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Vorwort
Ich möchte Corinna Heye und Dr. Heiri Leuthold an dieser Stelle für die Ermöglichung dieser
Diplomarbeit, für ihre Anregungen, konstruktive Kritik und ihre Unterstützung danken. Prof. Dr.
Hans Elsasser danke ich für die Bereitschaft die Co-Betreuung und die Begutachtung zu übernehmen.
Der grösste Dank gilt all jenen, die mich während der ganzen Zeit in vielfältiger Art und Weise
Zusammenfassung
Der Zusammenhang zwischen Lebensform, Status und Pendlermobilität ist von unterschiedlichen
Autoren postuliert worden. Bis anhin gibt es jedoch kaum grossräumige empirische Studien, welche
sich mit der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung im Kontext von Lebenstilen und Pendlermobi-
lität auseinandersetzen. Die vorliegende Untersuchung schlägt deshalb eine Methode einer gross-
räumigen, sozial differenzierten Pendleranalyse vor. Im Zentrum steht die Frage, ob und inwiefern
der soziale Status und die Lebensform Einfluss auf die Art und Weise zu pendeln haben. Hierfür
(Raumtypus des Arbeits- und des Wohnortes), Zeitaufwand und Modus (Verkehrsmittel).
Die empirischen Resultate belegen eine deutliche soziale Differenzierung der Pendelnden, wobei
die raumtypologische Richtung, das heisst die Kombination von Wohnorts- und Arbeitsortsraum-
typus, den grössten Einfluss auf den sozialen Status und die Lebensstilmerkmale der Pendelnden
hat. Es zeigt sich, dass der Pendlermobilität eine vermittelnde Funktion zwischen zwei sich ausei-
nander entwickelnden räumlichen Hierarchien zukommt. Einerseits eine Hierarchie des Wohnens,
die eine zunehmende residentielle Segregation zum Ausdruck bringt, andererseits eine Hierarchie
der Arbeitsorte, welche die zunehmende räumlich-funktionale Differenzierung verdeutlicht.
Die Ergebnisse betreffend den Zusammenhang zwischen dem für den Arbeitsweg aufzuwendenden
Zeitaufwand und der sozialen Differenzierung der Pendelnden, verdeutlichen die Bedeutung von
sich eine mit steigendem Zeitaufwand einhergehende Zunahme von Wohnformen ohne Kind
sowie eine von Familienmodellen mit geeigneteren Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von
Erwerbsarbeit und Elternschaft. Zudem zeigt sich ein positiver Zusammenhang zwischen sozialem
Bei den Verkehrsmitteln sind deutliche Unterschiede zwischen den Grosszentren und den übrigen
Siedlungsräumen in Bezug auf die soziale Hierarchie der Verkehrsmittel und den Einfluss von Status
III
und Lebensform auf die Wahl des Modus auszumachen. Die Grosszentren unterscheiden sich dabei
von den übrigen Siedlungsräumen durch einen vergleichsweise hohen Status der Langsamverkehr-
Pendler bei den Binnenpendlern sowie den interkommunalen Pendlern, welche den öffentlichen
Verkehr benutzen. In den Grosszentren lässt sich ein relativ deutlicher Zusammenhang zwischen
der Lebensform und der Wahl des Verkehrsmittels nachweisen, während beispielsweise im Agglo-
merationsgürtel die Wahl des Verkehrsmittels primär eine Frage der finanziellen Verfügbarkeit eines
Insgesamt zeigt die Studie, dass die soziale Differenzierung der Pendelnden ein wesentlicher Einfluss-
faktor der Pendlermobilität darstellt und dass neben dem sozialen Status insbesondere Individua-
lisierungsindikatoren wie zum Beispiel die Form des familiären Zusammenlebens oder die Haus-
haltsform für das Verständnis der Pendlermobilität nicht weiter vernachlässigbar sind.
