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Der Garnisonsfriedhof am Columbiadamm

Widerlichkeiten des deutschen


»Heldengedenkens«

in rememberance of…
Jährlich treffen sich im November am Columbiadamm in Neukölln
Geschichtsrevisionist_innen verschiedenster Couleur, um gemeinsam
den „deutschen Opfern“ zu gedenken. Wir möchten euch mit dieser
Broschüre eine Übersicht der Denkmäler bieten und gleichzeitig unsere
Kritik an der geschichtsrevisionistischen Gedenkpraxis formulieren.

Der Garnisonsfriedhof am Columbiadamm

Widerlichkeiten des deutschen


»Heldengedenkens«
Kleiner Abriss deutscher Kriege
1864 – 1945
Die Verdrehung der Täter-Opfer-Perspektive
und die Entkontextualiserung und
Relativierung deutscher Verbrechen […] sind
das prägende Merkmal des alljährlich auf dem
Garnisonsfriedhof praktizierten Trauerrituals … 
8 – 11

Die Denkmäler auf


dem Garnisonsfriedhof
Die Teilnehmer_innen zogen dabei unter der
Musik mehrerer Musikcorps und den Fah-
nen diverser Kriegervereine zum Standort
des Denkmals, über die politische Funktion
bestand bei den Beteiligten kein Zweifel.
12 – 19

4|5
Denkmäler und ihre Funktion…

Vor dem sich wandelnden Bezugsrahmen einer


fortschreitenden Wirklichkeit konstruieren sie
die Ver­gangenheit immer wieder neu, indem
sie Vergangenes betonen, verschweigen oder
umdeuten.
20 – 23

Die Akteure

Jedes Jahr treffen sich am Volkstrauertag


Veteranen der Wehrmacht, Burschenschaft-
ler, Alt- und Neonazis, um gemeinsam mit
Politikern der demokratischen Parteien ihren
Helden zu gedenken …
24 – 27
In Remembrance of …
Nationale Identitätskonstruktion bedient sich Der beschriebene Umgang mit kollektiver
verschiedenerer Mittel. Neben der Kollekti- Geschichte ist auch und besonders in der BRD
vierung von Menschen anhand vermeintlich zu beobachten. Vor dem Hintergrund der sin-
gleicher Sprache, Herkunft und kulturellem gulären deutschen Verbrechen im 2. Weltkrieg,
Erbe ist für die Definition einer nationalen Shoah und Vernichtungskrieg, ist er hier beson-
Identität vor allem der positive Bezug auf die ders abzulehnen. Waren die ersten Jahrzehnte
gemeinsame Geschichte, die sich als prägen- nach Kriegsende noch von einem Klima des
der Zusammenhalt für die Nation erwiesen Verschweigens und Verdrängens geprägt, ist der
haben soll, von herausragender Bedeutung. gesellschaftliche Diskurs mittlerweile an einen
Da sich ein kontinuierlicher und positiver Punkt angelangt, an dem es für legitim befun-
Bezug auf die Geschichte meistens nicht pro- den wird, nun auch offen »endlich der eigenen
blemlos konstruieren lässt, eignet sich eine Opfer angemessen zu gedenken«. Schuldab-
nationalstaatliche Gesellschaft das Mittel der wehr und die damit verbundene Verdrehung
»Geschichts-   und Erinnerungspolitik« an. In der Täter-Opfer-Perspektive sind zu einem
der Absicht, das kollektive Bewusstsein im festen Bestandteil deutscher Erinnerungskul-
Sinne der positiven Identitätsbildung zu prä- tur geworden. Das alljährliche Gedenken an die
gen, wird versucht, eine Geschichtsschreibung »deutschen Opfer« alliierter Luftangriffe auf
bzw. -wahrnehmung im Diskurs zu etablie- Dresden, deutschtümelnde Heimattage der so
ren, die für die Identitätsbildung hinderliche genannten Vertriebenenverbände, bis hin zur
Elemente der Geschichte bewusst ausblendet Ableitung einer besonderen moralischen Legiti-
bzw. umdeutet, um eine ungestörte Identitäts- mation für »Friedenseinsätze« der Bundeswehr,
konstruktion zu ermöglichen. Diese Form der sind Manifestationen dieser Gedenkideologie.
»Geschichts- und Erinnerungspolitik« findet
ihren Ausdruck nicht zuletzt in revisionisti-
schen Gedenkpraxen.

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Diese Entwicklung findet ihr Abbild auch Konzentrationslager in Berlin, das KZ Colum-
im lokalen Rahmen. Diese erste Broschüren- bia-Haus, welches nur wenige hundert Meter
reihe befasst sich mit drei Geschichtsfrag- entfernt vom Friedhof am Columbiadamm lag
menten dieser Art mit unmittelbarem Bezug ( Das Konzentrationslager Columbia-Haus –
zu Neukölln. Kaum ein Ort in Neukölln bie- Die Anfänge des Konzentrationslagersystems).
tet eine bessere Grundlage für die Illustration Einen Beitrag zu linksradikaler Kritik an
von Gedenkpraxen in der BRD als der Gar- Gedenkkultur und -praxis anhand konkreter,
nisonfriedhof am Columbiadamm. Hier fin- lokaler Beispiele, soll die Broschürenreihe »In
det sich ein Stein, der den Gefallenen eines Remembrance of…« aus der Ihr ein Exemplar
»Südwest-Afrika Feldzuges« gewidmet ist, der in den Händen haltet, leisten. Diese Ausgabe
sich bei näherer Betrachtung als Genozid an den von »In Remembrance of…« soll kein einmali-
Herero und Nama entpuppt ( Der Genozid an ges Projekt sein, sondern ein fester Bestand-
den Herero und Nama), neben Denkmälern, die teil unserer politischen Arbeit werden, denn
gefallenen »Helden« u.a. verschiedener Wehr- die kritische Aufarbeitung und Reflexion von
machtsdivisionen und SS-Einheiten geden- Geschichte bedarf einer kontinuierlichen
ken und jedes Jahr im November die Kulisse Arbeit und ist eine wichtige Voraussetzung
für das Gedenkritual alter und neuer Nazis für antifaschistische Politik.
und anderer Revisionisten bieten (Der Gar-
nison-Friedhof am Columbiadamm    –    Wider- Ideen für neue, interessante Themen in zukünf-
lichkeiten des deutschen »Heldengedenkens«). tigen Ausgaben sind jederzeit willkommen,
Komplettiert wird das Ensemble deutscher falls Ihr welche habt, schickt uns einfach eine
Verbrechen durch das einzig eigenständige Mail an a.n.a@riseup.net

autonome neuköllner antifa / oktober 2009


Kleiner Abriss deutscher
Kriege 1864 – 1945
Die Deutschen Einigungskriege mit dem Sieg der Armee des deutschen Bundes
Die so genannten »Deutschen Einigungskriege« unter der Führung Preußens über Frankreich im
bezeichnen als Sammelbegriff die Kriege zwi- Deutsch-Französischen Krieg erfolgreich abge-
schen 1864 und (1866 ) und 1871, die in ihrem schlossen, da er neben der erzwungenen Abtre-
Ergebnis zur Entstehung des ersten deutschen tung von Elsass-Lothringen an den Deutschen
Nationalstaates im Jahre 1871, dem Deutschen Bund auch die Ausschaltung des verbliebe-
Reich unter der Führung Preußens führten. nen Hauptgegners einer nationalen Einigung
Bei diesen Kriegen handelte es sich im Einzel- Deutschlands bedeutete.
nen um den Deutsch-Dänischen Krieg (1864),
den Preußisch-Österreichischen Krieg, auch Spezielle Kritik
als »Deutsch-Deutscher Krieg« bezeichnet In den so genannten »Deutschen Einigungs-
(1866 ) und den Deutsch-Französischen Krieg kriegen« fanden die verschiedensten nationa-
(1870 / 1871). Im Deutsch-Dänischen Krieg, listischen und chauvinistischen Strömungen
der mit der Annexion des vormalig dänischen in Deutschland ihren Ausdruck. Angestachelt
Schleswig durch deutsche Truppen endete. Der vom Hass der traditionellen Feindschaft mit
Sieg Preußens über die Truppen Österreichs im Frankreich und angetrieben von dem Bestre-
Preußisch-Österreichischen Krieg ist in soweit ben der Schaffung einer großdeutschen Nation
relevant, als dass er das praktische Ende des mitsamt der Beanspruchung eines ihr angeb-
»Deutschen Dualismus«, der Konkurrenz der lich zustehenden Großmachstatus bildete die-
beiden Großmächte Preußen und Österreich ser Krieg die Grundlage für spätere Angriffs-
um die Vorherrschaft, im seit 1815 bestehenden kriege und die Entstehung einer kollektiven
Deutschen Bund bedeutete. Somit war der Weg deutschen Identität, die im Nationalsozialis-
für eine Einigung der bestehenden Kleinstaa- mus in der Ideologie der »Volksgemeinschaft«
ten unter der Führung Preußens in einer deut- fortgeschrieben wurde.
schen Nation bereitet. Dieser Prozess wurde
Der Erste Weltkrieg
Vor dem Hintergrund der auf die Erschlie-
ßung neuer Rohstoffquellen ausgerichteten
imperialistischen Bestrebungen der europä-
ischen Großmächte verschärften sich beste-
hende Spannungen auf dem Kontinent. Der
Konflikt auf dem Balkan, in dem Russland nati-
onalistische, gegen den Einfluss Österreich-
Ungarns gerichtete Strömungen insbesondere
in Serbien unterstützte, bildete die Grund-
lage für den Auslöser des Ersten Weltkrieges.
Österreich-Ungarn nutzte die Ermordung des
österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand
am 28.6.1914 in Sarajevo, indem es Serbien die

