Deutsches Sprachdiplom
C2+
Übungssatz 01
Aufgaben mit Lösungsvorschlägen
Hinweise zur Bewertung
2009
Bitte lesen Sie den vorbereiteten Text den beiden Prüfenden Zeit: ca. 5 Minuten
laut vor und achten Sie dabei auf Artikulation, Intonation und
Prosodie.
Kein Grund zur Panik. Eigentlich kann gar nichts passieren. Der Lift hängt zwischen dem
37. und 38. Stock. Alles schon vorgekommen. Kein Zweifel, dass der elektrische Strom
jeden Augenblick wieder kommen wird. Humor der ersten Minute, später Beschwerden
über die Hausverwaltung allgemein. Jemand macht kurzes Licht mit seinem Feuerzeug,
vielleicht um zu sehen, wer in der finsteren Kabine steht. Eine Dame mit Lebensmittel-
taschen auf beiden Armen hat Mühe zu verstehen, dass es nichts nützt, wenn man auf
den Alarmknopf drückt. Man rät ihr vergeblich, ihre Lebensmitteltaschen auf den Boden
Kein Grund zur Hysterie: man wird in der Kabine nicht ersticken, und die Vorstellung,
dass die Kabine plötzlich in den Schacht hinuntersaust, bleibt unausgesprochen: das ist
Einer sagt überhaupt nichts. Vielleicht hat das ganze Viertel keinen elektrischen Strom,
was ein Trost wäre; dann kümmern sich jetzt viele, nicht bloß der Hauswart unten in der
Halle, der vielleicht noch gar nichts bemerkt hat. Draußen ist Tag, sogar sonnig. Nach
einer Viertelstunde ist es mehr als ärgerlich, es ist zum Verzagen langweilig. Zwei Meter
nach oben oder zwei Meter nach unten, und man wäre bei einer Tür, die sich allerdings
ohne Strom auch nicht öffnen ließe; eigentlich eine verrückte Konstruktion.
Aus: Max Frisch, Tagebuch 1966 –1971, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1989, S. 366, bearbeitet
Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Aa) Vorbereitetes Lesen
Bitte lesen Sie den vorbereiteten Text den beiden Prüfenden Zeit: ca. 5 Minuten
laut vor und achten Sie dabei auf Artikulation, Intonation und
Prosodie.
Der Traum vom schnellen Reichtum wird wohl nie ausgeträumt sein. Er hat die Wi-
kinger bei ihren Raubzügen beflügelt, und er hat die spanischen Eroberer nach Sü-
damerika getrieben, wo sie in ihrer Gier nach Gold blühende Kulturen zerstörten.
Die Hoffnung, am nächsten Morgen als Millionär zu erwachen, treibt Woche für
Woche Millionen Menschen in Wettbüros, verführt zum Kauf von Losen und zum Aus-
füllen von Lotto- und Totoscheinen. Und wie eine Seuche bricht in unregelmäßigen Ab-
ständen das Spekulationsfieber aus. Mal sind es Gold und Silber, mal Kaffee- oder
Sojabohnen, mal Aktien oder sogar Tulpenzwiebeln, an denen sich der Rausch ent-
zündet, der früher oder später mit einem hässlichen Kater endet. Nur wenige Gewitzte
werden dabei wirklich reich. Für die Mehrzahl der kleinen Leute endet die Massen-
psychose, die hinter jeder Spekulationswelle steckt, mit einer bitteren Enttäuschung.
Und für einige allzu Waghalsige endet das wilde Spiel mit Geld und Hoffnung im Ruin.
Obwohl dieser Ablauf stets programmiert ist, weil durch spekulativ hochgetriebene
Preise niemals wirklich Reichtum, sondern nur die Illusion davon geschaffen wird, und
obwohl Gesetze und Kontrollen in vielen Bereichen Auswüchse verhindern sollen, findet
die Spekulationslust immer wieder eine neue Spielwiese. Solange Menschen frei über
Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Aa) Vorbereitetes Lesen
Bitte lesen Sie den vorbereiteten Text den beiden Prüfenden Zeit: ca. 5 Minuten
laut vor und achten Sie dabei auf Artikulation, Intonation und
Prosodie.
Wie fängt man ein Gespräch an? Vielleicht eine seltsame Frage, denn meist ergeben
sich Gespräche entweder von selbst, zum Beispiel aus einer gemeinsamen Beobach-
tung, oder sie beginnen mit dem, was einer vom anderen will: „Stört es Sie, wenn ich
das Fenster öffne?“ Aber es gibt Gelegenheiten, bei denen Menschen ein Gespräch be-
ginnen wollen und nicht wissen, wie. Zudem gibt es noch Leute, die die Welt verbessern
wollen, und zwar dadurch, dass sie selbst gut sind. Sie sind meist auch der Ansicht,
dass Menschen mehr miteinander reden sollten. Und deshalb versuchen sie wenigstens
Diesen Ratlosen kann geholfen werden. Meine mütterliche Freundin, ihr Name ist Char-
lotte, hat ein wirksames Rezept gefunden, jeden, aber auch jeden in ein Gespräch zu
verwickeln.
Charlotte will nicht gut oder vorbildlich sein, sie ist nur neugierig auf das, was in Köpfen
vorgeht. Sie liebt übrigens Märchen und hat an einige eine genaue Erinnerung seit ihrer
Ich habe ihre Methode ausprobiert. Und sie geht! Sie stupsen einfach mit dem Finger
auf die Zeitung, die Sie gerade lesen, oder auf die Seite eines Buches, oder blicken
in die Luft und wenden sich dann abrupt Ihrem Opfer zu: „Hans im Glück! Sagen Sie
– Hans im Glück – wissen Sie noch, wie die Geschichte ging? Der hatte eine Kuh, nicht?
Sie bekommen auf diese Frage viele Antworten, und keine gleicht der anderen.
Aus: Sten Nadolny, „Hans im Glück“. In: Hartmut von Hentig (Hg.): Deutschland in kleinen Geschichten, S. 83,
leicht bearbeitet. © 1999 Deutscher Taschenbuchverlag GmbH & Co.KG München
Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Ab) Vortragsthemen
Ihr Vortrag sollte ca. 10 Minuten dauern. Bitte nehmen Sie zu dem von Ihnen gewähl-
ten Thema Stellung: Achten Sie dabei auf eine angemessene Gliederung und auf eine
logische Abfolge Ihrer Argumente.
Im Anschluss führen Sie mit den Prüfenden ein Gespräch über das Thema
(ca. 10 Minuten).
2. „ Der Heiterkeit sollten wir, wann immer sie sich einstellt, Tür und Tor öffnen; denn sie kommt
nie zur unrechten Zeit.“ (Arthur Schopenhauer, deutscher Philosoph, 1788 –1860). Wie ver-
stehen Sie diesen Satz und stimmen Sie der darin enthaltenen Aussage zu? Belegen Sie Ihre
Argumentation mit Beispielen.
3. Sollten Leute, die gefährliche und riskante Sportarten betreiben (Drachenfliegen, Skisprin-
gen etc.), zusätzlich zu ihrer normalen Krankenversicherung eine sogenannte Risiko-Pau-
schale bezahlen? Wie ist Ihre Meinung dazu?
Sprachkompetenz
- Inhalt und Darbietung des Vortrags (Themenbezug – Aufbau – Flüssigkeit)
- Gesprächsverhalten (Reaktion / Differenzierungsfähigkeit)
- Wortschatz (angemessene Wortwahl – Idiomatik – Redemittel)
- Strukturen (Verknüpfungen – Sprachebene)
- Grammatische Richtigkeit
Phonetische Kompetenz (Lesen, Vortrag und Gespräch)
- Artikulation
- Intonation und Prosodie
Das Kriterium Sprachkompetenz wird in den fünf Teilaspekten mit maximal je 18 Punkten
bewertet; gesamt maximal 90 Punkte : 3 = maximal 30 Punkte.
Das Kriterium Phonetische Kompetenz wird in den beiden Teilaspekten mit maximal je 18
Punkten bewertet; gesamt maximal 36 Punkte : 6 = maximal 6 Punkte.
Ergeben sich bei der phonetischen Kompetenz weniger als 2,25 Punkte, so gilt die
mündliche Prüfung als nicht bestanden.
Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
B) Aufsatz
Bitte bearbeiten Sie eines der sechs nachstehenden Zeit: 210 Minuten
Themen. Ihr Aufsatz sollte ca. 500 bis 750 Wörter +10 Minuten
umfassen. (für das Zählen der Wörter)
Bitte zählen Sie am Ende die Wörter und notieren
Sie diese Zahl unter Ihrem Aufsatz.
1. Es heißt, dass der Mensch an seinen Aufgaben wächst, also durch Anforderungen und
Probleme Stärke und Kompetenz gewinnt. Wann ist das Ihrer Meinung nach der
Fall, wann nicht? Führen Sie in Ihrer Argumentation auch Beispiele an.
2. „Die wahre Heimat ist eigentlich die Sprache“. (Wilhelm von Humboldt, 1767–1835)
Wie verstehen Sie diese Aussage des Humanisten und Sprachphilosophen
Humboldt? Denken Sie, dass dieser Satz auch heute noch Gültigkeit besitzt?
Geben Sie bitte Beispiele für Ihre Meinung.
3. „Alles in der Welt lässt sich ertragen, nur nicht eine Reihe von schönen Tagen.“
(Johann Wolfgang von Goethe, 1749–1832) Wie verstehen Sie diesen Ausspruch
Goethes und können Sie der darin enthaltenen Aussage zustimmen? Bitte belegen
Sie Ihre Meinung mit Beispielen.
5. In vielen Ländern hat die Schuluniform eine lange Tradition. Auch in Deutschland
wird immer wieder über die Einführung einer solchen Uniform nachgedacht und da-
rüber, ob nicht zumindest bestimmte Kleidervorschriften an öffentlichen Bildungs-
einrichtungen erlassen werden sollten. Halten Sie das für sinnvoll? Führen Sie in
Ihrer Argumentation auch Beispiele an.
6. In Deutschland können Kinder bereits mit 10 Jahren ein eigenes Girokonto haben.
Finden Sie Argumente für und wider ein eigenes Konto für Kinder und Jugend-
liche. Wie ist der Umgang mit Geld bei dieser Altersgruppe in Ihrem Land? Sind
auch in Ihrem Land Kinder und Jugendliche eine bevorzugte Zielgruppe für
Marketingstrategen?
Bewertung Teil B Aufsatz
Im Aufsatz geben Sie anhand eines frei gewählten Themas eine gut aufgebaute, zusammen-
hängende Darstellung, die Argumente, Gegenargumente und eine persönliche Stellungnahme
enthält. Zugleich wird dies sprachlich dem Inhalt angemessen formuliert.
Textumfang: 500 bis 750 Wörter
Für die Rechtschreibung sind die Vorgaben in „DUDEN. Die deutsche Recht-
schreibung“ ab 24. Auflage 2006 und „WAHRIG. Die deutsche Rechtschreibung“ ab 2006
verbindlich.
Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Ca) Erklärung eines Textes nach Inhalt, Wortschatz und Stil
Lesen Sie bitte den Text sorgfältig durch Zeit: 120 Minuten
und bearbeiten Sie die Aufgaben dazu.
Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Ca) Erklärung eines Textes nach Inhalt, Wortschatz und Stil
richtet. Bruno Taut sprach im Jahr 1929 vom Hochhaus als „amerikanischem Anzug“, dem
man die „architektonische Einzigartigkeit unserer Städte nicht opfern“ dürfe. Das gilt noch
immer. Nur ist aus dem amerikanischen Anzug ein asiatisches Tuch geworden – und aus
Deutschland Europa.
45 In Wien, wo man sich durch die Ostöffnung plötzlich in Konkurrenz zu Prag oder Budapest
sah, wurde ein „Hochhauskonzept“ beschlossen – das nun bekämpft wird. In Paris will
man die Wohnungsnot mit „Wohntürmen“ abseits der berüchtigten Banlieue lindern – und
wird dafür ausgebuht. In Köln hat sogar die Unesco eingegriffen, um die Pläne für neue
Wolkenkratzer zu verhindern. In Münchens Innenstadt darf es keine Hochhäuser geben,
50 die höher wären als die Frauenkirche: 99 Meter.
