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OHNES & SCHWAHN ⋅ Pappenheimstr.

7 ⋅ 80 335 München

Bewerbungsgesellschaft München 2018 GmbH


Herrn Bernhard Schwank
Olympiapark München
Spiridon-Louis-Ring 21

80809 München

München, den 6. Oktober 2010

Warum verspüren WIR so wenig Begeisterung anlässlich Olympia 2018?

Sehr geehrter Herr Schwank,


wir wohnen und arbeiten in München. Aufgewachsen in München und in Starnberg haben wir
als Kinder bei der 72er Sommerolympiade mitgefiebert. Wir haben selbst miterlebt, wie
segensreich sich dieses Ereignis für die Entwicklung unserer Stadt ausgewirkt hat und bis
heute nachwirkt. Wir selbst betreiben die unterschiedlichsten Sportarten und sind auch am
Wintersport interessiert…
Sei geraumer Zeit rätseln wir darüber, warum selbst bei uns der Funke der Begeisterung
anlässlich der Bewerbung für die 2018er Winterolympiade nicht so recht überspringen mag?
Vorausgeschickt sei, dass wir die Berichterstattung bislang nur mit der heute allgemein
üblichen recht durchschnittlichen Aufmerksamkeit verfolgt haben. Unser Erklärungsversuch
ist somit völlig subjektiv. Dies bedeutet aber nicht, dass er ungerecht oder gar falsch sein
muss, da wir als Steuerzahler, Münchner, Sportbegeisterte und Naturliebhaber mehr oder
minder zu einer der Kernzielgruppen gehören dürften und unser Informationszugang als
repräsentativ anzusehen ist…
Wir sehen das Problem übrigens nicht im „Warum?“. Die Olympischen Sommerspiele
1972 in München oder die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland zeigen anschaulich,
in welcher Dimension derartige Großveranstaltungen Mehrwert freizusetzen in der Lage sind.
Kostengesichtspunkte oder Probleme, die es auf dem Weg zu lösen gilt, gehören zum „Wie?“.
Hier sehen wir das eigentliche Problem, wobei auch die Kommunikation nicht ganz glücklich
verlief.
Ein Beispiel: München bewirbt sich mit den „grünsten Winterspielen aller Zeiten“. Das
kann taktisch durchaus richtig sein, da das IOC mit dem Zuschlag an das russische Sotschi
einiges an Kritik einstecken musste. Allerdings wäre es dann unerlässlich, dass sich der
überwiegende Teil der Umweltverbände auch hinter die Bewerbung stellt. Wer jetzt
einwendet, dass die Umweltverbände sowieso immer dagegen sind, macht es sich zu leicht.
Dem Angebot an die Umweltverbände fehlt es einfach an Substanz. Innerhalb der Kommuni-

