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Lentralblatt fiir Okkultismus. Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften. Herausgeber und verantworilicher Schriftleiter: Max Altmann, Leipzig. XXIL Jahrgang. | Marz 1929 9. Heft Beltrtige und Zuechrifton fir das ,Zontcalblatt fr ‘Okkultiamua aind gu rioliten am desson Tlersue- gsber Max Altmann, Leipzig, Frommann- Strasse 5. Allen Zuschriften und Anfragen iat Antwortporte Lelzuiigen, ‘Die Verfaseer haben dle in ihren Arbeiten niedor- ngton Anaichtes aelbat 2 vortraten, Malbjelire- Resugspreia M, 6.— nebst 50 Pi. Porto, furs Auslend go 2g. Porto Freis ines cinzelnen Heftes susser Abonnement ‘Mk. 1.80 portofral Falls am Ente eines Jabrgaags nicht ausdrickiich Abbevtollang erfolgt, gilt der Bezug ala fir don nicheten Jahrgang verlangert, Angeigenpreiee : 20 Pig. die sinspaltige, 40 Pg, die eweispaltige Millimeterzolle baw. derm Raum Yablungsort und Gorichtsstand ist Leipzig. Alle Gelisendungen sind an die Verlagapnenhand- lung Max Altmann in Leipzig au riolten, Posivobeckkonto Nr, 52 748, Das Riétsel der Handstrahlen. Von Ernst Hentges. (Nachdruck verboten!) Seit Mesmers Zeiten ist die Tatsiachlichkeit der Handstrahlen eine strittige Frage geblieben. Zu deren Nachweis besaf} man kein physikalisches Priifungsmittel, und die Mesmeristen versuchten stets, die Wirksamkeit der vorgeblichen Handstrahlen am leben- den Objekt, an kranken oder an besonders empfindlichen Personen nachzuweisen. Die Gegner der Fluidaltheorie wiesen von Anfang an auf die geringe Beweiskraft dieser Versuche hin zufolge der mannigfachen Tauschungsméglichkeiten, die durch die Einbildungs- kraft und die unbekannten Seelenkrafte der Versuchsperson ge- geben sind. Mit zunehmender Durchforschung der dunklen Regio- nen des menschlichen Seelenlebens wurde die Position der Geg- ner des Animalmagnetismus immer starker. Es hat jedoch nicht an Versuchen gefehlt, die Tatstchlichkeit der Handstrahlen durch geeignete Apparate in objektiver Weise darzutun, Besonders die Franzosen waren in dieser Hinsicht sehr tatig. Einen guten Uberblick iiber diese verschiedenen Mefiinstru- mente gibt Dr. Bonnaymé aus Lyon in der Schrift ,,La force psy- chique et les instruments servant & la mesurer“.!) Im Nachstehen- den wollen wir die hauptsachlichsten dieser Apparate kurz be- schreiben. ') Verlag Durville. 25 rue St. Merri. Paris, Zentealbiait far Oxkubiewts, XXIT statergany Bo http://dl.ub.uni-freiburg.de/dialit/zb_okkultismus1928/0389 © Universitatsbibliothek Freiburg 386 Vielleicht war Dr. Baraduc der erste, der einen physikalischen Apparat zum Nachweis und zur Messung der Handstrahlen be- nutzte. Davon ausgehend, da die menschlichen Effluvien elektri- scher bezw. magnetischer Natur sein miiSten, benutzte Dr. Baraduc zu deren Messung das Magnetometer von Fortin, mit einigen un- wesentlichen Abinderungen. Dieses besteht in der Hauptsache aus einer flachen, ovalen Drahtspule, iiber welcher perpendikulér eine Kupfernadel an einem Seidenfaden freischwebt. Zwischen Nadel und Spule ist eine Kreisscheibe mit Gradeinteilung zur Kontrolle des Zeigerausschlages. Von den gleichen Voraussetzungen wie Dr. Baraduc ging auch de Puyfontaine aus, indem er zum Nachweis der Handstrahlen ein besonders empfindliches Galvanometer benutzte, das statt der ge- gewdhnlichen Spule von 30 bis 40 Meter Kupferdraht eine solche von 30000 bis 80000 Meter sehr feinen Silberdrahtes aufwies, Der englische Physiker William Crookes hatte einen feinen Apparat konstruicrt, der den graphischen Nachweis der Hand- strahlen dadurch erméglichen sollte, daf} das kurze Ende eines sehr langen, leichten, feinen Hebels auf einem mit diinnen Pergament bespannten Trommelrahmen ruhte, wahrend das andere Ende aut einer durch ein Uhrwerk vorbeigezogencn geschwarzten Glasplatte eine Linie zichen konnte. Das Dermoscope des Dr. Collongues bestcht aus einem vier- eckigen Glasgehiuse mit seitlichen Offnungen zur Einfiihrung der Hande der Versuchsperson. Am Dache des Gehduses ist cin ge- drehter Baumwollfaden befestigt, an dem cine Aluminiumnadel hangt, die aber ciner Kreisschcibe mit Gradeinteilung schwebt. Bhnlich ist auch der von Dr. Boirac, Rektor der Universitit von Dijon, erdachte Mefiapparat. In einer Glasglocke ist cin Sciden- faden befestigt,an dessen unterem Ende cin Strohhalm frei schwebt. Das Sthenometer des Dr. Joire gleicht in seiner auferen An- ordnung cinem gewdhnlichen Kompait: ein Aluminiumzeiger schwebt auf einer Nadelspitze tiber einer Gradscheibe. Le Goarant de Tromelin hat verschiedenartige lcichte Papier- mithlchen konstruiert, die unter der Einwirkung der Handstrahlen in Drehbewegung versetzt werden sollen. Das hierzu benutzte Ma- terial war Seidenpapier oder Staniol und Strohhalme.’) Mit cini- ger Findigkeit kann man diesen Mithichen verschiedenartige For- men geben, wie dies besonders Fayol und Vladimir Pradvin ge- tan haben. 2) Vgl. Tromelin: ,,Le fluide humain“ sowie ,,Nouvelles recherches sur le fluide humain“. Beide Schriften im Verlag von Durville, Paris. sgeterderturen dle http://dl.ub.uni-freiburg.de /diglit/zb_okkultismus1928/0390 © Universitatsbibliothek Freiburg 387 Man versuchte, auch das Strahlungsvermdgen des menschlichen Kérpers, speziell der Hinde, durch die photogeaphische Platte nachzuweisen. Der bereits erwahnte franzésische Arzt Dr. Hippo- lyte-Ferdinand Baraduc hat sich gewissermafien auf diesem Gebiet spezialisiert und das Ergebnis seiner zahlreichen Versuche in ver- schiedenen Schriften niedergelegt.2) In gleichem Sinne arbeitete auch der franzésische Kommandant Darget.