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Ach, Budapest!

Warum man die schönste Stadt der Welt einfach lieben muss
von Sven Matis

Dies ist weder kein journalistischer Artikel. Noch ist es Werbung. Es ist eine Liebeserklärung.
Budapest muss man einfach lieben, denn die Hauptstadt Ungarns lässt einem keine Ruhe!
Kurzum: Budapest ist, was es ist: Die schönste Stadt der Welt.

Budapest bietet eine Menge einzigartiger Foto-Motive: das Panorama des Donauufers mitsamt
des Parlaments, das Budaer Burgviertel, die Andrássy-Straße mit ihrer historischen Umgebung –
allesamt Teil des Weltkulturerbes – und nicht zu vergessen die von Gustave Eiffel geplanten
Gebäude, zum Beispiel der Westbahnhof und die Große Markthalle.

Budapest hat Stil - auch dank unverschämter Liebespärchen

Reiseführer schwärmen gerne von einem "einzigartigen Pulsschlag der Stadt" oder gar einer
"ungeheuren Lebendigkeit". Sie glauben, einen "Schmelztiegel der Kulturen und Temperamente"
oder eine "durch nichts zu bremsende Dynamik" zu erkennen. Es lässt sich viel einfacher auf den
Punkt bringen: Budapest hat Stil. Diese Stadt drängt sich nicht vor, sie hascht nicht nach
Originalität. Budapest entzieht sich den Kalamitäten eines globalen Jahrmarkts der Eitelkeiten.
Dieser Eigensinn macht die unverwechselbare Schönheit der Stadt aus.

Die Unterschiede zu anderen Weltstädten werden in Budapest schon durch die All-Jährlichkeiten
sichtbar. Wenn hier der Frühling einzieht, ein richtiger Lenz, mit Blütenpracht, Sonnenschein und
Hochwasser, dann fühlt er sich an wie woanders der Sommer. Oft löst der Sommer den Winter ab,
um dann bis kurz vor Weihnachten durchzufeiern. Der Sommer kann richtig heiß werden. Die
Straßen und Gassen sehen mitunter wochenlang keinen Tropfen Wasser und der Staub fliegt den
Straßenbahnen hinterher. Die Liebespärchen stört das herzlich wenig: sie küssen sich
unverschämter als sonstwo. Wer jetzt nicht an den Balaton flüchten kann, findet Abkühlung
entweder in den Budaer Bergen oder in den "morbiden, aber charmanten" Hinterhof-Biergärten
des Achten Bezirks.

Im Winter zeigt Budapest seine Pracht

Den Herbst – so es einen gibt – erkennt an der Farbenpracht auf der Margarethen-Insel und den
tiefhängenden Trauben in den Dörfern rund um Budapest. Der Winter kann sehr ungemütlich und
unwirklich sein. Die Gesichter in den Straßenbahnen scheinen zu Eis gefroren und die
Marktfrauen verkaufen Salat und Sauerkraut im Skianzug.

Zwei Dinge machen den Budapester Winter aber so richtig schön: Die Kaffeehäuser und die
Thermalbäder – auf beides sind die Budapester zu Recht ungemein stolz. Die Kaffeehauskultur ist
weltweit vielleicht nur noch in Wien so ausgeprägt wie hier. In den historischen Kaffeehäusern ist
die Zeit scheinbar stehen geblieben. Wer das "Café Centrál" betritt, glaubt auf einer Zeitreise ins
späte 19. Jahrhundert zu sein (der Blick auf die Preise erleichtert die Rückkehr ins 21.
Jahrhundert). Mit Stuck verzierte Decken, gewaltige Lampen, dazu weiße Marmortische mit
spartanischen Stühlen - das Arrangement dürfte bei der Eröffnung 1885 nicht viel anders
ausgesehen haben. Damals wurde das Centrál schnell zum geistigen Zentrum der Stadt. Im Lärm
des häufig überfüllten Kaffeehauses entstanden Zeitungsartikel, Novellen, Romane und vor allem
Theaterkritiken. Und heute? Außer der Kleidung der Gäste hat sich nicht viel geändert: Die
Stadtprominenz tuschelt, die Studenten unterstreichen die Zeilen ihrer Bücher und zwei ältere
Damen schimpfen was das Zeug hält.

Was haben die Budapester ihren Besatzer zu verdanken?

