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Universität Bern

Frühjahrssemester 2008 Prof. Dr. J. Brühwiler

GRUNDLAGEN UND INDIVIDUALARBEITSRECHT

(Vorlesung: Arbeitsrecht I)

1. Kapitel Grundlagen des Arbeitsrechts

§1 Grundaufgaben des Arbeitsrecht in der Gesellschafts-


und Wirtschaftsordnung

I. Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers als arbeitsrechtlicher Grundsach-


verhalt

II. Arbeitsrecht als Teil des Wirtschaftsverfassungsrechts


1. Arbeitsrecht und Lenkung des Einsatzes von
Produktionsmitteln
2. Arbeitsrecht und Güterverteilung

III. Arbeitsrecht und politisch-ökonomische Ordnung


1. Kapitalismus und Arbeitsrecht
2. Sozialismus und Arbeitsrecht
3. Marktwirtschaft und Planwirtschaft

IV. Das Verhältnis des Arbeitsrechts zum bestehenden Wirtschaftssystem


1. Arbeitsrecht als Reaktion auf Systemmängel
2. Systemneutrale Bereiche des Arbeitsrechts

V. Zukünftige Entwicklung des Arbeitsrechts

vorles-frühjahr-2008
- II -

§2 Die praktische Bedeutung des Arbeitsrechts


Arbeitsrecht und Rechtstatsachen

I. Bedeutung des Arbeitsrechts


II. Die Vielgestaltigkeit des Arbeitslebens

§3 Das Arbeitsrecht im Rechtssystem

I. Die grossen Teilgebiete des Arbeitsrechts


II. Das Arbeitsrecht und die klassische Einteilung des Rechts
III. Die Normenkomplexe des Arbeitsrechts

§4 Ueberblick über die Geschichte des schweizerischen Arbeitsrechts

I. Entwicklung in vorindustrieller Zeit


II. Entwicklung der Rechtsquellen im Industriezeitalter
III. Beurteilung des Entwicklungsganges

2. Kapitel Individualarbeitsrecht

§5 Arten und Quellen der arbeitsvertraglichen Regelungen

I. Einzelarbeitsvertrag
II. Gesamtarbeitsvertrag
III. Normalarbeitsvertrag
IV. Betriebsordnung
- III -

§6 Die Hierarchie der Rechtsquellen im Individualarbeitsrecht

I. Grundsätzliche Rangfolge
II. Günstigkeitsprinzip

§7 Wesen und Merkmale des Arbeitsvertrages

I. Begriffsmerkmale

II. Abgrenzung des Arbeitsvertrages von anderen


Verträgen auf Arbeitsleistung
1. Allgemeines
2. Abgrenzung vom Auftrag
3. Abgrenzung vom Werkvertrag
4. Abgrenzung vom Gesellschaftsvertrag

III. Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis

IV. Arbeitsvertrag und Gemeinschaftsverhältnis

§8 Abschluss des Arbeitsvertrages

I. Der Abschluss
II. Das Prinzip der Formfreiheit
III. Die gesetzliche Abschlussvermutung gemäss
Art. 320 Abs. 2 OR
IV. Die Rechtsfolgen beim nichtigen Arbeitsvertrag
- IV -

§9 Das Weisungsrecht des Arbeitgebers und die Befolgungs-


pflicht des Arbeitnehmers

I. Allgemeines
II. Das Weisungsrecht
III. Die Weisungspflicht
IV. Die Befolgungspflicht und ihre Durchsetzung
V. Schranken

§ 10 Die Sorgfalts- und Treuepflicht des Arbeitnehmers und die


die Schutz- und Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

I. Allgemeines
II. Die Sorgfalts- und Treuepflicht des Arbeitnehmers
1. Sorgfaltspflicht
2. Schwarzarbeitsverbot
3. Geheimhaltungspflicht
4. Verpflichtung zur Leistung von Ueberstunden
5. Rechenschafts- und Herausgabepflicht

III. Die Schutz- und Fürsorgepflicht des Arbeitgebers


1. Begriffliches
2. Schutz der Persönlichkeit
3. Schutz von Leben und Gesundheit
4. Fürsorgepflicht bei Hausgemeinschaft
5. Sorge für eingebrachte Sachen
6. Arbeitszeugnis
7. Weitere Konkretisierungen der Fürsorgepflicht
-V-

§ 11 Haftung des Arbeitnehmers

I. Allgemeines
II. Vertragsverletzung
III. Verschulden des Arbeitnehmers
IV. Schaden und Kausalzusammenhang
V. Minderung und Ausschluss der Haftung
VI. Verjährung und Verwirkung
VII. Einzelprobleme
1. Beschädigung des Fahrzeuges des Arbeitgebers
2. Sogenannte Mankohaftung

VIII. Abweichende Vereinbarungen

§ 12 Haftung des Arbeitgebers

I. Allgemeines
II. Voraussetzungen
III. Reduktion der Haftpflicht
IV. Genugtuungsanspruch
V. Haftung für Hilfspersonen
VI. Konkurrierende Haftungsnormen (sog. Haftungskonkurrenz)
VII. Verjährung
VIII. Abweichende Vereinbarung

§ 13 Der Lohn und andere Vergütungen

I. Allgemeines
1. Begriffliches
2. Festsetzung
3. Höhe
4. Gleicher Lohn für Mann und Frau für gleichwertige Arbeit
- VI -

II. Die Arten der Lohnberechnung


1. Zeitlohn
2. Leistungslohn

III. Der Anteil am Geschäftsergebnis


IV. Die Gratifikation
V. Der Auslagenersatz

§ 14 Lohn bei Verhinderung an der Arbeitsleistung

I. Annahmeverzug des Arbeitgebers


1. Allgemeines
2. Voraussetzungen
3. Wirkungen
4. Abweichende Vereinbarungen

II. Verhinderung des Arbeitnehmers aus persönlichen Gründen


1. Allgemeines
2. Voraussetzungen
3. Zeitlicher Umfang der Lohnzahlungspflicht
4. Rückgriffsrecht des Arbeitgebers
5. Abweichende Regelung

§ 15 Der Anspruch auf Freizeit und Ferien

I. Die Freizeit
1. Grundsatz und Ausnahmen
2. Vorrang der öffentlichrechtlichen Vorschriften
3. Lohnzahlung für freie Tage
4. Abweichende Vereinbarung
5. Ausserordentliche Freizeit
- VII -

II. Die Ferien


1. Inhalt und Dauer des Anspruchs
2. Zeitpunkt der Ferien
3. Ferienlohn

§ 16 Die Abgangsentschädigung

I. Grundsätzliches
II. Voraussetzungen der Abgangsentschädigung
III. Höhe und Fälligkeit des Anspruchs
IV. Ersatzleistungen

§17 Rechte an Erfindungen und Designs

§ 18 Der Uebergang des Arbeitsverhältnisses

I. Grundsätzliches
II. Insbesondere bei Betriebsnachfolge

§ 19 Die Beendigung des Arbeitsvertrages

I. Beendigungsgründe
1. Zeitablauf
2. Kündigung
3. Fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses
4. Aufhebungsvertrag
5. Tod des Arbeitnehmers
- VIII -

II. Ordentliche Kündigung


1. Allgemeines
2. Kündigungsfristen und -termine
3. Kündigungsschutz

III. Fristlose Auflösung des Arbeitsvertrages


1. Voraussetzungen
2. Ausübung des Kündigungsrechts
3. Wirkungen

§ 20 Das Konkurrenzverbot

I. Grundlagen
II. Voraussetzungen der Gültigkeit
III. Folgen der Übertretung des Konkurrenzverbotes
IV. Der Wegfall des Konkurrenzverbotes

§ 21 Unverzichtbarkeit und Verjährung arbeitsvertragliche Ansprüche


GRUNDLAGEN UND INDIVIDUALARBEITSRECHT

1. Kapitel: Grundlagen des Arbeitsrechts

§ 1 Grundaufgaben des Arbeitsrechts in der Gesellschafts-


und Wirtschafts-ordnung

I. Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers als arbeitsrechtlicher


Grundsachverhalt

1. Vertragsfreiheit als Freiheit inhaltlicher Gestaltung

- funktioniert beim Einzelarbeitsvertrag (im Folgenden Ar-


beitsvertrag genannt) nur beschränkt

- grundsätzliche Unterlegenheit des einzelnen Arbeitnehmers


gegenüber dem Arbeitgeber, fehlende Gleichgewichtigkeit
beim Vertragsabschluss

somit insgesamt Funktionsdefizit des Arbeitsvertrages auf


dem Arbeitsmarkt

vorlesung folien frühjahr 2008


-2-

2. Das Arbeitsrecht wirkt dem Funktionsdefizit des Arbeitsver-


trages entgegen auf drei Ebenen:

- durch Erlass gesetzlicher Schutzbestimmungen zugunsten


der Arbeitnehmer, z.B. über Kündigung und Kündigungs-
schutz

- Ermöglichung kollektiven Aushandelns von Arbeitsbedin-


gungen mittels Gesamtarbeitsvertrag, z.B. durch Festle-
gung von GAV-Mindestlöhnen

- Bindung von Arbeitgeber-Entscheidungen an die Mitwir-


kung einer Arbeitnehmervertretung, z.B. bei beabsichtigten
Massenentlassungen

insgesamt also primär Schutzfunktion des Arbeitsrechts für


die Arbeitnehmer
-3-

3. Das Arbeitsrecht ist daneben auch Organisationsrecht

- im Sinne eines die Koordination der Arbeitgeber- und Ar-


beitnehmer-Tätigkeit regelnden Rechts

- im Bereich des Mitbestimmungsrechts und Gesamtarbeits-


vertragsrechts

- je nach Entwicklung dann auch Teil des Wirtschaftsverfas-


sungsrechts

II. Arbeitsrecht als Teil des Wirtschaftsverfassungsrechts

1. Arbeitsrecht und Lenkung des Einsatzes der Produktionsmit-


tel

- Lenkung des Einsatzes der Produktionsmittel primär durch


die einzelnen Unternehmungen

- aber Einflussnahme durch GAV-Arbeitsbedingungen oder


Mitbestimmung von Arbeitnehmervertretungen
-4-

2. Arbeitsrecht und Güterverteilung

- es geht um die Lenkung der Verteilung der oekonomischen


Güter der Unternehmen

- Verteilung durch Unternehmer, z.B. für Investitionen in den


Betrieben

- oder Verteilung durch Gesetz oder GAV für Löhne und So-
zialleistungen der Arbeitnehmer
dadurch Einflussnahme des Arbeitsrechts auf die Güterver-
teilung

III. Arbeitsrecht und politisch-ökonomische Ordnung

1. Kapitalismus und Arbeitsrecht

- Kapitalismus anerkennt Privateigentum und Verfügungsge-


walt der Kapitalgeber über Produktionsmittel

- durch Mitbestimmung der Arbeitnehmer kann diese Verfü-


gungsgewalt eingeschränkt oder aufgehoben sein
dadurch Verbindung des Kapitalismus zum Arbeitsrecht
-5-

2. Sozialismus und Arbeitsrecht

- beim Sozialismus Abschaffung des Privateigentums an den


Produktionsmitteln als entscheidendes Kriterium

- je nach Ausgestaltung der sozialistischen Ordnung Ueber-


führung der Produktionsmittel in Staatseigentum ("Staats-
kapitalismus") oder in "gemeinschaftliches Eigentum" der
im Betrieb arbeitenden Personen

in letzterem Falle Verbindung der sozialistischen Ordnung


zum Arbeitsrecht
-6-

3. Marktwirtschaft und Planwirtschaft

- Planwirtschaft: zentral gelenkte Volkswirtschaft


geringe Entscheidungsspielräume für die einzelnen Unter-
nehmungen
geringe Anpassungsfähigkeit an den Markt
Löhne und Sozialleistungen der Arbeitnehmer werden zent-
ral festgelegt, Streikfeindlichkeit
Verhalten der Unternehmungen nicht von Gewinnstreben
bestimmt
- Marktwirtschaft: grössere Entscheidungsspielräume der
einzelnen Unternehmungen, dadurch bessere Anpassungs-
fähigkeit an den Markt; grundsätzliche Regelungsfreiheit
der Unternehmungen auch bezüglich Löhnen, Sozialleis-
tungen, Anstellungen und Entlassungen
Gewinnstreben
- heute wird Marktwirtschaft überwiegend als funktionsfähige-
res Wirtschaftssystem angesehen. Sie ist aber nicht per se
Garant für eine gute Ordnung, negativ vor allen die Unsi-
cherheit der Arbeitsplätze
-7-

IV. Verhältnis des Arbeitsrechts zum bestehenden Wirtschafts


system

1. Arbeitsrecht als Reaktion auf Systemmängel


Soziale Probleme des marktwirtschaftlichen Systems sind
möglich, z.B. durch Lohndumping, Massenentlassungen
Reaktion des Arbeitsrechts auf diese sozialen Probleme, z.B.
durch Gesetzgebung über Kündigungsschutz, durch Festle-
gung von Mindestlöhnen im GAV oder NAV

2. Systemneutrale Bereiche des Arbeitsrechts


Gesundheitsvorsorge, Unfallverhütung, Schutz Kranker vor
Lohnfortfall, Schutz schwangerer Frauen, sind Aufgaben des
Arbeitsrechts, unabhängig vom jeweiligen Wirtschaftssystem.
Die entsprechenden sozialen Probleme treten überall in der
Arbeitswelt auf.
-8-

V. Zukünftige Entwicklung des Arbeitsrechts

- in der letzten Zeit eher Stagnation der sozialen Entwicklung


Kostenproblem

- in Zukunft Schwergewicht auf Bewahrung der erreichten


sozialen Grundsicherung

- darauf aufbauend mehr Raum für flexible Lösungen durch


Verträge, v.a. GAV

- Verbesserungen der Arbeitsrechtsgesetzgebung in einzel-


nen Bereichen erstrebenswert: z.B. in den Bereichen
Mitbestimmung, Schutz vor Massenentlassungen,
Kündigungsschutz allgemein
-9-

§ 2 Praktische Bedeutung des Arbeitsrechts


Arbeitsrecht und Rechtstatsachen

I. Bedeutung des Arbeitsrechts

- Materielle Bedeutung:

Arbeitsverhältnisse als wirtschaftliche Existenzgrundlagen für


die Menschen. In der Schweiz stehen von den ca. 3,9 Mio.
Erwerbstätigen ca. 3,4 Mio. = ca. 90 Prozent in Arbeitsver-
hältnissen (Stand Ende 2000).