Der Passauer Volksaufstand ist demnach so oder ähnlich in etlichen europäischen Städ-
ten, in kleineren wie größeren Gebilden, zu beobachten. Im jeweiligen Maßstab ist die Aus-
einandersetzung überall dort anzutreffen, wo das über Jahrhunderte tradierte Leitbild der
„europäischen Stadt“ gegen die Zumutungen der vertikalen Stadt zu verteidigen ist.
55 Europa, dessen höchstes Bürogebäude 259 Meter misst (Commerzbank, Frankfurt am
Main), muss sich gleichwohl fragen, ob es die Zukunft der Stadtentwicklung zu Unrecht
verschläft – oder ob es die Vergangenheit seiner Stadtbaukunst zu Recht verteidigt: Bis
zum Jahr 2035 werden laut UN-Studien zwei Drittel der Weltbevölkerung in stetig wach-
senden, auch in die Höhe verdichteten Städten leben.
60 Globale Zeiten bedeuten aber auch globale Städtebauprobleme: Wenn die Welt näher
zusammenrückt, wird Europa irgendwann von Superwolkenkratzern umstellt sein. Schon
heute muss man sich also – abseits solcher Grotesken wie in Passau – fragen, ob höhere
Häuser eine Antwort auf die Zukunft sein könnten.
Es gibt eine eindeutige Antwort auf diese Frage. Nur geht sie meistens unter in den üblichen,
65 leider viel zu holzschnittartigen Hochhausdebatten europäischer Machart, die nur „Hoch-
hausfetischisten“ oder „Hochhausfeinde“ kennen. Die Antwort lautet: Ja, auch Europa
muss über vertikal verdichtete Städte nachdenken. Gründlicher womöglich als andere Kon-
tinente. Schon aus ökologischen Gründen: Die spürbar begrenzten Energie-Ressourcen
werden uns schon bald die nur scheinbar selbstverständliche Mobilität und somit auch die
70 geübte Trennung von Suburbia und Kernstadt zunichte machen. Städtische Konzentration
ist die Folge. Und hier kommen notwendigerweise höhere Häuser ins Spiel: komplexere
Häuser, die durch ihre bauliche Dichte und Erschließbarkeit – siehe Pawley – nur Bruchteile
der Energiekosten aufweisen, die in niedrigen oder gar vereinzelten Häusern anfallen. Zu
schweigen vom energiepolitischen Wahnsinn des Siedlungsbreis.
75 Hochhäuser, auch solche zum Wohnen, werden also kommen. Gewiss nicht als 4000 Me-
ter hohe Utopien, wohl aber mit einer pragmatischen Höhe von 40, 50 oder 60 Metern.
Je nach Inhalt, Stadtgröße und – vor allem! – Stadtverträglichkeit. Erste Studien, die für
dieses europäische Minimaß der Höhe sprechen, gibt es. Was uns aber in Passau und
anderswo fehlt, ist das, worauf Louis Sullivan, der „Vater der Wolkenkratzer“ (1856 –1924)
80 einst hingewiesen hat: „Wenn die architektonische Vorstellungskraft fehlt, ist die Sache
hoffnungslos.“
Aus: Gerhard Matzig: „Turm und Drang. Soll Europa dem weltweiten Boom nachgeben?“.
In: Süddeutsche Zeitung, 09.08.2006, bearbeitet
10
Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Ca) Erklärung eines Textes nach Inhalt, Wortschatz und Stil
I. B
eantworten Sie bitte die folgenden Aufgaben inhaltlich nah am Text,
möglichst mit eigenen Worten und in ganzen Sätzen:
II. G
eben Sie die unterstrichenen Textstellen nach ihrer Bedeutung im Text mög-
lichst mit eigenen Worten wieder. Schreiben Sie bitte den ganzen Satzteil neu:
11
Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Ca) Erklärung eines Textes nach Inhalt, Wortschatz und Stil
III. Erklären Sie die folgenden Wörter nach ihrer Bedeutung im Text, z. B. durch
ein Synonym. Bitte geben Sie jeweils nur eine Lösung an:
12
Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Ca) Erklärung eines Textes nach Inhalt, Wortschatz und Stil
1. W
elche natürlichen und gesellschaftlichen Bereiche geben die Impulse für
die Entwicklung des Hochhausbaus?
Physik, Ökonomie, Psychologie 1,5
2. W
elche Motive, Hochhäuser zu bauen, werden genannt?
teure Grundstücke, technische Machbarkeit, triebhafte Irrationalität 1,5
3. W
ie steht der Autor dem aktuellen Wettlauf um das höchste Haus gegenüber?
Begründen Sie Ihre Antwort mit zwei Textstellen.
(Er sieht ihn) kritisch (1 P.): als „närrische Gleichung“ (Z. 9),
um „Größe zu beschwören“ (Z. 11). 3
4. W
as ist der bedeutendste Unterschied zwischen einem konventionellen
Hochhaus und einem Hochhaus der kommenden Generation?
Das Hochhaus der Zukunft geht viel sparsamer mit Energie um. 2
5. a) W
ofür führt der Autor die Diskussion in Passau als Beispiel an?
Als Beispiel für den berechtigten Argwohn in Deutschland gegen
das Metropolen-Gefasel / gegen den „Schrei nach dem Turmhaus“ 2
ennen Sie zwei Textstellen, die darauf hinweisen, dass der Autor die
b) N
Diskussion in Passau nicht ganz ernst nehmen kann.
„Hochhäuschen“ / „Krieg der Leserbriefautoren“ (Z. 37) /
„Volksaufstand“ (Z. 51) / „Groteske“ (Z. 62). 2
6. E
rklären Sie den Vergleich vom Hochhaus als dem „amerikanischen Anzug“.
Die Hochhäuser sind wie ein Kleidungsstück, das die Städte „anziehen“,
um amerikanisch auszusehen. 2
7. W
orum geht es nach Ansicht des Autors bei den Auseinandersetzungen um
neue Hochhäuser in ganz Europa?
Um die Verteidigung des tradierten Leitbilds der „europäischen Stadt“ gegen
die Zumutungen der vertikalen Stadt. 2
13
Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Ca) Erklärung eines Textes nach Inhalt, Wortschatz und Stil
Punkte
8. a) A
us welchen beiden Perspektiven kann man die europäische Haltung zum
Hochhausbau sehen?
Man kann fragen, ob Europa die Zukunft der Stadtentwicklung zu
Unrecht verschläft oder ob es die Vergangenheit seiner
Stadtbaukunst zu Recht verteidigt. 2
b) W
arum können auch die Europäer, nach Meinung des Autors, der
Diskussion um den Hochhausbau auf die Dauer nicht ausweichen?
Weil in Zukunft immer mehr Menschen auf der ganzen Welt in Städten
mit Hochhäusern leben werden. 2
9. W
ie beschreibt der Autor typisch europäische Debatten um Hochhäuser?
holzschnittartig, Hochhausfetischisten gegen Hochhausfeinde 2
10. B
eschreiben Sie mit eigenen Worten, warum sich nach der Meinung des Autors
die europäischen Städte in Zukunft zwangsläufig verdichten werden.
Die Energie-Reserven werden knapp und dadurch die Mobilität immer teurer,
die Trennung von Umland und Stadt wird unmöglich / schwieriger. 3
11. W
orauf bezieht sich der Hinweis „siehe Pawley“ (Z. 72)?
Auf die niedrigen Energiekosten moderner Hochhäuser, für die Pawley
schon (Z. 28 – 30) zitiert wurde. 2
12. W
as unterscheidet das europäische Hochhaus der Zukunft von den zur Zeit
in aller Welt entstehenden Hochhäusern?
Es werden auch Wohnhäuser sein, 40 – 60 Meter hoch,
zur Stadt passend / der Stadt entsprechend / stadtverträglich 3
Teil I max. 30,0 P.
II. G
eben Sie die unterstrichenen Textstellen nach ihrer Bedeutung im Text möglichst
mit eigenen Worten wieder. Schreiben Sie bitte den ganzen Satzteil neu:
14
Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Ca) Erklärung eines Textes nach Inhalt, Wortschatz und Stil
je 1,5 P.
3. wie mit Händen ist jener Argwohn zu greifen (Zeile 39)
sehr deutlich ist hier jener ... Argwohn zu sehen / zu erkennen
III. Erklären Sie die folgenden Wörter nach ihrer Bedeutung im Text, je 1 P.
z.B. durch ein Synonym. Bitte geben Sie jeweils nur eine Lösung an:
1. närrisch (Zeile 9)
verrückt / unsinnig
Zeit: 60 Minuten
Name
Vorname
Prüfungszentrum
Index-Nr.
Bitte lesen Sie den folgenden Text und formulieren Sie ihn dann um. Ersetzen Sie
dabei die unterstrichenen Wörter, benutzen Sie die am Rand angegebenen Ausdrücke
und nehmen Sie bitte alle dadurch notwendigen Umformungen vor.
Hilft guter Duft beim Lernen? Schule verbindet man bisher kaum mit Duft. Dabei kann man
in einer wohlriechenden Umgebung offenbar besser lernen. Das will ein Professor für Chemie
der Technischen Universität München in einer gerade angelaufenen Versuchsreihe beweisen.
Er umgibt Schüler und Studenten, um ihre Konzentration und Leistungsfähigkeit zu steigern,
mit Düften. An fünf Schulen bundesweit ist das Pilotprojekt jetzt gestartet. Am Anfang waren
Lehrer und Eltern sehr skeptisch. Da hat ihnen der Professor in Grapefruitöl getränkte Duft-
streifen gegeben, und auf einmal fingen alle an zu reden und zu lachen. Sie merkten jetzt, dass
Grapefruitduft aktiv und aufgeschlossen macht. Nun wollten alle bei dem Projekt mitmachen.
Einmal pro Stunde bläst eine Duftsäule, die neben der Tafel angebracht ist, für wenige Minuten
rein pflanzliche, ätherische Öle in den Raum. Diese sind meist eine Mischung aus Lavendel,
Zitrone, Orange, Grapefruit und einer Spur Zedernholz.
Nach einer ersten Auswertung von Fragebögen sinkt bei den Kindern in solchen Klassen-
räumen die Aggressivität und ihre Aufmerksamkeit steigt. Die bisherigen Erfahrungen deuten
auch darauf hin, dass eine deutliche Verbesserung der Lernfähigkeit eintritt. Die Aufnahme von
Gerüchen erfolgt nämlich in dem Teil des Gehirns, von dem auch Gefühle und Erinnerungen
verarbeitet werden. Wird ein Duft mit einer bestimmten Erinnerung, etwa Fachbegriffen ver-
knüpft, lassen sich diese wieder abrufen, sobald der Duft in der Luft liegt. Unterschiedliche
Düfte haben auch unterschiedliche Wirkungen: Eine Essenz aus Orangenblüten wirkt stark
antidepressiv und ist stimulierend. Wenn man den Duft von Zitronen einatmet, macht man
nur halb so viele Rechtschreibfehler im Vergleich zu sonst. Und vielleicht hätten Sie sich hier
duftendes Prüfungspapier gewünscht?
„Interview mit Professor Dietrich Wabner“. In: Süddeutsche Zeitung, 25.09.2006, bearbeitet
16
Großes Deutsches Sprachdiplom
Name
Cb) Ausdrucksfähigkeit ÜS 01 Punkte
1. Bew.
2. Bew.
Bitte formen Sie nun unter Verwendung der angegebenen Ausdrücke um und
schreiben Sie den vollständigen Text neu:
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3. Dabei kann man in einer wohlriechenden Umgebung offenbar besser lernen. lassen 2
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4. Das will ein Professor für Chemie der Technischen Universität München in einer
gerade angelaufenen Versuchsreihe beweisen. in einer
Versuchs-
_______________________________________________________________________ reihe, 2
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17
Großes Deutsches Sprachdiplom
Name
Cb) Ausdrucksfähigkeit ÜS 01 Punkte
1. Bew.
2. Bew.
8. Da hat ihnen der Professor in Grapefruitöl getränkte Duftstreifen
gegeben, und auf einmal fingen alle an zu reden und zu lachen. verteilen 1
_______________________________________________________________________
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9. Sie merkten jetzt, dass Grapefruitduft aktiv und aufgeschlossen macht. klar 2
man 2
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11. Einmal pro Stunde bläst eine Duftsäule, die neben der Tafel angebracht ist, eine neben 1
für wenige Minuten rein pflanzliche, ätherische Öle in den Raum.
