9 Drehstromschaltungen
Für den Betrieb einer Mittelpunktschaltung ist ein Transformator zur Bereitstellung des
Mittelpunktanschlusses erforderlich. Die M3-Schaltung in Abb. 9-1 wird über einen Trans-
formator in Dreieck-Stern-Schaltung (Dy) betrieben.
a)
1U 1V 1W
K i1
iP2 iP3 T
iP1
NP
b)
ud ud
id id
R L Uq R L Uq
Abbildung 9-1 Vollständiges und vereinfachtes Ersatzschaltbild
Die Ventile sind abwechselnd für jeweils 120° leitend. Wegen der Symmetrie des Drehspan-
nungssystems sind die Effektivwerte der drei Phasenspannungen gleich, d. h. US1 = US2 = US3
= US. Die nicht leitenden Ventile sind mit einer verketteten uV Spannung belastet.
Die natürliche Ablösung der Ventile erfolgt unter dem Einfluss der Phasenspannungen u1, u2
und u3 unmittelbar im Spannungsschnittpunkt. Dieser Punkt liegt im Nulldurchgang der ver-
ketteten Spannungen, die als Kommutierungsspannungen bezeichnet werden. Wenn z. B. die
Spannung u21 positiv wird, so schaltet in Abb. 9-4 Ventil V2 ein und das leitende Ventil V1 ab.
Bei natürlicher Kommutierung bzw. ʱ = 0° ist somit immer das Ventil mit der momentan
höchsten Spannung leitend. Bei einer gesteuerten Schaltung wird die Stromübergabe auf das
nächste Ventil bei positiver Kommutierungsspannung erst durch einen Zündimpuls ausgelöst.
134 9 Drehstromschaltungen
u1 V1 leitet
120° u21
u1 u2 M
V2 id
u2 uV2
ˈt
V3
u3
ʬ u 0 ėu 1 ė u V2 ʅ u2
u V2 u2 ė u1 u 21
Abbildung 9-2 Zur Ventilablösung im Drehspannungssystem (V2 löst V1 ab)
9.1.1 Gleichspannungsbildung
Die natürliche Kommutierung der Ventile lässt sich durch ein Schaltermodell nach Abb. 9-3
darstellen. Die möglichen Schalterstellungen sind in der Tabelle aufgeführt, den resultierenden
Gleichspannungsverlauf ud zeigt Abb. 9-4.
u1
1 S Winkelbereich ˍ+ ˍ- ud
S
u2
ˍ+ 0° - 120° u1 u1
2 1 0
u3 2 120° - 240° u2 0 u2
3 ud
ˍė 3 240° - 360° u3 0 u3
V1 V2 V3
u1 u2 u3
ˀ
2
3
ˈt
1 2 3 Schalterstellung
ud Abbildung 9-5
ˀ
3
3
U di = ŏĩ u d ˈ t (9-1)
2ˀ ˀ d
ė
3
Die Auflösung von Gl. (9-1) liefert für die Gleichspannung Udi:
3 ʎ3 3 3 3 3
U di
2ˀ S
uʒ
ʎ
U = U mit U V
ˀ 2 S ˀʎ2 V
ʎ 3U S und
ˀʎ2
0,675 (9-2)
ˀ 0 ˀ
ė ʅ ˈt
3 3
Durch Einsetzen der Grenzen in Gl. (9-1) erhält man für Udiʱ(nichtlückender Betrieb):
ˀ
ʅ ʅʱ
uʒ S 3
0 ʈ ʱ ʈ 30 ° : U ŏ ĩ cos ʛˈ t ʜd ˈ t ʍ U U di cos ʱ (9-3)
di ʱ 2 ėˀ ʅʱ di ʱ
ˀ 3
3
ʱ ud Abbildung 9-7
Steuerwinkel: 30° < ʱ 150°
Lückende Ausgangsspannung der M3-Schaltung
ûd
150° (R-Last)
ė
ˀ 0 ʅ
ˀ
ˈt
3 3
ˀ
2
1 3 ˀ ˀ
U
diʱ ˀ
ĩ uʒ S cosʛˈ t ʜd ˈ t
2ˀ
uʒ S ʛsinʛ ʜ ė sinʛė ʅ ʱ ʜʜ
2 3
ėˀ
2 3
ʅʱ
3
Eine Umformung mit sin ʛʱmʲʜ sin ʱ cosʲ m sin ʲcos ʱ führt auf :
3 uʒ S ˀ ˀ 3 uʒ S U di
U di ʱ ʛ1 ėʛ sinʛʱʜ cosʛ ʜ ė cosʛʱʜ sin ʛ ʜʜʜ mit
2ˀ 3 3 2ˀ ʎ3
1 ʎ 3 cosʛʱʜʜʜ U di
U di ʱ ʎ 3U di ʛ1 ė ʛ sin ʛʱʜ ė ʛ1ėcŏsin ʛʱ ʅ ˍʜʜ
2 2 ʎ3
ė
ʎ3
ˍ arctan ʛ
1
2
2
ʜ ė60° c
ʎ 1 2 ʎ3 2
ʛ ʜ ʅʛ ʜ
2 2
1 sin ʛʱʅˍʜ ėcosʛ90 °ʅʱʅˍʜ
U di
30° ʈ ʱ ʈ 150° : U ʛ1 ʅ cosʛ30°ʅʱʜʜ (9-4)
di ʱ ʎ3
Der Lückeinsatz lässt sich durch einen induktiven Energiespeicher zu höheren Steuerwinkeln
verschieben. Bei negativer Gleichspannung ud bleibt der positive Gleichstrom noch solange
erhalten, bis die in der Last gespeicherte Energie aufgebraucht ist. Ein Lückeinsatz ist daher
von der Lastzeitkonstanten ˃L mitbestimmt. Bei einer passiven R-L-Last (Verbraucher) kann
der lückfreie Betrieb jedoch nur bei positivem Gleichspannungsmittelwert erreicht werden.