. Ideelle Bedeutung:

Viele Menschen verbringen einen Grossteil ihres bewussten


Lebens in Arbeitsverhältnissen.
Dort Verwirklichung ihrer Persönlichkeit, eventuell sogar
Sinnerfüllung ihres Lebens.

- Grosse praktische Bedeutung des Arbeitsrechts:

Im Vordergrund anfänglich Gesundheitsschutz, Sicherung der


wirtschaftlichen Existenz der Arbeitnehmer und ihrer Famili-
en, später vermehrt auch Schutz der Arbeitnehmerpersön-
lichkeit, Humanisierung der Arbeitswelt.
- 10 -

II. Vielgestaltigkeit des Arbeitslebens

Vielgestaltigkeit der Arbeitsverhältnisse in der Arbeitswelt.


Das für die Mehrzahl der Arbeitnehmer typische Arbeitsver-
hältnis gibt es nicht.

Gesetzgeber und Vertragspartner müssen den unterschiedli-


chen rechtstatsächlichen Situationen in der Arbeitswelt Rech-
nung tragen.
- 11 -

§ 3 Das Arbeitsrecht im Rechtssystem

I. Die grossen Teilgebiete des Arbeitsrechts

- privates Arbeitsrecht (Individualarbeitsrecht)

- kollektives Arbeitsrecht (z.B. GAV)

- öffentliches Arbeitsrecht (z.B. Arbeitsgesetz)

II. Das Arbeitsrecht und die klassische Einteilung des Rechts

- das schweizerische Arbeitsrecht ist nicht eine einheitliche


Sonderdisziplin ausserhalb der sonstigen Rechtsordnung

- die grobe Drei-Teilung des Arbeitsrechts liegt in der Linie


der klassischen Einteilung des Rechts
- Zusammenwirken des privaten, kollektiven und öffentlichen
Arbeitsrechts
- 12 -

III. Die Normenkomplexe des Arbeitsrechts

In einem umfassenden Sinne sind es die folgenden:

1. Individualarbeitsrecht (Einzelarbeitsvertrag, Normalar-


beitsvertrag)

2. Kollektives Arbeitsrecht (Gesamtarbeitsvertrag, Koalitions-


recht, Arbeitskampfrecht, Mitbestimmungsrecht)

3. Öffentliches Arbeitsrecht mit den folgenden Teilgebieten:

- Arbeitsschutzrecht

- gestaltendes öffentliches Arbeitsrecht (z.B. Berufsbil-


dungsrecht, Arbeitsvermittlungsrecht, Submissionsrecht,
Ausländerrecht)

- Sozialversicherungsrecht (vor allem Kranken- und Unfall-


versicherung, Erwerbsersatzordnung, berufliche Vorsorge,
Mutterschaftsversicherung, Arbeitslosenversicherung)

- öffentliches Dienstrecht
- 13 -

§ 4 Ueberblick über die Geschichte des schweizerischen Ar-


beitsrechts

I. Entwicklung in vorindustrieller Zeit

- römisches Recht: Dienstmiete (locatio conductio operarum),


rein schuldrechtlich

- mittelalterliche Guts- und Grundherrschaften: Arbeitsleistun-


gen persönlich oder dinglich an den Grundherrn gebunden

- freie Lohnarbeit mit personenrechtlichem Element (Aufnahme


des Gesellen in die Hausgemeinschaft des Meisters)
ab 14. Jh. in der Schweiz feststellbar
- 14 -

II. Entwicklung der Rechtsquellen im Industriezeitalter

1. Arbeitsrecht um ca. 1870

- Beginn des Industriezeitalters (Ende 18./anfangs 19. Jh.),


Niedergang der Zünfte,
Verschwinden der Dienstverträge mit personenrechtlichem
Charakter,
Aufkommen des Liberalismus

- Privatautonomie im Mittelpunkt,
freier Arbeitsvertrag,
aber faktische Unfreiheit für die Arbeitnehmer

- Geburtsstunde des modernen Arbeitsrechts


- 15 -

2. Fabrikgesetz von 1877


Dienstvertragsrecht von 1881

- Fabrikgesetz von 1877 hat Geltung für Fabrikunter-


nehmungen

erstmals Arbeitsschutzvorschriften in der Schweiz, Schwer-


gewichte Gesundheitsschutz, Schutz für Frauen und Kinder
in den Fabriken, Einführung des 11-Stundentages

- OR von 1881, Dienstvertragsrecht


im Mittelpunkt Privatautonomie, Vertragsfreiheit

3. Dienstvertragsrecht von 1911

Im Rahmen der OR-Revision 1911


Erweiterung des Dienstvertrags von 12 auf 44 Gesetzesarti-
kel, wovon viele zwingend, erstmals Lohnfortzahlungsan-
spruch bei Verhinderung des Arbeitnehmers aus persönlichen
Gründen, Mindestkündigungsfrist
- 16 -

4. Fabrikgesetz von 1914

10-Stundentag, infolge Ausbruchs des 1. Weltkrieges Ver-


zicht auf Inkraftsetzung, Umarbeitung des Gesetzes und In-
kraftsetzung nach dem 1. Weltkrieg 1918

Einführung des 8-Stundentages und der 48-Stunden-Woche

5. Kantonales Arbeitsrecht neben dem eidg. Fabrikgesetz

Für Arbeitnehmer, die dem eidg. Fabrikgesetz nicht unterstellt


waren

Das waren Arbeitnehmer im Gewerbe, Handel und in der


Landwirtschaft

Insbesondere kantonale Arbeiterinnenschutzgesetze, Lehr-


lingsgesetze, Feriengesetze
- 17 -

6. Gesamtarbeitsvertragsrecht

von den Sozialpartnern in der Praxis gegen Ende des 19. Jh.
entwickelt

Durch GAV erhalten die Gewerkschaften die Möglichkeit, mit


Arbeitgeberverbänden resp. Arbeitgebern die Arbeitsbedin-
gungen auszuhandeln. Diese haben unmittelbare Wirkung für
die Mitglieder der Gewerkschaften (normative Wirkung).

Entwicklung des GAV von der ursprünglichen Lohnregelung


im Verlaufe der Zeit zur umfassenden Ordnung der Arbeits-
bedingungen
Soziale Schrittmacherfunktion der GAV

7. Arbeitsgesetz von 1964

Ablösung des eidg.Fabrikgesetzes und der kantonalen Ar-


beitsgesetzgebung

erstmals bundesrechtlich einheitliches Arbeitsschutzrecht für


Industrie, Handel und Gewerbe
- 18 -

8. Arbeitsvertragsrecht 1971

bundesrechtliche Kodifikation des Arbeitsprivatrechts

Neuerungen: Vorschriften über den zeitlichen Kündigungs-


schutz, Katalog absolut und relativ zwingender Gesetzesvor-
schriften

9. Gestaltendes öffentliches Arbeitsrecht

zunächst Sache der Kantone und der Berufsverbände

im Verlaufe des 20. Jh. zunehmende Regelung durch die


Bundesgesetzgebung:
Berufsbildungsgesetze 1963,1978, 2003;
Bundesgesetz über die Arbeitsvermittlung 1951,
Bundesgesetz über die Arbeitsvermittlung und den Personal-
verleih 1989,
Bundesgesetz über die Vorbereitung der Krisenbekämpfung
und Arbeitsbeschaffung 1954, usw.
- 19 -

10. Mitwirkung der Arbeitnehmer

- bis weit ins 20. Jh. hinein wenig existent in der Schweiz,
bloss in einzelnen fortschrittlichen Betrieben, nach dem
2. Weltkrieg in einigen GAV, vor allem der Maschinenin-
dustrie

- 1976 Ablehnung der Mitbestimmungsinitiative der Gewerk-


schaften

- Im Gefolge der Ablehnung des Beitritts zum EWR in einer


Volksabstimmung 1991 Erlass eines Mitwirkungsgesetzes
1994. Bringt aber nur bescheidene Mitwirkung und nur auf
Betriebsebene.
- 20 -

III. Beurteilung des Entwicklungsgangs

- im Wesentlichen ungebrochener Aufbau bis in die Gegen-


wart

- im Vordergrund zunächst Gesundheitsschutz, später Wah-


rung der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer, schliess-
lich Humanisierung der Arbeitswelt

- Privates, öffentliches und kollektives Arbeitsrecht sollen ein


harmonisches Ganzes bilden. Jeder dieser drei Teile ist
grundsätzlich gleichermassen sinnvoll.

- Das Verhältnis der drei Bereiche zueinander bleibt aber in


Zukunft offen, mit Verschiebungen ist zu rechnen. Eine
stärkere Gewichtung des kollektivrechtlichen Teils, zwecks
flexibler und massgeschneiderter Lösungen, wäre wünsch-
bar.
- 21 -

2. Kapitel: Individualarbeitsrecht

§ 5 Arten und Quellen der arbeitsvertraglichen Regelungen

I. Einzelarbeitsvertrag

Das zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abgeschlossene


Rechtsverhältnis (Art. 319-343 OR)

Gesamtrevision des Arbeitsvertragsrechts im OR per


1. Januar 1972

Totalrevision des Kündigungs- und Kündigungsschutzrechts


im Arbeitsvertragsrecht des OR per 1. Januar 1989
- 22 -

II. Gesamtarbeitsvertrag

- Vertrag zwischen Arbeitgeberverbänden bzw. einzelnen Ar-


beitgebern und Arbeitnehmerverbänden (Gewerkschaften),
der normalerweise Bestimmungen über Abschluss, Inhalt und
Beendigung der Arbeitsverträge der beteiligten Arbeitgeber
und Arbeitnehmer enthält (Art. 356 OR)

normativer Teil, vgl. Art. 356 Abs. 1 OR

schuldrechtlicher Teil, vgl. Art. 356 Abs. 3 OR

- normative Wirkung des GAV beschränkt auf die beteiligten


Arbeitgeber und Arbeitnehmer (Art. 356 Abs. 1 OR), d.h. auf
die Mitglieder der vertragschliessenden Verbände oder nach-
träglich dem GAV angeschlossene einzelne Arbeitgeber und
Arbeitnehmer

aber Möglichkeit der Allgemeinverbindlicherklärung von GAV:


Ausdehnung des Geltungsbereichs eines GAV auf alle Ar-
beitgeber und Arbeitnehmer des betreffenden Wirtschafts-
zweiges oder Berufes durch behördlichen Beschluss. Bun-
desgesetz über die Allgemeinverbindlicherklärung von Ge-
samtarbeitsverträgen vom 28. September 1956.
- 23 -

- Grundgedanke des GAV:

Herstellung eines Machtgleichgewichts zwischen Arbeitgeber-


und Arbeitnehmerseite durch Kollektivvereinbarung und An-
erkennung der Gewerkschaften als Vertragspartner auf Ar-
beitnehmerseite. Dadurch auch Schaffung von Vertragsfrei-
heit.

Private Ordnungsmächte (Arbeitgeberverbände bzw. einzelne


Arbeitgeber und Gewerkschaften) erhalten gesetzgeberähnli-
che Macht zur Festlegung der Arbeitsbedingungen, anstelle
des staatlichen Gesetzgebers.
- 24 -

III. Normalarbeitsvertrag

- Erlass des Bundes oder eines Kantons mit dispositiven Be-


stimmungen über Begründung, Inhalt und Beendigung be-
stimmter Arbeitsverhältnisse

kein Vertrag, sondern staatliche Normierung von Arbeitsbe-


dingungen

- in Branchen und Berufen, wo Arbeitnehmer nicht gewerk-


schaftlich organisiert sind, z.B. Landwirtschaft, Hausdienst

- Fehlendes Machtgleichgewicht soll durch staatliche Normie-


rung der Arbeitsbedingungen wettgemacht werden. Entschei-
dende Schwäche aber der bloss dispositive Charakter eines
NAV (vgl. Art. 360 Abs. 1 OR).

- geringe praktische Bedeutung der NAV


- 25 -

- Neuerdings ist aber der NAV mit zwingenden Mindestlöhnen


vorgesehen (Entsendegesetz vom 8. Oktober 1999, Art. 360a
OR). Gegen mögliches Lohndumping entsandter ausländi-
scher Arbeitnehmer in der Schweiz. Flankierende Massnah-
me im Zusammenhang mit dem Freizügigkeitsabkommen
Schweiz-EU. Mindestlöhne = Löhne auf der Basis orts- und
branchenüblicher Löhne für alle Arbeitnehmer der betreffen-
den Berufe oder Wirtschaftszweige. Tripartite Kommissionen
mit folgenden Aufgaben: Beobachten des Arbeitsmarktes hin-
sichtlich eventuellem Lohndumping durch entsandte auslän-
dische Arbeitnehmer, bei Feststellung von Lohndumping
Recht auf Antrag an die Behörde auf Erlass von NAV-
Mindestlohnvor-schriften (Art. 360b OR).
- 26 -

IV. Betriebsordnung

- Kollektive Regelung der Arbeitsverhältnisse eines Betriebes


durch einseitigen Erlass des Arbeitgebers oder Vereinbarung
des Arbeitgebers mit der Arbeitnehmervertretung (Art. 37
Abs. 4 ArG).
Genehmigung durch kantonale Behörde (Art. 39 ArG)

- Institut des Privatrechts. Autonome betriebliche Satzung, die


im Betrieb für Arbeitgeber und Arbeitnehmer unmittelbar ver-
bindliches und (vorbehältlich des Günstigkeitsprinzips) unab-
dingbares Recht schafft. Dieses Satzungsrecht ist objektives
Recht.

