegung aulgehalten: ,,cines, die Wurzel des Alls‘**, Die Einheit, von der ausgegangen war, steht nun auch am Ende. Kop. 17, 4-6 versucht, das sooben abstrakt Behauptote konkret aufzuweisen, Dabei wird an zweicrlei angekniipit: einmal an die Lehre vor Feuer als der deyy}, zum andern an Gen. 3, 24, an die Ge- Schichte vom sich wendenden Schwert, dos den Weg 2um Lebens- baum bewecht, Dieses ,,sich wenden“ wird aber als ein ,,sich wan- deln" gedeutet, Vom Feuer geht der Ansto zum Werden aus; man nennt ja auch das sehnstchtige Verlangen nach (Liebe und) Zeugung ,,brennen‘*: 17,4. Schon damit ist deutlich, daB es sich hier nicht um die groBen kosmischen Zusammenhange handelt, sondern um den Menschen 2 Vet. wedgrne 17, 6. + Fine lenreiche Paraliele aru bietet dle Verkandigung des Arabers Monoimcs, Elenehos VIII 12-19 und X17. Zu ihrem Verstindnie mu man beachton, Gab Monoimes im Monschon 2weiorlot unlerecheidnt , Wenn du dao Ganzo begreiten wills, Ienrte Menoimes, dann la das Suchen nach Goll und SchOpfang und Aergleichen und suche dich selbst In dir selbst" (Wexptanns Textvarschlag int Voruusgesetst) und veratene, we schleeh hin alles inv elehaneigmet und eo ‘Mein Gott, mein Verstand', mein Denken’, ymeine Sele mein Leib (hee Jot tatfehlich, moder ausgodrickt, das nichtgogentandliche Teh erfat und ols, das Gotlliche gewertet worden), ,,Und verstehe, wober es kommt, dal) man obne 5-71 wollen teaurig und troh is, let und hat, wacht und sehlaft, surat und freundiicn ist" (damit it. das gegenstandlicne, relative Teh Deschrieben). Und ‘Wenn du das genau sntorsuchst, wiret du dich in dir linden ale dee Hino und Viely fnlsprechend jenom Punkt, der von tich selbst ceinon Ausgang nimmal." Deids Seiten cusammen erecheinen nun in der Darstolling deo Menschen: Dieser Mensch ist cine Einhell, nicht zusemmengesctat, untelbar, zusammeagesctst, tellbar, ganz freundlich, ganz friedlich, ganz stretiusti gegen sich selbst Kamp. fend, wnahalleh, atntich wie ein musikalitcher Aldkord! alles in sich enthollend, was jemand sagt oder, ohne doran 2u denken, Ubergebt; alles aufweisend, alles ereugend (ndrea yerséion}; iat Mutter, Vator die awei uncterblichen Personen.” oe ‘6 ine vorenristiche Gnosis? 333, und seine Welt. Das Feuer ist im Menschen in dem warmen und rét- lichen Blut cur Stolle. Im Manne wandelt es sich um in Samen, in der Frau in Milch ~ wieder dient das, was damals als medizinische, wissenschaftliche Erkenntnis galt, der Bezeugung theologischer Zu- sammenhinge. Diese Wandlung ergibt beim Manne yéveai (val. oben: avn yeaa), beim Weibe teogy}, Nahrung far das Erzeugte (vel. oben: avniy adfoven). Diese Verwandlung ist nach Simon das wleurige Schwert" von Gen. 3, 24, das ,,sich wendet™ (= wandelt), yum den Weg des Lebensbaumes 2u bewachen": 17,5. Das sich 2u Samen und Milch wandelnde Blut ist jene eine Kraft", von der wir in 17,3 soeben gehort haben, jone Kraft, welche Vater und Mutter ist oder wird (vgl. oben: urfene xavzg), die autark ist, keines anderen. Deduirfend, Bewahrt wird durch das sich wandelnde feurige Schwert der Lebensbaum, d. h. die siebente Kraft, die aus sich selbst stemmt und alle (anderen Kréfte) in sich hat, die den sechs Kréften zugrunde liegt: 17, 6. Diesen dunklen Satz will das Folgende aufhellen: ,, Wenn, sich némlich das feurige Schwert nicht wandelt, wird jener gute ‘Baum (das Leben!) zerstort werden und vergehen. Wenn es sich aber wandelt in Samen und Milch, dann wird ER, der in diesen (Kraften) als Moglichkeit verborgen liegt .... ganz groB werden und wachsen und die unendliche unwandelbare Kraft werden, gleich und cinerlei mit dem unwandelbaren Aon, der nicht mehr ins Werden verstrickt wird bis in den unendlichen Aon‘: 17,7. Indem sich diese Wand- lung vollzieht, wird immer neu das Leben geschaflen und damit der Lebensbaum bewahrt. Dieses Leben aber, von dessen Entstehung gesprochen wird, ist nicht, nur das irdische Leben, das vielmeht ur die Voraussetzung des eigentlichen Lebens ist (9, 10). Denn wenn, jener ER, die religidse Anlage im Menschen, ,,das rechte Wort findet und den Ort des Herm, wo das Wort geboren wird", dann wird er wachzen und selbst die unendliche und nun unwandelbare gattliche Wirklichkeit werden. Wes ist mit diesem ,,rechten Wort und dem Ort des Horm, wo das Wort erzeugt wird", gemeint? Simon ist von den Seinen einst als ,,der Herr verehrt, worden (20, 1). Damals war der Ort des Herm, wo das Wort erzeugt, wird", die Versammlung der Simonianer, wo man die Lehre (16,5) ,durch das im Munde ge- boren werdende Wort (10,2) empfing. Aber Simon hatte seine Be- deutung nur als die menschgewordene siebente Kraft. Jetzt, wo deren Botschaft in der Gr. V.den Leser erreicht, hat der, welcher dieses Buch liest, damit den ,,Ort des Herrn, wo das Wort erzeugt wird", gefunden. Die simonianische Lehre ist eine Buchreligion ge- worden. 334 Ernst Haeneben Mit dem 18. Kapitel endet bei H. die Wiedergabe der Gr. V. Von 18,2-7 scheint alles ein wértliches Zitat zu sein!, Bs beginnt mit einer feierlichen Anrede an die Gléubigen: ,,Euch nun sage ich, was ich sage, und schreibe ich, was ich schreibe, diese Schrift", Dann folgt eine mythologische Beschreibung des Weltwerdens, die uns in vielem bekannt anmutet, aber auch neue Bilder und Vorstellungen verwendet, Die eine Wurzel, aus der alles entsprieft, ist eine Kraft, die ,,Schweigen" heilt (weil unsere Worte vor ihrer Transzendenz versagen), ,unsichtbar, nicht zu fascen: 18,2. Aus ihr wachsen zwei NebenschoBlinge (nagaguddec). Der eine ist - und damit be- ginnen sich die Bilder zu vermischen ~ die ,,GroBe Kraft, die ,Welt- vernuntt™ (vo8¢ téy den), dio alles ordnet, Sie erscheint von oben und ist ménnlich. Der andere SproB ist weiblich und kommt von unten: ,,der GroBe Gedanke™ (ueyddn éxévora); sie gebiort alles", So bilden sie, einander entsprechend, ein Paar und machen den Zwi- sehenraum sichtbar (ré uécor &idarqua), die unfeBbare Luft (é1fo), die weder Anfong noch Ende hat: 18, 3. Das erinnert oufs starkste on Kap. 13 und seine Lehre vom Nus, dem Himmel, der yon oben auf die Gattin hinabblickt und far sie sorgt, und von der Fpinofa, der Erde, die von ibm die geistigen Frichte emptingt. Weiter war dort als erstes Glied der aweiten Syrygie die Luft (dg) erwahnt worden. Sie wird jedoch in 18, 4 nicht als eine personhafte Griifle vorgestellt, sondern als ein Raum, in dem ~ und damit beginnt, ein merkwiirdiges Ineinander? - der Vater ist, der alles trdgt und nabrt, was Anfang und Ende hat'*. Er wird sodann als der éords, ards, otnadueroc bezeichnet und als eine mannweibliche Kraft, ontsprechend der zuvor existierenden unend- lichen Kraft, die weder Anfang noch Ende hat, ,,in Einzigkeit" (uordenc) ,.existicrend™, ,,Aus diecer mennweiblichen Kraft, ,,her- vorgehend ist ndmlich die in der kinzigkeit existierende Epinoia die ‘Zwei geworden.