Befindet sich auf der Lastseite eine aktive Last (Energiequelle), so tritt der Lückbetrieb auch
bei negativen Gleichspannungsmittelwerten nicht oder nur verzögert auf.
9.1 Die Mittelpunktschaltung M3 137
ud Abbildung 9-8
Gleichspannung bei eingeprägtem Strom
ˀ 0 ˀ ˈt
ė ʅ
3 3
ˀ
ʅ ʅʱ
uʒ S 3
0° ʈ ʱ ʈ 180° : U ŏ ĩ cosʛˈt ʜd ˈt sin ʛʱmʲʜ sin ʱcos ʲ m sin ʲcos ʱ
di ʱ ˀ ėˀʅʱ
2 3
3
3ʎ3
U uʒ S cosʛʱʜ U diŏcosʛʱʜ (9-5)
di ʱ 2ˀ
Stellt man die Gleichspannung Udiʱ bezogen auf Udi über dem Steuerwinkel ʱ dar, so erhält
man die Steuerkennlinien nach Abb. 9-9.
1
Abbildung 9-9
Lückgrenze
M3-Steuerkennlinie der Gleichspannung für
U ohmsche Last unterschiedliche Lastfälle
di ʱ ʎ3
U di 2 Oberhalb der Lückgrenze ʱ = ʱLG = 30° ver-
laufen beide Kennlinien unterschiedlich. Bei
180° einer aktiven Last ist der lückfreie Betrieb
0
30° 90° theoretisch bis zu einem Steuerwinkel von
D
180° möglich. Bei ohmscher Last ist die
ʱLG Steuergrenze 150°, da wegen des Lückbe-
eingeprägter triebes an den Ventilen jeweils nur eine
Gleichstrom Phasenspannung anliegt. Die Phasenspan-
nungen haben ihren Nulldurchgang 30° vor
-1 den verketteten Spannungen.
Aktive Last
U di 1
U di ʛʱ = 30°ʜ ʛ1 ʅ cosʛ30°ʅ30°ʜʜ U di cosʛ30°ʜ U diŏ ʎ 3
ʎ3 2
138 9 Drehstromschaltungen
9.1.2 Ventilbelastung
Die Spannungsbelastung der Ventile ist durch die Momentanwerte der verketteten Spannungen
festgelegt. Die Strombelastung folgt aus der Art der Last, wobei hier wieder zwischen
ohmscher Last und idealer Glättung unterschieden wird.
9.1.2.1 Spannung
u1 u2 u3 leitend: ˍA ˍK uV1
ˍA V1 u1 u1 0
uV1 V1 V2 V3
ˍK V2 u1 u2 u12
V3 u1 u3 u13
R Lücken: u1 0 u1
ud
u V1 ˍ Aėˍ K
Abbildung 9-10 Ungesteuerte M3-Schaltung
Zur Darstellung einer Ventilspannung wird für die möglichen Schaltzustände eine Potenzialbe-
trachtung von Anoden- und Kathodenseite durchgeführt. Das Potenzial ˍK entspricht der
Gleichspannung ud. Die Ventilspannung uV ergibt sich als Differenz von Anoden- und Ka-
thodenpotenzial. Die möglichen Zustände für Ventil V1 sind in Tab. 9.1 zusammengestellt.
