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:antifaschistische Nr.

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nachrichten g 3336 8.3.2007 23. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤
www.antifaschistische-nachrichten.de

Hildesheim. Am 24.2. gingen


so viele in Hildesheim auf die
Straße, wie seit Jahrzehnten
Weit über 4000 demonstrieren
nicht mehr. Die Polizei sprach von
4500 Teilnehmern, die dem Aufruf
Zivilcourage gegen Nazis
von über 50 Organisationen, Verbän- feier von Dieter Riefling von der „Bürger- werden. Es sprachen u.a. der IG-Metall-
den, Institutionen, Gewerkschaftern initiative für Zivilcourage Hildesheim“ Berzirksleiter Hartmut Meine, die Euro-
und Personen gefolgt waren. getarnten „Zeitzeugenabends“ durch Poli- paabgeordnete der Linkspartei,PDS Fe-
zei und einen wachsamen Gastwirt im leknas Uca, die Bundestagsabgeordnete
Der Aufruf war überschrieben: „Hildes- letzten Dezember. Riefling versuchte es, Brigitte Pothmer von den Grünen, der
heim zeigt Zivilcourage – gegen Nazis“. nachdem er in Rheden in einer Gastsgtätte Landessuperintendent der evangelischen
Den Aufruf hatten neben GRÜNEN, gescheitert war, in Lübrechtsen. Er er- Kirche, der Katholische Domdechant und
WASG, Linkspartei. und Linke Alternati- schien mit zwei kleinen Kindern, um ei- viele andere. Von mehreren Rednern wur-
ve Hildesheim, Sozialdemokraten und nen harmlosen Eindruck einer Familien- de das erneute Einleiten eines Verbotsver-
feier zu erzeugen. Die Gemeindeange- fahren gegen die NPD gefordert. Da 1700
stellte schöpfte keinen Verdacht und ver- Landespolizisten und 500 Bundespolizis-
mietete das Dorfgemeinschaftshaus. Der ten in Hildesheim die Route der Nazis
Polizeiinspektionsleiter Ippensen infor- hermetisch abschotteten, konnte die anti-
mierte die Gemeindebürgermeisterin und faschistische Demonstration trotz ihres

Riefling und Worch

Autonomen, Gewerkschaften wie IG Me-


tall und ver.di, und der DGB unterzeich-
net. Die katholische und evangelische
Kirche, die alevitische und die jüdische
Gemeinde ebenso. Neu: bei Gottesdiens-
ten gab es Aufrufe zur Teilnahme. CDU
und FDP und die bürgerlichen Bündnis!
und BAH hielten sich aber raus. Der
Oberbürgermeister (Bündnis! –eine Ab-
spaltung von der CDU) rief allerdings auf
dem „Hildesheim muckt auf“ Konzert am Rock gegen Rechts am Vorabend
Vortag zur Demonstration auf. Der Aufruf den Gemeindedirektor in Hoyershausen, der Demonstration
postulierte: Es sollten alle politischen und die auf keinen Fall eine rechte Veranstal-
rechtlichen Mittel versucht werden, um tung dulden wollten und den Vertrag kün- großen politischen Gewichts die Nazide-
den Naziaufmarsch zu verhindern. „Fa- digten. monstration nicht verhindern. Doch viele
schismus ist keine Meinung – sondern ein Die Stadt Hildesheim sah sich nicht in Kaufleute sind sauer, dass wegen des Ge-
Verbrechen“. Gefordert wurde ein Verbot der Lage, die Nazidemonstration am 24.2. währenlassens der Nazis infolge der weit-
faschistischer Organisationen unter Nut- zu verbieten. Neben Worch riefen ver- räumigen Absperrungen durch die Polizei
zung des Art. 139 GG. schiedene Teile seines im „Nationalen die Innenstadt für Stunden nicht erreich-
Vorgeschichte für die Anmeldung der Widerstand“ zusammengefassten natio- bar war für Konsumenten. Erhebliche
Rechten-„Demonstration gegen Repressi- nalsozialistischen Netzwerkes auf: u.a. Umsatzeinbußen führten dort zu Stellung-
on und Polizeiwillkür“ durch Christian die obskuren von dem wegen Übertretung nahmen in die Richtung, dass so was nicht
Worch war die Verhinderung eines Skin- des FAP-Verbots vorbestraften Dieter noch mal vorkommen sollte. Für viele
head-Konzertes durch die Polizei ebenso Riefling forcierten Tarnorganisationen na- war ab 12 Uhr Ladenschluss.
wie die Vereitelung eines als Geburtstags- mens „Bürgerinitiative für Zivilcourage Auf Seiten der etwa 170 Nazis rede-
Celle“ etc. und andere der NPD nahe ste- ten am Bahnhof: Ricarda Riefling (Ge-
henden Vorfeldorganisationen wie auch meinschaft deutscher Frauen), Dennis
Inhalt: einige NPD-Kreisverbände und Bezirke. Bühring (Celle) und Sascha Krolzig. Bei
Le Pen vor den Wahlen: Hätten Sie erteilte allerdings Auflagen, welche der „Zwischenkundgebung“ sprach Dieter
Sie mal ‘ne Unterschrift . . . . . . . . . . 9 die Route einschränkte, oder zum Beispiel Riefling. Er drohte dem Polizeiinspekti-
150 afghanische Familien von Kampfstiefel verbot. onsleiter Uwe Ippensen mit Dienstenthe-
Abschiebung bedroht . . . . . . . . . .12 Auf Seiten der Gegendemonstration bung.
konnten prominente Redner gewonnen weiter Seite 2
: meldungen, aktionen
Fortsetzung S. 1: Hildesheim durch das Volk (Beifall) – nur Organisati-
on einer Fremdherrschaft. Seine Hasstira-
den gipfeln unter Beifall der anwesenden
„Zivile Koalition“ Riefling kündigte Dipl.-Ing. Reinhold Faschisten: „Es lebe die Wiederauferste-
mobilisiert Leidenfrost, Jagdflieger des 2.Weltkrieges hung des Deutschen Reiches“.
Berlin. Im März will eine „Zivile Koali- als Offizier der Wehrmacht an. Der Zeit- Weitere Redner waren: Christian
tion für Deutschland e.V.” in Berlin be- zeuge, der im Dezember im Landkreis Worch, Hans-Gerd Wiechmann, NPD –
ginnen, mit Informationsständen gegen Hildesheim bei dem als Geburtstagsfeier vormals niedersächsischer Landesvorsit-
„den Reformstillstand der Merkel-Regie- getarnten Zeitzeugenabend nicht zum zender der Republikaner, Silvio Reinhold,
rung“ zu protestieren. Der konservative Zuge kam. Leidenfrost hielt eine Hetzre- Hartmut Wostupatsch, sowie Alexander
Verein unter dem Vorsitz von Beatrix de. Er bezeichnete die Aussage: „Natio- Hohensee.
Herzogin von Oldenburg tritt für „ein nalsozialismus ist ein Verbrechen“ als Das Bündnis gegen Rechts will weiter-
klares und gerechtes Steuersystem“, den „zweckgebundene Lüge“. Er sprach vom machen, um den örtlich operierenden Na-
„Stop der galoppierenden Staatsver- „Abwehrkampf“ der Jagdflieger unter zis das Handwerk zu legen.
schuldung“, für Bürokratieabbau, eine dem „Führer“ ( „unser Adolf Hitler“) ge- raj ■
„Reform der politischen Entscheidungs- gen die „kapitalistischen Terrorbomber“, (Quellen: Material der Pressekonferenz des Bünd-
strukturen“ wie die „Direktwahl der bezeichnete Churchill als Kriegsverbre- nisses gegen Rechts am 19.2., Presseinformation
Bundestagsabgeordneten“, höhere Inves- cher. Die BRD sei nicht Deutschland ge- der Polizeiinspektion Hildesheim vom 2.12.06, so-
titionen in Bildung und Forschung und worden, sie besäße keine Legitimation wie Reden von Riefling und Leidenfrost.)
die „Förderung der Familie als Kern ei-
ner funktionierenden Gesellschaft“ ein.
In einer Postkartenaktion an Bundes- „Junge Freiheit“ im vergangenen Jahr schistischen NPD scheint er nicht zu
kanzlerin Merkel und Bundespräsident bezeichnete sie das „Enteignungsun- kennen. So gab er kürzlich dem NPD-
Köhler wird der „Sanierungsfall“ recht“ als eine „politische Verfolgung“. Organ „Deutsche Stimme“ ein langes In-
Deutschland beklagt, ein Ende der Schon 2001 hatte die in Lübeck gebore- terview. Ein anderer bekannter Schlierer-
„Sandkastenspiele“ der Politik und die ne Juristin an einer Feier der Wochenzei- Kritiker, der Düsseldorfer Rechtsanwalt
„so dringend nötigen Reformen“ gefor- tung aus Anlass ihres 15-jährigen Beste- Dr. Björn Clemens, bis Ende 2006 noch
dert. Unterstützen will man vor allem hens in Berlin teilgenommen. Die Bei- Mitglied des Bundesvorstandes der „Re-
den „Reformkurs“ Köhlers, der angeb- rats-Mitglieder der „Zivilen Koalition“, publikaner“, leitete jüngst die Grün-
lich von einer „absoluten Mehrheit“ der Karl Feldmeyer und Dr. Klaus-Peter dungsversammlung der „Bürgerbewe-
BürgerInnen unterstützt werde und den Krause gehören gelegentlich zu den Au- gung pro NRW“. Als Organisationsleiter
die „Zivile Koalition“ auch gerne in ei- toren des rechten Blattes. Beide waren in der neuen, landesweiten Formation fun-
ner zweiten Präsidentschaftsperiode se- der Vergangenheit für die großbürgerli- giert Daniel Schöppe aus Dormagen. Der
hen würde. Dies bedürfe aber eines „kla- che „FAZ“ tätig und nahmen im Jahr gehörte, wie auch eine Reihe anderer Ak-
ren Zeichens aus der Zivilgesellschaft an 2005 am Sommerfest der „Jungen Frei- teure von „Pro Köln“, zu Beginn der
die politische Klasse“. Die „Verknöche- heit“ teil. hma ■ 90iger Jahre der neofaschistischen
rung der politischen Entscheidungsstruk- „Deutschen Liga für Volk und Heimat“
tur“ sei nicht mehr parteipolitisch, son- Expansion ins Ruhrgebiet (DLVH) und zuletzt ebenfalls den
dern nur noch „zivilgesellschaftlich auf- Schlierer-Kritikern bei den „Republika-
zubrechen“. Die da heute auf die Straße Köln/NRW. Nachdem Akteure aus dem ner“ an. peb ■
gingen, wie z.B. „Atomkraftgegner“ und Spektrum der extrem rechten „Bürgerbe-
„Gewerkschaften“ würden „jeden Ge- wegung pro Köln“ im Februar eine „Bür- Rechtsextreme planen
danken an etwas mehr Freiheit und Ei- gerbewegung pro NRW e.V.“ gegründet
genverantwortung mit der sozialen Ge- hatten, um das „Machtkartell der Altpar- Proteste gegen G8-Gipfel
rechtigkeits-Keule niederbrüllen“. Nun teien“ aufzubrechen, setzt sich der Auf- in Heiligendamm
müsse auch „das andere Lager“ in „der bau lokaler Ableger fort. So wurde nach Berlin. Rechtsextreme planen Proteste
Öffentlichkeit sichtbar“ werden. In ei- Oberhausen und Gelsenkirchen nun auch gegen den im Juni stattfindenden G8-
nem ersten Schritt hofft man „eine Kern- in Bottrop eine „Bürgerbewegung“ im Gipfel in Heiligendamm. Das bestätigte
basis von 80.000 bis 100.000 Menschen“ Stil von „Pro Köln“ gegründet. Etwa die Bundesregierung auf eine Kleine An-
für die „Zivile Koalition“ zu gewinnen. zwei Dutzend Teilnehmer wählten den frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (BT-
Gerne verweist man dabei auf die guten Bezirksvertreter Dipl.Ing. Josef Scho- Drucksache 16/4141):
Erfahrungen des „zivilen Lagers“ mit land (52), noch 2005 Landtagskandidat Rechtsextreme Gruppierungen versu-
Initiativen dieser Art in den USA. Bereits der sog. „Republikaner“, zum Vorsitzen- chen seit längerem, das Thema Globali-
im Januar hatte der Verein angegeben, den des örtlichen Ablegers. Als weitere sierungskritik mit nationalistischen Lo-
über die Adressen von „über 500.000 Vorstandsmitglieder wurden Anneke sungen von rechts zu besetzen. Der kom-
Menschen“ zu verfügen, „die das gleiche Rössler, Knut Schindel, Roland Weiner mende G-8-Gipfel im Juni in Heiligen-
Ziel“ hätten. und Bernd Groschwald gewählt. Künftig damm werde zum „Kristallisationspunkt
Geplant ist, die „Aktion Infostände“ will sich „Pro Bottrop“ mit Themen zu nationaler Oppositionspolitik“, so der
bundesweit auszubauen und auch in „sozialen und städtebaulichen Aspekten“ Generalsekretär der NPD, Peter Marx.
Hamburg, Leipzig, Köln, Dresden, Mün- sowie mit „Überfremdung und Krimina- Den Auftakt der rechtsextremen Mobi-
chen usw. bekannt machen zu können. lität“ befassen. lisierung macht am 17. Februar ein im
Als Sprecherin des „Göttinger Kreis – „Viel politischen Erfolg“ wünscht Raum Riesa oder Plauen stattfindender
Allianz für den Rechtsstaat“ hatte Frau dem Bottroper Ableger auch der Vorsit- Kongress der jungen Nationaldemokra-
von Oldenburg schon vor Jahren gegen zende der „Bürgerbewegung pro Gelsen- ten Sachsens zum Thema „Damit der
das angebliche „Enteignungsunrecht“ kirchen“, Kevin Gareth Hauer. Bur- Wind sich dreht: Globalen Kapitalismus
der Boden- und Industriereform im Os- schenschafter Hauer wurde für die sog. angreifen. Überall kämpfen Völker für
ten Deutschlands nach Ende des 2.Welt- „Republikaner“ in den Rat der Stadt ge- die Freiheit der Nation.“
krieges gestritten. So viel Reform soll es wählt und gehörte in NRW zu den Kriti- Anschließend stellt der NPD-Kreis-
dann nun doch nicht sein. In einem Inter- ker des Kurses von „Republikaner“-Chef verband Wartburgkreis seine „3. Natio-
view mit der rechten Wochenzeitung Schlierer. Berührungsängste zur neofa- nale Kaffeefahrt“ unter die Devise „Re-

