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A: Die Berechnung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 SGB II im Licht der

Rechtsprechung des BSG

1. Die Produkttheorie in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes

In der Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit herrschte recht bald nach Inkrafttreten


des SGB II Einigkeit dahingehend, dass die sog. Produkttheorie die geeignete Methode
ist, um die Angemessenheit im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II (und auch i.S.v.
§ 29 SGB XII) zu bestimmen. Die differenzierteste Darstellung der Produkttheorie fin-
det sich bei Friedrich Putz, Angemessenheit von Unterkunftskosten im Rahmen der
Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II (info also 2004, 198 – 203). Putz
unterscheidet zunächst zwischen einer abstrakten und einer konkreten Angemessen-
heitsgrenze. Die abstrakte Angemessenheitsgrenze ist die Obergrenze, die in jedem Fall
gilt. Die Obergrenze der angemessenen Kosten kann im Einzelfall zugunsten des Hilfe-
empfängers nach oben von der abstrakten Angemessenheitsgrenze abweichen (z.B.
wegen besonderen Wohnraumbedarfes eines Rollstuhlfahrers usw.). Putz vertritt, dass
zunächst die angemessene Wohnfläche festzulegen ist. Dabei nimmt er, wie später die
sozialgerichtliche Rechtsprechung, Bezug auf die landesrechtlichen Regelungen, betref-
fend den sozialen Wohnungsbau. Im zweiten Schritt ist der angemessene Wohnstan-
dard festzulegen. Hier ist nach Putz auch die Wohnlage einzubeziehen. Im dritten
Schritt rekurriert Putz auf das örtliche Mietpreisniveau. Putz weist dabei darauf hin,
dass die abstrakte Angemessenheitsgrenze eine Obergrenze der Aufwendungen ist und
dass deshalb nicht auf den Mittelwert der Mieten des untersten Preisbereiches, sondern
auf die diesem Bereich noch zuzuordnenden Höchstbeträge abzustellen ist (S. 200). Im
Anschluss nimmt Putz zwei Ergebniskontrollen vor. In der Ergebniskontrolle 1 soll über-
prüft werden, ob die Angemessenheitsgrenze so bemessen ist, dass ein Großteil der
Personen, die ab 01.01.2005 Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II erlangten, in
ihren bisherigen Wohnungen würde bleiben können. Putz nimmt dabei Bezug auf Ver-
lautbarungen in der Bundesregierung, nach denen es nur in einer geringen Zahl von
Fällen zum Erfordernis des Umzugs zum Zwecke der Unterkunftskostensenkung kom-
men solle.

Wenn man diesem Argument folgen will, so deutet bereits dies darauf hin, dass die
Stadt Freiburg als gegenüber dem jobcenter Freiburg Stadt weisungsberechtigter Trä-
ger die Angemessenheit von Unterkunftskosten von Anfang an unzutreffend bestimmt
hat, denn in der Stadt Freiburg kam es in den Jahren 2005 und 2006 in erheblichem
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Umfang zu Umzügen von Empfängern von Leistungen nach dem SGB II zum Zwecke
der Unterkunftskostensenkung.

Von weit größerer Bedeutung ist die von Putz vorgenommene zweite Ergebniskontrolle,
die bislang in der Rechtsprechung nach Auffassung des Bevollmächtigten noch zu wenig
Beachtung gefunden hat: In diesem Schritt ist zu überprüfen, ob auf dem örtlichen
Wohnungsmarkt „hinreichend angemessener freier Wohnraum verfügbar“ ist. Putz
nimmt hier Bezug auf § 29 Abs. 2 Satz 1 SGB XII. Nach dieser Vorschrift ist es dann
zulässig, Leistungen für die Unterkunft im Leistungsbereich des 3. und 4. Kapitel des
SGB XII zu pauschalieren, „wenn auf dem örtlichen Wohnungsmarkt hinreichend ange-
messener freier Wohnraum verfügbar und in Einzelfällen die Pauschalierung nicht unzu-
mutbar ist. Bei der Bemessung der Pauschale sind die tatsächlichen Gegebenheiten des
örtlichen Wohnungsmarktes, der örtliche Mietspiegel sowie die familiären Verhältnisse
der Leistungsberechtigten zu berücksichtigen“.

Da die abstrakte Angemessenheitsgrenze als Mietobergrenze fungiert, muss für sie erst
recht gelten, was bereits für eine Pauschale gelten muss. Da, so Putz weiter, Empfänger
von Leistungen nach dem SGB II nicht schlechter gestellt werden dürfen, als Sozialhil-
feempfänger, muss diese Überlegung im Leistungsbereich des SGB II genauso gelten,
obwohl eine entsprechende Formulierung in § 27 Nr. 1 SGB II nicht aufgenommen wur-
de.

Unabhängig davon, ob man dem Argument der Heranziehung des § 29 Abs. 2 SGB XII
folgen möchte, ist die Überlegung von Putz deshalb zwingend, weil aus natürlichen
Gründen nur von tatsächlich existierenden und tatsächlich auf dem Markt angebotenen
Wohnungen angenommen werden kann, dass sie geeignet sind, den Wohnraumbedarf
von Empfängern von Leistungen nach dem SGB II zu decken. Dies wird an dieser Stelle
deshalb betont, weil die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes hinsichtlich der Fra-
ge, ob und ggf. wie zu kontrollieren ist, ob die sich aus der Produkttheorie, wie das
Bundessozialgericht sie versteht, ergebende Angemessenheitsgrenze dazu führt, dass
Wohnungen zu diesem Preis tatsächlich anmietbar sind, noch unklar scheint.

Das Bundessozialgericht versteht die Produkttheorie in groben Zügen so, wie


Knickrehm/Voelzke sie in: Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II, Stuttgart 2009,
darstellen (S. 11 – 51). Sie verwenden ebenfalls die Begriffe „abstrakte“ und „konkrete
Angemessenheitsprüfung“, jedoch in anderer Bedeutung als Putz.

Nach dieser Theorie umfasst die abstrakte Angemessenheitsprüfung drei Schritte. Im


ersten Schritt ist die abstrakt angemessene Wohnungsgröße festzulegen.
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Im zweiten Schritt soll der maßgebliche Wohnungsmarkt hinsichtlich seiner geografi-


schen Ausdehnung festgelegt werden.

Im dritten Schritt ist zu ermitteln, „was für eine abstrakt als angemessen eingestufte
Wohnung auf dem für den Hilfebedürftigen maßgeblichen Wohnungsmarkt aufzuwenden
ist.“ Dabei sei, so Knickrehm/Voelzke „nicht nur auf die tatsächlich am Markt angebote-
nen Wohnungen abzustellen, sondern auch auf vermietete Wohnungen.“ Im Anschluss
ist nach dieser Auffassung eine „konkrete Angemessenheitsprüfung“ vorzunehmen. Hier
soll geprüft werden, ob für den Hilfebedürftigen „im konkreten Einzelfall eine bedarfs-
gerechte und kostengünstige Wohnung tatsächlich verfügbar und zugänglich“ sei (Seite
15).

Es bleibt offen, wie diese „konkrete Angemessenheitsprüfung“ vorzunehmen sein soll.

In der Praxis des jobcenter Freiburg Stadt führt die sich aus diesen Überlegungen erge-
bende Auffassung zu folgendem Ergebnis:

Zunächst wird eine Angemessenheitsgrenze festgelegt, ohne dass in die Überlegungen


mit einbezogen würde, ob Wohnungen zu diesem Preis auf dem Markt tatsächlich exis-
tieren. Das jobcenter Freiburg Stadt fordert Empfänger von Leistungen nach dem SGB
II dann auf, nachzuweisen, dass eine kostengünstigere Wohnung als die, die nach Maß-
gabe des jobcenter Freiburg Stadt zu teuer ist, nicht zur Verfügung stehe. Dazu werden
vorbereitete Tabellen ausgehändigt, die von den Hilfeempfängern ausgefüllt werden sol-
len.

Anlage KdU 1: Nachweistabelle des jobcenter Freiburg Stadt

Die Eintragungen in diese Liste sind nicht überprüfbar. Dies überrascht nicht, denn nicht
existierende Tatsachen sind bekanntlich nicht zu beweisen (negativa non sunt proban-
da). Genau dies bürdet das jobcenter Freiburg Stadt Hilfeempfängern jedoch in solchen
Fällen auf.

Die Erfahrung zeigt, dass ein großer Teil von Empfängern von Leistungen nach dem
SGB II damit überfordert ist, die geforderte Tabelle so auszufüllen, wie das jobcenter
Freiburg Stadt dies erwartet. Wenn andererseits die Tabelle regelmäßig geführt wird –
mit welchen Eintragungen auch immer –, dann führt dies nach der Erfahrung des Be-
vollmächtigten dazu, dass über lange Zeit Kosten der Unterkunft, die das jobcenter
Freiburg Stadt für unangemessen erachtet, in voller Höhe als Bedarf berücksichtigt
werden.
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Der 4. Senat des BSG hat seine Auffassung hinsichtlich des zutreffenden Verständnisses
der Produkttheorie am differenziertesten in der Entscheidung vom 19.02.2009 zum Ak-
tenzeichen B 4 AS 30/08 R dargelegt.

„Im ersten Schritt konkretisiert das BSG normativ und unabhängig von den konkreten
örtlichen Gegebenheiten, welche Wohnungsgröße und welcher Wohnungsstandard für
Hilfeempfänger bzw. Bedarfsgemeinschaften abstrakt als angemessen anzusehen sind.
Angemessen sind danach "Aufwendungen für eine Wohnung nur dann, wenn diese nach
Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt
und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist", es sich um eine "Wohnung mit be-
scheidenem Zuschnitt" handelt ("lediglich einfacher und im unteren Segment liegender
Ausstattungsgrad, der Wohnung", vgl BSG, Urteil vom 7.11.2006 – B 7b AS 10/06 R,
BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2 RdNr 24, 28 ).“ (Rn 14)

Im zweiten Schritt ist nach dieser Entscheidung der räumliche Vergleichsmaßstab fest-
zulegen (Rn 20 ff.). Im dritten Schritt soll zu ermitteln sein, „wie viel für eine abstrakt
als angemessen eingestufte Wohnung auf dem für den Hilfebedürftigen maßgeblichen
Wohnungsmarkt aufzuwenden ist. Dabei ist nicht nur auf die tatsächlich am Markt an-
gebotenen Wohnungen abzustellen, sondern auch auf vermietete Wohnungen“ (Rn 24).

