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12 BERLIN * Dienstag, 30.

März 2010 | Berliner Morgenpost

Star-Architekten kämpfen
für Kreuzberger Turm
Daniel Libeskind und Peter Eisenman kritisieren Veränderungen am Hejduk-Bau

T VON SABINE GUNDLACH Dass das Gebäude jahrelang ver- schen Museums betrachtet die be- „Mein Vater (Josef-Paul Kleihues,
nachlässigt wurde und durchaus sa- reits erfolgte Demontage einzelner d. Red.) hat als Direktor der IBA in
Aufruhr in der internationalen Ar- nierungsbedürftig ist, wird von den Fassadenelemente und die Verän- den 80er-Jahren viele internatio-
chitektengemeinschaft. Die geplan- Initiatoren einer Petition gegen derung des Farbtons einer der bei- nale Architekten wie Hejduk, Rossi
ten und teilweise schon in Angriff Eingriffe in die Fassade nicht be- den Mietshäuser als „Bruch des Ur- oder Sterling nach Berlin gebracht“,
genommenen Veränderungen an stritten. „Wir fordern aber, dass das heberrechts des Architekten“. erinnert Kleihues, der im Übrigen
dem sogenannten Kreuzberg-Turm ursprüngliche Design erhalten und Man würde ja auch nicht hinneh- selbst viele Jahre in dem Wohnturm
des bedeutenden US-Architekten nicht zerstört wird“, sagt Matthias men, „wenn Mona Lisa plötzlich lebte und die offen gestaltete Woh-
John Hejduk rufen in Berlin sowie Reese. Der Architekt und ehemali- ein Schnurrbart ins Gesicht gemalt nung sehr geschätzt hat.
weltweit bekannte Baumeister auf ge Projektleiter beim Bau des Jüdi- wird“, sagt auch Jan Kleihues. Bei dem Protest ginge es nicht
den Plan. So protestieren neben Ar- nur um den Schutz für einen der we-
chitekten wie Jan Kleihues oder nigen realisierten Bauten ihres Va-
Matthias Sauerbruch auch amerika- John Hejduk und sein innovativer Wohnkomplex ters, sagt Renata Hejduk der Berli-
nische Baukünstler wie Peter Ei- John Hejduk Hejduk (1929-2000) zählte neben Peter ner Morgenpost. „Es geht auch um
senman oder Daniel Libeskind ge- Eisenman und anderen zur Schule der „New York Five“- den Schutz aller Bauten der IBA,
gen den Eingriff in das Werk von Architekten, genannt nach einer legendären Aus- die von den wichtigsten Architek-
John Hejduk. stellung der Baukünstler 1967 im MoMA. ten des 20. Jahrhunderts realisiert
Die Tochter des im Jahr 2000 ver- wurden.“
storbenen Architekten, selbst eine Innovativ Der Kreuzberg-Turm mit seinen Nachbarbau- Die Eigentümerin des Gebäude-
anerkannte Architekturhistorikerin ten wurde für die Internationale Bauausstellung ’87 ensembles hat offenbar aufgrund
in den USA, hat sich jetzt mit einem ausgewählt. Der Grundriss des Turms, die Dachkon- des weltweiten Protestes unterdes-
Schreiben an die Berliner Morgen- struktion der Mietshäuser und die Fassaden sen die Arbeiten vorläufig einge-
post gewandt, in dem sie für den Er- galten als innovativ. sg stellt. Zu einer Stellungnahme war
halt des Erbes ihres Vaters plädiert. jedoch keiner der Geschäftsführer
„Die Veränderungen, die der Eigen- der Berlinhaus Verwaltung GmbH
tümer plant, verändern die kom- persönlich zu erreichen. Stattdes-
plette Idee des Gebäudes und zer- sen erreicht uns ein Fax. In dem be-
stören ein wichtiges Werk der spä- tont die Eigentümerin, sich als ver-