* Der ,.Vater‘ existiert zundchst als einziges g6tt- liches Wesen. Aber in ihm rubt schon (wie Pallas Athene im Haupt Yin dom gunzen Absehnitt kommt kein ,,gneus" vor, wie sonst in den von 1H, reforierton Stacken, 2 Wibrend runéchst aus dem ,.Schweigen' die ,Croe Kraft una der Grote Gedenke hervorgetten (wobel die dtmayic auch nofe tar Slow genann wird), erscheint plotaiteh in dem von Ihnen gebiideten Zwischerraum (dom Luftreutn Eeisehen Himmet und Erde) der ,vater", avs dem daan die Epino hind der in 18,7 selbst vot genannt ra werdon seheint, Jon lyse dioset Absohnitts (a. 0,0. 5.363 L) dieee Sch Jacson, condern den ersten Nus und den Voter einfach aber, ob die Unklarheit der Vorlage oder 11 selbsb cugeschriehen werden Da (5. die vorige Anm ) der ganze Abschnitt wie ein woriliches Zitat gegeben wird, tallt der Verdacnt sul ie Vortege. Gab os eine vorehristliche Gnosis? 335 des Zeus?) die Epinoia, der Gedanke, des BewuBtsein. ,,Jener* — der , stand, steht und stehen wird" - wer die Eins. ,.Denn indem er sie“, die Epinoia, den Gedanken, ,,in sich hatte, war er allein (ydvo¢), nicht jedoch der erste, obwohl er zuvor existiertet (noch existiert, nichts, fir das er der erste sein kdnnte); ,,indem er aber sich aus sich erschien“ (in seinem Gedanken), wurde er der Zweite. Er wurde aber auch nicht ,Vater' genannt, bevor sie", die Epinoia, ,ihn .Vatert nannte'': 18,5. ,,Wie er nun, sich aus sich herausfiihrend, sich die eigene Epinoia zeigte, so hat die erscheinende Epincia nicht geten, Sondern als sie ihn sah, verbarg sie den Vater, d.h. die Kraft, in sich, und ist mannweibliche Kraft und Epinoia. Daher entsprechen sie sich — zyrischen der Kraft und ihrem BewuBtsein ist ja kein Unter- schied ~ eine seiend': 18, 6. Wie sich aus den alteren Berichten ergeben wird, gebort die Be- ziehung zwischen der groBen Kraft und der Epinoia zum alten Be- stand der simonianischen Lebre. 18, 4-6 versucht zu erklaren, wie die Epinoia aus der Groen Kraft entspringt. Dafir greift, Simon auf jene Verdopplung zuriick, welche bei der Entstehung des Selbst- bewuBteeins anscheinend statt hat. In der GroBen Kraft ist das Be- wuBtecin enthalten, aber sie selbst ist noch nicht Gegenstand fir ihr BewuBtsein. Dazu muB das BewuBtsein aus ihr heraustreten und sie zum Gegenstand machen (als solchen ,,verbirgt" sie den ,, Vater" in cich). Da sich dio GroBe Kraft ihrer eolbst bewuOt wird, ist zwi- sehen Kraft und BewuDtsein kein Unterschied; sie sind 2wei und doch rugleich eine Einheit, Die Gottheit muf also aus sich heraustreten, um sich 2u erkennen. Diese Erkenntnis bildet. jetzt die Voraussetaung far einen weite en Gedanken, mit dem Kap. 18 schlieBt: ,,Bbenso ist nun auch das von ihnen'* (GroBer Kraft. und Epinoia) , ber Erschienene“, Das sind - wie aus Kap. 13 Mitte hervorgeht - die Menschen. Im Menschen mul sich dasselbe ereignen: auch das Gottliche im Menschen (der Geist. oder wie immer diese Grae genannt. werden mag) ,,eins seiend wird es als zwei erfunden, mannweiblich, das Weibliche in sich ha- bend. So ist Nus in Epinoia, ungetrennt. voneinander, eins seiend werden sie als zwei erfunden": 18,7. Auch im Menschen muB das Gottliche aus sich heraustreten und sich so seiner bewuBt werden Was wir oben so oft als die Verwirklichung der religiésen Anlage oder Moglichkeit bezeichnet, haben, ist nichts anderes als die Selbst- © Nicht obine Grund Ist (Irendus 1 23, 4; H. VI 20, 1) Simon im Bild dea Zeus, Heleno/pinoia im Bild der Athene von den Simouianern verehrt worden: ist sie doch dem Haupt des Vaters entsprungen. TMK. 40/8, 2 336 Ernst Heenchen, erkenntnis des Gottlichen in uns. Indem der Mensch sein gottliches Wesen erkennt, erkennt die Gro8e Kraft sich selbst. Kein Wunder, daB uns in der Gr. V. immer wieder versichert, wurde, zum Eben- bild geworden bleibe der Geist um nichts inter der unendlichen Kraft zuriick. Ist es doch letzten Endes sie selbst, die sich sucht. und findet (17,3) Die Gr. V., deren Reste wir nun kennen gelernt haben, erscheint auf den ersten Blick als eines jener unerfreulichen Erzeugnisse des Syrikretismus, welches Bestandteile der verschiedensten Religionen und Philosophien anscheinend mit groBter Willkiir 2u einem Pseudo- ganzen verbindet. Was ist. uns hier nicht alles begegnet : heralditisch- stoische Lehre vom Feuer, platonischer Duslismus von soyrdv und alobyriy, die aristotelische Unterscheldung von Sysdyet und éeg- yelq, die Lehre des Empedokles von der Erkenntnis des Gleichen durch Gleiches, pythagordische Spekulation und Galens Lehre vor Embryo, und zwischen vielen atltestamentlichen Zitaten solehe aus dem Neuen Testament und Homer. Men wird der Gr. V. erst dann gerecht, wenn man erkennt: Alle jene Stoffe sind hier nur wechselnde Ausdrucksmittel. In Wirklich- kkeit ist es ein und dasselbe Stiick, das in immer neuen Kostiimen liber die Szene geht, Und dieses Stiick ist weder griochisch im Sinne der antiken klassischen Religion oder Philosophie, noch ist es alt- oder neutestamentlich. Es ist nicht christlich - das ist. wohl das Ersle, was sich hier heraus- stellt. Nicht christlich schon in dem auBeren