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Verantwortung für das Attentat zuwies, als Tugenden von »tapferen Soldaten« wie Gehor-
Vorwand, um mit Rückendeckung des verbün- sam, Kampfeswille und Opferbereitschaft für
deten Deutschen Reiches Serbien am 28. Juli das Konstrukt der deutschen Nation werden
den Krieg zu erklären. Die Kriegserklärung des mystifiziert, die für eine nationalistisch-impe-
deutschen Reiches an Russland am 1.8.1914 rialistische Ideologie Gefallenen werden zu
und der folgende deutsche Einmarsch in Helden verklärt. Ihrem Tod wird ein übergeord-
Belgien markierten den Beginn des Ersten Welt- neter, als legitim dargestellter Sinn zugeordnet,
krieges. Der Krieg verlief zwischen dem Dreier- der Kampf für die Großmachtbestrebungen
bund aus Deutschland, Österreich-Ungarn und des Deutschen Reiches. Gleichzeitig wird ihr
Italien und den Mächten der Entente, Tod losgelöst von begangenen Kriegsverbre-
Frankreich, Russland und Großbritannien. Der chen betrachtet und die Verantwortung von
Wendepunkt des Krieges, der an drei Fronten Offizieren und politisch Verantwortlichen, für
geführt wurde im Westen, Osten und Süden, deren Ziele eines Großdeutschlands die Sol-
war der Kriegseintritt der USA auf Seiten der daten eingesetzt wurden, relativiert. Gleich-
Entente am 6.4.1917. Insbesondere die jahre‑ zeitig ist das Gedenken ein Ausdruck für das
langen Stellungskriege an der Westfront, in Fortbestehen revisionistischer Tendenzen, die
denen massiv Giftgas eingesetzt wurde, koste- ihren Ursprung nach der Niederlage Deutsch-
ten zahlreichen Menschen das Leben. Insgesamt lands in der Verunglimpfung des Versailler Ver-
sind im Ersten Weltkrieg ca. 9 Millionen Men- trages als ein aufgezwungenes »Schanddiktat
schen ums Leben gekommen. Mit dem Waffen-
stillstand von Compiegne am 11.11.1918 und Das Gedenken an die deutschen Soldaten des Ersten
den Versailler Vertrag am 31.1.1919 wurde die Weltkrieges bedeutet, Soldaten zu betrauern, die in
deutsche Niederlage besiegelt. einem von fanatischen Nationalismus und aggressiven
Chauvinismus motivierten, von Deutschland
Spezielle Kritik begonnenen Angriffskrieg gefallen sind.
Das Gedenken an die deutschen Soldaten
des Ersten Weltkrieges bedeutet, Soldaten von Versailles« und der Leugnung deutscher
zu betrauern, die in einem von fanatischen Verbrechen und der deutschen Kriegsschuld
Nationalismus und aggressiven Chauvinismus fanden. Die ungebrochen nationalistische und
motivierten, von Deutschland begonnenen revisionistische Grundstimmung bildete in der
Angriffskrieg gefallen sind. Ihnen unkritisch Folgezeit den Nährboden und einen der Bedin-
und unreflektiert zu gedenken, stellt eine Glo- gungsfaktor für die Entstehung und das Erstar-
rifizierung der Kriegsgräuel und des Militaris- ken des Nationalsozialismus.
mus des Ersten Weltkrieges dar. Angebliche
Der Zweite Weltkrieg
Der Zweite Weltkrieg ist im Bezug auf die
Verluste von Menschenleben und die ange-
richteten Zerstörungen der größte und ver-
heerendste Krieg der Menschheitsgeschichte.
Der von Deutschland aus­gehende Vernich-
tungskrieg begann mit dem Überfall der
Wehrmacht auf Polen am 1.9.1939  . Dem
Deutschen Reich gelang es zunächst zusam-
men mit seinem Verbündeten Italien große
Teile Europas unter seine Kontrolle zu brin-
gen. Die Besetzung durch deutsche Truppen
war begleitet von schwersten Kriegsverbre-
chen wie Massakern gegen die Zivilbevölke-
rung in den betroffenen Gebieten. Die Eta-
blierung der deutschen Herrschaft in den
besetzten Gebieten bildete gleichzeitig die ein Jahr später, den deutschen Vernichtungs-
Grundlage für die Ausweitung der Vernich- krieg und den Genozid an den europäischen
tungsmechanismen der Konzentrationslager Jüdinnen und Juden zu beenden, am 8.5.1945
und somit die Fortführung des systematischen kapitulierte das deutsche Reich bedingungslos.
und industrialisierten Genozids an den europä‑
ischen Jüdinnen und Juden in der Shoa. Die Spezielle Kritik
Ausbreitung der deutschen Herrschaft und Die Gründe, fundamentale Kritik am Gedenken
somit die Ausweitung des massenhaften Mor- an während des Zweiten Weltkrieges gestor-
des konnte erst im Januar/Februar 1943 durch benen deutschen Soldaten zu üben, sind viel-
den sowjetischen Sieg über die 6. Deutsche fältig. Deutsche Soldaten, der Wehrmacht und
Armee in der Schlacht um Stalingrad erstmals Waffen-SS, waren wesentlich daran beteiligt,
gestoppt werden. Die deutsche Ostexpansion den europäischen Kontinent mit einem Ver-
war somit abgewehrt, die deutschen Truppen nichtungskrieg zu überziehen, dem Schätzun-
von nun an an der Ostfront in der Defensive gen zu Folge mehr als 50 Millionen Menschen
bzw. im Rückzug begriffen. Begleitet von ver- zum Opfer fielen. Diese Soldaten waren es, die
stärkten alliierten Luftangriffen auf deutsche sich schwersten Verbrechen wie etwa Massa-
Städte, gelang es den Alliierten (USA, Sowjet- kern an der Zivilbevölkerung oder Massener-
union, Großbritannien und Frankreich) zuneh- schießungen von Kriegsgefangenen schuldig
mend, die Oberhand zu gewinnen. Mit der machten. Wehrmacht und Waffen-SS ebne-
Landung der Truppen der Westalliierten in der ten mit ihren Angriffs- und Eroberungsfeld-
Normandie am 6.6.1944 war die militärische zügen der Errichtung einer deutschen Schre-
Niederlage Deutschlands endgültig eingelei- ckensherrschaft in weiten Teilen Europas den
tet. Dennoch gelang es den alliierten erst etwa Weg, die sich in der bürokratisch-organisier-
ten, industrialisierten Vernichtung der euro-
Die Verdrehung der Täter-Opfer-Perspektive und die Entkon- päischen Juden, der Shoa, mainifestierte. Die
textualiserung und Relativierung deutscher Verbrechen und Ehrung dieser Täter mit Denkmälern bedeu-
insbesondere der Shoa sind das prägende Merkmal des tet, die Soldaten zu vermeintlichen Opfern zu
alljährlich auf dem Garnisonsfriedhof praktizierten Trauer‑ machen und die deutschen Soldaten schein-
rituals eines Konglomerats aus Geschichtsrevisionisten, alten bar gleichberechtigt in eine Reihe mit denen
und neuen Nazis. von ihnen Ermordeten zu stellen. Damit