Einen vierten Schritt scheint der 4. Senat nicht vorzusehen. Er stellt in der Entschei-
dung jedoch klar, dass „auch von Hilfebedürftigen bei der Suche nach Alternativwoh-
nungen ‚nicht Unmögliches oder Unzumutbares’“ verlangt werden könne. Andererseits
solle jedoch die „Übernahme überhöhter KdU angesichts der genannten Rechtsfolgen-
anordnung exzeptionellen Charakter haben“. Deshalb seien „im Rahmen der Bestim-
mung der Ausnahmen vom Regelfall strenge Anforderungen an die Auslegung der Tat-
bestandsmerkmale der Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit zu stellen“ (Rn 32).

„Eine objektive Unmöglichkeit einer Unterkunftsalternative wird, wenn man auf hinrei-
chend große Vergleichsräume abstellt […], nur in seltenen Ausnahmefällen zu Begrün-
den sein, zumal es in Deutschland derzeit keine allgemeine Wohnungsnot gibt und al-
lenfalls in einzelnen Regionen Mangel an ausreichendem Wohnraum herrscht. […] Ob
von Hilfebedürftigen in extremen Ausnahmefällen auch ein Umzug insbesondere in be-
nachbarte Vergleichsräume verlangt werden kann, lässt der Senat offen.“ (Rn 36)

Diese Entscheidung wirft Fragen auf, denn jedenfalls dann, wenn man nicht annimmt,
dass in allen deutschen Städten und Gemeinden eine recht einheitliche Mischung von
Wohnungen unterschiedlicher Standards vorhanden sei, ist die Argumentation des 4.
Senates unklar.
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Denn tatsächlich unterscheidet sich der Wohnungsbestand innerhalb Deutschlands von


Stadt zu Stadt und Region zu Region ganz erheblich. Insbesondere stark wachsende
Städte wie Freiburg (Zuwachs von etwa 180.000 auf etwa 210.000 Einwohner innerhalb
der letzen 20 Jahre) mit entsprechend hoher Nachfrage auf dem Mietwohnungsmarkt
zeigen nur sehr geringe und weiter zurückgehende Bestände an einfachen und damit
kostengünstigen Wohnungen. Andere Regionen, insbesondere Städte in den neuen
Bundesländern, wie z.B. Cottbus oder große Städte wie Berlin oder Frankfurt zeigen
Wohnungsbestände, die relative große Zahlen von Wohnungen, die in der Wohnungs-
wirtschaft „Schlichtwohnungen“ genannten werden (Ofenheizung, einfacher Boden, alte
Fenster, lange nicht renoviert), umfassen. Das Bundessozialgericht hat bislang nicht
konkretisiert, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen „nicht gehobenen“ Wohn-
standard charakterisieren.

Anders als Putz (in info also, so.) hält der Bevollmächtigte es beispielsweise für durch-
aus vertretbar, Wohnungen mit einer Ofenheizung für angemessen zu erachten – jeden -
falls in einer Stadt oder einer Region, in der es viele Wohnungen mit Ofenheizung gibt.
In anderen Regionen ist die Frage akademisch, denn nur existente Wohnungen können
angemessen sein.

Es erscheint beispielsweise unproblematisch, eine Wohnung, die mit einem Ofen zu be-
heizen ist, relativ alte Fenster hat (Doppelverglasung, aber keine Isolierverglasung),
mit einfachen Fußböden ausgestattet ist (etwa Dielen oder Linoleum), keinen Balkon
hat, eine durchschnittliche bis überdurchschnittliche Lärmbelastung aufweist und in ei-
nem Haus mit mindestens drei Etagen liegt, als angemessen anzusehen. In einigen Re-
gionen Deutschlands existieren solche Wohnungen fraglos in großer Zahl. In vielen an-
deren Regionen existieren solche Wohnungen jedoch so gut wie gar nicht, etwa in Frei-
burg, Heidelberg, Tübingen oder München. Wohnungen, die nicht existieren, können je-
doch nicht angemietet werden. Dasselbe gilt – an und für sich überflüssig darauf hinzu-
weisen – für Wohnungen, die bereits vermietet sind. Wenn jedoch die abstrakte Ange-
messenheitsgrenze anhand von nicht existenten oder vermieteten und damit auf dem
Markt nicht verfügbaren Wohnungen bestimmt würde, dann würde der Hilfeempfänger
auf nicht existente oder aber nicht verfügbare Wohnungen verwiesen, um seinen Woh-
nungsbedarf zu decken. Wohnbedarf kann aber nun einmal nur mit Wohnungen gedeckt
werden, die sowohl existieren, als auch verfügbar sind, also angemietet werden kön-
nen.

Deshalb muss angenommen werden, dass der Verweis auf solche Wohnungen wegen
Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit ausscheidet. Diese Möglichkeit fasst der 4. Senat
auch ins Auge. Unklar ist aber, warum in der Begründung der zitierten Entscheidung
ausdrücklich angenommen wird, dass es nur in seltenen Ausnahmefällen zu solcher Un-
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möglichkeit oder Unzumutbarkeit kommen solle, während sich aus dem Verständnis der
Produkttheorie des 4. Senates an und für sich ergibt, dass in bestimmten Regionen Un-
möglichkeit der Regelfall sein dürfte. Hinsichtlich der Frage, ob Wohnungen im vermie-
teten Bestand, oder Wohnungen, die auf dem Markt tatsächlich angeboten werden, zu
Grunde zu legen sind, gilt dasselbe immer dann, wenn Bestandsmieten und Marktmie-
ten eine relativ große Diskrepanz aufweisen (in Freiburg ausweislich des Gutachtens
zum Mietspiegel knapp 20%; Mietspiegelgutachten 2007, S. 51).

In der Entscheidung vom 22.09.2009 zum Aktenzeichen B 4 AS 18/09 R wiederholt der


4. Senat nicht die Auffassung, dass der Wohnstandard bundesweit einheitlich festzule-
gen sei. Die Entscheidung vom 19.02.2009 zum Aktenzeichen B 4 AS 30/08 R wird
zwar zitiert, jedoch nicht ausdrücklich zur Frage des Wohnstandards.

Der 14. Senat hat sein Verständnis der Produkttheorie zuletzt in der Entscheidung vom
18.02.2010 zum Aktenzeichen B 14 AS 73/08 R expliziert. Das Verständnis unterschei-
det sich insofern von demjenigen des 4. Senates, als hier vier Schritte vorgenommen
werden:

Im ersten Schritt ist die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der abstrakt ange-
messene Wohnungsstandard festzustellen. Der 14. Senat hat – soweit der Bevollmäch-
tigte die Rechtsprechung überblickt – bislang nicht die Auffassung vertreten, dass die-
ser Wohnungsstandard bundeseinheitlich festzulegen sei.

Im zweiten Schritt ist der räumliche Vergleichsmaßstab festzulegen.

Im dritten Schritt ist zu ermitteln, wie viel für eine abstrakt angemessene Wohnung auf
dem für den Hilfebedürftigen maßgeblichen Wohnungsmarkt aufzuwenden ist.

Den vierten Schritt formuliert der 14. Senat wie folgt: „Abschließend ist zu prüfen, ob
der Hilfesuchende eine solchermaßen abstrakt angemessene Wohnung auch tatsächlich
hätte anmieten können, ob also eine konkrete Unterkunftsalternative bestanden hat.“
(Rn 21).

Wie der 4. Senat hat auch der 14. Senat bislang offen gelassen, auf welchem Wege und
von wem dieser vierte Schritt, dessen es zwingend bedarf, um zu einem schlüssigen Er-
gebnis zu gelangen, vorzunehmen ist (zu den diesbezüglichen Erfordernissen s.u. unter
4.).

In Bezug auf den ersten Schritt besteht bislang weitgehend Einigkeit dahingehend, dass
auf die Wohnflächen, die sich aus den einschlägigen Vorschriften des sozialen Woh-
nungsbaus ergeben, abzustellen sei. Der zweite Schritt, die Bestimmung des Ver-
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gleichsraums, ist vorliegend unstreitig und soll deshalb hier nicht weiter thematisiert
werden. Der dritte Schritt, die Bezifferung der für die als abstrakt angesehene Woh-
nung entstehenden Aufwendungen, ist bislang in erster Linie in Fällen Gegenstand der
Rechtssprechung des BSG gewesen, in denen ein Mietspiegel nicht zur Verfügung steht.

Im Folgenden wird zunächst erläutert, wie das jobcenter Freiburg Stadt die Angemes-
senheitsgrenze, mit der sie gearbeitet hat, bestimmt hat (2.). Im nächsten Schritt wird
gezeigt, welche Aufwendungen für Wohnungen in der Stadt Freiburg tatsächlich regel-
mäßig anzusetzen sind (3.). Im nächsten Schritt wird dargestellt, welche Konsequenzen
für den Ermittlungsbedarf sich aus dieser Situation ergeben.

Im Anschluss wird die Frage thematisiert, ob auch dann, wenn ein Mietspiegel vorhan-
den ist, bei Ermittlungsausfall auf die Werte aus § 12 WoGG zurückgegriffen werden
kann (5.).