Sinn, da der Name Jesus oder Christus tberhaupt nicht erwahnt wird, Aber auch inner- lich istes dem Christentum ganz fern. Zwar setzt auch die Gr. V. voraus, daG der Mensch nicht von selbst die rettende Erkenntnis findet, son- dern der Lehre , des rechten Wortes als einer Offenbarung bedarf. Aber dieses Offenbaruagewort sagt ihm nichts von seiner Sinde und Schuld, sondern versichert ihn, das Gottlicke sei schon in ihm, Er braueht sich nur recht zu erkennen, um von der Welt erlost au sein, Die Gr. V. berdhrt sich also auch nieht s0 mit dem Christentum, daB sie (wie der Simon der clem. Recognitionen) dagegen polemisiert. Sie predigt keine Erloserpersonlichkeit, sondern erinnert héchetens an cin Christentum, das sich mit. der Christusidee begniigt und alles Historische abgestoBen hat. Damit ist. schon eine zweite wichtige Erkenntnis in der. Blick ge- kommen: die Gr.V. hat sich von der kultischen Verehrung des Gab 6 eine vorehristiche Gnosis? 337 xeboiog Simon (und der xvpéa Helena), von der wir im nichsten Ab- schnitt héren werden, geldst, Die simonianische Lehre will ~ als Buchreligion ~ eine Wellreligion sein. Ihre Erlosungsbotschaft, ist im Grunde an keine Person, kein Land, keine Zeit gebunden. ~ ,,Simon 6 Méyoc" ist verschwunden und nur die ,,GroBe Kraft" abrig ge- blieben, welche jeder Mensch in sich finden kann. Darum ist das gutt- liche Geheimnis auch in aller Welt geahnt und angedeutet worden. Man kann es in den heiligen Schriften der Juden und Christen ebenso- gut entdecken wie in den heiligen Biichern der Heiden; es zeigt sich in der Wissenschaft ebensogut, wie bei den Dichtern und Philosophen. Aber - und damit kornmen wir zum Dritien ~ es ist eine gnostische ‘Heilstehre und nicht, Hippolyt 2um Trotz, griechische Weisheit, die hier vorgetragen wird. Die Versuche der Gr. V., ihre Lehre auch in der Sprache der Stoa oder Platons auszudracken, dirfen uns nicht dariber hinwegtauschen, daB eben doch niet stoische oder plato- nische Philosophie hier gelehrt wird. Die Welt erscheint ~ im Unter- schied zur griechischen Auffassung - als das Verlockende, das den Menschen zum ,,Tier zu machen droht. Der rechte Gnostiker aber 14Bt sich von Frau Welt nicht verfubren; er wei8 von einer hoheren Welt. Wenn sein Leib, seine irdische Existenz auch vergehen wird - sie hatte ja nur die Aufgabe, die Entstehung der ewigen ,.Frucht** zu erméglichen. Am Ende steht die Befreiung von der endgiltig ver- gohenden Welt. Wir wirden jedoch diese gnostische Heilsbotschatt verkiirzen, wollten wir nur die Hoffaung auf die kommende Uber- windung der Verganglichkeit aus ihr heraushbren. Diese Botschaft betrifft auch schon das Hier und Jetzt: Wer das Gattliche in sich ge- funden hat, den qualen die Sorgen und Note des Lebens nicht mebr, Er ist innerlich davon gelést: das Bittere ist sii geworden. Er hat den Frieden gefunden. Das eschatologische Licht. leuchtet schon in die Gegenwart hinein, Und noch auf ein Viertes sei hier hingewiesen: es ist philosophische, nicht mehr eigentlich mythologische Gnosis, was hier sichtbar wird, Wohl liefert der gnostische Mythus noch immer die meisten Bilder fair die Darstellung der Lehre in der Gr. V. Ja wir mussen sogar im Grunde immer auf ihn zuriickgehen, um den Gehalt der einzelnen ‘Aussagen recht wagen 2u kénnen, Trotedem zeigt sich eine Verschie- bung vom Mythus fort und hin zur philosophischen Gnosis, Was im Mythus unmittelbare Beschreibung einer geschauten Wirklichkeit ‘war, ist hier im Begriff, nur ein Bild cu werden, das auch durch andre Bilder ersetzbar ist, Mit der Abschwachung der mythischen Wirk- lichkeit, die sich darin ausspricht, geht ein Zurlicktreten des gnosti- 338 Ernst Haonehen schen Grunderlebnisses Hand in Hand: der Dualismus des gnosti- schen Mythus wird abgeschwicht, Noch immer trent eine Kluft Gott und Welt. Aber von einem Fall des Géttlichen wird nicht mehr gesprochen. Es tritt auch nicht ein béser oder zwielichtiger Demiurg auf, Die Welt ist freilich noch die Statte des Leidens, und man méchte von der Mihsal des Lebens frei werden. Die simonianische Gnosis hatte hier cinmal mehr 2u sagen gowullt. Sie hatte sich einst unter der Herrschaft fremder Engelmichte gefiihlt und nach Erlésung von ihnon verlangt. Das ist hier ausgeschieden. Das Werden und das Un- wandelbare, dieses Urthema der Philosophie, tritt in den Vorder- grund und beginnt die tieferen Intentionen des Mythus zu verdecken, ‘Sie werden im nachsten Abschnitt deutlich werden, der von der simo- nianischen Gnosis bei Irenaus und in Kep, 19{. H.s handeln soll. u Irendus hat dos 23. Kepitel seines groBen Workes gegen die Ha- resien im 1, Band Simon gowidmet. Hippolyt, der dieses Werk kannte, hat in Kap. 19f, Irendus neben andern Quellen das Wort, gegeben, Wir wollen zundichst ganz davon absehen, was sie uber Simons Anhénger berichten, und unsere Aufmerksamkeit auf das sammeln, was sie Uber Simons eigene Verkindigung aussagen®. Fs ist ein groBes mythisches Drama, das sich vor uns entrollt. 1, - zwisenen die Worte des Trersius ‘hominibus autem salutem praesta- “Anfang und Ende eines Einschubs ‘Ubereinstimmen cu lassen, emischen te fp Avrowoduevas (10, 4) und vir 88 Elinp dargoadperes (Ende von 18, 5) ein Stick eingetagt, dessen erste Haltte (bis... démazen efras) mit Material aus Anfang und Schlud Yon Lrenaus 1 23, 2 {efit ist, wBhrond mit 648 yoyeds. ..” eine fremde Quelle heginnt, n der Helena Jetzt erst genannt wird, Dieser Quelle gehort dor Haupttell von 10, § an mit den Nachrichten dber die Unsittlichkeit der Simonianer, Durch Leivrpwvrar bosteht eine Stichwortverindung yon hier zu dem folgenden Avrocodueros. Viellecht stammen auch die Angaben in 20,1 Ende und 20, 2 Anfang aus dieser Qu ‘Von efros 6 Live» bis 7éypcrrrar wird dann ganz kura der Inhalt von Apg. 8,5 wiedergegeben, Es folgt cine eurmarisohe Angabe von Ereignisten, wie sie in den Clem. Rec. geschildert werden, und endlich in 20, 3 eine chritliche Legende, wo: nach Simon sich Iebendig begraben lie, aber sein Versprechen einer Auferstehung ‘om 3, Tag nicht einhielt, denn er war aleht. der Christus "Trends gibt den ganaen Abeennitt 125, 2 und 3 als Fede des Siwion una geht fest mit 23,4 aur Sehilderung der simontanisehen .,mystict sacerdoles" aber. H. verwandelt einen Teil joner Redo (20, 7) in eine historische Aussage. Aus deswegen soliten sich nicht weiter um sie (die Engelmiehte) ,kammern dio, Welche aut tha und Helena hoffen" wird dabei: ,.darum kimmern sich um sic (fie Engelmacnte) , die an Simon und die Helena Gliubiggewordenen nicht bis jolt”; H. eonoint algo solehe Simonianer noch gokannt zu haben. \ fronds ist benutzt in VI 19, 3 £. 