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sollen die deutschen Täter nicht nur von der umzudeuten, dass ein vermeintlich positiver
Schuld an den während des nationalsozialis- Bezug auf die deutsche Nation trotz der Shoa
tischen Vernichtungskrieges befreit, sondern und des von Deutschland ausgehenden Ver-
auch die Konstruktion eines Heldenmythos nichtungskrieges in der kollektiven deutschen
ermöglicht werden. Das unreflektierte und Geschichtsbetrachtung ermöglicht wird. Die
entkontextualisierte Gedenken an die gefal- Verdrehung der Täter-Opfer-Perspektive und
lenen deutschen Soldaten durch diese Denk- die Entkontextualiserung und Relativierung
mäler zielt darauf ab, ihren Tod während des deutscher Verbrechen und insbesondere der
Kampfes für eine Ausbreitung der national- Shoa sind das prägende Merkmal des alljährlich
sozialistischen Terrorherrschaft, zu einem auf dem Garnisonsfriedhof praktizierten Trau-
betrauernswerten Ereignis in einem »norma- errituals eines Konglomerats aus Geschichts-
len« Krieg oder gar zu einer verehrenswerten revisionisten, alten und neuen Nazis.
»Heldentat« zu stilisieren. Die Absicht dahinter
besteht darin, durch geschichtsrevisionistische
Schuldabwehr, die Hervorhebung vermeintli-
cher »deutscher Opfer« und die Relativierung
der singulären deutschen Verbrechen während
des 2.Weltkrieges die geschichtlichen Abläufe
und Täter-Opfer-Konstellationen dahingehend
Die Denkmäler auf dem
Garnisonsfriedhof
»Deutsche Einigungskriege« Feldzugs wurden mehr als 80 000 Herero und
Inschriften: Gestiftet am 22. Nov. 1874 durch A. Nama von deutschen Truppen ermordet. Die
F. Grafen Luckner Dem kommenden Geschlechte brutale Gewalt der deutschen Soldaten gegen
zum leuchtenden Vorbild Den Hinterbliebenen die indigene Bevölkerung der damaligen Kolo-
zum gläubigen Troste 1866, 1870   –  1871 nie dauerte insgesamt 11 Jahre bis 1915 an. Bis
heute gibt es in ganz Berlin keine einzige offi-
»Süd-West-Afrika-Feldzug« zielle Gedenkstätte, welche an die deutschen
Der »Herero-Stein« auf dem Garnisonsfriedhof Kolonialverbrechen erinnert. Eine neben dem
Columbiadamm. Stein aufgestellte Gedenktafel wurde kurz
Neben Ehrenmählern für NS-Täter ist auf dem nach ihrer Installation von Unbekannten ent-
Friedhof am Columbiadamm auch eine Erinne- wendet. Bis zum heutigen Tag wird auf dem
rungsstätte mit Kolonialbezug zu finden, ein Friedhof am Columbiadamm somit unkom-
Findling, der laut seiner Inschrift an die gefal- mentiert und ungestört den Mördern von mehr
lenen »Helden« des Südwestafrika-Feldzuges als 80 000 Menschen gedacht. Die Bundesre-
(1904   –   1907) erinnern soll. Dieser Gedenk- gierung weigert sich beharrlich und lehnt jede
stein stand ursprünglich auf einem Kasernen- Verantwortung für die während der Kolonial-
gelände in Kreuzberg und wurde 1973 auf zeit unter deutscher Regie begangenen Ver-
Initiative der »Afrika-Kameradschaft Berlin« brechen oder gar Entschädigungszahlungen
restauriert und an seinen jetzigen Standort an die Opfer strikt ab.
auf dem Garnisonsfriedhof verlegt. Dieser Inschriften: Den in Afrika gefallenen deut-
Ortswechsel wurde genutzt, um einen wei- schen Soldaten zum ehrenden Gedenken von
teren Gedenkstein zu errichten, der »den in 41 Angehörigen des Regiments die in der Zeit
Afrika gefallenen deutschen Soldaten« gewid- von Januar 1904 bis zum März 1907 am feld-
met war. Damit wurde das Gedenken von den zug in Süd   -  West  -   Afrika freiwillig teilnah-
während der Kolonialzeit in Afrika gefallenen men starben den Heldentod: [...] das Offizier-
deutschen Soldaten auf alle in Afrika gefalle- korps ehrt mit diesem Stein das Andenken der
nen deutschen Soldaten ausgeweitet, also auch Helden.
auf die während des 1.   und des 2.  Weltkrieges Gedacht wird den getöteten deutschen Sol-
auf afrikanischen Boden gestorbenen deut- daten, während des Genozids an den Herero
schen Soldaten. Dieses Gedenken fand jedoch und Nama von 1904 – 1907 in Deutsch-
ein vorübergehendes Ende, als der Stein 2005 Südwestafrika. Aktivitäten des Truppen-
von einer antimilitaristischen Gruppe entfernt teils: Beteiligung am »Südwest-Afrika Feld-
wurde. Doch auch der verbliebene Stein gibt zug« der kaiserlichen deutschen Armee.
genug Anlass zur Kritik und wurde immer wie- Während der Niederschlagung des Aufstan-
der Ziel von antifaschistischen Aktionen. Der des der Herero und Nama gegen die deutsche
oben erwähnte Südwestafrika-Feldzug war ein Kolonialmacht in Südwest-Afrika kam es zur
Rachefeldzug, als Reaktion auf den Aufstand Ermordung fast aller Herero und Nama durch
der Herero gegen die deutschen Kolonialher- die Besatzungstruppen. Diesem Genozid fielen
ren. Während des als Genozid betrachteten zwischen 1904 und 1907 bis zu 80 000 Ange-

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hörige der indigenen Bevölkerung zum Opfer.
Kritik: Mit der Ehrung der deutschen Soldaten,
die mutmaßlich am Verbrechen beteiligt waren,
verhöhnt man ihre Opfer und stilisiert Mörder
zu Helden. Anmerkung: Der Stein wurde schon
mehrmals von Antifaschist_innen unkenntlich Aktivität des Truppenteils: Das 1.  Garde Drago-
gemacht. ner Regiment »Königin Victoria von Großbri-
tannien und Irland« war Teil der Garde-Kaval-
»Luftschiff L-2« lerie Division der preußischen Armee in Berlin.
Denkmal für die Toten des Luftschiffes »L-2«
und Grabmal des Kommandanten
Inschriften: Bei dem Verlust des Marineluft- 2. Garde Dragoner Regiment
schiffes »L 2« am 17. Oktober 1913 liessen ihr 2. Garde-Reserve-Regiment
Leben für Kaiser und Reich [...] Ehre ihres anden- Bei dem Regiment handelt es sich um einen
ken ! Den Opfern der See sei getreu bis in den Tod 1914 aus Angehörigen aller Garde-Regimen-
Wem wird gedacht: 26 bei dem Absturz des tern zusammengestellten Truppenteil. Das
deutschen Luftschiffes »L-2« am 17.10.1913 Denkmal zeigt einen während des Werfens
gestorbenen deutschen Militärs im Vorfeld einer Handgranate getöteten Soldaten. Verant-
des 1.  Weltkrieges. wortlich für die Gestaltung und Errichtung des
Aktivität des Truppenteils: Dieser frühe Zep- Denkmals waren der Architekt Bumlitza und
pelin der deutschen Marine kam nie zum Ein- der Bildhauer Kluckow aus Neukölln.
satz. Luftschiffe waren jedoch zu Transport- Inschriften: Dem Andenken der 1914   –  1918 gefal-
zwecken und perspektivisch auch für einen lenen 2ten Garde Dragoner 1939   –  1945 unseren
Angriffskrieg ausgelegt. Kameraden und Söhnen zum Gedächtnis
Aktivität des Truppenteils: Das 2. Garde Dra-
goner Regiment »Kaiserin Alexandra von Russ-
»1.  Garde Dragoner Regiment« land« war Teil der Garde-Kavallerie Division der
Inschriften: 1914  –  1918 Die ersten Garde Dra- preußischen Armee in Berlin.
gonern ihren gefallenen Kameraden 1939  –  1945
Unseren Kameraden und Söhnen zum Gedächtnis
Grabstein Rudolf Brinckmann der Verlegung des Denkmals auf Grund des
Inschrift: Im siegreichen Gefecht am 20.8.1914 Neubaus des Zentralflughafens in Tempelhof,
erlitt den Heldentod im Osten mein innigge- er schrieb : »Dieses Denkmal […] hat […] eine
liebter Mann unser Sohn und Bruder   |  Haupt- besondere politische Bedeutung, es stellt einen
mann und Companie Chef, Brinckmann Rudolf mit dem Fahnentuch bedeckten toten Solda-
28.6.1872  –  20.8.1914, im Osten Infanterie ten dar, der im Todeskrampf ( ! ) die Faust empor
Regiment 44 streckte. Die Faust richtet sich gegen die uns
Aktivität des Truppenteils : Beteiligung an im Diktat von Versailles aufgezwungene Ver-
den Kampfhandlungen an der mazedonischen gewaltigung […]«1 Die lateinische Aufschrift
Front. wurde nach dem Krieg ausgemeißelt.
Inschriften: Wir starben, auf dass Deutschland
»1. Weltkrieg« lebe, so lasset uns leben in euch! 1914 – 1918 Dem
Inschrift: Hier ruht in Gott unser inniggelieb- Königin Augusta Garde-Grenadier-Regiment No.
ter Sohn und Bruder Gefallen in Galizien am 4 und seinen Söhnen.
26. Juni 1915 im siegreichen Gefecht für sein Aktivität des Truppenteils: Das Königin
geliebtes Vaterland Name des Gefallenen: Leut- Augusta Garde-Grenadier-Regiment Nr. 4
nant d. R. Hans Schauss 21.8.1893   –    26.6.1915, in wurde in Koblenz aufgestellt und war Teil der
Galizien 3. Garde - Reg. z. F. preußischen Gardekorps mit dem Ehrennamen
Aktivität des Truppenteils: Das 3. Garde Regi- der Königin Augusta.
ment zu Fuß war stationiert in Berlin und
wurde am 20.11.1914 zum Angriff auf Russ- »Einigungskriege«
land an die Ostfront verlegt. Auf Initiative des Kriegerverbandes Berlin und
Umgebung wurde am 18.10.1886 die feierli-
»Königin Augusta Garde Grenadier Regi- che Grundsteinlegung für ein Ehrenmal für die
ment Nr. 4« »Gefallenen« der so genannten »Reichseini-
Das Denkmal wurde im Oktober 1925 in gungskriege« begangen. Zwei Jahre später am
Anwesenheit des Reichspräsidenten von Hin- 8.10.1888 wurde das Denkmal schließlich ein-
denburg eingeweiht. Es sollte zunächst an geweiht. Das 7    Meter hohe Denkmal besteht
einem öffentlichen Ort in der Stadt errichtet aus einem auf einem quadratischen Sockel
werden, dies wurde von der damaligen Stadt- ruhenden Sarkophag, der sich nach oben hin
verwaltung unter Verweis auf die den Milita- als Obelisk fortsetzt. Dass dieses Denkmal
rismus verherrlichende Gestaltung des Denk- weniger einem Gedenkcharakter gerecht wer-
mals abgelehnt. Das Denkmal stellt einen auf den soll, als vielmehr eine politisch-ideologi-
einem Sockel liegenden von einem (Fahnen-) sche Botschaft zu vermitteln, darauf lassen
Tuch bedeckten Soldaten dar, unter dem Tuch sowohl die Gestaltung des Denkmals als auch
hervorgestreckt seine geballte Faust, auf dem die Begleitumstände der Grundsteinlegung
Körper platziert sein Helm und sein zerbro- bzw. Einweihung schließen. So hat sich auf
chenes von einem Lorbeerkranz umgebenes dem Sarkophag ein Adler mit ausgebreite-
Schwert. Die ursprüngliche lateinische Auf- ten Schwingen niedergelassen, der die vom
schrift auf der Rückseite des Denkmals lautete: Feind erbeuteten Fahnen und Waffen vor
Exoriare aliquis nostris ex ossibus ultor – Mag fremden Zugriff schützt. Die Feierlichkei-
ein Rächer einst erstehen aus meinen Gebeinen. ten waren jeweils durch eine Prozession vom
Die politische Stoßrichtung der Initiatoren ist Kasernenhof des 1.  Garde Dragoner Regiments
deutlich abzulesen an einem Brief des »Bun-
desführers« des Vereins Alt-Augusta Hans von 1  H
 ans von Tieschowitz an die Verwaltung der Stadt Berlin,
Brief vom 21.08.1936, LAB A Rep 044-08, Nr 140, Zitat-
Tieschowitz an die Stadtverwaltung anlässlich quelle wie 1