2 : antifaschistische nachrichten 5-2007


gional statt Global“. An der vom örtli-
chen NPD-Aktivisten Patrick Wieschke
als Demonstration angemeldeten Fahrt
durch die Orte Gerstungen, Vacha, Tie-
fenort und Kaltennordheim werden am
24. Februar 30 bis 50 Personen teilneh-
men. (Beides hat inzwischen stattgefun-
den, d. Red. )
Am 1. Mai stellt der thüringische Lan-
desverband der NPD eine Demonstration
mit 200 bis 400 Teilnehmern in Erfurt
unter die Losung „Zukunft statt Globali-
sierung – Arbeit für Millionen statt Profit
für Millionäre.“ Anmelder ist Patrick
Wieschke vom NPD-Landesverband
Thüringen.
Schließlich hat Stefan Köster vom
NPD-Parteivorstand für den 2. Juni im
Namen des NPD-Landesverbandes
Mecklenburg-Vorpommern eine De-
monstration in Schwerin angemeldet.
Die Demo mit erwarteten ca. 1500 Teil- Schüler gegen „Pro Köln“
nehmern steht unter der Losung „Nein
zum G8-Gipfel! Für eine Welt freier Völ-
ker.“
In Internetforen würden Neonazis au-
ßerdem diskutieren, ob sie sich – statt an
der NPD-Demonstration am 2. Juni in
Schwerin – an Aktionen von Linken ge-
gen den G8-Gipfel beteiligen sollten.
Dabei würden sowohl „Deals“ mit Lin-
ken, die im Rahmen einer Querfrontstra-
tegie auf eine Kooperation in diesem
Einzelfall abzielten, als auch das ver-
deckte Einsickern in linke Veranstaltun-
gen thematisiert. Zudem diskutierten Ak-
tivisten der neonazistischen „Freien Ka-
meradschaften“ im Internet unter der Pa-
role, „G8 2007 rocken!“, wie sie den G8-
Gipfel zerschlagen oder wenigstens be-
hindern könnten.
Die Organisatoren der rechtsextremen
Proteste präsentierten sich in erster Linie
als Gegner der Globalisierung und „der Ein voller Erfolg – rund1800 Schülerinnen und Schüler nahmen an der Demonstrati-
aus ihrer Sicht vermeintlich negativen on des Bündnisses „Schüler gegen rechts“ am 3. März teil, zogen trotz strömendem
Regen durch die Kölner Innenstadt. Die Demonstration soll Auftakt zu weiteren Aktio-
Auswirkungen für die nationale Identität
nen sein, so die BezirksschülerInnenvertretung Köln. www.sgr-demo.de ■
und das deutsche Volk“, heißt es in der
Antwort der Bundesregierung. Zudem
übten sie Kritik am System der freien
Marktwirtschaft, die sie als asozial
brandmarkten. Die NPD im Speziellen
geriere sich im Vorfeld des G8-Gipfels
„als Vertreter der sozial benachteiligten
und ordnungsliebenden Deutschen, in-
dem sie u.a. die hohen Kosten des G8-
Gipfels im Angesicht von Hartz IV und
des von ihr behaupteten wirtschaftlichen
Niedergangs in Teilen der Bundesrepu-
blik anprangert oder in Szenarien das
Bild von vandalierenden, außer Kontrol-
le geratenen Linken zeichnet.“
Die Frankfurter Allgemeine Sonntags-
zeitung hatte am 24. Dezember 2006 be-
richtet: Ein Hauptmann der Bundeswehr,
einsatzerprobt in Afghanistan, werde
derzeit von der NPD in Dresden ge-
schult, um die rechtsextremen Protestak-
tionen gegen den G-8-Gipfel zu koordi-
nieren. Auf Frage, welche Erkenntnisse
zu diesem Hauptmann vorlägen, ob er Fotos: www.arbeiterfotografie.com

: antifaschistische nachrichten 5-2007 3


noch im aktiven Dienst der Bundeswehr Arbeitskreises, der von der Bun-
oder Reservist sei und welche diszipli- desverwaltung mit erforderli-
narrechtlichen Schritte wegen seines En- chen Ressourcen unterstützt
gagements in rechtsextremen Kreisen werden soll. Der Arbeitskreis
eingeleitet oder geplant seien, heißt es in soll dabei jedoch keine Doppel-
der Antwort der Bundesregierung ledig- struktur zu den bereits bestehen-
lich: „Die Bundesregierung nimmt keine den Arbeitskreisen im Bereich
Stellung zu Sachverhalten, die Gegen- Migration sein, wie einstimmig
stand laufender Ermittlungen sind.“ betont wurde, sondern in Zu-
Di., 13.2.2007, PM Ulla Jelpke ■ sammenarbeit mit diesen eine
notwendige Ergänzung darstel-
Trotz Gedenktag – Naziauf- Die Kampagne len.
fand auch beachtli- Kontakt: Bundesverwaltung Res-
marsch che Zustimmung bei sort 1, Politik und Planung
Frankfurt/Oder. Den Neofaschisten Teilnehmern der Ge- Quelle: Aktiv + Gleichberechtigt 2-
um Holger Apfel (NPD) wurde am 27. denkveranstaltung für 07 ■
Januar, dem Gedenktag für die Opfer des die Opfer des Nationalsozia-
Nationalsozialismus, dem Internationa- lismus am Nachmittag im Frankfurter Bündnis gegen neue Nazi-
len Gedenktag an den Holocaust, der Rathaus. Es wurden am 27. Januar insge-
Weg durch Frankfurt (Oder) von der Po- samt 464 Unterschriften gesammelt. Hochburgen in Soltau-Fal-
lizei freigemacht.. In großer Zahl bekun- Gerhard Hoffmann lingbostel und Umgebung
deten die Bürgerinnen und Bürger der www.npd-verbot-jetzt.de ■ Seit der Existenz des Nazi-Zentrums
Stadt, dass sie die Neofaschisten nicht Heisenhof in Dörverden haben Aktivitä-
wollen, nirgendwo. Eine „Meile der De- Gemeinsam gegen Rechts: ten, Anhangbildung und Einfluss von
Nazis auf Jugendliche im Raum zwi-
ver.di führt Aktivitäten zu- schen Verden - Nienburg - Walsrode -
sammen Celle - Soltau - Stade - Rotenburg stark
Berlin. „Es gibt zahlreiche und vielfäl- zugenommen. In vielen Orten sind Ka-
tige Aktivitäten von ver.di gegen Rechts- meradschaften, Parteizellen, lockere
extremismus und Rassismus. Wichtig ist Gruppen entstanden. Selbst in Kleinstäd-
es nun, diese miteinander zu vernetzen ten wie Rethem oder Visselhövede ist
und den Erfahrungsaustausch der Akteu- das zu spüren.
re untereinander zu fördern“ – das ist das Im Bündnis mit vielen Gruppen, Ge-
Ergebnis eines Workshops Ende letzten werkschaften, Parteien laden wir aus ak-
Jahres in der ver.di Bundesverwaltung. tuellen Anlässen zu 2 Veranstaltungen
Die Veranstaltung fand großen Zu- ein:
spruch – über 60 Delegierte aus den Be- 1. Information über die Nazi-Szene vor
zirken und Landesbezirken waren ange- Ort und in der Umgebung, ihre Aktio-
reist. Die Autoren der Studie „Gewerk- nen, Inhalte, Vernetzung usw. André
schaften und Rechtsextremismus“ stell- Aden, freier Journalist, hält einen Vor-
ten nochmals die Ergebnisse ihrer Unter- trag mit vielen Fotos, Freitag 9.3.07
suchung vor und formulierten erste 19 Uhr Soltau,“Roter Bahnhof“ im
Handlungsempfehlungen für eine ge- Bahnhof
werkschaftliche Praxis. Die Gewerk- 2. Information über den „Bund für Gott-
schaften müssten den „Kampf um die erkenntnis (Ludendorffer)“ mit dem
Köpfe“ ernster nehmen, die Partizipation Journalisten Andreas Speit (taz etc.)
ihrer Mitglieder fördern, und gegenüber und Pastor Jürgen Schnare, Weltan-
rechtspopulistischen Deutungen und schauungsbeauftragter der Ev. Lan-
Stammtischparolen noch deutlicher Stel- deskirche, Donnerstag 15.3.07 19 Uhr
lung beziehen. Dorfmark, Nutzung des Evangel. Ge-
mokraten“ setzte Farben gegen das ein- Im Mittelpunkt des Workshops stan- meindehauses ist angefragt, Raum bit-
fältig Braune. Vom Bund der Antifa- den jedoch die vielen Kurzberichte aus te erfragen bei Tel. 05163-2900120
schisten Frankfurt (Oder) wurde die den unterschiedlichen Gliederungen und Seit Jahrzehnten halten die Ludendorffer
Meile genutzt, das Anliegen der Kampa- Regionen, die einen ersten bunten Über- in Dorfmarker Hotels und Pensionen ihre
gne „nonpd“ den Menschen nahe zu blick über bestehende Projekte gaben. Ostertagung ab. Darunter sind viele Kin-
bringen. Mit ihrer Unterschrift bekunde- Diese reichten von der Antirassismus- der und Jugendliche sowie bekannte Na-
ten Bürgerinnen und Bürger noch unter Konferenz der ver.di Jugend über Bünd- zigrößen (2006 u.a. Steffen Hupka). Der
dem Eindruck des frechen und anmaßen- nisarbeit, Demonstrationen, Vorträge, germanengläubige „Bund für Gotter-
den Auftretens der Neofaschisten, dass Lesereihen, Postkarten bis hin zu Ge- kenntnis“ unterteilt Menschen in „Licht-
sie ein Verbot der NPD unterstützen. Zu denkstättenfahrten und betrieblichen und Schattenrassen“ und propagiert das
den Unterzeichnern gehören Landtags- Workshops für Auszubildende. Auch der „Recht des Stärkeren“. Vor Ort gibt es
abgeordnete und führende Kommunal- Kumpelverein, der in etlichen Punkten Mitglieder und gute Verbindungen zu
politiker und Stadtverordnete ebenso, eng mit ver.di zusammenarbeitet, stellte Honoratioren. H-D Charly Braun ■
wie Angehörige der Jüdischen Gemeinde seine Arbeit vor.
zu Frankfurt (Oder), Schülerinnen und Von den Teilnehmenden wurde deut- Le Pens Show in Lille:
Schüler, Studierende, Lehrer, Beamte, lich der Bedarf nach regelmäßigem Aus-
Pfarrer, Arbeitsuchende, Rentnerinnen tausch formuliert. Perspektivisch soll die Mit neuem Wahlprogramm,
und Rentner. Viele von ihnen trugen den Arbeit gegen Rechtsextremismus und ohne Mégret
Button mit dem Logo „nonpd NPD-Ver- Rassismus bei ver.di verstetigt werden Frankreich. Am Wochenende des
bot jetzt“. durch regelmäßige Treffen in Form eines 24./25. Februar hielt Jean-Marie Le Pen

4 : antifaschistische nachrichten 5-2007


vor circa 2.500 Gästen, die sich zuvor na-
mentlich anmelden mussten, seine zweite
Großveranstaltung im diesjährigen Präsi-
Nazidemo in Augsburg
dentschaftswahlkampf ab. Im November Augsburg. Am 24.2. hielten ten, wurden sie bereits von mehr als
war der „Präsidentschaftskonvent“ auf etwa 80 Neonazis eine Gedenkde- 1500 Gegendemonstranten empfangen.
dem ehemaligen Flughafengelände in der monstration zum „alliierten Bom- Roland Wuttkes Rede wurde so laut aus-
Pariser Vorstadt Le Bourget (an dem man benterror“ ab. Hintergrund war die Bom- gepfiffen, dass es selbst für Menschen,
ohne Anmeldung teilnehmen konnte) mit bardierung der Rüstungsstadt Augsburg die ihn hätten hören wollen, unmöglich
circa 5.000 Teilnehmern vorausgegangen. am 24./25. Februar 1944. Gegen den Na- war, etwas zu verstehen.
Dieses Mal fand die Le Pen-Show im ziaufmarsch hatten das Antifaschistische Nach ca. 45 Minuten bewegte sich der
nordfranzösischen Lille statt. In derselben Aktionsbündnis, deren Kundgebung von rechte Zug in Richtung Theater, wo sich
Stadt demonstrierten, am Samstag des o.g. der Stadt aufgrund der Nähe zur Nazi- zwischenzeitlich eine weitere Sitzblo-
Wochenendes, rund 3.000 Menschen ge-
gen die rechtsextreme Veranstaltung.
Anlässlich der Großveranstaltung in
Lille stellte Jean-Marie Le Pen sein dies-
jähriges Wahlprogramm vor. In seiner
Programmrede bemühte er sich, intensiv
wie seit längerem nicht mehr, um soziale
Demagogie. Er grüßte (fast wortgleich
mit einer Formel vom 21. April 2002, an
dem er damals in den zweiten Wahlgang
einzog) „die Kleinen, die Unsichtbaren,
jene ohne Auszeichnung“ und fügte „in
Armut lebende Arbeiter oder Rentner“
hinzu. Er geißelte einen „räuberischen
Kapitalismus“ in Gestalt der „Globalisie-
rung, die unter allen Regierungen be-
schleunigt vorangetrieben wird“. Und er
begrüßte sogar „jene, die in schwerem
Kampf wesentliche Rechte der Arbeiten- Blockade am Jakobsplatz
den den Patrons von Gottes Gnaden abge- Unten: Die Reden der Nazi-Kundgebung
rungen“ haben. gingen im Protestlärm unter
Weniger salbungsvoll und sozialdema-
gogisch fällt das reale Programm aus, das route verboten worden war und später
Le Pen am selben Wochenende vorstellte. auch die Stadt mobil gemacht. Diese
Darin wird unter anderem „die Abschaf- hielt eine Kundgebung auf dem Martin
fung der Zwänge, die auf den Unterneh- Luther Platz ab, auf dem neben Oberbür-
men und insbesondere den mittelständi- germeister Wengert, dem Bundestagsab-
schen Betrieben lasten“ gefordert. Jean- geordneten Paula und der Grünenvorsit-
Marie Le Pen präsentiert sich darin als der zenden Claudia Roth auch ein Redner
Kandidat, der „die Arbeit befreien“ will, des Antifaschistischen Aktionsbündnis
und zwar „vom Etatismus und dem Regle- sprechen sollte.
mentarismus“. Die Arbeit gilt es demnach Im Vorfeld hatte sich eine Initiative ge-
zu „befreien“, nicht den Arbeiter oder die gründet, die zur friedlichen Blockade des
Arbeiterin! Das gesetzliche Mindestalter Naziaufmarsches aufrief. Unterstützt
für die Rente soll von derzeit 60 Jahren wurde der Aufruf von den Grünen, der
auf 65 Jahre angehoben werden, und im PDS und verschiedenen Augsburger Or-
Bildungswesen sollen 20.000 Arbeitsplät- ganisationen. Am Tag der Nazidemo
ze abgeschafft werden (die konservative selbst fanden sich ab 10 Uhr etwa 400
Regierung strich im laufenden Jahr ihrer Menschen auf der Kundgebung am Mar-
5.500). tin Luther Platz ein, von denen viele sich
Bruno Mégret zog es schlussendlich aber relativ schnell auf den Weg Rich- ckade gebildet hatte, die allerdings bis
vor, dieser zweiten Großveranstaltung Le tung Jakobervorstadt machten, wo sich zum Eintreffen der Nazis aufgelöst war.
Pens im Wahlkampf fernzubleiben. Er an der Jakoberkirche eine Sitzblockade Am Königsplatz schließlich endete der
hatte (nach seiner „Aussöhnung“ mit Le bildete, die eine der beiden Straßen, die Marsch, allerdings nicht ohne massiven
Pen, die am 20. Dezember 06 vor den Ka- die Nazis in die Innenstadt führte, blo- Reizgaseinsatz der Polizei.
meras zelebriert wurde) sein Kommen an- ckierte. Leider mangelte es etwas an Ent- Sichtlich enttäuschte und einge-
gekündigt. Einige FN-Kader wie Carl schlossenheit weswegen der Polizei Zeit schüchterte Nazis ließen sich von der Po-
Lang wollten ihn sogar auf der Veranstal- blieb, die Naziroute mit Doppelreihen lizei zum Bahnhof eskortieren; der rech-
tung reden lassen. Aber die „Modernis- USK zu schützen. te Spuk war für diesen Tag vorbei.
ten“ um Marine Le Pen und den ihr nahe Als die Nazis sich dann am Jakobertor Als Fazit bleibt, dass nur aufgrund von
stehenden, jungen FN-Generalsekretär in Bewegung setzten war die Strecke ge- teilweise schikanösem und massivem
Louis Aliot haben es durch ihr systemati- säumt von knapp tausend Menschen, die Vorgehen der Polizei der Naziaufmarsch
sches Mobbing geschafft, ihn erfolgreich lautstark ihren Unmut zum Ausdruck nicht blockiert werden konnte, dass es
fortzuekeln. brachten. Durchbruchsversuche von An- aber trotzdem kein guter Tag für NPD
Die „Wiedervereinigung“ der französi- tifaschisten wurden von der Polizei bru- und Co. in Augsburg war.
schen extremen Rechten scheint nicht tal zurückgeschlagen, wobei es mehr-
wirklich angesagt. mals zu Schlagstockeinsatz kam. Als die nach Berichte aus Augsburg und
BhS, Paris ■ Nazis später den Rathausplatz erreich- Schwaben 5-2007 ■