IV
Inhalt
1. Einleitung und Zielsetzung 1
2. Theoretische Grundlagen 5
3. Methodisches Vorgehen 16
3.1 Grundlagen 16
3.1.1 Pendlerbegriff 16
3.1.2 Datenbasis 16
3.1.3 Untersuchungsgebiet 17
3.1.4 Grundgesamtheiten 17
3.1.5 Raumgliederung 18
3.2 Pendlermobilitätsverhalten 21
3.2.1 Raumtypologische Richtung 21
3.2.2 Zeitaufwand 22
3.2.3 Verkehrsmittel 23
3.3 Soziale Differenzierung 24
3.3.1 Status 25
3.3.2 Lebensstil 27
4. Empirie 31
6. Bibliographie 69
Appendix 76
VI
Abbildungen
Abb. 2.01 – Wechselwirkungen zwischen Lebensstil und Pendlermobilität 11
Abb. 3.01 – Sozialer Raum und Status-Individualisierungs-Diagramm 24
Abb. 4.01 – Die raumtypologischen Richtungen im S-I-Diagramm 32
Abb. 4.02 – Berufsstatusklassenstruktur – Wohnort: Erwerbstätige vs. Wegpendler 33
Abb. 4.03 – Haushaltsformstruktur – Wohnort: Erwerbstätige vs. Wegpendler 34
Abb. 4.04 – Familienmodellstruktur – Wohnort: Erwerbstätige vs. Wegpendler 34
Abb. 4.05 – Wegpendler, Binnenpendler und Erwerbstätige ohne Arbeitsweg im Vergleich 37
Abb. 4.06 – Die raumtypologischen Richtungen im S-I-Diagramm 38
Abb. 4.07 – Haushaltsformstruktur – Arbeitsort: Erwerbstätige vs. Zupendler 39
Abb. 4.08 – Familienmodellstruktur – Arbeitsort: Erwerbstätige vs. Zupendler 39
Abb. 4.09 – Berufsstatusklassenstruktur – Arbeitsort: Erwerbstätige vs. Zupendler 40
Abb. 4.10 – Zupendler, Binnenpendler und Erwerbstätige ohne Arbeitsweg im Vergleich 42
Abb. 4.11 – Haushaltsformstruktur – Radial- vs. Tangentialpendler 43
Abb. 4.12 – Familienmodellstruktur – Radial- vs. Tangentialpendler 43
Abb. 4.13 – Berufsstatusklassenstruktur – Radial- vs. Tangentialpendler 44
Abb. 4.14 – Haushaltsformstruktur – Radialpendler: Weg- vs. Zupendler 44
Abb. 4.15 – Familienmodellstruktur – Radialpendler: Weg- vs. Zupendler 44
Abb. 4.16 – Zeitaufwand 46
Abb. 4.17 – Haushaltsformstruktur – Zeitaufwand: Binnen- vs. interkommunale Pendler 47
Abb. 4.18 – Familienmodellstruktur – Zeitaufwand: Binnen- vs. interkommunale Pendler 48
Abb. 4.19 – Zeitaufwand [nach Raumtypologischer Richtung] 51
Abb. 4.20 – Haushaltsformstruktur – Zeitaufwand: Radial- vs. Tangentialpendler 52
Abb. 4.21 – Familienmodellstruktur – Zeitaufwand: Radial- vs. Tangentialpendler 52
Abb. 4.22 – Berufsstatusklassenstruktur – Zeitaufwand: Radial- vs. Tangentialpendler 53
Abb. 4.23 – Modus [nach Raumtypologischer Richtung] 55
Abb. 4.24 – Haushaltsformstruktur – Verkehrsmittel: Binnen- vs. Interkommunalpendler 56
Abb. 4.25 – Familienmodellstruktur – Verkehrsmittel: Binnen- vs. Interkommunalpendler 57
Abb. 4.26 – Binnenpendler 58
Abb. 4.27 – Interkommunale Pendler 59
Abb. 4.28 – Modus [nach Raumtypologischer Richtung] 61
Abb. A.01 – Gemeindetypologie in 5 Klassen 76
Abb. A.02 – Siedlungsraumtypen im Vergleich 77
VII
Tabellen
Tab. 3.01 – Grundgesamtheiten der ausgewerteten Daten der Volkszählung 2000 18
Tab. 3.02 – Verwendete Raumtypologie 19
Tab. 3.03 – Raumtypologische Matrix 21
Tab. 3.04 – Distanz (Zeitaufwand) 22
Tab. 3.05 – Verkehrsmittel 23
Tab. 3.06 – Berufsstatusgruppen 26
Tab. 3.07 – Berufsstatusskala SIOPS 27
Tab. 3.08 – Familienmodelle 28
Tab. 3.09 – Haushaltstypen 29
Tab. 3.10 – Individualisierungsindex 30
Tab. A.01 – Indikatoren der Lebensform 76
Einleitung und Zielsetzung
daher sowohl Ursache als auch Folge der heutigen Siedlungsstruktur in den schweizerischen Agglo-
merationsräumen (Moser 2005a). Die Pendlermobilität ist zwar insgesamt nur für rund ein Viertel
der rückgelegten Distanzen verantwortlich (ARE 2001), aufgrund ihrer Funktion als Angelpunkt, um
den herum sich die restliche Mobilität organisiert (ARE 2001, Schuler/Kaufmann 2005: 45), wirkt
sie jedoch auf die gesamte Alltagsmobilität strukturierend. Ihr kommt daher eine zentrale Rolle für
die räumliche Organisation des gesamten individuellen Alltags – Arbeit und Wohnen, Einkaufen,
Freizeit – zu. Das Pendeln ist deshalb nicht mehr nur eine Funktion, die eine räumliche Trennung
von Wohnen und Arbeiten erlaubt, sondern vielmehr ein fester Bestandteil des Lebens (Ascher
o.J.).