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12. Diese sind meist eine Mischung aus Lavendel, Zitrone, Orange, Grapefruit handeln 3
und einer Spur Zedernholz.
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13. Nach einer ersten Auswertung von Fragebögen sinkt bei den Kindern in ergeben – 2
solchen Klassenräumen die Aggressivität und ihre Aufmerksamkeit steigt. sich verhalten – 3
sie sind 1
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18
Großes Deutsches Sprachdiplom
Name
Cb) Ausdrucksfähigkeit ÜS 01 Punkte
2. Bew.
1. Bew.
14. Die bisherigen Erfahrungen deuten auch darauf hin, dass eine deutliche kommen 3
Verbesserung der Lernfähigkeit eintritt.
_______________________________________________________________________
_______________________________________________________________________
15. Die Aufnahme von Gerüchen erfolgt nämlich in dem Teil des Gehirns, aufnehmen 2
von dem auch Gefühle und Erinnerungen verarbeitet werden. der (+ Aktiv) 1
_______________________________________________________________________
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16. Wird ein Duft mit einer bestimmten Erinnerung, etwa Fachbegriffen verknüpft, wenn 2
lassen sich diese wieder abrufen, sobald der Duft in der Luft liegt. man 1
_______________________________________________________________________
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Eine Essenz aus Orangenblüten wirkt stark antidepressiv und ist stimulierend.
18. Wenn man den Duft von Zitronen einatmet, macht man nur halb so viele beim 2
Rechtschreibfehler im Vergleich zu sonst. sinken 4
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19. Und vielleicht hätten Sie sich hier duftendes Prüfungspapier gewünscht? gern 1
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Bewertung Ausdrucksfähigkeit
1. Bewerterin/Bewerter 2. Bewerterin/Bewerter
(Unterschrift) (Unterschrift)
19
Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Cb) Ausdrucksfähigkeit
3. Dabei lässt es sich (2 P.) in einer wohlriechenden Umgebung offenbar besser lernen.
4. Das will ein Professor für Chemie der Technischen Universität München in einer
Versuchsreihe, die gerade angelaufen ist, beweisen. (2 P.) /
beweisen, die gerade angelaufen ist. (2 P.) / [anläuft (1 P.)]
5. Er umgibt Schüler und Studenten zur Steigerung (2 P.) ihrer Konzentration
und Leistungsfähigkeit mit Düften.
6. An fünf Schulen (in) der (ganzen) Bundesrepublik (1 P.) hat das Pilotprojekt jetzt
begonnen. / hat man mit dem Pilotprojekt jetzt begonnen. (2 P.) /
wurde jetzt mit dem Pilotprojekt begonnen. (2 P.) / [beginnt (1 P.)]
7. Am Anfang hatten Lehrer und Eltern starke / große Zweifel (2 P.) / viele Zweifel (1 P.) .
8. Da hat der Professor in Grapefruitöl getränkte Duftstreifen an sie (1 P.) / unter ihnen
(0,5 P.) verteilt, und auf einmal fingen alle an zu reden und zu lachen.
9. Ihnen war jetzt klar geworden (2 P.) / Ihnen wurde jetzt klar (2 P.), dass man durch (2 P.) /
mit Hilfe von (2 P.) / mit (1 P.) Grapefruitduft aktiv und aufgeschlossen wird.
11. Einmal pro Stunde bläst eine neben der Tafel angebrachte / stehende (1 P.) /
Duftsäule für wenige Minuten rein pflanzliche, ätherische Öle in den Raum.
12. Dabei (2 P.) / Bei diesen ( 2 P.) / Dort (2 P.) / Hier (2 P.) handelt es sich (1 P.) meist um
eine Mischung aus Lavendel, Zitrone, Orange, Grapefruit und einer Spur Zedernholz.
13. Wie eine erste Auswertung von Fragebögen ergab (2 P.) / ergeben hat (2 P.) / ergibt (2 P.),
verhalten sich die Kinder (3 P.) / in solchen Klassenräumen weniger / nicht so (2 P.)
aggressiv und sie sind aufmerksamer (1 P.).
Eine erste Auswertung ergab / hat ergeben / ergibt (2 P.), dass sich die Kinder in solchen
Klassenräumen weniger / nicht so aggressiv verhalten (3 P.) und aufmerksamer sind (1 P.).
20
Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Cb) Ausdrucksfähigkeit
14. Die bisherigen Erfahrungen deuten auch darauf hin, dass es zu einer deutlichen
Verbesserung der Lernfähigkeit kommt (3 P.).
15. Man nimmt nämlich Gerüche in dem Teil des Gehirns auf (2 P.) / Gerüche werden
nämlich in dem Teil des Gehirns aufgenommen (2 P.), der auch Gefühle und Erinne-
rungen verarbeitet (1 P.).
16. Wenn ein Duft mit einer bestimmten Erinnerung, etwa Fachbegriffen, verknüpft wird (2 P.), /
Wenn man einen Duft mit einer bestimmten Erinnerung verknüpft (2 P.) / Ist ein Duft mit
einer bestimmten Erinnerung verknüpft (1 P.) / kann man diese (Fachbegriffe) wieder
abrufen / können diese wieder abgerufen werden (1 P.), sobald der Duft in der Luft liegt.
17. Von unterschiedlichen Düften gehen auch unterschiedliche Wirkungen aus: (2 P.)
Eine Essenz aus Orangenblüten wirkt stark antidepressiv und ist stimulierend.
18. Beim Einatmen des Dufts von Zitronen (2 P.) / sinkt die Anzahl der Rechtschreibfehler um
die Hälfte / auf die Hälfte (4 P.) / sinken die Rechtschreibfehler im Vergleich zu sonst
auf die Hälfte (3 P.).
19. Und vielleicht hätten Sie hier gern duftendes Prüfungspapier gehabt? (1 P.) /
Und vielleicht hätten Sie hier gern duftendes Prüfungspapier? (0,5 P.)
21
Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Cc) Diktat Zeit: ca. 20 Minuten
Das Diktat wird insgesamt viermal vorgelesen. Zuerst wird der ganze Text in normalem
Sprechtempo vorgelesen; anschließend wird jeder Satz in den vorgegebenen Sinneinheiten
diktiert, jede Einheit zweimal. Das Satzende wird durch das Diktieren des Satzzeichens (Punkt)
markiert. Zum Schluss wird der ganze Text noch einmal in normalem Sprechtempo
vorgelesen. Danach haben die Prüfungsteilnehmenden noch 5 Minuten Zeit, um das
Geschriebene zu kontrollieren.
Die Quellenangabe wird nicht mitdiktiert.
Satzzeichen (außer am Satzende) werden nicht mitdiktiert.
Erklärungen und Wiederholungen sind nicht gestattet.
Für die Rechtschreibung sind die Vorgaben in „DUDEN. Die deutsche Recht-
schreibung“ ab 24. Auflage 2006 und „WAHRIG. Die deutsche Rechtschreibung“ ab 2006
verbindlich.
1 Goethe ging jetzt nicht mehr oft / durch die Seifengasse, / seit er den Brief
2 geschrieben hatte, / der ihm selber so herzlos schien / und den er dennoch nicht
3 bereuen konnte. // Es begann zu dämmern. // Die Toreinfahrten lagen in tiefen
4 Schatten, / die derben Katzenköpfe des Pflasters / waren kaum mehr zu unter-
5 scheiden. // Die Gasse war wie ausgestorben, / doch ihm war, / als spähe da
6 und dort ein Auge / hinter einer Gardine hervor. // Auch früher schon hatte es /
7 manches Gerede in der Stadt gegeben. // Allzu oft hatte man ihn / diesen Weg
8 gehen sehen / und am Ende einbiegen in den Vorplatz / des herrschaftlichen
9 Hauses, / dessen Fassade sich in weitem Bogen / gegen den Park zu auftat. //
10 Liebschaften von Personen, / die im Dunstkreis des Hofes lebten, / waren immer
11 willkommener Anlass / zum Getuschel gewesen. // Aber jetzt waren die Zungen
12 spitzer, / die Blicke verstohlener, / das Gerede gehässiger. //
13 Sollten sie ihm diese Stadt verleiden? // Wie sehr sie ihm Nährboden und Heimat
14 war, / hatte er erst in Italien empfunden. // Aber als er heimkam, / war er ein
15 anderer geworden. // Er hatte in Italien gelernt, frei zu sein. // Er hatte gelebt als
16 Mensch unter Menschen, / nicht eingeschnürt von Pflichten und Aufgaben, /
17 von Standesschranken und Zwängen der Etikette. // Wie fremd, wie unerträglich /
18 erschien ihm nun wieder die vornehme Gesellschaft / dieser kleinen deutschen
19 Residenzstadt. //
20 Und die Frau, / um deretwillen er früher so oft / in diese Gasse gegangen war, /
21 die ihn fast wie eine Heilige begleitet hatte, / gehörte zu dieser Welt, / aus der er
22 geflohen war. //
Aus: Edgar Höricht, „Im Garten am Frauenplan, September 1789. Könnte es so gewesen sein?“,
In: Hartmut von Hentig (Hg.): Deutschland in kleinen Geschichten, S. 198 – 199, bearbeitet.
© 1999 Deutscher Taschenbuchverlag GmbH & Co. KG, München
22
Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Cc) Diktat
Bewertung Diktat:
Von der/dem Prüfungsteilnehmenden offensichtlich missverstandene Wörter, die dem Text-
zusammenhang in keiner Weise entsprechen, werden als Doppelfehler (zwei Fehler) gezählt.
Das gleiche gilt für ausgelassene Wörter, soweit es sich nicht um reine Flüchtigkeitsfehler
handelt.
Pro Wort wird ein Fehler gewertet, bei Komposita bis zu zwei Fehlern, falls sie in verschiedenen
Wortstämmen erscheinen.
Zeichensetzung, die nicht der Vorlage entspricht, aber vertretbar ist (z.B. fakultatives Komma,
Doppelpunkt) wird nicht als Fehler gewertet. Korrespondierende falsche Kommas werden nur
als halber Fehler gewertet, sinnentstellende Zeichensetzung aber als ganzer Fehler.
Im Übrigen gelten
als ganze Fehler falsche Groß- und Kleinschreibung
falsche Getrennt- und Zusammenschreibung
falsche Trennung am Zeilenende
Umlautfehler
als halbe Fehler falsche Zeichensetzung
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als kein Fehler ss (für: ß), z. B. Grüsse für: Grüße
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23
Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Da) Fachgebiet „Deutsche Literatur“ BÜCHERLISTE
GroßesfürDeutsches
die Prüfungen zum G R O S S E N Deutschen Sprachdiplom
Sprachdiplom
Mai und November
durchgeführt im Auftrag der Ludwig-Maximilians-Universität München
Bücherliste 2007
für die Prüfungen im Mai und November 2009
Fachgebiet
Da) „Deutsche
Fachgebiet Literatur“
„Deutsche Literatur“
Arnim, Achim von Isabella von Ägypten
Da) Fachgebiet „Deutsche Literatur“ Reclam
ISBN 3-15-008894-1
Becker, Jurek Aller Welt Freund
€ 4,10
suhrkamp
Beer-Hofmann, Richard ISBN 3-518-37651-9
Der Tod Georgs
€ Reclam
7,50
ISBN 3-15-009989-7
Doderer, Heimito von Ein Mord den jeder begeht
€ 4,60
dtv
Brentano, Clemens ISBN 978-3-423-10083-0
Geschichte vom braven Kasperl und dem
€ schönen
11,-- Annerl
Reclam
Kleist, Heinrich von Die Familie
ISBN Schroffenstein
3-15-000411-X
Reclam
€ 1,60
ISBN 3-15-001768-8
€ 3,40
Fallada, Hans Kleiner Mann – was nun?
rororo
Mann, Thomas Tristan
ISBN 3-499-10001-0
Reclam
€ 7,50
ISBN 978-3-15-006431-3
€ 2,20
Keller, Gottfried Der Schmied seines Glückes
Meyer, Conrad Ferdinand Reclam
Die Richterin
ISBN 3-15-006175-X
Reclam
€ 1,60
ISBN 978-3-15-006952-3
€ 2,60
Perutz, Leo Der Meister des Jüngsten Tages
Schlink, Bernhard dtv
Der Vorleser
ISBN 3-423-13112-8
Diogenes
€ 9,00
ISBN 978-3-257-22953-0
€ 7,90
Raabe, Wilhelm Pfisters Mühle
Storm, Theodor Reclam
Aquis submersus
Reclam
ISBN 3-15-009988-9
ISBN
€ 5,60978-3-15-006014-8
€ 2,10
Timm, Uwe Am Beispiel meines Bruders
Süskind, Patrick Die
dtvTaube
Diogenes
ISBN 3-423-13316-3
ISBN
€ 8,50978-3-257-21846-6
€ 7,90
Vanderbeke, Birgit Alberta empfängt einen Liebhaber
Treichel, Hans-Ulrich Der Verlorene
Fischer
suhrkamp
ISBN 3-596-14198-2
ISBN
€ 7.90978-3-518-39561-5
€ 7,50
Mindestens 2 der hier angegebenen Titel sind zu erarbeiten.