Die schönste Stadt würde auch einen anderen Namen verdienen: Bad Budapest! 120 heiße
Quellen, die 21 Bäder mit mineralreichem Wasser speisen, machen Budapest zur größten
Kurstadt Europas. Das Széchenyi-Bad im Stadtwäldchen wirkt eigentlich mehr wie kleines
Schloss, in dem man unter freiem Himmel im 38°C heißen Wasser Schach spielt oder in den
verwinkelten Gängen nach unentdeckten Becken sucht. Das etwas kleinere Rudas-Bad ist nicht
weniger imposant: Seit der Eröffnung 1566 wurde das Thermalbad zwar oft umgebaut, aber kaum
verändert. Auch wenn – oder vielleicht weil? – mittlerweile auch Frauen Zutritt haben, fühlt man
sich wie ein echter Pascha und vergisst die kosmopolitische Großstadthektik vor der Tür.

"Extra Hungarium non es vita, si es ita, non es ita." (etwa: "Außerhalb Ungarns gibt es kein Leben.
Ist es doch Leben, dann muss es ein anderes sein") Dass es mit den Magyaren etwas ganz
besonders auf sich hat, haben schon die Römer bemerkt, als sie um 89 n.Chr. im heutigen Óbuda
siedelten. Überhaupt hat sich die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte tief in das Bild der
Stadt – im guten wie im schlechten – eingeprägt. Spitze Zungen behaupten, dass die Budapester
ihren Besatzer einiges zu verdanken haben: Den Türken die Bäder, den Habsburgen die
prächtigen Jugenstilhäuser und den Russen die Einschusslöcher darin. Das ist der ungarische
Humor. Man weiß nie, ob man nun weinen oder lachen soll. Der Schriftsteller Tibor Déry brachte
es auf den Punkt: "Was ist das Ungarische? Ein Witz der über Katastrophen tanzt."

43 Buchstaben und ellenlange Wörter

Diese Frage provoziert auch ganz andere Antworten. Das Ungarische? Diese Sprache macht viele
sprachlos. Wer außer Verliebten, beflissenen Diplomaten oder Linguisten, erlernt eine Sprache,
die außerhalb Ungarns nur noch etwa 30.000 Ostjaken westlich des Urals sprechen. Das Weiche
und Elegante des Ungarischen ist nicht leicht für unsere steifen deutschen Kiefer. Obwohl es eine
ganze Menge deutsch klingender Begriffe im Ungarischen gibt, wie "szervusz", "curükk", oder
"hózentróger" (Hosenträger), ist die Grammatik völlig verquer. Es gibt 43 Buchstaben, jeweils vier
Variationen der Vokale und daraus lassen sich ellenlange Wörter mit mehr als zehn Silben bilden.
Ach ja, auch in dieser schönen Sprache gibt es zu jeder Regel noch entzückende Ausnahmen.
Besonders empfehlenswert für kostenlose Sprachstunden ist eine Fahrt mit den Budapester
Nachtbussen (Tickets hat hier keiner, auch die berüchtigten Budapester Ticket-Kontrolleure
brauchen ihre Nachtruhe). Da nicht nur die Gänge der Busse recht voll sind, kommt man leicht ins
Gespräch. Innerhalb von zwei Haltestellen erlernt man den nötigen Grundwortschatz:
Trinksprüche, Flüche und Kosename. Einige Vokabeln aus allen drei Bereichen notiert, hat man
tagsüber viel Spaß bei der Unterhaltung mit Ungarn.

Taxifahrer müssen's wissen

Zugeben, die "Budapester Elegien" sind noch nicht gedichtet, die "Liebesgrüße aus Budapest"
noch nicht geschickt und das "Taxi nach Budapest" noch nicht besungen. Auf einer Taxifahrt vom
Flughafen in die Stadt, verstand ich jedoch, warum Budapest solche Lobhudeleien gar nicht nötig
hat. Auf die Frage, was denn die Budapester auszeichne, meinte der Taxifahrer mit einem
verschmitzen Grinsen: "Wir haben hier einfach gelernt, dass es besser ist, wenn wir uns nicht an
die Regeln halten. Das war schon so unter den Türken, den Habsburger und den Sowjet-Russen.
Das ist zu einem Gesellschaftsspiel geworden. Warum sollte sich das ändern?" Sprach’s und gab
Gas. Die nächste Ampel war grade dabei, auf Rot zu schalten. Budapest bleibt, was es ist.

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