Abb. 9-12 und 9-13 zeigt die Ventilspannung uV1 bei einer gesteuerten M3C-Schaltung für
ohmsche Last und eingeprägtem Gleichstrom bei ʱ = 60°.
u1 u2 u3
u
ud
ˈt
uRM
u12 u13
uV1
ʱ= 60° u1 u2 u3
ˈt
u1
uV1 ˈt
ˈt
u12 u13
u1
ˈt
uV1
9.1.2.2 Strom
Für die Berechnung der Verlustleistung mit Hilfe der Knick-Kennlinie wird der Mittel- und
Effektivwert des Ventilstromes benötigt. In Tab. 9-2 sind für typische Lastfälle (R-Last und
ideale Glättung) die Berechnungen dieser Werte angegeben.
Tabelle 9.2 Ventilstrom bei unterschiedlicher Last
îV
Id
ˀ 0 ʅˀ ˈt ˀ ˈt
ė 2ˀ 0 2 2ˀ
3 3 3
Mittelwert
ˀ
ʅ
3 2ˀ
1 3
iV
2ˀ
ĩ ʒi d cosʛˈ t ʜ d ˈ t iV
1
ĩ I dˈ t
2ˀ 0 d
ˀ
ė
3
1 ˀ ˀ 1 2ˀ Id
iʒd ʛsinʛ ʜėsinʛė ʜʜ IV I dʛ ė 0ʜ
2ˀ 3 3 2ˀ 3 3
iʒdŏ ʎ
3
IV iʒd ŏ0,276
2ˀ
Effektivwert
ʎ
ˀ
ʎ
ˀ
ʅ 2
3 3
1 1
I VRMS
2ˀ
ĩ ʒi 2d cos 2 ʛˈ t ʜ d ˈt I VRMS
2ˀ
ĩ I 2d dˈt
ˀ 0
ė
3
ʎ
ˀ
Id
ʎ 1 2 2ˀ
1 1 1 ʅ
iʒd ʛ ˈ tʅ sinʛ2ˈ t ʜʜ 3 I ʛ ė0ʜ
2ˀ 2 4
ė
ˀ 2ˀ d 3 ʎ3
3
iʒdŏ0,4853 I VRMS I dŏ0,577
mit I d iʒdŏ ʎ
3 3
I VRMS I dŏ0,588
2ˀ
9.1 Die Mittelpunktschaltung M3 141
9.1.3 Netzstrom
Die Ströme in Abb. 9-14 beziehen sich auf die M3C-Schaltung nach Abb. 9-1. Die Gleichan-
teile der Ventilströme iS1 ... iS3 werden vom Transformator nicht übertragen, so dass sich die
Primärströme entsprechend Abb. 9-14 einstellen. Vereinfachend sei NS = NP angenommen.
Die Zusammenfassung von iP1 und iP3 liefert im Knoten K (Abb. 9-1) den Leiterstrom i1.
Für die Primärseite gilt:
K: ʬ i 0 ė i1 ʅ iP1 ė iP3 daraus folgt i1 iP1 ė iP3
Id
iP1 Id 3
ˈt
iP2 ˈt
iP3
ˈt
i1
ˈt
Abbildung 9-14 Primärströme eines idealen Transformator in DY-Schaltung nach Abb. 9-1 und Netz-
strom i1 bei idealer Stromglättung und NS = NP
ʎ 1 2 2 2ˀ 1 2 4ˀ ʎ2
Primärstrom IP ʛʛ I d ʜ ŏ ʅʛ I d ʜ ŏ ʜ Id (9-6)
2ˀ 3 3 3 3 3
Sekundärstrom: IS
ʎ 1
ʛI2
2ˀ d 3
2ˀ
ʜ Id
1
ʎ3
(9-7)
Als Summenleistung der 3 Sekundärwicklungen ergibt sich mit Gl. (9-2) zu:
3ŏU di0 I d ʎ3
SS 3ŏU SŏI S ŏ Pd 1,48 P d (9-8)
1,17 ʎ 3 1,17
Die Summenleistung der 3 Primärwicklungen ergibt sich zu:
S P ʅS S 1,21ʅ1,48
ST Pd 1,35 P d (9-10)
2 2
u1
Abbildung 9-15
LV iV1 V1
M3-Schaltung mit Kommutierungsinduktivitäten
u2 Die Ventile V1, V2 und V3 lösen sich innerhalb einer
iV2 V2
LV id = konstant Netzperiode durch die Kommutierungsspannungen
gegenseitig ab und bilden eine Kommutierungs-
K gruppe. Der Gleichstrom id ist eingeprägt.
u3 V3 L
LV iV3
ud À Die Kommutierungszahl q ist 3.
