Sie sind auf Seite 1von 16

Wolfgang Cernoch

EVIDENZ UND HORIZONT IM NATURALISMUS


Eine Kritik an der postanalytischen Philosophie von
Donald Davidson und Willard O. Quine
Nackte Version

1. Konstitution und Überwindung der Oppositionen.


Zu Donald Davidson’s Strategie zur Unmittelbarkeit.

Ich bin zwar der Ansicht, daß Oppositionen spekulativ überwunden


werden müssen. Aber ich bin auch der Ansicht, daß die meisten
Oppositionen konstitutiv zur Bestimmung von aneinander abbildbaren
Bedeutungungsmengen sind.
Ich verstehe nicht, warum zuerst eine logische Entgegensetzung aufgelöst
werden soll, ohne die jeweilige Bedeutung oder die nähere logische
Bestimmbarkeit des Bikonditionals zu diskutieren. Noch weniger verstehe
ich, weshalb anschließend wiederum eine, diesmal unbegründete,
Opposition errichtet wird, welche die erste, konstitutive, Opposition
ausschließt.
Meine Kritik bezieht sich zuerst auf die Wiedereinführung des ein- und
ausschließenden Paradigmas des Opposition, das aufgehoben worden ist,
um das aus dem Paradigma entstandene Problem zu lösen. Die
Wiedereinführung bleibt unbegründet.
Meine zweite Kritik betrifft die Art und Weise des Versuchs der
Überwindung der zum logischen Gegensatz gesteigerten Opposition von
Internalismus und Externalismus, der auf einen Ausschluß des Problems
hinausläuft. Ich bestreite, daß die Aufhebung in der Konsequenz
widerspruchsfrei bleibt, und ich bestreite die Angemessenheit der Lösung.
Der Gegensatz von Internalismus und Externalismus ist die
Voraussetzung für die Denkmöglichkeit des Positionswechsel von
Bedeutungen zwischen subjektivem Furwahrhalten und objektiver
(überprüfbarer) Übertragbarkeit in der Anwendung und in der
Kommunikation schon bei Freges Konstruktion wissenschaftlicher
Wahrheit, die der logischen Wahrheit vorauszugehen habe. Dieser
Positionswechsel wiederum ist in der einfacheren Fassung als der
Differenz von »innerer Erfahrung« und »äußerer Erfahrung« gemäß der
Raum- und Zeitbedingungen sowohl die Voraussetzung für Tarskys
Bikonditional wie für die starre »kausale Referenztheorie« der
behavioristischen Konditionierungstheorie. Beide Interpretationen des
—2—

Bikonditionals wären bei völliger Auflösung des Gegensatzes von


Internalismus und Externalismus weder nötig, noch möglich.
Der Gegensatz von Internalismus und Externalismus ist in der
Vorstellung des Positionswechsels implizite enthalten oder eine
Schlußfolgerung aus dem Positionswechsel der Bedeutung. Da der
Positionswechsel der Bedeutung auch die Voraussetzung für die
Bikonditionale in der Theorie Davidsons ist, ist der Gegensatz von
Internalismus und Externalismus implizite in der »kausalen
Referenztheorie« und dem umgedrehten Tarski-Bikonditional enthalten,
oder eine Schlußfolgerung aus diesen Bikonditionalen. Die Frage ist,
weshalb die Aufhebung des Bikonditionals (hier: des logischen
Gegensatzes) den ausgedrückten Unterschied mit aufheben sollte, ich
erwarte eher einen Übergang von ausschließendem Oder zum nicht-
ausschließenden Oder.
An diesem zentralen Beispiel ist zugleich zu ersehen, wie manche
Oppositionen miteinander zu tun haben, und deshalb eine konstitutive
Auswirkung in Hinblick der Topologie der Reflexion über die Bedeutung
von »Bedeutung« als aufeinander verweisende Platzhalter der jeweilig
aufeinander bezogenen »Andersheiten« entfalten.

2. Distalität, die Axiomatisierung von Objekt- und Metasprache und die


»kausale Referenztheorie« Quines

Ich postuliere der Einfachheit halber: Um so schwächer die


Sprachkompetenz und die Sachkompetenz, um so eher greift das starre
Modell der Konditionalisierung. Zusatz: Sachkompetenz geht vor
Sprachkompetenz.
Das dazu symmetrische Postulat: Um so stärker die Sprachkompetenz
und die Sachkompetenz, um so eher wird auch verstanden, wie unsere
jeweiligen kollektiven Grundannahmen (oder unsere wissenschaftlichen
Auffassungen) über die Ereignisse in der Welt entstanden sind. Zusatz:
Sprachkompetenz und Sachkompetenz wechseln sich ab.