- Mögliche Inhalte:

Obligatorische Inhalte: Bestimmungen über Gesundheitsvor-


sorge und Unfallverhütung in industriellen Betrieben (Art. 38
Abs. 1 ArG)

Bedingt obligatorische Inhalte: "soweit notwendig" Bestim-


mungen über Verhalten der Arbeitnehmer und Ordnung im
Betrieb, besonders über Ordnungsstrafen (Art. 38 Abs. 1
ArG).
- 27 -

Fakultative Inhalte: generell Bestimmungen, "die das Verhält-


nis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betreffen" (Art.
38 Abs. 2 ArG), aber beschränkt auf Betriebsvereinbarung.
Ferner zulässig nur insoweit, "als ihr Gegenstand in dem Be-
reich, dem der Betrieb angehört, nicht üblicherweise durch
GAV oder andere Kollektivvereinbarung geregelt wird" (Art.
38 Abs. 2 ArG).

- Somit ist die vereinbarte Betriebsordnung bzw. Betriebsver-


einbarung eine in der Rangordnung hinter zwingendem Ge-
setzesrecht und hinter dem GAV zurückstehende Ordnung
objektiven Rechts. Rechtspolitisch enthält sie starke Ansätze
in Richtung betriebliche Partnerschaft und Betriebsgemein-
schaft. Erlangte aber in der Praxis kaum Bedeutung.
- 28 -

§ 6 Hierarchie der Rechtsquellen im Individualarbeitsrecht

I. Grundsätzliche Rangfolge

1. zwingendes Gesetzes- und Verordnungsrecht (Art. 358, 359


Abs. 3, 361/362 OR, Art. 38 Abs. 3 ArG)

2. Normen von GAV (Art. 357, 360 Abs. 1 OR, Art. 38 Abs. 3
ArG)

3. Betriebsordnung (Art. 39 Abs. 2 ArG, Art. 360 Abs. 1 OR)

4. Arbeitsvertrag, Normalarbeitsvertrag (Art. 360 Abs. 1 OR)

5. Dispositives Gesetzesrecht

6. Weisungen des Arbeitgebers (Art. 321d OR)


- 29 -

II. Günstigkeitsprinzip

- Eine rangschwächere Regelung geht der ranghöheren vor,


wenn sie für den Arbeitnehmer günstiger ist (Art. 358 und 359
Abs. 3 OR).

- Aber Relativierung des Günstigkeitsprinzips in mehrfacher


Hinsicht:

- Die in Art. 361 OR aufgezählten gesetzlichen Regelungen


dürfen weder zuungunsten des Arbeitnehmers noch zuun-
gunsten des Arbeitgebers abgeändert werden.

- Beim GAV gilt das Günstigkeitsprinzip nur gegenüber den


Einzelarbeitsverträgen (Art. 357 Abs. 2 OR) - wobei durch
sog. Öffnungsklausel der GAV sogar eine Abweichung zu-
ungunsten des Arbeitnehmers gestatten kann (Art. 357
Abs. 1 OR) - nicht aber gegenüber der Betriebsordnung
(Art. 38 Abs. 1 und 2 ArG) und dem NAV (Art. 360 Abs. 1
OR).

- Die Betriebsordnung kann auch durch NAV nicht abgeän-


dert werden (Art. 360 Abs. 1 OR), wohl aber durch Einzel-
arbeitsvertrag (Art. 357 Abs. 2 OR analog).
- 30 -

§ 7 Wesen und Merkmale des Arbeitsvertrages

I. Begriffsmerkmale

1. Allgemeines
vgl. Art. 319 Abs. 1 OR

Zuordnung zum Schuldrecht


wesentlich zweiseitiger (synallagmatischer) Vertrag oder
Austauschvertrag

2. Die Begriffsmerkmale im Einzelnen

a) Leistung von Arbeit


jede menschliche Arbeit im Sinne positiver Betätigung

b) zeitliches Merkmal
Verwendung einer gewissen Zeit für den Arbeitgeber
Dauerschuldverhältnis
- 31 -

c) Lohn
Erfordernis der Entgeltlichkeit
Interessengegensatzvertrag
gegenseitiges Dauerschuldverhältnis

d) Abhängigkeit und Unterordnung des Arbeitnehmers


persönliche Weisungsgebundenheit, insb. durch fortlau-
fende Konkretisierung der Arbeitspflicht durch den Arbeit-
geber
Eingliederung in den Betrieb
wirtschaftliche Abhängigkeit
in der Praxis entscheidend in Abgrenzungsfragen
- 32 -

II. Abgrenzung des Arbeitsvertrages von anderen Verträgen auf


Arbeitsleistung

1. Allgemeines

- Verschiedene Verträge haben eine Arbeitsleistung zum Ge-


genstand. "Verträge über Arbeitsleistung" (vgl. Art. 394 Abs. 2
OR) als Oberbegriff, nach OR gehören dazu neben dem Ar-
beitsvertrag der Werkvertrag, Auftrag und Verlagsvertrag.

- Praktische Bedeutung der Qualifizierung eines Vertrages als


Arbeitsvertrag

1. Nur beim Arbeitsvertrag Anwendbarkeit der Schutznormen


des öffentlichen Arbeitsrechts.

2. Nur beim Arbeitsvertrag Anwendbarkeit der zwingenden


Sozialnormen des Arbeitsvertragsrechts des OR (Art. 361
und 362 OR), z.B. Lohnfortzahlung bei Krankheit (Art.
324a OR), Ferien (Art. 329a OR), Kündigung und Kündi-
gungsschutz (Art. 335ff OR).
- 33 -

3. Der Arbeitsvertrag ist Anknüpfungspunkt für verschiedene


wichtige Sozialversicherungen, z.B. Unfallversicherung,
Krankenversicherung, berufliche Vorsorge, Arbeitslosen-
versicherung.

4. Für Streitsachen aus Arbeitsvertrag Sondergerichtsbarkeit


vor Arbeitsgerichten

2. Abgrenzung vom Auftrag

- Gegenstand = Besorgung von Geschäften für einen andern


(Auftraggeber), Art. 394 OR

für die Abgrenzung massgebend ist das Begriffsmerkmal der


Unterordnung und Abhängigkeit (BGE 112 II 41)

Abgrenzung schwierig vor allem bei Personen in leitender


Stellung oder hochqualifizierten Fachleuten, weil die persönli-
che Weisungsgebundenheit bei ihnen kaum in Erscheinung
tritt. Neben der persönlichen Weisungsgebundenheit sind hier
auch die betriebliche Eingliederung und wirtschaftliche Ab-
hängigkeit zu gewichten. In der Regel sind sie in Arbeitsver-
tragsverhältnissen.
- 34 -

3. Abgrenzung zum Werkvertrag

- Gegenstand = Herstellung eines Werkes gegen Vergütung


(Art. 363 OR). Haftung des Unternehmers für die Tauglichkeit
des Werkes (Erfolgshaftung). Massgeblich für die Abgren-
zung das Unterordnungsverhältnis (BGE 73 II 415). Dieses
fehlt beim Werkvertrag.

- Steht bei einer vertraglichen Beziehung das Arbeitsergebnis


im Vordergrund, ist grundsätzlich Werkvertrag anzunehmen.
Steht dagegen das Arbeiten "auf Zeit" im Vordergrund, eher
Arbeitsvertrag.
- 35 -

4. Abgrenzung zum Gesellschaftsvertrag

- Gegenstand = Verbindung von zwei oder mehreren Personen


zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes mit gemeinsa-
men Kräften und Mitteln (Art. 530 OR).

Unter Umständen schwierige Abgrenzung zum Arbeitsver-


trag. Eine einfache Gesellschaft kann schon von zwei Perso-
nen begründet werden, und der Beitrag eines Gesellschafters
kann auf Arbeit (Art. 531 Abs. 1 OR) mit Beteiligung bloss am
Gewinn (Art. 533 Abs. 2 OR) beschränkt sein. Unterscheid-
barkeit eines solchen Gesellschaftsvertrages von einem Ar-
beitsvertrag mit Entlöhnung in Form eines Gewinnanteils (Art.
322a OR) kaum möglich (vgl. BGE 106 II 46 E. 3).

- Massgeblich für die Abgrenzung wiederum das Unterord-


nungsverhältnis des Arbeitenden zum Vertragspartner. Liegt
ein solches vor, ist Arbeitsvertrag anzunehmen, andernfalls
Gesellschaftsvertrag.
- 36 -

3. Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis

- Im OR Nebeneinander der Begriffe "Arbeitsvertrag" und "Ar-


beitsverhältnis" (vgl. OR Art. 319, 324a, 335, usw.). Gemäss
Botschaft des Bundesrats zur letzten Gesamtrevision 1971
des Arbeitsvertrags im OR Entstehung des Arbeitsvertrags
durch Vertragsabschluss, des Arbeitsverhältnisses dagegen
erst durch Stellenantritt des Arbeitnehmers, durch Eingliede-
rung des Arbeitnehmers im Betrieb (sog. Eingliederungstheo-
rie).

- Nach Arbeitsvertragsrecht des OR ist aber der Arbeitsvertrag


als solcher Gegen-stand der Rechtsbeziehung zwischen Ar-
beitgeber und Arbeitnehmer (vgl. Art. 319 Abs. 1 OR), nicht
ein davon gesondertes, erst durch Eingliederung des Arbeit-
nehmers in den Betrieb des Arbeitgebers entstehendes "Ar-
beitsverhältnis". Somit hat der Begriff "Arbeitsverhältnis" nur
eine eingeschränkte Bedeutung und bezeichnet das durch
Abschluss des Arbeitsvertrags begründete Dauerschuldver-
hältnis im Erfüllungsstadium.
- 37 -

IV. Arbeitsvertrag und Gemeinschaftsverhältnis

- Lehre vom Arbeitsvertrag als personenrechtliches Gemein-


schaftsverhältnis, durch Betonung personenbezogener, ge-
meinschaftsrechtlicher Regelungspunkte wie z.B. Ferien (Art.
329a ff. OR), Lohnfortzahlung bei Krankheit (Art. 324a OR),
usw. Entstehung dieses personenrechtlichen Gemeinschafts-
verhältnisses durch Eingliederung des Arbeitnehmers in den
Betrieb des Arbeitgebers (so z.B. Hug, OR-Lehrbuch
Guhl/Merz/Kummer, Vischer).

- Fürs schweizerische Arbeitsvertragsrecht ist diese Lehre


kaum haltbar. Hauptleistungspflicht im Arbeitsvertrag sind die
Arbeitspflicht des Arbeitnehmers und die Lohnzahlungspflicht
des Arbeitgebers, während die erwähnten anderen Rege-
lungspunkte nur Nebenpflichten der Parteien im Arbeitsver-
trag sind.

- Nach schweizerischem Arbeitsvertragsrecht bleibt der Ar-


beitsvertrag ein schuldrechtlicher Austauschvertrag, mit ge-
wissen gemeinschaftsrechtlichen Zügen durch die erwähnten
Nebenpflichten der Parteien.
- 38 -

§ 8 Abschluss des Arbeitsvertrages

I. Der Abschluss

1. Vertragsabschluss
schriftlich, mündlich oder stillschweigend (Art. 320 Abs. 1 OR)

2. Anwendbarkeit der allgemeinen Regeln über den Abschluss


von Verträgen
(Art. 1ff. OR), Konsensprinzip

Anwendbarkeit auch der allgemeinen Regeln über die Anfecht-


barkeit von Verträgen wegen Willensmängeln (Art. 23ff. OR)

Verwendung von Allgemeinen Arbeitsbedingungen (Firmen-


reglemente, Betriebsreglemente, usw.). Verbindlichkeit, wenn
sie dem Arbeitnehmer zur Kenntnis gebracht und von diesem
gebilligt worden sind, wofür das Arbeitgeber beweispflichtig
ist. Auch einschlägige GAV in ihrer jeweiligen Fassung kön-
nen als Allgemeine Arbeitsbedingungen in Arbeitsverhältnis-
sen vertraglich vereinbart sein (BGE 123 III 129).
- 39 -

3. Bewerbung und Vertragsverhandlungen

- Stellenbewerbung mündlich oder schriftlich, in der Regel


Einreichung von Bewerbungsunterlagen wie Lebenslauf,
Diplome, Zeugnisse. Rückgabepflicht des Arbeitgebers im
Falle der Nichtanstellung des Bewerbers. Ferner Einsatz
von Personalfragebogen, Gutachten, Tests. Pflicht des
Arbeitgebers zur Vernichtung dieser Unterlagen im Falle
der Nichtanstellung (Art. 28, 28a ZGB betreffend Persön-
lichkeitsschutz).

- Fragerecht des Arbeitgebers über Umstände, die in unmit-


telbarem objektivem Zusammenhang zum Arbeitsverhält-
nis stehen; regelmässig betreffend Ausbildung, Berufser-
fahrung, gegenwärtige Krankheiten, Konkurrenzverbot des
Arbeitnehmers.

Entsprechende Auskunftspflicht des Bewerbers

ausnahmsweise ungefragte Mitteilungspflicht des Bewer-


bers über Umstände, die für das betreffende Arbeitsver-
hältnis vom Arbeitgeber vorausgesetzt werden dürfen
Wahrheitspflicht des Bewerbers bezüglich aller Angaben,
die er von sich aus macht, und bzgl. Antworten auf zuläs-
sige Fragen des Arbeitgebers.
- 40 -

- Der Arbeitgeber hat kein Recht, persönlichkeitsverletzen-


de Fragen zu stellen, also grundsätzlich kein Fragerecht
über das Privatleben des Bewerbers. Anders bei Arbeits-
verhältnissen in Tendenzbetrieben oder bei Bewerbungen
um leitende Positionen.

Persönlichkeitsverletzende Fragen des Arbeitgebers darf


der Bewerber eventuell wahrheitswidrig beantworten
(Notwehrrecht auf Lüge, aber streitig). Zurückhaltung hier
am Platz. Zulässigkeit des Lügerechts nur gegenüber Fra-
gen, die den engsten Persönlichkeitsbereich betreffen und
in keinerlei Beziehung zum konkreten Arbeitsverhältnis
stehen. Bei rechtmässigem Gebrauch des Lügerechts ist
Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen Täuschung
(Art. 28 OR) oder Auflösung aus wichtigem Grund durch
den Arbeitgeber nicht möglich.