FOTO: AMIN AKHTAR


ten Moderne“, schreibt Professorin antwortungsvolles Unternehmen
Renata Hejduk aus Arizona. zu verstehen, „das Sanierungsmaß-
nahmen nicht nur zur Werterhal-
Eine Ikone der Postmoderne tung und Wertsteigerung durch-
An der Charlottenstraße 96–98/ führt, sondern sich der Interaktion
Ecke Besselstraße realisierte John solcher Maßnahmen mit dem Um-
Hejduk im Rahmen der renom- feld und dessen besonderen Gege-
mierten Internationalen Bauaus- benheiten bewusst ist.“ Man führe
stellung (IBA) in Berlin 1987 seinen
Entwurf für einen sozialen Woh-
Libeskind: „Der Wohnturm bereits erste Gespräche, um einen
Konsens zu finden. Renata Hejduk
nungsbaukomplex. Der 14-Ge-
schosser mit zwei zur Seite gestell- repräsentiert eine Vision“ hat bereits Anfang des Jahres Kon-
takt zu dem Unternehmen gesucht.
ten fünfstöckigen Mietshäusern, Es scheint, die Berlinhaus GmbH
damals „Wings“ (Flügel) genannt, hat erst jetzt nach dem weltweiten
mag äußerlich nicht gängigen US-Stararchitekt Daniel dieses besonderen Bau- Protest realisiert, welche Bedeu-

FOTO: GETTY IMAGES/ GALLUP


Schönheitsattributen entsprechen, Libeskind ist einer von werks zu unterstützen, tung den Wohnkomplex bauge-
gilt aber gleichwohl als Ikone der vielen prominenten Unter- weil es eine architektoni- schichtlich auszeichnet. „Offenbar
Postmoderne und bautypologisch zeichnern der weltweit sche Vision repräsentiert. war das der Eigentümerin nicht be-
herausragendes Werk seiner Zeit. kursierenden Petition, die wusst“, sagt Matthias Sauerbruch.
Der Wohnturm in Kreuzberg, der sich gegen Veränderungen Was ist denn die Qualität Der Architekt des Büros „Sauer-
mit seinen sieben zweigeschossigen am Kreuzberger Ensemble dieser Architektur von John bruch Hutton“ plädiert angesichts
hellen Wohnungen zunächst als von John Hejduk wendet. Hejduk? weiterer anstehender Sanierungen
Atelierhaus für Künstler geplant Redakteurin Sabine Gund- Stararchitekt Es ist ein sehr bedeuten- von Bauten der 80er-Jahre für eine
war, steht für Hejduks späte Ent- lach erreichte Libeskind in Daniel Libeskind des Werk, das für die inno- Kennzeichnung des IBA-Erbes.
würfe. Sie offenbaren seine Faszi- London. vativen Ideen der Interna- Die Mieter des Kreuzberg-Turms
nation von geometrischen Formen tionalen Bauausstellung in Berlin plagt zudem noch ein ganz anderes
und das Spiel mit Metaphern. So er- Berliner Morgenpost: Mr. Libeskind, steht. Problem, das bei der Architektur-
scheinen beispielsweise die grünen wie haben Sie von den geplanten Ein- debatte ein wenig untergeht – die
Überdachungen der kleinen Balko- griffen erfahren? Brauchen wir mehr zeitlichen Ab- Mieterhöhung. Vor acht Jahren be-
ne wie Augenlider, die Flügelge- Daniel Libeskind: Ich wurde von stand, um ein Bewusstsein für die trug die Warmmiete für die zweige-
bäude des Ensembles wirken so Freunden und Kollegen aus Bedeutung von Bauten aus den 80er- schossige Wohnung im Turm noch
wie ein Gesicht. Hejduks Entwurf Deutschland und aus den USA in- Jahren zu entwickeln? knapp 600 Euro. Seit vergangenem
widersetzte sich mit den Grau- und formiert. Es ist wichtig, die besten Bauten Jahr müssen die Mieter für ihre
Grüntönen bewusst vorherrschen- anderer Ären als der unseren zu be- knapp 80 Quadratmeter bereits bis
den Trends. Das Hochhaus unweit Warum unterstützen Sie die interna- achten. Vor allem in Berlin, wo ver- zu 982 Euro Warmmiete zahlen.
der Mauer sollte den Mietern da- tionale Petition? schiedene Schichten zeitgenössi- Auch die soziale Idee des Gebäudes
mals zudem Weitblick ermöglichen. Es ist wichtig, die Unversehrtheit scher Architektur existieren. scheint Vergangenheit.