*) Kurz vor dem Kriege entdeckten die Professoren Blondlot und Charpentier aus Nancy, daB die vom menschlichen Kérper ema- nierten Strahlen einen Schwefelkalziumschirm in phosphoreszie- rendes Leuchten zu versetzen imstande seien.®) Diese Effluvien wurden von den beiden Gelehrten mit der Bezeichnung. ,.N-Strah- len“ belegt, wohl allein nur, um den verpénten Namen Animal- magnetismus zu vermeiden. Angeregt durch die Untersuchungen Blondlots, die damals in wissenschaftlichen Kreisen ein gewisses Aufsehen erregten, kam der Londoner Arzt Dr. Walter J. Kilner auf den Gedanken, gewisse chemische Substanzen als Sensibilisa- toren fir das Auge zu benutzen und die Ausstrahlungen jdes menschlichen Kérpers direkt sichthar zu machen. Nach langem Experimentieren erreichte Kilner durch Benutzung von Absorp- tionsschirmen, fiir welche Farbstofflésungen von Dicyanin und Karmin oder Methylblau verwendet wurden, das gewiinschte Re- sultat. Seine Versuche werden in aller Ausfithrlichkeit geschildert in dem Werk ,,The Human Atmosphere or the Aura made visible by the aid of chemical screens‘. . Der deutsche Leser kann sich iiber die Frage des Naheren un- terrichten in der Schrift ,,Die menschliche Aura und ihre experi- mentelle Erforschung“, welche Feerhow (alias Dr. Friedr. Wehofer) im Verlag Max Altmann, Leipzig, herausgegeben hat. Die ,,Aura“ ist bekanntlich jene farbige Dunstschicht, die nach den Wahrneh- mungen Hellsiditiger den menschlichen Kérper in individuell ver- schiedenem AusmaSe umschlieSt und die man seit Reichenbach 3) Vgl. ,L’éme humaine, ses mouvements, ses lumiéres et Viconographie de Vinvisible flvidique.* Paris 1896. ~- ,,La force courbe, photographies des vibra- tions de I'éther. Loi des aura. Paris 1897. — ,,La force vitale. Nortre corps vital fluidique, sa formule biométrique.“ Paris 1895. 4) Darget. Verschiedene Methoden zur Erzeugung fluido-magnetischer und spiritistischer Photographien. Ins Deutsche tihersetzt von Dr. Lange. 1911. Verlag Weinholtz, Berlin. 5) Vgl. ,,.N-Strahlen und Od. Ein Beitrag zum Problem der Radioaktivitiit des Menschen" von F. Feerhow. 1912. Verlag Max Altmann, Leipzig. 25" | http://dl-ub.uni-freibura.de/diglt/zb_okkultismus1928/0391 “a © Universitatsbibliothek Freiburg 388 als eine odische Leuchterscheinung ansah, was schlieBlich mit den Lehren der Mesmeristen villig tibereinstimmte.*) Fiir eine Zeit schien es, als ob der vollgiltige Beweis fiir die Wirklichkeit der menschlichen Kérperstrahlung durch diese ver- schiedenen physikalischen Hilfsmittel erbracht sei. Es dauerte je- doch nicht lange, bis die Gegner des Animalmagnetismus diese Versuche einer scharfen und vernichtenden Kritik unterzogen. Was die Beweiskraft der von Baraduc und de Puyfontaine be- nutzten MeSapparate anbetrifft, so mu® darauf hingewiesen wer- den, daf’ vor ca. 30 Jahren Veragut in Ziirich die Verschieden- artigkeit der nervésen Reaktionen auf gewisse Reize durch einen Spiegelreflexgalvanometer feststellte und nachwies, daf8 der Aus- schlag des Lichtreflexes am Spiegegalvanometer proportional ist zur Itensitét des Reizes. Kiirzlich hat de Lorgeril diese Versuche nachgeprift und bewiesen, daf’ der magnetische Zustand des menschlichen Kérpers unter dem Einflu8 der Musik grofien Schwan- kungen unterworfen ist. Diese psycho-galvanischen Reaktionen ver- mdgen daher nicht die von den Mesmeristen behauptete Aus- strahlung der Lebenskraft zu beweisen. Das Dermoscope des Dr. Collongues wird in Wirklichkeit nur durch die Hautausdiinstung der Hande in Bewegung gesetzt, und die Behauptung, dafi die Hautfeuchtigkeit in direktem Verhiiltnis stehe zu der den Handen entstrémenden Lebenskraft ist véllig unbewiesen. Die ganze Freude an den mit viel Fleif} und Scharfsinn von Boirac, Joire, Tromelin, Pradvin u. a. ausgekliigelten Apparaten hat Albert Hofmann’) durch den Nachweis griindlich verdorben, dafi alle diese Drehkérper nur durch die Handpulsationen der Ver- suchsperson in Bewegung gesetzt werden. Der Puls bewirkt eine sehr schwache, von der Handwurzel zur Fingerspitze voranschrei- tende Wellenbewegung der Haut. Die Pulsschlage der Hand pflan- zen sich durch die Luft fort und diese Stéfe versetzen die Dreh- kérper in Rotation. Auch kiinstlich erzeugte Vibrationen, z. B. durch ein Metronom, elektrische Klingel, schwingenden Stahldraht und dgl., setzten diese Apparate in derselben Weise in Bewegung wie die vermeintlichen Handstrahlen. ,,Um alle Stérungen durch Warme und Luftwirbel auszuschlieSen“, schreibt Hofmann, ,,hatte ich einen sehr leichten Drehkérper in ein Glasgefaf} einschliefen ®) Reichenbachs Schriften sind in neuen Ausgaben im Verlag Max Altmann, Leipzig, erschienen. 