M
120° u1
u21 V1
u1 u2 iV1
M
u21
V2
iV2 id
ˈt u2 uV2
u0
iV2 u3 V3
Id ʬ u 0 ėu 1 ė u V2 ʅ u2
iV1 u V2 u2 ė u1 u 21
Die Kommutierungsspannung uK wird durch die kommutierenden Ventile bestimmt. Als Bei-
spiel wird die Kommutierung von V1 nach V2 ausgewählt (uK = u21). Im Gegensatz zur M2-
Schaltung beträgt die Phasenverschiebung hier nur 120°, so dass die Kommutierungsspannung
uK nur um ʎ 3 größer ist als die Phasenspannung.
9.1 Die Mittelpunktschaltung M3 143
u0 iP1
Id
ˈt
iP2
ˈt
iP3
V1 ü V2
ˈt
i1
ˈt
ʱ = 0°
Tabelle 9.3 Leitzustände mit Kommutierungen
u0
u1 u2 u3 leitend: ud
u2 u3 u1 V1 u1
ė ė ė
2 2 2
V2 u2
ˈt V3 u3
V1 ɍV2 -½ u3
V2 ɍV3 -½ u1
Abbildung 9-20 Steuerwinkel Į = 0°
V3 ɍV1 -½ u2
ʱ = 90° ʱ = 150°
u u
u1 u2 u3 u1 u2 u3
ˈt ˈt
uʒ S
cos ʛˈ t ʜ A
uʒ S
2
ˀ ˈt
u
6 0 2ˀ
3
Berechnung der Spannungszeitfläche A:
uʅʱ u ʅʱ
ˀ 1
A uʒ S ĩ sin ʛˈ tʅ ʜ d ˈ t ė
6 2
ŏʒu S ĩ cosˈ t d ˈ t
ʱ ʱ
ˀ ˀ ˀ
Anmerkung: sinʛˈ tʅ ʜ sin ˈ t cos
ʅcosˈ t sin
6 6 6
uʅʱ uʅʱ uʅʱ
ˀ ˀ 1
A uʒ S ʛcos ĩ sin ˈ t d ˈ t ʅ sin ĩ cosˈ t d ˈ t ė ĩ cos ˈ t d ˈ t ʜ
6 ʱ 6 ʱ 2 ʱ
ˀ 1 ˀ 1
wegen sin und cos ʎ3 folgt:
6 2 6 2
u ʅʱ
1 1 1
A uʒ S
2
ʎ 3 ĩ sin ˈ t d ˈt uʒ S
2
ʎ 3ŏʛėcosˈ tʜuʅʱ
ʱ
uʒ S
2
ʎ 3ŏʛcosʱėcosʛuʅʱʜʜ
ʱ
1
Spannungszeitfläche A uʒ S
2
ʎ 3ŏ ʛ1ėcos u 0 ʜ (9-11)
1
uʒ ʎ 3ŏ ʛ1ėcosu0 ʜ
U
dx
S 2
2
ˀ
3
ʎ 2U S
1
2
ʎ 3ŏ
3
2ˀ
ʛ1ėcos u ʜ
0
U
S
3
2ˀ ʎ 3
2
ŏʛ1ėcos u ʜ
0
I ŏˈ L I ŏˈ L
wegen ʛ1ėcosu ʜ
0
d
uʒ
K
K
ist U
dx
U
S
3
2ˀ ʎ 3
2
ŏ
d
uʒ
K
K
uʒ I ŏˈ 2 L
U
dx
K 3
ʎ 2 ʎ 3 2ˀ ʎ 3
2
ŏ
d
uʒ
K
˂
(9-12)
oder
U 3ŏL ŏf ŏI (9-13)
dx ˂ d
Wird Udx auf die ideelle Gleichspannung Udi bei Nennstrom Id,n bezogen, so erhält man die
relative induktive Gleichspannungsänderung dx nach Gl. (9-14).
U
d
x U
dx
di
mit U
di ʎ
3 3
ŏU
ˀ 2 S
(I
d
I
d,n
) (9-14)
Die Kennlinie des Stromrichters kann mit dx abhängig vom Gleichstrom Id nach Gl. (9-15) an-
gegeben werden:
U Id
dʱ
1 ė d xŏ (9-15)
U di ʱ I d,n
Die M3-Schaltung zeigt mit Gl. (9-13) und Gl. (9-15) die gleichen Zusammenhänge für den
induktiven Spannungsabfall wie die M2-Schaltung. Deshalb ist der dort gewählte Ansatz auch
hier, unter Berücksichtigung der höheren Kommutierungszahl q, anwendbar. Die für die M2-
Schaltung gefundenen Zusammenhänge sind somit übertragbar auf 3-phasige Schaltungen.
