Tabelle: Einstellungen von Zeugen Jehovas zu medizinischer Versorgung
Thema Einstellung
Alkohol In Maßen erlaubt. Bei Alkoholabusus wird intensiv Hilfestellung durch die Ge-
meinde, unter Umständen auch unter Zuhilfenahme professioneller Einrichtun-
gen geboten. Chronischer Alkoholabusus ohne Bemühungen wird zur Abstinenz
auf Dauer nicht in der Gemeinde toleriert.
Alternative medi- Viele Zeugen Jehovas sind diesen gegenüber aufgeschlossen, vermeiden aber
zinische Behand- Methoden, die an das Okkulte heranreichen (wie Wunderheilungen, Meditation,
lungsmethoden Handauflegen, Hypnose etc.).
Drogen Drogenmissbrauch verboten, Medikamenteneinnahme zu medizinischen Zwe-
cken erlaubt (schließt Opioide ein).
Einstellung zum Abtreibung verboten. Suizid vergleichsweise selten (Leben ist heilig).
Leben
Essensvorschriften Keine Blutwurst und andere Gerichte, die Blut enthalten. Nur ausgeblutetes
Fleisch.
Familie und Es bestehen in der Regel enge soziale Bindungen (enge Familien- und Freund-
Freunde schaftsbande). Man spricht sich mit „Du“ oder Bruder/Schwester an.
Feiertage Höchster Feiertag ist das Gedächtnismahl zum Gedenken an den Tod Jesu (be-
steht aus Festvortrag und Darreichen von Symbolen (Wein, Brot)). Geburtstag,
Ostern, Weihnachten, Pfingsten, Halloween etc. werden nicht gefeiert, da nicht in
der Bibel verankert.
Kindererziehung Liebevoll, selbstständiges Denken wird gefördert, Anleitung nach den morali-
schen Grundsätzen der Bibel, Ausbildung je nach Kinderpotenzial. Keine Kin-
dertaufe (als Jugendliche oder junge Erwachsene muss sich jeder selbst für oder
gegen die Taufe entscheiden).
Krankheit Wird nicht als Strafe Gottes aufgefasst, sondern als Folge unvorhergesehener
Ereignisse, ungünstiger Lebensweise, unkluger Entscheidungen oder vererbt.
Krankheiten werden ertragen und man arbeitet daran, wieder gesund zu werden.
Lebensverlängern- Wie viel Medizin und lebensverlängernde Maßnahmen der einzelne will, ist seine
de Maßnahmen; persönliche Entscheidung und ist oft in der Patientenverfügung dokumentiert.
Sterbehilfe, Reani- Aktive Sterbehilfe wird als Mord gesehen, Reduzierung der Therapie oder Einstel-
mation len lebensverlängernder Maßnahmen dagegen nicht.
Organtransplan- Individuelle Entscheidung des Patienten.
tation
Patientenverfü- Die meisten haben eine Patientenverfügung, oft mit Betreuungsverfügung. Das
gung heißt, es sind häufig auch bei gesunden Patienten Betreuer eingesetzt, die im Fal-
le der Handlungsunfähigkeit den mutmaßlichen Willen des Patienten vertreten.
Gerichtliche Bestellung eines Betreuers ist dadurch meist nicht nötig.
Prophylaxe und Hoher Wert wird auf Gesundheit gelegt, von der Religionsorganisation werden
Gesundheitspflege regelmäßig Artikel zu Gesundheitspflege etc. veröffentlicht, Sport und gesunde
Lebensweise werden empfohlen.
Rauchen Ist verboten.
Schwangerschafts- Gilt als Mord.
abbruch, Abtrei-
bung
Sexualität Wird in der Ehe ausgelebt. Vorehelicher Sex ist nicht gewünscht, außereheliche
Beziehungen ebenso. Eheliche Treue wird geschätzt. Reden über Sexualität ist
frei möglich, aber obszöne Witze und doppeldeutige Bemerkungen werden als
abstoßend empfunden. Sexualität ist privat. Viele junge Zeuginnen Jehovas sind
jungfräulich.
Tod Ende des Lebens. Zeugen Jehovas glauben an eine Auferstehung in Gesundheit im
Paradies auf Erden. Es gibt keine Hölle, in der man gequält wird. Angst vor dem
Tod ist geringer als bei anderen Patienten, aber dennoch normale Trauerreaktion,
da Leben als wertvoll empfunden wird, normale Angst vor Sterbeprozess mit
Schmerz etc.
