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Seminararbeit Medientheorie

Fight Club Buddhismus


Autor: Daniel Drognitz
Dozent: Werner Oeder

ZhdK – DKM – VTH – HS 09/10


Fight Club Buddhismus den Film als Medium zunutze indem er mal mit einzelnen Frames jemanden
oder etwas auftauchen lässt und so bereits Fragen aufwirft oder dass es mal den
Die erste Szene des Films zeigt eine (resp. zu diesem Zeitpunkt noch in zwei Anschein hat, die Filmrolle liege nicht richtig im Projektor. Andererseits indem
separierten Erscheinungsbildern vorhanden) Person, den Lauf einer Waffe im es Szenen gibt, die direkt an den Zuschauer gerichtet sind und so klar machen:
Mund, schwitzend, glubschäugig, verzweifelt. In der Interpretation, die ich auf Es geht auch um Euch. Ihr seid Teil von dieser Vorführung. (Dzilna 2004, §42)
den folgenden Seiten versuchen möchte, steht diese Person in dieser Szene kurz
vor ihrer spirituellen Erleuchtung. Diese Aussage mag unpassend wirken für „People are always asking me if I know Tyler Durden.“ (Fight Club) ist der erste
einen Film mit dem Titel Fight Club der in übermässigem Mass Gewalt darstellt, Satz der fällt, aus dem Off vom Narrator gesprochen. Womit sich bereits eine der
doch finden sich darin überraschend viele Parallelen zum Buddhismus, was mir Leitfragen ableiten lässt. Jeder der den Film kennt, weiss dass der Erzähler und
selbst auch erst auffiel, nachdem ich mich mit dieser fernöstlichen Philosophie Tyler ein- und dieselbe Person sind, was die Frage aufwirft, wer man tatsächlich
auseinandergesetzt hatte. Gerade aus diesem Grund möchte ich versuchen diese ist. Wenn er gefragt wird ob er Tyler kennt, wird er tatsächlich gefragt ob er sich
Ähnlichkeiten aufzuzeigen, da ich glaube, dass dieser kontroverse Film leicht selbst kennt. Kennt man sich selbst tatsächlich? Wer ist der Angesprochene
misszuverstehen ist. Um diese Verbindung herzustellen möchte ich, gestützt auf wirklich? (Dzilna 2004, §6)
zwei Essays, die Entwicklung des Charakters unter Aspekten der Buddhistischen Der Film erzählt so die chaotische Geschichte einer ungewöhnlichen
Philosophie darstellen und interpretieren. Die Essays bestätigten mich in Selbstfindung über das Loslassen alter Eigenschaften, Abstraktionen von
meinem Verdacht, liessen mich aber noch mehr Gemeinsamkeiten entdecken. Identitäten, denen man nie ganz gerecht werden kann, übersetzt in die düster
Beide habe ich auf meinen Recherchen im Internet gefunden und behandeln teils gezeichnete Welt einer amerikanischen Grossstadt und in die postmoderne
dieselben Thematiken, weichen dann aber in ihren Schwerpunkten voneinander Sprache eines konsumorientierten Lebensstils.
ab. Dzintars Dzilna1 stützt sich hauptsächlich auf Alan Watts und zeigt eher lose
die Zusammenhänge im und mit dem Film. Charley Reed 2 geht von Der Narrator
verschiedenster philosophischer Literatur aus und schildert die buddhistischen
Begriffe erst ehe er sie mit Zitaten und Filmstellen belegt. Der Protagonist und Erzähler des Films ist ein Jedermann, gesichts- und
identitätslos und daher ohne Namen. Ich werde ihn der Einfachheit halber „Jack“
Basierend auf einem gleichnamigen Buch von Chuck Palahniuk von 1996 hat nennen, da es im Film wiederkehrende Formulierungen gibt, die alle mit „I'm
David Fincher 1999 den Film dazu gedreht. Edward Norton brilliert in der Jack's...“ beginnen3. Ein Archetyp des frustrierten Mannes mit einem Leben, das
Hauptrolle als namenloser Erzähler, sein Alter Ego Tyler Durden wird von Brad ihn nicht erfüllt, kühl, zynisch, lieb- und schlaflos.
Pitt dargestellt und Marla Singer von Helena Bonham Carter. Er wohnt in den „Pearson Towers – A Place to be somebody“4 in einer schönen
Auch wenn sich der Film stark am Buch orientiert, hat er doch ein anderes Ende, grossen Wohnung voller wohl ausgewählter Möbelstücke. Seine Persönlichkeit
wovon aber selbst der Autor behauptet, er fände es im besser. stellt er sich aus den Dingen die er kauft zusammen. In der Fantasie füllt er den
Fincher spielt mit dem Publikum in vielerlei Hinsicht. Einerseits macht er sich
3 Der Narrator findet im Haus an der Paperstreet in einer Zeitschrift eine Reihe von Artikeln die
alle aus der Sicht eines Organs geschrieben sind, die offenbar zu Jack gehören. „I am Jack's
1 Dzilna, Dzintars: Fight Club: Violence as Yoga im Blog: Wattage, 2004 Medulla Oblongata ...“ Der Erzähler übernimmt diese Ausdrucksweise und adaptiert sie jeweils
http://wattage.blogspot.com/2004/08/fight-club-violence-as-yoga.html neu. „I am Jack's wasted life.“
2 Reed, Charley: Fight Club: An Exploration of Buddhism in: Journal of Religion and Film, Nr. 4 „Pearson“ - ein Buchstabe weniger und man hat „Person“, worin sich bereits die Suche nach
11, http://www.unomaha.edu/jrf/vol11no2/ReedFightClub.htm einer eigenen Identität zeigt.

