SOLIDARITATSKREIS
PADERBORN
DREWERMANN
DEZEMBER
Seit September kommt der neuerliche
Konflikt um £ugen Drewermann und
seine Bicher nicht zur Ruhe. Ihn
nachzuzeichnen, wird sténdig schwie~
riger. Mittlerweile ist durch einige
sich iberschneidende Ereignisse ein
widersprichliches Bild der Sachlage
entstanden. Die Darstellung, die nun
folgt, wird daher nicht mit einer
rein chronologischen Abfolge der
Vorgange auskommen.
EIN ,FALL” UND SEIN
UNGEWISSER VERLAUF
Folgender Stand der Dinge war Anfang
Oktober erreicht: Aus Rom hatte der
Paderborner Erzbischof Johannes Joa~
chim Degenhardt die Weisung erhal-
ten, gegen Drewermanns Lehren nun
einzuschreiten. Aus diesem Grund
hatte er sich am Rande der alljahr—
lichen Herbst-Vollversammlung der
Deutschen Bischofskonferenz mit Ver-
tretern der Glaubenskommission (ei-
ner Unterabteilung der Bischofskon-
ferenz) getroffen. Kritische Punkte
im Werk Drewermanns lagen ja bereits
yor: Die 8 Autoren des Bandes "Tie-
fenpsychologische Deutung des Glau-
bens?" (herausgegeben von Kasper/
Gérres) hatten sie vor 1% Jahren
ausfindig gemacht. Auf der Presse-
konferenz am 29.9. bemerkte dazu der
Vorsitzende der Bischofskonferenz,
Karl Lehmann: "Die Glaubenskommis-
sion hat sich vor vier Jahren schon
(mit Drewermanns Biichern) befaBt,
und zwar aus eigenem Antrieb. Von da
aus ist dann auch der Sammelband
Kasper/Gérres entstanden." Zu den
darin genannten kritischen Punkten
sagte Lehmann: "Soweit ich sehe, hat
Drewermann in den bisherigen Reak-
tionen darauf eigentlich fir mich
als Theologen - ich rede jetzt nicht
als Vorsitzender - nicht zufrieden-
stellend geantwortet.”
Schon hier beginnen die Unklarhei-
ten, Denn was soll das heifen: "als
Theologe, nicht als Vorsitzender"
Vertritt der Theologe Lehmann andere
Auffassungen als der Bischof Leh-
mann? Was kann unter diesen in sich
gespaltenen Umstanden iberhaupt als
eine Auskunft betrachtet werden, auf
F RUNDBRIEF
1585
die man sich ihm gegeniber verlap-
ich berufen kann?
Auf eine andere Beobachtung in den
Aussagen Lehmanns machte in einer
Sendung des Programms "3 sat" am
8.10. der Redakteur Meinolf Fritzen
aufmerksam: Bischof Lehmann "besta—
tigt also, da® das Kasper/Gérres—
Buch ein von der Glaubenskommission
bestelltes Auftragswerk ist. Bisher
wurde genau dies bestritten” - und
zwar sowohl von Bischdfen als auch
von Autoren des Buches. Jetzt aber
wird Drewermann der Vorwurf gemacht,
er habe auf dieses Buch nicht so ge~
antwortet, wie es bei einer offi-
ziell beauftragten “Anfrage"” zu er-
warten gewesen sei. Drewermanns Kom—
mentar in ‘der Sendung: "Verdrehter
kann die Welt schwer laufen
‘Ansonsten war Anfang Oktober davon
auszugehen, daB die Prifung der
Vorwirfe gegen Drewermann bei der
Glaubenskommission noch im Gange
war. Erzbischof Degenhardt sagte, er
wolle mit ihm sprechen, wenn die
Untersuchung beendet sei. Ein Entzug
der Lehrerlaubnis sei nicht auszu-
schliefen. Diesen Stand der Dinge
meldete am 8-10. ein grofer Teil der
deutschen Bistumszeitungen in fast
gleichlautenden Formulierungen.