Das Lastverhalten der Gleichspannung Udiʱ ist daher mit Gl. (9-16) unter Berücksichtigung
der unterschiedlichen Kommutierungszahl q allgemein für beide Mittelpunkt-Schaltungen
beschrieben. L˂ ist die pro Strang wirksame Induktivität.
ʱ= 60°
ˍK ˍA
u1 u2 u3
ˈt
uV1
ˈt
1½ u1
Die Reihenschaltung einer M3-Kathoden- und einer M3-Anoden-Schaltung führt auf die B6-
Brückenschaltung nach Abb. 9-24. In dieser Schaltung sei der Sternpunkt noch zugänglich, so
dass auch weiterhin die Gleichspannung ud1 bzw. ud2 verfügbar ist.
1U 1V 1W
K i1
ud1 2U 2V 2W ud2
uS12 uS23
uS31
iS1 iS2 iS3
T1 iT1 iT4 T4
ˍʅ ˍė
T3 T6
T5 ud T2
id
Kathodenschaltung R L Uq Anodenschaltung
9.2.1 Gleichspannungsbildung
Aus der Maschengleichung Ė u 0 ė u d,1 ʅ u d ʅ u d,2 folgt Gl. (9-17) für die
Gleichspannung ud der B6-Schaltung nach Abb. 9-24. Für ud ist kein Sternpunkt erforderlich.
ud u d,1 ė ud,2 (9-17)
ˍʅ
ˍʅ b)
a) S+ id
u1 V1 V3 V5
1 5 iV1
u1
3
i1 K
u2 u2 iV4
ud ud
u3
u3
6
4 2
Sė V4 V6 V2
ˍė
ˍė
ˍʅ 1 2 3 4 5 6
u1 u2 u3
Udi1
ˈt
60°
ˍė
ˈt
Udi2
u3 u1 u2
ud
u12 u13 u23 u21 u31 u32 u12
Udi
ˈt
Abbildung 9-26 Spannungsbildung bei der B6C-Schaltung (ʱ = 0°)
Die Gleichspannungsberechnung der Kurvenform von ud nach Abb. 9-26 erfolgt über 60° nach
Abb. 9-27. Das Ergebnis der Berechnung für Udi bei ʱ = 0° (ungesteuerte Schaltung) zeigt Gl.
(9-18). (UV: Effektivwert der verketteten Spannungen).
ˀ
uv ʅ
uʒ V 6
U di ŏĩ cosʛˈ tʜ d ˈt
ˀ ėˀ
3 6
ûv
U di
ʎ2 ˀ ˀ
3 ŏU Vŏʛsin ʛ ʜ ė sin ʛė ʜʜ (9-18)
ˀ 6 6
ˀ ˀ
ė
6
ʅ
6
ˈt ʎ 2ŏ U ʎ2
U di 3 V mit 3 1,35
Abbildung 9-27 Gleichspannungsbe- ˀ ˀ
rechnung der B6-Schaltung
9.2 Die Brückenschaltung B6 151
9.2.3 Stromrichtereingangsstrom
Der Stromrichtereingangsstrom setzt sich je Phase aus zwei Ventilströmen zusammen. Zur
Ermittlung von i1 in Abb. 9-28 dient die Knotengleichung (9-19). (K: siehe Abb. 9-25b).
K: Ė i 0 ėi1 ʅ i V1 ė i V4 folgt : i1 iV1 ė iV4 (9-19)
ˈt ˈt
iV4 iV4
ˈt ˈt
i1 i1
ˈt ˈt
Abbildung 9-28 Eingangsstrom der B6-Schaltung bei idealer Glättung und ohmscher Last
9.2.4 Netzstrom
Für den idealen Transformator in Dy-Schaltung mit aktiver Last (Abb. 9-24) ergeben sich für
den Netzstrom i1 und die Primärströme für NS = NP die in Abb. 9-29 dargestellten Verläufe.
iP1 NS
ʒi I dŏ
P1 NP mit NP = NS
ˈt
iP2
ˈt
iP3
ˈt
i1
ˀ 2ˀ 3ˀ ˈt
Ein Vergleich mit den entsprechenden Größen der M3-Schaltung nach Abb. 9-14 zeigt
deutlich den Vorteil der höherpulsigen B6-Schaltung. In allen Wicklungen fließen reine
Wechselströme und die Netzstromkurvenform ist symmetrisch.