Bitte erarbeiten Sie mindestens zwei der hier angegebenen Titel. Das Erarbeiten eines dritten
(Die Lektüre eines dritten Titels wird angeraten.)
Titels wird empfohlen. Die Preise entsprechen dem Stand von April 20086 in Deutschland.
Die Preise (D) entsprechen dem Stand vom März 2006.
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Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Da) Fachgebiet „Deutsche Literatur“
Behandeln Sie bitte zwei der hier genannten Bücher. Zeit: 120 Minuten
Zu jedem Buch bearbeiten Sie jeweils nur eine Aufgabe.
Bitte verwenden Sie für jede Aufgabe ein gesondertes Blatt.
▼
b) Prinz Karl erhält durch seine Liebe zu Isabella – so die Fiktion des Textes –
entscheidende Eindrücke, die seine spätere Regierungszeit als Karl V. prägen,
ohne dass dies näher ausgeführt würde. Erläutern Sie, wie die Erlebnisse Karls im
Zusammenhang mit Isabella seinen Charakter beeinflussen und bewerten
Sie diese Einflüsse.
b) Beschreiben Sie die Wesenszüge der (imaginierten) Ehefrau Pauls. Wie lässt
sich die Beziehung der beiden charakterisieren?
3. BRENTANO, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl
a) E
rläutern Sie die unterschiedlichen Begriffe von Ehre, die in Brentanos
Erzählung vorkommen.
b) Charakterisieren Sie die alte Bäuerin, die dem Schreiber die Geschichte von
Kasperl und Annerl berichtet.
a) Hans Pinneberg ist Angestellter. Wie unterscheiden die Figuren des Buches
Angestellte von Arbeitern?
b) Wie ist der Roman aufgebaut? Welche Schritte der Handlung bestimmen die
Einteilung?
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Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Da) Fachgebiet „Deutsche Literatur“
a) Betrachten Sie den Erzählverlauf: Inwiefern ist John Kabys der „Schmied seines
Glückes“, inwiefern ist er es nicht?
a) Welche Elemente einer Detektivgeschichte weist der Roman auf und wie weicht
er von diesem Genre ab? Gehen Sie vor allem auf die Figur des Ingenieurs
Solgrub ein.
b) Beschreiben Sie, wie unterschiedlich der Erzähler Freiherr von Yosch ein-
geschätzt wird, von den anderen Figuren, von sich selbst, vom Herausgeber
am Schluss. Welches Bild entsteht beim Leser?
a) T
eile des Textes werden im Rückblick als Erinnerungen des Protagonisten
erzählt. Was bezweckt der Ich-Erzähler mit der Niederschrift seiner
Erinnerungen? An welche Instanzen des Textes richtet sich seine Erzählung?
b) Beschreiben Sie das Ende des Buches und bewerten Sie es.
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Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Da) Fachgebiet „Naturwissenschaften“
Burkert, Andreas
Benecke, Mark Die
DerMilchstraße
Traum vom ewigen Leben
Kippenhahn, Rudolf C.H.Beck
Die Biologie beantwortet das Rätsel des Alterns
ISBN 978-3-406-39717-2
Reclam
€ISBN
7,90 3-379-20029-8
€ 11,90
Pabst, Martin
Blome, Hans-Joachim Willy Messerschmitt
Der Urknall
Zaun, Harald Zwölf Jahre
Anfang undFlugzeugbau
Zukunft desim Führerstaat
Universums
Aviatic Verlag
C.H.Beck
ISBN 978-3-925505-87-4
ISBN 3-406-50837-5
€€19,90
7,90
Junker, Thomas
Stripf, Rainer Geschichte der Biologie
Evolution
Die Wissenschaft
Geschichte vom Leben
einer Idee
C.H.Beck
Aulis Verlag Deubner
ISBN978-3-7614-2647-0
ISBN 3-406-50834-0
€€19,80
7,90
Zeilinger, Franz
Wuketits, Anton M. Einsteins Schleier
Darwin und der Darwinismus
Die neue Welt der Quantenphysik
C.H.Beck
Goldmann
ISBN 3-406-50881-2
ISBN
€ 7,90978-3-442-15302-2
€ 8,95
27
Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Da) Fachgebiet „Naturwissenschaften“
Behandeln Sie bitte zwei der hier genannten Bücher. Zeit: 120 Minuten
Zu jedem Buch bearbeiten Sie jeweils nur eine Aufgabe.
1. BENECKE, Mark: D
er Traum vom ewigen Leben.
Die Biologie beantwortet das Rätsel des Alterns
a) W
as versteht man unter „Wesen, die nicht sterben“? Erläutern Sie den Begriff
des „Klons“.
a) Erläutern Sie die Geschichte des Begriffs „Urknall“. Welche Phänomene werden
durch das Standardmodell des Urknalls beschrieben?
b) Erläutern Sie die Bewegung der Materie und insbesondere die „Flucht der
Galaxien“ im Kosmos.
3. GOENNER, Hubert: E
insteins Relativitätstheorien.
Raum, Zeit, Masse, Gravitation
b) Welchen Einfluss besitzen große Massen auf das Licht und wie wirkt sich dieses
Phänomen auf unsere Wahrnehmung von Galaxien und anderen weit entfernten
Objekten aus?
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Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Da) Fachgebiet „Naturwissenschaften“
a) B
eschreiben Sie zwei Naturkonstanten und erläutern Sie, wie ihre Existenz
experimentell nachgewiesen werden kann. Bleiben diese Konstanten unter allen
Bedingungen und über große Zeiträume hinweg konstant?
b) Wie konnte Max Planck im Jahr 1900 die Größe des „Planckschen
Wirkungsquants“ bestimmen? Welche Rolle spielt dieses Wirkungsquant in der
modernen Physik, und warum konnte es im Zeitalter der klassischen Physik
nicht entdeckt werden?
a) W
ie unterscheiden sich die biologischen Klassifikationen von Aristoteles und
Carl von Linné? Warum war Linnés Klassifikation der entscheidende Schritt zu
einer modernen Terminologie in der Biologie?
b) Welche Vorstellungen existierten vor der Mitte des 18. Jahrhunderts über die
Eigenschaften des „Samens“ und seinen Einfluss auf die Vererbung?
a) B
eschreiben Sie die wichtigsten Stationen und wissenschaftlichen Ergebnisse
von Darwins Weltreise mit der „Beagle“. Warum wurde der Besuch der
Galapagosinseln zu einem Höhepunkt der Reise?
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Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Da) Fachgebiet „Wirtschaftswissenschaften“
BÜCHERLISTE
Großes Deutsches Sprachdiplom
durchgeführt für die Prüfungen
im Auftrag zum G R O S SMünchen
der Ludwig-Maximilians-Universität E N Deutschen Sprachdiplom
Mai und November
Bücherliste
2007
für die Prüfungen im Mai und November 2009
Fachgebiet
Da) „Wirtschaftswissenschaften“
Fachgebiet „Wirtschaftswissenschaften“
Db) Landeskunde
Miegel, Meinhard Die deformierte Gesellschaft
Biedenkopf, Kurt Die Ausbeutung der Enkel
Ullstein
Plädoyer für die Rückkehr zur Vernunft
ISBN 3-548-36440-3
List
€ 8,95
ISBN 978-3-548-60732-0
€ 8,95
Müller, Henrik Wirtschaftsirrtümer
Geck, Martin Piper
Johann Sebastian Bach
ISBN 3-492-24371-1
rororo
€ 9,95
ISBN 978-3-499-50637-6
€ 8,50
Stern, Carola
Stiglitz, Joseph Kommen Sie, Cohn!
Die Schatten der Globalisierung
rororo
Goldmann
ISBN
ISBN978-3-499-62296-0
3-442-15284-4
€ €8,95
9,95
Uexküll,Joseph
Siglitz,
Stiglitz, Gösta E.
Joseph von
E. Konrad Adenauer
Die Roaring Nineties
rororo
Vom Boom zum Crash
ISBN 978-3-499-50234-7
Goldmann
€ 7,50
ISBN 3-442-15341-7
€ 9,95
Bitte erarbeiten Sie mindestens zwei der hier angegebenen Titel. Das Erarbeiten eines dritten Titels
wird empfohlen. Die Preise entsprechen dem Stand von April 20086 in Deutschland.
s Mindestens 2 der hier angegebenen Titel sind zu erarbeiten.
(Die Lektüre eines dritten Titels wird angeraten.)
Die Preise (D) entsprechen dem Stand vom März 2006
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Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Da) Fachgebiet „Wirtschaftswissenschaften“
Behandeln Sie bitte zwei der hier genannten Bücher. Zeit: 120 Minuten
Zu jedem Buch bearbeiten Sie jeweils nur eine Aufgabe.
b) Ist die Verkürzung der Arbeitszeit ein geeignetes Mittel zur Überwindung der
Arbeitslosigkeit?
a) Inwiefern kann man die neuen Bundesländer mit dem italienischen Mezzogiorno
vergleichen?
31
Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Da) Fachgebiet „Wirtschaftswissenschaften“
a) Inwiefern gab der IWF der russischen Regierung in der Krise von 1998 die
falschen Ratschläge?
b) Wie kritisiert der Autor die Politik des IWF in Währungskrisen, insbesondere in
Ostasien?
a) Warum ist der Autor der Ansicht, dass unter der Regierung Clinton das Staats-
defizit zu rasch abgebaut wurde?
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Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Db) Landeskunde
Bruhns, Wibke
Geck, Martin MeinesSebastian
Johann Vaters Land
Bach
Geschichte einer deutschen Familie
rororo
Ullstein
ISBN 978-3-499-50637-6
€ ISBN
8,50 3-548-36748-8
€ 9,95
Kraus, Joseph
Delius, Friedrich Christian Wilhelm Busch
Mein Jahr als Mörder
rororo
rororo
ISBN
ISBN978-3-499-50163-0
3-499-23932-9
€ €7,50
8,90
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Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Db) Landeskunde
Behandeln Sie bitte zwei der hier genannten Bücher. Zeit: 90 Minuten
Zu jedem Buch bearbeiten Sie jeweils nur eine Aufgabe.
a) Schildern Sie Johanna Schopenhauers Ehe mit Heinrich Floris Schopenhauer und
gehen Sie darauf ein, wie sich das Verhältnis zu ihrem Mann auf das
Verhältnis zu ihrem Sohn auswirkte.
b) Schildern Sie die anfängliche Einstellung HGs (Johannes Georg Klamroths) zum
Aufkommen des Nationalsozialismus und erläutern Sie, wie diese sich bald nach
der Machtergreifung Hitlers änderte.
a) Erläutern Sie, wie es Georg Groscurth gelang, seine Arbeit im Widerstand zu tar-
nen und an Informationen zu kommen, die den Gegnern des Nationalsozialismus
nützten.
b) Schildern Sie, wie es dazu kam, dass die leitende Amtsärztin Anneliese Groscurth
1951 zur angeblichen Gegnerin der freiheitlich-demokratischen Grundordnung
der Bundesrepublik Deutschland gestempelt und entlassen wurde.