7) Albert Hofmann. Das Rétsel der Handstrahlen. sgeterderturen dle http://dl.ub.uni-freiburg.de /diglit/zb_okkultismus1928/0392 © Universitatsbibliothek Freiburg — 389 lassen und dieses luftleer gemachte dann mit Wasserstoff fallen und -wieder auspumpen lassen. Obschon die Glaswandung auferst diinn war, gelang es doch niemals wahrend zweier Jahre andauern- der Versuche, diesen Drehkérper durch ,Handstrahlen“ in Bewe- gung zu setzen. Die Erklaérung ftir diese Erscheinung ist darauf zu- rlickzuftihren, dafi, wenn keine Ubertrdger fiir die Pulsierungs- stéfe --- keine Luft -- vorhanden sind, diese nicht tbertragen wer- den kénnen. Es diirfte dieser Zylinder das ,,Experimentum crucis“ fir die vorgetragene Erklarungsart der Drehbewegung sein und diese ,,Strahlen“ endgiltig erledigen.” Auch die Photographie der Handstrahlen, die man als beson- ders beweiskraftig ansah, ist auf die gleiche mechanische Ursache zurtickzufiihren. Der bekannte Schweizer Radiolog Dr. von Ries aus Bern hat solche Strahlungsbilder auf photographischem Wege erzeust, indem er statt der Fingerspitzen seine Taschenuhr auf die Bromsilberplatte legte. Die Schwingungen der Unruhe, die dem Pulsschlag analog sind, erzeugen einen Wirbel der Molekiile in der Bromsilberschicht bezw. in der Entwicklersubstanz, und dieser mechanische Vorgang erzeugt das Strahlungsbild. Bereits die nor- male Kérperwirme vermag eine derartige Verlagerung der Mole- kiile hervorzurufen. Dr. Yvon hat ebenfalls den Nachweis erbracht, daf die photographischen Strahlungsbilder nur eine Illusion sind, die in der Kérperwarme ihre walire Ursache findet. Wahrend eine lebende Hand stets Strahlungsbilder erzeugt, war dies nicht mehr der Fall, wenn die Hand eines Leichnams auf die photographische Platte aufgelegt wurde. Wenn man aber die Totenhand auf 35 Grad erwarmte, tief sie wieder die bekannten Strahlungen hervor. Was endlich die Kilner’schen ,,Spectauraninschirme“ anbelangft, so ist auch deren Beweiskraft hinfallig geworden, seit Hascheck nachwies, dafi die ,,Aura“ des menschlichen Kirpers durch eine langsame Oxydation der Hautausdiinstung verursacht wird und nach einer tiichtigen Seifenabwaschung sofort verschwindet. An- derseits wies Hofmann das Illusorische der Kilnerschen Experi- mente nach, indem es ihm gelang, mit geeigneten farbigen Ab- sorptionsschirmen selbst an einer Gipsstatue die ,,Aura“ sichtbar zu machen. Da die verschiedenen instrumentellen Hilfsmittel versagten, kam Dr. Gaston Durville*) aus Daris auf den Gedanken, den bio- logischen Nachweis fiir die Existenz der Handstrahlen zu ver- 8) Dr. Gaston Durville ist ein Sohn des bekannten Magnefopathen Hector Durville, dessen Biographie frither im Z. £ ©. veriffentlicht worden ist. | http://dl-ub.uni-freibura.de /diglt/zb_okkultismus928/0393 “a © Universitatsbibliothek Freiburg ~ 396 suchen und speziell deren Einwirkung auf Mikroorganismen und Faulniserreger experimentell festzustellen. Von verschiedenen Mag- netiseuren lief Dr. Durville mehrmals taglich organische Substan- zen, wie Kalbsleber, getétete Tauben, die Hand einer Leiche usw., magnefisieren und konnte dabei feststellen, daf die Vergleichs- stticke, welche der magnefischen Beeinflussung nicht ausgesetzt wurden, nach kurzer Zeit in Verwesung jibergingen, wahrend die magnetisierten Substanzen frisch blieben bezw. keine Spur der Verwesung aufwiesen. Bei diesen Versuchen wurde auch die Hand einer Leiche innerhalb 55 Tagen vollstindig mumifiziert und wurde auf dem II. Internationalen Kongrefi fiir experimentelle Psycholo- gie im Jahre 1912 zu Paris als Paradestiick vorgeftihrt, welches die Existenz der Handstrahlen bezeugen sollte. Seither wurden wiederholt derartige Mumifizierungsversuche an organischen Substanzen vorgenommen, und diese Experimente wurden in letzter Zeit in Frankreich auch verschiedentlich vor Ge- richt erwabnt als Beweis fiir die tatsachliche Existenz einer magne- tischen Krafft. So interessant die Versuche Durvilles auch sein mégeén, waren sie doch stets eine Privatsache geblieben, welcher die offizielle Anerkennung einer wissenschaftlichen Instanz fehlte. Zudem war die von Durville befolgte Versuchskontrolle sehr primi- tiv und laienhaft, indem die Beurteilung des. Verwesungsgrades lediglich vom Gesichts- bezw. Geruchseindruck der Zeugen ab- hangig war. Es war daher lebhaft zu begriifien, da im Monat januar dieses Jahres die Pariser Zeitung ,,.Le Journal* die Initiative ergriff, um diese Experimenie vor einer wissenschaftlichen Kommission nach- priifen zu lassen. Als Masnetiseur hatte sich ein gewisser Joanny Gaillard aus Lyon zur Verfiigung gestellf, dessen Ausstrahlung die Verwesung von Nahrungsmitteln verhindern sollte. Die Priifungs- kommission bestand aus den Professoren Pierre Vachet, Bérillon, Paul Farez vom Psychologischen Institut in Paris, dem Gerichts- chemiker Bayle, Dr. Dausset, Direktor am Hotel-Dieu-Hospital, den Privatdozenten Victor Pauchet und André Ombredane, sowie aus einigen Rechtsanwalten und Journalisten, darunter der als Medien- und Fakirentlarver bekannte Paul Heuzé. Die Versuchsobjekte wurden von einem Gerichtsvollzicher eingekauft und wahrend der Versuchsdauer aufbewahrt. Sie bestanden aus je zwei Stiick Tau- ben, Schleien, Kalbslebern und Rippchen. Je ein Stiick wurde von Gaillard zweimal taglich 20 Minuten lang magnetisiert, das andere diente als Vergleichsobjekt. Die Versuche fanden im Laboratorium der Ecole de Psychologie statt und dauerten 10 Tage lang. Am sgeterderturen dle http://dl.ub.uni-freiburg.de /diglit/zb_okkultismus1928/0394 © Universitatsbibliothek Freiburg BOL zweiten Tag wurde die Versuchanordnung von Kohn-Abrest, Direk- tor des Laboratoriums fiir Toxikologie, beanstandet, der darauf aufmerksam machte, daf} die Geruchswahrnehmung ungeniigend sei, um den Verwesungsgrad der Versuchsobjekte zu beurteilen, und da diese am Schluf der Experimente einer chemischen Unter- suchung unterworfen werden miifsten. Er schlug auch vor, die kon- servierende Kraft der Handstrahlen an