9.3 Zündimpulse
Die Zündreihenfolge entspricht der natürlichen Ventilablösung der B6-Brückenschaltung ent-
sprechend Abb. 9-25. Da für einen geschlossenen Stromkreis immer zwei Ventile gleichzeitig
gezündet werden müssen, wird jeweils ein zusätzlicher Zündimpuls (Folgeimpuls) für den
2. Thyristor erzeugt. An einem Thyristor entsteht daher eine Zündimpulsfolge nach Abb. 9-30.
60°
Hauptimpuls Folgeimpuls
ˈt
Abbildung 9-30 Impulsfolge eines Thyristors
Der erste Impuls eines Thyristors heißt Hauptimpuls, der zweite, 60° spätere Impuls, heißt
Folgeimpuls. Der Hauptimpuls ist um den Steuerwinkel ʱ gegenüber dem Schnittpunkt der
Phasenspannungen verschoben. Erst durch den Folgeimpuls kann die Schaltung in Betrieb
gehen und auch im Lückbetrieb sicher arbeiten. Abb. 9-31 zeigt das vollständige Zündimpuls-
schema einer B6C-Brückenschaltung (Bezugsventil V1).
Steuerwinkel ʱ
u
u1 u2 u3
ˈt
Hauptimpuls
60°
V1 Folgeimpuls
ˈt
V2
ˈt
V3
ˈt
V4
ˈt
V5
ˈt
V6
ˈt
Abbildung 9-31 Impulsschema der B6C-Brückenschaltung (ʱ= 0°)
9.3 Zündimpulse 153
Die Synchronisation des Steuerwinkels Į erfolgt mit der Netzspannung. Durch in der Praxis
auftretende Kurzzeit-Unterbrechungen oder Spannungsoberschwingungen darf die Synchro-
nisation nicht gestört werden. Die Filterung der Netzspannung erfolgt daher mit einer digitalen
PLL-Schaltung entsprechend Abb. 9-32. Diese Schaltung synchronisiert sich auf die Grund-
schwingung der Netzspannung. Auf Grund der geringen Eigenfrequenz des PLL werden die
genannten Störungen der Netzspannung unterdrückt. Wählt man als Referenzspannung uRef
die Leiterspannung u13, so ist der Zündimpuls ZI 1 dem Ventil 1 zugeordnet. Wird der Teiler-
faktor n zu 360 eingestellt, so hat die Zählfrequenz fclock die 360-fache Frequenz der Netz-
spannung f1 und die nachgeschaltete digitale Zählschaltung arbeitet mit einer Winkelauflösung
von 1°.
PLL-Schaltung
Tiefpass
uRef
fclock
ZI 1 PD: Phasendiskriminator
PD VCO
ZI 2
ZI 3 VCO: spannungsgesteuerter
1/n ZI 4 Oszillator
f1 ZI 5
ZI 6
Į
Abbildung 9-32 Impulserzeugung und Synchronisation mit der Netzspannung durch eine PLL-Schaltung
Die Zündimpulse ZI 1-6 haben stationär einen Abstand von jeweils 60°. Die Zündimpulse
werden z. B. über eine Diodenschaltung in Abb. 9-33 zu den Gateimpulsen mit Haupt- und
Folgeimpulsen für die einzelnen Thyristoren zusammengefasst. Ein Schalttransistor steuert
anschließend über einen Impulsübertrager den Thyristor an (weitere Einzelheiten zur
Thyristor-Ansteuerung in Kapitel 5.3.3).
15 V G1
Abbildung 9-33
Zündverstärker mit Bildung der Folgeimpulse
K1 über eine Diodenverknüpfung
ZI 1
ZI 4
ZI 5
ZI 6
154 9 Drehstromschaltungen
9.3.1 Gleichspannungsbildung
Die Gleichspannung ud folgt aus der Potenzialdifferenz zwischen oberer und unterer Brücken-
hälfte, d. h. ud = ˍ+ - ˍ–. Abb. 9-34 zeigt die Potenziale und die resultierende Gleichspannung
für die Lückgrenze bei ʱ = 60°. Abb. 9-35 zeigt beispielhaft die Gleichspannung im Lück-
betrieb bei ohmscher Last und ʱ = 90°.