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E-Mail: info @ ohnes-schwahn.de ⋅ Website: www.ohnes-schwahn.de ⋅ Steuernummer: 146 / 232 / 00419
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kation findet die inhaltliche Beliebigkeit dann in der Fokussierung auf die Zahl 18 ihren
Ausdruck.
Man stelle sich vor, Freistaat und Landeshauptstadt hätten einstmals für die
Sommerspiele zweiundsiebzig „Umwelt-Leitprojekte“ geschnürt…
Die Süddeutsche Zeitung hat in ihrer Berichterstattung vom 13. August 2010 alle
achtzehn Leitprojekte aufgelistet. Meist wurde das Thema CO2-Einsparung aufgegriffen. Das
ist gut so. Immerhin wenden wir weltweit für das Bauen und Unterhalten von Häusern rund
die Hälfte des Energiebedarfs der Menschheit auf. Aber statt einiger neuer
Plusenergiegebäude wäre es sicherlich zielführender gewesen, die Bayerische Bauordnung an
das Ziel der CO2-Reduktion anzupassen und Bayern zum Hochtechnologiestandort
klimafreundlicher Architektur zu machen. Statt einige Sportvereine bei der CO2-Einsparung
zu unterstützen, wäre es naheliegender gewesen, ihnen zu helfen, wieder mehr Kinder für
Sport zu begeistern, oder man hätte den staatlichen und städtischen Schulen wenigstens eine
weitere Sportstunde im Stundenplan spendiert. Überhaupt fragt man sich, ob die
vorgeschlagenen klimafreundlichen Maßnahmen nicht doch etwas zu zaghaft sind - wenn
nicht sogar selbstverständlich? Wir hegen die leise Hoffnung, dass im Jahre 2018 solche
„Vorzeigeprojekte“ längst Standard für Großereignisse sein werden, wenn nicht sogar
Bestandteil des Alltags. Wer hätte denn Ende 1999 vorausgesagt, dass Al Gore 2007 den
Friedensnobelpreis für seinen Kampf gegen die Klimaerwärmung bekommen würde? In ein
paar Jahren kann viel passieren.
Bestünde überhaupt die Chance zum „großen Wurf“? Ja, durchaus! Warum hat man den
überwiegenden Teil der bereitgestellten 115 Mio. EUR nicht in eine große Sache investiert,
die einer globalen Großveranstaltung angemessen ist? Warum hat man nicht beispielsweise
das 300 km² fassende und seit 1926 bestehende „Naturschutzgebiet Ammergebirge“ (seit
2002 auch Europäisches Vogelschutzgebiet) zum ersten „Olympia-Nationalpark“ erklärt und
der dort lebenden und arbeitenden Bevölkerung mit einem ausreichenden Budget eine echte
Zukunftsperspektive auch für künftige Generationen aufgezeigt? Pläne hierzu existieren
bereits seit Jahren (vgl. www.initiative-nationalpark-ammergebirge.de/). Ein olympischer
„Nationalpark Ammergebirge“ mit seiner international renommierten Lage zwischen Schloss
Neuschwanstein und Kloster Ettal, besäße die Substanz und auch die Glaubwürdigkeit, als
bleibendes Gegenstück zur unvermeidbaren touristischen Maschinerie einer Winterolympiade
wahrgenommen zu werden. Ein neuer Nationalpark würde es den Umweltverbänden eher
ermöglichen, ohne Gesichtsverlust der Bewerbung wieder Rückendeckung zu geben, zumal
der Verzicht auf das vormals geplante Biosphärenreservat den Beginn der Ausstiegswelle
einleitete. Mit seinen gegen Störung sehr empfindlichen Beständen an Auerhühnern (vom
Aussterben bedroht, ca. 50 Paare), Birkhühnern (vom Aussterben bedroht, ca. 300 Paare),
Alpenschneehühnern (stark gefährdet, ca. 80 Paare) oder Steinadlern (stark gefährdet, 4
Paare) besitzt das „NSG Ammergebirge“ ein kostbares Naturerbe.
Erschließungen durch Alm- und Forstwirtschaft und ganzjährige Störungen durch
Wanderer, Kletterer, Mountainbiker oder Tourengeher bedrohen aber auch hier zunehmend
die noch unzerschnittenen Räume. Der Nationalpark würde sich somit perfekt ergänzen mit
dem künftigen Garmischer Zentrum für Nachhaltigkeit (Clusterbildung!). Und Münchens
Bürgerinnen und Bürger bekämen endlich einen bequem erreichbaren Nationalpark direkt vor
ihrer Haustür. Mit ihrer Kaufkraft könnten sie erhebliche regionalökonomische Effekte vor
Ort freisetzen. Beim Klimaschutz sollte auch die Renaturierung entwässerter Moore
berücksichtigt werden, da hier eher die Chance einer Einbindung von Naturschutzverbänden,
Agendagruppen oder Schulklassen besteht.