Wenn »distal« dreierlei bedeutet:


(i) in der Anatomie eine Lage- und Richtungsbezeichnung, die vom
Körperstamm nach außen gerichtet oder von der Körpermitte weg
gerichtet ist
—3—

(ii) in der Geologie eine Lagebezeichnung, die einen in Bezug zu einer


Sedimentationsquelle entfernten Ablagerungsort bezeichnet
(iii) in der Sprachwissenschaft eine deiktische Kategorie
so möchte ich in einer allgemeinen semantischen Theorie die formalen
Aspekte aller Arten von Gebrauch (die nähere Bestimmung der
Bedeutung) von »distal«: Anatomie, Geologie und Sprachwissenschaft
berücksichtigt wissen. Damit wird die leere Indexialität der deiktischen
Kategorie interpretierbar.
Die Wahrnehmung und die Erfahrung mit Wahrnehmungen sind
selbstverständlich am Objekt zu machen. Es widerspricht aber schon allen
entwicklungspsychologischen und lerntheoretischen Erfahrungen, unter
Erfahrung grundsätzlich und ausschließlich Konditionierung zu
verstehen. Allein schon der Versuch, in der Semantik eine derart strikte
Unterscheidung einzuführen, die erlauben könnte, ausschließlich und
alleinstehend für solche Bedeutungen eine Semantik verläßlich zu
unterscheiden, deren Gehalte nichts als ein Ergebnis einer
Konditionierung vorstellen, kann gleich aus mehreren Gründen nicht
gelingen (es ist definitiv nicht etwa von Bedeutungen die Rede, die per
Sinnesreize als konditionierbar gedacht werden).
Bedeutungen, die im Zusammenhang mit sinnlicher Wahrnehmung
notwendigerweise auch in Zusammenhang mit Sinnesreizen stehen, sind
selbst nicht im Sinne eines Basissatzes einer bestimmten Theorie normiert.
Es gibt eine Weise zu wissen, daß wir hören, ohne zu wissen, wie das
genau funktioniert, und ohne genau zu wissen, was wir hören
(Aristoteles, De Anima). Ähnlich soll der Einteilungsversuch der Semantik
mit Hilfe der »kausalen Referenztheorie« eine Normierung erst erzeugen.
Für Normierungen der Semantik an einem Modell zu einer Objektsprache
ist allein die Metasprache zuständig. Von ebenda wird aber auch die
»kausale Referenztheorie« in Stellung gebracht, es scheint also alles in
Ordnung zu sein. Zwei Einwände:
(1) Inwieweit ist die Konditionierungstheorie der Bedeutungsentstehung
allein aus dem Umstand eines konstruierbaren Systems von
Objektsprache und Metasprache ableitbar? Woher stammt sonst das Motiv
der Entscheidung, sprachliche Bedeutungen sinnlicher Reize entstünden
durch Konditionierung?
(2) Inwiefern bildet die Konditionierungstheorie der
Bedeutungsentstehung eine Objektsprache aus, ohne bereits ihrerseits
—4—

zugleich eine Metasprache mit einem Mindestset von Axiomen


voraussetzen zu müssen (Dummett)?
Ad (1) Das Motiv für Davidson ist die Erfüllbarkeit des Tarski-(Bolzano)-
Bikonditionals nach der Ausbildung einer Objektsprache, was mit der
Normierung der Semantik und der Ausbildung eines Modells in der
Konsequenz zusammenfällt. Es wird der einfachsten Erfüllbarkeit der
Bedingungen der Axiomatisierbarkeit der Metasprache der Vorzug
gegeben, obgleich es um die Axiomatisierbarkeit einer Objektsprache geht.
Die Äquipollenz der Bedingungen der Axiomatisierung der Metasprache
und der Bedingungen der Axiomatisierbarkeit der Objektsprache ist aber
gerade im Falle von Bedeutungen, die im Zusammenhang mit sinnlichen
Wahrnehmungen notwendigerweise im Zusammenhang mit Sinnesreizen
stehen, ausgeschlossen. Ich charakterisiere diesen Unterschied in der
logischen Behandlung, welcher die Verwechselbarkeit der Konstitution
von Objektbedeutungen und Bedeutungen von sinnlichen
Wahrnehmungen überhaupt erst ermöglicht, logisch vorläufig mit den
Hinweisen auf Tarski und Hilbert (vgl. hier weiter unten drittes Kapitel).

Da, was die verschiedenen Axiomatisierungsarten betrifft, kein
deduktives (formalimplikatives) Ableitungsverhältnis zwischen
Metasprache und Objektsprache besteht, halte ich die Annahme, die
Metasprache könnte der Objektsprache eine bestimmte Lösung des
Problems der Semantik dieser besonderen, auf sinnliche Wahrnehmungen
referierende Beobachtungssätze vorschreiben, für widerlegt. Die
Beobachtungssätze sind als solche noch nicht Basissätze einer bewährten
Theorie, und als solche noch weniger abhängig von einer bestimmten
Theorie als bereits von dieser genormte Basissätze, die als solche
zumindest prinzipiell als der Möglichkeit nach deduzierbar angesehen
werden könnten, solange sie nicht falsifiziert werden. Insgesamt wird die
Metasprache erst bei längeren zusammenhängenden Texten oder in der
expliziten Theoriebildung für die Normierung der Semantik einen
bedeutenden Einfluss besitzen.
Ad (2) Das Mindestset von Axiomen, das jede Theorie der
Bedeutungsentstehung an dieser entscheidenden Stelle der Ausbildung
eines Systems von Objektsprache und Metasprache benötigt, rückt immer
ein in das Set der Metasprache, ob es die Konditionierungstheorie
(»kausale« Referenztheorie) ist, oder nicht. Dieser Setabschnitt der
Metasprache ist aber trotzdem nicht nach der Axiomatisierungweise der
—5—