: antifaschistische nachrichten 5-2007 5


Von den Behörden toleriert: NPD-
Veranstaltung mit rechtsextremem Sänger
Die Vorgänge um das Konzert des VFL Sindelfingen seinen ungestörten Ver- tausend ausländischen Kolleginnen und
Nazibarden Rennicke am 16.2. in lauf. Zum einzigen Zwischenfall kam es Kollegen befindet. Wir nennen das Vor-
der Stadiongaststätte des VFL Sin- gegen 2.30 Uhr, als Teilnehmer des Nazi- schub leisten für die Verbreitung der aus-
delfingen zeigen, wie dringend notwendig faschings von jungen Leuten angegriffen länderfeindlichen und rassistischen Propa-
eine gesellschaftlich und öffentlich ge- wurden. Die Polizei spricht von zwei ganda der NPD.
führte Auseinandersetzung um ein Verbot leicht verletzten Nazis, 7 Personen seien Das Argument mit der Bewaffnung der
der NPD und aller Naziumtriebe ist. festgenommen worden, die bis Samstag- jugendlichen Antifaschisten können wir
Der Landessprecher der Vereinigung vormittag in Haft gehalten wurden. Die nur als fadenscheinigen Vorwand ansehen,
der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Polizei hatte gegenüber der Presse im Ein- um das Verhalten der Staatsorgane zum
Antifaschisten, Reinhard Hildebrandt, vernehmen mit der Staatsanwaltschaft Schutz des Volksverhetzers Rennicke zu
stellt dazu fest: Der eigentliche Skandal Stuttgart bis Montag eine Nachrichten- rechtfertigen. Wir geben zu bedenken:
ist, dass hier Staatsanwaltschaft, Ord- sperre verhängt. Als dann die Presse infor- Dort eine Veranstaltung mit über 200 Teil-
nungsamt und Polizei zusammengearbei- miert wurde, war der Polizei der Hinweis nehmern aus der rechten und faschisti-
tet haben, um die NPD-Veranstaltung ge- besonders wichtig, dass die Nazigegner schen Szene, die für ihre Gewaltbereit-
heim zu halten. Unter ihren Augen und de- mit Steinen, Schlagstöcken und Pfeffer- schaft und massive Gewaltanwendung be-
nen des Verfassungsschutzes kannt ist (nicht zuletzt in der Polizeista-
(VS) wird der NPD und ihren tistik dokumentiert); hier ein Häuflein
Protagonisten ein geschützter von maximal 30 Antifaschisten, die be-
Raum zur Verbreitung ihrer reits vielfach „Erfahrung“ mit brutalen
menschenverachtenden Ideo- Übergriffen der Nazis gemacht haben
logie geboten und damit di- und am eigenen Leib erfahren haben,
rekt Aufbauhilfe für Nazi- dass für sie kein polizeilicher Schutz
strukturen geleistet. Die NPD gilt, im Gegenteil! Soweit ist es gekom-
bedankt sich denn auch artig men, dass Antifaschisten nur noch mit
auf ihrer regionalen Homepa- einer Ausrüstung zum Selbstschutz sich
ge bei der Polizei für das den Nazis entgegen zu stellen wagen.
„Reinigen“ der Stadt von Ze- Wir befürworten keine Gewalt in der
cken und Pöbel. Darunter politischen Auseinandersetzung, aber
verstehen die Nazis u.a. die politisch Verantwortlichen tragen
Linkspartei und SPD. Bild von der Demonstration in Hildesheim am 24.2.2007 durch ihre Blindheit auf dem rechten
Die Fakten: Seit Wochen Auge selbst maßgeblich dazu bei, dass
warb die rechte Szene für einen Auftritt sprays bewaffnet gewesen seien. Das Sin- die Wut unter den Antifaschisten und da-
von Rennicke in Stuttgart. Der genaue Ort delfinger Ordnungsamt ließ erklären, der mit unkalkulierbare Reaktionen wachsen.
seines Auftritts wird aber nicht bekannt Auftritt von Rennicke sei eine „private Die Schlussfolgerung für uns kann nur
gegeben. Wie auch der Polizei bekannt Veranstaltung“ gewesen (StZ Vom sein, Verbot der NPD jetzt und Verbot aller
sein dürfte (nicht zuletzt durch die Viel- 20.2.2007) Wenn wir diese Fakten bewer- Naziumtriebe.
zahl der V-Leute des VS in Naziorganisa- ten, kommt die VVN-BdA zu folgendem Die Auseinandersetzung um ein NPD-
tionen), versuchen die Nazis durch ein Schluss: Verbot wird aufzeigen, wo die politisch
aufwendiges Netz von Schleusern „unlieb- Staatsanwaltschaft Stuttgart, Ordnungs- Verantwortlichen nicht nur im Raum Sin-
same Gäste“ von ihren Veranstaltungen amt Sindelfingen und die Polizei wussten delfingen/Böblingen stehen. Sie wird auch
fern zu halten. An diesen „Schleuserpunk- vom Auftritt von Rennicke und waren be- dazu beitragen, dass die Scheidelinie zwi-
ten“ werden Gäste geprüft und die Logis- müht, einen ungestörten Ablauf der Nazi- schen demokratisch und faschistisch deut-
tik bereitgestellt, um sie an den geheim ge- veranstaltung zu gewährleisten. licher gezogen wird, dass links nicht
haltenen Veranstaltungsort zu bringen. Der Pächter der Stadiongaststätte des gleich rechts ist, dass das Engagement zur
Auf der am 16.2. u.a. von Solid, Jusos VFL Sindelfingen hat den Nazis seine Verteidigung von sozialen Rechten etwas
und Antifaschistischem Aktionsbündnis Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt anderes ist als die Abschaffung von De-
abgehaltenen Kundgebung in Stuttgart si- und sie bewirtet. Falls er getäuscht worden mokratie, dass Widerstand gegen die Nazi-
ckerte durch, dass Rennicke wohl im war, hätte er beim Auftreten von Rennicke ideologie und gegen den Aufbau der sie
Raum Sindelfingen/Böblingen auftreten und dem „Publikum“ die zahlreich vor- tragenden organisatorischen Strukturen
werde. Daraufhin machten sich einige handene Polizei zu Hilfe rufen können, um notwendig und gerechtfertigt ist, um nicht
Teilnehmerinnen und Teilnehmer der die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen nur aus den leidvollen Erfahrungen der
Kundgebung dorthin auf, um ihren Protest zustande gekommene Veranstaltung auflö- deutschen Geschichte zu lernen, sondern
gegen ein Auftreten des als solchen verur- sen zu lassen. aktuell der Ausbreitung von Resignation,
teilten Volksverhetzers Rennicke anzumel- Während die Polizei für ein ungetrübtes Politikverdrossenheit und Indifferenz ent-
den. An der S-Bahnhaltestelle Goldberg braunes Faschingstreiben sorgte, hinderte gegen zu wirken, die, wie damals, die Vo-
wurden die Protestierenden von einem sie die Antifaschistinnen an der Ausübung raussetzung waren, der Nazibarbarei den
massiven Polizeiaufgebot in Empfang ge- ihres demokratischen Rechts gegen die Weg zu bereiten.
nommen, festgenommen, an Zäune ge- Nazis zu protestieren und zu demonstrie- Presseerklärung der VVN-BdA
stellt, durchsucht und schließlich unter Be- ren. Dies werten wir nicht nur als Amtshil- Baden-Württemberg ■
gleit„schutz“ in den S-Bahnhof gedrängt fe für die V-Leute des VS in der NPD, son-
und Richtung Stuttgart und Herrenberg dern auch als direkte Unterstützung für
verfrachtet. den Aufbau der NPD im Raum Sindelfin-
Derweilen nahm das als Kostümfest ge- gen/Böblingen, in dem sich unter anderem
tarnte Nazikonzert in der weitab von der eines der größten Automobilwerke des
S-Bahn gelegenen Stadiongaststätte des Daimler Chrysler-Konzerns mit mehreren

6 : antifaschistische nachrichten 5-2007


Rechte Denkmalfreunde Protest gegen das
Urteil von Leipzig
in Schwierigkeiten? Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig
hat jetzt entschieden, dass in der Beschäf-
tigung von Zwangsarbeitern sowie von
Hamburg. Die beiden eng verwo- Schwerpunkt deutlich bei der Unterhal- Kriegs- und Strafgefangenen während des
benen, rechtslastigen Vereine tung von Monarchie, Nationalismus, Zweiten Weltkriegs bei „anständiger Be-
„Bund für Denkmalerhaltung e.V.“ Krieg und Kolonialismus verherrlichen- handlung“ noch kein Verstoß gegen die
und „Verein zur Erhaltung des 76er Denk- den Monumenten. Grundsätze der Menschlichkeit oder
mals“ sind anscheinend in finanziellen Statt 400.00 Euro, welche die Vereine Rechtsstaatlichkeit liege und dass darin
Schwierigkeiten. Ende 2006 verstarb der von 1993-2003 für ihre Arbeit ausgegeben auch kein schwerwiegender Missbrauch
langjährige Vorsitzende beider Vereine hatten, befanden sich 2006 nur noch zu- der Stellung oder ein erhebliches Vor-
Hans-Joachim Prahl, der die treibende sammen 4.600 Euro in den Kassen. Die schubleisten zugunsten des nationalsozia-
Kraft war und auf den viele Spender per- Lage wurde so prekär, dass die Kamera- listischen Systems zu sehen sei. Damit
sönlich fixiert waren. Prahl, ehemaliges den, welche sich früher gerne in der wurde begründet, dass die Ausbeuter der
Mitglied einer „Kampfgruppe Wolz“ des Standortkommandantur der Bundeswehr Sklaven des NS-Regimes nicht durch die
Afrikakorps im Zweiten Weltkrieg, war in trafen, ihr Büro jetzt bei der „Landsmann- ostdeutschen und sowjetischen Behörden
der Nachkriegszeit Abgeordneter der schaft der Oberschlesier“ im Haus der hätten enteignet werden dürfen. Die Aus-
CDU gewesen und hatte durch seine gu- Heimat einrichteten. Auch über Vergrei- beuter hätten nunmehr Anspruch auf Ent-
ten Kontakte für ein hohes Spendenauf- sung und Mitgliederschwund gibt es Kla- schädigung, obgleich sie während des
kommen gesorgt. So war der verstorbene gen, politisch blieb man sich jedoch bei Zweiten Weltkrieges auch Zwangsarbeiter
Mäzen Alfred Töpfer Ehrenmitglied des der Wahl der neuen Vorstände treu: sowie Kriegs- und Strafgefangene einge-
76er Vereins und der Immobilienmogul 1. Vorsitzender ist jetzt der Polizeibe- setzt haben. Diese wurden sogar gezwun-
Willi Bartels spendete großzügig für die amte Herbert Schlupp. Stellvertretende gen, für die deutschen Luftwaffe und ge-
unter öffentlichen Protesten 2003 begon- Vorsitzende wurde die Rechtsanwältin gen ihre eigenen Länder Kriegsgerät zu
nene Illumination des Bismarckdenkmals Ulrike Kosin, welche in den 80er Jahren produzieren. Damit sei nicht gegen die
in St. Pauli. zu einer Versammlung der verbotenen Wi- „Grundsätze der Menschlichkeit oder
Über die Feierlichkeit schrieb Hans- king-Jugend in Hamburg einlud, Anfang Rechtsstaatlichkeit verstoßen“ worden.
Joachim Prahl damals auch stolz an die der 90er die NSDAP-verherrlichende Pu- Die VVN-BdA NRW verurteilt den völ-
neofaschistische Nationalzeitung: „Wir blikation „Die Neue Front“ bezog und kerrechtswidrigen, die Verbrechen der
haben die Beleuchtung mit 12 Scheinwer- später noch für die völkische „Junge Frei- Wirtschaft in der NS-Zeit rehabilitieren-
fern durchgeführt und dafür 35.000 Euro heit“ schrieb. Als Beisitzer fingieren u.a. den Spruch des Bundesverwaltungsge-
ausgegeben.“ Die Vereine kümmern sich Christian Brandes und Martin Rosenau richts. Zu Recht stellt die „Süddeutschen
zwar auch um einige wenige antifaschisti- von der berüchtigten „Burschenschaft Zeitung“ am 2.3.07 fest: „... das Urteil
sche Mahnmale und ein paar politisch un- Germania Hamburg“, die 2003 auch für drückt einen Rückschritt in das Denken
verfängliche Monumente, in der Mehrheit Catering und Schutz bei der Illumination der fünfziger Jahre aus, wie man es sich
stammen die Denkmäler jedoch aus vor- des Eisernen Kanzlers sorgte. schlimmer kaum hätte ausmalen können.“
demokratischen Zeiten (Bismarck-Denk- Sollte sich der Abwärtstrend der Vereine Die deutsche Justiz, die weder die Bestra-
mäler, Kaiser-Wilhelm-Denkmal) aus fortsetzen, werden kritische Kommentie- fung der Täter vorgenommen hat, noch die
dem Faschismus (76er Denkmal am rungen und fantasievolle Verzierungen an Entschädigung der Opfer durchsetzte – sie
Dammtor, Askari-Relief der Lettow-Vor- Hamburgs umstrittensten Denkmälern zu- schickt sich an, die Sklavenhalter für ihre
beck-Kaserne) oder es sind umstrittene künftig wohl länger erhalten bleiben. Verbrechen auch noch zu belohnen. Die-
Krieger-Ehrenmähler in verschiedenen erk ■ ses schreiende Unrecht darf nicht hinge-
Stadtteilen. Auch finanziell liegt der nommen werden. Landesausschuss
VVN-BdA NRW, 3. März 2007 ■