2. Das Konzept der Stadt Freiburg

Bis zum 31.8.2007 vertrat das jobcenter Freiburg Stadt noch die Auffassung, die Ange-
messenheit von Unterkunftskosten sei anhand eines einheitlichen Quadratmeterwertes
für die Nettokaltmiete zu beziffern. Dieser Wert betrug 5,62 €. Dieser Wert wurde von
dem jobcenter Freiburg Stadt ebenso wenig wie von der Stadt Freiburg als auftragge-
bender Behörde in irgendeiner Weise begründet. Im damaligen Verfahren wurde
schlicht vorgetragen, dieser Wert habe sich bewährt und sei von der Rechtsprechung
auch bislang nicht in Frage gestellt worden. Da es in der Stadt Freiburg in den Jahren
2005 und 2006 in einer großen Zahl von Fällen dazu kam, dass Empfänger von Leistun-
gen nach dem SGB II wegen – vermeintlicher – Unangemessenheit der Unterkunftskos-
ten umziehen mussten, hat sich der Gemeinderat der Stadt Freiburg mit der Sache be-
fasst und Vorgaben entwickelt, die dann dem jobcenter Freiburg Stadt gemacht wur-
den.

Das ursprüngliche Konzept kann keinesfalls als plausibles Konzept im Sinne der Recht-
sprechung des BSG gelten, denn das BSG hat bereits entschieden, dass ein Konzept,
das nicht berücksichtigt, dass die Quadratmetermieten kleinerer Wohnungen deutlich
höher liegen als die Quadratmetermieten größerer Wohnungen, nicht als plausibles
Konzept anerkannt werden kann (Urteil vom 18.02.2010, B 14 AS 73/08 R, Rn 27).

Das jobcenter Freiburg Stadt hat zwar das neue Konzept in den Fällen, die dem Unter-
zeichner bekannt sind, im Regelfall erst ab September 2007 angewandt, in Klagever-
fahren jedoch regelmäßig anerkannt, dass das neue Konzept auch im Zeitraum vor dem
01.09.2007, also von Februar bis Juli 2007 angewandt wird.
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Das neue Konzept wurde in der Beschlussvorlage vom 14.09.2007 (Gemeinderats-


drucksache der Stadt Freiburg G-07/191) entwickelt und vorgestellt. Der Gemeinderat
hat dem Beschlussantrag entsprochen und dem jobcenter Freiburg Stadt entsprechend
Weisung erteilt.

Die Passage, aus der sich die Berechnung der neuen Grenze ergibt, ist sehr kurz und
lautet wie folgt:

„Die vorgesehene Neufestsetzung der Mietobergrenze erfolgt unter Berücksichtigung


der im neuen Mietspiegel ausgewiesenen Basismiete. Allerdings verfügen die Standard-
wohnungen, die den Berechnungen des Mietspiegels für die Basismiete zu Grunde lie-
gen, über einen gehobenen und damit im Rahmen einer angemessenen Unterkunft
nicht zu berücksichtigenden Standard. Deshalb ist die Basismiete um entsprechende
Abschläge hinsichtlich einfacher Ausstattungsmerkmale (Baualter -6%, einfache Boden-
ausstattung -6%, kein Balkon -2%) zu kürzen. Hieraus ergeben sich folgende Richtwer-
te:

1 Person bis 2 Personen bis 3 Personen bis 4 Personen bis 5 Personen bis
45 qm 60 qm 75 qm 90 qm 105 qm

6,46 €/qm 5,87 €/qm 5,61 €/qm 5,50 €/qm 5,52 €/qm

Die Verwaltung schlägt daher vor, die Mietobergrenze für Wohnungen bis zu 45 m² von
5,62 € auf 6,46 € und für Wohnungen bis zu 60 m² von 5,62 € auf 5,87 € anzuheben.
Für Wohnungen über 60 m² ergeben sich aus dem Mietspiegel Richtwerte, die geringfü-
gig unter der bisherigen Mietobergrenze liegen. Die Verwaltung schlägt jedoch in Ab-
stimmung mit der JOBCENTER FREIBURG STADT vor, die bisherige Mietobergrenze in
Höhe von 5,62 € pro m² für größere Wohnungen ab 60 m² beizubehalten.“ (Stadt Frei-
burg, Gemeinderatsdrucksache G-07/191, S. 4)

Eine weitere Passage der Gemeinderatsdrucksache beschäftigt sich mit der Situation
auf dem Wohnungsmarkt und ist offensichtlich so gemeint, dass mit dieser Passage be-
legt werden soll, dass die sich aus der oben genannten Passage ergebende Bezifferung
sicherstellt, dass tatsächlich Wohnungen zu dem vom Leistungsträger für angemessen
erachteten Preis gefunden werden können. Diese Passage lautet:

„Allein die Stadt verfügt über 1.300 eigene Wohneinheiten, die bis auf wenige Ausnah-
men von der Lage, der Ausstattung und dem Wohnstandard diesem Marktsegment zu-
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zurechnen sind. Darüber hinaus sind bei den großen Akteuren der Wohnungswirtschaft,
insbesondere bei der Freiburger Stadtbau GmbH (FSB) zahlreiche Wohnungen vorhan-
den, die diesem von der Rechtsprechung vorgegebenen Standard entsprechen. Damit
kann die Verwaltung im Streitfall den Beweis antreten, dass Wohnungen im unteren
Preissegment konkret am Markt angemietet werden können und die Zielgruppe der
Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger adäquat mit angemessenem Wohn-
raum versorgt werden kann. Dies bestätigen die Fallzahlen der JOBCENTER FREIBURG
STADT, die im Zeitraum März bis Mai 2007 in 41 Fällen Wohnungsbeschaffungskosten
für Wohnungen übernommen hat. 51% dieser Neuanmietungen bezogen sich auf kleine
Wohnungen mit einer Fläche bis zu 45 m². Weitere 20% entfielen auf Wohnungen mit
einer Fläche bis zu 60 m². Bei den Wohnungen bis zu 45 m² liegt der durchschnittliche
Preis bei 4,65 € pro m²; bei Wohnungen mit bis zu 60 m² bei 5,03 € pro m².“ (Stadt
Freiburg, Gemeinderatsdrucksache G-07/191, S. 5)

Anlage KdU 2: Gemeinderatsdrucksache G-07/191

Im Jahr 2009 hat die Stadt Freiburg die sogenannten „Mietobergrenzen“ geringfügig er-
höht, an der Methodik jedoch nichts geändert (Gemeinderatsdrucksache G-09/093, Ge-
meinderatsdrucksache G-09/093.1, Gemeinderatsbeschluss vom 05.05.2009). Im Er-
gebnis hat das jobcenter Freiburg Stadt die Auffassung vertreten, dass bis zum
31.08.2007 für einen Zweipersonenhaushalt eine Nettokaltmiete von 337,20 € ange-
messen sei (5,62 € x 60). Ab 01.09.2007 bis 30.04.2009 hielt das jobcenter Freiburg
Stadt den Betrag von 352,20 € netto-kalt für angemessen (5,87 € x 60). Seit
01.05.2009 hält sie den Betrag von 364,80 € für angemessen (6,08 € x 60).

Im Februar 2005 befanden sich laut online veröffentlichter Statistik der Bundesagentur
für Arbeit in Freiburg 16.822 Personen im Leistungsbezug (nur SGB II). Die Zahl der
Bedarfsgemeinschaften betrug 8.953.

Der wichtigste Akteur auf dem Freiburg Wohnungsmarkt ist die Freiburger Stadtbau
GmbH (FSB), die sich zu 100% im Eigentum der Stadt Freiburg (einzige Gesellschafte-
rin) befindet. Ausweislich des Geschäftsberichtes der FSB für das Jahr 2007 betrug der
Bestand an eigenen Mietwohnungen in diesem Jahr 7.782 Wohneinheiten. Dazu kamen
427 angemietete und weitere 1.185 von der FSB verwaltete Mieteinheiten. Darüber hin-
aus nennt der Bericht 1.333 WEG-Einheiten. Insgesamt verwaltete die FSB damit im
Jahr 2007 10.727 Wohneinheiten.

3. Tatsächliche Situation auf dem Freiburger Wohnungsmarkt

Ausweislich des ausführlichen Gutachtens zum Mietspiegel


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Anlage KdU 3: Gutachten zum Mietspiegel 2007

hat Freiburg einen Wohnungsbestand von ca. 130.000 Wohnungen (S. 12). 34% dieser
Wohnungen werden vom Eigentümer oder Miteigentümer genutzt (aaO). Damit ver-
bleibt ein Bestand von etwas weniger als 86.000 Mietwohnungen.

Zum 01.01.2009 – ältere Zahlen liegen dem Bevollmächtigten leider nicht vor - befan-
den sich insgesamt 3.350 Wohneinheiten in der Stadt Freiburg in der öffentlichen För-
derung. 584 davon wiesen eine Quadratmetermiete kalt von 3,60 € bis 4,31 € aus. 843
Wohnungen zeigen eine Quadratmetermiete von 4,31 € bis 5,03 €. Die Nettokalt-Qua-
dratmetermiete von 1.200 Wohnungen betrug 5,03 € bis 5,75 €. Die Nettokaltmiete
weiterer 620 Wohnungen betrug 5,75 € bis 6,47 € (Gemeinderatsdrucksache G-09/024
vom 23.01.2009, Seite 5).

Anlage KdU 4: Gemeinderatsdrucksache G-09/024

Besonders hinzuweisen ist darauf, dass der Mittelwert der ortsüblichen Vergleichsmiete
auch dieser sogenannten „Sozialwohnungen“ 7,19 € netto-kalt pro Quadratmeter be-
trug (aaO). Wenn berücksichtigt wird, dass die Quadratmetermieten kleinerer Wohnun-
gen höher liegen als diejenigen größerer Wohnungen, dann ist davon auszugehen, dass
der Mittelwert der ortsüblichen Vergleichsmiete gemäß Mietspiegel auch dieser Sozial-
wohnungen im Bereich von Wohnungen von weniger als 60 Quadratmetern deutlich hö-
her als 7,19 € netto-kalt pro Quadratmeter liegt.

Zur durchschnittlichen Miete aller Wohnungen und zur durchschnittlichen Miete tatsäch-
lich auf dem Markt angebotener Wohnungen liegen folgende Zahlen vor:

Es gibt zwei Auswertungen von Wohnungsinseraten. Die Stadt Freiburg selbst hat am
27.01.2005 einen Bericht einer Auswertung von Wohnungsinseraten veröffentlicht.