Metasprache (Tarski), vielmehr nach der der Axiomatiserungsweise der


Objektsprache (Hilbert) zu logifizieren. Beobachtungssätze können nicht,
die Objektsprache kann Verbote formulieren.
Ich halte es für keineswegs für entschieden, wie die Semantik von
Bedeutungen, die sich auf Sinnesreizungen als Grundlage beschränken
sollten, von den anderen Teilen der Semantik einer Objektsprache zu
unterscheiden oder allenfalls zu verbinden wären. Daß der Semantik der
Sinnesreize möglich wäre, selbst eine Objektsprache im Sinne der
bisherigen pragmatischen Erörterungen zustandezubringen, halte ich für
ausgeschlossen.
Eine Objektsprache, die sich ausschließlich auf Sinnesreize bezieht, kann
man bei Franz Brentano, Husserl und Wittgenstein finden
(Farbwahrnehmung ist mit räumlicher und zeitlicher Ausdehnung,
Tonwahrnehmung mit zeitlicher Ausdehnung notwendigerweise
konnotiert), und ist in ihrer künstlichen Rekonstruiertheit bereits
hinreichend kritisiert worden. Sollte es also eine Semantik ausschließlich
für Sinnesreize geben, und ließe sich diese allenfalls noch zu einer
Objektsprache normieren, dann können damit keinesfalls Objekte unserer
Lebenswelt oder der Physik, Handlungen oder auch nur
zusammenhängende Umstände beschrieben werden.
Auch bestehen keine logischen oder kausalen Ableitungsverhältnisse
zwischen diesen Arten von Semantik, man kann allerdings die
Möglichkeit der Widerspruchsfreiheit zwischen derart bescheidenen
Semantiken voraussetzen. — Damit halte ich die Konditionstheorie der
Bedeutungsentstehung (»kausale Referenztheorie«) nicht nur empirisch
widerlegt, sondern auch im Rahmen der semantischen Theorie (als
Metasprache) von wissenschaftlichen Theorien (als Objektsprache) für
nachgewiesenermaßen unzureichend.
In der Sprache des Endes der Hochscholastik: Merkmalslehre und
Urteilslehre hängen nicht streng zusammen. In Ockhams Untersuchungen
zum Verhältnis von Sprachphilosophie, Bedeutung, Grammatik und
Logik kommen die Grenzen der Logischen Untersuchungen an »oberste«
und »unterste«, dem Einzelfall des radikalen Nominalisten am Nächsten
stehende Begriffe, und deren »anomalen« oder alogischen Verzweigungen
ohne Substitutionsregeln zum Vorschein.
Eine davon verschiedene Kritik bringt Dummett vor: Sie beginnt mit dem
Vorwurf, daß Davidson darin unrecht hat, wenn er das
—6—

Objektsprachenverständnis dem Metasprachenverständnis voraussetzt.


Ohne Metasprache gibt es keine Objektsprache, die immer als bereits
normierte Semantik auftritt. Das Problem als solches besteht; ich habe
eben oben versucht eine andere Lösung dieser Problemstellung zu
skizzieren. Ich halte es aber für möglich, Davidsons System von Aussagen
und Berichtigungen (abgesehen von der »kausalen Referenztheorie« und
einigen anderen Einwänden), entsprechend der Triangulationsthese
zwischen dem schwachen Verbot völliger Inkongruenz in den Sprachen
der grundlegenden Modellannahmen und dem starken Axiom der
Identität der Rationalität so einzurichten, daß durch die Berücksichtigung
der Dynamik der Entstehung von normierten Bedeutungssystemen und
deren Anpassungen durch Erfahrung die strikt genetisch angeordnete
Fragestellung Dummetts umgangen (»überwunden«) werden. Das gleiche
Argument ließe sich auch gegen meine Aufassung einwenden.

Die Probleme entstehen durch


(i) die Identifizierung der Objektsprache mit der ganzen Semantik
(ii) die Identifizierung der Objektsprache mit der Semantik sinnlicher
Wahrnehmungen
(iii) die verdeckte Identifizierung der Axiomatik der Objektsprache mit
der Axiomatik der Metasprache (Hilbert-Tarski-Verwechslung)
(iv) die ouverte Identifizierung von Objektsprache und Merkmalssprache
(z. B. die kausale Referenztheorie).

3. Die mißbräuchliche Verwendung zweier Axiomatisierungen:


Tarskis Bikonditional bei Davidson und Hilberts Axiomatik bei Quine

Mit dem Bolzano-Tarski-Verfahren, das dem Bikonditional der »T-


Äquivalenz« von Davidsons zugrunde liegt, wird nur Axiomatisierbarkeit
garantiert, nicht selbst axiomatisiert. Die logische Wahrheit als
durchgehend wahre Einsetzungen aller möglichen Interpretationen eines
Satzes (Kripke mit Leibniz: »in allen möglichen Welten«) bestimmt nur,
daß diese Satzform wahr ist. Damit ist aber nicht garantiert, daß wir
wissen, was die Relation jeweils oder in jedem Falle, für das
Zusammengelten der Variablen des Satzes (des Satzverhältnisses)
bedeutet: Ist es etwa eine formale Implikation oder Konjunktion? Wird
eine kausale Relation impliziert? Ich glaube, daß einzige, was wir nach
—7—