NPD - Niedersachsen unterliegt vor OVG Extremismus-Vorwurf


Oldenburg. Das Oberverwal- gegen General a.D. Günzel
tungsgericht Lüneburg hat end- Berlin. Der SPD-Verteidigungsexperte
gültig entschieden, dass der Hans-Peter Bartels hat das Bundesvertei-
NPD-Landesverband Nieder- digungs- und das Bundesinnenmnisterium
sachsen seinen für den 11. März aufgefordert, die Pensionsansprüche des
geplanten Landesparteitag nicht ehemaligen Chefs des Kommandos Spezi-
in den beantragten Räumen des alkräfte (KSK) Reinhard Günzel zu über-
Oldenburger Kulturzentrums prüfen. Grund ist das Buch „Geheime
PFL abhalten kann. Die Stadt Krieger“, in dem Günzel und Wegener die
habe in der Vergangenheit das von ihnen geführten Einheiten in die Tra-
PFL politischen Parteien nicht dition der Wehrmachts-Spezial-Division
für parteiorganisatorische oder „Brandenburg“ stellen. Die „Brandenbur-
parteiinterne Veranstaltungen Kundgebung auf dem Angoulemeplatz am 24.2. ger“ gelten laut Wehrmachtsarchiv als
überlassen, erklärte der OVG-Se- in Hildesheim „Wehrmachtsverband besonderer Art, der
nat. Der NPD-Landesverband bewunderungswürdige Leistungen voll-
könne sich daher nicht mit Erfolg darauf berufen, er müsse mit anderen Parteien bracht“ habe, aber auch als „Terrorver-
gleich behandelt werden. Diese Entscheidung ist unanfechtbar. (Az. 10ME74/07) band“, auf dessen Konto „zweifellos“
Noch (2. März) ist nicht bekannt, auf welche Lokalität die NPD ausweichen Kriegsverbrechen gingen. Zuletzt trat
wird. Das Forum gegen Rechts Oldenburg ist aber auf alle Variationen vorbereitet. Reinhard Günzel beim Neujahrsempfang
d.h. ■ von „Pro Köln“ auf.
Kölner Stadt-Anzeiger 3./4. März 2007 ■

: antifaschistische nachrichten 5-2007 7


Mietek Pemper wurde am 1.
März 2007 mit der Ehrenbürger- Mietek Pempers erfolgreiche
würde der Stadt Augsburg ge-
ehrt. Neben den Alt-Oberbürgermeis-
tern, die halbautomatisch in dieser Wei-
Taktik unter der Naziherrschaft
se ausgezeichnet werden, sind es in den
letzten Jahren insbesondere Antifa-
schisten wie Anni Pröll, Ernst Cramer
und Mietek Pemper, denen diese Wür-
de verliehen wird. Das ist erfreulich, zu-
mal Augsburg bereits 1946 die Ehren-
bürgerschaft Hitlers gelöscht hatte. Ein Auszug aus der berühmten „Schindlers Liste“.
Der Name „Pemper, Mieczislaw“ ist der sechste von unten.
Mietek Pemper wurde am 24. März 1920
im polnischen Krakau geboren und wuchs kann. Pemper ist sich bereits seit der Mietek Pemper in
in einer jüdischen Familie zweisprachig Kriegserklärung Hitlers gegen die der Diskussion mit
deutsch-polnisch auf. Er wurde von März USA am 11.12.1941 sicher, „dass Schülern (2000)
1943 bis September 1944 als Häftling im Hitler keine Chance hatte, den Krieg
Arbeitslager und späteren Konzentrati- zu gewinnen. Er konnte nicht die ganze fort er-
onslager Krakau-Paszów gezwungen, für Welt besiegen. Die Frage war nur, ob wir schossen,
den Lagerkommandanten Amon Göth als bis zu dieser Niederlage nicht schon alle hätte er damals auch nur das geringste da-
Sekretär zu arbeiten. Göth ermordete oft vernichtet sein würden“ (S. 77). von geahnt“ (S. 244-5).
ohne jeden Anlass Häftlinge persönlich Von „kriegswichtig“ zu „sieg- Pemper ist der wichtigste Belastungs-
und ließ anschließend ihre Familienange- entscheidend“ zeuge – mit einer unwiderleglichen Ge-
hörigen töten, damit keine Zeugen über- nauigkeit der Erinnerung und ohne einen
lebten. „Ich möchte keine Unzufriedenen Ab Herbst 1943 reicht es nicht aus, in Schatten von Kompromittierung, die ihn
im Lager haben“, so Göths zynische Be- „kriegswichtigen“ Betrieben zu arbeiten. im Prozess erpressbar gemacht hätte.
gründung (Mietek Pemper, „Der rettende Das neue Schlüsselwort der Nazis heißt War es moralisch vertretbar, Granaten-
Weg: Schindlers Liste – Die wahre Ge- „siegentscheidend“ (S. 95), und Pemper teile für Hitlers Krieg herzustellen? „Erst
schichte“, 2005, S. 75; alle folgenden Zi- kann den Fabrikanten Oskar Schindler nach dem Krieg hörte ich, dass Schindler
tate aus diesem Buch). dazu überreden, von der Produktion von die Maschinen zur Produktion der Grana-
Ausgangspunkt von Pempers Schilde- Textilien zu Granatenteilen überzugehen. tenteile von Zeit zu Zeit bewusst hatte
rung ist die Überlegung, wie Widerstand Nur dadurch kann die Auflösung der Fir- falsch kalibrieren lassen. Wir haben mit
gegen einen so überlegenen Feind wie die ma und damit die Vernichtung der dort ar- unserer ‚Rüstungsproduktion’ wohl kaum
deutsche NS-Herrschaft in Polen möglich beitenden Juden verhindert werden. zur Weiterführung des Krieges beigetra-
wäre. „Eines war mir stets klar: Ich wollte Über die Person von Schindler schreibt gen“ (S. 222).
Menschenleben bewahren, ohne zur Waf- Pemper: „Vielleicht war es dem Einfluss In einer Zusammenfassung der Erfah-
fe greifen zu müssen“ (S. 10). seiner religiösen Erziehung, vielleicht der rungen, die Pemper bei zahlreichen Dis-
Pempers Taktik geht dahin, sich für die Erfahrung mit jüdischen Jugendfreunden kussionen in Schulen machte, sagt er: „Es
Nazis unentbehrlich zu machen, ohne sich aus der Nachbarschaft zu verdanken, dass gibt eben häufig auch in den scheinbar
dabei zu kompromittieren. Ab Sommer er ein anderes Verhältnis zu uns geschun- ausweglosen Situationen eine – oft genug
1941 arbeitet er für den Judenrat in Kra- denen Kreaturen bekam. Jedenfalls sah nur minimale – Wahlmöglichkeit, die ver-
kau und „konnte so die deutsche Besat- ich im Sommer 1943 in Schindler den ret- antwortungsvoll genutzt sein will, auch
zungspolitik aus nächster Nähe verfolgen. tenden Weg, nach dem ich seit Kriegsbe- wenn man zunächst glaubt, es spiele für
Ich sagte mir schon damals: Wenn Juden ginn gesucht hatte. Mit seiner Hilfe, dach- das Ergebnis keine Rolle. Stets wird es
sich überhaupt unentbehrlich machen te ich, müsste man versuchen, unsere Ret- ganz still im Klassenzimmer, wenn ich
können, dann nur in größeren Städten – tung zu organisieren. Niemand außer betone, man solle Menschen danach ein-
eine Überlegung, die sich als richtig er- Schindler zeigte Interesse an unserem schätzen, wie sie sich in schwierigen Le-
wiesen hat“ (S. 45). Schicksal. Sein Mut gab mir das Vertrau- benssituationen verhalten, ob sie sich für
Sehr bewegend ist, wie der junge Pem- en in die Menschheit zurück. Wenn ich andere einsetzen, anderen helfen oder
per in seinem politischen Handeln immer ihn im Lager traf, wusste ich, es gibt eine nicht. Zweifellos spüren die Schüler:
wieder Kraft in lateinischen Zitaten fin- andere Welt, für die es sich lohnt zu le- Wenn ich von politischer Beeinflussung,
det, die er aus der Schule kennt, etwa Ver- ben“ (S. 103). Manipulation oder gar Propaganda spre-
gil, „Rerum cognoscere causas“, „man Pemper ist sich sicher, dass Göth ihn che, ist nicht nur von damals die Rede.
muss die Gründe der Dinge erkennen“ (S. früher oder später erschießen wird. Aber Für unsere Demokratie sind produktives
49). Es gelingt ihm, auch seine Eltern und Göth wird schließlich wegen Bereiche- Querdenken, Selbstbestimmung und kriti-
seinen jüngeren Bruder ins Ghetto zu rung in großem Stil von SS-Leuten ange- sche Reflexion unverzichtbar … Die
bringen und ihnen Arbeit in einem zeigt und verhaftet. Der Prozess wegen Menschen werden sich erst dann höher
„kriegswichtigen“ Betrieb zu verschaffen Verbrechen gegen die Menschlichkeit entwickeln, wenn das Prinzip der indivi-
(S. 50). wird Göth nach dem Krieg in Polen ge- duellen Verantwortung Schule macht,
Im Februar 1943 sieht er erstmals macht: Ihm wird die Ermordung von 8000 wenn Nicht-Mitmachen zu einer Tugend
Amon Göth, ein hünenhafter Mann von Menschen im Lager P?aszów zur Last ge- wird und blinder Gehorsam an Wertigkeit
fast 2 m Größe (S. 56). Der schmächtige legt. „Im Lager hatte er ein derartiges verliert“ (S. 264-6).
Pemper hatte offensichtlich körperlich Schreckensregiment geführt, dass es ihm Sein Schlusswort lautet: „Contra spem
keine Chance gegen Göth, und es kommt niemals in den Sinn gekommen wäre, je- spero. Entgegen der Hoffnung hoffe ich“
zum klassischen Irrtum des Vertreters der mand könnte es wagen – gar ein jüdischer (S. 268).
Unterdrücker, den Einfallsreichtum der Häftling! –, hinter seinem Rücken die ge-
Unterdrückten zu unterschätzen. Göth heime Lagerkorrespondenz, die an ihn ge- Mietek Pemper, „Der rettende Weg: Schindlers
macht Pemper zu seinem Sekretär, weil richteten Fernschreiben und die amtlichen Liste – Die wahre Geschichte“, Hoffmann und
Campe 2005, 21,- Euro
der Kurzschrift, Deutsch und Polnisch Aktennotizen zu lesen. Er hätte mich so-

8 : antifaschistische nachrichten 5-2007


Alle (Präsidentschafts-)Wahljahre
wieder, geht das gleiche Theater Le Pen vor den Wahlen: Hätten
wieder los. Ähnlich wie im Frühjahr
2002, hat Jean-Marie Le Pen auch in die- Sie mal ’ne Unterschrift, bitte?
sem Jahr wieder Schwierigkeiten, die zu bei der konservativen Regierungspartei, Am vergangenen Freitag bezeichnete
einer Kandidatur erforderlichen Unter- unter dem Titel: „Die UMP weiß nicht, Le Pen den nationalkonservativen Grafen
schriften zusammenzubringen. Um zur wie sie Le Pen helfen soll.“ Bisher hat die offen als den „schwarzen Baron“. Zudem
Präsidentschaftswahl antreten zu können, Partei jedenfalls kategorisch ausgeschlos- attackierte Le Pen Unbekannte, die sich
benötigt ein/e Bewerber/in mindestens sen, Jean-Marie Le Pen eventuelle Gefäl- als Journalisten von Regionalzeitungen
500 Unterstützungsunterschriften von ligkeitsunterschriften von Bürgermeistern ausgäben, um die Bürgermeister vor einer
Bürgermeistern, Bezirks-, Regional-, na- aus ihrem Umfeld zukommen zu lassen: Unterschrift für ihn zu warnen. In den ers-
tionalen oder Europaparlamentariern. Seit Er möge sich schon alleine abstrampeln. ten Märztagen hat Jean-Marie Le Pen
der Spaltung des Front National (FN) Gleichzeitig berufen sich konservative Po- Strafanzeige gegen de Villiers sowie 15 bis
1999, die die Partei damals die Hälfte ihrer litiker darauf, es sei eine „demokratische 20 Strafanträge gegen Unbekannt gestellt.
zuvor ca. 300 Mandatsträger kostete, und Anormalität“, wenn ein Kandidat, der Handelt es sich am Ende nur um Thea-
später infolge der Wahlrechtsreform von schon einmal (2002) bis in die Stichwahl ter, das Le Pen dazu dient, von sich reden
2003/04 verfügt die Le Pen-Formation vorgedrungen war, nicht an der Wahl teil- zu machen (eine Wirkung, die er 2002 mit
heute über weniger Regionalparlamenta- nehmen könnte. Tatsächlich würde es seinen Unterschriftproblemen erfolgreich
rier als früher. Bürgermeister und Bezirks- kaum legitim wirken, wenn ein Kandidat erzielte)? Man könnte es bisweilen bei-
parlamentarier weist sie aufgrund des, für wie Le Pen allein aufgrund der Nichterfül- nahe glauben, aber einige Fakten sprechen
ihre Bestimmung geltenden, Mehrheits- lung einer administrativen Vorschrift – die dagegen. So wurde Le Pens oberster Wahl-
wahlrechts ohnehin nur in geringer Zahl noch dazu wirklich einen undemokrati- beauftragter Fernand de Rachinel vorige
bis gar keine auf. Auf einer Pressekonfe- schen „Filter“ darstellt – von der Wahl Woche dabei ertappt, wie er die Unterstüt-
renz am 1. März erklärte Jean-Marie Le ausgeschlossen bliebe. Auch wenn man zungsunterschriften von Bürgermeistern
Pen, ihm fehlten derzeit noch gut 100 Un- für ein Verbot der rechtsextremen Partei mit Geld zu erkaufen versuchte. Der Bür-
terstützungsunterschriften, um antreten zu aus politischen, inhaltlichen Gründen ein- germeister einer Kommune mit 530 Ein-
können. Vor kurzem hatte seine Umge- treten würde, könnte man doch einen tech- wohnern am Ärmelkanal erklärte in ,Le
bung noch getönt, der FN-Chef sei inzwi- nisch-administrativen Ausschluss aus o.g. Parisien‘ vom 1. März, er habe von Le
schen bei 450 Unterschriften angekom- Grund für eine schlechte Sache halten. Pens Emissär Fernard de Rachinel einen
men – aber anscheinend sind einige der Inzwischen hat die „rechte Hand“ von Scheck in Höhe von 1.000 Euro erhalten;
Bürgermeister, die ihm zuvor ihre „Paten- UMP-Chef Nicolas Sarkozy, sein Berater und fügte hinzu, im Vorfeld der Wahl von
schaft“ (so der offizielle Titel) versprochen im Innenministerium Brice Hortefeux, ein 2002 habe er für Le Pen unterschrieben
hatten, doch noch abgesprungen. öffentliches Signal ausgesandt, das Le Pen und im Gegenzug (ungebeten) einen
Seit Ende Februar wurde den Mandats- vielleicht nutzen könnte. Er betonte in der Scheck “für unser Veranstaltungskomitee”
trägern, bei denen die Kandidaten in den Presse, eine Unterstützungsunterschrift über circa 750 Euro – damals noch in fran-
vergangenen Monaten Vorab-Verspre- (die oftmals v.a. zugunsten des politischen zösischen Francs ausgestellt – bekommen.
chungen gesammelt hatten, das offizielle Pluralismus abgegeben wird) sei „nicht Dieses Mal wolle er aber nicht mehr unter-
Formular durch die Behörden zugestellt. gleichbedeutend mit einer Unterstützung zeichnen, dennoch sei ihm ungefragt ein
Bis zum Freitag, 16. März haben sie nun für den jeweiligen Kandidaten“. Jean-Ma- Scheck ins Haus geflattert. De Rachinel
Zeit, um ihre Unterschrift beim Verfas- rie Le Pen beruft sich nun auf diese Aussa- hat inzwischen bestätigt, den Scheck –
sungsgericht (Conseil constitutionnel) ein- ge, um seinerseits zögernde Bürgermeister welchen der Bürgermeister (Roger Leche-
zureichen. Danach wird sich definitiv ent- mit dem Argument zu überzeugen, sie un- valier) ihm per Post zurückgeschickt hat –
scheiden, wer zur Wahl antreten kann. terstützten nur seine Möglichkeit zu kandi- wirklich ausgestellt zu haben, behauptet
Und wer nicht! dieren, aber keinesfalls seine Inhalte oder jedoch, dies habe „mit den Wahlen gar
In den Reihen der konservativen Regie- sein Programm. nichts zu tun“. Eine platte Entschuldigung,
rungspartei UMP beginnt sich Unruhe da- Unterdessen beschuldigt Jean-Marie Le die kaum als glaubwürdig durchgehen
rüber auszubreiten, was passiert, falls Le Pen seinen Rivalen auf der politischen dürfte. Wenn Le Pen und seine Berater sol-
Pen je aus Mangel an Unterstützungsun- Rechten, den rechtskatholischen Grafen che Risiken eingehen, um an die begehrten
terschriften nicht antreten könnte. Denn Philippe de Villiers, an seinem Ungemach Unterschriften heranzukommen, spricht
für diesen Fall befürchten sie, dass Le Pen Schuld zu tragen. Er und seine Leute ver- dies nicht dafür, dass ihre Schwierigkeiten
sich (u.U. sogar durch einen zynischen suchten, die Bürgermeister zu beeinflus- nur ein inszeniertes Theater darstellen.
Wahlaufruf für die Linksopposition, „um sen, damit sie nicht für ihn (Le Pen) unter- BhS, Paris
richtig Chaos zu stiften“) an den jetzt Re- schrieben.
gierenden „rächen“ könnte. Damit hat er
die UMP bereits bedroht, begleitet von der Keine Tornados nach Afghanistan – Schluss
Forderung, die Regierung solle die Ano-
mymität der Unterstützungsunterschriften mit den Bundeswehr-Auslandseinsätzen
anordnen. Letztere werden bisher (durch Wuppertal. Mit einem Brief hat sich der Landesausschuss der VVN NRW an die
Veröffentlichung der ersten 500 im Amts- Bundestagsabgeordneten gewandt. Darin heißt es: In wenigen Tagen soll eine Mehr-
blatt bzw. Gesetzesanzeiger, sowie durch heit im Deutschen Bundestag die Entsendung deutscher Tornados nach Süd-Afgha-
Aushang sämtlicher „Wahlpaten“ in den nistan beschließen. 77 % der Deutschen lehnen dies ab (Forsa). Denn mit dieser Ent-
Räumen des Verfassungsgerichts) publik scheidung überschreitet die Bundesrepublik eine weitere Grenze. Der Tornado-Ein-
gemacht. So mancher Bürgermeister einer satz wird die Bundeswehr noch mehr in den US-„Krieg gegen den Terror“ verstri-
kleinen Kommune, der 2008 gern wieder- cken. Wohin dieser führt, sieht man im Irak, im Süden Afghanistans und – die Gefahr
gewählt werden möchte, dürfte aus diesem wird immer größer – bald im Iran. Längst ist doch deutlich geworden, dass mit Krieg
Grunde zögern, bevor er bei Le Pen unter- und gewaltsamer Unterdrückung in der Welt nur noch mehr Hass und Gewalt gesät
schreibt. wird. Wir protestieren gegen diese Kriegspolitik! Wir appellieren an alle Bundes-
In ihrer Wochenendausgabe vom 3./4. tagsabgeordneten, das Hineinschlittern in den großen Krieg zu stoppen. Schluss mit
März berichtet die linksliberale Tageszei- allen deutschen militärischen Auslandseinsätzen.
tung ,Libération‘ über die Beunruhigung Landesausschuss der VVN-BdA NRW, vvn-bdanrw@freenet.de ■