Anlage KdU 5: Untersuchung des Amtes für Statistik der Stadt Freiburg 2004

Dieser Bericht weist zwar eklatante Schwächen auf. So wird etwa die Nachfrage anhand
der Wohnungssuchinserate in der Presse beurteilt, was sicher realitätsfern ist.

Aus dem Bericht ergibt sich jedoch, wie hoch die durchschnittliche Nettokaltmiete pro
Quadratmeter von in Freiburger Zeitschriften angebotenen Wohnungen im Jahr 2004
ist. Danach beträgt die durchschnittlichen Nettokaltmiete pro Quadratmeter für das
Stadtgebiete für Wohnungen von 2 bis zu 2,5 Zimmern 8,55 € und für Wohnungen von
3 bis 3,5 Zimmern 8,15 € (Seite 8 des Berichtes).
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Eine weitere Untersuchung hat der „Runde Tisch zu den Auswirkungen der Hartz-Geset-
ze in Freiburg“ angefertigt.

Anlage KdU 6: Untersuchung des „Runden Tisches“

Auch hier wurden Inserate ausgewertet. Vom 27.05.2006 bis zum 31.08.2006 wurden
die drei einschlägigen Anzeigenblätter vollständig ausgewertet (Seite 2 des Berichtes).
Die durchschnittliche Nettokaltmiete von Wohnungen zu einer Größe von 45 bis 60
Quadratmeter betrug im Berichtszeitraum 8,67 € und für Wohnungen von einer Größe
von 60 bis 75 Quadratmeter 8,24 € (Seite 5 des Berichtes). Etwas niedrigere Zahlen er-
geben sich aus dem Mietspiegelgutachten des Jahres 2007. Dabei ist Folgendes zu be-
rücksichtigen:

Der Mitspiegel erfasst nicht alle Wohnungen, sondern trifft eine bestimmte Auswahl.
Nicht mietspiegelrelevant sind damit

- preisgebundene Wohnungen oder Wohnungen, die durch gesetzliche Vorschrif-


ten an Höchstbeträge gebunden sind,

- Wohnungen, die nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet sind,

- Wohnraum, der Teil der vom Vermieter selbst bewohnten Wohnung ist (Unter-
vermietung),

- Wohnraum in einem Wohnheim oder in sozialen Einrichtungen.

Der Mietspiegel der Stadt Freiburg klammert darüber hinaus folgenden Wohnraum aus:

- kostenlos oder verbilligt überlassenen Wohnraum,

- sonstige Untermietsverhältnisse,

- Wohnraum, für den mehr als ein Hauptmietvertrag besteht,

- Einzelzimmer ohne Küche und Bad,

- Einfamilienhäuser, Reihenhäuser, Zweifamilienhäuser und Doppelhaushälften,

- nicht abgeschlossener Wohnraum,

- Wohnraum der mindestens teilweise zu Geschäftszwecken genutzt wird,

- möbliert vermieteten Wohnraum (ausgenommen Ausstattung mit Einbauküchen


und Einbauschränken),
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- von Eigentümerinnen/Eigentümern bewohnten Wohnraum.

(Gutachten zum Mietspiegel S. 7 f)

Darüber hinaus sind Wohnungen, deren Nettokaltmiete seit mindestens vier Jahren un-
verändert ist, nicht mietspiegelrelevant (aaO).

Damit umfasst die Gesamtheit der Wohnungen, die in die Auswertungen einfließt, zwei
Gruppen von Wohnungen

a) Wohnungen, die innerhalb der letzten vier Jahre neu vermietet worden sind und

b) Wohnungen, deren Nettokaltmiete in den letzten vier Jahren seit Datenerhebung er-
höht wurde.

Die Datenerhebung zum Mietspiegel 2007 fand im Sommer 2006 statt. Die Gruppe a) –
neu vermietete Wohnungen – umfasst also Wohnungen, für die Mietverträge im Zeit-
raum Sommer 2002 bis Sommer 2006 neu abgeschlossen wurden. Die insgesamt in die
Auswertung eingeflossenen Mieten teilen sich wie folgt auf:

- Neumieten (a) 55%

- Bestandsmieten (b) 45% (Seite 49 des Gutachtens).

Die durchschnittliche monatliche Nettomiete aller Neumieten beträgt 7,53 € netto-kalt


pro Quadratmeter.

Die durchschnittliche monatliche Nettokaltmiete aller Bestandsmieten beträgt 6,15 €


pro Quadratmeter (aaO).

Die Mieten sind in der Stadt Freiburg ausweislich des Gutachtens von 2003 bis 2006 um
7,6% gestiegen (Seite 48 des Gutachtens). Die Differenz zwischen durchschnittlichen
Neumieten und durchschnittlichen Bestandsmieten – wobei immer zu berücksichtigen
ist, dass es sich um in den letzten vier Jahren angepasste Mieten handelt – wird auf
Seite 51 des Gutachtens nach Wohnungsgrößen spezifiziert. Danach beträgt die durch-
schnittliche Nettokaltmiete bei Neuvermietung für Wohnungen mit einer Fläche von 41
bis 60 Quadratmeter 7,68 € netto-kalt pro Quadratmeter. Die entsprechende Bestands-
miete beträgt 6,52 € pro Quadratmeter.

Da Neumieten aus dem Zeitraum Sommer 2002 bis Sommer 2006 in die Auswertung
eingeflossen sind, ist der Wert von 7,68 € zu bereinigen, denn die Mieten sind in die-
sem Zeitraum um 2,5% pro Jahr, im gesamten Vierjahreszeitraum also um 10% gestie-
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gen. Es ist anzunehmen, dass die Zeitpunkte des Vertragsschlusses sich gleichmäßig
auf den Vierjahreszeitraum verteilen. Der Wert von 7,68 € gibt also die durchschnittli-
che Nettokaltmiete von Wohnungen von 41 bis 60 Quadratmeter bei Neuvermietung im
Jahr 2004 an. Er ist deshalb für das Jahr 2007 um 7,5% zu erhöhen. Damit ergibt sich
aus dem Mietspiegelgutachten eine durchschnittliche Nettokaltmiete von 8,26 € pro
Quadratmeter für Wohnungen mit einer Fläche von 41 bis 60 Quadratmeter im Gebiet
der Stadt Freiburg.

Der Mietspiegel 2009 nennt eine durchschnittliche Mietpreissteigerung vom Juni 2006
bis November 2008 von 3,3% (Seite 5).

Anlage KdU 7: Mietspiegel 2009

Demnach dürfte der Wert von 8,26 €, der sich aus dem Mietspiegel von 2007 errech-
net, geringfügig nach unten zu korrigieren sein. Für den Sommer 2006 ergibt sich ein
Wert von 8,06 € (7,68 € + 5%). Für die erste Jahreshälfte 2007 dürfte die durch-
schnittliche Nettokaltmiete bei neuvermieteten Wohnungen zu einer Größe von 41 bis
60 Quadratmeter dann bei etwa 8,14 € liegen (8,06 € + 1%).

Die Differenz zwischen dem Wert, der sich aus der Auswertung des „Runden Tisches zu
den Auswirkungen der Hartz-Gesetze in Freiburg“ und dem Mietspiegel ergibt, ist un-
schwer zu erklären. Denn die Akteure des sozialen Wohnungsbaus, insbesondere die
FSB und die Stadt Freiburg, inserieren üblicherweise nicht. Die Nachfrage nach deren
Wohnungen ist so groß, dass Wohnungsbewerber ohnehin mit teilweise mehrjähriger
Wartezeit konfrontiert werden. Die Wohnungen der FSB und der Stadt Freiburg werden
deshalb nach Kenntnis des Unterzeichners weder beworben, noch inseriert. Da die
12.000 Wohnungen, die von der FSB verwaltet werden, bzw. der Stadt Freiburg gehö-
ren, sicher die wenigen relativ günstigen Wohnungen, die in der Stadt Freiburg existie-
ren, umfassen, überrascht die Differenz zwischen den beiden Werten nicht. Die Diffe-
renz dürfte noch etwas größer ausfallen, wenn berücksichtigt wird, dass der Wert, der
sich aus dem Mitspiegel ergibt, Wohnungen mit einer Fläche von 41 bis 60 Quadratme-
tern umfasst, während der Wert aus der Untersuchung des „runden Tisches“ Wohnun-
gen mit einer Fläche von 45 bis 60 Quadratmetern umfasst. Da der Anteil der kleineren
Wohnungen im Wert aus dem Mietspiegel größer ist, ist der Wert auch entsprechend
höher, denn kleinere Wohnungen sind in Relation zur Fläche teurer.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die durchschnittlichen Einkommen in der Stadt


Freiburg relativ niedrig liegen. Ausweislich einer Meldung der Badischen Zeitung vom
15.01.2009 geben Freiburgerinnen und Freiburger durchschnittlich 44% ihres Einkom-
mens für ihre Wohnungen aus. Die Badische Zeitung nimmt dabei Bezug auf eine Stu-
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die des Immobilienverbandes Deutschland. Danach liegt der durchschnittliche Anteil


des Haushaltsnettoeinkommens, der für das Wohnen ausgegeben wird, bei 35%. Dass
Freiburg diesen Wert übertrifft, soll nicht nur an den Mieten, sondern auch am relativ
niedrigen Durchschnittseinkommen Freiburger Bürgerinnen und Bürger liegen (ausweis-
lich der Meldung 1.609,63 €).

Dies ist insofern zu berücksichtigen, als damit anzunehmen ist, dass die Nachfrage im
unteren Bereich des Wohnungsmarktes besonders stark ist. Um besonders kostengüns-
tige Wohnungen bewerben sich damit nicht nur 16.822 Empfänger von Leistungen nach
dem SGB II (Zahl Februar 2007), sondern auch ein großer Anteil der übrigen Bevölke -
rung, der auch ohne Leistungen nach dem SGB II zu beziehen, über relativ niedriges
Einkommen verfügt. Die Studie, auf die der Artikel der Badischen Zeitung sich stützt
wird anliegend als

Anlage KdU 8: Studie IVD

beigefügt.