Aufgrund ihrer strukturierenden Funktion auf die Alltagsmobilität und den ökonomischen, ökolo-
gischen und sozialen Kosten, die sie verursacht, steht die Arbeitspendlermobilität im Zentrum aktu-
eller verkehrs- und raumplanerischer sowie umweltpolitischer Probleme. Beispielsweise der räum-
lichen Entwicklung des Verkehrsaufkommens, der Veränderung des Modalsplits, Lärm- und Schad-
stoffemissionen oder der fortlaufenden Zersiedlung der Landschaft mit den damit verbundenen
Erschliessungskosten und dem Verlust an Kulturland. Das Verständnis des Pendlerverhaltens und
seiner Einflussfaktoren ist somit von zentraler Bedeutung für die Bewältigung dieser Problemfelder.
Der Stellenwert des Pendelns im Alltag der Erwerbstätigen und die Komplexität der räumlichen
Muster hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert (vgl. ARE 2001, Battaglia 2005,
Frick et al. 2004, Moser 2005a). Der Wohnort fällt heute immer seltener mit dem Arbeitsort
zusammen. Das Pendeln ist somit zu einem festen Bestandteil des modernen Berufslebens geworden
– in anderen Worten eine selbstverständliche Lebensform (Moser 2005a) –, wovon der Anstieg der
Einleitung und Zielsetzung
Gesamt-Pendlerquote[1] zeugt. Diese ist in der Schweiz zwischen 1970 und 2000 um über 40% ange-
stiegen, während die Anzahl der Erwerbstätigen in derselben Periode lediglich um 27% gewachsen
ist (Frick et al. 2004). Für eine wachsende Anzahl der Erwerbstätigen ist zudem das Arbeiten
ausserhalb ihrer Wohngemeinde zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Der Anteil der inter-
kommunalen[2] Pendler hat sich mehr als verdoppelt (Botte 2003) und beträgt im Jahr 2000 rund
65% (Frick et al. 2004), während der prozentuale Anteil der Binnenpendler[3] zwischen 1970 und
2000 um beinahe ein Drittel gesunken ist. Die Folge dieser Entwicklungen sind einerseits wachsende
Pendlerdistanzen und andererseits eine Veränderung der räumlichen Muster der Pendlerströme.
In den letzten 30 Jahren ist die durchschnittliche Distanz pro Arbeitsweg um 25% gestiegen (ARE
2001). Aufgrund der gleichzeitigen Zunahme der Durchschnittsgeschwindigkeit ist der durchschnitt-
liche Zeitaufwand jedoch konstant geblieben (Frick et al. 2004) und beträgt im Jahr 2000 rund 21
Minuten (ARE 2001). Zugleich ist das früher dominierende Muster radial auf die Zentren ausgerich-
teter Pendlerströme durch ein komplexes Geflecht tangentialer und radialer Ströme abgelöst worden
Die aktuelle klassische Verkehrsforschung befasst sich einerseits mit der Beschreibung der allge-
meinen Entwicklung der Pendlermobilität (Axhausen et al. 2003, ARE 2001, Botte 2003, Frick
et al. 2004, Moser 2005a, 2005b, Tschopp et al. 2006), mit den personenbezogenen (ARE
2001, Frick et al. 2004, Jemelin et al. 2005, Holz-Rau/Scheiner 2005, Moser 2005a, 2005b,
(ARE 2001, Axhausen et al. 2003, Holz-Rau/Scheiner 2005, Moser 2005a, Scheiner 2005,
beispielsweise Beschäftigungsgrad, Einkommen und Vermögen, Geschlecht oder Alter. Die Arbeits-
platzstruktur oder der Zugang zu Verkehrsangeboten und -infrastruktur sind Beispiele raumbezo-
gener Einflussfaktoren.