dieser Bolzano-Operation wissen, ist, daß alle Sätze, welche diesen


allgemeinen Satz interpretieren (Satzform: beide Variable, X und Y,
zunächst und schließlich wieder ohne Typenkonstruktion und deren
Analyzität!) eine als gewiss bewiesene Korrelation besitzen
(Wahrscheinlichkeit = 1). Für alle diese aussagenlogischen Relationen
kann im behauptenden Falle die logische Form des Bikonditionals der
logischen Möglichkeit nach für gleichbedeutend gesetzt werden. Diese
Identifikation hat einen modalen Grund, nicht einen semantischen Grund.
M. a. W., wir wissen immer noch nicht, weshalb der als Allgemeingültig
bewiesene Satz »X – Y« (oder die als Allgemeingültig bewiesene
aussagenlogische Relation »X – Y«) wahr ist. — Vgl. dazu die
Unterscheidung in die Genetik der logischen Ableitung und in die Genetik
kausaler, zumindest zeitlich einander notwendigerweise nachfolgender
Abfolge durch Bernard Bolzano. Wir besprechen mit Tarsky nur die
Ableitung.
Ich denke, in der »T-Äquivalenz« Davidsons werden gemäß des Bolzano-
Tarski-Verfahrens die Relationen zwischen definierbaren (abzählbaren)
Bedeutungsmengen nur analytisch abstrakt als bestehend nachgewiesen,
aber in Hilberts Axiomatischer Logik wird die bestimmende Form der
Relation erkenntlich: Axiomenhierarchie und das angebbare Verhältnis
zwischen ableitbaren Sätzen einerseits, gegenüber den, dem ersten
axiomatischen System nur kompatible (semantisch potentiell kohärente
und logisch widerspruchsfreie) Sätze, die aus anderen axiomatischen
Systemen oder aus der sukzessiv gemachten Erfahrung ableitbar sind,
andererseits.

Die Schwierigkeiten mit der Hilbertschen Axiomatik und der


Analytischen Philosophie beginnen erstens mit der Beschränkung der
Semantik der Terme logisch geformter Sätze auf Aussagen über
physikalische Gegenstände (was für bestimmte, umrissene
Fragestellungen sinnvoll sein kann) und vor allem mit der anschließenden
Generalisierung über die Erfahrung hinaus zu einer
synkategorematischen Bedeutung von Naturgesetzen. Das semantische
Syndrom, das damit kritisiert werden soll, ist das der Identsetzung von
Objektivität und Notwendigkeit, also ein modallogisches Problem. Dieses
Problem will man mittels der Aufhebung der Unterscheidung zwischen
Aussagen über Bedeutungen und Sätze, und Aussagen, die über
Gegenstände ausgesagt werden, auf welche sich die Beobachtungssätze
—8—

beziehen lassen, umgehen (Frege, Carnap, vgl. »Grundfehler der AP«).


Das führt aber nur zur Depotenzierung der nur scheinbaren Apriorität
axiomatisierbarer und interpretierbarer, also insofern auch semantischer
Satzsysteme auf bloße logische Regelrichtigkeit.
Die Aufhebung dieser Unterscheidung zwischen Beobachtung und
Bedeutung allein wegen der empirischen Möglichkeit dieser selbst schon
semantischen Operation der logischen Identifizierung mittels
Interpretation normierter Bedeutungsaussagen mit normierten
Beobachtungsaussagen hat aber keinen Befund aus der historisch-
empirischen Erfahrung des geregelten sinnlich-empirischen
Erfahrungmachens (Erfahrung im systematischen Umgang mit
erfahrungswissenschaftlichen Hypothesen und Theorien), noch kann die
daraus ununterscheidbar folgende wissenschaftliche Gewißheitsform
auch nur mit irgend einer relevanten Vorstellung des
Wissenschaftsfortschrittes in Verbindung gebracht werden, sie ist für sich
nur eine willkürliche Festsetzung. Im Gegenteil, allein schon die
Beobachtung der historischen Entwicklung der logischen und der
mathematischen Theorie selbst widerlegt die universalisierte Identsetzung
der Menge aller bestimmbaren Bedeutungen und allen möglichen
eindeutig umreissbaren Beobachtungen von vorneherein: Die
generalisierte Identitätsbehauptung widerspricht den Bedingungen, unter
welchen die Untersuchung des Verhältnisses von Logik und Semantik
begonnen hat. Das ist der nämliche performative Selbstwiderspruch wie
im Versuch Quines, aus der Sematik einer »natürlichen« Sprache ein
System des »Wissens« und daraus Ontologie zu machen (Vgl. »Searles’
Kritik an Quine«), oder eben auch bei Wittgenstein, wenn er dichtet, daß
die Sprache ein Begriffsystem sei, daß die Welt ausdrücke.
Man glaubt zweitens, diese Festsetzung zur Identifizierung machen zu
können, weil man in der Axiomatik (allgemeine Regelsätze) eine
problematische Unterscheidungslosigkeit zwischen der grundsätzlichen
Verwerfbarkeit naturwissenschaftlicher Axiome und der (aber keineswegs
grenzenlosen, vielmehr sich Schritt für Schritt sich selbst
einschränkenden) Beliebigkeit formalwissenschaftlicher axiomatischer
Systeme eingeführt hat. Diese Nivellierung ist dem Naturalismus bei
Quine vergleichbar, wie man ihn zum Beispiel auch in der Aufstellung des
Indispensibilitätspronlems der Mathematik in physikalischen Theorien
entnehmen kann.
—9—