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Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Db) Landeskunde
a) Erläutern Sie das Verhältnis zwischen Schubert und seinem Vater und erklären
Sie, wie es Schubert mehr und mehr gelang, seinen eigenen Weg zu gehen.
b) Schildern Sie, wie die Zensur des Fürsten Metternich das geistige Leben kon-
trollierte und wie sich diese Zensur auf Schubert und vor allem auf seinen Freund
Mayrhofer auswirkte.
b) Erläutern Sie, was Heine an Paris in der Zeit nach der Julirevolution von 1830
faszinierte. Gehen Sie außerdem auf seine Beziehung zu seiner späteren
Ehefrau Mathilde ein.
a) S
childern Sie Elisabeths Kindheit und Jugend in München. Gehen Sie dabei auf
die Atmosphäre im Haus Mann ein und auch auf das Verhältnis zwischen dem
Vater und dieser Tochter.
b) Erläutern Sie Elisabeths Auseinandersetzung mit der Rolle der Frau in der
Gesellschaft. Erklären Sie dabei, was Elisabeth dazu in ihrem Buch schrieb
und wie diese Ansicht ihr eigenes Leben widerspiegelt.
35
Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Db) Landeskunde
Lösungsvorschläge
Hinweis: Es handelt sich bei den Lösungen um Vorschläge, die Beispiele möglicher Antwor-
ten geben und die nicht alle bzw. nicht in dieser Ausführlichkeit gegeben werden müssen.
Diese Vorschläge sind mit Absicht sprachlich nicht im Stil eines ausformulierten Aufsatzes
gehalten (bewusst teilweise Übernahme von Formulierungen aus dem Original) – um Räume zu
eröffnen für individuelle Gedankengänge und Formulierungen.
a) D
ie Eheschließung mit dem 20 Jahre älteren Schopenhauer war keine Liebesheirat, eher ein Zwang.
Es gab keine Alternative zur Ehe. Unverheiratete Töchter blieben unter der Herrschaft der Väter und
wurden nicht geachtet. Der angesehene und vermögende Schopenhauer war in den Augen der
Familie und der Danziger Gesellschaft eine gute Partie; diese Ehe versprach ein glanzvolles Leben
und Schopenhauer schien rücksichtsvoll zu sein. Allerdings stellte sich in der Ehe heraus, dass Scho-
penhauer die Frauen generell verachtete. Johanna war ihm ein schmückender Besitz, er brachte ihr
„kaum Achtung und erst recht keine Liebe entgegen, an die er nicht glaubt“. Sie musste treu sein, ihre
ehelichen Pflichten erfüllen, ihm gehorchen, musste seinem Ego schmeicheln, durfte seinen Interes-
sen nicht im Weg stehen und hatte sich seinen sexuellen Wünschen unterzuordnen. Johanna fühlte
sich in dieser lieblosen Ehe einsam, hatte keine eigentliche Aufgabe, lernte aber durch die Gäste, die
Schopenhauer ins Haus brachte, interessante und berühmte Leute kennen. Einzige Gemeinsamkeit
der Eheleute war ihre Sympathie für die französische Revolution. Wegen der preußischen Besetzung
Danzigs 1793 siedelte Schopenhauer nach Hamburg über, wo er sich bald etablierte. In der zeit-
weise von französischem Flair und kulturellem Aufbruch geprägten Stadt fühlte sich Johanna wohl,
es entstand in ihren Kreisen auch so etwas wie ein Salon. Diese Art intimer, geistvoller Geselligkeit
gefiel ihr besser als die hanseatisch steifen, geschäftlich bedingten Tafelrunden. Durch diese Ge-
selligkeit konnte sie auch einen gewissen Abstand zu ihrer ehelichen Misere gewinnen. 1799 wurde
der Ehevertrag dahingehend geändert, dass Johanna als Witwe ein Drittel des Schopenhauerschen
Vermögens erben würde. Johannas unbedingte Unterwerfung unter ihren Mann führte mit der Zeit
zu einer Entfremdung auch von ihrem Sohn Arthur, wegen dessen später entwickelter „inbrünstiger
Vaterverehrung“. Sie leitete ihre mütterliche Autorität von ihrem Ehemann her, vertrat im Umgang mit
Arthur „uneingeschränkt den Machtanspruch ihres Gatten“ und gebrauchte „ihre intimere Beziehung
zu dem Kind, um die väterliche Macht, nach ihrem Verständnis durchaus zum Besten ihres Sohnes,
durchsetzen zu helfen“. So war sie Arthur auch im Konflikt – Erlernen des Kaufmannsberufs oder
Fortsetzung der Bildung – keine Hilfe. Die Parteinahme für die Entscheidungen ihres Ehemannes
ließen sie nach Ulrike Bergmanns Meinung in den Augen des Sohnes als wenig vertrauenswürdig er-
scheinen, als „zweitrangiger, ebenfalls verständnisloser Elternteil“, dem er keinen Respekt entgegen-
brachte. In die Seele ihres Sohnes konnte und wollte sie sich nicht einfühlen. Nach Bergmann war sie
„notgedrungen eine bessere Ehefrau als Mutter“. Nach dem Tod ihres Mannes fühlte Johanna sich
berechtigt, ihre teuer erkaufte Unabhängigkeit zu genießen. Es kam zu keiner innerlichen Versöhnung
mit ihrem Mann. Kultivierter Lebensstil, Luxus, die Möglichkeiten zu bedeutenden Bekanntschaften
und zu einer Beschäftigung mit kulturellen Dingen, ihre Reisen durch halb Europa – all das konnte die
erlittenen Kränkungen nicht auslöschen.
36
Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Db) Landeskunde
b) Während eines Kuraufenthalts in Ronneburg im Frühsommer 1810 wohnten Johanna und Adele
Schopenhauer bei dem Stadtsyndikus Müller (ab 1815 von Gerstenbergk, nach Adoption durch ei-
nen Onkel). Müller war 14 Jahre jünger als Johanna, war ehrgeizig, sah gut aus, hatte schöngeistige
Neigungen. Er gefiel Johanna so gut, dass sie ihn auf eine viermonatige Kunstreise nach Dresden
mitnahm. Auf den Klatsch nahm sie keine Rücksicht. Müller bekam eine Anstellung in Weimar und
war von da an täglicher Gast im Haus Schopenhauer. Schließlich bezog er eine Wohnung über der
von Johanna, verpflegt wurde er an ihrem Tisch. Durch diese enge Beziehung zu Gerstenbergk kam
es zum tiefen Zerwürfnis zwischen Johanna und ihrem Sohn Arthur, der sich von Gerstenbergk in sei-
ner Position als Hausherr verdrängt sah. Als Arthur im Frühsommer 1814 Weimar endgültig verließ,
vermietete Gerstenbergk seine Wohnung und zog zu Johanna. Bis zu Gerstenbergks Heirat 10 Jahre
später lebten die beiden zusammen mit Tochter Adele in häuslicher Gemeinschaft. Zunächst wohl
sehr harmonisch, später getrübt durch Eifersucht und Gerstenbergks Interesse an anderen Frauen.
Der Weimarer Tratsch brachte Gerstenbergk mal mit der Mutter mal mit der Tochter zusammen. Ob
ein intimes Verhältnis bestand, ist ungeklärt. Arthur unterstellte einen „illegitimen Nachfolger“ seines
Vaters, Adele zunächst nicht, im Alter schien sie sich der Meinung ihres Bruders anzuschließen.
Aufgrund der Quellenlage lässt sich auch heute noch nicht sagen, ob ein intimes Verhältnis bestan-
den hatte. Je nach Sympathie für Arthur oder Johanna neigen die Biographen zu dieser oder jener
Ansicht. Johanna stellte ihren Hausfreund als Seelenfreund vor, duldete keine Zweifel an dieser
Version. Eine offene Liaison hätte auch erb- und familienrechtliche Konsequenzen gehabt – bis hin
zum Entzug des Erbes und der Kinder. Nach außen war Gerstenbergk der enge, vertraute Freund.
Es wurde ein Verhältnis vermutet, da beide jedoch „jede Eindeutigkeit vermieden, wurde die Verbin-
dung gesellschaftlich akzeptiert“, wurden sie gemeinsam eingeladen. Johanna suchte Gerstenbergk
nach Kräften zu fördern, glaubte an seine literarischen Qualitäten, überschätzte diese wohl auch. Mit
diesem Einsatz versuchte sie ihren Freund zu halten, schalt ihre Tochter, wenn die sich Gerstenbergk
gegenüber unpassend benahm. Auch nach ihrem finanziellen Ruin blieb Johanna im teuren Wei-
mar, um in der Nähe des Freundes sein zu können. 1825 heiratete Gerstenbergk die Gräfin Häseler.
Johanna beschloss, dem Paar eine mütterliche Freundin zu sein, denn so konnte sie weiter freund-
schaftlichen Umgang mit Gerstenbergk pflegen. Als Gerstenbergks Ehe kriselte, wurde sie eine Art
Beichtmutter, eine Rolle, die ihr nicht zusagte. Eine Scheidung und ein neuerliches gemeinsames
Leben hätte aber beide aus dem gesellschaftlichen Leben verbannt.
a) HGs Vater Kurt übernahm statt seines Bruders, der Landwirt werden wollte, die florierende väter-
liche Firma – einen Landhandel mit internationalen Kontakten. Er kümmerte sich nicht nur um seine
Geschäfte, sondern war auch gesellschaftlich engagiert und genoss in Halberstadt großes Ansehen.
Um gesellschaftliches Ansehen genießen zu können, war es wichtig, „gedient“ zu haben – nur über
die Armee, das Dienen in einem geachteten Regiment und den Offiziersrang erlangte ein Kaufmann
in der wilhelminischen Gesellschaft eine Art Gleichberechtigung mit dem Adel oder konnte die Be-
ziehungen knüpfen, die sich ein Akademiker durch die schlagenden Verbindungen schuf. „Der Ein-
lasscode in die höheren Kreise hieß Satisfaktionsfähigkeit“. Kurt und seine Frau Gertrud lebten auf
großem Fuß. 1911 ließen sie sich ein aufwändiges Landhaus bauen, mit riesigem Garten. Es gab re-
präsentative Räume (im Esszimmer konnten z. B. 40 Personen tafeln), Unterkünfte für das zahlreiche
Dienstpersonal, Pferdeställe, Remisen, Kutscherwohnung usw. Kurt wurde preußischer Kommerzi-
enrat, erhielt den roten Adlerorden. Demokratie war in der Familie ein Fremdwort. Der Firmeninhaber
sorgte aus Pflicht und Neigung patriarchalisch für seine Arbeiter und Angestellten. „(...) dass ein
Unterschied bestehen könne zwischen Gewährung und verbrieftem Anspruch war Kurt wie vielen
seinesgleichen nicht einsichtig.“ Er übernahm Verantwortung nicht nur für seinen geschäftlichen
Bereich, sondern als Stadtverordneter auch für das Gemeinwesen – Politik im weiteren Sinne inter-
37
Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Db) Landeskunde
essierte ihn nicht, das nahezu absolutistische System des Kaiserreichs passte ihm, Gefahr sah er al-
lein in den Sozialdemokraten, den „vaterlandslosen Gesellen“, gegen die die tradierten Werte hoch-
gehalten wurden. „Es war Ehre und Pflicht, dem Vaterland zu dienen, und die Regeln der Klasse
waren Gottesfurcht, Mannesmut und Selbstbeherrschung.“ In diesem Sinne wurden auch HG und
sein Bruder erzogen. HGs Mutter nannte ihren kleinen Sohn eine „kleine feige Memme“ oder „Heul-
suse, Feigling und Angeber“ – diese Eigenschaften mussten ihm ausgetrieben werden. HG sollte ein
„tapferer, tüchtiger Mann“ werden – „schneidig“. „Ehre war wichtiger als Liebe, es sei denn für Kaiser
und Vaterland, und dem Tod sah man wenig später ‚freudig ins Auge’“. Die kleineren Kinder liefen
in Matrosenanzügen herum, später bekamen HG und sein Bruder Kürassier- und Ulanenuniformen,
es wurde „Kaiser-Parade“ gespielt, es gab „Kriegsspiele“ im Gelände, auch in den Ferien auf der
Nordsee-Insel Juist war Kriegspielen die Hauptbeschäftigung der versammelten Vettern, Kusinen
und Freunde. Zu seinem Vater hatte HG eine enge Beziehung. Auf ihren Morgenritten erklärte ihm
Kurt seine Welt, die zunächst die Firma war, aber auch seine Erlebnisse in den USA, in England und
in Curaçao, wo die Firma Klamroth an einer Phosphatmine beteiligt war. Der Vater lehrte ihn, wel-
che Kunst „Gift fürs Volk“ sei (Hauptmann, Liebermann, Heine) und klärte ihn auch auf. Zeit seines
Lebens war HG der Rat seines Vaters wichtig, er strebte nach dessen Anerkennung und zeigte ihm
gegenüber Liebe und Respekt.