5-8; 20, uti. Hberaret cam [namlion die He Fet'* (23, 3) het H. mit dem bek Gab es eine vorchristiche Gnosis? 339 Die oberste Gottheit, die als ,,sublimissima virtus‘’ oder auch als 6 ado ndrra nario bezeichnet wird, hat aus sich ihre &yvo.a (H.: &ai- vo.a) hervorgehen lassen, die auch ,,mater omnium" heitt. Es war der Plan des hoehsten Gottlichen, durch diese Ennoia eine Engelwelt erechaffen zu lasten, Die Ennoia, die den Willen ihres Vaters kannte, stieg (aus der hochsten Sphare) zu den ,,inferiora‘* hinab und brachte dort Engel und Machte hervor. Diese wuSten nichts von der Existenz des zavdg. Sie wollten nicht als erzougt und damit als zweit- rangig gelten. Deshalb hielten sie die Ennofa fest und liefen sie in der Welt, welche sie schufen, in mensehliche Korper eingehen, so daB sie Jabrhunderte lang wie von einem Gefa8 ins andre von Frauen- leib 2u Frauenleib wanderte. Sie war in jener Helena, die den tro- jonisehen Krieg erregta. Stesichorus, der sie in seinen Gedichten (geschmaht hatte, wurde dafiir mit Blindheit bestraft. Erst als er revig Widerruf leistete, wurde er geheilt. Sie aber erlitt weiter Schmach auf Schmach, bis sie schlieBlich — wieder in einer Helena - in ein Bordell in Tyrus kam. Da stieg der ,,Vater herab, um sich zundchst der Ennoia anzu- nehmen und dann nach ihrer Befreiung auch den Menschen durch die Erkenntnis seiner selbst das Heil zu bringen. Denn die Engel- michte, welche die Welt geschaffen hatten, hatten sie schlecht. re- giert, weil sie jede fur sich die Herrschaft erstrebten und deshalb miteinander im Streit Ingen. Darum kam der ,,Vater' herab, nahm = indem er die Herrschafisbereiche der ,,Krafte, Machte und Engel" durehsehritt ~ deren Gestalten an und erschien endlich unter den Menschen als Mensch, als Simon Er kaufte Helena frei und lie sich nun von ihr begleiten. Wer en Simon und Helena glaubt, der braucht sich nicht mehr um das za kiimmern, was die Engelmachte, die Propheten inspirierend, als Gesote, gegeben haben, um die Menschen zu knechten. Simons Gnade rettet, und wenn sich die Welt auflésen wird, dann werden seine Glaubigen {endgiltig) von der Herrschafl der Engelmachte befceit werden. Wir sehen: Jener gnostische Mythus, der bei der Gr. V. nur noch im Hintergrunde gestanden hatte, wird hier als dos Eigentliche der simonianischen Verkiindigung vorgetragen. Dal die Uberlieferung (vor allem in der Form, wie sie in Kap. 19 f. H.s vorliegt) mehrsehich- tig ist}, undert daran nichts. Wir haben hier unbestreitber cine Va~ " Solehe Unterecheidung verschiedonor Schichten ist innerhalb gewisser Gren zen mogiich, Dal die S. 398 Anm. 1 erwabnte Legende cine chritliche Bildung is {ina nicht rar simonianischen Tradition gehorL ist Klar. Innechalb dieser simonia nischen Tradition aber gibt es eine junge Schicht, welche iberall Delege fur dio Lehre Simone sucht und fladet ~ such im Christantum. Dieser Schleht geboet 340 Ernst Hoonchen riante des gnostischen Mythus vom Fall und der Erldsung des Gott lichen vor uns. Sie ist so gefaGt, deB auf die Ennoie keine eigent- liche Schuld f8Ilt: Sie wuBte vom Willen des Vaters und wollte ihn nur erfiillen, als sie hinebfuhr und die Engolwelt erschuf (insofern wird der Schopfungsgedanke nicht vollig abgelehnt). Die Schuld liegt bei den Engelmichten, die im Grunde aus superbia ~ sie woll- ten selbst das Hchste sein - die Ennoia durch immer neue Verkor- perungen in der Welt festhielten. Mit Simons Erscheinen beginnt. das Erlésungswerk. Hier schneiden sich die Linien des Mythus und der Geschichte. Simon beansprucht, der Erlésergott z sein als die menschgewordene ,,hichste Kraft", ‘Trotzdem miissen wir fragen, ob wir hier die alteste Gestalt der simonianischen Verkiindigung vor uns haben. Wenn namlich auch jenes mythische Drama, das wir soeben nach Irendus und Hippolyt ‘angedeutet haben, dem gnostischen Mythus weitgehend entspricht, s0 weicht es doch in einem Punkt entscheidend davon ab. Daf eine gittliche GréQe wie die Ennoia in dic Gewalt. der niederen Michte gerat und, in die Welt eingeschlossen, auf Erlésung harren mat, ist freilich ein in der ganzen Gnosis wiederkehrender Gedanke. Aber der igentliche Sinn disser Lehre ist doch der, daB jenes Gatlliche in die Menschen eingokerkert ist, daB es in den einzelnen Seelen gefangen ist und aus ihnen befreit werden muB. In jener von Hippolyt. mit- 2.B, die Nachricht on, Simon sei in Samaria als Vator, in Judda als der Sohn tuad bet den andera Volker 19,0). Von dtesem Samaria tateachiich als der Vator verehet. worden — aber als der gnostsche srarrigl Daren haben sich spater die Aussagen Uber Sobn und Geist ongecehloe- fen: br Urnitavischer Modaliamus ist vor dem 2. Jbl. nicht denker, bat also mit dem historischen Simon nichts zu tun. Er stammat ous einer Zeit, wo die simonianische Religion alle sndern Religionen ~ und derunter auch das Chri ‘tertum = in sich elnsugliedern suehte. Dal Helena das verlorene Sehat se, hat natOrlich auch kein Christ Dehauptot, sondern mur ein Slmonlaner, der das NT {ir ssine Zecke ausboutels “Zu dieser Besehlagnabraung fremder Religionen, Mythen und Sagen gehOrt auch die allegorische Aneignung der ,homeriehen Helena (Hippolyt Vi 18, 1 5.145, 811. Wanbtann; Epiphaniis Panarion 21,2,5.8.240, 71% Hott Vgl &-S.3iL Anm. 2) Mitihr wurden aueh zwei Einzeizige uberaommen, die