frischem Schweineblut zu erproben, da dieses sich innerhalb ein paar Stunden zersetzt und die Zersetzung durch die Anwesenheit von Schwefelwasserstoff leicht nachweisbar ist. Gaillard erklarte sich zu diesem Versuche bereif, und am andern Tage wurde ihm eine Flasche frisches Schweineblut zur Verfiigung gestellt, das zu gleichen Teilen in zwei Schalen gegossen wurde, wovon die eine von Gaillard wahrend einer halben Stunde magnetisiert wurde. Daraufhin wurde der Inhalt der zwei Schalen in zwei keimfreie Flaschen gegossen, die versiegelf und dem stadtischen Laboratorium zwecks Analyse iiber- sandft wurden. Uber das Resultat dieser Versuche hat die Priifungskommission folgendes Protokoll errichtet: .,Die Mitglieder der Kommission, welche gebildet worden ist zwecks Briifung, ob die menschliche Ausstrahlung imstande ist, Fleisch und Nahrungsmittel vor der Verwesung zu schiitzen, sfellen fest, dai diese Kraft nicht erwiesenisf. Nach dreizehn Sitzungen waren die von Gaillard magnetisierten Substanzen in gleichem Mafie in Verwesung iiber- Segangen wie die Vergleichsobjekte. Anderseits hat die von Kohn- Abreat vorgenomimene chemisché Untersuchung des von Gaillard magnetisierten Schweineblutes ergeben, dafi die beiden Blutproben den gleichen Grad der Verwesung aufwiesen. Auf Wunsch von Gaillard sollen neue und genauere Versuche in einem Laboratorium und unter Kontrolle derselben Kommission vorgenommen werden, iiber deren Ausgang spaterhin berichtet werden soll.“ Aus diesem negativen Versuch sind allzu weitgehende Schlufi- folgerungen nicht zu ziehen. Er beweist nur das Nichfvorhanden- sein einer sterilisierenden Ausstrahlung bei Gaillard beazw. nur deren Nichtvorhandensein zu einer gegebenen Zeit. Die Tats’ch- lichkeit der Handstrahlen tiberhaupt und deren sterilisierende Wir- kung ist durch diesen Versuch zwar nich{ erwiesen, aber auch keineswegs widerlegt worden. Der-Prozefi der Handstrahlen, spe- ziell im Stadium des biologischen Nachweises, ist somit noch nicht spruchreif. Ein wissenschaftliches Urteil mu® sich aber auf wieder- holte Versuchsreihen in modifizierter Form stiitzen kénnen. | http://dl-ub.uni-freibura.de/diglt/zb_okkultismus928/0395 “a © Universitatsbibliothek Freiburg ~ 302 — Goethe und das siderische Pendel. Von Dr. Ferdinand Titze, Eine Gelegenheit, Goethe zu citieren, wird selten versdumt. Und so lieben es auch die Pendler, diesen grofien Geist vor den eigenen Karren zu spannen, indem sie behaupten, Goethe habe sich mit dem siderischen Pendel eingehend beschaftigt, denn sonst wire es nicht méglich gewesen, daf§ er den Pendelversuch Ottiliens (Die Wahlverwandtschaften, II. Kap. 11) so genau hatte schildern kOnnen. Ob die bezogene Stelle zur Begriindung dieser Behaup- tung ausreicht, mge dahingestellt bleiben. Sicher aber ist das- jenige, was Goethe vom Pendel nicht gewufst, sondern nur ge- ahnt hat, interessanter und bedeutsamer. Er spricht es in dem wunderbar geftigten Satz aus: ,Auch er gab wiederholt zu erken- nen, dafi man defiwegen, weil solche Versuche nicht Jedermann gelangen, die Sache nicht aufgeben, ja vielmehr um desto ernsthaf- ter und gritadlicher untersuchen mite; da sich gewif noch manche Beztige und Verwandtschaften unorganischer Wesen unter einander, organischer gegen sie und abermals unter einander, offenbaren wiirden, die uns gegenwartig verborgen seien.“ Sicher hat Goethe nur die Pendelreaktionen solcher Personen gekannt, die bestimmten Substanzen gegeniiber, infolge besonderer natiirlicher Veranlagung, itberempfindlich waren. Nach dem heutigen Stande der Pendelforschung kénnen wir fiinf Hauptarten des Pendelns unterscheiden, und zwar: 1. Das unmittelbare Bependeln des Objekts, 2. das mittelbare Bependeln des Objekts, 3. das unmittelbare Erpendeln der Beziehungen, 4. das mittelbare Erpendeln der Beziehungen, 5. das Pendeln nach Vor- stellungen, und zwar a) auf Grund der Vorstellung des Objekts, b) auf Grund der Vorstellung des Ausschlages. Von diesen fiinf Arten kannte Goethe, wie bereits erwahnt, sicher nur die erste, das unmittelbare Bependeln des Objekts, und diese nur in ihrer primitivsten Form. Mit dem citierten Satze aber trifft er in vollkommenster Weise die drifte und die vierte Art, und somit das ganze Erpendeln der Bezichungen, das ist die Ge- samtheit jener Versuche, die in der Praxis von gréfter Bedeutung sind und die, meiner Uberzeugung nach, allein auf breiterer Grund- lage Anwendung finden werden. Hierher gehdren alle Versuche gax Feststellung der Bekémmlichkeit von Nahrungsmitteln, zur Auswahl! der wirksamsten Medikamente, alle Versuche zur Iden- fitatsbestimmung, zur Enmittelung der persdnlichen Wirkungen sgeterderturen dle http://dl.ub.uni-freiburg.de /diglit/zb_okkultismus1928/0396 © Universitatsbibliothek Freiburg 393 edeler Steine und Talismane, zur Ermittelung des Aszendenten bei unbekannter Geburtszeit usw. usw. Von allen Arten des Pendelns liefert das Erpendeln von Be- zichungen die verl&(lichsten Resultate, und zwar insbesondere dann, wenn der Pendler Bezichungen seiner eigenen Person fest- zustellen hat, also bei jenen Experimenten, bei denen er gleich- aeitig Subjekt und Objekt ist. Ein besonderer Vorzug dieser Art des Pendelns ist dic leichte und daher sichere Deutung der erziclten Ausschlage. Die Regel, da® Verbindungskurven auf giinstige, Trennungsstriche auf un- giinstige Bezichungen schlicfien lassen, und dafi der Grad der Be- zichungen durch Gréffe