- Bei Verletzung der Regeln über die Auskunftspflicht, unge-


fragte Mitteilungspflicht und Wahrheitspflicht Recht des
Arbeitgebers zur Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen
Willensmängeln (Art. 23ff. OR).
- 41 -

2. Prinzip der Formfreiheit

1. Der Arbeitsvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit keiner be-


sonderen Form (Art. 320 Abs. 1 OR), entsprechend der
allgemeinen Regel von Art. 11 OR.

2. Als Ausnahme ist für bestimmte Vertragspunkte dennoch


Schriftform als Gültigkeitserfordernis vorgeschrieben:
vgl. Art. 321c Abs. 3 OR (Ueberstundenentschädigung),
Art. 324a Abs. 4 OR (Lohn bei Krankheit oder Unfall des
Arbeitnehmers),
Art. 327a Abs. 2 OR (pauschale Auslagenvergütung),
Art. 335c Abs. 2 OR (Kündigungsfrist),
Art. 340 Abs. 1 OR (Konkurrenzverbot).

3. Bei den nach Gesetz schriftformbedürftigen Vertragspunk-


ten reicht es nicht aus, wenn sie nur global in den Arbeits-
vertrag einbezogen sind, z.B. durch Verweisung im unter-
schriebenen Arbeitsvertrag, das beigefügte, schriftformbe-
dürftige Vertragspunkte enthaltende Firmenreglement sei
"integrierender Bestandteil des Arbeitsvertrages".
- 42 -

III. Die gesetzliche Abschlussvermutung gemäss Art. 320


Abs. 2 OR

1. Grundsatz
Ein Arbeitsvertrag "gilt" auch dann als abgeschlossen, wenn
der Arbeitgeber Arbeit auf Zeit entgegennimmt, deren Leis-
tung nach den Umständen nur gegen Lohn zu erwarten ist
(Art. 320 Abs. 2 OR).

Unwiderlegbare gesetzliche Vermutung des Bestehens eines


Arbeitsvertrages. Massgeblich sind die objektiven Umstände
ex post (und nicht, im Sinne blosser Auslegungsregel, was
die Parteien gewollt oder sich vorgestellt haben).
BGE 95 II 131, 107 Ia 107, 113 II 414.

2. Anwendbarkeit auf Arbeitsleistungen, die im Rahmen famili-


enrechtlicher oder quasi-familienrechtlicher Verhältnisse er-
bracht werden

a) Arbeitsleistung eines Ehegatten im Betrieb des andern


Falls die Mitarbeit des Ehegatten die eheliche Beistands-
pflicht (Art. 159 Abs. 3 ZGB) erheblich übersteigt, hat er
Anspruch auf angemessene Entschädigung (Art. 165 Abs.
- 43 -

1 ZGB). Verlangen Art und Dauer der Mehrarbeit eine vol-


le Entschädigung und Sozialschutz, bleibt die Anwendbar-
keit des Arbeitsvertragsrechts gestützt auf Art. 320 Abs. 2
OR vorbehalten (BGE 113 II 414). Erforderlich ist in die-
sem Fall die Unterordnung und Eingliederung des mitar-
beitenden Ehegatten im Betrieb des andern. Empfehlung,
in solchen Fällen mit dem Ehepartner einen schriftlichen
Arbeitsvertrag abzuschliessen.

b) Arbeitsleistung eines Konkubinatspartners im Betrieb des


andern
Gestützt auf Art. 320 Abs. 2 OR ist auch hier Arbeitsver-
tragsrecht anwendbar, weil die Verkehrsanschauung Ent-
geltlichkeit annimmt, sobald die Mitarbeit den Rahmen fa-
milienrechtlicher Beistandspflicht klar überschreitet (BGE
109 II 228). Erforderlich wiederum Unterordnung und Ein-
gliederung des mitarbeitenden Partners im Betrieb des
andern. Vorbehalten bleibt die Anwendung des Rechts der
einfachen Gesellschaft, wenn die Arbeitsleistung als Bei-
trag zu einem gemeinsamen Zweck anzusehen ist (BGE
108 II 204). Keine Anwendung von Art. 320 Abs. 2 OR für
Tätigkeit im Haushaltbereich, weil hier ohnehin schon das
für einen Arbeitsvertrag begriffsnotwendige Unterordnungs-
verhältnis fehlt.
- 44 -

IV. Die Rechtsfolgen beim nichtigen Arbeitsvertrag

1. Schranken des Abschlusses eines Vertrages


Oeffentlichrechtliche Abschlussverbote (vgl. Art. 30 ArG),
Arbeitsbewilligungspflicht für Ausländer, Formvorschriften im
Sinne von Gültigkeitsvoraussetzungen, Uebervorteilung (Art.
21 OR), Unsittlichkeit.

2. Aufhebung des Arbeitsvertrages ex nunc


Normale Rechtsfolge von Nichtigkeit oder Ungültigkeit wäre
Aufhebung des Arbeitsvertrages ex tunc. Kein Lohnanspruch
des Arbeitnehmers für bereits geleistete Arbeit.
Deshalb beim Arbeitsvertrag Eintritt der Ungültigkeitsfolge
erst ex nunc (Art. 320 Abs. 3 OR). Bis zu diesem Zeitpunkt
Lohnanspruch des Arbeitnehmers für geleistete Arbeit.

3. Voraussetzung der Gutgläubigkeit des Arbeitnehmers


Rechtsfolge ex nunc aber nur, wenn der Arbeitnehmer die
Arbeit in gutem Glauben erbracht hat (Art. 320 Abs. 3 OR),
d.h. der Arbeitnehmer den Rechtsmangel nicht kannte und
nicht hätte kennen sollen. Gutgläubigkeit fehlt in der Regel
bei Ausländern ohne Arbeitsbewilligung; gemäss BGE 114 II
279 bewirkt das Fehlen der Arbeitsbewilligung aber nicht Un-
gültigkeit des Arbeitsvertrages (aber streitig), so dass die
Frage der Gutgläubigkeit gar nicht relevant wird.
- 45 -

§ 9 Das Weisungsrecht des Arbeitgebers und die Befolgungs-


pflicht des Arbeitnehmers

I. Allgemeines

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeit-


nehmer ist typisch für den Arbeitsvertrag. Ausdruck des Unter-
ordnungsverhältnisses des Arbeitnehmers zum Arbeitgeber.

Ferner ist die Arbeitspflicht im Arbeitsvertrag gewöhnlich nur


allgemein vereinbart und vom Arbeitgeber durch Weisung
fortlaufend noch zu konkretisieren.
- 46 -

II. Weisungsrecht

- Einzelanweisungen des Arbeitgebers an bestimmte einzelne


Arbeitnehmer, z.B. betreffend Arbeitsleistung.

- Allgemeine Anordnungen des Arbeitgebers über Ordnung im


Betrieb und Verhalten der Arbeitnehmer. Möglich auch durch
einseitig erlassene oder vereinbarte Betriebsordnung (Art. 38
Abs. 2 ArG). In der Praxis jedoch meist allgemeine Anord-
nungen nach Art. 321d OR, weil anders als bei der Betriebs-
ordnung (Art. 37 Abs. 4 ArG) eine behördliche Kontrolle ent-
fällt; vorbehalten aber Informationsrecht der Arbeitnehmerr
nach Art. 9 MWG und Mitspracherecht der Arbeitnehmer
nach Art. 48 ArG.

- Weisungstypen: Zielanweisungen betreffend Leistungsge-


genstand; Fachanweisungen betreffend Methode, Technik
und Arbeitsausführung; Verhaltensanweisungen betreffend
Verhalten im Betrieb.

- Subsidiarität des Weisungsrechts gegenüber Gesetz, GAV,


Betriebsordnung, NAV und vertraglichen Abreden. Je umfas-
sender der Arbeitsvertrag geregelt ist, desto weniger Raum
bleibt dem Weisungsrecht.
- 47 -

III. Die Weisungspflicht

- Auch Pflicht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer Weisungen


zu erteilen.

- Aufgrund der Geschäftsherrenhaftung, die eine umfassende


Instruktionspflicht des Arbeitgebers voraussetzt (Art. 55 OR),
je nach Arbeitsvertrag aufgrund einer Beschäftigungspflicht
des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer.

- Bei Verletzung der Weisungspflicht Schadenersatzpflicht des


Arbeitgebers (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 328 OR).

IV. Die Befolgungspflicht und ihre Durchsetzung

1. Befolgungspflicht als Gegenstück zum Weisungsrecht (Art.


321d Abs. 2 OR)

2. Rechtsfolgen bei Verletzung der Befolgungspflicht


- allgemeine Folgen einer Vertragsverletzung: Schadenersatz,
ordentliche und fristlose Entlassung, Konventionalstrafe
- Ordnungsstrafen, z.B. Bussen, sofern in der Betriebsord-
nung angemessen geregelt (Art. 38 Abs. 1 ArG)
- 48 -

V. Schranken

1. Widerrechtlichkeit
besonders bei Verletzung von öffentlichem Arbeitsschutz-
recht, z.B. gesetzliche Arbeitszeitvorschriften

2. Unsachlichkeit
soweit der Arbeitnehmer für ausgeführte Arbeit die Verant-
wortung trägt

3. Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers


grundsätzlich bei Verhaltensanweisungen im ausserbetriebli-
chen Bereich
wenn im Widerspruch zur Ausübung verfassungsmässiger
Rechte, z.B. bei Ausübung eines öffentlichen Amts

4. Vertragliche Abreden
z.B. betreffend flexible Arbeitszeit

5. Treu und Glauben


Grundlage für Willkürverbot und Gleichbehandlung
Ansatz für ausnahmsweise Weisung entgegen vertraglichen
Abreden, Interessenabwägung im Einzelfall
- 49 -

§ 10 Die Sorgfalts- und Treuepflicht des Arbeitnehmers und


die Schutz- und Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

I. Allgemeines

Verpflichtung zu gegenseitiger Interessenwahrung


Sorgfalts- und Treuepflicht des Arbeitnehmers (Art. 321a OR)
einerseits
Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (Art. 328 OR) anderseits

II. Sorgfalts- und Treuepflicht des Arbeitnehmers (Art. 321a OR)

1. Sorgfaltspflicht (Art. 321a Abs. 2 OR)


Pflicht zu sorgfältiger Arbeitsausführung
Pflicht zu sorgfältiger Behandlung von Material, Maschinen,
Geräten, usw.
Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber
bei Verletzung der Sorgfaltspflicht (Art. 321e OR)
- 50 -

2. Schwarzarbeitsverbot (Art. 321a Abs. 3 OR)


Verbot entgeltlicher Arbeit für einen Dritten, soweit der
Arbeitnehmer dadurch die Treuepflicht verletzt, insb. den
Arbeitgeber konkurrenziert.

Unentgeltliche Arbeit des Arbeitnehmers für einen Dritten


kann die allgemeine Treuepflicht (Art. 321a Abs. 1 OR)
verletzen, z.B. wenn der Arbeitnehmer dadurch in seiner
Leistungsfähigkeit erheblich herabgesetzt wird.

Abwerbung von Mitarbeitern ist eine schwere Verletzung der


allgemeinen Treuepflicht (Art. 321a Abs. 1 OR, Obergericht
ZH, JAR 1998 S. 126, 256ff.)
- 51 -

3. Geheimhaltungspflicht (Art. 321a Abs. 4 OR)


Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses umfassende
Geheimhaltungspflicht hinsichtlich aller geheim zu haltender
Tatsachen, insb. Fabrikationsgeheimnisse, Geschäftsge-
heimnisse.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur noch gelo-


ckerte Verschwiegenheitspflicht bezüglich betriebsspezifi-
scher Geheimnisse (nicht bezüglich allgemeinem Erfah-
rungswissen). Lediglich Verbot, Geheimnisse zu verwerten
oder anderen mitzuteilen (nicht Konkurrenzverbot).
BGE 80 IV 30.

4. Verpflichtung zur Leistung von Ueberstunden (Art. 321c OR)

- Ueberstunden = Mehrarbeit über die normale betriebliche Ar-


beitszeit hinaus
(Art. 321c Abs. 1 OR)

dagegen Ueberzeit = Mehrarbeit über die gesetzliche


Höchstarbeitszeit von 45 resp. 50 Stunden hinaus
(Art. 9 Abs. 1 und 12 ArG)
- 52 -

- Leitende Angestellte, die einen hohen Lohn haben und in der


Arbeitszeiteinteilung relativ frei sind, haben eine (meist still-
schweigend vereinbarte) Normalarbeitszeit, die zur Bewälti-
gung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Ausgenommen es wer-
den ihnen zusätzliche Aufgaben über ihre vertraglichen Pflich-
ten hinaus übertragen (BGE, JAR 1998 S. 144) oder sie ha-
ben in ihrem Arbeitsvertrag eine Normalarbeitszeit vereinbart.
Leitende Angestellte müssen nicht höhere leitende Angestell-
te im Sinne von Art. 3 lit. d ArG sein (BGE 126 III 337 E. 5).

- Verpflichtung zur Leistung von Ueberstundenarbeit, wenn


Ueberstunden notwendig und nach Treu und Glauben zumut-
bar (Art. 321c Abs. 1 OR). Hier Aspekt der Treuepflicht des
Arbeitnehmers. Notwendigkeit von Ueberstundenarbeit gege-
ben, wenn sie auf entsprechende Weisung des Arbeitgebers
geleistet wird, oder wenn sie vom Arbeitnehmer aus eigener
Initiative geleistet, aber nachträglich vom Arbeitgeber geneh-
migt wird (BGE 86 II 155), oder wenn sie objektiv notwendig
ist, oder wenn sie vom Arbeitnehmer in guten Treuen als not-
wendig erachtet wird.
- 53 -

- Entschädigung von Ueberstundenarbeit durch Lohn plus Zu-


schlag von 25% oder Freizeit (Art. 321c Abs. 2 und 3 OR).
Freizeitausgleich aber nur mit Zustimmung des Arbeitneh-
mers (Art. 321c Abs. 2 OR); bei Freistellung wäre Weigerung
des Arbeitnehmers nur ganz ausnahmsweise rechtsmiss-
bräuchlich (BGE 123 III 84). Abweichende schriftliche Abrede,
auch völliger Ausschluss einer Ueberstundenentschädigung,
zulässig, weil Art. 321c Abs. 3 OR dispositiven Rechts ist.
Ebenfalls zulässig Verzicht auf Entschädigung für bereits ge-
leistete Ueberstunden (gegenteilig BGE 124 III 469). Meldung
geleisteter Ueberstunden möglichst vor nächstem Zahltag.
Aber Geltendmachung noch innerhalb der 5-jährigen Verjäh-
rungsfrist (Art. 128 Ziff. 3 OR) möglich, rechtsmissbräuchliche
Verzögerung in der Regel nicht anzunehmen (BGE 126 III
337 E. 7; 123 III 84 E. 5).