cigent- Iioh gar nicht in den simonienlschen Zusammenhang pessea: 1. dic Hervorhe- Dung vou! Helenas Schonhell, die elle in Lisbe ea thr enlbrennen 14D (ITippolyt Vi'i9, 2)~ die in Helens mensehgewordene Epinols sol gerade nicht yepriesen werden, sondern gedematigt ~ und 2. die Erzdhung von Stesichoras (Hippolyt Vii, 3), dean sie Verherntcht dle Mucht der nngeblien ohamachtigen Herons] Epinoia, ‘Wenn die oben im Text vertrotene These, da Helona nicht von An: fang an in die simonianieche Verkndigung eingeschlosien war, im Recht ist, dann gehgren auch dio Aussagen Uber ihren Aufenthalt in Tyrus usw. nieht der Mlesien ‘Chevleferungsechicht an, die vieluehr am reinsten in der Apostel- geachichte enthalten ist. Gab os eine vorchristliche Gnosie BAL vertretenen Darstellung des Irendus dagegen ist die Ennoia jeweils in einem einzelnen Menschen, und awar einer Frau, peverowmaroupérg und geht durch Jahrhunderte von einer Frau in die andere aber. Nur unter dieser Voraussetzung ist es ja sinnvoll, da Simon zur Rettung jener Helena nach ‘Tyrus gekommen sein will. Aber unter dieser Voraussetzung ware das gefallene Gottliche dann auch mit der Befreiung der Helena/Ennoia schon gerettet! Tatstichlich wird die Erlésung der Menschen nun als etwas Zweites mit einer eigenen Begriindung vorgetragen: von den weltschSpferischen Engela sind die Menschen mit einer tyrannischen Herrschaft gequalt worden und missen darum befreit werden. Damit wird deutlich: die Erl6- sung der Ennoia und die der Menschen, welche eigentlich identisch sind, steien hier nebeneinander und konkurrieren im Grunde mit- einander. Fair die Losung dieser Schwicrigkeit gibt es nun zwei Moglich- keiten, 1. Entweder Simon het tatslcblich eine solche Lehre vor- getragen. Dann hat er den gnostischen Mythus abgelindert, um far dic Gestalt der Helena Raum zu gewinnen. Wir miiften dann an- nekmen: er hat tatsdcblich cine Dine namens Helena in Tyrus frei- gekauft und als seine Ennoia ausgegeben. Helena ware eine histo- rische Gestalt, die nachtréglich im Mythus untergebracht wurde, Das ware an sich durchaus méglich, und Hippolyt deutet 19, 4 derglei- chen als seine Erklérung des Felles an. Aber wir miissen dann eine wichtige Folgerung in Kauf nehmen: der Mythus miBte dann noch Alter sein als Simon selbst! Wird doch, unter der soeben genannten ‘Voraussetzung, der Mythus von Simon in einer entstellten Gestalt vor- getragen, und eine Entstellung setzt die urspriingliche Form voraus, ‘Aber es gibt 2.noch eine andere Moglichkeit; Helena gehort gar nicht der ailtesten Form der simonianischen Lebre an, sondern ist erst. spater in sie eingedrungen. Das hat mit beachtlichen Argumen- ten der hollindische Gelehrte Quispex behauptet!. In Samaria stand seit dem ersten Jahrhundert n. Chr. ein Tem- pel, in dem die Schwester der Dioskuren, Helena 2, als Erd- und Mond- *G. Qursre, Simon on Helena, Nederlands ‘Theologisch Tijdschrift. 1952, 8, 980-845. Quieres 1951 in Zurich erechionenes Buch Gnosis els Wellreligion™, das far weitere Kreise bestimmte Vortrige enthalt, entwickell auch schon dio ‘Thesen seines Aufeatzes in der NTT. * Die Deutung der Verse 518 f. ous dem 6, Buch der Aeneis (,,lammam media {pss tenebat j ingentem et summa Danaos ex aree vocaket"'), dio aur bel Tryphlo- dor 512 noch eine Entsprectung haben (Ed, Noroen, Aeneis Buch VI, Berlin 1916, S. 200), auf die simonianische Helena erfolgle 2u der Zeit, da die Simonia er Uberall Belege fur ihre Gnosis suchten. Helena, die mit der Fackel den Crle- chen das Zelchen zur Eroberung Trojas gab, wird allegoriseh aut dio Ennola Derogen, welche den Engelmachten cas Urlieht aeigte 342 Emst Haenchen, géttin verehrt wurde, Es lag nahe, diesen Lokaliult mit der neuen Religion Simons au verbinden, Die Gattin Helena lieB sich leicht mit Simons himmlischer Partnerin ineinssetzen, der Epinoia, Aber bei dieser himmlischen Verbindung konnte es nicht bleiben, Simon war ja Mensch geworden, um die Epinoia aus der Gewalt der Engel- michte zu befreien, Also muSte auch Helena zur Zeit Simons auf Erden goweilt haben, und hier kdnnte der AnlaB fir die Geschictite vom Bordell in Tyrus liegen. Bekanntlich hat man von der Gottin Isis erethlt, sie habe zehn Jehre in T'yrus als Prostituiorte gelebt®. Diecer Zug — 50 miBten wir annehmen - wurde auf Helena iber- tragen, Auf diose Weie kam es zu der Uberlieferung, Simon habe die Helens aus einen Bordell in Tyrus befreit’, Wir sehen also: mag Helena eine historische Gestalt, gewesen sein oder nicht, auf alle Palle ist, der Mythus, der von ihr berichtat, schon weiter entivickelt, cei es durch Simon selbst oder durch die Simonia- ner. In dieser abgetinderten Form war er bereits um 180 vorhanden, Allein wir kénnen beweisen, da er mindestens schon eine Genera- tion alter sein muB; dos wird sich sogleich ous Justin ergeben, Den Simonianern wird von Irendus, Hippolyt und (in anderer Form) von Epiphanius* Zauberei und Libertinismus nachgesagt, Simon selbst. wird ~auGer dem, was die Apostelgeschichte aber seine Zauberei sagt, und auGer seinem Verkehr mit der Helena- erst in den clem. Rekognitionen ein besonderer Vorwurt gemacht, der der Nekromantie®: Aber eine Besprechung dieser Seite des Simonianis- mus wirde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen UI Justin hat, in seiner ersten Apologie (Kap. 26, 1-3) uber Simon folgendes mitgeteilt: 1. Simon sei in dem samaritanischen Dorf Gittai geboren (eine von den clem. Rekognitionen [1 7,1 und von Epipha- 3 Das Bild Helenas im Tempel von Sama sehwingend oder erhebend, sondern neben der nd (wie sonst ofter Persephone) und die Inschritt,.Kéon'; maa sioht, dal hier eine eyn- kkrotitisehe Gottheit. verehrt wurde. Vgl L. Vincent, Le culle d'Heléne & Sa- marie, Revue Bibilvue 45, 1996, 8. 21. piphanius, Ayatgaos Kap. 104,11; 8. 126, 13. Hoxz, Vgl. W. Bousser, Haupipnivieme dee Shosk, Gottingen tet, 8 art og DPeyt Henenos Vi18, 3:8. 146, 31 Wenptateo; rendue 123,255. 2 19f, 4 tren, 1 23, 4; 8. 