und Intensifat der Ausschlage angezeigt wird, wird nur sehr selten durchbrochen. (Einkreisen besonders schidlicher Objekte.) Pendelruhe gilt als Zeichen des Fehlens giinstiger oder ungiinstiger Bezichungen bezw. Wirkungen, also als Zeichen der Neutralitat. Eine sehr interessante Divergenz ist bei der Vornahme jener Versuche festzustelien, die der Identitatsbestimmung dienen. Bei der Feststellung des Schreibers irgend eines Schriftsttickes arbeiten manche Pendler so, dafi sie die Identitat des Schreibers durch Ein- tritt der Pendelruhe, also durch das Aufh6ren der Schwingungen tiber dem Objekt, feststellen, wahrend andere Pendler die gleiche Feststellung durch eine Verstarkung der Ausschlage vornehmen. Es liegt also der an sich befremdende Fall vor, da zwei Pendler auf Grund diametral entgegengesetzten Verhaltens des Pendels zu dem gleichen Schlusse kommen. Dic Erklarung hierftir liegt in einem ganz feinen Konzentra- tionsunterschiede. Bei dem ersten Pendler arbeitet die Konzen- tration so: ,,Ich will den Schreiber dieses Schriftstiickes feststellen.“ In dem Augenblick, in dem der Pendier den entsprechenden Ver- gleichseindruck empfangt, ist die Aufgabe gelist, die Spannung laBt nach, das Pendel stellt die Schwingungen ein. Der zweite Pendler will den Schreiber. gleichfalls feststellen, seine Konzentra~ tion macht aber einen kleinen Umweg, ihre Formel lautet: ,,Ich suche jene Person, die den gleichen Eindruck liefert wie das Schriftstiick.“ Tritt dieser Eindruck auf, dann aufsert er sich durch eine Verstarkung des Vergleichseindruckes, die dann zu einer Stei- gerung der Schwingungsintensitat fihrt. Die besprochene Verschie- denheit der Arbeitsmethoden ist natiirlich nicht nur fiir die Praxis von Belang, sondern auch ftir die Theorie von héchster Bedeutung. Sie spricht laut und deutlich zu Gunsten der Annahme, daf die Schwingungen des siderischen Pendels die Auswirkung von Reak- | http://dl-ub.uni-freibura.de /diglt/zb_okkultismusi928/0397 “a © Universitatsbibliothek Freiburg 394 Onset caf Bindetidke sid, die das pendeladé Sabjelt wantittelbar vorr bependelten Objekt empfangen und seiner Eigenart ent- sprechend verarbeitet hat, da sich somit das Pendel selbst ledig- lich als Zeiger darstellt, der das Ergebnis des Kontaktes zwischen Subjekt und Objekt registriert. Diese Ansicht wird auch durch die normale Art der Vornahme der Bezichungsyersuche Halten des Pendels zwischen den Objekten —_unterstiifzt, was darauf hindeutet, da® als Bewegungs- ursache vom Objekt ausgehende Impulse, die von auSenher auf das Pendel wirken, nicht anzunchmen sind. Ob sich Goethe des néheren mit der Feststellung der Bewegungsursachen des side- rischen Pendels befaBt hat, ist nicht nachweisbar. Wohl ist bei dem Formate seines Geistes anzunehmen, da er nicht achtlos an dieser Frage einfach voriiberging, aber cine Ansicht dariber hat er nicht niedergelegt. Jedenfalls steht es fest, daf} Goethe mit der Annahme der Verwendbarkeit des siderischen Pendels als Hilfs- miftel zur Findung neuer Erkenntnisse den Kern des Problems erfafit hat. Die materialistische Driisenwissenschaft und die okkulte Heilmethode. Von K. Stark. Die Manner der sogenannten exakfen Wissenschaft befassen sich in der neusten Zeit eifrig mit der Erforschung der Driisen und erhoffen davon gewalfige Fortschritte in der arzflichen Kunst. Der Fortschritt ware zu begriiGen, wenn nicht durch gewisse einscitige Darlegungen dem Materialismus stark Vorschub geleistet wtirde. So schrieb der englische Schriftsteller Sir Philipp Gibbs auf Grund der bereits vorliegenden wissenschaftlichen Resulfate und Untersuchungen in seinem Buch ,,.Die Welt von tibermorgen": ,,Die arztliche Wissenschaft ist im Augenblick daran, den menschlichen Organismus und die Lebensdauer des Menschen einer griindlichen Untersuchung zu unterziehen. Die Mdglichkeit, das menschliche Leben kiinstlich zu verlangern, ist noch langst nicht das verbltif- fendste Resultat, das sich bei diesen Untersuchungen als méglich herausgestellt hat. Wie kommt es, dafi manche Menschen mutig, manche feige sind, wieso entwickelt sich bei diesen ein phlegma- tisches, bei jenem ein cholerisches Temperament, wieso gelangt der eine auf die hichstmégliche Stufe der Entwicklung, wahrend der andere sich vollkommen anormal auswachst? Alles das kommt, wie sgeterderturen dle http://dl.ub.uni-freiburg.de /diglit/zb_okkultismus1928/0398 © Universitatsbibliothek Freiburg — 395 man gefunden hat, von den sogenannten inneren Sekretionen, d. h. den Ausscheidungen, die gewisse Driisen, die man frither wenig beachtete und kaum kannfe, den inneren Saften des Kirpers zu- ihren.