Sie ist sicher nicht geeignet, um verlässliche Daten über den Wohnungsmarkt zu gewin-
nen, jedoch geeignet, um zu belegen, dass die Nachfrage im unteren Bereich des Woh -
nungsmarktes in Deutschland sehr unterschiedlich ist. Der ausweislich der Zahlen die-
ser Studie für Wohnen aufzuwendende Anteil des Nettoeinkommens schwankt zwischen
27,53% und 43,80%. Freiburg ist demnach die Stadt in Deutschland, innerhalb derer
durchschnittlich der größte Teil des Nettoeinkommens für Wohnen ausgegeben werden
muss.

4. Konsequenzen für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze

a) Daten aus dem Mietspiegel

Ein Mietspiegel ist zunächst kein Dokument, das Aufschluss darüber gäbe, zu welchen
Preisen Wohnungen auf einem räumlich umgrenzten Wohnungsmarkt angemietet wer-
den können, sondern gerade umgekehrt: Der Mietspiegel trifft eine Aussage darüber,
welcher Mietpreis für eine gegebene und nach Lage, Ausstattung und Größe beschrie-
bene Wohnung innerhalb eines bestimmten räumlichen Bereiches marktgerecht ist.
Deshalb ist ein Mietspiegel nicht ohne weiteres bzw. nur unter Zuhilfenahme der im
Mietspiegelgutachten enthaltenen Informationen geeignet, die abstrakte Angemessen-
heitsgrenze zu ermitteln. Bereits die Basismiete ist ein willkürlich gewählter Wert, dem
für sich genommen keinerlei Aussagekraft zukommt. Die Höhe der Basismiete ergibt
sich ausschließlich aus der Methodik, die die Wissenschaftler, die den Mietspiegel erstel-
len, wählen. Der Mietspiegel 2004 der Stadt Freiburg wurde von einem anderen Institut
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erstellt, als der Mietspiegel 2007. Die Basismieten zwischen beiden Mietspiegeln unter-
scheiden sich erheblich, ohne dass daraus irgendwelche Rückschlüsse auf die Woh-
nungsmarktsituation gezogen werden könnten.

Die Basismiete im Mietspiegel 2007 beträgt für eine 60 m²-Wohnung 6,83 € pro Qua -
dratmeter. Die Basismiete für eine 60 m²-Wohnung im Mietspiegel 2004 beträgt 4,45 €
pro Quadratmeter. Die Mietsteigerung von 2004 bis 2007 betrug jedoch lediglich 7,5 %
(s.o.).

Anlage KdU 9: Mietspiegel 2007

Anlage KdU 10: Mietspiegel 2004

Mit der Methode, die das jobcenter Freiburg Stadt bzw. die Stadt Freiburg gewählt hat,
könnte jeder beliebige Wert „errechnet“ werden, wie folgendes Beispiel deutlich macht:

Die Basismiete für Wohnungen mit einer Größe von 60 m² beträgt 6,83 €. Die Baualter-
sklasse, die den höchsten Abschlag ausweist, ist die Altersklasse 1949 bis 1960. Diese
hat die Beklagte auch gewählt, dies jedoch in der Gemeinderatsdrucksache lediglich als
„Baualter minus 6 %“ ausgewiesen. Die Baualtersklasse vor 1919 weist einen Abschlag
von minus 1% aus, die Baualtersklasse von 1919 bis 1948 von minus 2%. Die Baual-
tersklasse 1961 – 1977 ist ohne Ab- und Zuschläge. Alle späteren Baualtersklassen
weisen Aufschläge aus. Der Mietspiegel enthält keine Daten zu der Frage, wie viele
Wohnungen, die zwischen 1949 und 1960 gebaut wurden, in Freiburg überhaupt exis-
tieren (Tabelle 2a/Seite 10 des Mietspiegels).

Im zweiten Schritt muss das Wohnwertmerkmal bestimmt werden (Mietspiegel Seite


11, Tabelle 2b). Alle Wohnwertmerkmale mit Ausnahme der Souterrainwohnungen zei-
gen Aufschläge. Das Wohnwertmerkmal findet jedoch in der Berechnung des jobcenter
Freiburg Stadt keinerlei Berücksichtigung. Wenn angenommen wird, dass eine Souter-
rainwohnung grundsätzlich ausreichend ist, ergibt sich ein weiterer Abschlag von minus
9%.

Aus Tabelle 2c ergeben sich Ausstattungsmerkmale mit positivem und negativem Miet-
preiseinfluss (S. 12 des Mietspiegels). Das jobcenter Freiburg Stadt hat keinerlei Aus-
stattungsmerkmale mit positivem Mietpreiseinfluss in Ansatz gebracht, obwohl die
meisten Wohnungen z.B. für Wohngemeinschaften geeignet sein dürften. Darüber hin-
aus haben alle Wohnungen, die in jüngerer Zeit gebaut sind, einen Stellplatz, weil dies
durch § 37 der Landesbauordnung Baden-Württemberg vorgeschrieben ist. In vielen
Wohnungen ist auch eine Küchenausstattung ganz oder teilweise vorhanden. Aus die-
sen drei Merkmalen würde sich ein Zuschlag von 3 % + 3 % + 5 % = 11 % ergeben.
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Das jobcenter Freiburg Stadt hat willkürlich eine Position aus den Ausstattungsmerkma-
len mit negativem Mietpreisfluss herausgegriffen, nämlich die überwiegend einfache Bo -
denausstattung mit minus 6%.

Nach derselben Methode ließe sich folgende Wohnung konstruieren, die nach Lage, Aus-
stattung und Größe ohne weiteres als angemessen angesehen werden könnte:

Die Wohnung soll zwischen 1949 und 1960 gebaut sein, keines der Merkmale aus Ta-
belle 2b und keine der positiven Merkmale aus Tabelle 2c, jedoch folgende negative
Merkmale aus dieser Tabelle aufweisen:

Überwiegend einfache Bodenausstattung, unterdurchschnittliche Badausstattung, keine


Gegensprechanlage mit Türöffner, kein Balkon, die Installationen sollen sichtbar auf
Putz verlegt sein, Kabel- oder Gemeinschaftsantennenanschluss ist nicht vorhanden.

Darüber hinaus liegt die Wohnung in Stadtteil Haslach, hat keines der Merkmale mit po -
sitivem Mietpreiseinfluss aus Tabelle 2c, jedoch folgende Merkmale mit negativem Miet-
preiseinfluss aus dieser Tabelle: Die Haupträume der Wohnung sind unmittelbar ausge-
richtet in Richtung Hauptstraße, die fußläufige Entfernung zur nächsten Bushaltestelle
beträgt mehr als 500 m. Die fußläufige Entfernung zur Einkaufsmöglichkeiten beträgt
mehr als 600 m. Die Beeinträchtigung durch Rauch, Staub, Geruch, Schmutz, Erschüt-
terung oder sonstigem Lärm ist hoch.

Damit ergibt sich ein Abschlag von insgesamt 43%. Die angemessene Quadratmeter-
miete für eine solche Wohnung betrüge 3,89 €. Eine solche Wohnung wird man in Frei-
burg jedoch nicht finden. Zahlen darüber enthält der Mietspiegel nicht.

Auch das Mietspiegelgutachten trifft keine direkte Aussage darüber. Aus dem Mietspie-
gelgutachten lässt sich aber entnehmen, dass Wohnungen in dieser Preisklasse prak-
tisch nicht existieren. Das Mietspiegelgutachten nennt diesbezüglich keine Zahlen, son-
dern zeigt lediglich Diagramme. Relevant ist hier die Abbildung 11 auf Seite 52 unten,
die die Verteilung der monatlichen Nettomieten pro Quadratmeter aller erfassten neu
vermieteten Wohnungen zwischen 41 m² und 60 m² Wohnfläche darstellt.

Die Methode, die das jobcenter Freiburg Stadt gewählt hat, erweckt damit lediglich den
Anschein, in geeigneter Weise auf den Mietspiegel zu rekurrieren. Tatsächlich ist die
Auswahl der zugrunde gelegten Daten willkürlich. Jedenfalls ergibt sich weder aus der
Gemeinderatsdrucksache, noch aus anderen Unterlagen, warum gerade diese Daten
herausgegriffen wurden.
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In der Folge wird in der oben zitierten Passage aus der Gemeinderatsdrucksache G-
07/191 zwar behauptet, die Verwaltung könne „im Streitfall den Beweis antreten, dass
Wohnungen im unterem Preissegment konkret angemietet werden können“. Die Ver-
waltung hat jedoch bislang keinen Versuch unternommen, diesen Beweis anzutreten.
Sie wurde auch weder von Sozialgericht Freiburg, noch vom Landessozialgericht Baden-
Württemberg dazu aufgerufen.

Stattdessen haben alle Kammern bzw. Senate der beiden Gerichte, die mit der Frage
befasst waren, es bislang abgelehnt, eigene Ermittlungen anzustellen oder auch nur
das jobcenter Freiburg Stadt aufzufordern, entweder zu ermitteln oder den in der Ge-
meinderatsdrucksache aus dem Jahr 2007 angekündigten Beweis auch tatsächlich an-
zutreten. Deshalb existieren bis heute keine über die in der Gemeinderatsdrucksache
G-7/191 der Stadt Freiburg hinausgehenden Versuche, die von dem jobcenter Freiburg
Stadt angewendete abstrakte Angemessenheitsgrenze plausibel zu machen. Die zitierte
Gemeinderatsdrucksache selbst reicht dazu sicher nicht aus. Dies ergibt sich zum einen
aus den dargelegten Brüchen und Unzulänglichkeiten der im Übrigen ausgesprochen
kurz gehaltenen Ausführungen in der Drucksache.