Mit einer Ausnahme: die "Kirchen-
zeitung Kéln". Sie begann eine zwei~
teilige Serie mit “Anmerkungen" 2u
Eugen Drewermann unter dem Titel:
Ist die Erlésung in unserer Seele
yerborgen?” Der Autor: Hermann—Josef
Lauter, Franziskaner, Predigtlehrer
am Priesterseminar in Kéln. Er ist
seit Jahren bestrebt, daS ein offi-
zielles kirchliches Urteil aber Dre~
wermann gesprochen werde. Zum wie-
derholten Male tritt er hier in Er-
scheinung, und das wird auch noch
mehrfach so sein.
Aufer diesem Artikel erschienen
auch in anderen Zeitungen Beitrage,
die Drewermann (vor-)verurteilten.
Das ging bis zu verdeckten Aufforde-
rungen an das kirchliche Lehrant,
Drewermanns Ansichten nicht langer
zu dulden - so in der katholischen
Deutschen Tagespost" am 7.10. Allens
voran jedoch trat der "Rheinische
Merkur" hervor, jene Wochenzeitung,2
die von den Bischéfen mit Millionen
Kirchensteuergeldern am Leben erhal-
en wird. Am 6.10. erschien dort
‘Tréumereien ohne Grenzen" von An-
dreas aun, Moraltheologe an der
Hochschule Heiligenkreuz bei Wien,
die bekanntermafen streng konserva~
tiv ausgerichtet ist. Laun ist in
diesem Artikel bemiht, zu zeigen,
da Drewermann nichts als Irrlehren
verbreitet. Mit Begriffen ‘wie "Ver-
falschung des Glaubens", . "Umdeutun-
gen" der kirchlichen Lehre, "theolo-
gische Agitation", "affektverzerrte
Wirrnis", “irrefithrend und gefahr-
lich" formuliert Laun seine Beurtei-
lungen. Drewermann miisse praktisch
in allen Punkten sein, Werk "korri
gieren", bevor er zur Kirche zurtick-
kehren und wieder ernstgenommen wer-
den kénne, meint Laun.
Eine Woche darauf, am 13.10., fuhr
der "Rheinische Merkur" fort: mit
Hermann-Josef Lauter. Drewermann
sei, so meint Lauter hier, "ein ge-
nial begabter Theologe, der ein
groBartiges, hochbedeutsames Anlie-
gen vertritt: die Vermittlung von
Theologie und Tiefenpsychologie".
"GroBartig" findet Lauter dies fir
eine erneuerte "Praxis der Seelsor-
ge", um Menschen wieder in die Kir
che zuriickzufiihren - aber fiir mehr
nicht. Daf nach Drewermann die Ein-
beziehung der Tiefenpsychologie auch
Auswirkungen auf andere Bereiche des
Glaubens und der Theologie haben
muB, wertet Lauter als tberzogene
Anmagung. Es ist fir ihn daher gebo-
ten, daB Kritik geibt wird, von
Theologen und auch vom kirchlichen
Lehramt: Kritik, die “wirkt wie ein
Sieb, das so lange geriittelt wird,
bis nur noch das Giltige liegen-
bleibt". Nach seiner Auffassung wer-
den die zentralen Anliegen Drewer-
manns bei solchem Aussieben durch-
fallen. "Es geht nicht nur um die
Freiheit der Theologie, sondern auch
um die '‘gesunde Lehre'", betont er.
Eugen Drewermann hatte nach diesen
Kritiken die Gelegenheit, im "Rhei-
nischen Merkur" vom 24.11. mit-einem
ausfihrlichen Artikel auf seine Kri-
tiker zu antworten. Damit sind nun
neue Moglichkeiten geschaffen, die
wissenschaftliche Auseinandersetzung
um seine Biicher zu beleben. Von den
Bistumszeitungen haben dagegen bis-
her ffinf den Artikel von Lauter ab-
gedruckt; hier bekam Drewermann in
keinem Fall die Méglichkeit zu ant-
worten.