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zum Friedhof gekennzeichnet. Die Teilneh- ligt und kämpfte zu Beginn des Krieges auch
mer_innen zogen dabei unter der Musik meh- in Polen und Frankreich. Von Juni 1941 bis
rerer Musikcorps und den Fahnen diverser Anfang 1942 nahm die Division im Rahmen
Kriegervereine zum Standort des Denkmals, der »Heeresgruppe Mitte« an mehreren gro-
über die politische Funktion der Kriegerver- ßen Schlachten des Russlandfeldzuges und
eine bestand bei den Beteiligten kein Zwei- schließlich am Vormarsch auf den Kaukasus
fel. Sie wird exemplarisch in einer Äußerung teil. Der von zahlreichen Kriegsverbrechen
von Alfred Westphal, Vorsitzender des Preu- gekennzeichnete Russlandfeldzug zur »Ver-
ßischen Landes-Kriegerverbandes, deutlich. Er nichtung des Bolschewismus« und zur Erschlie-
betonte, »die deutschen Kriegervereine sind ßung »neuen Lebensraumes im Osten« nahm
[…] auf Grund ihrer Satzungen Kampfstätten eine bedeutende Rolle in der nationalsozialis-
gegen die Sozialdemokratie« und hätten »für tischen Ideologie und dem daraus resultieren-
die Pflege, Stärkung und Betätigung vaterländi- den Vernichtungskrieg ein.
scher Gesinnung [...] zu sorgen«, dies geschehe
etwa durch das »Begehen patriotischer Feiern Inschriften: 1939 – 1942 Ihren im 2. Weltkrieg
und Gedenktagen.«2 gebliebenen Kameraden zum ehrenden geden-
Inschriften: Den für das Vaterland gestorbe- ken die 23. Berlin - brandenburgische Infan-
nen Kameraden der Krieger – Verband Ber- terie - Division die 1942 – 1945 23. Infante-
lin und Umgegend Errichtet v. I. Bezirk des rie - Division ihren im 2. Weltkrieg gebliebenen
Deutschen – Kriegerbundes unter Mitwir- Kameraden zum ehrenden Gedenken die 26. Pan-
kung ehemaliger Waffengefährten und patri- zerdivision unseren unvergessenen Kameraden
otischen Mitbürger 1888 Unseren toten Fall- zum ehrenden Gedenken Berlin – brandenburgi-
schirmjägern Kameradschaft Berlin   |   Treue sche Infanterie Division 1939-1945 das Kaiser
um Treue möge diese Glocke allzeit zum Frie- Alexander Garde Grenadier Reg Nr. 1 seinen im
den mahnen   |  Unseren unvergessenen Kamera- Weltkrieg 1914 – 1918 tapfer und unbesiegt mit
den der deutschen Wehrmacht zum Gedächtnis Gott für König und Vaterland gefallenen kame-
1939   –  1945 raden | 1939 – 1945 ihren im 2. Weltkrieg geblie-
Aktivität des Truppenteils: Fallschirmjäger, die benen kameraden zum ehrenden gedenken die 76.
traditionell als Eliteeinheit einer Armee gelten, (Berlin – Brandenburgische) Infantriedivision
spielten eine wichtige Rolle bei der Durchfüh- zum gedenken
rung des deutschen Angriffskrieges, beispiels- Aktivität des Truppenteils: Die genannten
weise bei der Invasion der Insel Kreta. Wehrmachtsdivisionen waren aktiv am deut-
schen Vernichtungskrieg beteiligt, insbeson-
»2. Weltkrieg« dere die Division Brandenburg. Eine Spezi-
3. Infantriedivison (Bärendivison), Berlin aleinheit, die völkerrechtswidrig teilweise in
Wie aus Auszügen der von der Hilfsgemein- ziviler Kleidung kämpfte und sich im Zuge
schaft der ehemaligen 3.  Panzerdivision der »Partisanenbekämpfung« schwere Ver-
(»Bärenfreunde«) herausgegebenen Veteranen- brechen an der Zivilbevölkerung in Ost‑
zeitung »Kameraden« hervorgeht, war die 1935 europa und auf dem Balkan verübte.
in Berlin gegründete Einheit am Einmarsch ins
Sudetenland und Böhmen und Mähren betei-

2  Alfred Westphal, Das deutsche Kriegervereinswesen,


seine Ziele und seine Bedeutung für die Stadt, Berlin 1903,
S.7, zitiert nach Beck /Euskirchen, Die beerdigte Nation -
»Gefallenen«-Gedenken von 1813 bis heute, Berlin 2009, S.45

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»Königin Augusta Garde Grenadier Regiment Nr. 4«
Das Denkmal wurde im Oktober 1925 in Anwesenheit des Reichs-
präsidenten von Hindenburg eingeweiht. Es sollte zunächst an einem
öffentlichen Ort in der Stadt errichtet werden, dies wurde von der
damaligen Stadtverwaltung unter Verweis auf die den Militarismus
verherrlichende Gestaltung des Denkmals abgelehnt.
Denkmäler und ihre Funktion
in der geschichtsrevisionistischen
Gedenkpraxis
Staatliche Geschichtspolitik und meist auch Weltkriegs kennzeichnet der Friedhof alle
die gesellschaftliche Geschichtsschreibung wesentlichen Abschnitte deutscher Militärge-
erfüllen eine durchaus aktuelle, politische schichte.« (Gruppe Subcutan)
Funktion, indem sie die Gegenwart permanent Durch die Denkmäler werden die alljährlichen
historisch begründen und damit legitimieren. Gedenkzeremonien, bei denen ein positiver
Vor dem sich wandelnden Bezugsrahmen einer Bezug zu den Taten der dort beerdigten deut-
fortschreitenden Wirklichkeit konstruieren sie schen Soldaten vollzogen wird, erst ermöglicht.
die Ver­gangenheit immer wieder neu, indem Diese Denkmäler und der Umgang mit ihnen
sie Vergangenes betonen, verschweigen oder können als charakteristische Symbole für die
umdeuten. Umdeutung deutscher Täter in Opfer betrach-
tet werden. Sie stehen für den konstruierten
Denkmäler sind ein wesentlicher Bestandteil deutschen Opferstatus. Hier wird die »Ehren-
von staatlicher Geschichtspolitik und  /oder haftigkeit und die Opferbereitschaft« der
gesellschaftlicher Geschichtsschreibung. Sie deutschen Soldaten gefeiert, die grausamste
dienen als eines unter anderen Mitteln, um Verbrechen begangen haben. Deutsche Täter
die Mythen vermeintlicher kollektiver Traditi- werden auf diese Weise glorifiziert, ihre Ver-
onen und Identitäten als Geschichtsbilder zu brechen werden entkontextualisiert und zu
vermitteln. Auch Denkmäler erfüllen die Funk- einem sogenannten »ehrenhaften Kampf« ver-
tion einer nachträglichen, historischen Legiti- klärt. So werden sie zu Opfern unter anderen
mierung einer Gemeinschaft und tragen so zur Opfern von Krieg und Gewalt umgedeutet.
Stärkung des aktuell bestehenden Kollektivs Im Falle der während des nationalsozialisti-
bei. Sie dienen der Geschichtsschreibung als schen Vernichtungskrieges gefallenen Soldaten
Erinnerungsorte, die eine identitätsstiftende, ist von ihren Verbrechen nicht mehr die Rede.
symbolische Bedeutung für die Konstruktion Opfer sind irgendwie alle. Die von Deutschland
eines kollektiven Gedächtnisses einnehmen. ausgegangenen Verbrechen werden aus ihrem
Dies gilt auch für die Denkmäler auf dem Gar- Kontext gerissen und zu einem Verbrechen
nisonfriedhof am Columbiadamm, die ihrer unter vielen – ihr singulärer Charakter wird
Eigenschaft und Funktion nach höchst poli- unkenntlich gemacht oder sogar verschwiegen.
tisch sind. Die »Denkmäler stellen keine Stät- Die Relativerung und Entkontextualisie-
ten individueller Trauer dar, sondern sind Mei- rung von deutschen Verbrechen, insbeson-
lensteine einer fast 200jährigen Geschichte dere denen des nationalsozialistischen Ver-
des deutschen Militarismus und der deutschen nichtungskrieges, ermöglichen zum Einen die
Nation. Von den sogenannten Befreiungskrie- Konstruktion eines Mythos des »heldenhaften
gen bis zu den Soldatengräbern des Zweiten deutschen Soldaten« und zum Anderen die
Fortsetzung der geschichtlichen Kontinuität
Denkmäler stellen keine Stätten individueller Trauer des positiven Bezugs auf die deutsche Nation
dar, sondern sind Meilensteine einer fast und das deutsche Militär. Denn wer die deut-
200  jährigen Geschichte des deutschen Militarismus schen Soldaten und ihre Taten zum Bestand-
und der deutschen Nation. teil eines »normalen« Krieges macht und sie