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Inhalt eines Einrichtungsprospekts in seine Wohnung, als ein Sklave des „Ikea- seine Suche nach Identität vom Materiellen auf eine irreale Gefühlswelt und
nesting instincts“ (Fight Club). Er fragt sich „what kind of dining set defines me damit ist das womit er sich identifiziert wiederum unzulänglich und damit nicht
as a person“ (Fight Club) Tatsächlich zeigt sich darin die verzweifelte Suche fähig ihn von seinem Leid zu befreien. Es ist nicht mehr als eine temporäre
nach einer Identität, welche er auf die Dinge überträgt, die er konsumiert. Er Flucht aus seiner Alltagswelt, in der er sich immer noch bewegt. Sein
versucht sich mit Abstraktionen zu Identifizieren. „Er ist, was die Dinge Unvermögen eine eigene Identität zu formen wird unterstrichen davon, dass er
repräsentieren und nicht was sie tatsächlich sind.“ (Dzilna 2004, §8) Was er sich in jeder Gruppe einen anderen Namen gibt.
nicht sieht, ist dass er versucht sich in seinem Umfeld aus konsumorientierter
Kultur zu finden, die ihm aber durch Werbung und Massenmedien ständig neue Marla Singer
Dinge verkaufen will, mit denen er sich identifizieren möchte. So ist er nie in der
Lage sich zu vervollständigen, auch wenn er sich vorhält, kurz davor zu sein. „I Er besucht die Gruppen über ein Jahr, bis Marla Singer in einer Gruppe
was close to being complete.“ (Fight Club) sagt er später als er sich über einen auftaucht, die ebenso „Tourist“ ist wie er. „Her lie reflected my lie“ (Fight Club)
Verlust beklagt. Im Angesicht eines anderen Simulanten gelingt es Jack nicht loszulassen und
Dies führt dazu, dass er unter Schlaflosigkeit leidet. Nach sechs Monaten sucht wieder kann er nicht schlafen. Er spricht sie darauf an und sie treffen die
er einen Arzt auf, der ihn mit einem Schlafmittel von seinem Leid befreien soll. Abmachung die Gruppen aufzuteilen.
Er möchte sich betäuben um seinen Frieden zu finden. Der Arzt verweigert es „Marla's philosophy of life was, that she might die at any moment. The tragedy
ihm jedoch mit der Begründung, er brauche natürlichen, gesunden Schlaf und she said was that she didn't“ (Fight Club). Sie hat keine Furcht vor dem Tod,
wenn er wirkliches Leid sehen wolle, solle er zur Selbsthilfegruppe der identifiziert sich nicht mit irgendeinem Ideal und versucht nicht der
Hodenkrebspatienten gehen. vorherrschenden Moral gerecht zu werden.5 Sie ist sich selbst, in all ihrer
Dort gelangt er in eine Gruppe von Männern, die alle von der Krankheit kontroversen Verschrobenheit und darin Jack einiges voraus. Sie stellt zwar in
gezeichnet sind. Nach der Aufforderung, sie sollen sich einander öffnen, ist es all ihrer Eigenart den einzigen nennenswerten weiblichen Charakter des Films
Jack möglich zu weinen, es gelingt ihm endlich loszulassen mit dem Resultat dar, ist aber die einzige Figur die sich den ganzen Film hinweg treu bleibt. Man
wieder schlafen zu können. Niemand fragt danach, ob er tatsächlich Krebs hat: könnte es auch anders deuten und sagen, sie mache als einzige keine
Es wird angenommen, dass er ebenso krank ist wie die anderen. Niemand stellt Entwicklung durch, doch im Vergleich zu Jacks Suche hat sie sich bereits
Ansprüche oder Fragen, er wird aufgenommen, wie er ist. „They cried harder, gefunden.
then I cried harder“. (Fight Club) Es ist ein Wechselspiel in dem er nicht mehr Selbst wenn Jack es sich nie eingestehen würde, begehrt er sie und gerät damit in
der alleinige Agierende ist wie zuvor, sondern er erhält direkt emotional Antwort einen Konflikt zwischen seinem Bedürfnis nach der Illusion des Mitgefühls und
vom Gegenüber. ihr, sie die einfach nur ist und ihm dadurch den Spiegel vorhält, dadurch die
Er wird süchtig nach der Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wird, wenn er vorgibt Stirn bieten kann, da sie die einzige ist, die wirklich keine Hoffnung mehr hat.
zu Leiden, wie die anderen Teilnehmer der Gruppen, die er so betrügt. Jack Jack im Gegensatz verliert die Hoffnung nur zeitweise während der Sitzungen
besucht die verschiedensten Selbsthilfegruppen und verschafft sich so die und geht dann wieder zurück in sein Leben aus abstrakten Idealen, die er nicht
Möglichkeit zu schlafen. erreichen kann.
„Losing all hope is freedom.“ (Fight Club) Er findet Frieden und Freiheit, indem
er sich durch eine Lüge das Mitgefühl der tatsächlich Kranken erschleicht. Dabei 5 Sie stiehlt Kleider aus einem Waschsalon, um sie daraufhin zu verkaufen, bestellt bei der
Altenpflege Essen auf Namen verstorbener Personen oder besucht die Selbsthilfegruppen, weil
gelingt es ihm jedoch nicht, sich wirklich zu vervollständigen. Er überträgt nur
es günstiger als Kino ist und es gratis Kaffee gibt.