Zugleich wird, inhaltlich jedoch unabhängig vom expliziten Widersinn, in


der Axiomatik zu versuchen, den logischen und den physikalischen
Gesetzesbegriff epistemologisch durch einen Gewaltakt des
Konfirmationsholismus zu identifizieren, die im ersten Punkt angeführte
Unterscheidungslosigkeit zwischen Beobachtungssätze und Aussagen
über die Gegenstände, denen man die Beobachtungen zuschreibt,
eingeführt (den logisch kompatiblen, aber nicht aus dem axiomatischen
Satzssystem ableitbaren Sätzen entsprechend). Das ergibt zwar u. U.
wieder ein widerspruchsfreies Satzsystem, zuerst weil ja in der Erfahrung
zwischen Beobachtungssatz und Bedeutungsaussage gar keine
Widersprüche mehr vorkommen können, dann, weil etwaige
Widerspruche, die hinsichtlich des Naturalismus in der Theorie als solche
gar nicht vorkommen können, da sie mit der selbstreferentiellen Negation
(contradictio in adjekto), die als Axiom gewählt worden sind, gar nicht
systematisch als logische Widersprüche dargestellt werden könnten. Die
Aufhebung dieser konstitutiven Unterschiede einer jeden allgemeinen
und nicht nur abstrakten Semantik soll alle Spuren dieser
freischwebenden, für das Wahrheitsproblem der Logik unbedeutenden
Konstruktion nur noch endgültig verwischen können.
Solche Konstruktionen sind völlig willkürlich, selbst wenn deren
Ergebnisse semantisch (kategorial) kohärent wären. Die sachlich
voneinander unabhängigen, und jeweils auf der Ebene der allgemeinen
Sätze einer Theorie (epistemologische Identifikation von Mathematik und
physikalischer Theorie) und der Ebene der Basissätze (Aufhebung der
Unterschiede von Bedeutung und Beobachtung und von Basissätzen und
Beobachtungssätzen) in sich widersprüchlichen Parallelaktionen jedoch
sind offensichtlich nur dazu da, die logische Widerspruchsfreiheit im
Bestätigungsholismus Quines mit Gewalt herzustellen, obgleich damit
dieses Satzsystem für eine Semantik der Wissenschaftstheorie wie für ihre
Anwendung auf die Semantik einer Objektsprache untauglich gemacht
würde.

4. Davidsons Identifizierung von Konsistenz mit Widerspruchsfreiheit


»Kohärenz ist nichts weiter als Konsistenz, also Widerspruchsfreiheit.«

Mit der Gleichsetzung von semantischer Köhärenz und dem logischen


Satz vom Widerspruch katapultiert sich Davidson aus dem Konsens, daß
— 10 —

alleine mit Analyzität (principium contradictionis) keine Theorie und auch


nicht die Logik begründbar sein kann. Diese für die AP von Quine neu
entdeckte Grundwahrheit ist als solche zwar spätestens seit Leibniz
bekannt (auch der vorkritische wie der kritische Kant führt dergleichen
mehrfach aus): (1) Satz vom zureichenden Grund, (2) Satz vom
Widerspruch. Der Hintergrund ist wahrlich jeweils ein anderer (obgleich
erst mit Leibniz wirklich holistisch zu nennen), aber historisch und
sachlich von der Entwicklung der sprachanalytischen und logischen
Fragestellung nicht völlig trennbar. Historisch wie philosophisch gesehen
ist es bemerkenswert, daß auch eine derart auf formale
sprachphilosophische und logische Immanenz der Argumentation
zentrierte Vorgangsweise wie die der Analytischen Philosophie dieses
Ergebnis der rationalen Metaphysik des 18. Jahrhunderts präzise
reproduziert.
Will Davidson wirklich dieses Paradigma verlassen?
Das Verhältnis von logischer Widerspruchsfreiheit und Wahrheitsbegriff
kann keinen logischen Gegensatz weiters beinhalten, gerade, weil der
Wahrheitsbegriff selbst unbestimmt ist. Die theorieinterne
Externalisierung jeder Bedeutung aus dem Wahrheitsbegriff ist für diese
Metaprache durch die Liste der Wahrheitsbedingungen jedoch erst
hergestellt worden. Insofern ist die im Vergleich zu Tarsky veränderte
Stellung des Wahrheitsbegriffes bei Davidson das Ergebnis einer
Schlußfolgerung, deren Glieder erst zu finden sind.
Selbstverständlich hat das Kriterium der Erfüllbarkeit auch bei Tarski
kategorialen und somit auch semantischen Charakter. Worin hier
Davidson in dieser Abstraktheit (nicht: semantisch interpretierbare
Allgemeinheit) zuletzt noch einen Ansatz zu Kritik finden will, bleibt
unklar, sicher ist, daß jeder weitere Schritt zur Totalentfernung der
Semantik aus dem Wahrheitsproblem auch die Erörterung aller anderen
Modalbegriffe inklusive des Wahrheitsbegriffes selbst unmöglich macht.
Davidson entkleidet seinen radikal ertkenntnisidealistisch als Prinzip
gesetzten Wahrheitsbegriff von jedem Kriterium, es stellt sich die Frage,
warum entfernt er nicht auch das principium contradictionis?
In dieser nur gedachten Abstraktheit ist der Wahrheitsbegriff immer
aktuell wahr, und offenbar wie in der cartesianischen Evidenzlehre selbst
kriterienlos nur als stoische (diodorische) Konsequenz zu betrachten, die
der Analyse zu Grunde liegt. In der nämlichen Abstraktheit ist aber auch
— 11 —