: antifaschistische nachrichten 5-2007 9


Von wem stammt diese irre anmu-
tende Formulierung, ausgesprochen
Jean-Marie Le Pen auf der Suche
bei einer Pressekonferenz am 6.
Februar 2007: „Würde er heute leben, dann
nach dem „revolutionären Votum“
würde Karl Marx dazu aufrufen, Le Pen zu
wählen.“ Nun, versuchen wir zu raten:
(für ihn)
Horst Mahler? Nein, falsch getippt. Das durch eine subproletarische und multinatio- aufgefallen war. Am Anfang motivierte ihn
wäre ihm zwar zuzutrauen, aber der ehema- nale Bevölkerung geführt. Faktoren wie die dabei vor allem eine Form von „Opferkon-
lige 68er setzt eher auf die deutsche NPD. Veränderung der Arbeitsverhältnisse selbst kurrenz“ – durch die Erinnerung an die
Vorlieben für die französische Politik sind blendet Soral dabei völlig aus. Ebenso wie Shoah monopolisierten die Juden den Op-
bei ihm zur Stunde nicht bekannt, und die Tatsache, dass auch zu Zeiten rauchen- ferstatus, und angeblich deshalb schweige
Sympathiewerbung im Ausland hat er bis- der Fabrikschlote in den Banlieues -– die man zu den Verbrechen der Sklaverei und
her eher in Teheran als in Paris probiert. damals noch Arbeitervorstädte und von In- des Kolonialismus. Nachdem Dieudonné
Noch ein Versuch: Justus Wertmüller? dustrieansiedlungen geprägt waren -– de- jedoch wegen seiner Ausfälle unter Druck
Auch daneben. Der Ideologe der neokon- ren Bevölkerung bereits zu einem Gutteil geraten war, hat er sich seither in ein para-
servativ-antitotalitären und verschrobenen aus Einwanderern bestand. noides antisemitisches Weltbild hineinzu-
Sekte der „Bahamas“ (Kernstück der so ge- Neben der Einwanderung als angebliche steigern begonnen: Aufgrund einer Art Ver-
nannten „Antideutschen“, aus den Trüm- Ursache des Niedergangs für den Partei- schwörung würde er in den Medien zum
mern der westdeutschen Linken der 80er kommunismus bekämpft Soral vor allem Schweigen gebracht. Seit einem halben
Jahre hervorgegangen) attestierte zwar die „Feminisierung“ der Gesellschaft, die Jahr hat Dieudonné sich jetzt offen an Le
Jean-Marie Le Pen in einem Artikel von er in seinem zweiten zentralen Buch als Pen angenähert. Die Grundlage dafür ist
2003 „vernünftige Einwände gegen die un- „antidemokratisches Komplott“ darzulegen eine Mischung aus punktueller ideologi-
gebremste Islamisierung“ französischer versucht. Alles in allem verkörpert Soral scher Gemeinsamkeit, einem Gefühl der
Unterschichtsviertel. Auch hielt er ihm zu- die Gedankenwelt einer politisch desorien- „Solidarität unter Verfolgten und Verfem-
gute, so wörtlich, eine „Kritik an einer irre tierten Fraktion der Arbeiterschaft, die ten“ – die Dieudonné ausgerufen hat –,
gewordenen Gesellschaft“ vorgetragen zu durch die gesellschaftlichen Veränderungen Lust an der Provokation und Sucht nach
haben, wenngleich „auf widerwärtigem Ni- der letzten 15 Jahre völlig in die Defensive Publicity. Jean-Marie Le Pen ist zurückhal-
veau“. (Also merke: Das Irresein liegt bei geraten ist. Und die sich sowohl aufgrund tender bei der Annäherung als Dieudonné,
der Gesellschaft, die Kritik daran bei Le des Wegfalls sozialer Garantien und auf- da Teile seiner Basis ihm gemeinsame Fo-
Pen, nur über Geschmack und Niveau lässt grund der neoliberalen Umwälzungen, als tos mit dem Schwarzen, früheren Le Pen-
sich streiten; Quelle: „Bahamas“ Nr. 42.) auch aufgrund gesellschaftlicher Moderni- Gegner und ehemaligen Antirassisten übel
Allerdings hat der sich selbst immer noch sierungserscheinungen (Selbstbewusstsein nehmen könnten.
missbräuchlich „Kommunist“ schimpfende der aufwachsenden zweiten bzw. dritten Dieudonné dürfte zwar heute nur bei ei-
Herr, bislang noch nicht die Idee gehabt, Immigrantengeneration und der jungen nem sehr geringen Teil der zwei Millionen
Karl Marx mit Jean-Marie Le Pen in Ver- Frauen u.ä.) nicht mehr zurecht findet, son- französischen Staatsbürger, die schwarzer
bindung zu bringen. dern mit dem Rücken an der Wand wähnt. Hautfarbe sind, Anklang finden. Aber er
Aber nicht nur die deutsche Ex-Linke Der Wegfall traditioneller Industriearbeiter- trägt dazu bei, in migrantischen und sozial
hat ihre Monster. Auch einige französische tätigkeiten in der Produktion und der Platz marginalisierten Bevölkerungsteilen politi-
frühere Linke drehen ordentlich am Rad. der Frauen in der Arbeitswelt hindern die- sche Verwirrung zu stiften.
Und mit diesen Worten wäre er auch schon sen Typus von „Proleten“ daran, ihren an „Kandidat aller Unzufriedenen“
treffend eingeführt: Alain Soral. Muskelkraft und „Arbeitsethos“ gekoppel-
Alain Soral, ein politischer Geister- ten Produzentenstolz auszuleben. Auf Anraten von Alain Soral hin umwirbt
fahrer an der Seite Le Pens Für jenen Teil der Arbeiterschaft, der sei- Le Pen nun das „revolutionäre Votum“ in
nen eigenen Platz in der Gesellschaft vor den Sozialghettos der französischen Ban-
Schon seit anderthalb Jahren werden die Le allem darüber (statt über kollektive Solida- lieues. Da sich beobachten lässt, dass die
Pens – der bald 79-jährige Vater ebenso wie rität, die aus der Stellung im Produktions- Frustration gegen Polizeigewalt und rassis-
Marine, die 38-jährige Tochter und mögli- prozess erwuchs) definierte, muss dies in tische Diskriminierungspraxis sich stark
che Nachfolgerin an der Parteispitze – von der Tat verwirrend und niederschmetternd personifiziert auf den konservativen Kandi-
einem skandalumwitterten Schriftsteller wirken. Bei einem Typen wie Soral, der daten und Innenminister Sarkozy fokussiert
namens Alain Soral beraten. Anfang Febru- auch eine „Soziologie des Anbaggerns“ hat, versucht Le Pen sich seinerseits als den
ar 2007 ist er nun hochoffiziell ihrem Wahl- (Sociologie du dragueur) verfasst hat, kön- „Kandidaten aller Unzufriedenen“ anzubie-
kampfstab beigetreten. Der Romancier, nen daraus Kastrationsängste, eine Form dern – und zwar inzwischen auch den
Jahrgang 1958, der vor allem durch seine von Sozialneid gegen Einwanderer mit an- Franzosen migrantischer Herkunft. Das ist
antifeministischen, provokatorischen und derem kulturellem Background und sonsti- zwar insofern total widersprüchlich, da das
teilweise pornographischen Schriften auf- ge Komplexe emporwachsen. am Wochenende des 24./25. Februar publi-
fiel, gehörte bis in die frühen neunziger Das „missing link“ zwischen zierte Wahlprogramm Le Pens weiterhin
Jahre der französischen KP an. 1993 trat er Dieudonné und Le Pen die „Kosten der Einwanderung“ für alle so-
aus der Partei aus. Danach ging er auf Ab- zialen Probleme verantwortlich macht, eine
stand zur Linken, die in seinen Augen nicht Jetzt betreibt Soral also Wahlkampf für Le „Umkehrung der Migrationsströme“ – von
mehr glaubwürdig den Wunsch nach radi- Pen. Der Schriftsteller hat sich bereits in Frankreich weg, in Richtung Rückkehr in
kaler sozialer Veränderung verkörpern den letzten anderthalb Jahren als Binde- die Herkunftsländer – propagiert und zu-
konnte. Den Niedergang der KP vor allem glied zwischen dem ebenfalls ex-linken dem alle unbefristeten in befristete Aufent-
in den Banlieues beschrieb er in einem Theatermacher Dieudonné M’bala – der haltsgenehmigungen verwandeln möchte.
2002 erschienenen Buch (Jusqu’où on va unter seinem Vor- und Künstlernamen be- Zudem sollen sowohl migrantische Lohn-
descendre. Abécédaire de la bêtise ambian- kannt und persönlich mit Alain Soral be- abhängige als auch ihre Arbeitgeber erhöh-
te, also „Bis wohin wir herabsinken wer- freundet ist – und Jean-Marie Le Pen betä- te Sozialbeiträge abführen und Sozialwoh-
den. ABC der umgebenden Dummheit“) tigt. Der schwarze Franzose Dieudonné hat nungen künftig nur für französische Staats-
und führte ihn dabei vor allem auf die Im- sich seit circa 2004 nach rechts zu radikali- bürger reserviert werden.
migration zurück. Letztere habe zu einem sieren begonnen, nachdem er in der Öffent- Dennoch vervielfacht Le Pen zugleich
Austausch der altansässigen Arbeiterschaft lichkeit durch judenfeindliche Äußerungen die Gesten an die Adresse einer möglichen