ʱ = 60°
ˍ+
u3 u1 u2
u3
ˈt
Folgeimpuls
Hauptimpuls
ˍė u3 u1 u2
u3
ˈt
ʱ = 60°
ud
u31 u32 u12 u13 u23 u21 u31
ˈt
Abbildung 9-34 Gleichspannungsbildung der gesteuerten B6-Schaltung (ʱ = 60°)
9.3 Zündimpulse 155
ʱ= 90°
Lückeinsatz
ˍ+
u3 u1 u2 u3
Folgeimpuls
ˈt
Hauptimpuls
Lückeinsatz
Lückeinsatz
u3 u1 u2 u3
ˍė
Hauptimpuls
ˈt
Folgeimpuls
ʱ= 90°
ud
u31 u32 u23 u21 u31
u12 u13
u32
ˈt
ˍK = ˍ+ id Abbildung 9-36
u1 uV1
Lı V1 V3 V5 B6C-Schaltung mit wechsel-
ˍA spannungsseitigen Induktivitäten
L1 (je Strang zu Lı zusammengefasst)
u2
Lı ud
L2
u3
Lı
L3
N V4 V6 V2
ˍė
Tabelle 9.6 Potenziale und Spannungen der B6C-Schaltung mit Kommutierungseinfluss für u < 60°
leitend: ˍK
ˍA ˍ- uV1 ud
+ - ˍ+
1 V3 V2 ɍV4 -½ u2 u2 -½ u2 -1½ u2 1½ u2
2 V3 V4 u1 u2 u1 u12 u21
3 V3 ɍV5 V4 u1 -½ u1 u1 1½ u1 -1½ u1
4 V5 V4 u1 u3 u1 u13 u31
5 V5 V4 ɍV6 -½ u3 u3 -½ u3 -1½ u3 1½ u3
6 V5 V6 u1 u3 u2 u13 u32
7 V5 ɍV1 V6 -½ u2 -½ u2 u2 0 -1½ u2
8 V1 V6 u1 u1 u2 0 u12
9 V1 V6 ɍV2 u1 u1 -½ u1 0 1½ u1
10 V1 V2 u1 u1 u3 0 u13
11 V1 ɍV3 V2 -½ u3 -½ u3 u3 0 -1½ u3
12 V3 V2 u1 u2 u3 u12 u23
9.3 Zündimpulse 157
ʱ = 60°
ˍ+ u3
u1 u2 u3
u1
ė
2
ˈt
u3 u1 u2 u3
ˍ-
ˈt
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 1
u32
ˈt
Abbildung 9-37 Gleichspannung mit Kommutierungseinfluss (ʱ = 60°)
158 9 Drehstromschaltungen
u3 u1 u2
ˍA
u2
ė
2
ˈt
u3
ė
2
u3 u1 u2
ˍK
u1
ė
2
ˈt
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 1
u12 u13
uV1 -1,5 u2 1,5 u1 -1,5 u3
ˈt
ʱ = 60°
Abbildung 9-38 Potenziale und Ventilspannung der B6-Schaltung für Id = konstant, R = 0 und ʱ = 60°
9.3 Zündimpulse 159
Eine Simulation der B6C-Schaltung nach Abb. 9-36 mit unterschiedlichen Steuerwinkeln ʱ
zeigen die Kurvenverläufe nach Abb. 9-39. In Abb. 9-39 ist neben LN auch der Einfluss des
ohmschen Wicklungswiderstandes R berücksichtigt (vgl. Abb. 9-38, ʱ = 60°).
0°
uV1 ˈt
u31
uV1
30°
ˈt
uV1
60°
ˈt
uV1
90°
ˈt
L1 Abbildung 9-40
NP N1S
uP12 u1S12 Stromrichter-Transformator für eine
L2 B6 ud1 12-pulsige Schaltung
u1S23 Die Windungszahlen auf der Sekun-
L3 därseite müssen so gewählt werden,
N 1S dass die Beträge der verketteten
NP
ʎ3 Spannungen gleich sind. Dann sind
auch die Mittelwerte der Gleich-
u2S12
spannungen ud1 und ud2 gleich.
B6 ud2
u2S23
id,1
id
ud,1 id
id~ LS
ud
id,2
ud,2 ud,1 ud,2 ud
a) Reihenschaltung b) Parallelschaltung
Abbildung 9-41 Reihen- und Parallelschaltung
Bei einer Parallelschaltung entstehen durch die unterschiedlichen Momentanwerte der Gleich-
spannungen ud1 und ud2 Ausgleichströme über die Transformatorwicklungen. Zur Unter-
drückung dieser Ausgleichströme ist eine Entkopplungsdrossel LS entsprechend Abb. 9-41b
und 9-44 erforderlich. An der Drossel LS liegt als Differenz der 6-pulsigen Gleichspannungen
ud1 und ud2 eine 6-pulsige Wechselspannung ʧud.
ƺ Die Gleichspannung ud hat bei der Reihen- und Parallelschaltung eine 12-pulsige
Welligkeit.
9.4 12-pulsige Schaltungen 161
9.4.1 Stromrichter-Reihenschaltung
id Abbildung 9-42
iP1 i1P1 i1S1
12-Puls-Schaltung (B6C) 2S
L1
uP12 u1S12
L2 ud1
L3
NP N1S
ud
i2P1 NP N2S
i2S1
ud u d1 ʅ u d2
u2S12
ud2
ud Abbildung 9-43
Reihenschaltung,
12-pulsige Spannungs-
bildung
Die Reihenschaltung
ud1 ud2 von zwei 6-pulsigen,
30° versetzten Span-
nungen (ud1 und ud2)
liefert eine 12-pulsige
30° Gleichspannung (ud).