Zum Zweiten ergibt sich dies aus der erheblichen Diskrepanz zwischen den durch -
schnittlichen Mieten von Wohnungen, die auf dem Markt angeboten werden (gem. Miet-
spiegel 8,14 € im Jahr 2007, s.o.), und dem Quadratmeterpreis, den das jobcenter
Freiburg Stadt für angemessen erachtet (5,87 € im Jahr 2007).

b) Ermittlungsbedarf

Die bisherige Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit einschließlich derjenigen des


Bundessozialgerichtes hat sich auf die Frage konzentriert, welche Wohnungen nach
Lage Ausstattung und Größe angemessen sind. Die Rechtsprechung hatte sich noch
nicht oder allenfalls am Rande mit der Frage auseinanderzusetzen, wie erreicht werden
kann, dass Wohnungen, die für angemessen gehalten werden, tatsächlich auch ange-
mietet werden können. Dies ist aus den im Folgenden ausgeführten Gründen die kom-
pliziertere und gleichzeitig die eigentlich entscheidende Frage:

Wie bereits ausgeführt ist der Begriff der Angemessenheit des § 22 Abs. 1 SGB II im
Lichte der Entscheidung des BVerfG vom 09.02.2010 zum Aktenzeichen 1 BVL 1/09
auszulegen. Das bedeutet: Die Angemessenheit ist so zu definieren, dass nach Möglich-
keit alle Empfänger von Leistungen nach dem SGB II mit dem Betrag, der ihnen für die
Aufwendungen für die Unterkunft zur Verfügung gestellt wird, in die Lage versetzt wer-
den, ihr soziokulturelles Existenzminimum hinsichtlich des Wohnraumbedarfes zu finan-
zieren. Das soziokulturelle Existenzminimum ist jedoch kein absoluter Begriff, sondern
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ein Begriff, dessen konkrete Ausgestaltung von den konkreten Verhältnissen abhängt.
Die konkreten Verhältnisse unterscheiden sich innerhalb Deutschlands hinsichtlich des
Wohnstandards erheblich. Städte mit starkem Wachstum (wie Freiburg) zeichnen sich
dadurch aus, dass das Ausstattungsniveau des verfügbaren Wohnraumes sehr hoch ist.
Dies ist unmittelbare Folge des Marktmechanismus, der sich aus der hohen Nachfrage
und dem der Nachfrage nur langsam hinterhinkenden Angebot ergibt. (Obwohl in der
Stadt Freiburg in den letzten 20 Jahren zwei ganze Stadtteile völlig neu entstanden sind
(Vauban und Rieselfeld) zeigt das letzte Mietspiegelgutachten, dass die Mietpreise wei-
ter steigen.)

Es ist daher sachgerecht, die Angemessenheit von Unterkunftskosten nicht primär an-
hand abstrakt bestimmter Ausstattungsmerkmale zu bestimmen, sondern primär an-
hand der tatsächlichen Wohnungsmarktsituation. Die in der sozialgerichtlichen Recht-
sprechung immer verwendete Formel vom „unteren Bereich“ des Wohnungsmarktes re-
flektiert dies zwar zutreffend, ist jedoch für sich genommen so abstrakt, dass sie nicht
operationalisierbar ist. Der primäre Rekurs auf die Wohnungsmarktsituation schließt im
Übrigen die Bezugnahme auf Ausstattungs-merkmale nicht aus, sondern umfasst diese,
ohne dass die Frage, welche Ausstattungsmerkmale vorhanden sein müssen, separat
thematisiert werden müsste. Denn der untere Bereich des Mietwohnungsmarktes wird
immer diejenigen Wohnungen umfassen, deren Ausstattungsmerkmale einfacher sind,
sich eben im „unteren Bereich“ bewegen. Durch die primäre Bezugnahme auf den kon-
kreten Wohnungsmarkt wird der Fehler, der dem jobcenter Freiburg Stadt bzw. der
Stadt Freiburg unterlaufen ist, vermieden: Nämlich der Fehler, eine Wohnung zu be-
schreiben, die zwar bei abstrakter Betrachtung angemessen sein könnte, jedoch am
konkreten Wohnungsmarkt nicht oder allenfalls in geringer Zahl existiert mit der Folge,
dass der Verweis auf diese Wohnung wegen Unmöglichkeit der Anmietung einer solchen
Wohnung ins Leere geht bzw. rechtswidrig ist.

Einen sachgerechten methodischen Weg weisen bislang – soweit der Bevollmächtigte


die Literatur überblickt – lediglich Butzer und Keller in dem Aufsatz ‚Kommunale Ermitt-
lungen zu den ’KdU’ – auf dem Weg zu wichtigen Klarstellungen’, NDV 2009, 317 – 321.
Butzer und Keller kritisieren zunächst die Verwendung des Durchschnittswertes aller
Mieten als Angemessenheitsgrenze. Sie weisen zu Recht darauf hin, dass das arithmeti-
sche Mittel anfällig für Extremwerte ist. Im Fall eines Mietwohnungsmarktes werden
diese Extremwerte regelmäßig eher auf der oberen als auf der unteren Seite auftreten.
Das arithmetische Mittel wird also typischer Weise einen Wert aufweisen, unterhalb
dessen sich ein größerer Teil des Wohnungsmarktes finden lassen wird, als dies ober-
halb des Wertes der Fall ist. Mit anderen Worten: Das arithmetische Mittel liegt in Fällen
eines Wohnungsmarktes typischer Weise oberhalb des Medians.
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Butzer und Keller schlagen deshalb vor, nicht das arithmetische Mittel, sondern den Me-
dian zu wählen. Der Median ist der mittlere aller Werte in dem Sinne, dass sich ober-
halb des Medians exakt genauso viele Werte befinden wie unterhalb des Medians. But-
zer und Keller führen dazu aus:

„Aus empirischer Sicht kann allerdings angezweifelt werden, dass mit ’Durchschnitts-
werten’ – also arithmetischen Mittelwerten – das geeignete Lagemaß der örtlich ver-
gleichbaren Mietpreise benutzt wird. Gerade wegen der Streuung der Mietpreiswerte
und insbesondere mit Blick auf das zu erfüllende Kriterium der ’tatsächlichen Verfüg-
barkeit’ des als angemessen angesehenen Wohnraumes bietet sich in der deskriptiven
Darstellung eher der Median an, also der die gesamte Verteilung vorhandener Zahlen
halbierende Zentralwert. Er besagt, dass genau die Hälfte aller gesammelter Werte aus
Mietraum besteht, der preislich gesehen oberhalb des konkreten Zahlenwertes liegt.
Umgekehrt belegt er auch, dass genau die Hälfte der beobachteten Werte für solchen
Mietwohnraum steht, der unterhalb des ausgewiesenen Wertes angemietet werden
kann.

Bleibt aber die Hälfte des örtlichen Mietwohnungsbestandes unter der nach § 22 Abs. 1
SGB II übernahmefähigen Miethöchstgrenze, stellt sich auch das Problem der tatsächli-
chen Wohnraumverfügbarkeit nicht mehr, weil keinesfalls nur einige Wohnungen als
kostenmäßig angemessen betrachtet werden können, sondern immer die Hälfte des
örtlichen Mietwohnungsbestandes.“ (Seite 319)

Zum jetzigen Zeitpunkt und nach jetzigen Erkenntnissen ist – wiederum soweit der Be-
vollmächtigte die Literatur übersieht – nicht zu entscheiden, ob tatsächlich der Median
der geeignete Wert ist, oder ob ein Wert gewählt werden muss, der sicherstellt, dass
ein niedriger oder höherer Anteil sämtlicher auf dem Markt anmietbaren Wohnungen in
den Bereich der Angemessenheit fällt. Diese Frage ist eine statistische Frage. Ihre Be-
antwortung hängt unter anderem davon ab, wie viele Personen neben Empfängern von
Leistungen nach dem SGB II über geringe Einkommen verfügen und Wohnungen im un -
teren Mietpreissegment nachfragen. Wenn angenommen wird, dass etwa die Hälfte der
Bevölkerung sich im unteren Einkommensbereich bewegt und Wohnungen mit niedrigen
Miete nachfragt, dann dürfte der Median der geeignete Wert sein.

Es könnte sich als zweckmäßig erweisen, zu dieser Frage ein statistisches Gutachten in
Auftrag zu geben. Vorläufig wird hier angenommen, dass der Median der geeignete
Wert ist. Dabei ist darauf zu achten, dass der Median nicht aus der Gesamtheit aller
Mieten gewonnen wird, sondern aus den Mieten von Wohnungen, die auf dem Markt
tatsächlich angeboten werden.
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Darüber hinaus ist dieser Wert aus den bekannten Gründen nach Wohnungsgrößen zu
staffeln.

Der Median ist auch ohne weiteres mit geringen Kosten zu bestimmen. Die Daten, auf
denen der Mietspiegel basiert, liegen ausweislich des Mietspiegelgutachtens als SPSS-
Daten (in der Soziologie bekannt als Software zur statistischen Auswertung von Daten)
vor. SPSS lässt ohne weiteres die Bestimmung des Medians von auf dem Markt konkret
angebotenen Wohnungen, gestaffelt nach Wohnungsgrößen, zu.

Der Bevollmächtigte hat sich bei beiden Instituten, die die letzten Mietspiegel der Stadt
Freiburg erstellt haben, bemüht, solche Daten zu erhalten, scheiterte aber daran, dass
die Stadt Freiburg, die Eigentümerin der Daten ist und über die Urheberrechte verfügt,
die Daten nicht freigab. Auch sein Bemühen, eine Freigabe bei der Stadt Freiburg zu er-
halten, scheiterte. Keines der bislang mit der Frage befassten Gerichte hat diesbezüg-
lich Anregungen des Bevollmächtigten aufgegriffen.