"Lokalereignisse”
In Paderborn wurde wahrenddessen
versucht, den "Fall Drewermann" ab~
zuwerten. Erzbischof Degenhardt be-
tonte bei mehreren Gelegenheiten,
die gesamte seitherige Berichter-
stattung der Medien sei nur aufgrund
von “Indiskretionen" mdglich gewor-
den. Er zeigte sich verargert, dag
durch irgendwelche Personen in den
zustandigen Behérden dberhaupt Bin-
zelheiten der laufenden Vorgange an
die Offentlichkeit gedrungen sind.
Das bedeutet offenbar, daB ein Ur-
teil ber Drewermann im Stillen,
auch ohne den Betroffenen, vorbe~
reitet werden sollte.
an 11,10, trat die Pressestelle des
Erzbischéflichen Generalvikariats
Paderborn von sich aus ‘an die Of-
fentlichkeit und verbreitete dberra~
schend eine Erklarung “zur neuerli-
chen Auseinandersetzung um Privatdo-
zent Dr. Eugen Drewermann". Noch am
Gleichen Tag gab Drewermann zu die-
ser Erklarung eine Stellungnahme ab,
die von der Katholischen Nachrich~
tenagentur (KNA) veréffentlicht wur-
de. “(Wir dokumentieren beides in
Ausziigen auf Seite 3.) Stellt man
die Erklarung und die Stellungnahme
einander gegeniiber, so wird bei-~
spielhaft deutlich, wie in diesem
"Fall" mit Tatsachen umgegangen
wird. In einem Artikel der "Neuen
Westf£alischen" (Lokalteil Paderborn)
vom 13.10. wurde klar herausgearbei~
tet, daB die Erkldrung der erzbi-
schéflichen Pressestelle die Wahr-
heit eher verschleiert als klart und
daB sie zudem Widerspriiche enthalt.
Zum ersten Mal wurde hier die Frage
estellt: Wer eigentlich ist mit dem
Fall Drewermann” befaBt - die Glau-
benskommission oder der Paderborner
Erzbischof?
Der Leiter der Pressestelle, Her~
mann-Joseph Rick, steigerte vier
Tage spater in einem Leserbrief die
Verwirrung damit, daS er betonte,
die srklarung der erzbischéflichen
Pressestelle sei nicht als eine Er-
klarung des Erzbischofs selbst zu
verstehen. Wie aber ist sie dann zu
werten? - Insbesondere léste die Er-
klaruhg jedoch Befremden aus, weil
in ihr Gesprache zwischen Drewermann
und seinem Bischof als reines Pol
tikum behandelt werden: Nur noch das
Datum ihres Stattfindens zhlt. Dre-
wermann selber ging deshalb in einem
(Fortsetzung auf Seite 5)3
ERKLARUNG
Die Pressestelle im Erzbischéflichen
Generalvikariat Paderborn erklart
zur neuerlichen Auseinandersetzung
um Privatdozent Dr. Eugen Drewer-
mann:
1. Entgegen anderslautenden Behaup-
tungen hat sich die Deutsche Bi-
schofskonferenz auf ihrer jiingsten
Herbst-Vollversammlung in Fulda
nicht mit dem Werk von Dr. Drewer-
mann befaBt.
2. Bntgegen anderslautenden Behaup-
tungen ist ein Lehrbeanstandungsver-
fahren gegen Dr. Drewermann bei der
Glaubenskommission der Deutschen Bi-
schofskonferenz nicht anhangig und
rechtlich auch nicht erforderlich,
da seine Aussagen in seinen Bichern
éffentlich zuganglich sind.
3. Entgegen anderslautenden Aupe-
rungen hat Erzbischof Degenhardt in
den vergangenen Jahren mehrere Ge-
sprache mit Dr. Drewermann gefihrt,
und zwar am 20, Juni 1986, am 9.