“ Man mag der Méglichkeit, das menschliche Leben auf kiinst- lichem Wege zu verlingern, skeptisch gegeniiberstehen, immerhin wird man das Bestreben der Wissenschaftler, durch bestimmte chemische Prozesse oder operativen Eingriffe aus den tibelsten Verbrechern gutartige Mitglieder der menschlichen Gesellschaft zu machen, mit Sympathie verfolgen miissen. ,,In den Gerichten der Zukunft", so sagt Sir Gibbs weiter, ,,werden erfahrene Arzte zu- gegen sein, die den zum Tode Verurteilten einer arztlichen Unter- suchung unterziehen, um die biologischen Ursachen fiir das Ver- brechen herauszufinden. Nach Meinung der bekannten Spezialisten Williams und Hoog gibt es eine besondere Kindheitsdriise, die Thymus, die den Grund zu der geistigen Abnormitat bildet, die den Verbrecher kennzeich- net. Normalerweise ist diese Driise beim Neugeborenen am gréf- ten, geht im Pubertatsalter stark zuriick und verschwindet bei 80jahrigen Greisen vollstindig. Bei dem grifiten Teil der Ver- brecher tritt nach den Forschungen der genannten Gelehrten der normale Schwund dieser Driise nicht ein, so daf} man in dieser Beziehung sagen kann, dafi der typische Revolverheld in gewisser Weise nur ein grofes Kind ist, das die Indianer- und Rauberspiele seiner Kindheit nun auf verhangnisvolle Art und Weise fortsetzt, weil die bése Driise ihn allzu kindlich gelassen hat. Man wird ihn zukinftig nicht mehr zum Tode verurteilen, sondern durch eine schmerzfreie Operation oder entsprechende Diat die Entwicklung der Driise derart beeinflussen, daf} er zu einem normalen Menschen wird.” Wenn das, was Sir Gibbs schreibt, vorerst nur Hoffnungen sind, so ist das Buch mit den Gedanken, daf} die sogenannte exakte Wissenschaft allein alles kann, geeignet, den Materialismus sehr zu férdern. Man braucht sich nach dieser Lehre selbst keine Miihe geben, seine Schwachen und Leidenschaften durch den eigenen Willen und geistige Kraft zu beherrschen, denn wenn sich Gift- driisen gebildet haben, werden die Menschen operiert, und wir haben nach Sir Gibbs Darlegungen gute und brauchbare Biirger. Wir wollen selbst, dies wire méglich, und wir wiinschten, dai man allen Materialisten, allen die auf Moral, Religion und Gewis- sen nichts geben, schnellstens ihre Giftdriisen herausnehmen méchte, damit das Weltgewissen erwacht und die grofien Weltverbrechen | http://dl-ub.uni-freibura.de/diglt/zb_okkultismusi928/0399 “a © Universitatsbibliothek Freiburg 396 aufhéren. Ich glaube aber, dai die Gewissenlosen nach der Ope- ration bald wieder riickfallig werden, wenn sie sich keine Miihe geben und nicht den Willen haben, gegen alle Leidenschaften, Un- belehrbarkeit und Verstocktheit zu kampfen. Es warden sich sofort wieder Gifte entwickeln, die eine geistige Tritbung zur Folge haben, die zu Unordnung und Verbrechen unter der menschlichen Gesellschaft fihrt. Der oberste Weltenrichter wird sie nicht von Schuld freisprechen, denn die bise Driise ist nicht Schuld an den Verbrechen. Die bse Driise ist vielmehr die Folge von geistiger Unreinheit. Gebrauche deinen Willen zum Guten und beherrsche deine Leiden- schaften, dann wird die bése Driise verschwinden. In der Offen- barung Johannes ist schon die Rede von der bésen Driise; denn es steht geschrieben: ,,Und es ward eine arge und bise Driise an der Menschheit, die das Malzeichen des Tieres hatten und die sein Bild anbeteten.” Damit ist das materialistische Jahrhundert gekenn- zeichnet. AnschliefSiend an diese Betrachtungen sei einiges iiber die Ur- sachen gewisser Krankheitserscheinungen, denen gewisse Men- schentypen besonders unterworfen sind, gesagt. Beachtenswert ist die Erwahnung Sir Gibbs, da} eine entsprechende Diat die Ent- wicklung der Driisen beeinfluBt. Jedenfalls ist die verfeinerte Kost, abnorme Geniisse und vorwiegende Fleischkost schuld an den auftretenden Geschwulstbildungen, denn auffallend groft ist die Zahl der Menschen, die heute an Magengeschwiiren leiden, die leider off genug durch falsche Belehrung irregefiihrt werden. Ein ttichtiger Arzt muf ein guter Menschenkenner, Geistes- und Seelen- arzt sein, der erkennt, welchem Typ und Temperament der Kranke angehért, um dementsprechende Anweisungen, besonders in der Ernahrung, geben zu kénnen. Wenn z. B. ein dem elementaren Typ angehiriger Mensch bei reichlicher Fleischkost, wie es off bei Schlichtern zu beachten ist, blithend und gesund aussieht, so sollten die Arzte nicht den Schluf daraus ziehen, dafi alle nach diesem Kostbeispie! gesund werden miissen. Ich gehe nun etwas naher auf die verschiedenen Typen, ihre Eigenart und Ernahrung ein. Wer sich dem physiognomischen Stu- dium widmet, weifl, da der Geist und die Seele, verbunden mit einem starken Willen, den stofflichen Kérper so beeinflussen kann, da die geistige Veranlagung an den Gesichtsziigen, Handformen und am Gang und Haltung des Menschen zu erkennen ist. Es gibt bekanntlich vier Temperamente, ein sanguinisches, ein galliges oder cholerisches, ein nervéses oder melancholisches und das phleg- sgeterderturen dle http://dl.ub.uni-freiburg.de /diglit/zb_okkultismus1928/0400 © Universitatsbibliothek Freiburg 307 matische Temperament, Dazu kommen noch die gemischten Tempe- ramente, zu denen wohl die meisten gehéren. Dem sanguinischen Temperament ist Wille, Beweglichkeit und Arbeitsamkeit eigen. Dem phlegmatischen Temperament fehlen diese Eigenschaften. Beide Temperamente kann man zu den Vielessern zihlen, es kommt bei ihnen mehr auf Quantitat als auf Qualitit an. Das sanguinische Temperament zeichnet sich durch seine bliihende Ge- sundheit aus, es wird auch wegen seiner vollkommenen physischen Kraft und seinem gut entwickelten Muskelsystem das athletische Temperament genannt. Das nachste, das gallige oder cholerische Temperament ist der Typ der Feinschmecker, im allgemeinen ge- sprochen. Es ist zu beobachten, daf} unter diesem Temperament die Magenleiden schon haufiger vorkommen. Da sich unter diesem Typ die intelligenteren Kopfarbeiter befinden, so ist oft die ange- strengte Kopfarbeit an den Verdauungsstérungen schuld, ander- seits aber auch die Unzufriedenheit in vielen Angelegenheiten, so auch in der Ernfhrung durch das unbefriedigte wahlerische Suchen nach anderen Speisen und