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Wie Jack in der ersten resp. letzten Szene erkennt, hat seine ganze Wandlung Als es darum geht, für Jack eine Unterkunft zu finden, erklärt sich Tyler dazu
etwas mit Marla zu tun. Bis zum ersten Gespräch zwischen den beiden ist Tyler bereit ihn aufzunehmen, aber nur wenn Jack ihn schlägt, so hart er nur kann. Mit
nur in kurz aufflackernden Bildern vorhanden.6 Kurz danach erscheint er das dem ersten Schlag wird der Fight Club gegründet und Jack zieht bei Tyler ein. Er
erste mal als eigenständige Person, am Flughafen, gleichzeitig zur Frage aus wurde nicht nur von seinem gesamten Besitz befreit, sondern auch noch aus
dem Off: seiner gewohnten Umgebung geholt und kann sich so von seiner
konsumorientierten Welt lösen. „By the end of the first month, I didn't care
„If you wake up at a different time, at a different place, could you about TV.“ (Fight Club)
wake up as a different person?“(Fight Club)
Die vier edlen Wahrheiten
In dieser Frage äussert sich wiederum Jacks Wunsch jemand anderes zu sein und
dieser andere ist Tyler. (Reed 2007, §6) In diesem ersten Teil des Films lässt sich eine Reihe zentraler Aspekte der
buddhistischen Philosophie herauslesen. Die vier edlen Wahrheiten, bestehend
Tyler Durden aus:
1. Das Leben im Samsara (Daseinskreislauf) ist unausweichlich Leidvoll
Jack arbeitet bei einem grossen Autohersteller. Seine Aufgabe ist es zu 2. Samsara wird verursacht durch Hass, Unwissenheit, Anhaftung und
berechnen ob sich ab einer gewissen Anzahl Unfälle eine Rückholaktion lohnt Begehren (nach Liebe, Wohlstand, Sex, Identität etc.)
und ist oft unterwegs um diese Schadenfälle zu beurteilen. Nüchtern wendet er 3. Durch Befreiung von den Ursachen, befreit man sich vom Leiden.
seine Formel darauf an: “A times B times C equals X. If X is less than the cost of 4. Der achtfache Pfad führt zur Befreiung vom Leiden und damit zur
a recall we don’t do one.” (Fight Club) Die Menschenleben der Autofahrer Erleuchtung. Dieser wiederum ist unterteilt in drei gleichwertige Teile:
hängen an seiner Berechnung. (Dzilna 2004, §8) Unterscheidende Erkenntnis:
Auf einer dieser Geschäftsreisen lernt Jack Tyler Durden kennen. Als 1. Rechte Anschauung, Erkenntniss
Seifenfabrikant stellt er sich vor, nicht als Filmvorführer, Kellner oder „the 2. Rechte Gesinnung, Absicht
guerilla-terrorist of the food service industry“ (Fight Club), der er eigentlich ist. Ethik:
Als er von dieser Reise zurückkehrt stellt er fest, dass der gesamte gesammelte 3. Rechte Rede
Inhalt seines Apartments noch schwelend auf der Strasse liegt – sein gesamtes 4. Rechtes Handeln
Hab und Gut fiel einer Explosion zum Opfer. Dass Tyler dafür verantwortlich ist, 5. Rechtes Wandeln, rechter Lebenserwerb
weiss er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Im folgenden Treffen der beiden Sammlung/Meditation:
beantwortet Tyler Jacks Klage des Verlusts damit, dass das Streben nach dieser 6. Rechtes Streben, Üben
materiellen Vervollständigung zwecklos ist. „The things you own end up owning 7. Rechte Einsicht, Achtsamkeit
you.“ Er stellt in Frage, was man als Mensch tatsächlich an Dingen braucht und 8. Rechtes Sich-versenken, rechte Einigung7
erklärt Jack damit einen der Schlüsselbegriffe des Buddhismus: Anhaftung an
materielle Güter ist eine Quelle von Leid. (Reed 2007, §7)
7 Genau A. Gerhard: Die Lehre des Buddhas / Die vier edlen Wahrheiten
6 Dies tut er stets in Szenen, in denen Jack sein Leid und Wunsch nach Veränderung bewusst http://www.theravada.ch/Buddhismus_Generelle%20Texte%20weiss/Text03_Lehre
wird und sind so Anzeiger für Tylers Rolle. %20Buddhas.htm