Die von Butzer und Keller vorgeschlagene Vorgehensweise befindet sich schließlich im
Einklang sowohl mit der bisherigen Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialge-
richtes, als auch mit derjenigen des 14. Senates. Denn zum Einen genügt ein dreisch-
rittiges Vorgehen, denn die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach dieser Me-
thode stellt sicher, dass eine ausreichende Zahl von Wohnungen, die den Angemessen-
heitskriterien entspricht, tatsächlich existiert. Zum Zweiten wird durch die Heranzie-
hung des Medians sichergestellt, dass die vom BSG geforderte und abschließend vorzu-
nehmende Kontrolle, ob eine als angemessen bestimmte Wohnung auch konkret ange-
mietet werden kann, in die Bestimmung des angemessen Mietpreises hereingenommen
wird. Damit dürfte tatsächlich nur noch in Ausnahmefällen der Fall eintreten, dass un-
angemessene Wohnungen wegen Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit der Anmietung
einer Unterkunftsalternative in voller Höhe vom Grundsicherungsträger finanziert wer-
den müssen.

5. Differenzierung der zugrunde zu legenden Wohnfläche

Nach derzeit herrschender Meinung ist die zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenze
zugrunde zu legende Wohnfläche ohne Ansehen weiterer Umstände nach der Zahl der
Personen im Haushalt zu bestimmen. Dies führt dazu, dass nach herrschender Meinung
sowohl für einen 20-jährigen Hilfeempfänger, der erstmals unabhängig von seinen El-
tern lebt, als auch für eine Rentnerin, die Leistungen nach dem SGB XII bezieht und auf
ein arbeitsreiches Leben zurückblickt, eine Wohnung mit einer Größe von bis zum 45
Quadratmetern für angemessen gehalten wird.
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Soweit der Bevollmächtigte die Rechtsprechung und die Literatur zu § 22 SGB II und
§ 29 SGB XII überblickt, wurde die Frage, ob für Haushalte gleicher Personenzahl tat-
sächlich immer dasselbe angemessen ist – unabhängig von Alter und individueller Si-
tuation – bislang nicht oder allenfalls am Rande diskutiert.

Nach Auffassung des Bevollmächtigten ist die herrschende Meinung dahin gehend in
Frage zu stellen, dass der Begriff der Angemessenheit nach Lebenssituation und Le-
bensalter differenzierter betrachtet werden muss. Folgende Gründe machen dies erfor-
derlich:

Die Leistungen nach dem SGB II markieren das soziokulturelle Existenzminimum. Das
BVerfG hat in der Entscheidung vom 9.2.2010 zum AZ 1 BvL 1/09 unmissverständlich
klargestellt, dass der Anspruch auf Leistungen in Höhe des soziokulturellen Existenzmi-
nimums uneingeschränkt und unmittelbar aus Art. 1, 20 GG erwächst. Die restriktivere
Auffassung des 1. Senats des BSG, nach der verfassungsrechtlich lediglich die Siche-
rung des physischen Überlebens geboten sei, ist damit nicht mehr haltbar (Urteil vom
22.04.2008, B 1 KR 10/07). Der Begriff der Angemessenheit von Unterkunftskosten ist
im Licht der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 dahingehend auszulegen, dass die
vom Leistungsträger zu erstattenden Aufwendungen für die Unterkunft das soziokultu-
relle Existenzminimum decken müssen. Dieser Wert ist aber nicht lediglich nach Perso-
nenzahl im Haushalt, sondern darüber hinaus anhand weiterer Tatbestandsmerkmale zu
bestimmen.

Grundsicherungsleistungen – sei es nach dem SGB II, sei es nach dem SGB XII – die-
nen dazu, den Zusammenhalt der Gesellschaft zu stärken und auch diejenigen, die ih-
ren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Kräften finanzieren können, „in der Mitte der Ge -
sellschaft“ zu halten. Dazu müssen sie in einem Maß wirtschaftlich alimentiert werden,
welches ihnen ermöglicht, so zu leben, wie andere Menschen, die mit geringen Einkünf-
ten auskommen müssen, auch.

Die Bezifferung der Regelleistung nach dem SGB II und des Regelsatzes nach dem
SGB XII ist genau diesem Gedanken verpflichtet. Das Statistikmodell ist eine Berech-
nungsmethode, die den hier beschriebenen Gedanken umsetzt.

Für den Begriff der Angemessenheit in § 22 SGB II und genauso in § 29 SGB XII kann
nichts anderes gelten. Dies bedeutet:

Angemessen ist eine Unterkunft, wie sie Personen in ähnlicher Altersgruppe und ver-
gleichbaren Lebensumständen, die nicht auf Leistungen nach dem SGB II oder dem
SGB XII angewiesen sind, und die nur über geringe Einkünfte verfügen, auch anmieten
würden oder tatsächlich anmieten.
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Diese Überlegungen führen dazu, dass der Fall eines alleinerziehenden Elternteils mit
einem Kind anders zu beurteilen ist als der Fall zweier Erwachsener, die als Partner iSv
§ 7 Abs. 3 SGB II zusammen leben. Denn die alltäglichen Bedürfnisse, der Alltag und
Lebensgewohnheiten eines Kindes unterscheiden sich in vielfältiger Weise von denjeni-
gen eines Erwachsenen. Ein Paar zweier Erwachsenen wird im Regelfall ähnliche Nut-
zungszeiten von Schlafraum und Wohnzimmer haben. Im Regelfall dürfte ein Zimmer
als gemeinsames Schlafzimmer genutzt werden, sodass ein zweites Zimmer als Wohn-
zimmer zur Verfügung steht.

Lebensalltag und Rhythmus eines Erwachsenen und eines Kindes unterscheiden sich
dagegen sehr. Ein Kinderzimmer ist deshalb üblicherweise gänzlich anders eingerichtet
als Wohnräume, die von Erwachsenen genutzt werden. Während also im Fall eines Paa-
res zweier Erwachsener die gesamte Wohnung von beiden voll genutzt werden kann,
weil sie im Regelfall so eingerichtet ist, dass sie den Wohnbedürfnissen Erwachsener
entspricht, gilt dies im Fall einer Familie mit Kindern nicht. Die Räume, die die Kinder
nutzen, sind gänzlich anders eingerichtet. Dies gilt insbesondere, wenn es sich um ein
kleines Kind handelt. Die Räume sind darüber hinaus während der Schlafzeiten der Kin-
der und damit beginnend mit dem frühen Abend für Erwachsene nicht mehr nutzbar.
Der vom alleinerziehenden Elternteil zu nutzende Anteil der Wohnfläche reduziert sich
damit erheblich. Dies bedeutet, dass beispielsweise eine alleinerziehende Frau mit ei-
nem kleinen Kind letztlich schlechter gestellt wird, als ein Frau, die mit einem Partner
zusammen lebt, weil ersterer im Ergebnis sehr viel weniger Wohnraum zur Verfügung
steht, wenn in beiden Fällen die gleiche Wohnfläche für angemessen gehalten wird.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass es untunlich ist, Empfängern von Leistungen nach
dem SGB II etwa vorzuschreiben, wie viele Zimmer ihre Wohnung umfassen sollte oder
wie diese Wohnung im Einzelnen zu nutzen ist. Darüber hinaus kann die Massenverwal-
tung nicht in jedem Einzelfall etwa beurteilen, wie viele Zimmer erforderlich sind. Die
Unterschiede zwischen Alleinerziehenden und Paaren oder auch die Unterschiede zwi-
schen jüngeren und älteren Beziehern von Leistungen sind deshalb sinnvoller Weise
dergestalt zu berücksichtigen, dass die Wohnfläche, die nach der Produkttheorie, wie
das Bundessozialgericht sie entwickelt hat, im zweiten Schritt zu bestimmen ist, nach
Gruppen differenziert werden muss. Für Alleinerziehende erscheint ein Zuschlag von 10
bis 15 m² angemessen. Vereinzelt ist dies auch Praxis. Die Stadt Hagen hat etwa fest-
gelegt, dass für Alleinerziehende Wohnraumbedarf im Umfang eines zusätzlichen Raum -
es oder einer zusätzlichen Wohnfläche von 15 m² geltend gemacht werden kann (Richt-
linien der Stadt Hagen veröffentlicht unter http://www.harald-
thome.de/media/files/KdU/KdU-Hagen---01.01.2010.pdf; Abfrage 18.09.2010)
Seite 23 (von 27)

Die Stadt Freiburg als gegenüber der Revisionsbeklagten weisungsberechtigter Träger


(§§ 93, 89 Abs. 5 SGB X) konnte sich bislang nicht entschließen, Vorgaben, betreffend
die angemessene Wohnfläche, zu machen. Der Gemeinderat der Stadt Freiburg hat am
05.05.2009 Vorgaben, die der Revisionsbeklagten gemacht werden, beschlossen. Diese
Vorgaben umfassen einen „Kriterienkatalog zur Beurteilung der einzelfallbezogenen
Faktoren“. In diesem Kriterienkatalog heißt es: „Derzeit unklar ist die Frage, ob Allein-
erziehenden ein größerer Wohnraum zugebilligt werden kann. Ein Verfahren dazu ist
derzeit noch beim Bundessozialgericht anhängig. Ein Termin für die Urteilsverkündung
steht jedoch noch aus. Dieses Urteil soll für die Erstellung der weiteren Kriterien abge-
wartet werden.“ Gemeint war hier wohl das Verfahren B 4 (zuvor 14) AS 17/08 R, das
ausweislich des Terminsberichtes 14/09 des Bundessozialgerichtes vom 03.03.2009
durch Vergleich endete. Die Frage ist damit höchstrichterlich bis heute nicht entschie-
den. Die Entscheidung des Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen vom 09.01.2008
zum Aktenzeichen L 12 AS 77/06 überzeugt nicht, denn die oben dargelegten Gründe
wurden vom Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen sämtlich nicht bedacht. Der Deut -
sche Verein für öffentliche und private Fürsorge nennt in seinen diesbezüglichen Han-
delsempfehlungen (Erste Empfehlungen zu den Leistungen für Unterkunft und Heizung
im SGB II; § 22 SGB II) vom 08.07.2008 den Fall Alleinerziehender als Fall, der einen
Zuschlag rechtfertigen könne.