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Statt des „Dackels Waldi“ anno 1972 ließe sich dem IOC mit dem Alpenschneehuhn ein
glaubwürdiges und sympathisches „Olympiamaskottchen“ samt zugehörigem Artenhilfspro-
gramm für die Bewerbung präsentieren. Das Alpenschneehuhn, angewiesen auf schneesichere
Gebiete und in Bayern infolge des Klimawandels und touristischer Störungen stark gefährdet,
wäre der nahezu perfekte Charaktervogel der Münchner Bewerbung um die „grünsten
olympischen Winterspiele aller Zeiten“. Die Kommunikationslinie wäre durchgängig.
Öffentlichkeit und IOC müssten sich zudem keine 18 Umwelt-Leitprojekte merken.
Der ein oder andere wird einwenden, dass die Zeit zu knapp sei, noch umzusteuern. 1972
vergingen zwischen der Idee für eine Bewerbung und dem Zuschlag nur knapp acht Monate.
Manch einer mag einwenden, dass auch ein Nationalpark möglicherweise bei Grundbesitzern
vor Ort Widerspruch auslösen könnte. Würde dieser Fall tatsächlich eintreten, könnte man
sich in einem ersten Schritt eben auf die bereits in Staatsbesitz befindlichen Flächen des
Bayerischen Staaatswaldes konzentrieren, die exzellente Eignung als künftige Kernzonen
besitzen. Mit wenig mehr, was allein die Bewerbung kostet, ließe sich ein bedeutender
Wirtschaftsfaktor für die Region schaffen. Zum Vergleich: Der Nationalpark Bayerischer
Wald erwirtschaftet nur über seine Besucher einen Jahresumsatz von 27,8 Millionen Euro (die
SZ titelte am 8.7.2008: „Wirtschaftsfaktor Urwald – Studie weist Nationalparks als
Jobmaschinen aus“). Die angesichts des Klimawandels immer wieder beklagte einseitige
Ausrichtung der Region auf den Wintersport würde dadurch zumindest etwas gemildert.
Wann, wenn nicht bei Winterspielen, wäre der richtige Zeitpunkt, einem
Millionenpublikum das touristische Angebot jenseits des Wintersports nahezubringen?
Die SZ vom Vortag brachte eine Fotografie aus dem Jahre 1969. Sie zeigt den damaligen
IOC-Präsidenten Brundage. Vor dem immer noch beeindruckenden Modell des Münchner
Olympiaparks lässt er sich gerade die Planungskonzeption erläutern. Dem „demokratischen
Bauen“ der Olympiaparkplanung aus dem Jahre 1972 würde in der erneuten Bewerbung mit
einem Bekenntnis zum ersten „Olympia-Nationalpark“ ein würdiges Pendant folgen -
angepasst an die Anforderungen und Sehnsüchte der heute lebenden Generation. Neben der
Realisierung einer topmodernen Massenverkehrsinfrastruktur war der Münchner Olympiapark
der kühne „große Wurf“, den wir bei der heutigen Bewerbung so schmerzlich vermissen.
Welchen großen Wurf wird sich Jacques Rogge angesichts der ausgegebenen Losung von den
„grünsten Winterspiele aller Zeiten“ in vier Jahren erläutern lassen?
Bitte verstehen Sie unseren offenen Brief nicht als unbotmäßige Einmischung von außen.
Vielmehr hoffen wir, dass Sie unseren Beitrag als Ausdruck eines lebendigen
Demokratieverständnisses und Motivation in Ihrem Ringen um den großen Wurf betrachten,
in der Suche nach einer Kompromisslösung, die alle Akteure wieder ins Boot holt. Denn die
Ausrichtung der „grünsten Winterspiele aller Zeiten“ ohne den Rückhalt der maßgeblichen
Umweltverbände befremdet nun doch etwas…

Wir verbleiben mit besten Grüßen und wünschen viel Erfolg!

Matthias Schwahn Wolfgang Ohnes


Landschaftsarchitekt Landschaftsarchitekt

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Verteiler Volksvertretung:
Bayerische Staatskanzlei / Bayerischer Landtag
Horst Seehofer, Ministerpräsident des Freistaats Bayern
Martin Zeil, Staatsminister
Siegfried Schneider, Staatsminister
Fraktionen des Bayerischen Landtags
CSU Bündnis 90 / Die Grünen
SPD FDP
Freie Wähler
Münchner Stadtrat
Christian Ude, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München
Christine Strobl, Zweite Bürgermeisterin der Landeshauptstadt München
Hep Monatzeder, Dritter Bürgermeister der Landeshauptstadt München
Fraktionen des Münchner Stadtrats
SPD Die Linke Rosa Liste
CSU ÖDP
Bündnis 90 / Die Grünen Freie Wähler
FDP Bayernpartei
Marktgemeinderat Garmisch-Partenkirchen
Thomas Schmid, 1. Bürgermeister des Marktes Garmisch-Partenkirchen
Daniela Bittner, 2. Bürgermeisterin des Marktes Garmisch-Partenkirchen
Hannes Krätz, 3. Bürgermeister des Marktes Garmisch-Partenkirchen
Fraktionen des Marktgemeinderats Garmisch-Partenkirchen
CSB FDP
CSU FWG
SPD BP
Verteiler Umweltverbände:
Bund Naturschutz in Bayern e.V Mountain Wilderness Deutschland e.V.
Deutscher Alpenverein (DAV) NaturFreunde Deutschlands e.V.
Deutscher Naturschutzring (DNR) Ornithologische Gesellschaft in Bayern e.V.
Deutsche Wildtier Stiftung Schutzgemeinschaft Deutscher Wald e.V.
Greenpeace e.V. Verein für Arten-, Umwelt- und Naturschutz e.V.
Heinz Sielmann Stiftung Verein zum Schutz der Bergwelt e.V.
Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. WWF Deutschland
Verteiler Nationale Förderer:
Adidas AG Flughafen München GmbH
Allianz SE Deutsche Lufthansa AG
BayWa AG Sparkassen Finanzgruppe
BMW Group

P.S.: Machen Sie einen Selbstversuch! Geben Sie die untenstehende Aufstellung der 18
Umwelt-Leitprojekte, entnommen aus der SZ vom 13. August 2010, jemandem aus
Ihrem Bekanntenkreis zu lesen. Angelangt beim 18. Punkt der Aufstellung konnten
zumindest wir die erstgenannten „Leitprojekte“ bereits nicht mehr erinnern. Ist die
Quote in Ihrem Bekanntenkreis besser?

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