3
Zur ersten edlen Wahrheit findet sich folgendes Zitat: „Every evening I died and „hitting bottom“ nennt.
every evening I was born again, resurrected.“ (Fight Club) Eine erste spirituelle Das Äquivalent des edlen achtfachen Pfades lässt sich in den acht Regeln des
Analogie, auf das Samsara (Sanskrit, wörtl.: „beständiges Wandeln“). Samsara Fight Clubs8 sehen, was den Club mit seinen Teilnehmern zur klösterlichen
bezeichnet den Daseinskreislauf aus Leben, Tod und Wiedergeburt, der letztlich Mönchsgesellschaft werden lässt. „The hysterical shouting was in tongues, like
durch Leid gekennzeichnet ist. (Dzilna 2004, §4, 9ff; Reed 2007, §15) at a Pentecostal church.“ (Fight Club) Durch diese Assoziation, wird der Club
Die zweite edle Wahrheit ist den ganzen Film hindurch präsent in den zu dem Weg, der zur Erleuchtung führt. Der Schmerz der Kämpfe, hilft Jack sich
Beweggründen für Jacks Handeln. So identifiziert er sich erst mit etwas von den Konventionen zu lösen, die ihn zuvor Leid gebracht haben. Er ist zwar
Materiellem. Sein Selbst haftet seinem gesamten Besitz an. „That condo was my immernoch niemand, teilt dieses Schicksal jedoch mit vielen anderen.
life. [...] I loved every stick of furniture in that place. That was not just a bunch
of stuff, that got destroyed – it was me.“ (Fight Club) Sein Ego hatte sich auf Fight Club
seinen Besitzt ausgedehnt, ihn sich einverleibt, daher schmerzte ihn der Verlust
derart. Tyler verleiht der Frustration der Clubmitglieder Ausdruck, wenn er das Wort an
Das nächste Begehren richtet sich an die Selbsthilfegruppen resp. deren sie richtet und bringt damit das zentrale Thema des Films auf den Punkt:
Teilnehmer, denen er unter dem Deckmantel einer falschen Identität begegnet.
Sie sehen in ihm den Kranken, der sie alle selber sind und wissen nicht, dass „Man, I see in fight club the strongest and smartest men who've
dies ein Fehlschluss ist. ever lived. I see all this potential, and I see squandering. God damn
Es sind alles von Jack geschaffene Abstraktionen. Projektionen seiner it, an entire generation pumping gas, waiting tables; slaves with
Bedürfnisse und Wünsche auf etwas ausserhalb von sich, was er nicht white collars. Advertising has us chasing cars and clothes, working
kontrollieren kann und demnach darunter leidet. jobs we hate so we can buy shit we don't need. We're the middle
Das Begehren nach Marla und die Unfähigkeit danach zu handeln führt children of history, man. No purpose or place. We have no Great
schliesslich dazu, dass sich alle seine Wünsche in Tyler manifestieren. Tyler War. No Great Depression. Our Great War's a spiritual war... our
verkörpert alles, was Jack gerne wäre und wird so zu einer Lehrerfigur. Great Depression is our lives. We've all been raised on television to
believe that one day we'd all be millionaires, and movie gods, and
„You were looking for a way to change your life. You could not do rock stars. But we won't. And we're slowly learning that fact. And
this on your own. All the ways you wish you could be – that's me. I we're very, very pissed off.“ (Fight Club)
look the way you want to look, I fuck the way you want to fuck. I'm
smart, capable and most importantly: I'm free in all the ways that „I am a thirty year old boy.“ (Fight Club) Sagt Jack stellvertretend für eine
you were not.“ (Fight Club) ganze Generation von Männern, die von Frauen erzogen wurden9, nach einer
Vaterfigur suchend, einem Idol, das ihm die Bestätigung verschafft, die er nicht
sagt Tyler gegen Ende des Films. 8 „The first rule of fight club is: You do not talk about fight club. The second rule of fight club is:
Die dritte edle Wahrheit zeigt sich in Tylers Taten und Belehrungen. Zuerst You do not talk about fight club. Third rule of fight club: Someone yells stop, goes limb, taps out
befreit er Jack von all seinen Besitztümern und zwingt ihn damit, das erste Mal – the fight is over. Fourth rule: Only two guys to a fight. Fifth rule: One fight at a time, fellows.
von etwas loszulassen. Danach holt er ihn aus seiner Konsumkultur und kann Sixth rule: No shirts, no shoes. Seventh rule: Fights go on, as long as they have to. And the
eighth and final rule: If this is your first night at fight club – you have to fight.“ (Fight Club)
ihn so nach und nach von seinen Anhaftungen und Begehren lösen, was Tyler 9 „We're a generation of men raised by women.“ Tyler, (Fight Club)