das principium contradictionis immer aktuell wahr: Ein wahrer Satz kann
nicht in gleicher Hinsicht wahr und falsch sein. Der Ausdruck »in gleicher
Hinsicht« fordert eine kategoriale Mindestreflexion über die Episteme,
welche die Semantik in ihren lebensweltlichen und metaphorischen
Verzweigungen historisch-empirisch strukturiert.
Die Frage nach einer selbst rein formalen Charakterisierung des
Verhältnisses von Wahrheitsprinzip und principium contradictionis
lautet: Handelt es sich um eine Konjunktion, um eine nicht-auschließende
oder auschließende Disjunktion, oder wäre eine materiale oder formale
Implikation ebenso angebracht, schließlich: Ergibt dieses die Grenze von
Metasprache und Objektsprache überwindende, aber nicht hinfällig
machende Gedankenexperiment, Objektsprache (Aussage, Kant: reales
Prädikat) und Metasprache (Wahrheitsbegriff, Kant: logisches Prädikat) in
einer sprachlichen Ebene aufeinander zu beziehen, eine Relation, die gar
als Bikonditional zu denken ist?
Ich behaupte, ohne hier auch alle Gründe anzuführen, daß hier nur eine
der Fragen ohne weitere Interpretationen beantwortet werden kann: Der
Wahrheitsbegriff und das principium contradictionis kann nicht
zusammen als Bikonditional gedacht werden. Der Wahrheitsbegriff, der
wegen seiner Abstraktheit notorisch in Verwechslung mit der
Regelgerechtheit der formalen Logik zu geraten droht, erzeugt in seiner
Verwechselbarkeit eine Tautologie. Das Bikonditional würde eben diese
wechselseitige Substituierbarkeit allgemein ausdrücken, welche die
Tautologie erst garantiert (Paralogismus der reinen Modallogik).
Aus nämlichen Gründen wäre die formale Implikation als Kandidat dieser
nur als Gedankenexperiment durchführbaren Operation abermaliger
logischer Formalisierung der Verhältnisse oberster Axiome einer
abstrakten Theorie von Logik und Semantik (»Wahrheitstheorie«)
auszuschließen. Ich interpretiere:
(i) Wenn »Wahrheitsbegriff«, dann »Satz vom Widerspruch»,
(ii) Wenn »Satz vom Widerspruch«, dann »Wahrheitsbegriff«.
Ad (i) Wenn der Satz vom Widerspruch als eine der
Wahrheitsbedingungen bereits aus dem Wahrheitsbegriff externalisiert
worden ist, dann kann allein aus dem Wahrheitsbegriff nicht der Satz vom
Widerspruch neuerlich gefolgert werden, oder der abstrakte
Wahrheitsbegriff ist für eine abstrakte semantische Theorie nicht
unbestimmt genug.
— 12 —

Ad (ii) Wenn der Wahrheitsbegriff und die formale Regelrichtigkeit


auseinander gehalten werden soll, dann kann auch nicht allein aus dem
Satz vom Widerspruch der Wahrheitsbegriff gefolgert werden. Wenn
nicht, gibt es auch keine Probleme mit der Semantik und formalen
Sprachen, allerdings auch keine empirische Erfahrungswissenschaft mehr.
Insofern spricht einiges dafür, in diesem imaginär bleibenden
Gedankenexperiment an die materiale Implikation oder das nicht-
ausschließende Oder zu denken, da doch eine Schwierigkeit bei der
formalen Implikation deutlich geworden ist: In den obigen Sätzen
vermögen weder p noch q jeweils alleine als Grund für den anderen Satz
ausgegeben werden. Ein weiterer, in einer von der Formalität des
Bikonditionals erzeugten Semantik ausgedrückter Grund, das
Bikonditional auszuschließen.
Aus dem Umstand, daß nun das Bikonditional weder bedingend noch
negierend als mögliche Beschreibung des Verhältnisses von
Wahrheitsbegriff und Satz vom Widerspruch in Frage kommt, kann nicht
geschlossen werden, daß der Wahrheitsbegriff und der Satz vom
Widerspruch identifiziert oder auch nur äquipollent gesetzt werden
könnte. Dergleichen Behauptungen würden einer Unlogik folgen, die
auch den arithmetischen Operationen mit Null und Unendlich einen
bestimmten Wert zuordnet.
Zugleich wird mit der Unmöglichkeit, aus dem Unterschied des
Wahrheitsbegriffes vom principium contradictionis einen Horizont zu
erzeugen, in dem man auf das Gegenteil des Unmöglichen schließen kann,
eine von der formalen Logik unterscheidbare Semantik überhaupt erst
zugelassen. Die Identifizierung von semantischer Kohärenz und
Widerspruchsfreiheit ist deshalb unter den getroffenen Voraussetzungen
unmöglich, weil damit die Möglichkeit einer jeden anderen
Verzweigbarkeit der Semantik als die der gerade vertretenen (jeweils
logisch korrekten) Theorie, schließlich die Semantik selbst als
zusammenhängendes Feld von Bedeutungen und möglichen
Antizipationen wieder aufgehoben werden würde. M. E. hebt diese
»Selbstberichtigung« Davidsons damit die Voraussetzungen der Lösung
der Lügner-Paradoxie (Kreter-Beispiel) von Tarski mit auf.
Die Imaginarität des Gedankenexperiments kommt dadurch zustande,
weil keine vollständige Semantik konstruierbar ist. Insofern besitzt dieses
Gedankenexperiment eine Charakteristik, die es mit dem Set wahrer
— 13 —