20 | 21
von ihrer singulären Schuld freispricht, ver- geschworen werden. Als exemplarisch für den
folgt damit das Ziel der Ausblendung der Ver- von Hetze gegen die Republik und der Agita-
brechen des Nationalsozialismus, da diese ein tion für eine Fortsetzung des aggressiven deut-
Hindernis für eine positive Identitätskonstruk- schen Chauvinismus geprägten Charakter des
tion einer vermeintlich geläuterten deutschen Gedenkens, kann eine Äußerung auf der zen-
Nation darstellen. tralen Gedenkfeier von 1926 gesehen werden:
»Unsere Toten mahnen. Und darauf kommt es an.
»Volkstrauertag« – Geschichte und Horche jeder auf den Geist der Toten und bekenne
Gedenkrealität in der BRD sich zu ihnen: Selber riefst du einst in Kugelgüs-
Die Tradition des heutigen »Volkstrauertages« sen: Deutschland muß leben und wenn wir ster-
geht ursprünglich auf die Weimarer Republik ben müssen!«3
zurück, in der auf Initiative nationalkonserva- Im Nationalsozialismus wurde diese Tradi-
tiver Kräfte seit 1926 ein Gedenktag für die tion fortgeführt und erweitert, der »Volks-
»deutschen Opfer« des 1. Weltkrieges began- trauertag« wurde 1934 in »Heldengedenktag«
gen wurde. Das Ziel, dass die Initiatoren ver- umbenannt und als staatlicher Feiertag etab-
folgten, war über alle gesellschaftlichen Unter- liert. Von NSDAP und Wehrmacht organisierte
schiede hinweg ein nationales Kollektiv zu Massenveranstaltungen bildeten von nun an
konstruieren, das in der Trauer um die »deut- die Kulisse für die Propaganda, in der die Ver-
schen Opfer« geeint und eine identitätsstif- dienste der zu Helden stilisierten Soldaten des
tende Basis finden sollte. Doch das völkische 1.Weltkrieges für die deutsche Volksgemein-
Kollektiv sollte nicht nur in der gemeinsamen schaft hervorgehoben (»Sie starben auf das
Trauer vereinigt werden, sondern durch die nun Deutschland lebe«) wurden, an die angeknüpft
jährlich zelebrierte Verherrlichung von Milita- werden müsse. Der »Heldengendenktag« sollte
rismus, Nationalismus und soldatischen Opfer- also zum Einen dazu dienen, militaristisches
willen im Sinne der Fortführung kriegerischer Gedankengut tiefer zu verankern und zum
Bestrebungen auf die Notwendigkeit, eigene Anderen, die Akzeptanz des geplanten Vernich-
Opfer im Kampf für das »deutsche Volk« ein- 3  H
 amburgischer Correspondent, 1. März 1926
tungskriegs in der Bevölkerung vorzubereiten. gen bürgerlicher Parteien, Kirchen, freiwilligen
Das Gedenken zum inzwischen wieder umbe- Feuerwehren und Bundeswehr regelmäßig auch
nannten und vom März in den November ver- Gestecke von offen geschichtsrevisionistischen
legten »Volkstrauertages« in der BRD heute Vereinigungen wie der »Hilfsgemeinschaft auf
knüpft trotz äußerer Distanz im Wesentlichen Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen
an die vorhandene Traditionslinie an. Über die der Waffen-SS« (HIAG) und Neonazis von NPD,
vermeintlichen Grenzen verschiedener politi- DVU, Republikanern oder Kameradschaften.
scher Spektren und gesellschaftlicher Zusam- Eine Veranstaltung dieser Art findet auch jähr-
menhänge hinweg soll gemeinsam den »eige- lich auf dem ehemaligen Friedhof der Berliner
nen Opfern« gedacht werden und durch den Garnison am Columbiadamm in Neukölln statt.
Rückbezug auf diesen Moment kollektiver Zwar ist es hier durch antifaschistische Pro-
Geschichte eine Einheit und ein verbindender teste zuletzt gelungen, die Veranstaltung gesell-
Rahmen nationaler Identität geschaffen wer- schaftlich zu isolieren und Vertreter_innen der
den. So kommen jeweils am dritten Sonntag »Demokratischen Parteien«, noch 2006 legte
im November in der ganzen BRD Menschen der FDP-Bezirksverband Neukölln einen Kranz
an den »Denkmälern für die Gefallenen der nieder, und der Bundeswehr eine Teilnahme
beiden Weltkriege« und Soldatenfriedhöfen unmöglich zu machen, auch ging die Zahl der
zusammen, um den »deutschen Gefallenen« Teilnehmer_innen in den letzten Jahren zurück.
zu gedenken. Das Spektrum der Anwesenden Doch hat dies bislang nicht dazu geführt, dass
bildet dabei ein illustres wie gruseliges Konglo- diese widerliche Tradition deutschen Geden-
merat aus ganz »normaler« bürgerlicher BRD- kens durchbrochen werden konnte.
Zivilgesellschaft und Neonazis. In der Trauer Die folgenden sechs Organisationen haben
um die eigenen »deutschen Opfer«, dem Ver- in den letzten Jahren die Feierlichkeiten
such der Schuldabwehr und der Umdeutung der zum so genannten Heldengedenken orga-
Geschichte hin zu einer eigenen konstruierten nisiert und/oder stellten die Mehrheit der
deutschen Opferrolle sind sie sich alle einig Teilnehmer_innen.
von der_dem CDU  -  Bürgermeister_in über Bur-
schenschaftler, Wehrmachts- und SS-Veteranen
bis hin zu den militanten Neonazis des Kame-
radschaftsspektrums. So liegen an den Denk-
mälern neben Kränzen von Regionalgliederun-