5. Rechenschafts- und Herausgabepflicht (Art. 321b OR)


vor allem bezüglich Geldbeträgen (nicht aber übliche Trink-
gelder)
- 54 -

III. Die Schutz- und Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

1. Begriffliches
Pflicht des Arbeitgebers, in den Arbeitsverhältnissen den
Arbeitnehmern Schutz und Fürsorge zu gewähren.

Verschiedene gesetzliche Konkretisierungen. Daneben Her-


ausbildung neuer Fürsorgepflichten im Wandel der Zeit.

2. Schutz der Persönlichkeit


vgl. Art. 328 Abs. 1 OR
Recht auf (tatsächliche) Beschäftigung für Tätigkeiten, bei
denen durch Nichtbeschäftigung die spätere wirtschaftliche
Entfaltung des Arbeitnehmers beeinträchtigt wird (z.B. Künst-
ler, Journalisten, Spezialisten). Vorübergehende Freistellung
aber regelmässig zulässig.

3. Schutz von Leben und Gesundheit


vgl. Art. 328 Abs. 2 OR
Verpflichtung des Arbeitgebers zu Schutzmassnahmen für
Arbeitnehmer. Bei Verletzung der Schutzpflicht Haftung des
Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer.
- 55 -

4. Fürsorgepflicht bei Hausgemeinschaft


Gesteigerte Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
(vgl. Art. 328a OR)

5. Sorge für eingebrachte Sachen


Zur Verfügung stellen von geeigneten Aufbewahrungsmög-
lichkeiten.

6. Arbeitszeugnis
- Mittel zur Fürsorge des Arbeitgebers für das weitere Fort-
kommen des Arbeitnehmers bei Stellenwechsel

- Arbeitsvollzeugnis beschreibt Art und Dauer des Arbeitsver-


hältnisses sowie Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers
(Art. 330a Abs. 1 OR).

Arbeitsbestätigung beschreibt lediglich Art und Dauer des Ar-


beitsverhältnisses (Art. 330a Abs. 2 OR).
- 56 -

- Grundsätze der inhaltlichen Gestaltung von Arbeitszeugnis-


sen: Wahrheit, Vollständigkeit, Klarheit und Wohlwollen.
Bei Verletzung dieser Grundsätze Schadenersatzpflicht des
Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer wegen Vertrags-
verletzung (Art. 97ff. OR), und Schadenersatzpflicht des Ar-
beitgebers gegenüber Dritten aus unerlaubter Handlung
(Art. 41 OR, BGE 101 II 69).

- Durchsetzung des Anspruchs auf Ausstellung eines Arbeits-


zeugnisses mittels Leistungsklage. Beweislast des Arbeit-
nehmers (Art. 8 ZGB). Abänderung eines unrichtigen oder
unvollständigen Zeugnisses mittels Berichtigungsklage
(BGE 129 III 177).

- Aufgrund der Fürsorgepflicht Verpflichtung des Arbeitgebers


zur Auskunftserteilung über den Arbeitnehmer an Dritte (Refe-
renzen). Zustimmung des Arbeitnehmers zur Auskunftsertei-
lung erforderlich (Art. 13 Abs. 1 DSG). Bezüglich Inhalt Gel-
tung derselben Grundsätze wie beim Arbeitszeugnis.
- 57 -

7. Pflicht zur Information über das Arbeitsverhältnis


vgl. Art. 330b OR
- Pflicht des Arbeitgebers zu schriftlicher Information über Na-
men der Vertragsparteien, Datum des Beginns des Arbeits-
verhältnisses, Funktion des Arbeitnehmers, Lohn und allfällige
Lohnzuschläge, wöchentliche Arbeitszeit

Spätestens 1 Monat nach dem (rechtlichen) Beginn des Ar-


beitsverhältnisses

Wenn das Arbeitsverhältnis unbefristet oder für mehr als 1


Monat eingegangen ist

Zwecks besserer Rechtssicherheit sowie besserer Kontroll-


möglichkeiten der tripartiten Kommissionen bezüglich Lohn-
dumping entsandter ausländischer Arbeitnehmer

8. Weitere Konkretisierung der Fürsorgepflicht


- Pflicht des Arbeitgebers zur Lohnfortzahlung bei Arbeitsver-
hinderung des Arbeitnehmers aus persönlichen Gründen
(Art. 324a OR)

- Pflicht des Arbeitgebers zur Gewährung von Ferien


(Art. 329a ff. OR)
- 58 -

§ 11 Haftung des Arbeitnehmers

I. Allgemeines

Vertragshaftung (Art. 97, 321e OR)


Daneben ausservertragliche Haftung (Art. 41 OR)
Für den Arbeitgeber Vorteile der Vertragshaftung hinsichtlich
Beweislast (Art. 97 OR), Verjährung (Art. 127 OR).

II. Vertragsverletzung

Durch Nichterfüllung bei vollständigem Ausbleiben der


Arbeitsleistung

Gewöhnlich durch Schlechterfüllung infolge Verletzung einer


Sorgfaltspflicht
- 59 -

Kriterien gemäss Rechtsprechung für die Bestimmung des


Sorgfaltsmasses (vgl. auch Art. 321e Abs. 2 OR):

- Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb


- Höhe des Lohns
- Fachkenntnisse des Arbeitnehmers
- besondere Fähigkeiten und Eigenschaften
des Arbeitnehmers
- Dauer der Tätigkeit

III. Verschulden

Absicht oder Fahrlässigkeit


Unterscheidung zwischen grober und leichter Fahrlässigkeit

IV. Schaden und Kausalzusammenhang

Vermögensverminderung beim Arbeitgeber durch sorgfalts-


widrige Handlung oder Unterlassung des Arbeitnehmers.
Adäquater Kausalzusammenhang
- 60 -

V. Minderung und Ausschluss der Haftung

- durch Berufsrisiko (schadensgeneigte Arbeiten) des Arbeit-


nehmers (Art. 99 Abs. 3 i.V.m. Art. 44, Art. 321e Abs. 2 OR)

- bloss leichte Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers


(Art. 99 Abs. 3 i.V.m. Art. 43 OR)

- Einwilligung des geschädigten Arbeitgebers


(Art. 99 Abs. 3 i.V.m. Art. 44 Abs. 1 OR)

- Selbst- und Mitverschulden des Arbeitgebers


(Art 99 Abs. 3 i.V.m. Art. 44 OR)

- Besondere finanzielle Umstände seitens des Arbeitnehmers


(Art. 99 Abs. 3 i.V.m. Art. 44 Abs. 2 OR)
- 61 -

VI. Verjährung und Verwirkung

Verjährung innert 10 Jahren (Art. 127 OR)


Der Arbeitgeber muss aber einen ihm bekannten Schaden
spätestens bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend
machen, ansonsten Verzicht anzunehmen ist
(BGE 110 II 344)

Verwirkung des Schadenersatzanspruchs schon früher mög-


lich, wenn der Arbeitgeber in Kenntnis der Ersatzforderung
dem Arbeitnehmer den Lohn vorbehaltlos und vollumfänglich
weiter bezahlt.

VII. Einzelprobleme

1. Beschädigung des Fahrzeugs des Arbeitgebers


Im Hinblick auf das Berufsrisiko und bei gleichzeitig nur leich-
ter Fahrlässigkeit Beschränkung der Haftpflicht auf einen Vier-
tel bis einen Drittel eines Monatslohnes, bei Bagatellunfällen
gänzlicher Wegfall der Haftung.
- 62 -

2. Sog. Mankohaftung
Mankohaftungsklausel, z.B. generelle Haftung des Arbeit-
nehmers für Kassen- oder Warenfehlbestände, verletzen die
zwingende Haftungsnorm von Art. 321e OR. Voraussetzung
einer Haftung des Arbeitnehmers nach Art. 321e OR ist der
Nachweis im Einzelfall, dass der Arbeitnehmer in Verletzung
einer Sorgfaltspflicht das Manko verschuldetermassen adä-
quat kausal verursacht hat.

VIII. Abweichende Vereinbarungen


Da die Haftungsnorm von Art. 321e OR relativ zwingend ist,
kann die Haftung des Arbeitnehmers durch Vereinbarung nur
gemildert, nicht aber verschärft werden. Deshalb sind z.B.
Mankohaftungsklauseln nichtig.
- 63 -

§ 12 Haftung des Arbeitgebers

I. Allgemeines

- Vertragshaftung
Haftung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer pri-
mär bei Verletzung der dem Arbeitgeber obliegenden Schutz-
pflichten (Art. 328 Abs. 2 OR)

- Schadenersatz und Genugtuung


Haftung des Arbeitgebers auch gegenüber Dritten für Versor-
gerschaden (Art. 45 Abs. 3 OR)

- Ferner Leistungs- und Unterlassungsanspruch oder Leis-


tungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers bei fehlenden
oder mangelhaften Präventionsmassnahmen des Arbeitge-
bers im Betrieb

II. Voraussetzungen

- Verletzung einer Schutzpflicht


- Verschulden des Arbeitgebers
- Schädigung des Arbeitnehmers
- adäquater Kausalzusammenhang
- 64 -

III. Reduktion der Haftpflicht

Bestimmung und Herabsetzung der Ersatzpflicht nach den


Grundsätzen von Art. 43 und 44 OR. Strenge Haftung des Ar-
beitgebers (BGE 112 II 138). Der Arbeitgeber muss den Ar-
beitnehmer sogar vor Betriebsgefahren schützen, die sich erst
infolge einer Unachtsamkeit des Arbeitnehmers verwirklichen
(BGE 95 II 132).

- Selbstverschulden des Arbeitnehmers führt zur Reduktion der


Ersatzpflicht des Arbeitgebers je nach Schwere des Ver-
schuldens des Arbeitnehmers. Ganz ausnahmsweise Wegfall
der Haftung des Arbeitgebers, wenn der Arbeitnehmer die
elementarste Vorsicht ausser acht lässt (BGE 60 II 120).

- Die in der Schweiz beschäftigten Arbeitnehmer sind obligato-


risch gegen Unfall versichert (Art. 2 UVG). Die Unfallversiche-
rung tritt im Umfang der erbrachten gesetzlichen Leistungen
in die Ansprüche der versicherten Person ein (Art. 72 ATSG).
Bei einem Berufsunfall Regress der Unfallversicherung auf
den Arbeitgeber oder dessen Arbeitnehmer, falls der Berufs-
unfall von diesem absichtlich oder grobfahrlässig herbeige-
führt wurde (Art. 75 Abs. 2 ATSG). Regressbeschränkung,
weil der Arbeitgeber für die Unfallversicherung prämienpflich-
tig ist (Art. 91 UVG).
- 65 -

Keine Versicherungsdeckung aber für Genugtuung und Sach-


schäden; für solche Ansprüche Haftung des Arbeitgebers o-
der allenfalls seiner anderen Angestellten auch bei nur leich-
tem Verschulden.

IV. Genugtuungsansprüche

Bei Körperverletzung (Art. 47 OR) oder bei besonderer


Schwere der Verletzung (Art. 49 OR).
Bei Körperverletzung Genugtuungsanspruch dem Grundsatz
nach verschuldensunabhängig. Für die Höhe der Genugtuung
ist aber die Schwere des Verschuldens wesentlich.
- 66 -

V. Haftung für Hilfspersonen

Haftung des Arbeitgebers, wenn er die Erfüllung seiner


Schutzpflichten einer Hilfsperson, z.B. einem Werkmeister
oder Sicherheitsfachmann, überträgt und diese in Erfüllung
der ihr übertragenen Aufgaben den Arbeitnehmer schädigt
(Art. 101 OR). Massgeblich ist, dass der Arbeitgeber, wenn er
selber so gehandelt hätte wie die Hilfsperson, dafür haften
würde (BGE 92 II 18). Der Nachweis sorgfältiger Auswahl, In-
struktion und Kontrolle der Hilfsperson entlastet den Arbeitge-
ber nicht (BGE 104 II 261).

VI. Konkurrierende Haftungsnormen (sog. Haftungskonkurrenz)

Neben der vertraglichen Haftung des Arbeitgebers nach Art.


328 OR können im Einzelfall andere Haftungstatbestände er-
füllt sein wie Haftung aus unerlaubter Handlung (Art. 41 OR),
Geschäftsherrenhaftung (Art. 55 OR), Haftung des Werkei-
gentümers (Art. 58 OR). Wahlrecht des Arbeitnehmers, wel-
chen Haftungsgrund er gegenüber dem Arbeitgeber anrufen
will. Er wählt gewöhnlich die vertragliche Haftung nach Art.
328 OR, weil diese Vorteile bezüglich Verjährung (Art. 127
OR) und Beweislast (Art. 97 OR) für ihn hat.
- 67 -

VII. Verjährung

Verjährung der Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche


innert 10 Jahren (Art. 127 OR).

VIII. Abweichende Vereinbarungen

Die privatrechtlichen Schutzpflichten des Arbeitgebers ge-


genüber den Arbeitnehmern nach Art. 328 Abs. 2 OR sind re-
lativ zwingend, können somit durch Vereinbarung nicht einge-
schränkt, sondern nur erweitert werden.