Transfusion bei Eltern wünschen Therapie ohne Fremdblut. Sie lassen ihre Kinder nicht „einfach ster-
Kindern ben“, Kinder werden nicht dem Arzt vorenthalten, sondern bevorzugt in Kliniken ge-
bracht, die mit fremdblutsparenden Maßnahmen bei Kindern Erfahrung haben. Sollte
in Ausnahmefällen von den behandelnden Ärzten eine Transfusion für notwendig
erachtet werden, wissen die Eltern um das Recht des Arztes, Kinder unter bestimmten
Umständen auch gegen ihren Willen transfundieren zu lassen (in Deutschland über-
nimmt bei jungen Kindern der Staat die Einwilligung für die Transfusion, Eltern wird
nicht das Sorgerecht entzogen, da die Verweigerung einer Transfusion keine Sorge-
rechtsverletzung darstellt), Kinder werden nicht nach Transfusionen verstoßen.
Umgang mit An- Respektvoll und offen. Bemühen sich, Nächstenliebe zu praktizieren. Zeugen
dersgläubigen Jehovas sprechen viel über ihren Glauben.
Umgang mit Patienten werden relativ häufig besucht. Es gibt organisierte Patientenbesuchs-
Kranken gruppen für die spirituelle und persönliche Betreuung und Krankenhausverbin-
dungskomitees, die zum Beispiel Hilfestellung bei der Suche nach Therapien ohne
Bluttransfusionen bieten.
Literatur
Ungewollt schwanger. Was nun? In: Erwachet. Selters/Taunus, Wachtturm- Bibel- und Traktatgesellschaft, 2009.
Jehovas Zeugen und die Schule. Selters/Taunus, Wachtturm- Bibel- und Traktatgesellschaft, 1983.
Wie kann Blut Dein Leben retten? Selters/Taunus, Wachtturm- Bibel- und Traktatgesellschaft, 1990.
Jehovas Zeugen. Wer sind sie? Was glauben sie? Selters/Taunus, Wachtturm- Bibel- und Traktatgesellschaft, 2001.
Jehovas Zeugen. Menschen aus der Nachbarschaft. Selters/Taunus, Wachtturm- Bibel- und Traktatgesellschaft, 1995.
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pflegerische Implikationen
Keine mit dem Übersinnlichen etc. verbundenen
Praktiken ausführen.
Medikamenten- und Schmerzmittelgebrauch wie
verordnet.
Keine Speisen, die Blut enthalten, servieren (zum
Beispiel keine Rotwurst), sonst nach Geschmack des
einzelnen Patienten.
Besuche begrüßen und akzeptieren, können oft mit
in Pflege eingebunden werden. Bei Bedarf Besucher-
strom regulieren.
Keine Gratulation zum Geburtstag, keine Weich-
nachtswünsche, Bett nicht extra schmücken.
Patientenwillen eruieren und achten.
Nicht von vornherein Organtransplantation aus-
schließen, sondern im Bedarfsfall offenes Gespräch
führen.
Kopie der Patientenverfügung erbitten und in die
Patientenunterlagen legen.
Hinweise auf Literatur geben.
Möglichst nicht mit Rauchern in ein Zimmer legen.
In den seltenen Fällen, wo man sich bei der Geburt
für oder gegen Leben der Mutter entscheiden muss,
muss eine individuelle Entscheidung mit der Patien-
tin oder Betreuern getroffen werden.
Privatsphäre respektieren, bei pflegerischen Maß-
nahmen Genitalbereich bedeckt halten, Nacktheit
vor anderen vermeiden, keine doppeldeutigen
Bemerkungen, Jungfräulichkeit bei Untersuchungen
beachten.
Trauerreaktion unterstützen, Hilfe von Patienten-
besuchsgruppe oder Krankenhausverbindungs-
komitees erbitten (analog zur Seelsorge anderer
Konfessionen).
Verständnis zeigen für die Ablehnung von Transfusi-
onen, alle transfusionsfreien Optionen ausschöpfen.
Bei beabsichtigter Transfusion frühzeitig offenes
Gespräch mit den Eltern führen, ggf. Spezialisten für
Blutmanagement hinzuziehen. Bei durchzuführender
Transfusion den Eltern anbieten, nicht anwesend sein
zu müssen. Keine „geheimen“ Transfusionen hinter
dem Rücken der Eltern, dies zerstört die Vertrauensba-
sis zwischen Eltern und medizinischem Personal.
Wenn nicht gewünscht, respektvoll eine Konversati-
on über Weltanschauung/Religion ablehnen.
Kontaktdaten der lokalen Patientenbesuchsgruppe
und des Krankenhausverbindungskomitees notieren
und bei Bedarf und Wunsch des Patienten informie-
ren.