b) Anfang der dreißiger Jahre ging es der deutschen Wirtschaft sehr schlecht, 1932 gab es sechs Mil-
lionen Arbeitslose, die Wahlerfolge der Nationalsozialisten häuften sich. Doch trotz großer Schwie-
rigkeiten ging es der Firma I. G. Klamroth relativ gut. HG und seinem Vater Kurt war die Dramatik
der Entwicklung nicht klar. „Was zählt, sind die Klassenunterschiede: Welten liegen zwischen den
Deutschnationalen, den Großlandwirten, dem Reichsverband der Deutschen Industrie, die der Res-
tauration das Wort reden, und dem Pöbel der Nazis.“ Anfang 1931 hörten Vater und Sohn in Berlin
Goebbels. HG: „eine lächerliche Versammlung, Vater ebenfalls ablehnend“. HG beobachtete in Ber-
lin eine Straßenschlägerei zwischen SA und Kommunisten und zitierte Horaz in seinem Tagebuch
– ich hasse den gemeinen Pöbel und meide ihn. Im Oktober 1931 brachten seine Freunde Wolf
York mit Frau auf der Durchreise nach Bad Harzburg, wo ein Treffen der Rechten stattfinden sollte,
fünf SA-Leute mit in das Haus der Klamroths. Alle Gäste unterschrieben im Gästebuch mit „Heil
Hitler!“, HG hatte ein „flaues Gefühl“. Ansonsten empfand er die Atmosphäre im Land als „zuneh-
mend schwül“. Es störte ihn, dass Nazis einen Vortrag über Heinrich Heine sprengten oder vor einer
Max Liebermann-Ausstellung herumlungerten. Dass Hitler am 30. Januar 1933 von Hindenburg zum
Reichskanzler ernannt wurde, fand in HGs Tagebüchern keinen nennenswerten Niederschlag, auch
nicht die Ermordung prominenter Linker. Auch nach den weiteren Übergriffen der Nazis gab es in
HGs Tagebüchern kaum Kommentare, wenn, dann ein Akzeptieren der Fakten: „Der Würfel ist ge-
fallen“, „Politisch geht es folgerichtig weiter...“, „Das große Ermächtigungsgesetz ist angenommen,
nun ist freie Bahn für das ‚Dritte Reich‘“. Einmal schrieb HG ins Tagebuch, dass der alte Jacobsohn
ihm unendlich Leid tue. Jacobsohn war im Arbeitgeberverband, zu dessen Vorstand HG gehörte.
HG tat nichts gegen dessen Ausschluss aus dem Verband, sprach von dem „Juden Jacobsohn“. HG
nahm Kontakt zu den örtlichen Nazigrößen auf und unterschrieb am 27. April 1933 die Anmeldung
zur NSDAP, „da ab 1. Mai Mitgliedersperre ist“. W. Bruhns ist sich nicht sicher, was ihren Vater zu
diesem Schritt bewegte, aber sie schreibt, dass der Klassenunterschied nicht mehr zählte, die Hal-
berstädter Gesellschaft sich einreihte, HG sich vielleicht gesagt habe, dass, wenn man schon dabei
sein müsse, man es besser frühzeitig sei. Außerdem war die Parteimitgliedschaft nicht schlecht fürs
Geschäft. Opportunismus sei aber wohl nicht der Beweggrund, eher das nationalistische Gedanken-
gut des Vaters, der nach der Schmach des verlorenen Krieges und der Zerrissenheit während der
Weimarer Republik das Volk geeint sah hinter einem Mann, der Deutschland wieder Ehre bringen
konnte. HG versuchte, in den Parteiversammlungen Vernünftiges durchzusetzen – gerade als Vertre-
ter des Landhandels; er drang nicht durch, resignierte. Vielleicht ging er deshalb zur SS, wo er eine
38
Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Db) Landeskunde
Reiterstaffel aufbaute – er war wieder auf vertrautem Terrain, konnte an sein Offiziersleben im
Ersten Weltkrieg anknüpfen. Er trug SS-Uniform, was ihm, nach den Tagebucheinträgen zu urtei-
len, gefiel, allerdings gab es laut W. Bruhns kein Foto, das ihren Vater in dieser Uniform oder mit
Parteiabzeichen zeigte. 1934 zog sich HG von der Parteiarbeit und der SS zurück – offiziell wegen
der Belastung in der Firma, die es aufgrund der neuen Verordnungen auch wirklich schwer hatte
zu überleben. Den wahren Grund – Röhmputsch? - weiß W. Bruhns nicht. Aktiv und begeistert war
HG dann ab 1935, als die allgemeine Wehrpflicht eingeführt und die Wehrmacht aufgebaut wurde.
Als Reserve-Leutnant zog er immer wieder ins Manöver; er stieg zum Hauptmann auf.
a) Groscurth hatte die „Kunst der Verstellung“ schon als Abiturient praktiziert, als er sich im
Deutschaufsatz der nationalistischen Meinung seines Lehrers anpasste, um sein Studium nicht zu
gefährden. „Ohne solche Übungen hatte er weder Heß und seine Clique noch die Herren von der
SS täuschen können.“ Schon während der Studienzeit empörte er sich über den wachsenden An-
tisemitismus. Seine Ideale von Würde, Anstand, Hilfsbereitschaft machten ihn zu einem politisch
denkenden Menschen. Als junger Arzt war er aktiv in der Forschung, befreundete sich mit Ro-
bert Havemann. Sein 1933 ins Exil gejagter Chef verschaffte ihm noch ein Forschungsstipendium.
1934 begann er am Robert-Koch-Krankenhaus, holte Havemann zu gemeinsamen Forschungen
in sein Labor. Das ehemals erstklassige Krankenhaus war durch die Vertreibung der Mehrzahl der
Ärzte heruntergewirtschaftet – SA- und SS-Mediziner waren an die Stelle kompetenter Fachleute
getreten. Da Groscurth kein Parteimitglied war, wurde er erst 1939 Oberarzt. Nach außen wa-
ren Groscurth und Havemann vollkommen angepasst. Ihre Nische war Kurzes Kaffeesalon – ein
konspirativer Treffpunkt im Krankenhaus, wo sich die vertrauenswürdigen Nazigegner des Kran-
kenhauses trafen, offen redeten und dadurch die permanent verlangte Verstellung durchhielten.
Für Groscurth und Havemann war dieser Rückzugsort nicht genug, sie wollten möglichst genau
wissen, was die Nazis planten. Über eine Praxisvertretung auf Rügen lernte Groscurth die Witwe
eines Landarztes kennen, eine 100-prozentige Nazifrau. Er pflegte den Kontakt und sie vermit-
telte ihm hochgestellte Nazis als Patienten und über den Bruder, Gauleiter Alfred Hell, auch den
Stellvertreter Hitlers, Rudolf Heß. Seit 1936 behandelte er regelmäßig Rudolf Heß, täuschte den
perfekten Nazi vor und gewann das volle Vertrauen von Heß. Heß wurde so zu Groscurths bester
Tarnung, zu seinem besten Schutz. Es war undenkbar, dass der Arzt des zweithöchsten Mannes im
NS-Staat im Widerstand aktiv war. Über Heß kamen weitere hochrangige Patienten zu Groscurth,
alle sprachen wohl relativ offen zu ihrem Arzt, doch „keiner ist so geschwätzig wie der höchste
Geheimnisträger“. Heß sprach über die Konzentration der Juden in riesigen Lagern im Osten, die
Vernichtungspläne, über die nächsten militärischen Schläge und selbst den Einmarsch in die Sow-
jetunion deutete er an (Havemann soll diese Information über Mittelsleute an die Sowjets weiter
gegeben haben, fand allerdings kein Gehör.) Der Kontakt beschränkte sich nicht auf das Sprech-
zimmer. Heß gratulierte Georg und Anneliese Groscurth mit einem Blumenstrauß zur Hochzeit, lud
beide zu Empfängen in sein Haus, wo sie mitspielen mussten, den Mördern die Hand geben. Da
Groscurth kein Parteimitglied werden wollte, musste er auch in dieser Hinsicht trickreich sein. Um
die Tarnung zu perfektionieren, drängte er seine Frau, der NS-Frauenschaft beizutreten. Als Heß
1941 heimlich nach England flog, um die Engländer zu überreden, bei Hitlers Feldzug gegen die
Sowjetunion mitzumachen, wurde er von den Nazis für verrückt erklärt. Groscurths Kommentar:
„Meine stärkste Kanone ist nach hinten losgegangen.“ Weitere Tarnung: Um der Einberufung zur
Wehrmacht zuvorzukommen, meldete er sich freiwillig zur Grundausbildung bei den Pionieren,
kam dank seiner Beziehungen zur Militärärztlichen Akademie, wo auch Havemann arbeitete, führte
Tierversuche mit Giftgasen durch. Damals, 1937, konnte er noch nicht ahnen, dass wenige Jahre
später Menschen vergast werden würden. Unter dem Schutz von Heß fühlte er sich sicher, um für
das Überleben von Nazigegnern arbeiten zu können.
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dener Stücke und mit ersten eigenen Kompositionen. Wegen „seiner ausgezeichneten Verwendung
der Tonkunst“ wurde er gelobt, sein erstes Konzert im Konvikt war ein großer Erfolg. Der Vater
machte ihm wegen seiner musikalischen Arbeiten Vorwürfe: er lenke sich mit „unnötigen musika-
lischen Phantastereien“ ab, wolle sich „womöglich aufs Komponieren verlegen ‚ anstatt ernsthaft
zu studieren für den Lehrer“. Das war es, was der Vater wollte – wie seine anderen Söhne sollte
Schubert Lehrer werden und in seiner Schule unterrichten. Musik war nur ein Beiwerk. Schubert hielt
sich von zu Hause fern, bekam nur noch eine demütigend geringe Zuwendung, so dass er letztlich
seinen Bruder um Hilfe bat. Ein starker Hinweis auf seine musikalische Fähigkeit war die Tatsache,
dass der große Salieri ihn zum Schüler nahm. Schubert war stolz darauf, doch der Vater schalt ihn
der Undankbarkeit, schlug ihn, als der Sohn darauf bestand, Musik zu machen; als er nicht an erste
Stelle das Bemühen stellte, sich für den Lehrerberuf abzumühen. Der Vater war gegen den Sohn so
verbittert, dass er ihm nicht gestattete, die auf dem Sterbebett liegende Mutter zu besuchen. Nach
der Beerdigung ermahnte der Vater ihn, ein ordentlicher Schüler zu sein. „Ich weiß, die Musik ist
dir wichtig. Aber einen Beruf brauchst du auch.“ Härtling kommentiert dies dahingehend, dass die
Freundlichkeit schon wieder einen Sprung bekam. Schubert war es wichtiger, zweimal pro Woche
bei Salieri den Kontrapunkt erlernen zu dürfen. Er beschäftigte sich immer mehr mit seiner Musik;
Biologie oder Mathematik brauchte er dafür nicht, den Freunden gegenüber bekannte er: „Mir ist
nicht wohl auf dem Konvikt.“ Obwohl ihm vor Ende des Schuljahres ein Stipendium zugesprochen
wurde, er das Gymnasium also hätte abschließen können, wenn er sich in seinen Leistungen verbes-
sert hätte, konnte Schubert es im Konvikt nicht mehr aushalten. Er brauchte Zeit für seine eigentliche
Arbeit. 1813 beschloss er, aus der Schule auszutreten. Um den Vater zu besänftigen und um irgend-
wie unterkommen zu können, versprach er dem Vater, sich unverzüglich an der Lehrerbildungsanstalt
an der Annagasse anzumelden. Trotzdem kam es zu einem Streit zwischen Vater und Sohn, sodass
sie nicht mehr miteinander sprachen. Nach Härtling hatte Schubert es geschafft, sich nicht mehr
von seinem Vater, von den Lehrern bestimmen zu lassen, „sondern allein von seinen Wünschen und
Plänen.“ Er hielt es noch einige Zeit als Lehrer beim Vater aus, war ein schlechter Lehrer, da er den
Unterricht nur als Verhinderung seiner Arbeit mit der Musik empfand. Im Sommer 1816 verließ er,
ohne noch einmal die Auseinandersetzung mit dem Vater gesucht zu haben, ohne sich von ihm zu
verabschieden, das Vaterhaus und zog zu seinem Freund Spann. Zu einer Verständigung zwischen
Vater und Sohn kam es nie, auch wenn Schubert immer mehr öffentliche Anerkennung fand. Der
Vater beharrte darauf, dass der Sohn einen anständigen Beruf (Lehrer) ausüben müsse, schlug ihn
noch als Erwachsenen, als er sich den väterlichen Plänen widersetzte. Selbst ans Sterbelager seines
Sohnes kam der Vater nicht.
b) N
ach dem Sieg über Napoleon und dem Wiener Kongress sorgten Fürst Metternich, 1821 zum
Hof- und Staatskanzler ernannt, die politische Polizei und die ausgeübte Zensur für politische Ruhe.