3, 9-12 Vouxen; Hippolyt, Elenchos VI 19, 5; S. 146, 10 20,1; $148, 1-4 Wenonano; Epiphanius, Panarion XXI 4.11;'S. 242,21 bis ‘eigte dle Gottin nicht ie Fackel Gab 08 cine vorshrietliche Gnosis? 343 nius Panarion 21, 1, 2 S. 238, 6 f. Hout bestatigte Angabe). 2. Simon. habe zur Zeit des Kaisers Klaudius (41-54) mit Damonenhilfe in Rom magische Machttaten vollbracht. Man habe ihn dort als Gott verehrt, und ihm eine Statue mit der Inschrift. Simoni Deo Sancta! errichtet.,,im TiberfluB zwischen den beiden Briicken“, also auf einer Tiberinsel. Die 1574 dort wiedergefundene Statue trag in Wirklich- keit, die Inschrift: ,Semoni Sanco Deo Fidio Sacrum’; sie war also dem altrémischen Gott Semo Sancus geweiht. Aber es ist sehr frag- lich, wieviel man von dem im 2. Jahrhundert in Rom noch gewuBt hat, Man hatte ihn wahrscheinlich mit Jupiter und Zeds xiatios gleichgesetzt; die Simonianer haben andererseits Simon in Bildern des Zeus verehrt. Es ist durchaus méglich, da® Simonianer in Rom ~ zumal ,,e* und ,,i in der Aussprache durcheinander gingen vgl. den bekannten Streit um ,,Chrestus"' ~ im guten Glauben in jener Statue Simon dargestellt fonden. Auch da Simon zur Regierungszeit des Klaudius die Reichshauptstadt besucht hat, ist gut mbglich. 3. Fast alle Samaritaner, wenige aber auch in anderen Volkern, bekennen und verehren Simon als den héchsten Gott; und eine Helena, die fridher im Bordell gewesen, zu jener Zeit. mit ihm umbergezogen sei, nennen sie die von ihm her entstandene erste Ennoia. Diese Nach- richt ist. auQerordentlich wichtig. Sie zeigt uns zundchst, daB wir Acta 8,6.12 nicht als Bericht ber eine vallige Christianisierung Samariens auslegen diirfen. Justin hat seine Angabe wiedecholt. in der bekannten Stelle Dial. c. Tryph. 120: [ch habe ja auch ohne Riicksicht auf irgendeinen meiner Landsleute, nimlich der Sama- ritener, von ihnen an den Keiser geschricben und erklért, de® sie im Irrtum sind, da sie ihrom Volksgenossen, dom Magior Simon, Glauben schenken und lehren, er sei Gott und stehe ber jeder Herrschaft, Mecht und Kraft" (Ubersetzung von Hasvsen). Simon wird als der hdchste Gott angegeben; von einer Uber ihm stehenden géttlichen GroBo Ziyy ist Justin und den Samaritanern seiner Zeit nichts bokonnt. Helena, deren friherer Aufenthalt im Bordell aus- driicklich erwihnt wird, gilt als die von diesem héchsten Gott ema- nierte ,,erste Ennoia", Der Ausdruck liBt darauf sehlieBen, daS Ju- stin und di Samaritaner von weiteren Emanationen aus dem héch- sten Gott woBten, Wir sehen: zur Zeit, Justins ist also die simonia- nische Verkiindigung, wie wir sie bei Irendus und in Kap. 19f. bei Hippolyt gefunden haben, bereits bezeugt. Diese mythologische Form der Gnosis reicht also mindestens bis in die erste Halfte des 2. Jahrhunderts hinab. Denn man wird annehmen diirfen, de® Ju- stin schon in seinem Syntagma gegen alle Ketzereien dieselben Aus- 344 Best Haenchen sagen Uber Simon gemacht hat}. Zu dieser Zeit war der Simonisnis- mus im wesentlichen noch auf Samarien besehrankt; von der philo- eophisehen Gnosis der Gr. V. ist hier noch nichts 2u spiren. Vv Die alteste Quelle, die uns von Simon erzablt, ist Acta 8 4-26. Der Aufbau der Perikope ist ein wenig verwickelt: Vs 4 stellt die Verbindung mit der Stephanusverfolgung her, Vs 5-8 berichten yon der durch Wundertaten erfolgreichen Mission des Philippus in der Stadt der Samaritaner‘'*. Vs 9-11 blenden zuriick und lassen uns sehen, wie cuvor Simon langere Zeit durch seine Zaubereien bewirkt hatte, daD ihm groB und klein anhing und seinen Anspruch, ein GroQer“ zu sein, mit, dem Bekenntnis beantworten: er ist die Kraft Gottes, welche die ,,Grofe" heidt. Vs 12 fihrt. wieder in die Zeit des Philippus und meldet seinen endgiiltigen Erfolg, die Bekehrung und Taufe der Samaritaner, Vs 13 Simons Taule und sein Staunen aber die Wunder des Philippus. Vs 17-24 schildern dann den Zusammen- stofl Simons mit den Aposteln Petrus und Johannes, die ~ Vs 25 - nach Jerusalem zuriickkehren Schon wenn wir diese Geschichte so, wie sie hier erziihlt wird, ohne alle kritisehe Analyse hinnehmen, ergibt sich aus ihr: Nach dem Zeugnis des Lukas ist Simon mit seiner eigenen Verkiindigung unter grofem Erfolg in Samarien oufgotroten und hat die Semaritancr ixar@ yodrq durch seine Zauberei dazu gebracht, ihm anzuhéingen, bevor er mit der ehristlichen Botschaft bekannt wurde. In diesem Sinne ist die simonianische Gnosis nach Acta 8 tateachlich ,,vor- ehristlich. Aber handelt. es sich bei Simons Verkindigung witklich um eine Form der Gnosis ? Simons eigner Anspruch ist allerdings nur in der nicht sindeutigen Wendung beschrieben: Zéyay elva twa Savtéy wéyar. Aueh wenn man mit Bass géyay als Interpolation stroichen wollte (vel. Acta 5, 36), so wiirde die Formel immer noch eine ungewéhnlich hohe per- sbnliche Selbsteinschatzung ausdriicken. Wir wiirden jedoch den Sinn der luksnisehen Formulierung in Vs 10 miGvorstehen, wenn wir in Vs 10 ausgedriickt fanden, ,,daB die Volksmenge ... (seine Selbst- cinschtzung) noch potenzierie und ihn als eine hehere, iberirdische Persdnlichkeit, als Verkorperung einer Gotteskraft betrachtete!, Was 1G. Quieres, Simon on Helena, &. 399, Es bt nicht deutlich, ob damit Sebaste gemeint ist. Meinte Lukas, da So- tmarien nur cing Stadt hesad (Beginnings Bd. W'S. 86)? "Kant Pteren, Die simon-begts-Penikope (SU. Abhondlunger, herausg.v, Meinertz, 111, Band, 5, Heft, Minster 1911), S. 13, ws Gab es eine vorehristiiche Gnosis? 