Neben den oben erwähnten Einflussgrössen der Pendlermobilität nennen verschiedene Autoren auch
1999, Axhausen 2002, Beckmann et al. 2002, Camstra 1996, Götz 1998, Leuthold [im
Wulfhorst/Hunecke 2000). Bis anhin gibt es jedoch kaum umfassende, grossräumige empirische
Studien[4], welche sich im Kontext von Lebensstilen und Pendlermobilität mit der gesamten erwerbs-
Die vorliegende Untersuchung schlägt deshalb eine Methode einer grossräumigen, sozial differen-
zierten Pendleranalyse vor. Ausgangspunkt für die Analyse bilden nicht soziale Milieus oder vordefi-
nierte Mobilitätsstile im Sinne von Götz (1998), sondern verhaltenshomogene Gruppen, welche sich
durch eine bestimmte Kombination von Richtung, Zeitaufwand und Modus charakterisieren lassen.
• Modus (Verkehrsmittel).
Im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht die Frage, ob und inwiefern der soziale Status und die
Lebensform Einfluss auf die Art und Weise zu pendeln haben. In Bezug auf die drei Dimensionen
Lebensstil?
[4] Die Studien beschränken sich in der Regel auf einfache sozio-demographische und -ökonomische Einflussgrössen
(vgl. Kritik von Wulfhorst/Hunecke 2000 oder Scheiner 2002).
[5] Auch Raumtyp-Relationen (vgl. Frick et al. 2004). Weitere Ausführungen zum Begriff der raumtypologischen
Richtung finden sich im Theorieteil (Kapitel 2.2.1).
Einleitung und Zielsetzung
• Lässt sich ein Zusammenhang zwischen Lebensstil, Status und Verkehrsmittelwahl aufzeigen?
Das Ziel der vorliegende Arbeit ist es, einen Überblick über den Zusammenhang von Lebensform,
Status und Pendlermobilität zu schaffen. Die Arbeit hat daher einen stark deskriptiven Charakter. Um
sprachkulturelle Einflüsse zu eliminieren, beschränkt sich die Studie auf die Wohnbevölkerung der
Deutschschweiz. Damit die Pendelnden in ihrer Gesamtheit erfasst werden können, ist der Ansatz
dergestalt konzipiert, dass er auf Volkszählungsdaten anwendbar ist und keine weiteren Datenerhe-
Die vorliegende Arbeit unterscheidet sich klar von den weiter oben diskutierten klassischen
Ansätzen, indem sie den Fokus auf die unterschiedlichen sozialen Dispositionen sowie Lebens-
formen der Pendelnden legt. Ohne sie zu negieren, stehen raumstrukturelle Effekte wie beispiels-
2. Theoretische Grundlagen
Pendeln ist das Resultat einer räumlichen Trennung von Arbeiten und Wohnen. Die klassische Form
dieser räumlichen Trennung zeichnet sich durch Wohnen im suburbanen – allenfalls periurbanen –
Raum und Arbeiten in der Kernstadt aus. Im Folgenden werden einige Entwicklungen thematisiert,
welche die räumliche Organisation des Erwerbs- sowie des Privatlebens und somit die Form der
viduen zugenommen haben und sich der individuelle geographische Interaktionsraum für die
Ausgestaltung des Alltags vergrössert hat (vgl. Axhausen et al. 2003, Botte 2003, Leuthold
[im Druck], Tschopp/Axhausen 2005). In der Folge hat die geographische Nähe von Arbeits- und
Wohnort für die Wohnstandortwahl an Bedeutung verloren, was wiederum heisst, dass der Wohnort
nicht mehr zwingend durch den Arbeitsort vorgegeben ist (Albers/Bahrenberg 1999, ARE 2001,
Camstra 1995, Leuthold [im Druck], Schuler/Kaufmann 2005). Dies zeigt sich beispielsweise
woraus sich schliessen lässt, dass die Neuzuzüger ihren Wohnort immer weniger mit der Absicht,
dort zu arbeiten, wählen (Moser 2005a:15). Auch im Fall eines Arbeitsortwechsels ist ein Wohn-
ortswechsel nicht zwingend nötig, sondern kann vielmehr durch einen längeren Arbeitsweg substi-
tuiert werden (Green 2004, Kalter 1994, Schuler/Kaufmann 2005). Das tägliche Pendeln wird
Aus der Perspektive des Individuums sind somit – zumindest innerhalb der Metropolitanregionen
geworden – zumindest solange sich der Zeitaufwand für den Arbeitsweg in einem gewissen Rahmen
Theoretische Grundlagen
bewegt (Camstra 1996). Dies hat letztlich zu einer räumlichen Entkoppelung von Arbeitsplatz-
und Wohnbevölkerungsstruktur geführt (z.B. Camstra 1996, Leuthold [im Druck], Schuler/
Kaufmann 2005).