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Die Akteure
Verband der Reservisten der Deutschen Verband deutscher Soldaten e. V. und
Bundeswehr e. V. Ring deutscher Soldatenverbände e. V.
Der Reservistenverband wurde 1960 gegrün- Der »Verband deutscher Soldaten« (VdS) wurde
det und führt im Auftrag des Bundestages die im September 1951 in Bonn von Vertreter_
»beorderungsabhängige, freiwillige Reservis- innen verschiedener Soldatenbünde gegrün-
tenarbeit« durch. Zur Erfüllung dieser Aufgabe det. Die wichtigsten Vereinigungen, die sich
erhält der Verband jährlich 14 Millionen Euro hier zusammengeschlossen haben, waren: Bund
aus dem Bundeshaushalt. Die 137 000 Mitglieder ehemaliger deutscher Fallschirmjäger, Verband
des Verbandes sind in über 2 600 Reservistenka- deutscher Afrikacorps, Traditionsgemeinschaft
meradschaften organsiert. Trotz eines offiziel- Großdeutschland, der »Stahlhelm« sowie Ver-
len Kontaktverbotes durch das Bundesverteidi- tretern der ehemaligen Waffen-SS. 1954 schloss
gungsministerium, unterhält der Verband enge sich darüber hinaus der »Kyffhäuserbund« an.
Kontakte zu Vereinigungen wie der HIAG und Mit dem Ziel der weiteren Vereinheitlichung
der »Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger. der Verbände wurde 1957 der »Ring deutscher
An den Veranstaltungen des Verbandes nehmen Soldatenverbände« ( RDS ) gegründet. Beide
auch NPD und DVU Mitglieder teil. Der stellver- Verbände pflegen offene Kontakte zu neofa-
tretende Vorsitzende des Berliner Landesverban- schistischen Personen und Organisationen. Der
des der Reservisten Oberstleutnant a.D. Armin Bundesvorsitzende des »Verbandes deutscher
Brenker (ebenfalls Vizevorsitzender des veran- Soldaten«, Generalmajor a.D. Jürgen Schrei-
staltenden »Ring deutscher Soldatenverbände ber, ist unter anderem Verfasser von Büchern
Berlin«) ist genauso wie der erste Vorsitzende mit dem Titel »Waren wir Täter? Gegen die
Hans-Jürgen Malirs Autor der rechtsextremen Volksverdummung in unserer Zeit« und »Nicht
Wochenzeitung »Junge Freiheit«. Auf der Inter- Auschwitz, aber Stalingrad und Dresden«. VdS
netseite des Landesverbandes sind zudem der und RDS agitierten zudem erbittert gegen die
»Kameradenkreis der Gebirgstruppe«, der über Wehrmachtsaustellung 1995. Der »Ring deut-
enge Kontakte zu ehemaligen Mitgliedern der scher Soldatenverbände« wurde 2005 auf Bun-
Waffen-SS verfügt und die alljährlich zu Pfings- desebene aufgelöst, das Bundesamt für Verfas-
ten stattfindenden Gedenkfeiern in Mittenwald sungsschutz bescheinigte seiner Zeit dem RdS
ausrichtet, und der »Kyffhäuserbund« verlinkt. »tatsächliche Anhaltspunkte für einen rechts-
Armin Brenker trat darüber hinaus bereits als extremistischen Hintergrund«. Ironischer Weise
Referent bei der rechtsextremen Burschenschaft hat die Bundesregierung offensichtlich keine
»Gothia« auf. Bedenken gegen Kontakte zwischen der Bun-
deswehr und dem »Ring deutscher Soldatenver-
bände Berlin«, der die Gedenkveranstaltung am
Columbiadamm veranstaltet und als Nachfolge-
organisation des »Ringes deutscher Soldaten-
verbände« gilt. Dies teilte sie auf eine entspre-
chende Anfrage der Fraktion »Die Linke« mit.4

4 http: //dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/039/1603963.pdf

24 | 25
Der Stahlhelm e.V. –
Kampfbund für Europa
Der »Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten«
war ein 1918 gegründeter paramilitärisch orga-
nisierter Wehrverband. Er galt als bewaffne-
ter Arm der Deutschnationalen Volkspartei
(DNVP). Der Stahlhelm und seine Mitglie-
der waren entschiedene Gegner des politi- Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträ-
schen Systems der Weimarer Republik, Juden ger des Eisernen Kreuzes e.V.
waren von der Mitgliedschaft ausgeschlossen. Die 1954 gegründete »Ordensgemeinschaft«
Der »Stahlhelm« verstand sich als Reserve der war zunächst ein Traditionsverband für Trä-
nach dem Versailler Vertrag auf eine Stärke ger des Ritterkreuzes, der höchsten Auszeich-
von 100 000 Mann beschränkte Reichswehr. Er nung des 2.   Weltkrieges. Bis zum offiziellen
entwickelte sich zum größten paramilitärischen Kontaktverbot 1999 bestanden enge Kontakte
Verband im Deutschen Reich und zählte 1930   zur Bundeswehr. Die OdR nimmt mittlerweile
500 000 Mitglieder. 1935 wurde der »Stahl- auch Mitglieder ohne »Ritterkreuz« auf und
helm« als Traditionsverband aufgelöst und als hat sich in den letzten zwanzig Jahren zu einem
»Nationalsozialistischer Deutscher Frontkämp- Sammelbecken von jungen Neonazis entwi-
ferbund« der SA angegliedert. 1951 wurde die ckelt, die sich dort der Pflege von soldatischen
Organisation als »Stahlhelm- Kampfbund für Tugenden, wie Pflichtbewusstsein, Opferbe-
Europa« neugegründet. Die Zeitung dieses Bun- reitschaft und Kameradschaft widmen können.
des »Der Frontsoldat« ist eine geschichtsrevisi- In der Publikation der OdR »Das Ritterkreuz«,
onistische Zeitschrift, die die deutsche Schuld wird regelmäßig für rechtsextreme Verlage, wie
an den beiden Weltkriegen leugnet und die den »FZ  -  Verlag« des DVU  -  Vorsitzenden Ger-
Wiederherstellung des Deutschen Reiches in hard Frey geworben, ebenso werden Angehö-
den Grenzen von 1939 fordert. Die Texte sind rige der Waffen-SS gewürdigt.
tief durchdrungen von Antisemitismus und gip-
feln in der Leugnung des Holocausts.
Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit
der ehemaligen Angehörigen der
Waffen-SS e.V. (HIAG)
Die HIAG wurde 1951 als Traditionsverband
gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern
zählten Otto Krumm, der letzte Komman-
deur der »Leibstandarte Adolf Hitler«, Rein-
hard Schulze-Kossens, Adjutant Adolf Hitlers
und der SS-General Felix Steiner, Komman-
deur des III. Germanischen Panzercorps. Ziel
der »Hilfsgemeinschaft« war es, die Gleich-
stellung von Angehörigen der Waffen-SS mit
Wehrmachtssoldaten zu erreichen und die ehe-
maligen Waffen-SS Mitglieder zu rehabilitie-
ren. Bis Mitte der 60er Jahre waren Vertreter_
innen der HIAG in allen maßgeblichen Parteien
präsent, so war auch Helmut Schmidt Refe-
rent auf HIAG-Veranstaltungen. Erst in
den 80er Jahren zogen sich die letzten
CDU-Abgeordneten aus der »Hilfsgemein-
Kyffhäuserbund e.V. schaft« zurück. 1992 löste sich der HIAG-
Der Kyffhäuser Bund wurde im Jahre 1900 als Dachverband auf, die Landes- und Regional-
Dachverband deutscher Kriegervereine gegrün- gliederungen bestehen aber weiterhin. Bis
det und hatte den ursprünglichen Zweck, ehe- heute wird monatlich die Zeitschrift »Der
maligen Soldaten ein »ehrenvolles Geleit« zu Freiwillige« veröffentlicht, deren wesent‑
geben. 1938 übernahm der »NS-Reichskrie- liche Inhalte die Verharmlosung von NS-Ver-
gerbund Kyffhäuser e.V.« die Alleinvertretung brechen, die Hervorhebung der »positiven
aller ehemaligen Soldaten. Nachdem der Bund Seiten des Nationalsozialismus« sowie die
nach dem Krieg verboten worden war, grün- Propagierung der »Aufrechnungstheorie«.
dete General a.D. Wilhelm Reinhard, Träger des Unter der »Aufrechnungstheorie« versteht
Goldenen Parteiabzeichens der NDSAP und man die Aufrechnung der Opferzahlen von
SS-Obergruppenführer, diesen 1951 neu. Bis NS-Verbrechen wie der Shoa mit den Opfer‑
heute ist es dem Kyffhäuserbund so möglich unter zahlen von beispielsweise der Bombar-
seiner traditionellen Losung »Treu Deutsch« den dierung von Dresden, der »Vertreibung«
2.  Weltkrieg als »notwendige Verteidigung des von Deutschen und »bolschewistischen
Vaterlandes gegen den Bolschewismus« zu recht- Verbrechen«.
fertigen und ungestört militaristische Traditio-
nen und großdeutschen Nationalismus zu pro-
pagieren.

26 | 27
Wer versammelt sich?
Jedes Jahr treffen sich im gesamten Bundesge-
biet am Volkstrauertag Veteranen der Wehr-
macht, Burschenschaftler, Alt- und Neonazis,
um gemeinsam mit Politikern der demokra-
tischen Parteien ihren Helden zu gedenken
und diese zu Opfern umzudeuten. Bei diesen
Veranstaltungen wird durch eine unkritische Kränze wurden unter anderem
Betrachtung der Wehrmacht der Bezug zum niedergelegt von:
Nationalsozialismus schlicht ausgeblendet. So
wird es beispielsweise den alten Herren der Rechte Vereinigung »Stahlhelm«
Burschenschaften ermöglicht, ihren Gefallenen Bund der Mitteldeutschen
zu denken, ohne sich dabei mit den von ihnen Bund der Vertriebenen
begangenen Verbrechen auseinandersetzen zu Reservistenverband der Bundeswehr
müssen. Im Jahr 2006 nahmen in Berlin ca.   200 Bund der Fallschirmjäger
Besucher am »Volkstrauertag« teil, darunter: Neuköllner Bezirksverband der FDP
Vertreter_innen der DVU, der Republikaner Berliner Burschenschaft »Gothia«
und der NPD, z. B. Sascha Kari von der DVU
und der parlamentarische Geschäftsführer der Auch die »Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitig-
DVU-Fraktion im Brandenburgischen Landtag keit« (HIAG) der Angehörigen der früh­eren
Sigmar-Peter Schuldt Waffen-SS wurde freudig empfangen.
Angehörige der Berliner Kameradschaftsszene
und Jörg Hähnel (NPD) aus Frankfurt   /Oder
Karte des Friedhofs