Alles, was nur irgendwie den Anschein von revolutionärem Geist, Aufmüpfigkeit oder fehlender Sitte
und Moral hatte, wurde verboten und verfolgt. Schon 1819 hatten sich in Karlsbad die europäischen
Fürsten getroffen und unter dem Einfluss Metternichs strengste Zensur und die sofortige Auflösung
aller Studentenverbindungen beschlossen. Schubert selbst litt nicht sehr unter der Zensur, auch
wenn er sich mit ihr auseinander setzen musste und ein Opern-Libretto ganz verboten wurde (weil
dort ein Fall von Bigamie vorkam), ein anderes Libretto nur mit Streichungen genehmigt wurde, sowie
für Widmungen Erlaubnis eingeholt werden musste. Zweimal geriet er durch Freunde in schwierige
Situationen mit der Polizei, denen er jedoch entkommen konnte. – Johannes Senn kannte Schubert
aus dem Konvikt, wo er Anführer einer kleinen Gruppe gewesen war, die gegen die Bestrafung eines
Konviktisten eingetreten war. Er hatte das Konvikt verlassen müssen. Seinen Freiheitssinn, seine
„aufbrausende Rechtlichkeit“ hatte er nicht verloren, studierte jetzt Jurisprudenz und „die Politik von
Metternich forderte ihn von neuem heraus“. Senn hatte einen Studentenverein gegründet, Schu-
41
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Db) Landeskunde
bert mied die konspirativen Treffen. Einmal war er bei Senn eingeladen, als vier Polizisten zur Woh-
nungsdurchsuchung erschienen. Senn und zwei hinzukommende Kommilitonen provozierten die
Beamten, sie wurden zur Wache gebracht. Senn kam für 14 Monate in Haft, wurde dann nach Tirol
abgeschoben. „Schuberts Name verschwand aus den Akten, sowie er es erhofft hatte. „Die Musik,
seine Musik wurde zur Tarnkappe.“ – Später geriet er über den Freund und Dichter Bauernfeld noch
einmal in eine polizeiliche Situation. Wie Bauernfeld erklärte, habe er Schubert „Lauf, Schubert, lauf“
zugerufen. Das Leiden an der Zensur erlebte Schubert sehr direkt an seinem Freund Mayrhofer,
der Poet und gleichzeitig Beamter im Amt für Bücherrevision war und bei dem Schubert einige Zeit
wohnte. Für Mayrhofer war der Fürst eine permanente Bedrückung und Anlass zu Streit mit Schu-
bert, der den Freund drängte, den Dienst zu quittieren. Noch schlimmer kam es für Mayrhofer, als
er zum Bücherzensor gemacht wurde. Er, der Poet, musste Bücher verbieten. Er war zerrissen von
dem Widerspruch, in dem er leben musste. 1830 machte er einen Selbstmordversuch (vergeblicher
Aufstand der Polen gegen die Russen), begann sich mit der Antike zu befassen, „um die Finsternisse
zu hellen“, sprang 1838 aus dem dritten Stock einer Wiener Behörde und starb zwei Tage später.
Senn aber wurde Offizier bei den Tiroler Kaiserjägern, veröffentlichte 1838 seine Gedichte; er trank
sich jedoch zu Tode.
a) Heine wurde vermutlich am 13.12.1797 geboren, hatte drei jüngere Geschwister. Seine Eltern ge-
hörten der Düsseldorfer jüdischen Gemeinde an. Mitbedingt durch die fast durchgängige franzö-
sische Besatzung von 1795 bis 1813 gab es kein Getto und kein ausgesprochenes Judenviertel, man
blieb vor offenen antisemitischen Ressentiments und Ausschreitungen verschont, dennoch erlebte
Heine antisemitische Neckereien und Verunglimpfungen. 1814 wurde die Gleichstellung der Juden
rückgängig gemacht und Heines Wille zur Integration in die bürgerliche Oberschicht stieß immer wie-
der auf Widerstand. 1833 erklärte Heine gegenüber Varnhagen „Dass ich aber einst die Waffen er-
griff, dazu war ich gezwungen durch fremden Hohn, durch frechen Geburtsdünkel – in meiner Wiege
lag schon meine Marschroute für das ganze Leben.“ Heines Mutter stammte aus einer angesehenen,
reichen sephardischen Bankiers- und Gelehrtenfamilie, der Vater aus einer weniger hochgestellten
norddeutschen Kaufmannsfamilie. Durch seine Heirat wurde er anerkannter „Schutzjude“ in Düssel-
dorf, betrieb durch die Übernahme von Ehrenämtern die Integration in die christliche Düsseldorfer
Gesellschaft. Wohl wegen der Mitgift seiner Frau oder einer Kapitaleinlage seines Schwagers konn-
te er sich als Textilhändler selbstständig machen: hauptsächlich handelte er mit englischer Manu-
fakturware. Durch die napoleonische Kontinentalsperre (1806), eine Finanzkrise (1810) und den bis
1817 währenden Preisverfall für Baumwolle geriet er in den Ruin – trotz des Versuchs, Flexibilität zu
beweisen. 1819 wurde die Firma für bankrott erklärt. Nach Zwischenstationen lebten die Eltern in
Lüneburg, versehen mit einer Jahresrente des jüngeren Bruders des Vaters. Salomon Heine war ein
erfolgreicher Geschäftsmann in Hamburg, galt bei seinem Tod 1844 als reichster Mann Hamburgs.
Salomon war „gläubiger Jude mit viel Familiensinn, ein Philanthrop und Wohltäter nicht nur der ei-
genen Verwandtschaft.“ Heinrich Heine (geboren als Harry) und seine Geschwister wurden entspre-
chend den Prinzipien der Mutter erzogen: Willenskraft, Moral, Ernst, Disziplin, intellektuelle Kontrolle.
(Der Vater zeichnete sich eher durch Güte, Liebenswürdigkeit, Heiterkeit, Lebenslust bis hin zum
Leichtsinn aus.) Die Mutter wahrte in der Erziehung eine Distanz zu allem Jüdischen, sah in einer
behutsamen Assimilation die Voraussetzung zu sozialem Aufstieg, alle Söhne kamen auf christliche
Bildungsanstalten. Heine kam aufs Lyzeum, erhielt Privatunterricht in diversen Fächern. Ein Jahr vor
der Reifeprüfung wechselte er auf eine höhere Handelsschule, machte dann zwei kurze kaufmän-
nische Volontariate, absolvierte ab 1816 eine zweijährige Lehrzeit in einem Hamburger Bankhaus, an
dem sein Onkel Salomon beteiligt war. Er verliebte sich nacheinander in die vier Töchter des Onkels,
speziell in Amalie, die ihn aber aus sozialen Gründen ablehnte. 1818 eröffnete Heinrich Heine noch
eine Art Filiale der Firma seines Vaters für englische Manufakturwaren in Hamburg, um das väter-
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Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
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liche Geschäft zu retten. Doch der Vater war schon zahlungsunfähig. Dessen jüngere Brüder sorgten
– auch weil der Vater krank war – für dessen Entmündigung. Gegenüber Salomon hatte er am Ende
85 000 Taler Schulden. Ebenso wie Salomon den Eltern Heines eine Rente ausbezahlte, erhielten
die Kinder Ausbildungsstipendien. Heinrich erhielt mit jährlich 400 Talern die nötigen Mittel. Er im-
matrikulierte sich im Wintersemester 1819/20 in Bonn und wählte Jura. Dieses Fach galt neben
Medizin als aussichtsreiche Ausbildung für Söhne der jüdischen Führungsschicht in der Wirtschaft,
wenn sie nicht unmittelbar kommerziell tätig waren. Ließen sie sich taufen, standen ihnen Posten im
Staats- und Verwaltungsdienst oder zumindest eine Advokatur in Aussicht. Heines Studienwahl war
keine freie Wahl, „sondern eine von den sozialen Bedingungen und dem Aufstiegswillen der Familie
determinierte Entscheidung“.
b) A
ls Heine 1831 nach Paris kam, befand sich das Julikönigtum in der Phase der Konsolidierung,
es gab zwar politische Veränderungen, doch die sozialen Verhältnisse blieben unangetastet, „die
Identität von wirtschaftlicher und politischer Macht war hergestellt.“ Heine sah die Julimonarchie
als historischen Fortschritt. andererseits als Übergangslösung, die den Keim ihres Verfalls schon in
sich trug. Paris hatte zu der Zeit ca. 850.000 Einwohner und war nach London die zweitgrößte Stadt
der Welt. Es war weniger der äußere Glanz, der Heine faszinierte, sondern die heitere Lebensart
im Kontrast zur deutschen „Tiefe“ und „Misere.“ Er empfand eine Spannung zwischen äußerlicher
Alltagswelt und „der weltbewegenden geschichtlichen Dimension der Stadt.“ Für ihn war Paris die
Verkörperung des „Lebens“, „Der Zweck des Lebens war das Leben selbst.“ Weder sollten tradi-
tionelle Strukturen die Gegenwart beherrschen noch aufklärerische Heilsversprechen den Genuss
der Gegenwart zugunsten einer fernen Zukunft verhindern. Paris war so etwas wie der Inbegriff der
modernen, schnelleren Zeit, hier konnte man sehen, was die Zukunft bereit hielt. Es wurde versucht,
Antworten auf die Entwicklung von Industrie und Finanzwirtschaft zu finden und auf die zunehmende
Verarmung weiter Teile des Handwerks. Die Sozialtheorie des Saint-Simonismus hatte Heine schon
in Deutschland für wichtig befunden, da sie nicht nur die politischen Machtverhältnisse verändern
wollte, sondern auf die gesamten gesellschaftlichen Prozesse zielte, auch auf die sich abzeichnende
Klassenauseinandersetzung. Die Entwicklung von Industrie und Wissenschaft sollte durch staatliche
Lenkung das allgemeine Wohl fördern – nicht nur die Interessen der „Geldmenschen“, damit die
„Ausbeutung des Menschen durch den Menschen“ ein Ende habe. Außerdem identifizierte sich
Heine mit der „Rehabilitation des Fleisches“ durch die Saint-Simonisten – er sah darin die „Wieder-
einsetzung körperlicher Bedürfnisse und Genüsse in ihre angestammten Rechte.“ So lebte Heine
auch mit französischen Künstlern seine hedonistischen Bedürfnisse aus, besuchte wohl auch Pros-
tituierte und begann 1834 seine Beziehung mit Mathilde, die eigentlich Augustine Crescence hieß.
Sie war ein Bauernmädchen und dem Umkreis der Demi-Monde zuzurechnen. Sie soll ohne Bildung,
fast ohne Erziehung gewesen sein, ihr Hauptinteresse soll dem Ausgehen und Promenieren in kost-
barer Kleidung, dem Plaudern mit ihrem Papagei und ihrer Gesellschafterin gegolten haben. Heine
versuchte, den Standes- und Bildungsunterschied durch Erziehungsmaßnahmen, die insgesamt
10.000 Francs kosteten, abzumildern – ohne Erfolg. Eine geistige Kommunikation war nicht möglich,
sie teilte seine künstlerisch-geistigen Interessen nicht. Die Autoren vermuten, dass Heine unfähig
war, den Typus der klugen, gesellschaftlich höhergestellten Frau zu lieben. Er begehrte diesen Typ
Frau nicht oder musste damit rechnen, auf keine Gegenliebe zu stoßen. Neben Mathildes erotischer
Faszination war es wohl eine durch Mathildes anti-intellektuelles Wesen bedingte Grundspannung,
die Heine brauchte, um produktiv tätig zu sein. Auch konnte es sein, dass die ihn erniedrigende
Liebesbeziehung ihn wiederum in seiner geistigen und sozialen Überlegenheit bestätigte. Seit 1836
lebten sie zusammen, 1841 heiratete er sie vor einem Duell, um vor dem ungewissen Ausgang der
Auseinandersetzung „Mathilde‘s Posizion in der Welt zu sichern“.