Die sich aus öffentlichrechtlichen Vorschriften ergebenden


Schutzpflichten des Arbeitgebers in den Arbeitsverhältnissen
(Art. 342 Abs. 2 OR) sind dagegen absolut zwingend (Art. 361
Abs. 1 OR), somit einer Abänderung durch Vereinbarung ü-
berhaupt nicht zugänglich.
- 68 -

§ 13 Der Lohn und andere Vergütungen

I. Allgemeines

1. Begriffliches

periodische Vergütung für das Zurverfügungstellen der


Arbeitskraft auf Zeit (Art. 322 OR)

2. Festsetzung

primär durch Parteiabrede

mangels Abrede durch Übung (Betriebsübung, eventuell


Branchenübung)
- 69 -

3. Höhe

grundsätzliche Vertragsfreiheit

keine gesetzlichen Minimallöhne

Grundsatz der Nichtintervention des Staates im Lohnpunkt

aber behördliche Lohnfestsetzung bei Arbeitsbewilligungen


für Ausländer (Art. 9 BVO), wodurch der Arbeitnehmer einen
zwingenden zivilrechtlichen Anspruch auf Ausrichtung dieses
Lohnes erhält (Art. 342 Abs. 2 OR; BGE 122 III 110, 129 III
618).
- 70 -

4. Gleicher Lohn für Mann und Frau für gleichwertige Arbeit

- Art 8 Abs. 3 Satz 3 BV: "Mann und Frau haben Anspruch auf
gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit."

entsprechender individualrechtlicher, gerichtlich durchsetzba-


rer Anspruch des Arbeitnehmers (BGE 113 Ia 110)

- allerdings schwierige Rechtsanwendung, besonders hinsicht-


lich Beurteilung der Gleichwertigkeit

Lohngleichheitsgebot grundsätzlich nur für Arbeitsverhältnis-


se des gleichen Arbeitgebers (BGE 130 III 145); überbetrieb-
liche Lohngleichheit möglich durch Lohntarife im GAV

- Umsetzung der Lohngleichheit für Mann und Frau in Arbeits-


verhältnissen auch durch das Gleichstellungsgesetz vom 23.
März 1995. Allgemeines geschlechtsbezogenes Diskriminie-
rungsverbot in Arbeitsverhältnissen bezüglich direkter wie in-
direkter Benachteiligung von Mann und Frau; vorbehältlich
der Fälle objektiv gerechtfertigter Ungleichbehandlung
(Art. 3 GlG).
- 71 -

II. Arten der Lohnberechnung

1. Zeitlohn

Lohnberechnung nach der Dauer der Arbeitszeit, ohne Rück-


sicht auf das Ergebnis der Arbeit.

2. Leistungslohn

- Akkordlohn (Art. 326, 326a OR)


Vergütung nach erzieltem Arbeitsergebnis

Geldakkord: Festlegung eines Geldbetrages für eine be-


stimmte Arbeitsverrichtung

Zeitakkord: Vorgabe einer festgelegten Anzahl Minuten für


bestimmten Arbeitsvorgang
- 72 -

- Prämie
zusätzliche Vergütung zur Belohnung besonders befriedigen-
der Erfüllung der Arbeitspflicht. Möglichkeit der Wahl und
Kombination verschiedener Bezugsgrössen (z.B. Menge oder
Qualität der Arbeitsleistung, Pünktlichkeit)

eventuell Überschneidung mit der Gratifikation, wo diese als


Leistungsprämie gedacht ist

- Provision (Art. 322b OR)


prozentuale Beteiligung des Arbeitnehmers am Wert der ein-
zelnen von ihm vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfte

III. Anteil am Geschäftsergebnis (Art. 322a OR)

Vertraglicher Anspruch des Arbeitnehmers am Gewinn oder


am Umsatz oder sonst am Geschäftsergebnis. Bestim-
mungsgrösse ist allein das Betriebsergebnis.

Bestimmtheit oder zumindest Berechenbarkeit des Anteils für


den Arbeitnehmer zum Voraus.
- 73 -

IV. Gratifikation (Art. 322d OR)

- Sondervergütung neben dem Lohn, nicht bloss für das einfa-


che Zurverfügungstellen der Arbeitskraft auf Zeit ausgerichtet,
sondern aus zusätzlichen Motiven, z.B. Belohnung guter Leis-
tung, Dank für Betriebstreue, Ansporn für zukünftige Tätigkeit,
Beteiligung am guten Geschäftsgang.

In der Praxis heute oft als Bonus, Erfolgsvergütung oder Er-


folgsbeteiligung bezeichnet.

- Dagegen ist der 13. Monatslohn der dreizehnte Teil des Jah-
reslohnes, verdient durch das einfache Zurverfügungstellen
der Arbeitskraft im Ablauf eines Jahres.

V. Auslagenersatz (Art. 327a-327c OR)

Grundsatz: Pflicht des Arbeitgebers zum Ersatz aller notwen-


digen Auslagen an den Arbeitnehmer (Art. 327a Abs. 1 OR).

Zulässigkeit von Auslagenpauschalen, sofern schriftlich ver-


einbart und sofern diese die notwendigerweise entstandenen
effektiven Auslagen decken (Art. 327a Abs. 2 OR).
- 74 -

§ 14 Lohn bei Verhinderung an der Arbeitsleistung

I. Annahmeverzug des Arbeitgebers

1. Allgemeines

Art. 324 OR als Rechtsgrundlage. Arbeitsvertragliche Sonder-


regelung des Gläubigerverzugs (Art. 91ff. OR).

2. Voraussetzungen

- Angebot der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer

- Möglichkeit der Arbeitsleistung für den Arbeitnehmer

- Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber,


verschuldet oder unverschuldet. Unverschuldeter Annah-
meverzug trifft bei Betriebsstörungen zu. Der Arbeitgeber
trägt das Betriebsrisiko, d.h. die nachteiligen Folgen von
Betriebsstörungen.
- 75 -

3. Wirkungen

Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers, ohne dass der Arbeit-


nehmer nachleisten müsste (Art. 324 Abs. 1 OR).

4. Abweichende Vereinbarungen

Vertragliche Abweichungen von Art. 324 OR zuungunsten


des Arbeitnehmers grundsätzlich unzulässig und nichtig.

Nach eingetretenem Annahmeverzug aber Vereinbarung von


Kurzarbeit, d.h. eines zeitweiligen Aussetzens mit der Arbeit
und mit der Lohnzahlung, zulässig.
- 76 -

II. Verhinderung des Arbeitnehmers an der Arbeitsleistung

1. Allgemeines

Art. 324 a und b OR als Rechtsgrundlagen. Arbeitsvertragli-


che Sonderregelung in Abweichung von Art. 119 OR betref-
fend Unmöglichwerden einer Leistung.

2. Voraussetzungen (vgl. Art. 324a Abs. 1 und 3 OR)

- Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers


Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung

- Verhinderungsgründe
in der Person des Arbeitnehmers liegend, z.B. Krankheit,
Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten (z.B. obligatorischer
Militär- und Zivilschutzdienst), Ausübung eines öffentlichen
Amts, Schwangerschaft. Keine abschliessende Aufzählung.

objektive Hinderungsgründe, d.h. ausserhalb der Person


des Arbeitnehmers liegende Ereignisse (z.B. Verkehrszu-
sammenbrüche, Naturkatastrophen), sind Fälle objektiver
Unmöglichkeit mit Wegfall der Arbeitspflicht und auch der
Lohnzahlungspflicht (Art. 119 OR).
- 77 -

- Schuldlosigkeit des Arbeitnehmers


bedeutet gemäss Rechtsprechung kein grobes Verschulden
des Arbeitnehmers

relevant bei Unfällen und Krankheit

- Dauer des Arbeitsverhältnisses


mehr als 3 Monate bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen,
für mehr als 3 Monate eingegangen bei befristeten Arbeits-
verhältnissen
- 78 -

3. Zeitlicher Umfang der Lohnzahlungspflicht

- Eine beschränkte Zeit, im 1. Dienstjahr 3 Wochen, nachher


eine angemessen längere Zeit (Art. 324a Abs. 2 OR). Lohn-
fortzahlungsskalen der Gerichte abgestuft nach der Dienst-
dauer des Arbeitnehmers für Normalfälle.

- In Fällen obligatorischer gesetzlicher Lohnausfallversiche-


rungen (Unfallversicherung UVG, Erwerbsausfallversiche-
rung. Invalidenversicherung, Militärversicherung, Mutter-
schaftsversicherung) Befreiung des Arbeitgebers von der
Lohnfortzahlungspflicht, sofern die Versicherungsleistungen
80% des Lohnausfalls decken (Art. 324b OR). Sind sie tie-
fer, muss der Arbeitgeber die Lohndifferenz bis zu 80% des
Lohnausfalls für die beschränkte Zeit entrichten (Art. 324b
Abs. 2 OR).

4. Rückgriffsrecht des Arbeitgebers

Im Umfang erbrachter Lohnfortzahlung an den Arbeitnehmer


Regressrecht des Arbeitgebers gestützt auf Art. 51 OR ge-
genüber haftpflichtigen Dritten.
- 79 -

5. Abweichende Regelungen

Von der minimalen gesetzlichen Lohnfortzahlungsordnung


(vgl. Art. 324a Abs. 2 OR) abweichende vertragliche Rege-
lungen zulässig, sofern diese im Ganzen mindestens gleich-
wertig sind (Art. 324a Abs. 4 OR). In der Praxis meist durch
Taggeldversicherungen bei Krankheit. Massgeblich ist abs-
trakte Gleichwertigkeit im Hinblick auf alle erdenklichen
Krankheitsrisiken (BGE 96 II 133).
- 80 -

§ 15 Anspruch auf Freizeit und Ferien

I. Freizeit

1. Grundsatz und Ausnahmen

Grundsatz: ein freier Tag pro Woche, nach Möglichkeit am


Sonntag (Art. 329 Abs. 1 OR). Somit nach OR Geltung einer
6-Tage-Arbeitswoche.

Für die Ausnahmen bei besonderen Umständen vgl. Art. 329


Abs. 2 OR.

2. Vorrang der öffentlichrechtlichen Vorschriften

- Vorrang von Art. 18-20a ArG für alle dem Arbeitsgesetz


unterstellten Arbeitnehmer.

- Grundsätzliches Sonntagsarbeitsverbot (Art. 18 ArG). Be-


willigungspflicht für Sonntagsarbeit (Art. 19 ArG). Anspruch
des Arbeitnehmers auf zusätzlichen freien Halbtag (Art. 21
ArG). Somit nach Arbeitsgesetz Geltung einer 5½-Tage-
Arbeitswoche.
- 81 -

Die Kantone können maximal 8 freie Tage im Jahr den


Sonntagen gleichstellen, d.h. arbeitsfrei erklären (Art. 20a
Abs. 1 ArG).

Bundesrechtlich gilt einzig der 1. August als bezahlter Fei-


ertag (Art. 110 Abs. 3 BV, Art. 20a Abs. 1 ArG).

3. Lohnzahlung für freie Tage

Lohnzahlung nicht gesetzlich vorgeschrieben, ausgenommen


für den 1. August.
Die Frage der Lohnzahlung ist Sache der Parteiabrede, sub-
sidiär der Übung (Art. 322 OR).

4. Abweichende Vereinbarungen

Nur zugunsten der Arbeitnehmer zulässig. Häufig Vereinba-


rung der 5-Tage-Arbeitswoche.
- 82 -

5. Ausserordentliche Freizeit

"Übliche freie Stunden und Tage" nach Art. 329 Abs. 3 OR.

Kurzabsenzen zur Erledigung persönlicher Angelegenheiten


(Behördengänge, Arztbesuche, usw.) oder bei Familienereig-
nissen (Hochzeit, Todesfall, usw.) oder zur Stellensuche.

Regelung der Lohnzahlung wie bei den ordentlichen freien


Tagen.
- 83 -

II. Die Ferien

1. Inhalt und Dauer des Anspruchs

Einheitlicher Anspruch, bestehend aus Befreiung von der Ar-


beitspflicht und Fortzahlung des Lohnes, zwecks Erholung.
Abzuleiten aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.

Jährlich grundsätzlich mindestens 4 Wochen, für Arbeitneh-


mer bis zum vollendeten 20. Altersjahr 5 Wochen (Art. 329a
Abs. 1 OR).

2. Zeitpunkt der Ferien

Bestimmung durch den Arbeitgeber unter Abwägung der Inte-


ressen des Betriebes und des Arbeitnehmers (Art. 329c Abs.
2 OR).
Gewährung in der Regel im betreffenden Dienstjahr sowie
wenigstens 2 Wochen zusammenhängend (Art. 329c Abs. 1
OR), damit der Erholungszweck erreicht wird (BGE 130 III
19).

Verjährung des Ferienanspruchs innert 5 Jahren (Art. 128


Ziff. 3 OR).
- 84 -

Verbot der geldmässigen Abgeltung von Ferien während der


Dauer des Arbeitsverhältnisses (Art. 329d Abs. 2 OR), Zuläs-
sigkeit aber nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Um-
kehrschluss). Erholungszweck der Ferien.

3. Ferienlohn

- Anspruch des Arbeitnehmers während den Ferien auf den


"darauf entfallenden Lohn" (Art. 329d Abs. 1 OR). Der Ar-
beitnehmer ist lohnmässig so zu halten, wie wenn er wäh-
rend den Ferien arbeiten würde.

- Abgeltung durch Lohnzuschläge (Ferienprozente) toleriert


bei Arbeitsverhältnissen mit schwankenden Pensen; erfor-
derlich aber die Ersichtlichkeit des Ferienlohns aus dem
Arbeitsvertrag wie auch aus den periodischen Lohnabrech-
nungen (BGE 129 III 493, 116 II 515).
- 85 -

§ 16 Die Abgangsentschädigung

vgl. Art. 339 b-d OR

Minimale gesetzliche Altersvorsorge für langjährige ältere Ar-


beitnehmer, die keine oder nur eine sehr geringfügige Alters-
vorsorge haben. Nach Einführung des Obligatoriums der be-
ruflichen Vorsorge nur noch geringe Bedeutung. Aber weiter-
hin aktuell für Kleinverdiener, insb. Teilzeitbeschäftigte.

Die gesetzliche Abgangsentschädigung ist zu unterscheiden


von vertraglichen "Abfindungen" oder "Abgangsentschädi-
gungen" an leitende Angestellte (vgl. BGE 130 III 213).

§ 17 Rechte an Erfindungen und Designs

vgl. Art. 332 OR


- 86 -

§ 18 Der Übergang des Arbeitsverhältnisses

I. Grundsätzliches

Im OR AT ist wohl die Übertragung einzelner Forderungen


und Pflichten vorgesehen (Art. 164ff, 175ff. OR), nicht dage-
gen der Übergang ganzer Vertragsverhältnisse.