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zu finden vermag. Sein Vater hat ihn verlassen, seinen Vorgesetzten mag er nicht auszuschliessen. „Don't deal with it like those dead people do.“ sagt Tyler.
und damit erschöpft sich bereits die Fülle an möglichen Vaterfiguren in seinem „What you are feeling is premature enlightment.“ „This is the greatest moment
Leben. Tyler tritt jedoch nicht an diese Stelle, sondern lässt ihn realisieren, dass of your life.“ Durch den Schmerz dringt alles was Tyler sagt direkt zu Jack. Er
er nicht der einzige ist, dem diese Figur fehlt und dass er diese Lücke nicht mit hat ihn im wahrsten Sinne des Wortes an der Hand, er muss ihm zuhören, wenn
etwas ausserhalb von sich füllen kann, sondern das daran gebundene Gefühl der er möchte, dass der Schmerz aufhört. Tyler nutzt den Moment, um Jack eine der
Unvollkommenheit nur los wird, wenn er davon ablässt, die Lücke füllen zu wichtigsten Belehrungen mitzugeben: „First you have to give up, first you have
wollen. to know – not fear – know that someday you're gonna die.“ (Fight Club) Nur
Er will kein Schlafmittel mehr, keine Selbsthilfegruppen, sondern seinem Unmut dadurch kann er sich von einer der Ur-Ängste befreien, der Angst vor dem Tod
Ausdruck verleihen. Für die Dauer des Kampfes war er jemand. und ist „one step closer to hitting bottom,“ wie es Tyler ausdrückt – einen Schritt
näher an der Erleuchtung, an Nirvana. „It's only after we've lost everything, that
„Fight club wasn't about winning or losing. It wasn't about words. we're free to do anything.“ (Fight Club) Wer nichts mehr hat, woran er sich
[...] When the fight was over, nothing was solved, but nothing halten muss, an nichts mehr anhaftet, ist wahrhaft frei.
mattered. ... Afterwards we all felt saved.“ (Fight Club)
Hitting Bottom
Die grösste Kritik am Film war und ist die ausgiebige Darstellung von Gewalt,
was auch schwer mit dem gewaltlosen Konzept des Buddhismus zu vereinbaren Die Thematik der zuletzt geschilderten Szene erfährt noch eine Steigerung später
ist. Es lässt sich jedoch als filmeigene Interpretation der freiwilligen im Film, als Tyler mit Jack und zwei Project Mayhem „Space Monkeys“11 ins
Selbstbestrafung wie Fasten, Selbstgeisselung, Isolation, etc. sehen, die es fast in Auto steigt und eine Irrfahrt durch den strömenden Regen beginnt. Tyler lässt
jeder Religion gibt. (Reed 2007, §28) Meine Interpretation davon ist, dass es in das Lenkrad los und fragt die anderen, was sie gerne vor ihrem Tod noch tun
einer betäubenden und sich betäubenden Welt etwas so direktes und würden. Die beiden „Space Monkeys“ sagen ohne zu zögern „build a house,“
unmittelbares braucht wie den Schmerz eines Faustkampfes, um das samsarische „paint a self-portrait,“ nur Jack verliert die Fassung und greift ins Lenkrad um
Dasein zu verlassen und ganz ins „Hier und Jetzt“ einzutauchen. Dieser Zustand, sie wieder auf die rechte Spur zu bringen, was Tyler aber verhindert und ihn
des völligen Präsent-Seins, ist eines der Ziele der Buddhistischen Praxis 10 dazu auffordert die Frage zu beantworten. Erst flieht Jack, um sein Leben zu
(Dzilna 2004 §31). Man soll von den sentimentalen Erinnerungen an die retten, in Sätze, von denen er glaubt, dass Tyler sie hören möchte. Doch nichts
Vergangenheit und von den Hoffnungen und Erwartungen an die Zukunft scheint Tyler davon abzubringen sie ins Unausweichliche zu steuern. Er zwingt
loslassen und nur Hier und Jetzt sein. In diesen Begriffen steht die Gewalt resp. Jack zum Loslassen mit der Offenbarung, dass er sein Apartment zerstört hat.
der Schmerz für das Mittel, durch das dies erreicht wird und repräsentiert die „Hitting bottom is no weekend retreat. It's not a god-damn seminar. Stop trying
Meditation im spirituellen Universum des Fight Clubs. to controll everything and just let go!“ (Fight Club) Die Erleuchtung ist kein
Am besten wird das vermutlich durch die Szene verdeutlicht in der Tyler Jack Wochenendkurs, kein Buch, das man lesen kann und vor allem kein System zur
auf den Handrücken küsst und Laugenpulver über die noch feuchte Haut streut. Selbstverbesserung. (Dzilna 2004 §26)12
Die einsetzende chemische Verbrennung verursacht unsägliche Schmerzen vor 11 So nennt Tyler die Mitglieder Project Mayhems in sarkastischem Sinn, weil diese genauso
denen Jack zu fliehen versucht. Er wendet Techniken des autogenen Trainings ohne Identität sind und dennoch bereit sind sich für einen höheren Zweck zu opfern. „Without
an, die er in den Selbsthilfegruppen gelernt hat und versucht damit den Schmerz pain, without sacrifice, we would have nothing.“ (Fight Club)
12 „Self improvement is masturbation. Self destruction…“ sagt Tyler an anderer Stelle. Das
10 Besonders im Zen-Buddhismus entspricht dem die Meditation. Erreichen des Nirvanas kann nicht an Konzepte, wie das eines „Besseren“ gebunden sein.