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Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Db) Landeskunde
a) Elisabeth war das fünfte Kind von Thomas und Katia Mann. Sie wurde am 24. April 1918 in Mün-
chen geboren. Ihre Geschwister waren Erika (1905), Klaus (1906), Golo (1909), Monika (1910) und
Michael (1919). 1918 ging der Erste Weltkrieg zu Ende, es gab eine Revolution, der Kaiser dankte
ab, die Republik wurde ausgerufen. Für den Vater Thomas Mann war Elisabeth von Geburt an das
Lieblingskind, über das er die Hexameterdichtung „Gesang vom Kindchen“ schrieb und das in der
stark autobiographisch gefärbten Erzählung „Unordnung und frühes Leid“ die zentrale Rolle spielte.
Der Vater schrieb sehr genau in seinen Tagebüchern über Elisabeth. Dort bekannte er auch, dass er
für keins der früheren Kinder so empfunden habe wie für dieses, dass er die Kleine vom ersten Tag an
mehr liebte als die anderen zusammen. Katia Mann dagegen schien keins der Kinder zu bevorzugen.
Elisabeth wuchs in einer geräumigen Villa mit Garten auf. Die Atmosphäre dort soll „bei aller Regel-
haftigkeit des ‚guten Hauses‘ im ganzen doch eher unkonventionell“ gewesen sein. Künstlerisches,
Schalkhaftes durchzog den Alltag. Die Kinder trugen so genannte „Russenkittel“, hatten einen relativ
einheitlichen Pagenschnitt und es gab so etwas wie eine Familiensprache. Den Vater nannten die
Kinder nach einer Verkleidung für einen Kostümball „Zauberer“, nur Elisabeth nannte ihn „Tommy“,
später dann, nachdem man ihr gesagt hatte, dass sich diese Anrede nicht zieme, „Herrpapale“. So
unterzeichnete Thomas Mann Jahrzehnte danach noch Briefe an seine erwachsene Tochter. Die Mut-
ter galt als das emotionale Zentrum der Familie. Auf das Ruhebedürfnis des Vaters musste unbedingt
Rücksicht genommen werden, Disziplin wurde verlangt. Bei Störungen gab es ein als äußerst scharf
empfundenes „Donnerwetter“. Meist war der Vater distanziert, auch wenn er vorlas, mit den Kindern
in die Oper ging, in der Sandkiste spielte oder andere Scherze zur Freude der Kinder trieb. Thomas
Mann beobachtete die Entwicklung aller Kinder und machte sich Notizen in seinen Tagebüchern,
am ausführlichsten aber beschäftigte ihn Elisabeth und er kümmerte sich intensiver um sie als um
die anderen. Im Gegensatz zu den Geschwistern musste sich Elisabeth im familiären Gefüge keinen
Platz suchen oder erkämpfen. „Er war für sie bereitet und immer schon da. Häusliches Behütetsein
vermittelte ihr einen fast selbstverständlichen Begriff von Stabilität, der ihren Geschwistern entweder
fehlte oder ihnen doch schwer erreichbar blieb.“ Aufgrund des Altersunterschieds von nur einem
Jahr stand der Bruder Michael Elisabeth am nächsten. Sie spielten gemeinsam, wurden gemeinsam
von wechselnden Kindermädchen betreut. Die älteren Geschwister waren zeitweise in Internaten.
Alle Kinder behielten bis zum Ende der Münchner Zeit ihre Zimmer in der Villa. Elisabeth bewunderte
ihre älteren Geschwister, deren Geist und Esprit. Besonders nahe stand ihr Erika –“Sie war eine wun-
derbare ältere Schwester“. Die Manns führten ein offenes, lebhaftes Haus, die Prominenz verkehrte
bei ihnen und die Kinder konnten viele Freunde mitbringen. Elisabeth war eine sehr gute Schülerin,
lernte gern, glänzte in Latein und übersprang eine Gymnasialklasse. Gemäß der Tradition lernte sie
auch das Klavierspiel; durch die Begegnung mit der Oper „Lohengrin“ erwachte ihre Begeisterung für
Musik. Eine andere Begeisterung, die Liebe zum Wasser, die Elisabeths späteres Leben bestimmen
sollte, wurde durch die Urlaube der Manns am Meer entfacht, vor allem dann durch das Ferienhaus
in Nidden auf der Kurischen Nehrung. Gegen den aufkommenden Nationalsozialismus war Elisabeth
durch die weltoffene, tolerante und künstlerische Atmosphäre im Haus gefeit. Mit 12 Jahren war sie
der „Paneuropa“-Vereinigung beigetreten – nicht wegen ihres Vaters, der Ehrenvorsitzender war,
sondern wegen des „Paneuropa“-Gründers, den sie im Elternhaus kennengelernt hatte.
b) Schon als Kind, als Mädchen wollte sie ernst genommen werden. Die Frau des Nobelpreisträgers
Romain Rolland hatte, als ihr die Geschwister Elisabeth und Michael in einheitlicher Kleidung vorge-
führt wurden, sofort Michael als den Jungen erkannt, da er ernster schaue. Erbost habe sie daraufhin
immer „eine Grabesmiene“ aufgesetzt, sobald sie vorgestellt oder fotografiert wurde. Ihre Eltern
hatten zudem „Mädchen immer als gute zweite Klasse bezeichnet.“ In der Schweizer Emigration
begann sie sich in das Geschlechter-Thema einzulesen, da sie die Typisierung - „ernster Blick bei
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Großes Deutsches Sprachdiplom ÜS 01
Db) Landeskunde
Jungen, mangelnde Musikbegabung bei Mädchen“ - ungerecht fand. Sie wollte sich erklären, was da-
hinter steckt, wenn einer für oder gegen Frauenbeteiligung ist. Auch ihr Psychiater hatte formuliert, dass
Liebe plus Beruf für Frauen nicht zu haben sei. Nachdem sie den wesentlich älteren Giuseppe Antonio
Borgese geheiratet hatte (23. 11. 1939), sah sie sich wie ihre Mutter in der Rolle der Ehefrau eines genialen
Mannes. Sie ordnete sich freiwillig unter. „Elisabeth wollte lernen, und sie wollte zu jemandem aufblicken.
Als Schülerin ihres Mannes konnte sie das.“ Sie besuchte Borgeses Vorlesungen, beschäftigte sich wei-
ter mit dem Emanzipationsthema und hatte die vage Idee für ein Buch. Borgese ,,begrüßte“ das Projekt
„theoretisch“, praktisch wollte er, dass sich Elisabeth nur für ihn interessierte. Zum Frauenthema stand
er „so ähnlich wie Dante. Wie Italiener eben so sind: theoretisch Frauen- und Marienverehrer, praktisch
aber doch sehr dominant.“ In die festgefügte Rollenverteilung zwischen Mann und Frau im akademischen
Betrieb wollte sie sich nicht einfügen. Nach der Geburt ihrer zwei Töchter blieb sie überwiegend zu Hau-
se, assistierte ihrem Mann. Sie war fasziniert von dessen Idee einer ,,Weltverfassung“, durch die künftige
Kriege vermieden werden konnten. Sie engagierte sich, sorgte dafür, dass Prominente wie Einstein bei
einer Unterschriftenaktion der Weltföderalisten mitmachten und wurde 1950 zur Präsidentin der „Interna-
tional Organisation of World Federalists“ gewählt. Borgese neidete seiner Frau diesen Erfolg und stellte
sich überhaupt gegen ihre öffentliche Tätigkeit. Elisabeth zog die Scheidung in Erwägung, folgte dann
aber ihrem Mann nach Italien, der an der Universität Mailand einen Lehrauftrag erhalten hatte. Kurz darauf
starb Borgese am 4. 12. 1952. Elisabeth begann ein eigenständiges Leben, zunächst als verantwortliche
Redakteurin für zwei kulturell und philosophisch ausgerichtete Zeitschriften. 1963 erschien dann ihr Buch
„Ascent of Woman“ (Der Aufstieg der Frau). Es basierte auf der These, dass zwischen Weiblichkeit und
Kollektivem ein Zusammenhang bestehe, wohingegen dem Männlichen das Individuelle zugeordnet sei.
Außerdem führte sie darin die alten Rollenbilder der Frau vor. Auf Kritik bei der in den Sechzigerjahren aktiv
werdenden Frauenbewegung stieß allerdings ihr Rollenmodell: junge Frauen sollen sich an ältere, weisere,
erfahrenere Männer halten, von ihnen lernen. Gleichzeitig dienen Frauen bis zu einem gewissen Alter mit
der Familienbetreuung der Gemeinschaft. „Die nun etwa Fünfundvierzigjährige hat ihr Frauenleben voll
erlebt, sie hat Kinder aufgezogen, von dem Mann, den sie liebt, gelernt, was ihr, als seiner Schülerin, zu
lernen gegeben war.“ Nun kann die Frau sich von ihren Pflichten frei machen, ihre eigenen schöpferischen
Gaben entfalten, Weisheit und Tugend an Jüngere vermitteln. „Sie wird in die Rolle eines Mannes wach-
sen; sie wird ein Mann werden.“ Klar zeigt sich der autobiographische Hintergrund dieses Modells. Das
Buch erschien, als Elisabeth 45 Jahre alt war, die zwei Töchter erwachsen waren, die sozialen Pflichten
erledigt: nun konnte sich Elisabeth der eigenen Berufung widmen. Kerstin Holzer schreibt, dass Elisabeth
nach langen Ehejahren mit einem dominanten Mann den Mut gefasst hatte, sich beruflich, intellektuell
und emotional aus seinem Schatten zu lösen, dass das Buch von daher als eine persönliche Befreiungs-
geschichte zu lesen sei. Für Elisabeth war mit dem Buch das Frauenthema erledigt: „Von da an habe ich
einfach gehandelt wie ein Mensch, egal ob weiblich oder männlich. Es interessierte mich nicht mehr.“
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Ermittlung des Gesamtergebnisses
Mündliche Prüfung Teil A
Sprachkompetenz Phonetik* Gesamt
Maximum 30 6 36
Minimum (15) (3) 18
* Ergeben sich bei der phonetischen Kompetenz weniger als 2,25 Punkte, so gilt die gesamte münd-
liche Prüfung als nicht bestanden.
Schriftliche Prüfung
Teil B Teil C Teil D Gesamt
Punkte Prädikate
max. 156,00 – 130 sehr gut
129,99 – 104 gut
min. 103,99 – 78 befriedigend
ab 77,99 – 0 nicht bestanden
Bei Nichtbestehen eines Teils (A, B, C oder D) kann dieser Teil innerhalb eines Zeitraums von
zwölf Monaten einmal wiederholt werden. Das Gesamtprädikat lautet dann, unabhängig von der
erreichten Gesamtpunktzahl, „befriedigend“. Wer mehrere Teile und damit die gesamte Prüfung
nicht bestanden hat, kann die gesamte Prüfung beliebig oft zu jedem späteren Prüfungstermin
wiederholen; eine Jahresfrist besteht dann nicht.
Die mündlichen Leistungen (Teil A) werden am jeweiligen Prüfungszentrum von jeweils zwei Prü-
fenden bewertet. Die schriftlichen Prüfungsarbeiten werden zentral in München bewertet: sowohl
von Bewerterinnen und Bewertern der Ludwig-Maximilians-Universität München als auch des
Goethe-Instituts – jeweils auf der Grundlage einheitlicher Kriterien und voneinander unabhängig.
Ergebnismitteilung und Zeugnis: Die Ergebnismitteilung wird über das Prüfungszentrum
versandt; aufgrund der zentralen Bewertung vergehen bis dahin – gerechnet ab Prüfungstermin
– ca. vier Monate. Bei bestandener Prüfung wird das Zeugnis über das Große Deutsche Sprach-
diplom verliehen im Auftrag der Ludwig-Maximilians-Universität München ebenfalls über das
Prüfungszentrum per Post an die Adresse gesandt, die bei der Anmeldung angegeben wurde.
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