Im Arbeitsvertragsrecht ist aber der Übergang von Arbeits-


verhältnissen bei Übernahme des Betriebes durch einen Drit-
ten speziell gesetzlich geregelt (Art. 333 Abs. 1-3/333a OR).
Wirtschaftliches Bedürfnis nach einer derartigen gesetzlichen
Sonderregelung.
- 87 -

II. Insbesondere bei Betriebsnachfolge

- Übergang der Arbeitsverhältnisse als Ganzes von Gesetzes


wegen auf den Erwerber des Betriebes im Zeitpunkt der
Betriebsübernahme (Art. 333 Abs. 1 OR).

- Recht des einzelnen Arbeitnehmers, den Übergang seines


Arbeitsverhältnisses abzulehnen, so dass es mit dem Ab-
lauf der gesetzlichen Kündigungsfrist endet (Art. 333 Abs. 1
und 2 OR).

- Solidarhaftung des alten und des neuen Arbeitgebers für al-


le Forderungen der Arbeitnehmer während einer Über-
gangszeit vor und nach dem Betriebsübergang (Art. 333
Abs. 3 OR).

- Recht auf Information der Arbeitnehmervertretung resp. der


Arbeitnehmerschaft als Ganzes bei einem Betriebsüber-
gang (Art. 333a Abs. 1 OR)

Ausserdem Recht auf Konsultation (Anhörung), wenn dabei


Massnahmen, welche die Arbeitnehmer tangieren (z.B.
Kündigungen, Lohnreduktionen, Versetzungen), beabsich-
tigt sind (Art. 333a Abs. 2 OR).
- 88 -

Formen kollektiver Mitwirkung, Wahrnehmung solidarischer


Interessen.
- 89 -

§ 19 Beendigung des Arbeitsvertrages

I. Beendigungsgründe

1. Zeitablauf

Das Arbeitsverhältnis endet ohne Kündigung durch Zeitab-


lauf, wenn es zum Voraus befristet ist, d.h. während einer be-
stimmten Frist oder bis zu einem bestimmten Termin dauert
(Art. 334 Abs. 1 OR).

Wird das befristete Arbeitsverhältnis über den Endtermin hin-


aus stillschweigend fortgesetzt, gilt es als unbefristetes (Art.
334 Abs. 2 OR). Möglich ist auch der Abschluss eines neuen
befristeten Arbeitsvertrages.

Kettenarbeitsverträge = Abschluss von sich ablösenden be-


fristeten Arbeitsverträgen. Fall von Rechtsmissbrauch/Ge-
setzesumgehung, wenn damit die Anwendung der Kündi-
gungsschutzbestimmungen oder die Verhinderung der Ent-
stehung gesetzlicher, von einer Minimaldauer abhängigen
Ansprüche (vgl. Art. 324a, Art. 339b OR) bezweckt wird. Bei
rechtsmissbräuchlicher Befristung ist das Arbeitsverhältnis in
ein unbefristetes umzudeuten (BGE 101 Ia 465).
- 90 -

2. Ordentliche Kündigung

Unbefristete Arbeitsverhältnisse können durch ordentliche


Kündigung, unter Einhaltung bestimmter Fristen, beendet
werden (Art. 335-335c OR).

3. Fristlose Auflösung

Jedes Arbeitsverhältnis (befristet oder unbefristet) kann aus


wichtigen Gründen fristlos beendet werden (Art. 337 OR).

4. Aufhebungsvertrag

Der Arbeitsvertrag kann jederzeit durch Aufhebungsvertrag


beendet werden (Art. 115 OR). Notwendigkeit der Rechtferti-
gung durch die Interessen des Arbeitnehmers. Gültigkeit des
Aufhebungsvertrages bei echtem Vergleichscharakter (BGE
118 II 58, 110 II 168, 106 II 222). Bei Unzulässigkeit Nichtig-
keit des Aufhebungsvertrages (BGE 4C.250/2001 vom 21.
November 2001 E. 1b).
- 91 -

5. Tod des Arbeitnehmers

Erlöschen des Arbeitsverhältnisses (Art. 338 OR). Persönli-


che Leistungspflicht des Arbeitnehmers (Art. 321 OR).
- 92 -

II. Ordentliche Kündigung

1. Allgemeines

- Einseitige Willenserklärung einer Partei, das Arbeitsverhältnis


beenden zu wollen. Vertragsaufhebendes Gestaltungsrecht.

- Formlosigkeit. Vereinbarung einer bestimmten Form bedeutet


Gültigkeitserfordernis (BGE 128 III 212).

- Zugangsbedürftigkeit, d.h. effektive Kenntnisnahme oder


Kündigung im Machtbereich des Adressaten, so dass mit ih-
rer Kenntnisnahme gerechnet werden kann.

- Bedingungsfeindlichkeit, ausgenommen Postetativbedingun-


gen.

- Grundsätzliche Zulässigkeit einer Änderungskündigung. Er-


fordernis der sachlichen Rechtfertigung, falls mit der Ände-
rungskündigung für die Gegenpartei
schlechtere Arbeitsbedingungen durchgesetzt werden sollen
(BGE 123 III 346 E. 5).

- Unwiderruflichkeit der Kündigung, weil diese als Gestaltungs-


recht mit dem Zugang die Rechtslage veränderte.
- 93 -

- Pflicht zur schriftlichen Begründung der Kündigung auf Ver-


langen der Gegenpartei (Art. 335 Abs. 2 OR). Aber kein An-
spruch auf Anhörung vor der Kündigung (BGE 4C.174/2005
vom 5. August 2004). Verletzung der Begründungspflicht be-
wirkt nicht Unwirksamkeit der Kündigung.

2. Kündigungsfristen und -termine

- Kündigungsfrist = Zeitraum zwischen Zeitpunkt des Zu-


gangs der Kündigung und Zeitpunkt der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses.

- Kündigungstermin = Zeitpunkt, zu dem die Beendigung


des Arbeitsverhältnisses zulässig ist.

- Erfordernis paritätischer Kündigungsfristen zugunsten von


Arbeitnehmer und Arbeitgeber (Art. 335a Abs. 1 OR). Ver-
letzung oft in verklausulierter Form (vgl. BGE 92 II 180, 96
II 55, 108 II 115, 116 II 145). Bei Verletzung des Paritäts-
grundsatzes gilt für beide Parteien die längere Frist.
- 94 -

Gesetzliche Kündigungsfristen

a) Während der Probezeit: 7 Tage (Art. 335b OR)

b) Nach der Probezeit: 1-3 Monate, je nach Dienstdauer (Art.


335c OR)

c) Langjährig befristete Arbeitsverhältnisse sind nach Ablauf


einer Vertragszeit von 10 Jahren auf 6 Monate kündbar
(Art. 334 Abs. 3 OR)

d) Schriftliche Abänderbarkeit der gesetzlichen Kündigungs-


fristen, aber grundsätzlich nicht unter 1 Monat (ausge-
nommen fürs 1. Dienstjahr und mittels GAV, Art.335c Abs.
2 OR)
- 95 -

3. Kündigungsschutz

a) Sachlicher Kündigungsschutz

- Missbräuchlichkeit einer Kündigung = Kündigung allge-


mein aus verwerflichen, nicht schützenswerten Motiven;
ferner wegen der Art, wie das Kündigungsrecht ausgeübt
wird.

Katalog von Missbrauchstatbeständen in Art. 336 OR,


dogmatisch eine Konkretisierung des allgemeinen
Rechtsmissbrauchsverbots für Kündigungen im Arbeits-
verhältnis, daher auch nicht abschliessend. Beispiele:
Kündigung wegen persönlicher Eigenschaften (Art. 336
Abs. 1 lit. a OR, z.B. Geschlecht, Herkunft, Alter, usw.),
Kündigung wegen Ausübung verfassungsmässiger Rechte
(Art. 336 Abs. 1 lit. b OR, Meinungsäusserungsfreiheit, po-
litische Rechte, usw.), Kündigung weil die andere Partei in
guten Treuen einen Anspruch aus Arbeitsverhältnis gel-
tend macht (Art. 336 Abs. 1 lit. d OR, Rachekündigung).
- 96 -

- Verfahren (Art. 336b OR): Schriftliche Einsprache beim


Kündigenden bis spätestens zum Ablauf der Kündigungs-
frist. Einigungsversuch. Bei Verständigung Rücknahme
der Kündigung und Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.
Bei fehlender Einigung Anspruch des Gekündigten auf
Entschädigung bis zu 6 Monatslöhnen (Art. 336a OR).
Straf- und Genugtuungszahlung (nicht Schadenersatz).
Geltendmachung mittels Klage innert längstens 180 Ta-
gen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Art. 336b
Abs. 2 OR).

- Missbräuchlichkeit hat also nicht die Unwirksamkeit der


Kündigung zur Folge. Ausnahme: Bei Kündigung wegen
einer Diskriminierungsbeschwerde kann der Arbeitnehmer
gerichtlich die Aufhebung der Kündigung und Fortsetzung
des Arbeitsverhältnisses durchsetzen (Art. 10 GlG).

- Beweislast des Klägers fürs Vorhandensein eines miss-


bräuchlichen Kündigungsmotivs und für den Kausalzu-
sammenhang zwischen diesem und dem Kündigungsent-
scheid. Schwierige Beweisführung, Indizienbeweis.
- 97 -

b) Zeitlicher Kündigungsschutz

- Zeitlich limitierte Kündigungsverbote in gesetzlich ab-


schliessend genannten Fällen: Obligatorischer schweizeri-
scher Militärdienst, Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit
oder Unfalls, Schwangerschaft und Niederkunft, Hilfsakti-
on im Ausland (Art. 336c Abs. 1 OR); ferner während ei-
nes Beschwerde- und Gerichtsverfahrens wegen Diskri-
minierung und 6 Monate darüber hinaus (Art. 10 GlG).
Erst nach Ablauf der Probezeit (Art. 336c Abs. 1 OR) und
unter weitgehender Preisgabe des Paritätsprinzips grund-
sätzlich nur gegen Arbeitgeberkündigungen; während Mili-
tärdienstleistungen des Arbeitgebers auch gegenüber Ar-
beitnehmerkündigungen (Art. 336d OR).
- 98 -

- Rechtsfolgen der Kündigung zur Unzeit:


Kündigung während Sperrfrist ist nichtig (Art. 336c Abs. 2
OR), muss nochmals ausgesprochen werden (BGE 128 III
212).
Kündigung vor Eintritt der Sperrfrist ist gültig, jedoch steht
die Kündigungsfrist während der Sperrfrist still und läuft
erst nach Beendigung der Sperrfrist weiter (Art. 336c Abs.
2 OR). Wenn für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses
ein Endtermin vorgeschrieben ist (Ende eines Monats o-
der einer Arbeitswoche) und dieser Endtermin nicht mit
dem Ende der fortgesetzten Kündigungsfrist zusammen-
fällt, so verlängert sich die fortgesetzte Kündigungsfrist bis
zum nächstfolgenden Endtermin (Art. 336c Abs. 3 OR),
um den Anschluss an die üblichen Stellenwechseltermine
zu ermöglichen.
- 99 -

- Kumulation der Sperrfristen:


Kündigungsschutztatbestände aus verschiedenen Grün-
den (z.B. Krankheit, Militärdienst) lösen je selbständige
neue Sperrfristen aus (vgl. Art. 336c Abs. 1 und 2 OR).
Ferner Auslösen einer neuen Sperrfrist durch verschiede-
ne/andere Krankheiten oder Unfälle (BGE 120 II 124).

Keine neue Sperrfrist bei neuer Erkrankung oder einem


Unfall während der verlängerten Kündigungsfrist nach Art.
336c Abs. 3 OR (BGE 124 III 474).

Überdauern eine Krankheit oder die Unfallfolgen 1 Dienst-


jahr, so läuft die Sperrfrist weiter und verlängert sich allen-
falls nach Anzahl der Dienstjahre (Art. 336c Abs. 1 lit. b
OR).

- Kündigungssperrfristen von Art. 336c OR und Lohnfort-


zahlungsansprüche nach Art. 324a OR sind zeitlich nicht
kongruent. Die Diskrepanz zwischen Kündigungsschutz
und Lohnfortzahlung wird teilweise behoben durch die So-
zialversicherungen, z.B. durch die Unfallversicherung
UVG und die Erwerbs-ausfallversicherung bei Militär-
dienst, Zivilschutzdienst, Mutterschaft.
- 100 -

c) Kündigungsschutz bei Massenentlassungen

- besondere Spielart von Kündigungsschutz durch Mitwir-


kung der Arbeitnehmer.

- Begriff der Massenentlassung (vgl. Art. 335d und e OR):


- Kündigungen durch Arbeitgeber. Nicht darunter fallen
Kündigungen bei Betriebseinstellungen infolge gerichtli-
cher Entscheidungen (Art. 335e Abs. 2 OR), ebenso wie
Kündigungen im Falle des Konkurses (BGE 130 III 102),
wohl dagegen Kündigungen im Fall des Gesuchs um
Nachlassstundung (BGE 123 III 176).
- Mindestzahl entlassener Arbeitnehmer.
- Innerhalb von 30 Tagen in einem bestimmten Betrieb.
- Nicht personenbezogene Kündigungsgründe.

- Recht auf Information der Arbeitnehmervertretung bzw.


der Arbeitnehmerschaft. Beinhaltet grundsätzlich alle
zweckdienlichen Auskünfte, z.B. über Lohnkürzungen,
Versetzungen, Umschulungen, vorzeitige Pensionierun-
gen, finanzielle Mittel für Sozialplan. Zum Mindestinhalt
vgl. Art. 335f Abs. 3 OR.
- 101 -

- Recht auf Konsultation der Arbeitnehmervertretung bzw.


der Arbeitnehmerschaft. Bevor der Arbeitgeber den Ent-
lassungsentscheid definitiv getroffen hat. Der Form nach
ein Anhörungsrecht. Wahrnehmung solidarischer Interes-
sen der Arbeitnehmerschaft als Ganzes. Anhörungsfrist
nicht gesetzlich fixiert, je nach den Umständen eher nach
Tagen (nicht nach Wochen oder Monaten) bemessen
(BGE 130 III 102).