345 das Volk meint, ubersteigert Simons Selbsteinsehstzung nicht, son- dern entspricht ihr genau, Lukas ist ein zu gewandter Schriftsteller, als da er Simon beide Charakterisierungen in den Mund legte. Das Wort alomén zeigt an, daB das folgende 1 yeydiy ein Warde- name ist, ein fostor Titel. Die Worte ro¥ deod werden wir als luka- nicches Interpretament ansehen darfen}. Wir haben also hier den Begriff # ueydar, Otrayes vor uns, der uns in der simonianischen Tra- dition immer wieder als terminus technicus entgegengetreten war. Er hat auch denselben Sinn wie dort: er meint den hochsten Gott. Schon dieser dlteste Bericht in seiner vorliegenden Gestalt la8t uns ‘elso erkennen: Nech der hier vorliegenden Tradition war Simon in Samaria nicht nur als Zauberer, sondern auch als die ,,GroBe Kraft" aufgetroten - seine Zauberei wird vielmebr nur als das Mittel er- wahot, durch das er Glauben gewonnen hatte, D.h. aber: die simo- nianische Gnosis in ihrer mythologischen Form ist nicht erst durch die Begegnung mit dem Christentum entstanden, sondern hat dxar@ ode, Jahre lang‘ vorher in Samarien bestanden und gebliaht. Aber ist die vorliegende Form der Erzahlung urspriinglich? Die Kritik hat es bestritten‘, und nicht ohne AnlaB. Zwar daB die Tiitig- eit des Philippus friher genannt wird als die thr vorangehende des Simon, hat einen kompositionellen Grund: die Philippusgeschichte sollte mit der Stephanusverfolgung in Zusammenhang gebracht wer den, Daf dabei die Schilderung vom Wirken des Simon den Bericht liber Philippus aufspaltete, muBts in Kauf genommen werden. Der eigentliche AnstoB aber liegt nicht in diesen Schwierigkeiten dec Komposition, sondern im Inhalt. Simon, Christ geworden und ge~ tauft, will von den Aposteln nicht etwa den heiligen Geist, sondern die Puhigkeit. erkaufen, durch Handauflegung den heiligen Geist mit- teilen zu konnen. Die Frage, warum die Apostel ihr die Hinde nicht aulgelegt haben (denn er hat oflensichtlich den heiligen Geist nicht!), wird nicht angerirl ~ sie wirde den Erzibler in ziemliche Veclegen- heit bringen. DaB Simon weiB, was der heilige Geist wirklich ist, wird man auch nicht behaupten kénnen, Wenn er also mit Geld kommt und jene Fahigkeit kaufen will, warum erscheint sie ihm eigentlich so werlvoll? Man ist versucht zu antworten (und es dirfte die einzige Antwort sein, welche diskutabel ist): Simon hat jene Gabe 1 Beginnings of Christianity, Band 1V 1933, 8. 91 * Bbdo: ,Poseibly this means simply God”. * Preran'a. a, O. 8.35, Z. 19, “Yale. B. Prevscnex, Wenvr, Loisy, Eb. Meyer, LAkE-capsuny, BEYER, BAUERNFEIND. 346 Ernst Hoenchen miliverstanden als einen Zauber, tiber den auch er gern verfiigen wiirde. Daflir lieBe sich Vs 18 ins Feld fthren: Simon sieht, deB durch das Handauflegen der Apostel der Geist verlichen wird, Den Geist selbst Kenn man nicht sehen; also kenn das Sichtbare an seiner Ver- leihung nur die Wirkung sein: das Zungenreden. Es wird Acta 2 und 10,44 als Zeichen des Geistempfangs erwahnt. An unserer Stelle ist freilich nicht davon die Rede, und es wiirde auch nicht passen: nach Acta 2,12. 15 erschien ¢s Premden als Zeichen von Betrunkenheit, nach 1. Kor. 14,23 gar als Zeichen von Verriickt- heit. Dann ist aber diberhaupt kein Grund mehr vorhanden, aus dem Simon diese Gabe hatte erstreben wollen. Einem Christen mochte die Geistverleihung als das Wunder aller Wunder erscheinen, Simon nicht. D.h. aber: In der vorliegenden Form der Erzéhlung ist Si- mons Begehren unverstandlich. Daraus haben die Forscher? erkannt: unsere Form der Geschichte entspricht einem spiiteren Stadium der Tradition. In einem fritheren dagegen tiberlieferte man, Simon habe (nicht von den Aposteln die Pahigkeit der Geistmitteilung, sondern) von Philippus dessen Wunder- kraft kaufen wollen, Damit fallt der AnstoB fort: Es ist durchaus begreiflich, daB ein Zauberer — und als solcher wird Simon in Vs 9 und 11 beschrioben — auf don Gedanken kommt, Philippus kenne b sonders wirksame Zauberspriiche, durch die er Simons ganzes Kén- nen tief in don Schatten stellt. Die Kenntnis dieser Zauberprak- tiken mochte Simon erwerben, um auch so gewaltig zaubern 2u kon- nen wie Philippus. Der aber weist ihn ab: Gottes Gabe kann man nicht kaufen! Damit wird nicht nur ein Vorgang sichtbar, der aus der Art der betreffenden Personen gut begreiflich ist, sondern es werden auch weitere AnstoBe beseitigt, Nach unserm Text hat Philippus durch die grofen Zeichen, die er tat, die Samaritaner gewonnen: unreine Gei- ster sind schreiend aus den Besescenen ausgefahren, und viele Ge- lihmte und Lahme wurden geheilt (Vs 6 f). Diese Zeichen waren der AnlaG dafir, da@ sich die Somaritaner und Simon taufen lieGen. Simon kannte sie also. Warum geriet er dann so auBer Fassung, als er nach seiner Taufe die Wunder des Philippus sah (Vs 13)? AuBer- dem ist dieses ,,als or sah, ... stounte er" ein schlechter Abschlu® rntlich miGte dio Hondlung weitergehen. Wenn Si- mon so auf die Wunder aus ist, muGte er jetat an Philippus heran- treten und ihn bitten: , Verkauf mir das Geheimnis deiner Wunder- "Voi. besonders Wettuausen, Kritische Analyse 4. Apostelgeschichte, Bor- lin 1914, 8. 15 nach dem Vorgang von Eb. Seawantz, Zur Chron, d. Peulus 1907, Gab 04 eine vorenristlicne Gnosi 347 kraft!" Statt dessen bricht die Szene ab, und die Apostel kommen. Die altere Form der Erzihlung, die wir voraussetzen miisson, lit Simon die Bitte tun, und die Erztblung het wieder Hand und FuB. Dobei werden wir auf cinen weiteren Ansto8 aufmerksam. Zu- nichst werden die Zeichen des Philippus hervorgehoben, sein Erfolg in Samarien, die groBen Machttaten (welche die weyddn dévaues tiber- bioten). Dazu pallt os wenig, daB bei seinem Taufen der Geist aus- bleibt. Dagegen erklart sich dieser Zug leicht, wenn cine jingere Form der Erzihlung die Apostel in die Hondlung eingreifen liek, ‘Nun muBte dem Philippus der letate Erfolg vercogt beiben; er blicb far die Apostel aufgespart. Noch eine lotate Schwierigkeit hingt damit zusammen: Zunichst stebt Philippus im Mittelpunkt des Geschehens. Alles dient nur dazu, seine Wundermacht ins rechte Licht zu stellen. Plbtalich verschwin- det er und wird durch die Apostel ersotzt. Volkstimliche Uberliefe- rung wechselt nicht. so unvermittelt den Helden der Geschichte. Auch dieser jhe Wechsel wird sogleich verstindlich, wenn wir mit zwei verschiedenen Stadien der Tradition rechnen. Wir haben also alle Ursacho, eine frihere Form der Eredhlung an- zunehmen, Noch