September 1986, am 26. September
1986 und 5. April 1988. Bei einigen
Gesprachen waren auch Angehérige des
Metropolitankapitels zugegen. Bei
den Gesprachen sind Dr. Drewermann
gegen ihn erhobene Bedenken benannt
worden, .die ihm auch schriftlich
vorliegen, und zwar seit dem 5. Ja-
nuar 1987. Die Gesprache, die andere
mit Dr. Drewermann gefahrt haben
(Professor Mihlen, Professor Schwer~
mer, Professor Schnackenburg u.a.),
sind hier nicht beriicksichtigt. Lei-
der konnte ein Symposion in Naurod
bei Wiesbaden im Herbst 1988 wegen
der Beerdigung von Bischof Moser
nicht stattfinden. Das Symposion
sollte auf das Frihjahr 1989 verlegt
werden; Dr. Drewermann hat jedoch
eine Beteiligung abgelehnt.
VERSUS
STELLUNGNAHME
Zu der von der Pressestelle des Erzbischét-
Lichen Generalvikariates Paderborn am Mitty
woh, 11, Oktober 1989 verbreiteten Erkla-
rung nahn Eugen Drewermann am gleichen Tag
gegeniiber KNA vie folgt stellung
1. Ich habe nie behauptet, “die Deutsche
Bischofskonferenz" hatte sich mit meinen
Bichern und Aussagen beschaftigt. Mir ist
aber bekannt, dap die Glaubenskonmission
der Deutschen Bischofskonferenz dariber
beraten hat. Dieses Faktun wurde mir offi-
ziell nie mitgeteilt; es wurde aber bisher
weder von Erzbischof Degenhardt, vom Vor-
sitzenden der Glaubenskonmission, Kardinal
Wetter, noch vom Vorsitzenden der Bischofs-
konferenz, Lehmann, denentiert.
2. Ich habe nie behauptet, gegen mich sei
ein Lehrbeanstandungsverfahren bei der
Glaubenskonmission der Deutschen Bischots-
konferenz anhangig. Ich habe vielnehr auf-
grund mir zugegangener Informationen mitge-
teilt, da8 die vatikanische Glaubenskongre-
gation den Entzug der "Missio canonica” und
des "Nihil obstat” fir angebracht halte,
und daB Erzbischof Degenhardt die Glaubens-
kommission der Deutschen Bischofskonferenz
daraufhin - wie er selbst bestatigt hat ~
un Rat gebeten habe.
3. Ich habe nirgendwo geduert, zwischen
mir und meinen Erzbischof habe es in der
Vergangenheit keine Gesprache gegeben. Tat-
sachlich aber behaupte ich, dap Gegenstand
der Gesprache es niemals war, vorum es ei-
gentlich im Kern geht. Gegen aich erhobene
Bedenken wurden mit Bezug auf den ersten
Markus-Band nie substantiiert formuliert.
Mir ist auch neu, daB die 6ffentliche Zu-
gAnglichkeit meiner Bucher eine Verfahrens-
ordnung auger Kraft setzen kénnen soll.
Ein geplantes Symposion, das ich selbst
angeregt hatte, war nicht fir Herbst 1988,
sondern fir Fréhjahr 1988 vorgesehen. Bi
schof Moser war namlich Anfang Mai verstor~
ben und wurde auch Anfang Mai 1988 und
nicht “in Herbst 1988" beerdigt.
Die Teilnahne aber an einem um ein Jabr
verschobenen Symposion konnte ich damals
nicht mehr akzeptieren, da ja im Sommer
1988 das gegen mich gerichtete und von der
Glaubenskoamission bereits in Auftrag gege~
bene Werk "Tiefenpsychologische Deutung des
Glaubens?" erschienen war. DaS es sich da~
bei um eine Auftragsarbeit handelte, wurde
bisher bestritten, jetzt aber erstnals zu-
gegeben. Was soll dann noch ein Symposion,
wenn die Vorverurteilung schon beabsichtigt
und gedruckt dokumentiert ist?
Zum Schlup stelle ich test: Die Erklarung
der Pressestelle des Erzbischéflichen Gene
ralvikariates dementiert Augerungen und Be-
hauptungen, die von mir nie gemacht wurden.