Erst Gast, dann Räuber Trauer um Uwe Runge


Ein unbekannter Mann hat in der Unbekannte schlug dem Gast mit Der ehemalige Präsident des Kon- Engagement dort nach seinem Ru-
Nacht zu gestern ein Lokal an der der Waffe auf den Kopf und entriss sistoriums der Evangelischen Kir- hestand Anfang 2005 fort und sollte
Schloßstraße in Charlottenburg ihm sein Handy. Anschließend raff- che Berlin-Brandenburg-schlesi- auch an der geplanten Fusion der
überfallen. Der Täter hatte die te der Räuber die Tageseinnahmen sche Oberlausitz, Uwe Runge, ist staatlichen deutschen Entwick-
Kneipe zunächst als Gast aufge- an sich und ergriff noch die auf dem tot. Der promovierte Jurist und lungsdienste DED, GTZ und In-
sucht. Nachdem er sich rund zwei Tresen liegenden Schlüssel sowie langjährige Leiter der Berliner Kir- went mitwirken. Im Februar 1995
Stunden lang in der Gaststätte auf- das Handy der Tresenkraft, bevor chenverwaltung starb am Sonntag – hatte er sein Amt als Präsident des
gehalten und getrunken hatte, zog er flüchtete. Der 50-Jährige erlitt ei- eine Woche nach seinem 70. Ge- Konsistoriums angetreten. Unter
er gegen 1.30 Uhr plötzlich eine ne leichte Kopfplatzwunde. Ein burtstag. Das bestätigte das Kon- seiner Leitung wurde in der Lan-
Schusswaffe hervor und bedrohte Raubkommissariat der Polizeidi- sistorium gestern. deskirche unter anderem die Kon-
damit die 44 Jahre alte Kellnerin so- rektion 2 hat die Ermittlungen Runge war seit 1977 auch in der solidierung des Haushalts in An-
wie einen 50 Jahre alten Gast. Der übernommen. ur Entwicklungshilfe tätig, setzte sein griff genommen. epd

Autonome drohen mit Gewalt am 1. Mai


Bekennerschreiben nach Attacke auf SPD-Landeszentrale: „Innensenator betreibt Hetze gegen Linke“

T VON HANS H. NIBBRIG gen 3.45 Uhr mit Steinen die Fens- Auto-Brandstifter in den vergange- In kruden Formulierungen be-
terscheiben der SPD-Zentrale an nen Wochen. Diese Verfahren habe zichtigen die Verfasser die SPD
Nach einer Attacke auf die SPD- der Müllerstraße in Wedding einge- der Innensenator zur Chefsache er- und den Innensenator der „Hetze
Landesgeschäftsstelle haben bis- worfen. Ein durch den Lärm aufge- klärt, sie würden nach seinem gegen alle, die der kapitalistischen
lang unbekannte Mitglieder der au- wachter Anwohner beobachtete Wunsch manipuliert, heißt es in Barbarei entgegentreten“ und ver-
tonomen Szene in Berlin unverhoh- den Übergriff und alarmierte die dem Schreiben. weisen auf „die ständigen Todes-
len mit gewalttätigen Aktionen am Polizei. Die Beamten konnten am fälle bei Polizeieinsatz und im
kommenden 1. Mai gedroht. „Wir Ort des Geschehens nur noch Pflas- Knast“; sie seien direkter Aus-
werden diesem SPD-Senat am 1. tersteine als mutmaßliche Tatwerk- druck von „Körtings Regieanwei-
Mai die Steine ins Gesicht werfen“, zeuge sicherstellen, die Täter waren sungen“.
heißt es in einem Bekennerschrei- inzwischen geflüchtet. In Sicherheitskreisen gibt es of-
ben zu dem Angriff, das gestern bei In dem per E-Mail verschickten fenbar unterschiedliche Ansichten
der Berliner Morgenpost einging. Bekennerschreiben, das lediglich darüber, wie das Schreiben zu be-
Der Polizeiliche Staatsschutz hat mit „Eine autonome Gruppe“ un- werten ist. „Man muss das schon
sowohl wegen dem politisch moti- terzeichnet ist, wird die SPD, insbe- ernst nehmen, auch wenn ange-
vierten Hintergrund der Tat als sondere der sozialdemokratische sichts der völlig absurden Anschul-
auch wegen der offenen Gewaltan- Innensenator Ehrhart Körting, für digungen die Vermutung nicht
drohung die Ermittlungen über- „staatliche Repressionen“ gegen ganz abwegig ist, dass hier Spinner
nommen. Wie ein Polizeisprecher Linke verantwortlich gemacht. Als am Werk sind“, fasste ein hochran-
gestern mitteilte, hatten mehrere Beispiel nennt der Absender meh- Eingeworfene Fensterscheibe am giger Beamter gestern die ver-
Unbekannte in der Nacht zuvor ge- rere Verfahren gegen mutmaßliche Gebäude der SPD-Zentrale FOTO: DDP schiedenen Deutungen zusammen.

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