Reizen, nachdem die Zunge von den Speisen von gestern schon wieder genug hat. Das ntchste, das nervése odez melancholische Temperament, ist fir uns am interessantesten. Es gibt wohl keinen Menschen, der so mifiverstanden wird wie der Nervése. In vielen Fallen dauert es oft lange, bis er selbst begreift, was das Leben von ihm will. Der Nervise haf meistens cine gcistige oder philosophische Hand, seine sentimentale Veranlagung, hochgradige Empfindlichkeit und der durchdringende Verstand ermdglichen es ihm, dic Widerspriiche des Lebens scharfer zu erkennen als die anderen Menschen. Durch seine gewissenhafte Veranlagung erkennt er die gewissenlosen, leichtsinnigen und gleichgtiltigen Taten seiner Mitmenschen. Da er nun sieht, da er an dem Weltunrecht nichts andern kann, wird er oft derart gereizt und verargert, da® er nicht selten zum un- gliicklichen Melancholiker wird. Sentimentale Menschen leiden oft unter Verdauungsstérungen. Seit der frtthesten Zeit wurde darum gestriften, wo die Secle ibren Sitz im Korper hat, und die Beobachter der neuen Zeit kom- men zu dem Resultat, dafi die Seele mit dem Magen und den Ver- dauungsorganen in gegenseifiger Becinflussung stehen miisse. Dic~ ser Ubelstand 1a8t sich allerdings durch keine Operation entfernen, denn man kann dem Menschen die Seele nicht aus dem Leibe nehmen. Die Seele und die hochgradige Sentimentalitat ist cinmal da, und es kommt nur darauf an, wie man durch cigene Willens- kraft den unangenehmen Begleiterscheinungen begegnet. Die Natur | http://dl-ub.uni-freibura.de/diglt/zb_okkultismus1928/0401 “a © Universitatsbibliothek Freiburg ~~ 398 formt kein Geschdpf, ohne ihm die Kraft mitzugeben, die es zum Leben bedarf. Der Sentimentale besitzt eine starke innere Lebens- kraft und Ausdauer, Leiden und Schmerzen zu tiberwinden, bei denen ein anderer oft unterliegen wiirde. Es gibt zwei Arten von Lebenstrieben, was wir schon beim Tiere beobachten kinnen. Die eine Gattung ist wild und bésartig, die andere gutmiitig und ruhig. Die Ursache hieran haben wir in der Ernthrung und der Beeinflussung auf den Kérper zu suchen. Ein Raubtier wird von Blutdurst gereizt, der seine ganze Natur wild beeinflufit. Eine gewisse Wildheit und Reizbarkeit kénnen wir selbst noch beim Menschen beobachten, denn ein Mensch, der sich betrinkt, soda er den Verstand verliert, ziigellos im Essen und Trinken ist und scharfe und gewiirzte Speisen zu sich nimmt, lafit allen Leidenschaften freien Lauf und wird ein Sklave der ge- schlechtlichen Ausschweifungen. Unfahig, sich geistig aufzuraffen, folgt er willenlos den Gesetzen des Stoffes. Aber auch dann ist der Mensch noch nicht ganz verloren, denn er lernt an den zerstérenden Wirkungen, an Krankheit, Schmerz und Leiden, und im Innern regen sich die besseren Lebenskrafte. Die Seele, die fiir das Gute wirkt, da sie die Kontrolle iiber die Handlungen des Menschen ausiibt, erwacht erst durch die Reize, die in Form von Enttauschung, Leid und Schmerz einwirken. Durch grofie Triibsal werden ein freies Nervensystem und starke seelische Empfindungen entwickelt. Aber ist denn der sentimentale Mensch dazu verurteilt, da er nervés wird? Es kommt allerdings oft vor, daf} Sentimentale unter der Last zusammenbrechen, besonders dann, wenn dufsere Mif- stande mitwirken, soziales Elend und Krankheit. Die Folgen davon sind dann meistens Hysterie und Neurasthenie, denn das Sonnen- geflecht, das hinter der Magengrube liegt, krampft sich zusammen und der Kranke hat an schwerer Nervenzerriittung zu leiden, Die Natur stellt allerdings off furchtbare Aufgaben, aber der Mensch soll am Widerstand nicht zusammenbrechen, sondern wachsen. Der Sentimentale mu unbeeinfluBt, was um ihn her vorgeht, seine innere Kraft finden, die Ruhe und den Frieden. Damit be- kommt er wieder seine Nerven in die Gewalt. Mit dem inneren Frieden kommt tiefe, echte Religidsitét tiber ihn. Der innere Mensch hat sich mit den héheren Schwingungen des Universums in Einklang gebracht. Hat der Kérpar durch einen Nervenzusam- menbruch stark gelitten, so erfordert dies groBe Geduld und Aus- dauer, um die verlorene Gesundheit zu erlangen. Der Sentimentale sollte vegetarische Kost wahlen. Schon die Alten haben erkannt, sgeterderturen dle http://dl.ub.uni-freiburg.de /diglit/zb_okkultismus1928/0402 © Universitatsbibliothek Freiburg 399 daft fiir.diesen Typ die sogenannten Fastenspeisen dic geeignetsten sind. Der Nervise ist meistens mager, die Haut wei und durch- sichtig. Interessant sind dic Untersuchungen in der Berliner medizini- schen Universitatsklinik, wo festgestellt wurde, dai dic Haut der- mographisch veranlagter Personen nach Reizung, indem man den Riicken mit Biirsten bearbeitet, cinen chemischen Stoff absondert, der ins Blut tibergeht, auf die Magendriisen einwirkt und so die mangelhafte Absonderung von Magensaft und Magensaure erhiht. Da der sentimental veranlagte nervése Typ unter diesen Krank- heitserscheinungen besonders leidet, ist zu wiinschen, dafi diese Forschung guten Erfolg hat. Dermographie heifit Hautschrift. Es gibt naémlich Menschen, deren Haut eine ungewéhnliche Empfind- lichkeit besitzt, Fahrt man bei diesen mif dem Fingernagel tiber die Hautoberflache, so treten nach wenigen Minuten an den be- treffenden Stellen die Striche als Zeichnung in blutroter Farbe hervor. Es ist zu wiinschen, dafi die exakte Wissenschaft Hand in Hand mit der okkulten Wissenschaft arbeifen wiirde; jedenfalls