10 : antifaschistische nachrichten 5-2007


migrantischen Wählerschaft. In der vorletz- Und da er damals schon als Abgeordneter keine Zustimmung zum FN-Chef ableiten,
ten Woche besuchte er einen Friedhof in der „Poujadisten“ –- einer kleinbürgerli- was hemmungslos übertrieben wäre. Am
der Picardie, wo ehemalige chinesische chen Anti-Steuer-Protestbewegung mit an- vorletzten Donnerstag hat Rust mit einer
„Kulis“ beerdigt liegen, die im Ersten Welt- tisemitischen Untertönen – im Parlament Delegation von Rappern und Trabanten-
krieg den Armee der französisch-britischen saß, war er hinreichend prominent. stadt-Jugendlichen auch Jean-Marie Le Pen
Entente dienten. Neu ist es zwar nicht, dass Dass Jean-Marie Le Pen damit ein Ein- getroffen. Die junge Truppe hatte allerdings
Le Pen auch „Waffenbrüder“ unterschiedli- bruch in migrantische Wählerschichten ge- verlangt, alle Kandidaten und Kandidaten
cher Hautfarbe, die in militärischen Kon- lingen würde, ist – jedenfalls als Mas- zur Präsidentschaftswahl zu treffen, um ih-
flikten – vor allem in den Kolonialkriegen – senphänomen – absolut nicht zu vermuten. nen Fragen vorzulegen. Und so konnte sie
mit dem Gewehr auf Seiten Frankreichs Aber zwei Effekte wird er möglicherweise auch Jean-Marie Le Pen ihre Fragen stel-
kämpften, mitunter in die „nationale Ge- erzielen. Erstens hat die Tatsache, dass be- len, da dieser den Termin eilig akzeptiert
meinschaft“ einbezieht. Dies ist die kolo- stimmte Ränder auch in minoritären Bevöl- hatte. Die Stimmung war dabei freilich
niale Prägung seines Rassismus, was bei kerungsgruppen – verkörpert durch Dieu- eher getrübt. Rost, der ein T-Shirt mit der
jüngeren Kadern der extremen Rechten wie donné – plötzlich Le Pen zu unterstützen Aufschrei „Dieses Frankreich gehört auch
etwa Bruno Mégret - die eher an ein „rein scheinen, ihn in den Augen seiner poten- uns“ trug, und seine Truppe hatten Le Pen
weißes“ Frankreich glauben wollen – auch ziellen „weißen“ Wählerschaft noch stär- auch Fragen nach seiner „faschistoiden
früher schon Widerspruch hervorrief. Aber ker „entdiabolisiert“. Wenn selbst ein Partei“ und nach seinen Ausfällen wie etwa
dass Le Pen symbolisch auch „Kulis“ ehrt, schwarzer „Mischling“ wie Dieudonné ihm dem unappetitlichen Wortspiel „Durafour-
die 1918 in der Armee die Pferde fütterten Recht zu geben scheint – wer wird da noch Crématoire“ gestellt. „Durafour-Crématoi-
und die Züge entluden, ist nicht nur für ihn seinen Wählern Rassismus vorwerfen kön- re“ war ein berüchtigtes öffentliches Wort-
neu. Man hat es im Wahlkampf auch bei nen? spiel Le Pens im Jahr 1988: Durafour ist
keinem anderen Kandidaten gesehen. Zu- „Das System zum Explodieren der Name eines damaligen jüdischstämmi-
dem legt Le Pen Wert darauf, zu betonen, bringen“? gen liberal-konservativen Ministers, und
dass er zwar jegliche Neueinwanderung „four-crématoire“ bedeutet nichts anderes
nach Frankreich unterbinden und viele hier Zum Zweiten hat sich bei einigen jungen als „Verbrennungsofen“.
lebende Einwanderer zurückschicken Wählern in den Banlieues zumindest die Als Rost dann auch noch eine Frage
möchte – dass er aber nicht die Einwande- Haltung durchgesetzt, dass man jedenfalls nach Kindern, die mit ihren Eltern in Ab-
rer persönlich für die „katastrophale Immi- in einem – derzeit äußerst hypothetischen – schiebehaftanstalten sitzen und aus Frank-
grationspolitik“ verantwortlich mache, son- Stichwahlgang „Sarkozy gegen Le Pen“ reich „entfernt“ werden sollen, und nach
dern die „antinationalen Lobbies“, die da- eher für den Zweiten als für den Erstge- dem Wahlrecht für Immigranten aufwarf,
hinter stünden. nannten stimmen werde. Dies hört man war der Zapfen ab. „Ich hatte den Eindruck,
Sowohl eine Zeitschrift für afrikanisch- derzeit jedenfalls des öfteren. Begründet dass Le Pen das Schicksal dieser Kinder to-
stämmige Schwarze in Frankreich (’Africa wird es in der Regel damit, dass von Le Pen tal gleichgültig war“ erklärte Rost am Aus-
International’, Ausgabe vom Januar 2007) nur Sprüche kämen, während Sarkozy kon- gang des Treffens. Eine politische Liebes-
als auch die neue französisch-marokkani- krete Verantwortung für das Handeln der erklärung blieb also aus.
sche Hochglanzzeitschrift ’Le Courrier de Polizei trage und deswegen schlimmer sei. Dennoch ist diese Art von blinder und
l’Atlas’ (Nummer vom Februar 2007) wid- Dieudonné seinerseits fügt hinzu, er glaube bewusstloser Pseudo-Polarisierungsstrate-
meten jüngst dem scheinbaren Werben nicht länger, dass Le Pen Rassist sei; falls gie gefährlich, zumal wenn keinerlei orga-
Jean-Marie Le Pens um „ihre“ Bevölke- dies aber der Fall sei, dann ziehe er „den nisierte Gegenmacht gegen die Rechte im
rungsgruppen längere Artikel. Beide kom- ehrlich auftretenden Rassisten gegenüber Falle eines Wahlsieges vorhanden ist. Al-
men jedoch zu dem Ergebnis, dass nur klei- den verkniffenen Rassisten“ im bürgerli- lerdings ist auch der Einfluss Jean-Marie
nere Ränder der schwarzen bzw. maghrebi- chen Lager vor. Zudem sind viele junge Le Pens zum heutigen Zeitpunkt, genau
nischstämmigen Bevölkerung in Frank- Wähler der Auffassung, dass im Falle eines wie der der beiden anderen „großen“ Kan-
reich sich tatsächlich von den Schalmeien- Wahlsieges Le Pens dieser ohnehin nicht didaten, ein pures Medienprodukt, und
klängen Jean-Marie Le Pens anziehen lie- regieren könne – mangels Mehrheit im Par- nicht das Ergebnis einer in den Stadtvier-
ben. Im ,Courrier de l’Atlas‘ lament, wo zur Zeit teln und Betrieben präsenten, durchstruktu-
stellt der französisch-jüdische kein einziger Abge- rierten „Bewegung“. Nur noch über rund
Publizist und Rechtsextremis- ordneter des FN 10.000 Mitglieder soll der FN laut dem Po-
musspezialist Jean-Yves Ca- sitzt –, dies aber un- litologen Erwan Lecoeur verfügen – nach-
mus fest, dass jeweils 4 bis 5 zählige Demonstra- dem das Vorgehen Le Pens gegen Kader,
Prozent der französischen tionen wie 2002 die seinem Machtanspruch gefährlich hät-
Moslems und der französi- auslösen würde. ten werden können, bedeutende Aderlässe
schen Juden für Le Pen stim- Dann, so hört man, für den Mitgliederbestand der Partei her-
men. Das war allerdings auch würde es wenigs- vorrief. Vor der groben Parteispaltung von
früher schon so, nicht erst seit tens mal anständig Anfang 1999 besaß der FN noch, gericht-
Le Pens neuestem Diskurs. Ein knallen, und „das lich festgestellt, 42.000 Mitglieder.
kleiner Teil der in Frankreich System würde ex- Damals versuchte die extreme Rechte
lebenden Araber schwenkte plodieren“. noch, eigene „Gewerkschaften“ zu gründen
wegen Le Pens Pro-Irak-Positi- So hatte ein und tendenziell die Straße zu erobern. Was
on im Jahr 1991 auf seine Seite schwarzer Rapper, Le Pen heute in der französischen Gesell-
ein. Und ein ebenso kleiner Teil „Rost“, im Oktober schaft darstellt, verdankt er dagegen zum
der französischen Juden ist 2006 verkündet, im Grobteil dem Fernsehen, ähnlich wie Ségo-
schon seit dem Algerienkrieg Falle eines Duells lène Royal und Nicolas Sarkozy. Und dass
und dem französisch-britisch- Sarkozy/Le Pen der Rechtsextreme im Alleingang gegen
israelischen Überfall auf Ägyp- würde er sich gegen alle anderen politischen Kräfte – in schrof-
ten 1956 – in Frankreich als Sarkozy und also fer Opposition gegen das konservative La-
„Suezexpedition“ bekannt – für Le Pen ent- ger und nicht im Zusammenwirken mit Tei-
positiv zu Le Pen eingestellt: scheiden. Aller- len von ihm – gewinnen könnte, scheint
Le Pen war als freiwillig die- dings darf man da- zum Glück vollkommen ausgeschlossen.
nender Offizier in Suez dabei. raus auch wieder Bernhard Schmid, Paris ■

: antifaschistische nachrichten 5-2007 11


: ausländer- und asylpolitik

150 afghanische Familien von Abschiebung bedroht


„… als wären wir ein Haufen
Nichts“
Hamburg. Ganz hat es angesichts Der Verzicht auf die Abschiebung
der knappen Mobilisierungszeit würde, so verbreitete er sich im „Ham-
von weniger als einer Woche burger Abendblatt“, „unsere Gesell-
nicht gereicht. Dennoch wurde der Ver- schaft insgesamt überfordern“. Aus
such, am Nachmittag des 19. Februar ordnungspolitischen Gründen setzt er
eine Menschenkette um die Binnenalster Menschenleben aufs Spiel.
zu bilden, zu einer eindrucksvollen Akti- Seit die Abschiebungen im Okto-
on gegen die drohende Abschiebung von ber/November letzten Jahres angekün-
150 afghanischen Familien. Schätzungs- digt wurden, können verzweifelte El-
weise über 1.500 Schülerinnen und tern und Hunderte Kinder und Jugend-
Schüler beteiligten sich mit unzähligen liche, die in Hamburg geboren wurden
selbst gemalten Transparenten und Pla- oder schon Jahre hier leben, vor Angst
katen an der Kette, die knapp vier Fünf- kaum noch schlafen. Der 19-jährige
tel der mehr als zwei Kilometer rund um Omid Sadeghi, der wenige Wochen vor
die Binnenalster abdeckte. Sie wurden Erreichen seines Schulabschlusses ab-
unterstützt vom GEW-Bleiberechtsaus- geschoben werden soll, sprach aus, was
schuss, von zahlreichen Lehrerinnen und alle bewegt:

nen Schulen, machten große Wandzei-


tungen, sammelten Geld für die rechtli-
che Unterstützung und bereiteten jetzt
die Menschenkette vor. Bischöfin Jep-
sen, Nordelbische Kirche, sprach sich
deutlich gegen die Abschiebung aus. Die
Bürgerschaftsfraktion der GAL führte
eine öffentliche Anhörung durch, der
Bundestagsabgeordnete Norman Paech
lud afghanische Familien ins übervolle
Wahlkreisbüro ein. Die Hamburger Me-
dien üben Kritik, sogar die Springer-
Presse findet kein Verständnis für die Ab-
schiebung, und auch der CDU-Ortsver-
ein Altona äußerte öffentlich Wider-
Lehrern, von den Vorsitzenden mehrerer „Wir sollen in das Land zurück, wo spruch. Vier Hamburger Bundestagsab-
Hamburger Gewerkschaften, dem wir alles verkauft und aufgegeben haben, geordnete aus der Linken, den Grünen
Flüchtlingsrat, der Flüchtlingsbeauftrag- wir sollen in ein Land zurück, das kei- und der SPD veröffentlichten zusammen
ten der Nordelbischen Kirche, dem Ham- nerlei Sicherheit bietet, in ein Land, das mit dem Hamburger ver.di-Vorsitzenden
burger Bundestagsabgeordneten der Lin- für uns nichts anderes als den Tod bietet. und der Flüchtlingsbeauftragten der
ken und vielen anderen. Unmittelbarer Seit Tagen kann keiner in unserer Fami- Nordelbischen Kirche den Hamburger
Anlass ist die Sitzung der Härtefallkom- lie ruhig schlafen. Die Angst, wieder Appell Keine Abschiebungen von Fami-
mission, die am 22.2. zum zweiten Mal dem Elend in Afghanistan gegenüber zu lien nach Afghanistan!, den bisher viele
über die Abschiebung der Familien tagen stehen, lässt uns keine Minute in Ruhe. hundert Einzelpersonen und Organisatio-
wird. Auf ihrer ersten Sitzung im De- Über uns wird einfach so entschieden, nen unterzeichnet haben (www.hambur-
zember hatte sie das Thema vertagt, den als wären wir ein Haufen Nichts.“ ger-appell.de).
Familien war damit ein kurzer Aufschub Doch hat sich seit den ersten Abschie- All das lässt die Behauptung nicht als
gewährt. bungsankündigungen auch ein breiter übertrieben erscheinen, dass die übergro-
Hamburg ist das bisher einzige Bun- Widerstand entwickelt, dessen Rückgrat ße Mehrheit der Bevölkerung in Ham-
desland, das Familien ins afghanische die Schulen sind. Auf einer gut besuch- burg die Abschiebung nicht will. „Es ist
Kriegsgebiet abschieben will. Auch vom ten Veranstaltung der GEW Anfang Feb- höchste Zeit“, appelliert Norman Paech
jüngsten Urteil des Verwaltungsgerichts, ruar berichteten Lehrer und Schüler von in einer jüngsten Erklärung, „dass Ole
das die Hamburger Behörde aufforderte, Schulen, in denen Kinder und Jugendli- von Beust von seiner Richtlinienkompe-
die Abschiebung einer afghanischen Fa- che von der Abschiebung betroffen sind, tenz Gebrauch macht und den Flüchtlin-
milie auszusetzen aufgrund der „extre- von einer beeindruckenden Vielzahl von gen Bleiberecht gewährt. Nagels Politik
men Gefahrenlage wegen Mangel an Aktionen: So wurden insgesamt wohl ist ebenso gnadenlos menschenfeindlich
Wohnraum, Nahrungsmitteln und Ge- Tausende von Petitionen an die Bürger- und ignorant gegenüber grundlegenden
sundheitsversorgung“, lassen sich Innen- schaft geschickt, Schülerinnen und Rechtsprinzipien wie die seines Mentors
senator Nagel und Bürgermeister von Schüler mehrerer Schulen führten schon Schill. Sie ist unerträglich für die Bürge-
Beust bisher nicht beirren. Nagel bestrei- vor Wochen eine Demonstration durch, rinnen und Bürger dieser Stadt, die einst
tet kalt ein „generelles Rückkehrhinder- sammelten in der Innenstadt Unterschrif- für ihre Weltoffenheit bekannt war.“
nis nach Afghanistan“. ten, schufen ein Netzwerk aller betroffe- Christiane Schneider ■