Sätze, die in allen möglichen semantischen Welten wahr sind, teilt. Diese
allein stellen keine Welt dar und müssen erst vom (göttlichen) Verstand
interpretiert werden. Die Interpretation des göttlichen Verstandes ist
allerdings keine theologische Auslegung, vielmehr ein unmittelbares
Wissen um die Systematik der obersten Wahrheiten und deren
Konsequenzen; also gleichfalls ein Evidenzproblem »absoluter« logischer
und mathematischer Wahrheiten. Das Gedankenexperiment der
Einsetzung des Wahrheitsbegriffs und des Satzes vom Widerspruch in die
unbestimmt-abstrakte Relation der Aussagenlogik hätte zuvor zwischen
den verschiedenen möglichen semantische Welten eine Wahl treffen, oder
eine Regel der Synthesis der möglichen semantischen Welten (wie
Leibniz) angeben müssen, um selbst wahrheitsfähig zu sein.

Die hier betrachtete Semantik besteht aber ausschließlich aus X =


Wahrheitsbegriff und Y = Satz vom Widerspruch, und aus den möglichen
aussagenlogischen Relationen zwischen X und Y, welche die unbestimmte
Relation zwischen Wahrheit und prinzipium contradictionis formal
charakterisieren könnten. Ihre Aussagen beschränken sich auf die
hergestellten internen Verhältnisse. Die damit erzielbare abstrakte
Evidenz wird auf die Negation der Prinzipien übertragen, welche die
Struktur der Verzweigbarkeiten in der Metaphorik als erste Charakteristik
von Semantik betreffen könnten. Zwar sagt auch Leibniz: Die ewigen
Wahrheiten sind Negationen von Unmöglichkeiten. Allerdings geht bei
Leibniz die Heraushebung des Regelmäßigen aus der Unterbestimmtheit
unvollkommener Indifferenz voran, weshalb wegen der Vervielfältigung
und sich Unähnlich-machens als grundlegende Eigenschaften jeder
Materie das Regelmäßige wahrscheinlicher wird als das Unmögliche.
Entscheidend für die hier abgeführte Diskussion ist: Erst in der
idealistischen Verkehrung des Regressus der analytischen Rekonstruktion
erscheint das Unmögliche als erstes Prinzip. Die Rückführung auf die
Unmöglichkeit des Gegenteils ist eine Probe, nicht die Angabe, woher die
Kenntnis des Regelmäßigen kommt.
Bei Davidson aber ist der Grund der Identifizierung von Kohärenz und
prinzipium contradictionis nicht selbst die Antizipation aus der
Möglichkeit einer empirisch wahren Schlußfolgerung auf Grund
systematischer und theoretischer Untersuchungen. Die Identifizierbarkeit
scheint ähnlich wie bei Quine schlicht die Folge der Aufhebung der
Trennung von der Semantik der Objektsprache und der Semantik der
— 14 —

Metasprache zu sein, die Davidson zur Herstellung der Identifizierbarkeit


von Wahrheit und Satz von Widerspruch zuerst einführen muß.
Nunmehr ginge es um Relationen des Sich - (ganz oder teilweise) –
Deckens von semantischen Einheiten oder Merkmalen von verschiedenen
Konzepten (vgl. Leibniz intensionale Studien zur Logik), nicht aber um
die Identifizierung von etwas als etwas. Diese für das Wahrheitsproblem
logischer (axiomatisierbarer) Aussagensysteme konstitutive Differenz von
Semantik und Modalität im Akt des Identifizierens (vgl. Strawson) wird
mit dieser Bastardisierung der Semantik durch die Aufhebung der
Differenz von Meta- und Objektebene nur verdeckt, nicht argumentativ
korrekt ausgeschlossen, wie Davidson vorhat. M. a. W., Davidson erreicht
gar nicht die Definition einer bestimmten qualifizierbaren Unmöglichkeit,
die mit einem Prinzip verwechselt werden könnte. Die sich in der
Modallogik einstellende Dissoziativität zwischen Meta- und
Objektsprache verwechselt Davidson wie zu erwarten mit der Evidenz des
Unmittelbaren.

