"Tolstoi 1828-1910" heisst die Ausstellung im Museum Strauhof in Zürich kurz und
bündig. Dabei ist es die einzige umfassende Tolstoi-Ausstellung ausserhalb
Russlands zum 100. Todesjahr des monumentalen Schriftstellers, dessen
Hauptwerke "Krieg und Frieden" und "Anna Karenina" zu den Klassikern der
Weltliteratur gehören.
Als Lew Tolstoi am 20. November 1910 starb, meldete die "New York Times" nicht nur den
Tod des prominentesten Schriftstellers jener Zeit, sondern das Ende einer Epoche. "Tolstoi
war eine moralische Instanz, ein Weltgewissen", erklärt Thomas Grob, der die Ausstellung
"Tolstoi 1828-1910" im Museum Strauhof in Zürich kuratierte.
Obwohl sich Tolstoi als Pazifist, Kirchenkritiker und Anarchist mit allen staatlichen
Institutionen anlegte, konnte es sich nicht einmal der Zar erlauben, den Autor verhaften zu
lassen. Literatur-Nobelpreisträger Thomas Mann formulierte später sogar, der Erste
Weltkrieg hätte es nicht gewagt auszubrechen, wenn Tolstoi noch gelebt hätte.
Lew Tolstoi hatte mit seinem Hauptwerk von 1852 bis 1877 Literaturgeschichte
geschrieben. Nach einer autobiografischen Trilogie (Kindheit, 1852; Knabenjahre, 1854;
Jünglingsjahre, 1857) und seinen ebenso autobiografisch gefärbten "Sewastopoler
Erzählungen" aus dem bestialischen Krim-Krieg (1855/56) folgten seine zwei bekanntesten
Romane.
Die Hauptwerke von Tolstoi: "Krieg und Frieden" und "Anna Karenina"
In "Krieg und Frieden" (1864-69) entwarf Lew Tolstoi ein Panoramabild von Russland in
der Zeit der napoleonischen Kriege. Er beschrieb die Schlachten bei Austerlitz und
Borodino sowie den Brand Moskaus im Jahr 1812 aus der Perspektive einzelner russischer
Adliger.
In "Anna Karenina" (1875-77) erzählte er von der Liebe einer verheirateten Frau zu einem
Offizier, die an ihrem Lebensentwurf und der Starrheit der Gesellschaft zerbricht. Es ist der
künstlerisch vollkommenste Tolstoi-Roman und das darin formulierte Anna-Karenina-
Prinzip gilt bis heute: "Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche
Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich."
Die beiden Romane gehören zu den bedeutendsten Werke der Weltliteratur. Trotzdem zog
sich Tolstoi von der Literatur zurück und schrieb nach 1879 weltanschauliche Pamphlete,
die teilweise in Genf gedruckt werden mussten, weil sie in Russland verboten waren. Am
meisten Aufsehen erregte die Erzählung "Die Kreutzersonate" (1889), die sich gegen die
Sexualität wendet und die Institution der Ehe angreift.
Umgekehrt betonte der Moskauer Museumsdirektor Vitali Remizow, dass "Tolstoi 1828-
1910" "die einzige umfassende Tolstoi-Ausstellung ausserhalb Russlands zum 100.
Todesjahr des Schriftstellers" sei. Zuerst erschien es ihm vermessen, eine solche
monumentale literarische Grösse in einem – insbesondere für russische Verhältnisse –
kleinen Haus in der Zürcher Altstadt zu präsentieren. Beim ersten Rundgang durch "Tolstoi
1828-1910" zeigte sich der Moskauer Museumsdirektor aber begeistert.
Die Ausstellung "Tolstoi 1828-1910" bietet vertiefte Einblicke in das Leben, Werk und
Denken von Lew Tolstoi. In sieben Räumen spannt sich der biographische Bogen von
seiner Jugend auf dem Landgut Jasnaja Poljana über seine Kriegserfahrungen auf der
Krim bis zu den beiden grossen Romanen, die Tolstoi weltberühmt machten: "Krieg und
Frieden" und "Anna Karenina". Nicht zu vergessen die Verfilmungen dieser Romane.
Die Ausstellung bietet aber auch einen Einblick in das Denken und Wirken des späten
Tolstoi, in seine religiösen Vorstellungen und seinen pazifistischen Anarchismus. Sie zeigt
das nicht immer einfache Leben seiner Frau Sofja Andrejewna, mit der er 13 Kinder hatte,
und zeigt Tolstoi von seiner sportlichen Seite.
Es gehört zu den Stärken von "Tolstoi 1828-1910", dass die Ausstellung auch illustriert, wie
Tolstoi schon zu Lebzeiten ein Objekt von Kunst und Medien wurde, was mit ein Grund
war für die bestürzte Schlagzeile der "New York Times", als Lew Tolstoi am 20. November
1910 starb
Info:
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag: 12-18 Uhr, Samstag und Sonntag: 10-18 Uhr
Montag geschlossen
Eintritt:
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