6. Alternative bei Ermittlungsausfall

Das Bundessozialgericht hat mehrfach entschieden, dass die Werte aus § 12 WoGG her-
angezogen werden können, wenn die Tatsachengerichte versucht haben, geeignete Er-
mittlungen zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze anzustellen, dabei jedoch er-
folglos geblieben sind. Dabei soll ein angemessener Zuschlag auf den Wert aus
§ 12 WoGG erhoben werden. Dieser Weg verbietet sich im vorliegenden Fall aus zwei
Gründen:

Zum Ersten ist in sämtlichen Verfahren, die Kosten der Unterkunft in Freiburg betreffen,
vollkommener Ermittlungsausfall der Tatsachengerichte zu beklagen (vgl. insbesondere
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 5.7.2010, L 1 3815/09; anhängig beim BSG unter
B 14 AS 106/10 R; für die erste Instanz exemplarisch: SG Freiburg, Gerichtsbescheid
vom 02.04.2008, S 7 AS 3213/07).

Zum Zweiten würde der Wert aus § 12 WoGG nicht zu einem sachgerechten Ergebnis
führen. Der hier möglicherweise einschlägige Wert aus § 8 WoGG aF beträgt 425,00 €
(äußerste rechte Spalte). Der Wert aus § 12 WoGG in der seit 01.01.2009 befindlichen
Fassung beträgt 468,00 € (Freiburg gehört zur Mietstufengruppe V). Hier handelt es
sich jedoch um Bruttokaltmieten, nicht um Nettokaltmieten. Aus den obigen Darlegun-
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gen ergibt sich, dass die Angemessenheitsgrenze im vorliegenden Fall deutlich über
diesem Wert liegen würde. Wenn die Werte aus § 12 WoGG zu Grunde gelegt würden,
dann müsste dies in Städten, deren Mietniveau deutlich über diesen Werten liegt – zu
denen Freiburg gehört – dazu führen, dass die Träger der Grundsicherheitsleistungen
ermutigt werden, gar nicht erst zu ermitteln, weil sie auf dem Wege des Ermittlungs-
ausfalls nicht nur die Kosten der Ermittlung einsparen, sondern gleichzeitig erreichen,
dass sie nur noch Unterkunftskosten weit unter dem angemessen Maß finanzieren
müssten. Es liegt auf der Hand, dass die Reaktion auf Ermittlungsausfall nicht darin be-
stehen kann, die Leistungen unter das voraussichtlich angemessene Maß zu kürzen. Die
Alternative muss dann darin liegen, dass höhere Kosten zugesprochen werden, denn
nur so können die Leistungsträger motiviert werden, sachgerechte Ermittlungen anzu-
stellen und plausible Konzepte vorzulegen.

Natürlich kann das Problem dadurch umgangen werden, dass der Zuschlag entspre-
chend hoch angesetzt wird. Dies führt jedoch wiederum zu dem Problem, dass der Zu -
schlag in irgendeiner plausiblen Weise beziffert werden muss. Dabei könnte letztendlich
nur auf den Mietspiegel Bezug genommen werden. Ein Anhaltspunkt könnte dabei die
durchschnittliche Miete der marktgängigen Wohnungen, also der Wert von 8,14 € netto-
kalt sein. Dies wäre jedenfalls plausibler als die freihändige Schätzung eines Zuschla-
ges. Angesichts des bisherigen Ermittlungsausfalls – im vorliegenden Verfahren aus
plausiblen Gründen – dürfte es sich jedoch nach der bisherigen Rechtsprechung des
Bundessozialgericht ohnehin verbieten, auf einen geschätzten Wert zurückzugreifen, so
lange nicht der Versuch unternommen worden ist, die Angemessenheitsgrenze im ge-
richtlichen Verfahren plausibel zu bestimmen.

B. Zusammenfassung

1. Differenzierung der Wohnflächen

Die Bezifferung der Angemessenheitsgrenze an der Quadratmeterzahl, die ausschließ-


lich auf die Zahl der Haushaltsmitglieder rekurriert, ist nicht ausreichend. Sie führt zu
Ungerechtigkeiten oder aber – bei hohem Einsatz der Quadratmeterzahl – zu nicht zu
rechtfertigende Mehrkosten für die Träger.

2. Konzept des jobcenter Freiburg Stadt

Das jobcenter Freiburg Stadt hat die Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 1 Satz 1
SGB II willkürlich bestimmt. Ein plausibles Konzept liegt nicht vor. Die Tatsachengerich-
te haben – im vorliegenden Verfahren aus ihrer Sicht zu Recht, da sie die Erforderlich-
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keit des Umzuges für nicht gegeben hielten – keine Ermittlungen angestellt. Da die In-
stanzgerichte auch in anderen Verfahren, betreffend die Angemessenheit von Unter-
kunftskosten in Freiburg, keinerlei Ermittlungen angestellt und auch von dem jobcenter
Freiburg Stadt keinerlei Unterlagen angefordert haben, liegen über das vollkommen un-
zureichende Konzept hinaus lediglich Daten über die Wohnungsmarktsituation in Frei-
burg vor. Aus dem Mietspiegel selbst ergibt sich die Angemessenheitsgrenze jedoch
nicht unmittelbar. Er kann lediglich als Datengrundlage zur Bestimmung der Angemes-
senheitsgrenze herangezogen werden.

3. Bisherige Rechtsprechung

Das Bundessozialgericht hat zwar die Auffassung bestätigt, nach der ein Mietspiegel zur
Datengrundlage für eine Angemessenheitsbestimmung dienen kann, nicht jedoch, wel-
che Daten oder auf welchem Wege Daten aus dem Mietspiegel zu gewinnen sind, um
die Angemessenheitsgrenze zu bestimmen. Auch in Bezug auf das Verfahren zur Be-
stimmung der Angemessenheitsgrenze ist die Rechtsprechung nicht ganz einheitlich. Es
ist nicht klar, ob die Angemessenheitsgrenze in einem dreistufigen oder in einem vier-
stufigen Verfahren bestimmt wird. Ebenfalls offen ist, auf welchem Wege überprüft
wird, ob die Anmietung einer alternativen und kostengünstigeren Unterkunft möglich
ist.

4. Datengrundlage

Die Datengrundlage, anhand derer eine Angemessenheitsbestimmung möglich ist, ist


bei weitem einfacher und um ein Vielfaches kostengünstiger zu gewinnen als eine Da-
tengrundlage, die die Erstellung eines Mietspiegels ermöglicht. Denn es sind lediglich
die auf dem Markt tatsächlich angebotenen Wohnungen zu erfassen. Es genügt also, In -
serate auszuwerten und die von großen Wohnungsbauträgern, die nicht inserieren, an-
gebotenen Wohnungen direkt über diese statistisch zu erfassen. Dies ist von jeder Ge-
meinde ohne weiteres mit Eigenmitteln oder mit geringen Kosten zu realisieren.

Wenn ein Mietspiegel existiert, dann können aus den Daten, die dem Mietspiegel zu-
grunde liegen – in der Regel dürften die Daten als SPSS-Daten zur Verfügung stehen –
mit minimalem Aufwand die Informationen gewonnen werden, die zur Bestimmung der
Angemessenheitsgrenze erforderlich sind.

5. Bestimmung der Angemessenheitsgrenze aus vorhandenen Daten

Die Bezifferung der Angemessenheitsgrenze hat wie folgt zu erfolgen: Zunächst ist fest -
zustellen, wie viel Prozent aller Wohnungen, die auf dem Markt angeboten werden, als
angemessen gelten sollen (Median = 50% aller Wohnungen sind angemessen). Dann ist
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dieser Wert anhand der gewonnenen oder vorliegenden Daten zu bestimmen. Dabei ist
nach Wohnungsgrößen zu differenzieren.

6. Prozentsatz der als angemessen anzusehenden Wohnungen

Die Annahme von Butzer und Keller, nach der der Median der richtige Wert ist, um die
Angemessenheitsgrenze zu bestimmen ist, ist sehr plausibel, jedoch letztlich eine aus
statistischer Sicht laienhafte Schätzung. Der Bevollmächtigte würde es deshalb begrü-
ßen, wenn das Gericht ein statistisches Gutachten in Auftrag geben würde, das die Fra-
ge beantworten soll, ob der geeignete Wert der Median oder ein darunter oder darüber
liegender Wert ist.

Auf diesem Wege lässt sich Folgendes erreichen:

a) Die Anforderungen an die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze, die die


beiden mit dem SGB II befassten Senate des BSG formuliert haben, werden
erfüllt und, insoweit sie noch nicht hinreichend klar sind, weiter entwickelt.

b) Die Bezifferung eines Anteils der marktgängigen Wohnungen, die als angemes-
sen zu gelten haben – nach Wohnflächen differenziert – führt zu einer Metho-
de, die einfach überprüfbar ist, von Leistungsträgern mit geringen Kosten rea-
lisiert werden kann, streitvermeidend wirkt, die Entscheidung des Bundesver-
fassungsgerichte von 09.02.2010 in geeigneter Weise umsetzt und damit ent-
scheidend zur Befriedung der Streitigkeiten um angemessene Leistungen für
die Unterkunft beitragen kann.
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C: Anlagenverzeichnis

Tabellen des jobcenter Freiburg Stadt zum Nachweis der Unmöglichkeit der
Anmietung einer kostengünstigeren Unterkunft

Gemeinderatsdrucksache der Stadt Freiburg G-07/191

Auszug aus Gemeinderatsprotokoll, Beschluss „Mietobergrenzen“

Gutachten zum Mietspiegel 2007

Gemeinderatsdrucksache der Stadt Freiburg G-09/024

Wohnungsmarktbericht der Stadt Freiburg 2004

Untersuchung des „Runden Tisches zu den Auswirkungen der Hartz-Gesetze in


Freiburg)

Mietspiegel Freiburg 2009

IVD-Studie

Mietspiegel Freiburg 2007

Mietspiegel Freiburg 2004

Gemeinderatsdrucksache der Stadt Freiburg G-09/093

Gemeinderatsdrucksache der Stadt Freiburg G-09/093.1

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