5. Der Schein der Unmittelbarkeit des transzendentalen Realisten:


Das Mißverständnis von Sellars und Davidson gegenüber Kant

Die Evidenz vermeintlich unvermittelter Unmittelbarkeit der Erfahrung


wird von Kant von der Position des transzendentalen Realisten aus
kritisiert. Mit Dialektik wird nicht nur die Schwierigkeit der Totalität der
kosmologischen Ideen (Antinomien) bezeichnet, sondern auch die
Dialektik der Vernunft inmitten der Erfahrung. Das besagt soviel, wie die
Richtigkeit einer empirisch erfolgreichen Theorie für die ganze Wahrheit
(Kant: Teilbegriff gegenüber ganzen möglichen Begriff) zu nehmen.
Die Kritik dieser Position des transzendentalen Realisten führt erst über
die Untersuichung des empirischen Regressus des Erfahrungmachens
zum regulativen Gebrauch der Vernunftbegriffe. Die Fassung der
Analytischen Philosophie versucht seit Sellars Version eines erkennbaren
Dings an sich genau die kritisierbare Position des tranzendentalen
Realisten zu erreichen und behauptet dergleichen als Erkenntnisideal.
Daß Sellars vor seinem Versuch der einseitigen Okkupation Kantens die
Position des transzendentalen Realisten bei Kant für irrelevant erklärt hat,
mag Zufall sein, erfüllt jedoch die Funktion der Verschleierung des
Umstandes, daß es sich bei Sellars Konzept nicht um eine dritte Variante
— 15 —

zwischen transzendentalem Idealismus (skeptischer Realismus) und


transzendentalen Realismus (ontologischer Realismus) handelt, die erst
mit der »modernen« mathematischen Naturwissenschaft möglich
geworden sei.
Die Position des transzendentalen Realisten Kantens ist demnach von
unmittelbarer Relevanz in der aktuellen Diskussion um die vermeintliche
Unmittelbarkeit bei Davidson. Mit anderem Hintergrund, und die
historische Reflexion zum ersten Mal mit einschließend, unterscheidet
Hegel die subjektive Logik empirischer Wissenschaften von der objektiven
Logik, welche die Konstitutionsgeschichte der Begriffe der empirischen
Theorie als Metaebene systematisch zu begleiten hätte. Im Vergleich zu
diesen Denkern bearbeitet die Aanalytische Philosophie eine
bemerkenswerte formale Version der Problemstellung Sprache und
Bewußtsein, bleibt aber in entscheidenden Punkten wegen des radikalen
Naturalismus und seinen Folgen in der Theoriebildung letztlich
orientierungslos und bewußtlos.
Die Überlegenheit der historisch-philosophischen Perspektive bezieht sich
nun auf die Organisation der verschiedenen beteiligten Aspekte,
insbesondere die Beurteilung der Varianzen der Konzepte verschiedener
Denkschulen und Wissenschaften unter Zeitgenossen und deren einseitige
Kommunikation zwischen den Epochen. Es wird gezielt übersehen, daß in
den erkenntnistheoretischen Erörterungen des 18. und 19. Jahrhunderts
die Naturwissenschaft ausdrücklich Gegenstand des Philosophierens ist,
und vorallem, daß sich das Verständnis der Positionen wichtiger
klassischer Autoren durch die Diskussion ebenfalls weiterentwickelt hat.
Ich halte die Versuche, die klassische Philosophie grundsätzlich aus der
nur vermeintlich »modernen und eigentlichen wissenschaftlichen«
Diskussion auszuschließen, nach wie vor für eine Form gesamtkultureller
Verdrängung. Die Hinweise auf Planck und Einstein haben ihr Gewicht,
unterbrechen aber keineswegs die Folgerichtigkeit der Entwicklung
wissenschaftlicher Rationalität. Kants Bedeutung (überhaupt die
Bedeutung der europäischen Linie von Descartes bis Hegel) für die
weitere Philosophiegeschichte liegt genau darin, die Topologie
verschiedener heute noch verwendeter Positionen zur
Argumentationsbegründung in verschiedenen, heute anders (etwa:
analytisch-sprachphilosophisch) diskutierten Zusammenhängen bereits
skizziert zu haben. Allein der Umstand, daß sich die Struktur der
kantschen praktischen Kategorie hinsichtlich der Personalität auch in der
— 16 —

Auflösung des Sumpfmannbeispieles Davidsons nachweisen läßt, zeigt


die anhaltende Fruchtbarkeit klassischer Positionen jenseits historischer
Zusammenhänge: Davidson verschiebt die Fragen der Kritik der reinen
Vernunft (transzendentales Subjekt, Decheffrierung des »Ding an sich«
als bloßer Topos der systematischen Reflexion der phänomenalen
Erfahrung) in die Kritik der praktischen Vernunft (empirisch-praktisches
Subjekt, praktisch-technischer Gegenstandsbegriff). Damit glaubt
Davidson, offenbar auch vor diesem Hintergrund bedacht nicht völlig
grundlos, die Problematik der transzendentalen Differenz zwischen
Subjekt und Objekt als bloßes Artefakt der Einklammerung des Subjekts
zum Erkenntnissubjekt übrig lassen zu können.
Vergleiche dazu auch die einprägsam vereinfachende Formulierung
dieses Unterschiedes am »geteilten« Gegenstandsbegriff Heideggers: im
ersten Fall spricht Heidegger von »Vorhandenem« (Naturobjekt), im
zweiten von »Zuhandenem« (Mittelhaften). Vor dieser Kulisse kann der
Entwurf Davidsons als Ausblendung der Perspektive des »Vorhandenen«
und diese Ausblendung als Voraussetzung der theoretisch erzeugten
»Unmittelbarkeit« verstanden werden. — Als Nebenprodukt ist das ein
Mosaiksteinchen in der kulturhistorisch und kulturphilosophisch
relevanten Beschreibung wissenschaftsphilosophischer Tendenzen: Die
Einheit der Wissenschaft und Philosophie in ihrer historischen Dimension
ist unteilbar.

Das könnte Ihnen auch gefallen