12 : antifaschistische nachrichten 5-2007


Regierungskoalition plant 7. Besonders bedürftige Personen erhal- sung für diejenigen bemüht, die sich er-
weitere Verschärfungen im ten nicht die notwendigen Hilfen folglos um Arbeit bemüht haben. Gleich-
8. Körperliche Eingriffe zur Altersfest- zeitig sprach sich Frau Böhmer dafür
Ausländer- und Einbürge- stellung aus, die Zuwanderung ausländischer
rungsrecht 9. Verschärfung des Ausweisungsrechts hochqualifizierter Fachkräfte zu erleich-
Vor zwei Jahren ist das Zuwanderungs- 10. Verlust des Aufenthaltsrechts bei Wi- tern. Damit wird deutlich, dass die Nütz-
gesetz in Kraft getreten. Es sollte ur- derruf des Abschiebungsschutzes lichkeitsideologie auch das Amt der Inte-
sprünglich den Weg ebnen vom Auslän- 11. Auch weiter Kettenduldungen. grationsbeauftragten erfasst hat, das un-
derabwehrrecht in eine Gesellschaft, die Quelle: flucht mailing list - ter allen Vorgängerinnen und Vorgängern
Einwanderung gestaltet, Integration för- flucht@nds-fluerat.org ■ eine Bastion gerade auch der humanitä-
dert und Flüchtlinge besser schützt. Die- ren Belange war. Man sitzt eben nicht
se Ziele wurden verfehlt! Heute zeigen BRD verstößt gegen folgenlos direkt im Kanzleramt. Frau
sich die Mängel des Zuwanderungsge- Böhmer hält den Kettengeduldeten, die
setzes immer deutlicher. Das Ausländer- Diskriminierungsverbot zur Zeit noch keine Arbeit gefunden ha-
recht ist weitgehend Gefahrenabwehr- Die Kommission Asyl der deutschen ben, vor, sie müssten eben mobil genug
recht geblieben: Die Zuwanderungsmög- Sektion von pax christi hat eine Stellung- sein, um sich bundesweit zu bewerben
lichkeiten sind eng begrenzt, Integrati- nahme zum 5. Staatenbericht der Bun- und Arbeit überall anzunehmen. Mit den
onspolitik wird auf den Erwerb von desrepublik Deutschland nach Art. 16 Problemen der Betroffenen, nach jahre-
Deutschkenntnissen reduziert und die und 17 des Internationalen Paktes über langer Benachteiligung auf dem Arbeits-
humanitären Regelungen für Flüchtlinge wirtschaftliche, soziale und kulturelle markt einen Job zu finden und den Ne-
greifen nicht. In allen Bereichen bleibt Rechte 2006 vorgelegt. benwirkungen der Residenzpflicht, ist
das Gesetz hinter dem zurück, was ein Mit dieser Stellungnahme weist die Frau Böhmer offenbar nicht vertraut.
modernes Zuwanderungsrecht leisten Kommission Asyl auf gravierende Miss- Ihre Mahnungen klingen so volksnah
muss. stände in der Situation von „geduldeten“ wie Marie Antoinette, die dem hungern-
Mit dem „Entwurf eines Gesetzes zur Flüchtlingen und Menschen ohne Auf- den Volk von Paris geraten haben soll,
Umsetzung aufenthalts- und asylrechtli- enthaltsstatus, sog. „Illegale“, hin. doch Kuchen statt Brot zu essen. Die in-
cher Richtlinien der Europäischen Uni- Die Rechte, die der Internationale So- nenpolitische Sprecherin der Linksfrakti-
on“, der in der Fassung vom 8. Februar zialpakt gewährleistet, gelten für alle on im Bundestag empfahl der Integrati-
2007 vorliegt, soll nunmehr eine umfas- Menschen, unabhängig von ihrer Natio- onsbeauftragten: „Statt munter nachzu-
sende Änderung des Zuwanderungsge- nalität und ihrem Aufenthaltsstatus. Das plappern, was ihr Parteikollege Wolf-
setzes erfolgen. Begründet wird sie mit beinhaltet das Diskriminierungsverbot in gang Schäuble vertritt, sollte sich Frau
der Umsetzung von 11 EU-Richtlinien, Art. 2. des Internationalen Paktes. Böhmer lieber intensiv mit der rechtli-
deren Umsetzungsfrist teilweise bereits Gegen das Diskriminierungsverbot chen Lage Geduldeter auseinanderset-
ausgelaufen ist. Der Gesetzentwurf ent- des Paktes verstößt Deutschland mit al- zen, wie es ihr Amt von ihr verlangt“.
hält teils gravierende Veränderungen des len Einschränkungen, die Flüchtlingen Wer denjenigen mit Abschiebung drohe,
Aufenthaltsgesetzes und anderer auslän- seit Verschärfung der Asylgesetze 1993 die keine Arbeit finden könnten, mache
derrechtlicher Vorschriften. auferlegt wurden und der Nichtanerken- Menschen erpressbar und nehme ihnen
In der öffentlichen Diskussion kon- nung grundlegender wirtschaftlicher, so- Arbeitnehmerrechte.
zentriert sich die Aufmerksamkeit zur zialer und kultureller Rechte für Men- aus: News letter 120 1/07 pro asyl ■
Änderung des Zuwanderungsrechts vor schen ohne Aufenthaltsstatus.
allem auf die Frage einer Bleiberechtsre- Art. 2 (3) des Internationalen Sozial- Kopftuchverbot bestätigt
gelung. Nicht im öffentlichen Bewusst- paktes gestattet nur Entwicklungsländern
sein ist, dass der aktuelle Stand des Ge- - unter gebührender Berücksichtigung Bayern. Der bayerische Verfassungsge-
setzentwurfs weitgehende Verschärfun- der Menschenrechte und der Erfordernis- richtshof hat das im Jahr 2004 verab-
gen im Zuwanderungsrecht vorsieht. se ihrer Volkswirtschaft - zu entscheiden, schiedete gesetzliche Verbot eines Kopf-
PRO ASYL, der Interkulturelle Rat in inwieweit sie Personen, die nicht ihre tuchs im Unterricht für verfassungskon-
Deutschland und der Deutsche Gewerk- Staatsangehörigkeit besitzen, die in die- form erklärt. Der bayerische Landtags-
schaftsbund lehnen die Verschärfung des sem Pakt anerkannten Rechte gewähren abgeordnete Bernd Weiß nahm dies allen
Zuwanderungsrechts ab: Nicht Weltof- können. Diese Ausnahmemöglichkeit Ernstes zum Anlass, muslimischen Leh-
fenheit und Toleranz prägen diese Poli- trifft sicher nicht auf die Situation der rerinnen vorzuschlagen, alternativ einen
tik, sondern grundsätzliches Misstrauen Bundesrepublik Deutschland zu. Hut zu tragen. Nach Medienmeldungen
und der Geist der weiteren Abschottung. Die Stellungnahme untermauert die sagte er: „Damit tragen wir dem religiö-
Die Verschärfungen in dem Gesetzent- Kritik mit zahlreichen Fallbeispielen, die sen Verhüllungsbedürfnis der Lehrerin
wurf reihen sich ein in beabsichtigte oder zum Schutz der Betroffenen anonymi- Rechnung und ein Hut kann im Gegen-
bereits realisierte Maßnahmen, die vor- siert werden. satz zum Kopftuch von Schülern auch
geblich der Integration dienen sollen, tat- Quelle: Newsletter der pax-christi-Be- nicht als Symbol für die Unterdrückung
sächlich aber Migranten und Flüchtlinge wegung - flucht mailing list nds ■ von Frauen verstanden werden.“ Be-
ausgrenzen. kanntlich kann nach Auffassung der CSU
Interkultureller Rat, PRO ASYL und Integrationsbeauftragte für dem religiösen Verhüllungsbedürfnis von
der DGB kritisieren vor allem: Lehrerinnen durch das Tragen eines Or-
1. Einschränkung des Ehegattennach- enge gesetzliche Regelung denshabits Rechnung getragen werden,
zugs beim Bleiberecht der nämlich mit der bayerischen Landes-
2. Integrationskurse: Lernen unter Berlin. Die Integrationsbeauftragte der verfassung in Übereinstimmung zu brin-
Zwang Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU) gen ist und nach Auffassung des Landes-
3. Einbürgerungsvoraussetzungen plädiert dafür, nur denjenigen Langzeit- verfassungsgerichts auch nicht als Sym-
4. Forscher – eine Berufsgruppe wird in geduldeten eine Aufenthaltserlaubnis zu bol für verfassungsfeindliche Werte wie
zusätzliche Abhängigkeit gedrängt erteilen, die auch eine Arbeitsstelle nach- die Diskriminierung von Frauen verstan-
5. Verstärkte Abschottung gegen Flücht- weisen können. Bleiberecht und Arbeit den werden kann. Der konstruktive Vor-
linge müssten zusammengehören. Die SPD schlag von Bernd Weiß geht allerdings
6. Flickschusterei im Flüchtlingsrecht hatte sich demgegenüber um eine Lö- noch nicht weit genug. Er müsste konse-

: antifaschistische nachrichten 5-2007 13


quenterweise ergänzt werden durch eine ten die Passausstellung nicht grundsätz- UNHCR-Hilfsappell zum
bayerisch-katholische Kleiderordnung lich verweigern, werden die dafür not- Irak
für Schulen, die den Glaubensgemein- wendigen Dokumente nicht in jedem
schaften die zulässigen Kopfbedeckun- Fall bis zum Ablauf der Frist am 30.9. zu In einem UNHCR-Hilfsappell zum Irak
gen zuordnet. Sollen also muslimische beschaffen sein. Der Flüchtlingsrat Bre- vom 8. Januar 2007 heißt es: „UNHCR
Lehrerinnen „alternativ einen Hut tra- men fordert eine großzügige Auslegung geht davon aus, dass aufgrund der fort-
gen“, dann käme für Hindus möglicher- der Bleiberechtsregelung, die der Le- dauernden Gewalt weiterhin mit Massen-
weise ein Trachtenhütchen mit Gamsbart benswirklichkeit der Betroffenen gerecht flucht und Vertreibung von Irakern zu
in Frage, für Protestanten eine Bärenfell- wird. rechnen ist. Der aktuelle Exodus stellt
mütze und für auch im Freistaat noch ge- Flüchtlingsrat Bremen fluechtlings- die größte längerfristige Fluchtbewe-
legentlich vorkommende AgnostikerIn- arbeit@kirche-bremen.de ■ gung im Nahen Osten seit der Vertrei-
nen die bayerische Variante des mittelal- bung der Palästinenser nach der Grün-
terlichen Ketzerhutes. Wieviel muss ein Flüchtling dung Israels 1948 dar. Ungefähr jeder
Quelle: Newsletter Nr. 120 – achte Iraker ist derzeit auf der Flucht.
Pro Asyl Januar 2007 ■ verdienen, um bleiben zu Immer mehr Menschen fliehen vor der
können? wachsenden konfessionell motivierten,
Niedersachsen setzt das Bleiberecht – ethnischen aber auch allgemeinen Ge-
Bleiberecht umsetzen, anders als andere Bundesländer – famili- walt.“ Der Dresdener Rechtsanwalt Mi-
Abschiebungen aussetzen enfeindlich um und verlangt auch von chael Ton beschäftigt sich in einer Mail
Bremen. Am 22. Februar wird in der Familien mit Kindern als Bedingung für vom 10. Januar 2007 mit dem Status aus-
Bremer Bürgerschaft über den Antrag ein Bleiberecht den Nachweis eines Ein- reisepflichtiger Iraker. Er kritisiert insbe-
der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen kommens, das höher ist als der theoreti- sondere, dass die Lagebeschreibung zum
zur Bleiberechtsregelung entschieden. sche Anspruch auf Sozialleistungen. Irak von den Behörden des Freistaats
Unter die Bleiberechtsregelung, die im Während in anderen Bundesländern ein Sachsen (wie auch anderswo, PRO
November 2006 von der Innenminister- ergänzender Bezug von Sozialleistungen ASYL) systematisch ignoriert werde.
konferenz verabschiedet wurde, könnten auch über das Kindergeld hinaus bei Fa- Iraker würden in Deutschland so behan-
in Bremen grundsätzlich ca. 1.300 Ge- milien zugelassen wird, ist dies in Nie- delt, als handele es sich beim Irak um ein
duldete fallen, die seit mehr als 8 Jahren dersachsen nicht der Fall.Viele Kommu- normales Land. Standesämter verlangten
in Bremen leben bzw. seit mehr als 6 nen weigern sich, den Betroffenen das im Eheschließungsverfahren oder bei der
Jahren und Kinder im Kindergarten oder Mindesteinkommen zu berechnen. Beurkundung von Geburten allerlei aktu-
im schulpflichtigen Alter haben. Bis zum Modellrechnungen des Diakonischen elle Dokumente von den irakischen Hei-
31.1.07 wurden jedoch lediglich 265 An- Werks Celle zufolge zufolge kommt eine matbehörden, die Ausländerbehörden in
träge auf eine entsprechende Aufent- Familie mit drei Kindern etwa auf ein bestimmten Fällen die Durchführung des
haltserlaubnis gestellt. Nur 27 davon nachzuweisendes Nettoeinkommen in Visumsverfahrens, die Einbürgerungsbe-
wurden bisher laut Ausländerbehörde Höhe von 1.500 Euro, eine Familie mit hörden die Bestätigung irakischer Behör-
Bremen positiv entschieden. fünf Kinder muss 1.800 Euro nachwei- den über den Verzicht auf die irakische
Die Bedingungen der Bleiberechtsre- sen. Derartige Einkommen können von Staatsangehörigkeit. Nach seiner Auffas-
gelung sind für die meisten Geduldeten Flüchtlingsfamilien oft nicht erzielt wer- sung wäre es sinnvoll, wenn sich die In-
nur schwer zu erfüllen: Sie berücksich- den. Zu prüfen ist daher auch, ob ggf. ein nenministerkonferenz auf eine Länder-
tigt keine humanitären Gründe, sondern Kinderzuschlag in die Rechnung einbe- und gruppenspezifische Bleiberechtsre-
billigt nur denen ein Bleiberecht zu, die zogen werden könnte. Dies sieht der gelung für irakische Staatsangehörige
ihren Lebensunterhalt auf Dauer für die Ausführungserlass des niedersächsi- verständigen könnte. Das allerdings
gesamte Familie sichern können. So ha- schen Innenministeriums zwar bislang scheint nach den Erfahrungen der letzten
ben z.B. kinderreiche Familien, deren El- nicht ausdrücklich vor, sollte aber gegen- Jahre mit der Unwilligkeit der IMK, Ab-
tern keine hoch bezahlten Stellen haben, über den Ausländerbehörden eingefor- schiebestopp- oder Bleiberechtsregelun-
keine Chance. Ein weiterer Hinderungs- dert und ggf. auch gerichtlich geltend ge- gen zu beschließen, eher illusionär.
grund ist, das ein gültiger Pass vorgelegt macht werden. Quelle: Newsletter Nr. 120 Januar 2007
werden muss. Selbst dort, wo Botschaf- gez. Kai Weber flucht@nds-fluerat.org ■ Pro asyl ■

170 Flüchtlinge starben auf dem Wege in die Bundesrepublik


„Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und Deutschland oder an den Grenzen, davon allein 127 an den deut-
ihre tödlichen Folgen“ (1993 bis 2006) schen Ost-Grenzen, 138 Flüchtlinge töteten sich angesichts ihrer dro-
14. aktualisierte Auflage der Dokumen- henden Abschiebung oder starben bei dem Versuch, vor der Abschie-
bung zu fliehen, davon 50 Menschen in Abschiebehaft,
tation – Neu erschienen! 669 Flüchtlinge haben sich aus Angst vor der Abschiebung oder aus
Die Zahl der Flüchtlinge, die in der BRD Asyl beantragten, war 2006 Protest gegen die drohende Abschiebung (Risiko-Hungerstreiks)
mit 21.000 die niedrigste seit 1983. Zugleich wurden bei 30.756 selbst verletzt oder versuchten, sich umzubringen, davon befanden
Entscheidungen des Bundesamtes nur 251 Personen als Asylberech- sich 399 Menschen in Abschiebehaft, 5 Flüchtlinge starben während
tigte anerkannt (0,8 %). 1.097 (3,6 %) Menschen erhielten einen der Abschiebung. 25 Flüchtlinge kamen nach der Abschiebung in ih-
Abschiebeschutz nach § 60 Abs.1 des Aufenthaltsgesetzes. rem Herkunftsland zu Tode,
Die vorliegende Dokumentation beschreibt in fast 5000 Einzelge- 67 Flüchtlinge verschwanden nach der Abschiebung spurlos.
schehnissen die Auswirkungen des staatlichen und gesellschaftlichen 67 Menschen starben bei Bränden oder Anschlägen auf Flüchtlings-
Rassismus auf die Betroffenen. Auf Flüchtlinge, die gehofft hatten, in unterkünfte, 744 Flüchtlinge wurden z.T. erheblich verletzt, 13 Men-
diesem Land Schutz und Sicherheit zu finden, und letztlich an diesem schen starben durch rassistische Angriffe auf der Straße.
System zugrunde gingen oder zu Schaden kamen. Die jährlichen
Zahlen der Dokumentation sind im Vergleich – n i c h t – sinkend, Die Dokumentation umfasst zwei Hefte. Beide Hefte zusam-
sondern bleiben konstant. Auszugehen ist von einer wesentlich höhe- men kosten 15 Euro plus 3,20 Euro Porto & Verpackung.
ren Dunkelziffer. HEFT 1 (1993 - 1999) 6 Euro für 174 S. - HEFT 2 (2000 - 2006)
Die Dokumentation umfasst den Zeitraum vom 1.1.1993 bis 10 Euro für 230 S. plus je 1,60 Euro Porto & Verpackung.
31.12.2006. Bestellung: www.ari-berlin.org/doku/