5
Tyler zwingt sie, dem Tod ins Auge zu blicken und der Unfall den sie daraufhin Project Mayhem
haben lässt sie an die Stelle derer treten, die Jack zuvor in seinen Statistiken
bearbeitet hat. „We just had a near-life-experience,“ sagt Tyler nachdem er Jack Tyler zerstört solche Identifikationen ganz bewusst, was in der Entwicklung vom
aus dem Wrack gezogen hat. Fight Club zu Project Mayhem gut sichtbar wird. Die Aspiranten dafür müssen
erst drei Tage ohne Nahrung und Schlaf vor Tür warten, ehe sie aufgenommen
Die Todesthematik ist den ganzen Film hindurch präsent. So fühlt Jack sich nach werden und müssen bis dahin viele Beleidigungen und Abweisungen
den Selbsthilfegruppen wiedergeboren, Tyler und Marla kommen durch einen hinnehmen. Man könnte sagen, es sei eine klassische Gehirnwäsche, zur
Suizidversuch von ihr zusammen und auch die „Hausaufgabe“ des Verunsicherung der Anwärter, doch werden sie auch auf das, was danach folgt
Menschenopfers geht damit um. Raymond K. Hessel fürchtet den Tod und in vorbereitet: Ein Leben das darauf zielt, keine Anhaftung und Begehren zu
dessen Bedrohung wird ihm bewusst, was ihm tatsächlich wichtig ist, auch wenn empfinden, also in buddhistischen Begriffen: Das Leben im Kloster.
etwas nachgeholfen wird. Er wird das Leben neu schätzen, nach diesem Vorfall. In Project Mayhem hat niemand einen Namen oder Besitz, Fragen sind nicht zu
„[Er] hat den Tod erlebt und weiss, dass es jeder Zeit passieren kann. Das Leben stellen, Entschuldigungen und Lügen werden nicht toleriert und Tyler muss
ist jetzt zu leben, nicht in den für die Zukunft gehegten Hoffnungen und vertraut werden. Eigentlich ändert sich auf ersten Blick nicht viel für die
Träumen.“ (Dzilna 2004, §31) Einzelnen. Zuvor hatten sie Jobs in denen sie austauschbar waren, genauso
„Hitting bottom“ heisst von allem loszulassen, was man kennt, von allem was Namenlos wie Jack, nur dass sie jetzt einem idealistischen Zweck dienen
man als „beständige Werte“ erachtet, jegliche Identifikation gehört verbannt, können.
oder wie Tyler es ausdrückt: Der Zweck entspricht der Sabotage der grossen Konzerne und allen
Auswüchsen, die in den Augen Tylers dazu geführt haben, dass es soweit kam,
„You are not your job, you're not how much money you have in the dass sich die Konsumgesellschaft in diesem Ausmasse entwickeln konnte. Sein
bank, you're not the car you drive, you're not the contents of your grösstes Ziel ist die Zerstörung der Hauptstellen der Kreditinstitute, damit jeder
wallet, you're not your fucking khakis. You are the all singing, all wieder bei Null beginnt.14
dancing, crap of the world.“ (Fight Club) Jack fühlt sich von Tyler ausgeschlossen, da die Gründung Project Mayhems
über seinen Kopf hinweg stattfand. Er realisiert, dass er keinen Einfluss mehr
Man ist nicht sein Besitz, denn das Selbst wird durch dessen Verlust nicht auf die Dinge hat und ist wieder frustriert. Er bekommt seine Anhaftung an Fight
zerstört. Man ist nicht sein Körper, denn der Körper altert und vergeht. „Even Club und Tyler zu spüren. „My father dumped me, Tyler dumped me. I am Jack's
the Mona Lisa is falling apart.“ (Fight Club) Man ist auch nicht seine broken heart.“ (Fight Club) Während eines der Faustkämpfe zerstört er aus
Empfindungen oder Gedanken, denn sie kommen und gehen ohne dass man sie seiner Hilflosigkeit heraus das schöne Gesicht seines „Gegners“ völlig. „I
festhalten kann, auch nicht das Bewusstsein, sondern das Selbst das sich bewusst wanted to [...] smother all the french beaches I'd never see.“ „I felt like
wird. „Die grundlegende Realität meines Lebens besteht in keinem Gegenstand, destroying something beautiful.“
nicht mal in einer Idee, wie Gott oder Atman.13“ (Dzilna 2004, §32)
14 Tyler formuliert seine Vision folgendermassen: „In the world I see -- you're stalking elk
through the damp canyon forests around the ruins of Rockefeller Center. You will wear leather
13 Atman entspricht in der indischen Philosophie am ehesten dem westlichen Gottesbegriff, steht clothes that last you the rest of your life. You will climb the wrist-thick kudzu vines that wrap
aber wortwörtlich für „Atem“, „Lebenshauch“ oder „Selbst“. (http://www.peter- the Sears Tower. You will see tiny figures pounding corn and laying-strips of venison on the
hug.ch/lexikon/Atman) empty car pool lane of the ruins of a superhighway.“