ihr bat Simon (der dozu gar nicht Christ zu werden brauchte!) den grofen Wundertater Philippus, ihm das Geheimnis seiner Wunderkraft zu verkaufen. Diese Eraahlung machte den Ho- rern deutlich: Die Wundermacht des Christus ist derjenigen aller heidnisehen Zauberer weit Uberlegen. Sie wurden sie gern erwerben ~ der grofle Simon hat es versucht, ist aber schmahlich abgewiesen worden. Es ist aber auch durchaus verstandlich, daG diese Frihform der Tradition durch eine spitere ersetzt. worden ist. Fiir die spitere Zeit vertraten die Apostel die legitime Kirche. Von ihnen ging die Kraft des Geistes aus, und das ist ein noch groBeres Wunder als jene Hei- lungen, Darum tritt, der Wundertiter Philippus zurtick, und die Apostel erscheinen auf der Szene*. Die Unterscheidung von Tavfe und Handauflegung ermdglicht es, sie hier einzufthren. Mit dieser Anderung muf sich auch Simons Verlangen wandeln: jetzt mal es ihn gelasten, den Geist zu verleihen, und nicht mehr, die Wunder des Philippus nachzutun, Den Wortlaut der alten Geschichte konnen wir nicht mehr wieder gewinnen. Es geniigt aber, wenn wir den Gang der Tradition in grogen Zigen erkennen Damit witd nicht besteitten, da Luki unter die Gemeinde Jerusolome darstollt. augleich die Unterstetlung Samariens 348, Ernst Haonchen Wir sind so ausfihrlich auf diesen Wandel in der ‘Tradition einge- gengen, weil sich nun die Frage erhebt: Ist Simon in der altesten Uberlieferung nicht blo ein Zauberer? Gehdrt sein Anspruch, ein GroBer oder die GroBe Kraft" zu sein, nicht erst dem spateren Stadium der Uberlieferung an? Manche Porscher haben tatsichlich eine solche Entwicklung ver- mutet. Nach Warrz ist das geschichtliche Simonsbild sagenhaft aus- geschmiickt und auf samaritanisch-syrischem Boden in mythologi- scher, auf alexandrinischem Boden in philosophischer Richtung um- geprigt worden (a. a. 0. S. 135). Weavea Fornstsn hat dagegen mit Recht hervorgehoben?: Wenn wit von Mani absehen, dessen An- spruch, der Paraklet, zu sein, niemand hezweifelt, sind keinem der Sektenstifter gittliche Aspirationen zugeschrieben worden, Da der samaritanische Magier post festum zum gdttlichen Erloser geworden sein soll, ist unwahrscheinlich. Begreiflich ist dagegen ein anderer Vorgang: Sobald das Christentum in Auseinandersetzung mit der simonianischen Religion in Samarien von einer Begegnung Simons mit dem christlichen Missionar Samariens, Philippus, zu erzihlen begann, kam Simon nur qua Zauberer als Gegenspieler des Philip- pus in Betracht. Simon ist also nicht vom Zauberer zum géttlichen Erléser aufgestiegen, sondern in der christlichen Tradition vom gott- lichen Erléser zum bloBen Zauborer degradiert worden, Wenn trotz- dem noch berichtet wird, er habe sich als cin GroBer" ausgegeben und cei in Somarien von allen fur die ,,GroBe Kraft" gehalten worden, dann wird darin die Alteste Uberlioferung sichtbar, die bei allen Wandlungen der Tradition nie ganz verwiseht. worden ist. Was hat sich nun far die Entwicklung der simonianischen Gnosis ergeben? Noch in der 1, Halfte des 1. Jehrhunderts n. Chr. ist ein im Dorfe Gittai geborener Simon in Samarien aufgelreten. Er lehrte Engelmichte hitten in der von ihnen geschaffenen Welt die Ennoia in den Menschenseelen gefangen gehalten. Nun aber sei in ihr die hochste Gottheit, der Vater der Ennoia, die ,,Grofe Kraft", herab- gestiegon, um die Menschen zu erlosen und damit die Ennoia zu he- freien. Wer an ihn glaube, brauche sich nicht mehr um die Machte und ihre Gesetze 2u kimmern und werde beim Weltuntergang er- rettet, werden. Simon fand in Samarien weithin Glauben, wie die Acta bezeugen. Nach Justin, vielleicht zwei Generationen spater, war die simonia- nische Gnosis die in Samarien vorherrschende Religion. AuBerhalb Samariens gab es nur vereinzelte simonianische Gruppen, so wohl Mundliehe suttetlung. Gab es eine vorchristliche Gnosis? EC) in Rom, das Simon moglicherweise besucht hatte (die Uberlieferung, daB Simon Petrus dort den Simon Magus diberwunden hat, wird so am ehesten verstiindlich). Zugleich bezeugt Justin, da neben Simon, den héchsten Gott, Helena als die agdry tou getreten ist. Die Helenasage ist. voll ausgebildet. Irentius und Kap. 191. bei Hippolyt bezeugen dieselbe mytho- logische Gnosis (bei Epiphanius, der aus einer weiteren Quelle [nicht der Gr. V.1] schdpft, erscheint sie in den Einzelheiten noch weiter ausgefdhrt). Der Simonianismus versucht aber schon, sich die andern Religionen, darunter das Christentum ~ wenn auch nur oberflachlich = einzugliedern: Simon sei als der Sobn in Judaa erschienen und habe dort ~ scheinbar - gelitien; Helena sei das verlorene Schaf des Evan- geliums. Zugleich zeigt die Angabe aber Simon: Seine historische Gestalt, beginnt, sich aufzuldsen. Simon ist nur eine von vielen Er- scheinungen der GroBen Kraft. Die sich damit abzeichnende Entwicklung ist in der Gr. V. fort~ geschritten. Die historische Gestalt Simons ist verschwunden; er ist nur noch der Offenbarer der ’Axdpasis. Helena wird nicht, mehr erwahnt, Dafiir werden nun das Alte Testament und die Schriften der griechischen Dichter und Denker im groBen MaBstab umgedeu- tet als Kronzeugen fiir die simonianisehe Gnosis herangezogen. Da- bei tritt das Mythische véllig in den Hintergrund. Was iibrig bleibt, die Lehre von der im Menschen ruhenden Moglichkeit des Gott- lichen, 1808 sich als eine philosophische Gnosis bezeichnen: ,,The theology of the Apophasis is fundamentally philosophic", schreiben die Beginnings (a.2.0.Bd.V, 8. 161,4). Aber man darf dariber nicht vergessen: das gnostische Grundverstiindnis von Mensch und Welt ist, wenn auch abgeschwacht, in der Gr. V. immer noch vor- handen. Mit dieser Einschrinkung kénnen wir nun die eingangs ge- steliten Fragen, soweit sie die simonianische Gnosis betreffen, be- antworten: Es gab eine vorehristliche Gnosis, Sie war mythologiseh, Die philosophische Gestalt ist erst das Ergebnis einer langen Ent- wicklung.

Das könnte Ihnen auch gefallen