14 antifaschistische nachrichten 5-2007


: neuerscheinungen

Buchbesprechung ihnen erlebten Veränderungen im sozio-


ökonomischen Bereich, wie auch im po-
,Die populistische Lücke‘ von litischen System, das Verhalten einzelner
politischer Akteure, wie auch das aller
Jörg Flecker und Sabine Parteien auf dem politischen Parkett zu-
Kirschenhofer sammen mit ihren ganz persönlichen
Der Untertitel „Umbrüche in der Schicksalen in ihre politische Meinungs-
Arbeitswelt und Aufstieg des Rechts- bildung einfließen und Meinungsbildung
populismus am Beispiel Österreichs“. weit davon entfernt ist, ein linearer Pro-
zess von Ursache zu Wirkung zu sein.
Im Mittelpunkt des 170 Seiten umfassen- Und was ist nun die Titel gebende
den Buches steht das Ergebnis von insge- populistische Lücke?
samt 32 ausgewerteten Interviews, von
denen 8 ausführlich dargestellt werden, Es ist die Nicht-zur-Kenntnisnahme und
Die Interviewten kommen aus drei Nicht-Thematisierung der Sorgen, Ängs-
Gruppen, die sich in unterschiedlicher te und Erfahrungen der „kleinen Leute“
Weise vom sozio-ökonomischen Wandel durch die öffentliche Meinung und die
in Österreich betroffen sehen: Zehn Be- Politik.
fragte, denen durch die Veränderungen Es ist die Lücke in der öffentliche
eher ein Aufstieg gelang, elf, die sich von Wahrnehmung von Problemlagen, wie
einem Abstieg bedroht sehen und elf, die des mit dem Kampf um den Aufstieg und
durch die jüngsten Veränderungen in die dem Erhalt des Status quo verbundenen der Globalisierung gefaselt wird, denen
Prekarität abgerutscht waren. Arbeitleids, in Form von Überstunden, mit lebenslangem Lernen und erhöhter
Für die Verfasser „besteht zwischen grenzenloser Flexibilität jeglicher feh- Flexibilität zu begegnen ist, was den Ort,
der Betroffenheit vom sozio-ökonomi- lenden Sicherheit; es sind die Ängste, die Zeit und den Umfang der Arbeitsbe-
schen Wandel und autoritär-ausgrenzen- Unsicherheiten und Ohnmachtsgefühle reitschaft angeht, personifizieren die
den politischen Reaktionen kein notwen- derer, die sich durch Auslagerung und Rechtspopulisten die für das Problem
diger Zusammenhang“. Das belegen sie Einwanderung vom Abstieg bedroht se- Verantwortlichen: Arbeitslose, Migran-
dadurch, dass sie in allen drei Gruppen hen und es ist die Wut der Abgestiegenen ten und Politiker. Im rechten Diskurs er-
Personen vorfinden, die eine geringe bis über die erlittene Ungerechtigkeit ihres halten sie Leistungen ohne zu leisten und
zu einer hohen Empfänglichkeit für Ausschlusses und der Unmut über die sind die Ursache für die soziale Schiefla-
Rechtspopulismus aufweisen. fehlende Anerkennung und Würdigung ge des Landes.
Den LeserInnen wird dadurch deut- der erbrachten Leistung. Alle Frauen be- Den Lebensgeschichten voraus gehen
lich, dass sowohl die Hinwendung, wie klagen zusätzlich die öffentliche Igno- zwei Kapitel in denen die Autoren den
die Nicht-Hinwendung zum Rechtspopu- ranz gegenüber der Doppelbelastung und sozio-ökonomischen Wandel in der ös-
lismus ein Ergebnis ziemlich komplexer der ständig sinkenden Entlohnung von terreichischen Besonderheit darstellen
Erfahrungszusammenhänge ist. Die eher Frauen. und in einigen Thesen den Bogen schla-
anspruchsvolle Bezeichnung der „Kom- Und am Beispiel der FPÖ wird ge- gen zu den Veränderungen in der öster-
plexität“ nur einer Meinung zuzugeste- zeigt, wie diese Lücke von rechtspopu- reichischen Parteienlandschaft und der
hen, die gleich, oder zumindest ähnlich listischen Strömungen, wie man will, rechtspopulistischen FPÖ im Besonde-
der eigenen ist, die Gegenmeinung aber klug oder primitiv, auf jeden Fall unter- ren.
eher als „primitiv“ zu titulieren, das las- schiedlich wirkungsvoll, ausgenutzt Das Phänomen der Hinwendung und
sen Jörg Flecker und Sabine Kirschenho- wird. Nicht-Hinwendung zum Rechtspopulis-
fer für keine Meinung zu. Ihre Interviews So ist es auch mit der öffentlichen Lü- mus aus der abstrakten wissenschaftli-
bezeugen, wie die Herkunft der Inter- cke in den Deutungsmustern über die Ur- chen Ebene, aber untermauert mit wis-
viewten aus unterschiedlichen kulturel- sachen der erfahrenen Veränderungen. senschaftlichen Methoden, in unser all-
len und politischen Traditionen, die von Während allgemein von Phänomenen tägliches Erleben geholt zu haben, ist das
Riesenverdienst dieses Buches – und da
macht es nichts aus, ob wir in Deutsch-
land oder Österreich sind.
Der Herausgabekreis und die Redaktion sind zu erreichen über:
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln Tel. 0221 / 21 16 58, Fax 0221 / 21 53 73. Ich könnte mir vorstellen und würde
email: antifanachrichten@netcologne.de, Internet: http://www.antifaschistische-nachrichten.de auch hoffen, dass nach der Lektüre die-
Erscheint bei GNN, Verlagsges. m.b.H., Zülpicher Str. 7, 50674 Köln. V.i.S.d.P.: U. Bach ses Buches ein allzu schnelles „der ver-
Redaktion: Für Schleswig-Holstein, Hamburg: W. Siede, erreichbar über GNN-Verlag, Neuer Kamp 25, tritt rechte oder ausländerfeindliche An-
20359 Hamburg, Tel. 040 / 43 18 88 20. Für NRW, Hessen, Rheinland Pfalz, Saarland: U. Bach, sichten, da diskutiere ich erst gar nicht
GNN-Verlag Köln. Baden-Württemberg und Bayern über GNN-Süd, Stubaier Str. 2, 70327 Stuttgart, Tel.
0711 / 62 47 01. Für „Aus der faschistischen Presse“: J. Detjen c/o GNN Köln. mit“, einem aufmerksamen Hinhören
Erscheinungsweise: 14-täglich. Bezugspreis: Einzelheft 1,30 Euro. und sorgsamen Argumentieren über die
Bestellungen sind zu richten an: GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln. Sonderbestellungen sind eigenen Erfahrungen weicht, mit dem
möglich, Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt. man zu einem anderen Standpunkt ge-
Die antifaschistischen Nachrichten beruhen vor allen Dingen auf Mitteilungen von Initiativen. Soweit ein- langt ist. Ansonsten muss man sich fra-
zelne Artikel ausdrücklich in ihrer Herkunft gekennzeichnet sind, geben sie nicht unbedingt die Meinung gen, wieweit man nicht selbst ein Teil der
der Redaktion wieder, die nicht alle bei ihr eingehenden Meldungen überprüfen kann. „populistischen Lücke“ ist, die dann von
Herausgabekreis der Antifaschistischen Nachrichten: Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten (AGR); Annelie Bun-
tenbach (Bündnis 90/Die Grünen); Rolf Burgard (VVN-BdA); Jörg Detjen (Forum kommunistischer Arbeitsgemeinschaf-
anderen gefüllt werden kann.
ten); Martin Dietzsch; Regina Girod (VVN - Bund der Antifaschisten); Dr. Christel Hartinger (Friedenszentrum e.V., Leip- pb ■
zig); Hartmut-Meyer-Archiv bei der VVN - Bund der Antifaschisten NRW; Ulla Jelpke (MdB); Marion Bentin, Edith Berg-
mann, Hannes Nuijen (Mitglieder des Vorstandes der Arbeitsgemeinschaft gegen Reaktion, Faschismus und Krieg–
Förderverein Antifaschistische Nachrichten); Kreisvereinigung Aachen VVN-BdA; AG Antifaschismus/ Antirassismus in
Jörg Flecker und Sabine Kirschenho-
der PDS NRW; Angelo Lucifero (Landesleiter hbv in ver.di Thüringen); Kai Metzner (minuskel screen partner); Bernhard fer, Die populistische Lücke, Edition
Strasdeit; Volkmar Wölk. Sigma, Berlin 2007, 15,90 Euro

: antifaschistische nachrichten 5-2007 15


: aus der faschistischen Presse
trieben haben, stellen sie sich nun auf of-
fener Bühne dem politischen Schlagab-
tausch – mit allen Konsequenzen. ,Wenn
Merz enttäuscht – Elite nahme“ gewidmet. Chefredakteur Dieter wir scheitern, ist das auch für mich per-
gesucht Stein will sich von der NPD abgrenzen: sönlich eine Niederlage‘, sagt Siegerist
„Stein plädierte nicht für Gesprächsver- ...“ Er verfügt für den Wahlkampf auf je-
Junge Freiheit Nr. 8/07 vom 16. Februar bote, betonte aber, wenn überhaupt müs- den Fall über erhebliche Mittel, denn er
2007 se die Auseinandersetzung mit der NPD hat bereits zweimal alle 300.000 Bremer
Der angekündigte Rückzug von Fried- offensiv geführt werden. Hierbei sehe er Haushalte anschreiben lassen: „Mit den
rich Merz aus der Parteipolitik der CDU jedoch nur ,einen einzigen Weg‘, näm- sehr persönlich gehaltenen Briefen will
weckt Hoffnungen am rechten Rand. Do- lich ihren ,katastrophalen geschichtspoli- er die Wähler von den Zielen seiner
ris Neujahr nimmt das im Blatt zum An- tischen Ansatz‘ bloßzustellen: ,Sie sieht Gruppierung überzeugen, die mit den
lass, einmal niederzuschreiben, was denn sich unumwunden in der Tradition des Schlagworten ,Sicher, Sauber, Schulden-
eine neue rechte Partei zu tun habe: Nationalsozialismus, sie will den ver- frei‘ in den Wahlkampf geht.“ Siegerist
„Aufgabe einer Partei rechts von der meintlich guten Kern des Dritten Reiches will bei Erfolg auch in Hamburg und wo-
CDU müsste es unter anderem sein, den retten, in ihren Publikationen verhöhnt möglich bundesweit kandidieren.
Egalisierungsprozess umzukehren, den sie den nationalkon- uld ■
Mut zu Unterschieden zu demonstrieren, servativen Wider-
Anforderungen zu erhöhen, um auch den stand, in dessen Unterstützung für Mehdorn
Sozialstaat wieder auf feste Füße zu stel- Tradition wir uns
len. Doch eine solche Partei hätte ver- sehen, und feiert Nationalzeitung Nr. 8 vom 16. Februar
mutlich weniger Chancen als noch die Otto Ernst Remer, 2007
WASG, denn die kulturelle Hegemonie der den 20. Juli Das Blatt greift die Diskussion um die
ist ganz klar sozialstaatlich-egalitär – das 1944 niedergewor- Ausstellung „11000 jüdische Kinder –
heißt links – definiert!“ Als sei diese Ge- fen hat, als Helden.‘ Mit der Reichsbahn in den Tod“ auf und
sellschaft nicht bereits hoch differenziert Nicht desorientierte schwingt sich wortreich zum Unterstüt-
und genau das Gegenteil von egalitär. Jugendliche in mit- zer für Bahnchef Mehdorn auf. Seine Ar-
Der Differenzierung widmet sich auch teldeutschen Pro- gumente, die Bahnhöfe seien kein Aus-
der Chefredakteur Dieter Stein: „Des- blemgebieten seien das Hauptproblem stellungsort, die Deutsche Bahn kein
halb wird auch den Konservativen ge- der NPD, sondern ,dass sie in ihren intel- Rechtsnachfolger der Reichsbahn usw.,
betsmühlenartig der Begriff ,vermufft‘ lektuellen Köpfen an der Spitze reprä- seien alle richtig. Niemand könne der
(aktueller Spiegel) angehängt, während sentierende Milieu‘, das jedem positiven Deutschen Bahn AG als Eigentümerin
eine ideologische Gesellschaftsverände- nationalen Ansatz nicht nütze, sondern und Hausherrin deutscher Bahnhöfe dik-
rerin wie Ursula von der Leyen als ,mo- schade. Die NPD sei infolgedessen ,ein tieren, was sie zu dulden habe, schreibt
dern‘ bejubelt wird, die jetzt erklärte, in politischer Gegner‘, so Stein. Autor Bruno Wetzel, um seine grund-
bezug auf die Rolle von Mann und Frau sätzliche Haltung zum Gedenken an NS-
,jahrhundertealte Stereotypen aufkna- Deutsche Konservative Verbrechen gleich generell noch nachzu-
cken‘ zu wollen. Wenn etwas jedoch schieben: „Im übrigen mangelt es im
,vermufft‘ ist, dann das derzeitig laufen- kandidieren in Bremen heutigen Deutschland zwar an manchem,
de Programm einer Gehirnwäsche, mit Junge Freiheit Nr. 10/07 vom 2. März 2007 ganz sicher aber nicht an Mahnmalen,
der die sozialistische Utopie im Gewand Joachim Siegerist tritt mit der Wählerge- Gedenkstätten und Ausstellungen, die an
von ,Gleichstellungsgesetzen‘ verwirk- meinschaft „Bremen muss leben“ bei der NS-Unrecht gemahnen. Man muss ja
licht werden soll.“ Bürgerschaftswahl am 13. Mai an. Das schon fürchten, dass es bald keinen öf-
Blatt berichtet: „Für Siegerist und seinen fentlichen Platz mehr gibt, an dem nicht
Auseinandersetzung um Verein, als dessen Bremer Landesver- heutige und künftige Generationen mit
band die Wählerinitiative fungiert, be- deutscher Schuld aus längst vergangener
NPD deutet der Wahlantritt einen tiefen Ein- Zeit konfrontiert werden – während Mil-
Junge Freiheit Nr. 9/07 vom 23. Feb. 2007 schnitt. Während die Deutschen Konser- lionen der Siegerwillkür zum Opfer ge-
Das rechte Institut für Staatspolitik hat vativen in der Vergangenheit zumeist fallene Deutsche eines Gedenkens nicht
sich einer „konservativen Bestandsauf- Lobbyarbeit im vorpolitischen Raum be- für würdig befunden werden.“
Für die Landtagswahlen in Bremen
trommelt das Blatt für Spenden, man
BESTELLUNG: Hiermit bestelle ich … Stück pro Ausgabe (Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt)
wolle die dortige „starke Position mit ei-
O Halbjahres-Abo, 13 Hefte 22 Euro
Erscheinungsweise: nem sensationellen Ergebnis ausbauen“.
O Förder-Abo, 13 Hefte 27 Euro 14-täglich In Bremen wird am 13. Mai gewählt, die
O Jahres-Abo, 26 Hefte 44 Euro
DVU hat hier im Rahmen des „Deutsch-
O Förder-Abo, 26 Hefte 54 Euro
landspakts“ den Vortritt vor der NPD. Al-
O Schüler-Abo, 26 Hefte 28 Euro
lerdings ist Konkurrenz auf der Rechten
O Ich möchte Mitglied im Förderverein Antifaschistische Nachrichten werden. Der Verein unterstützt finanziell
und politisch die Herausgabe der Antifaschistischen Nachrichten (Mindestjahresbeitrag 30,- Euro). hinzukommen, was (hoffentlich) das Er-
Einzugsermächtigung: Hiermit ermächtige ich den GNN-Verlag widerruflich, den Rechnungsbetrag zu Lasten
gebnis schmälern könnte. u.b. ■
meines Kontos abzubuchen. (ansonsten gegen Rechnung)

Name: Adresse:
Die Spendenkampagne
2006 für die Antifachisti-
Konto-Nr. / BLZ Genaue Bezeichnung des kontoführenden Kreditinstituts schen Nachrichten hat
Unterschrift
1970,- Euro ergeben.
Vielen Dank allen Spende-
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln, Tel. 0221 – 21 16 58, Fax 21 53 73, email: gnn-koeln@netcologne.de
Bankverbindung: Postbank Köln, BLZ 370 100 50, Kontonummer 10419507
rinnen und Spendern!

16 : antifaschistische nachrichten 5-2007

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