 7

  1o

5
  2

28 | 29
  1 Deutsche Einigungskriege  6 Grabstein Rudolf Brinckmann

  2 Süd-West-Afrika-Feldzug 7 Erster Weltkrieg

 3 Luftschiff L-2 8 Denkmal Königin Augusta Garde


Grenadier Regiment Nr. 4
4 1.  Garde Dragoner Regiment
  9 Einigungskriege
5 2.  Garde Dragoner Regiment
2.  Garde-Reserve-Regiment   1o Denkmal: 2. Weltkrieg

 4

 9
  1

 6

  3
Glossar
Personen Burschenschaft »Gothia«: 1877 gegründete, schlagende Studentenver- Traditionsgemeinschaft Großdeutschland: Zusammenschluss von Vetera-
Brenker, Armin: ehemaliger Oberstleutnant der Bundeswehr, Vizevor- bindung aus Berlin mit Verbindung shaus in Zehlendorf (»Gothenhaus«) nen der Wehrmachtsdivision »Großdeutschland«, Beteiligung an Kriegs-
sitzender des »Rings Deutscher Soldatenverbände Berlin« und Veran- Mitgliedschaft nur für männliche, deutsche Studenten, organsiert in verbrechen in Frankreich und auf dem Balkan (Massaker an französi-
stalter des sogenannten »Heldengedenkens« der Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG) den offen neofaschis- schen Kriegsgefangenen und jugoslawischen Zivilisten)
tischen Flügel der Deutschen Burschenschaft (DB), Referenten u.a.
Burschenschaftler_in: Mitglied von rechtsgerichteten Studentenver- Horst Mahler (s.o.) Verband deutscher Afrikacorps: Zusammenschluss von ehemaligen Sol-
bindungen daten des Expeditions-Korps der Wehrmacht, das 1941 bis 1943 wäh-
DVU: 1971 von Gerhard Frey gegründete Deutsche Volksunion, 7 000 rend des sog. »Afrika-Feldzuges« zum Einsatz kam
Günzel, Reinhard (geb. 1944 in den Haag/Niederlande): Brigadegeneral Mitglieder (in Berlin 300), zur Zeit in zwei Landesparlamenten (6 Abge-
a.D. der Bundeswehr, musste im November 2003 nach einer öffentli- ordnete in Brandenburg und einer in Bremen) vertreten, geschichtsre- Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr e. V.: vom Bundes-
chen Solidaritätsbekundung für die antisemitische »Tätervolk«-Rede visionistische, revanchistische Positionen, bildete 2004 mit der NPD tag beauftragter und von der Bundesregierung finanziell geförderter
des damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Hohmann seine Position den sog. Deutschlandpakt, der Absprachen über den Antritt zu Wah- Verband in dem fast 140 000 Bundeswehrreservisten organsiert sind,
als Kommandeur des »Kommando Spezialkräfte« (KSK)(s.u.) räumen len vorsieht Teilnahme von NPD- und DVU-Mitgliedern an Veranstaltungen des
Verbandes, Kontakte zur HIAG (s.u.) und OdR(s.u.), Autorentätigkeit
Hähnel, Jörg (geb. 1975 in Frankfurt/Oder): NPD(s.u.)-Multifunktio- Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der von Funktionären bei der »Jungen Freiheit« (s.u.)
när, Bezirksverordneter in der BVV Lichtenberg, NPD-Landesvorsit- Waffen-SS e.V. (HIAG): 1951 u.a. vom letzten Kommandanten der
zender in Berlin, Mitglied im NPD-Bundesvorstand), Neonazi-Lieder- Leibstandarte Adolf Hitler, Otto Krumm, und dem SS-General Felix Verband deutscher Soldaten e.V. und Ring deutscher Soldatenverbände
macher und Kameradschaftsaktivist bei den »Vereinten Nationalisten Steiner gegründete Traditionsgemeinschaft von ehem. Angehörigen e.V.: Dachverband in dem verschiedene Soldatenbünde wie der Verband
Nordost«(VNNO) der Waffen-SS, Ziel: gesellschaftliche Gleichstellung von SS-Angehö- Deutscher Afrikakorps, der Bund ehemaliger Fallschirmjäger oder die
rigen und Wehrmachtssoldaten, Aufrechnung von »deutschen Opfern« Traditionsgemeinschaft Großdeutschland zusammengeschlossen sind
Heusinger, Adolf (1897-1982): ehemaliger hochrangiger Wehrmachts- gegen Opfer des Nationalsozialismus, bis in die 80er Jahre Mitarbeit
offizier, Generalleutnant und Chef der Operationsbeteiligung des von »demokratischen Politikern« Orte und Begriffe
Generalstabes im Oberkommando des Heeres (zuständig für strate- Blut und Boden Ideologie: wesentlicher Bestandteil der nationalsozialisti-
gische und operative Führung der Wehrmachtsverbände), am 1. März »Junge Freiheit«: 1986 gegründete, in Berlin erscheinende, ultrarechte schen Ideologie, einhergehend mit dem Konzept der Volksgemeinschaft,
1957 wurde er zum ersten Generalinspekteur (höchster General) der Wochenzeitung, wöchentliche Auflage: c.a. 14 500 basiert auf der Idee alle Menschen gleichen »Blutes« (Abstammung)
Bundeswehr ernannt seien mit einem bestimmten »Boden« (Siedlungsraum) verbunden
»Kameradenkreis der Gebirgstruppe«: Vereinigung von aktiven und ehe-
Kari, Sascha (geb. 1967 in Berlin) : langjähriger DVU(s.u.)-Funktionär maligen Angehörigen der Gebirgstruppe der Wehrmacht und Bundes- Einigungskriege (1864, 1866, 1871): als sog. Einigungskriege werden
aus Neukölln, seit 1999 sitzt er im Landesvorstand, unterhält enge wehr, jedes Jahr zu Pfingsten organisiert der »Kameradenkreis« eine die Kriege bezeichnet die 1871 zur Entstehung des ersten deutschen
Kontakte in die »Kameradschaftsszene« Gedenkveranstaltung für die gefallenen und vermissten Soldaten der Nationalstaates (Deutsches Reich) führten: Deutsch-Dänischer Krieg
Gebirgstruppe im bayerischen Mittenwald. (1864), Preußisch-Österreichischer Krieg (1866), Deutsch-Französi-
Maler, Horst (geb. 1936 in Chojnow/Polen): Gründungsmitglied der RAF scher Krieg (1870/71)
(saß von 1970-80 wegen mehrerer Banküberfälle im Gefängnis), kam Kommando Spezialkräfte (KSK): Eliteeinheit der Bundeswehr, die kaum
durch Intervention seines damaligen Anwaltes und späteren Bundes- einer demokratischen Kontrolle durch das Parlament unterliegt, Auf- Freikorps: paramilitärische Verbände in denen sich nach Ende des
kanzlers Gerhard Schröder vorzeitig frei. Nach Haftentlassung Ent- gaben: »Terrorbekämpfung« und Geiselbefreiung 1. Weltkrieges Teile der aufgelösten deutschen Armee sammelten,
wicklung zum überzeugen Neonazi und Antisemiten, Mahler hat wie- Sammelbecken für Nationalisten und Monarchisten
derholt den Holocaust geleugnet und ist bereist mehrfach u.a. wegen Kyffhäuserbund e.V.: Dachverband deutscher Kriegervereine, Zweck:
Volksverhetzung verurteilt worden. Als Anwalt vertrat er unter ande- Ehrung von gefallenen Soldaten, 1951 vom ehemaligen SS-Obergrup- »Heldengedenktag«: Im Nationalsozialismus wurde der Volkstrauertag
rem die NPD im Verbotsverfahren (2001-2003), 2004 sprach das Amts- penführer General a.D. Wilhelm Reinhard (s.o.) neugeründet, Propa- 1934 zum staatlichen Feiertag (umbenannt in »Heldengedenktag«), pro-
gericht Tiergarten ein Berufsverbot gegen Mahler aus. gierung von militärischer Traditionspflege und großdeutschem Nati- pagandistisches »Heldengedenken« stand im Vordergrund
onalismus, u.a. Verteidigung des 2. Weltkrieges
Malirs, Hans-Jürgen: Vorsitzender des »Rings Deutscher Soldatenver- »Kapp-Putsch«: 1920 putschten Freikorps und andere rechte para-
bände Berlin« und wie Brenker bereits als Autor für die Junge Frei- NPD: 1964 geründete Nationaldemokratische Partei Deutschlands, ca. militärische Einheiten unter der Führung von Wolfgang Kapp gegen
heit (s.u.) aufgefallen 7 200 Mitglieder (davon etwa 300 in Berlin), sich offen neonazistisch die Weimarer Republik, Reichsregierung musste vorübergehend flie-
betätigende Partei, enge Verbindungen bzw. Überschneidungen zum hen, Putschisten fanden keinen Rückhalt in der Bevölkerung, durch
Reinhard, Wilhelm (General a.D.): ehemaliger deutscher militanten Kameradschaftsspektrum, Vorsitzender Udo Vogt, 2003 Generalstreik gestoppt
General scheiterte Verbotsversuch an Verfahrensfehlern, zur Zeit in den Land-
tagen von Sachsen (8 Abgeordnete [ursprünglich 12]) und Mecklen- KZ: allgemein bezeichnet Konzentrationslager ein Sammel-bzw. Inter-