Die Argumente der Arbeitnehmer sollen die grundsätzliche


Chance haben, in die Entscheidfindung des Arbeitgebers
einzufliessen. Letztlich bleibt aber der Arbeitgeber frei zu
entscheiden, ob, wann und in welchem Ausmass er Ent-
lassungen vornehmen will. Kündigungsfreiheit kaum tan-
giert. Auch keine gesetzliche Verpflichtung zu einem Sozi-
alplan.

Missachtet der Arbeitgeber das Konsultationsrecht der Ar-


beitnehmer, so sind die ausgesprochenen Kündigungen
missbräuchlich. Sie bleiben dennoch wirksam, der Arbeit-
geber muss aber jedem einzelnen betroffenen Arbeitneh-
mer eine Entschädigung bis zu 2 Monatslöhnen bezahlen
(Art. 336 Abs. 2 lit. c, Art. 336a Abs. 3 OR).
- 102 -

- Der Arbeitgeber muss dem kantonalen Arbeitsamt eine


beabsichtige Massenentlassung schriftlich anzeigen. Die
schriftliche Anzeige muss das Ergebnis der Konsultation
und alle zweckdienlichen Angaben über die Massenent-
lassung enthalten (Art. 335g Abs. 1 und 2 OR). Das kan-
tonale Arbeitsamt sucht nach Lösung der Probleme, wel-
che die Massenentlassung aufwirft (Art. 335g Abs. 3 OR),
vor allem durch Stellenvermittlung.

- Beendigung der im Rahmen einer Massenentlassung ge-


kündigten Arbeitsverhältnisse frühestens 30 Tage nach
Zugang der Anzeige des Arbeitgebers beim Arbeitsamt
(Art. 335g Abs. 4 OR). Somit gesetzliche Wirksamkeits-
sperre gegenüber Kündigungen, wenn der Arbeitgeber die
Anzeige an das Arbeits-amt unterlässt.
- 103 -

III. Fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses

1. Voraussetzungen

Wichtiger Grund. Unzumutbarkeit, das Arbeitsverhältnis bis


zum nächsten ordentlichen Endtermin noch fortzusetzen. Art.
337 OR.

Vielfältige Konkretisierung in der Rechtsprechung: Verletzun-


gen der Arbeitspflicht, Lohnzahlungspflicht, Treuepflicht, Für-
sorgepflicht. Vgl. z.B. BGE 108 II 444 (Verletzung der Arbeits-
pflicht), 124 III 25 (Verletzung der Treuepflicht durch Verlan-
gen von Schmiergeldern), 116 II 145 (Verletzung der Treue-
pflicht durch Fälschung von Arbeitsrapporten).

2. Ausübung des Kündigungsrechts


Innerhalb einer relativ kurzen Frist (in der Regel bis 3 Tage)
nach Kenntnis des wichtigen Grundes. Andernfalls wird an-
genommen, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei zu-
mutbar (BGE 97 II 146). Zur Rechtfertigung kann auch ein
Grund vorgebracht werden, der zwar vor der Kündigung ein-
getreten, aber von der kündigenden Partei erst nachher ent-
deckt worden ist (Nachschieben von Kündigungsgründen, vgl.
BGE 121 III 467).
- 104 -

3. Wirkungen

a) Bei gerechtfertigter Auflösung


Bei Kündigung wegen vertragswidrigen Verhaltens der Ge-
genpartei schuldet diese der kündigenden Partei vollen
Schadenersatz (Art. 337b Abs. 1 OR). Das vertragswidrige
Verhalten muss vom Gekündigten verschuldet sein, und den
Kündigenden darf nicht seinerseits ein Verschulden treffen.
Der Schaden des kündigenden Arbeitnehmers besteht insb.
im Lohnausfall; der Schaden des kündigenden Arbeitgebers
z.B. in Überstundenzuschlägen, Konventionalstrafen, entgan-
genem Gewinn (BGE 123 III 257).

In Fällen, in denen keine Partei ein Verschulden trifft oder in


denen beide Parteien gleichermassen ein Verschulden trifft,
bestimmt der Richter die vermögensrechtlichen Folgen nach
seinem Ermessen (Art. 337b Abs. 2 OR). Solche Fälle sind
selten, weil gewöhnlich ein wichtiger Grund nicht vorliegt.
- 105 -

b) Bei ungerechtfertigter Auflösung

aa) Ungerechtfertigtes Nichtantreten oder Verlassen der Arbeits-


stelle
- Der Arbeitnehmer tritt ohne wichtigen Grund die Arbeitsstel-
le nicht an oder verlässt sie fristlos, in der Absicht, den Ar-
beitsvertrag fristlos aufzulösen.

- Anspruch des Arbeitgebers auf eine Pauschalentschädi-


gung in der Höhe von einem Viertel eines Monatslohns (Art.
337d Abs. 1 OR). Ist dem Arbeitgeber kein Schaden oder
ein geringerer Schaden erwachsen (z.B. weil er den ausge-
fallenen Arbeitnehmer sofort ersetzen konnte), so kann der
Richter die Pauschalentschädigung nach seinem Ermessen
herabsetzen (Art. 337d Abs. 2 OR). Die Pauschalentschä-
digung ist also primär Schadenersatz mit umgekehrter Be-
weislast, sekundär eine Strafzahlung des Arbeitnehmers.

- Erlischt der Anspruch auf Pauschalentschädigung nicht


durch Verrechnung, muss ihn der Arbeitgeber innert 30 Ta-
gen seit Nichtantreten bzw. Verlassen der Arbeiststelle
durch den Arbeitnehmer durch Klage oder Betreibung gel-
tend machen, ansonsten der Anspruch verwirkt (Art. 337d
Abs. 3 OR).
- 106 -

- Für Ersatz weiteren Schadens ist der Arbeitgeber nach den


allgemeinen Regeln beweispflichtig. Dieser Ersatzanspruch
verjährt innert 10 Jahren (Art. 127 OR).

bb) Ungerechtfertigte Entlassung


- Der Arbeitgeber entlässt den Arbeitnehmer fristlos ohne
wichtigen Grund.

- Sofortige rechtliche und faktische Beendigung des Arbeits-


verhältnisses.

- Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadenersatz gegen den


Arbeitgeber, d.h. auf Ersatz des Lohnausfalls während der
ordentlichen Kündigungsfrist und des Wegfalls sonstiger
Vorteile wie Gratifikation, Abgangsentschädigung, usw.
(Art. 337c Abs. 1 OR). Pflicht des Arbeitnehmers zur An-
rechnung von Ersparnis oder anderweitigen Verdienstes
oder absichtlich unterlassenen Verdienstes (Art. 337 c Abs.
2 OR). Keine Reduktion des Schadenersatzanspruchs bei
allfälligem Mitverschulden des Arbeitnehmers an der fristlo-
sen Entlassung (BGE 97 II 142).
- 107 -

- Zusätzlich Anspruch des Arbeitnehmers auf Entschädigung


bis maximal 6 Monatslöhne gegen den Arbeitgeber (Art.
337c Abs. 3 OR). Straf- und Genugtuungszahlung (nicht
Schadenersatz). Bestrafung des Arbeitgebers für unge-
rechtfertigte fristlose Entlassung und Präventivfunktion. Im
Regelfall ist eine Entschädigung zuzusprechen. In Grenzfäl-
len einer ungerechtfertigten fristlosen Entlassung kann der
Richter sie aber verweigern (vgl. Kann-Formel, BGE 116 II
300).
- 108 -

§ 20 Das Konkurrenzverbot

I. Grundlagen

Eine zum Arbeitsvertrag hinzu tretende Vereinbarung zwi-


schen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Grundsätzlich einseitige Verpflichtung des Arbeitnehmers


(Art. 340 Abs. 1 OR). Entgeltliche Ausgestaltung durch Ver-
trag aber möglich (Karenzentschädigung des Arbeitgebers),
was im Einzelfall eine unbillge Erschwerung des wirtschaftli-
chen Fortkommen des Arbeitnehmers durch das Konkurrenz-
verbot ausschliessen kann (vgl. Art. 340a Abs. 2 OR, BGE
130 III 353 E. 2).
- 109 -

II. Voraussetzungen der Gültigkeit

- Schriftlichkeit (Art. 340 Abs. 1 OR)

- Einblick in Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisse oder in


den Kundenkreis des Arbeitgeberbetriebs (Art. 340 Abs. 2
OR). Fabrikationsgeheimnisse = technisches know how; Ge-
schäftsgeheimnisse = kommerzielles know how; Kundenkreis
= Kundenstamm des Unternehmens.

Dadurch erhebliche Schädigungsmöglichkeit des Arbeitneh-


mers gegenüber dem Arbeitgeber (Art. 340 Abs. 2 OR). Wo
die Schädigungsmöglichkeit nicht auf den Einblick des Ar-
beitnehmers in den Arbeitgeberbetrieb, sondern primär auf
die persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten des Arbeit-
nehmers zurückzuführen ist, kann ein Konkurrenzverbot nicht
gültig vereinbart werden, z.B. bei einem Arzt, Anwalt, Ingeni-
eur (BGE 78 II 39).
- 110 -

- Angemessene Begrenzung eines Konkurrenzverbots nach


Ort, Zeit und Gegenstand, damit das wirtschaftliche Fort-
kommen des Arbeitnehmers nicht unbillig erschwert wird; nur
unter besonderen Umständen Dauer von mehr 3 Jahren zu-
lässig (Art. 340a Abs. 1 OR). Zulässige Dauer vor allem ab-
hängig vom Schutzobjekt; zum Schutz des Kundenstammes
1 Jahr in der Regel ausreichend, zum Schutz von Fabrikati-
onsgeheimnissen längere Dauer zulässig.

- Übermässige Konkurrenzverbote sind nicht als Ganzes un-


gültig, sondern vom Richter angemessen zu beschränken,
wobei eine allfällige Karenzentschädigung des Arbeitgebers
zu berücksichtigen ist (Art. 340a Abs. 2 OR). Fall von Teil-
nichtigkeit der Konkurrenzverbotsvereinbarung (Art. 20 Abs. 2
OR, BGE 96 II 139).
- 111 -

III. Folgen der Übertretung des Konkurrenzverbots

- Schadenersatz als grundsätzlich alleinige Folge (Art. 340b


Abs. 1 OR)

- Konventionalstrafe aufgrund besonderer Vereinbarung. Wenn


nichts anderes verabredet ist, kann der Arbeitnehmer sich
durch die Leistung der Konventionalstrafe vom Konkurrenz-
verbot befreien, bleibt aber für weiteren Schaden ersatzpflich-
tig (Art. 340b Abs. 2 OR). Möglichkeit richterlicher Herabset-
zung übermässiger Konventionalstrafen (Art. 163 OR).

Abstellen auf die Übertretung als Ganzes; die Konventional-


strafe ist deshalb nicht bei jeder Handlung erneut geschuldet
(BGE 130 III 353).

- Beseitigung des vertragswidrigen Zustandes durch gerichtli-


ches Verbot, falls entsprechende besondere schriftliche Ver-
einbarung. Voraussetzungen ferner, dass die verletzten oder
bedrohten Interessen des Arbeitgebers das gerichtliche Ver-
bot erfordern, d.h. der Arbeitgeber durch die Konkurrenztätig-
keit des Arbeitnehmers wirtschaftlich empfindlich betroffen
würde, und dass das Verhalten des Arbeitnehmers es recht-
fertigt, d.h. bei schwer schuldhaftem Verhalten des Arbeit-
nehmers (Art. 340b Abs. 3 OR, BGE 103 II 120).
- 112 -

IV. Wegfall des Konkurrenzverbots

- Wegfall bei fehlendem Interesse des Arbeitgebers (Art. 340c


Abs. 1 OR), z.B. weil der Arbeitgeber den geschützten Tätig-
keitsbereich aufgegeben hat.

- Wegfall bei Kündigung durch den Arbeitgeber ohne begrün-


deten, durch den Arbeitnehmer zu verantwortenden Anlass
(Art. 340c Abs. 2 OR), z.B. bei Entlassung aus wirtschaftli-
chen Gründen.

Wegfall bei Kündigung des Arbeitnehmers aus begründetem,


vom Arbeitgeber zu verantwortenden Anlass (Art. 340c Abs. 2
OR), z.B. bei Kündigung durch den Arbeitnehmer wegen dro-
henden Stellenverlusts.

Bei beiderseitigem Verschulden an der Kündigung entschei-


det das grössere Verschulden. Liegt dieses beim Arbeitgeber,
fällt das Konkurrenzverbot weg (BGE 105 II 200).
- 113 -

§ 21 Unverzichtbarkeit und Verjährung arbeitsvertraglicher


Ansprüche

- Unverzichtbarkeit des Arbeitnehmers auf arbeitsvertragliche


Ansprüche, die ihm aus unabdingbaren Gesetzesvorschriften
oder GAV-Bestimmungen erwachsen, während der Dauer
des Arbeitsverhältnisses und noch während eines Monats
nach Beendigung desselben (Art. 341 Abs. 1 OR).

Unwirksamkeit vor allem von Saldoerklärungen während die-


ser Frist (BGE 129 III 493). Zulässigkeit aber des beiderseiti-
gen Verzichts im Rahmen eines Vergleichs, wenn dieser für
den Arbeitnehmer nicht ungünstig ist (BGE 106 II 222, 110 II
168, 118 II 58).
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- Verjährung von Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis rich-


tet sich nach den allgemeinen Vorschriften (Art. 341 Abs. 2
OR).

Für Forderungen des Arbeitnehmer betreffend das Entgelt gilt


die verkürzte Verjährungsfrist von 5 Jahren (Art. 128 Ziff. 3
OR). Für alle anderen Ansprüche des Arbeitnehmers, z.B.
Schadenersatzforderungen, gilt die allgemeine Verjährungs-
frist von 10 Jahren (Art. 127 OR), ebenso für Ansprüche des
Arbeitgebers. Blosses Zuwarten mit der Geltendnachung
während der Verjährungsfrist führt in der Regel nicht zur Ver-
wirkung der Ansprüche wegen Rechtsmissbrauchs (BGE 110
II 273, 129 III 493).

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