6
Doch Jack ist im Sinne des achtfachen Pfades inkonsequent, er gibt sich nicht zu Buddha töten
genüge ein, leidet noch immer, hält noch zu sehr an den Identifikationen fest,
ansonsten könnten sie ihn nicht derart verletzen. Er beneidet Tyler um seine Der letzte Teil des Filmes besteht daraus, dass Jack den grössten Anschlag (die
Freiheit und Beziehung zu Marla. Zerstörung sämtlicher Kreditinstitute, damit jeder wieder bei Null beginnt) zu
verhindern versucht. Dabei kämpft er aber stets gegen sich selbst, bis er
Bob, einer der Teilnehmer der ersten Selbsthilfegruppe, die Jack besucht hat, realisiert, dass er selbst der ist, der das Ganze ausgelöst hat und damit auch
wird auf einer der terroristischen Aktionen gegen die Welt des Konsums derjenige sein muss, der es wieder beendet. Alles hat er abgelegt, die Angst vor
erschossen. Die „Space Monkeys“ wollen ihn, als Beweisstück möglichst schnell dem Schmerz, dem Tod und Tyler. Mit den Worten „My eyes are open“ schiesst
loswerden und im Hinterhof begraben. Jack versucht sie daran zu erinnern, dass er sich in den Mund, überlebt aber und stirbt dennoch einen symbolischen Tod,
es kein Beweisstück sondern ein Mensch ist, der einen Namen hat. Die der ihn von der Zwiegespaltenheit erlöst. Er wird wieder zu einer einzigen
versammelten Mitglieder Project Mayhems missverstehen ihn jedoch und deuten Person, die die Aspekte beider Persönlichkeiten in sich vereint und so hat er jetzt
es um in die ihnen vertraute Welt: „In death, a member of Project Mayhem has a endlich einen Namen, eine Identität: Tyler Durden.
name.“ Damit identifizieren sie sich mit etwas, was nach dem Tod kommt, also Während des ganzen Films, aber vor allem in dieser letzten Szene wird eine
dem Himmel einer christlichen Betrachtung entspräche. „His name is Robert buddhistische Thematik deutlich, die Zen-Meister Seung Sahn folgendermassen
Paulson.“ steht fortan das Mantra für den Märtyrer und den Wunsch der „Space ausdrückt:
Monkeys“ nach einem Namen und damit der Möglichkeit einer Identifikation.
Jack sieht darin, dass Project Mayhem nicht mehr dem entspricht wonach er “…in this life we must all kill three things: First we must kill our
sucht, sondern die negativen Züge eines religiösen Kultus angenommen hat, der parents. Second, we must kill the Buddha. And lastly, we must kill
nicht zu hinterfragen ist. Er sieht die „Spiritualität“ von Fight Club für Tylers him! [the teacher]”
idealistische Vision instrumentalisiert, was ihm seine spirituelle Selbstfindung
nicht ermöglicht. (Reed 2007, §27) Gleichzeitig üben Autor und Regisseur Das Töten wird im übertragenen Sinne so verstanden, dass es jeweils um das
Kritik an Religion und Kultus: Der Weg zum inneren Frieden lässt sich nicht in Lösen der Bindung geht. Man „tötet“ seine Eltern indem sein eigenes Handeln
einer Institution fassen und gehört nicht in die Hände des Mobs, sondern in die und Werden ihnen nicht mehr gerecht werden muss. Man versucht nicht mehr so
jedes einzelnen Suchenden. (Reed 2007, §33) zu sein, wie man glaubt, dass es die Eltern gerne hätten. Dass das bei Jack (und
Jack beschliesst sich auf die Suche nach dem letzten womit er sich noch Tyler) bereits passiert ist zeigt sich in einem ihrer Gespräche, (Reed 2007, §27)
identifiziert zu begeben: Sein Lehrer. Tyler. Das während seiner Schlaflosigkeit aber auch in Tylers Belehrung während des „Handkusses“:
bereits schon einmal herrschende Wechselspiel zwischen den beiden
Charakteren, findet auf seinen Reisen, Kreuz und quer durch die vereinigten „Our fathers were our models for god. If our fathers bailed, what
Staaten, wieder statt. Verfolgt von Déjà-vus, fragt er sich: „Was I asleep? Have I does that tell you about god? Listen to me! You have to consider the
slept? Is Tyler my bad dream or am I Tyler's.“ (Fight Club) Als Jack zu ahnen possibility, that god does not like you. He never wanted you. In all
beginnt, dass er selbst Tyler ist, ruft er Marla an, die ihm diesen Verdacht probability: He hates you.“ (Fight Club)
bestätigt. Damit bricht er jedoch das Versprechen Tyler gegenüber, mit ihr nie
über ihn zu reden. Unmittelbar danach taucht er auf, lüftet das Geheimnis und Darin zeigt sich auch bereits das „Töten“ des Buddhas: Das Vernichten eines
erklärt die Schwierigkeit ihrer Beziehung. alten Ideals, hier Gott, dem mehr aus Gewohnheit oder aus der Hoffnung gefolgt