Schmidt, Helmut, Referent auf HIAG-Veranstaltungen (geb.1918 in Ham- burg-Vorpommern (6) vertreten nierungslager für Gefangene, im Nationalsozialismus fand in diesen
burg): ehemaliger Wehrmachtsoffizier (Oberleutnant), von 1974-1982 Lagern, von denen sieben reine Vernichtungslager waren, der syste-
war er SPD-Politiker, Bundeskanzler der BRD »NS-Reichskriegerbund Kyffhäuser e.V.«: von 1938 bis 1943 Bezeich- matische und industriell organisierte Genozid an den europäischen
nung des Kyffhäuserbundes (s.o.) Juden und Jüdinnen statt, auch zahlreiche Homosexuelle, Kommu-
Schuldt, Sigmar-Peter (geb.  1950 in Wismar): Parlamentarischer Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger des Eisernen Kreuzes e.V: nisten, Sinti und Roma, Obdachlose und politisch Gegner waren hier
Geschäftsführer der DVU-Landtagsfraktion in Brandenburg ursprünglich Traditionsverband von Trägern des Ritterkreuzes, höchste interniert oder wurden ermordet.
Tapferkeitsauszeichnung im 2. Weltkrieg, öffnete sich schließlich
Schreiber, Jürgen (Generalmajor a.D.): ehemaliger Bundeswehrgene- auch für Nicht-Ritterkreuzträger, mittlerweile Sammelbecken auch KZ Columbia-Haus von 1933-36: im früheren Militärgefängnis im sog.
ral und langjähriger Präsident des Verbands deutscher Soldaten (VdS) für jüngere Nazis »Columbia- Haus« war nach 1933 erst ein Gestapo-Gefängnis und spä-
ter ab Dezember 1934 ein KZ (s.o.) unter Aufsicht der SS, Inhaftierte
»Traditionalisten«: Verfechter einer personellen und vor allem struk- Preußische Berliner Garnison: Garnison, veralteter Begriff, bezeichnet vor allem politische Gefangene, mehrere Tausend von ihnen starben,
turellen Kontinuität der Bundeswehr zur Wehrmacht in der Debatte einen Militärstandort, an dem Truppen stationiert sind, häufig dort sta- nach der Schließung 1936 Verlegung ins KZ Sachsenhausen
um die Gestaltung einer neuen deutschen Armee nach dem 2.WK tionierte Truppenteile werden ebenfalls Garnison genannt. Preußische
Berliner Garnison ist also die Bezeichnung für die in Berlin stationier- Konzentrationslager Sachsenhausen: 1936 eingerichtetes Konzentra-
Organisationen ten preußischen Armeeeinheiten bzw. deren Standort tionslager im Oranienburger Sachsenhausen bei Oranienburg, von
Afrika-Kameradschaft Berlin: Vereinigung von Wehrmachtsveteranen den ca. 200 000 Häftlingen bis 1945 wurden etwa 33 000 ermordet,
des deutschen Afrika-Corps (Einheiten die beim so genannten Afrika- Ring Deutscher Soldatenverbände Berlin: Berliner Regionalgliederung darunter 18 000 sowjetische Kriegsgefangene bei Massenerschießun-
Feldzug im 2. Weltkrieg unter Erwin Rommel kämpften) des inzwischen aufgelösten soldatischen Dachverbands »Ring Deut- gen im August 1941
scher Soldatenverbände« und Veranstalter des jährlichen geschichts-
»Blood & Honor«: international agierendes Neonazinetzwerk, Ziel: revisionistischen Gedenkens auf dem Garnisonsfriedhof Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse: Komplex von Prozessen gegen
Verbreitung von neonazistischer Musik und Ideologie (Organisation die Hauptkriegsverbrecher sowie zwölf Nachfolgeprozesse gegen NS-
von Konzerten u.a.), Deutsche Sektion 2000 verboten, tritt bisweilen SA: »Sturmabteilung«, paramilitärisch Truppe der NSDAP während der Täter , November 1945 bis April 1949 in Nürnberg, unter den Ange-
noch unter der Bezeichnung Division 28 (8=H, 2=B) bzw. Combat 18 Weimarer Republik, u.a. gewaltsame Bekämpfung politischer Gegner klagten im Hauptprozess vor einem alliierten Militärtribunal: Hermann
(militanter Arm von Blood &Honor) auf und Saalschutz, nach »Machtergreifung« als Hilfspolizei tätig, 1934 Göring, Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess, Julius Streicher
Bund der Fallschirmjäger: s. Bund ehemaliger deutscher Fallschirmjäger aufgelöst (Röhm-Putsch)
soldatische Traditionsverbände: Zusammenschlüsse von Soldaten »Ostgebiete«: deutsch besetzte oder besiedelte Gebiete in Osteu-
Bund der Mitteldeutschen: Vereinigung der »mitteldeutschen« Lands- bzw. ehemaligen Soldaten, deren Ziel es ist, militärische Traditions- ropa bis 1945
mannschaften (Gliederungen der Vertriebenenverbände), der Begriff pflege zu betreiben
»mitteldeutsch« (ostdeutsch) verweist auf die geschichtsrevisionisti- paramilitärisches »Survivalcamp«: Camp in dem Menschen durch bei-
sche Haltung des Verbandes, Untermauerung der Ansprüche auf die SS: »Schutzstaffel« ursprünglich zum Schutz von Adolf Hitler gegrün- spielsweise sportliche Übungen und/oder Schießtraining in militäri-
ehemaligen deutschen Ostgebiete dete paramilitärische Organisation der NSDAP, unterstand bis 1934 der schen Fähigkeiten unterwiesen werden, meist an abgelegenen Plätzen
SA (s.u.), führende Rolle in der Durchführung der Shoa (Bewachung
Bund der Vertriebenen: Dachverband der deutschen Vertriebenen- der Konzentrations-und Vernichtungslager) und im nationalsozialisti- paramilitärische Verbände: Milizen oder Sicherheitskräfte, die nicht
verbände, setzt sich für »die Interessen der von Flucht, Vertreibung schen Vernichtungskrieg, insbesondere der militärische Arm, Waffen- zu den offiziellen Streitkräften eines Landes gehören, diesen aber in
und Aussiedlung betroffenen Deutschen ein«, steht wegen Nähe SS (Totenkopf-Divisionen) Ausrüstung etc. de facto gleichgestellt sind und im Bedarfsfall militä-
zu geschichtsrevisionistischen und revanchistischen Positionen in rische Aufgaben übernehmen können
der Kritik Stahlhelm e.V. – Kampfbund für Europa: 1951 neugegründeter ehema-
liger paramilitärischer Arm der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP), Volksgemeinschaft: eine Konstruktion im völkischen Denken, die Men-
Bund ehemaliger deutscher Fallschirmjäger: Traditionsverband in dem Mitglieder waren erklärte Gegner der Weimarer Republik (Juden waren schen auf Basis einer rassistischen Einteilung, wie der gleichen ethni-
ehemalige Fallschirmjäger der Wehrmacht und Bundeswehr organisiert von der Mitgliedschaft ausgeschlossen), 1934 als »Nationalsozialisti- schen Herkunft/Abstammung, zu einer untrennbaren Schicksalsgemein-
sind, geschichtsrevisionistische Traditionspflege z. B. Gedenken an bei scher Deutscher Frontkämpferbund« der SA angegliedert, heute Her- schaft erklärt, die es vor Einflüssen »fremder Völker« zu verteidigen gilt,
der deutschen Invasion in Kreta gefallenen Fallschirmjäger ausgeber der geschichtsrevisionistischen Zeitschrift »Der Frontsoldat«, häufig verbunden mit Blut-und-Boden-Ideologie (s.u.)
Inhalt u.a. Leugnung von deutscher Kriegsschuld und antisemitische
Agitation bis hin zur Holocaustleugnung Volkstrauertag: In der Weimarer Republik 1926 eingeführter Gedenk-
tag an (deutsche) Gefallene des 1. Weltkrieges
Bildnachweise
Björn Kietzmann   5, 21–23
Gegenfeuer   2–5, 10–16, 17–19, 25–28, 31
picturehistory  6-9
unbekannt  22

Impressum
Auflage 1000
Gestaltung  Gegenfeuer Gebrauchsgraphik
Herausgeber_innen autonome neuköllner antifa
Datum September / Oktober 2009
Jedes Jahr treffen sich im November am
Columbiadamm, Neukölln, aktive Bundes-
wehr- und ehemalige Wehrmachtsangehö-
rige, soldatische Traditionsverbände, Bur-
schenschafter, alte und neue Nazis und viele
mehr zum »Volkstrauertag«, um ihre gefalle-
nen Deutschen zu beweinen und sie gleich-
zeitig als Opfer zu stilisieren. Wir möchten
Euch mit dieser Broschüre über den Gar-
nisonfriedhof und konkret eine Auswahl
besonders kritikwürdiger Denkmäler, sowie
die Akteure des geschichtsrevisionistischen
»Heldengedenkens« informieren.

autonome neuköllner antifa    (ana)


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