2 ˀ
ˈt
162 9 Drehstromschaltungen
9.4.2 Stromrichter-Parallelschaltung
L3
NP N1S
id
uLS
ud
NP N2S
id i d1 ʅ id2
i2P1 i2S1
id2
Die Induktivität LS begrenzt den Differenzstrom id~. Für den magnetischen Kreis der Saug-
drossel liegt eine Wechselstrombelastung vor, da sich die gegensinnigen Gleichanteile im
magnetischen Kreis aufheben. Die Drossel hat in dieser Ausführung eine günstige Baugröße.
ud ud1 ud2
2 ˀ
ˈt
Der Vorteil 12-pulsiger Schaltungen liegt in der günstigen Netzstromkurvenform und in der
geringen Welligkeit der Gleichspannung. Auf zusätzliche Glättungsmittel kann häufig ver-
9.4 12-pulsige Schaltungen 163
zichtet werden. Der in Abb. 9-46 dargestellte Verlauf des Phasenstromes iP1 ermittelt sich mit
Gl. (9-21). Die Ströme sind in Abb. 9-44 definiert.
i P1 i1P1 ʅi 2P1 (9-21)
iP1
ˈt
Die Qualität des Netzstromes ist durch die vergrößerte Pulszahl deutlich verbessert, so dass
sich der Filteraufwand reduzieren lässt. Ferner ist die Ansprechzeit des Stromrichters mit
zunehmender Pulszahl reduziert, wodurch sich eine bessere Regeldynamik erzielen lässt. Ein
typisches Anwendungsbeispiel für 12-pulsige Stromrichter sind die Hochspannungs-Gleich-
strom-Übertragungen (HGÜ) und Kurzkupplungen entsprechend Abb. 9-47.
+500 kV
Pol A
B6C B6C
P
Ȋ Ȋ
Ȋ Ȋ
¨ ¨
B6C B6C
Pol B
-500 kV
Station I, Gleichrichter Station II, Wechselrichter
HGÜ: Bei der Energieübertragung über große Strecken wird zur Vermeidung induktiver
Spannungsabfälle und der damit verbundenen Verluste die elektrische Energie mit
Gleichstrom übertragen. Die Station 1 arbeitet im Gleichrichterbetrieb, die Station II im
Wechselrichterbetrieb. Die Spannung wird so hoch gewählt, dass der Strom (der die ohmschen
Verluste bestimmt) möglichst klein ist, aber die Koronaverluste aufgrund der hohen Spannung
noch klein genug sind. Hier ist eine Spannung von 500 kV angenommen. Bei einem
Gleichstrom von z. B. 2 kA kann damit eine Leistung von 1000 MW übertragen werden.
Üblich sind Zweipol-Übertragungen mit einer Plus- und einer Minus-Leitung. Damit auch bei
164 9 Drehstromschaltungen
Ausfall einer Leitung eine Leistungsübertragung möglich ist, wird ein dritter Leiter (Erde oder
eine weitere Leitung) verwendet. Als Stromrichter werden 6-pulsige Brücken eingesetzt, die
zur Erzeugung der hohen Spannung in Serie geschaltet sind. Die Speisung durch Stern-
Dreieckschaltung ergibt eine 12-pulsige Anordnung. Auf der Wechselstromseite werden
Saugkreise und Kondensatoren zur Filterung der Oberschwingungen und zur Kompensation
der Blindleistung verwendet.
Mit den Filterelementen sind elektrische Verluste bis zu mehreren hundert kW in den erforder-
lichen Dämpfungswiderständen verbunden.
Kurzkupplungen: Zur Verbindung von zwei Netzen mit entweder unterschiedlicher Frequenz
oder mit schwankender Phasenlage werden ähnliche Schaltungen wie bei der HGÜ verwendet.
Allerdings sind meist beide Stromrichter in einem Gebäude untergebracht. Die fehlende
Übertragungsstrecke ermöglicht niedrigere Spannungen (ca. 50 bis 200 kV). Die Spannung
wird zweckmäßig so hoch gewählt, dass der Gleichstrom Id bei der maximal zu übertragenden
Leistung keine Parallelschaltung der Thyristoren erfordert (derzeit: Id < 4000 A).
Die erforderliche Phasendrehung erfolgt durch Kombination von jeweils zwei Phasenspan-
nungen über die Transformatorwicklungen entsprechend Abb. 9-48. Die Beträge der einzelnen
Spannungen müssen einander entsprechen.