Sie sind auf Seite 1von 1

Schreiben ist illegal

Am 3. Mai ist Tag der Pressefreiheit. Während hierzulande über die Seriosität des Online-
Journalismus gestritten wird, werden bloggende Berichterstatter anderswo sehr viel ernster
genommen. Die Zahl der inhaftierten Internet-Autoren beläuft sich laut Reporter ohne
Grenzen mittlerweile auf 65.

Journalisten geraten zunehmend ins Visier staatlicher oder militanter Kräfte. Ob im Internet
oder als Korrespondenten vor Ort, die schreibende Zunft lebt gefährlich. 82 Journalisten
kamen 2006 bei der Ausübung ihres Berufs ums Leben, im laufenden Jahr sind es bereits 24.

Die Morde an Anna Politkowskaja in Russland oder Hrant Dink in der Türkei sind nur zwei
von vielen bestürzenden Gewaltverbrechen gegen Journalisten. Staatskräfte, Drogenkartelle
oder Bürgerkriegsparteien – wie im Falle des entführten BBC-Korrespondenten Alan
Johnston – machen gezielt Jagd auf Reporter.

Wer Journalisten ein „gewöhnliches“ Berufsrisiko attestieren will, irrt. Die physische Präsenz
in Krisengebieten nicht entscheidend für die Bedrohung. Politkowskaja wurde in Moskau
ermordet, nicht in Tschetschenien. Hrant Dink wurde auf offener Straße in Istanbul liquidiert,
vor dem Redaktionsbüro seiner Zeitung Agos. Der Grund für die Verfolgung und Bedrohung
von Journalisten ist das geschriebene Wort – ob in einer Zeitung oder in einem Blog.

Den Opfern der Online-Zensur werden Beleidigung, Verrat oder Umsturzversuche zur Last
gelegt – wenn ihnen überhaupt der Prozess gemacht wird. Blogger Joshua Wolf verbrachte
die Rekordzeit von 226 Tagen in Beugehaft, weil er sich weigerte, Video-Material einer
Demonstration zu veröffentlichen – obwohl er dem kalifornischen Gericht mehrfach
angeboten hatte, die Aufzeichnungen im Gerichtssaal abzuspielen.

Doch auch hierzulande wird die Pressefreiheit von staatlicher Seite verletzt. Die Bespitzelung
der Cicero-Redaktion durch den Bundesnachrichtendienst oder die Erfahrungsberichte von
Marcel Bartels – nachzulesen in seinem Blog Mein Parteibuch – verdeutlichen den hiesigen
Hang zur Zensur.

Mit einem Trauerzug durch Berlin wird heute der Journalisten gedacht, die ihren Mut zur
Wahrheit mit dem Leben bezahlt haben.

Das könnte Ihnen auch gefallen