7
wird, vielleicht irgendwann einmal dessen Gnade zu erfahren. Davon loslassen
heisst, näher an „hitting bottom“ zu gelangen, heisst den Buddha töten. Buddha
steht hierbei für das womit man sich identifiziert, das Ziel das man erreichen
möchte, das worauf man seine Wünsche richtet und dem man gerecht werden
will. Das erste mal im Film geschieht das bei der Zerstörung von Jack's
Wohnung. Das womit er sich zuvor identifiziert hat, wird ihm genommen und er
dadurch gezwungen umzudenken. Zum zweiten mal, als Jack in Project Mayhem
seine Selbstfindung institutionalisiert findet, über die er keine Kontrolle hat,
lässt er davon los und tötet damit den Buddha des Fight Clubs.
Bleibt noch der Lehrer, Tyler, von dem sich Jack lösen muss, was ihn vor das
Problem stellt, einen Teil von sich selbst loszulassen. Er muss sich selbst
überwinden, wenn er Tyler bewältigen bzw. überwältigen möchte, was ihn in der
letzten Konsequenz wieder mit dem Tod, in Form des Suizids konfrontiert. Jack
sagt, seine Augen sind offen, er hat verstanden, dass er sogar von sich selbst
loslassen muss und drückt ab mit dem Willen sich umzubringen und damit auch
Tyler. Aus einer Laune des Schicksals heraus, wird er jedoch nicht
lebensgefährlich verletzt. Was daraus hervor geht ist ein neuer Charakter.
„You've met me in a very strange time of my life.“ sagt er zu Marla und fasst
damit den Film in einem Satz zusammen.
Tyler Durden, so wie er am Ende des Films dort steht, Hand in Hand mit Marla,
während zu „Where's my mind“ von den Pixies die Kreditinstitute in sich
zusammensacken, ist ein moderner Siddharta Gautama, der alles was ihm Leid
und Zweifel bereitet hat überwunden und sich damit erleuchtet hat.

Quellen

Dzilna, Dzintars: Fight Club: Violence as Yoga im Blog: Wattage, 2004


http://wattage.blogspot.com/2004/08/fight-club-violence-as-yoga.html

Reed, Charley: Fight Club: An Exploration of Buddhism in: Journal of Religion


and Film, Nr. 11,
http://www.unomaha.edu/jrf/vol11no2/ReedFightClub.htm

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