ware damit dem Fortschritt besser gedient, als wenn sie immer mehr dem Materialismus huldigt. Okkulte Praxis. Geisteskrfte und Geister im Dienste der Menschen. IL. Die Geisterwelt. Von Josef Dirr. »Die Geisterwelt ist nicht verschlossen, Dein Sinn ist 2u, Dein Ohr ist tot. (Goethe) Die gewaltige Welle des Okkultismus, welche heute iiber alle Lander fegt, reiSt immer mehr Menschen mit sich und regt auch kiihlere Naturen dazu an,-sich vor allem einmal eingehend mit der Grenzwissenschaft, welche das Diesseits eng mit dem sogen. Jen- seits verbindet, zu befassen. Viele werden hauptsachlich darum zu solchem Forschen angetrieben, um sich fiir die Tatsachlichkeit des Fortlebens nach dem Tode Beweise zu verschaffen. Im allgemeinen aber beschaftigen sich weit mehr Menschen theoretisch und vor allem praktisch mit der auferhalb uns liegenden Geisteswelt, als man gemeinhin annimmt. So schatzt man allein in Deutschland tiber eine Million Spiritisten in geheimen und offenen Zirkeln sowie rein privater Seite. Diese Riesenzahl dirfte aber in Betracht des | http://dl-ub.uni-freibura.de /diglt/zb_okkultismus1928/0403 “a © Universitatsbibliothek Freiburg - 400 immer steigenden Interesses fiir die Probleme des Okkulten noch Jange nicht ihren Hihepunkt erreicht haben. Nicht minder grof ist die Zah] der Halbskeptiker, welche zwar okkulfte Phanomene anerkennen, diese aber restlos als Manifestationen bezw. auto- mediale Aufferungen des Unterbewuftseins --- von Medien oder Teilnehmern stammend -— betrachten. Sind nun alle okkulten Phanomene animalischen Ursprunges, oder gibt es tatsachlich eine Geisterwelt? Diese Kardinalfrage tritt heute mehr denn je an den Menschen des Tages heran, denn sie bezieht sich nicht allein auf den Spiritismus, sondern auf den ganzen Okkultismus in all seinen Phasen. Diese wuchtige Frage verstandesobjektiv allgemeinbefriedigend zu beantworten, ist kei- néswegs eine leichte Sache. Das bisher einwandfreieste Forschungsergebnis, welches einer vernunftgemafien logischen Begriindung jederzeit standhalt, ist folgendes: Alle magischen Aufferungen entstehen entweder in der Seele, oder realistischer ausgedriickt: in den Tiefen des menschlichen Unterbewufitseins, oder aber sie kommen durch Vermittlung des- selben von einer wirklich auffer uns befindlichen Geisterwelt. Un- sere grobsfofflichen fiinf Sinne kénnen keine feinstoffliche, tiber- sinnliche Energie oder Erscheinung wahrnehmen, auSer diese wiirde sich durch Gerausche an physischen Gegenstaénden oder durch Fort- bewegung derselben grobsinnlich bemerkbar machen, was aber zu den selteneren Fallen zahlt. Sonst aber ist nur die magische Seite der Seele imstande, Ubersinnliches in jeglicher Form aufzugreifen und als feine, radio-energetische Schwingungen auch der physischen Finfsinnenwelt in Eindriicken und Bildern zu iibermitteln. Diese magische Seite der Seele, das UnterbewufStsein oder der transzen- dentale Sinnenkomplex, kann sowohl von uns selbst wissentlich oder unbewuft durch Wille, Wunsch, Vorstellung, Erwartung in Aktion gesetzt werden, als auch auf die energetischen Schwingun- gen der uns umgebenden Gedankenwelt Lebender und die Einfliisse der Geisterwelt reagieren. Der Schwerpunkt der ganzen Sache liegt nun hierin, die okkulten Aufferungen in jeder Hinsicht immer auf das wahre Ursachenkonto zu setzen. Auf keinem Gebiete hat es wohl mehr irrefiihrende Ubertreibungen, namentlich im Sinne von Geisterkundgebungen und Trugschliissen gegeben, als auf die- sem, sich mit der Geisterwelt befassenden. Trotzdem soll das den denkenden Menschen nicht abschrecken, zu den Ratseln und Ge- heimnissen der Geisterwelt vorzudringen und den Vorhang zu lGften, hinter welchem eine rein seelische Welt lebt und wirkt. sgeterderturen dle http://dl.ub.uni-freiburg.de /diglit/zb_okkultismus1928/0404 © Universitatsbibliothek Freiburg 401 Unsere grofien Religionen, hauptsichlich Juden- und Christen- tum, fufen in Uberlieferungen und auch in ekstatischen Erfahrun- gen und mystischem Erschauen in der Tatsache einer aufserhalb der im menschlichen Kérper befindlichen Seelenwelt. Nachst dem Glauben an ein Weiterleben iiber die fleischliche Hiille hinaus ver- treten sie auch den Glauben an eine von der menschlich individu- alen Seele sehr verschiedene Geisterwelt, welche streng in zwei Prinzipien geteilf werden. Es sind dies Gott und sein Gegenpol: der Teufel, ihre Regionen mit den himmlischen und hillischen, guten, reinen, gottahnlichen und bésen, siindengefallenen, niederen Geistern. Um nicht weitschweifig zu werden, muf die nahere Erérterung dieser Geisterspharen iibergangen werden. Der Glaube, mit diesen Geistern, welcher Sphare sie angehéren mégen, in Verkehr treten 2u kinnen, ist so alt wie die Menschheit selbst, und dieser Glaube entbehrt durchaus nicht einer realen Begriindung. Von der grauen Vergangenheit bis hinein in die Jetztzeit haben sich selbst die intelligentesten Képfe, welche frei von dem, was man’ gemeinhin mit Aberglauben bezeichnet, waren und sind, experimentell mit die- sem Problem befaft. Die Art und Weise mit der Geisterwelt in Verkehr zu treten, hat sich im Verlaufe der Jahrtausende und Jahrhunderte verschiedentlich geindert, aber im Grunde ist der Verkehr mit der Geisterwelt in friiheren Zeiten mit dem heutigen Spiritismus durchaus identisch. Die Berichte aus allen Zeiten und Landern iiber den Verkehr mif

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