(Konietzka 1995, Leuthold [im Druck], Schneider et al. 2001). Beides sind Folgen der fort-
geschrittenen Individualisierung der Gesellschaft und der damit einhergehenden Pluralisierung und
Individualisierung bedeutet in diesem Zusammenhang eine Zunahme der Optionen für die indivi-
duelle Gestaltung des Lebenslaufs aufgrund der Auflösung starrer gesellschaftlicher Normen (Hitzler
1994, Leuthold [im Druck], Schneider et al. 2001, Vester et al. 2001). Die Lockerung der
ökonomischen und sozialen Fremdzwänge wird von den meisten Autoren der Steigerung des mate-
riellen Lebenstandards und der Zunahme des kulturellen Kapitals infolge der Bildungsexpansion
der letzen 40 Jahre zugeschrieben (Hermann et al. 2005, Leuthold [im Druck], Müller 1992,
Pluralisierung bezieht sich auf die Zunahme der Vielfalt an Lebensformen, insbesondere in Bezug
auf das Zusammenleben und das Gemeinschaftshandeln (Vester et al. 2001). Diese Zunahme ist
jedoch nicht das alleinige Resultat der Individualisierung, sondern ebenfalls eine Folge der Deindus-
trialisierung und Tertiarisierung sowie der damit verbundenen Veränderungen der Erwerbsstruk-
In der Folge des oben angeführten gesellschaftlichen Wandels haben sich auch die Idealvorstellungen
gilt für die Ansprüche an die Wohnung sowie an das infrastrukturelle, das soziale und das kulturelle
Wohnumfeld. Neben dem traditionellen bürgerlichen Lebensstil der Nachkriegszeit haben sich
unterschiedlichste alternative Lebensformen etabliert, welche sich hinsichtlich des Haushalts, des
Familien- oder des Lebensideals von der traditionellen Form unterscheiden (Heye/Leuthold 2004a,
Theoretische Grundlagen
Leuthold [im Druck]). Während sich das traditionelle Wohnideal durch ein Wohnen in einer
Klein- beziehungsweise Zweigenerationenfamilie und eine strikte räumliche Trennung von Wohnen
und Arbeiten charakterisieren lässt, wobei die Wohnung den Familienmitgliedern als Privat- und
Intimssphäre dient (Häussermann/Siebel 1996, Leuthold [im Druck]), unterscheiden sich die
neuen Wohnideale davon in einer oder mehreren dieser Dimensionen; hinsichtlich der räumlichen
Trennung von Wohnen und Arbeiten, der sozialen Wohneinheit oder dem Verhältnis von Öffentlichkeit
und Privatheit. Als Illustrationsbeispiel diene hier dasjenige eines Erwerbstätigen, welcher in einer
Wohngemeinschaft lebt und seine Arbeit von zuhause aus erledigt. Dieses steht sowohl in Bezug auf
die räumliche Trennung von Erwerbstätigkeit und Wohnen als auch hinsichtlich des Verhältnisses
von Öffentlichkeit und Privatheit in klarem Gegensatz zum traditionellen, bürgerlichen Wohnideal.
mustern der Individuen geführt, indem sich deren Rahmenbedingungen und Präferenzen in Bezug
auf die räumliche Ausgestaltung des Alltags verändert, beziehungsweise ausdifferenziert haben.
Die zunehmende Mobilität und die daraus resultierende «quasi Ubiquität» von Arbeitsplätzen und
Wohnstandorten hat zur Folge, dass für die Wohnstandortwahl andere Faktoren wie die physische,
von Bedeutung sind – in anderen Worten der Lebensstil (Hermann et al. 2005, Leuthold [im
aufgezeigen, dass Erreichbarkeit und Infrastruktur, insgesamt nur rund 40%[1] der Wohnstandortent-
scheidungen erklären und der Stellenwert dieser beiden Einflussgrössen im Vergleich zu Wohnqua-
lität und Wohnungseigenschaften zudem stark von der Lebensform abhängig ist. Etablierte, traditi-
onelle Lebensformen – Familienhaushalte – gewichten die Wohnqualität und die Eigenschaften der
Wohnung im Vegleich zu modernen Lebensformen stärker. Letztere wiederum messen der Erreich-
barkeit und der Infrastruktur einen höheren Stellenwert bei. Die Individuen segregieren somit in
[1] Dieser Wert bezieht sich auf innerstädtische Wohnstandortsentscheide und ist daher nur bedingt generalisierbar.
Theoretische Grundlagen
den Metropolitanräumen nicht allein nach der Menge der verfügbaren Ressourcen, sondern eben-
falls nach Lebensstil und Lebensformen (Heye/Leuthold 2004a, 2004b, Scheiner/Kasper 2002,
Die Entwicklungen der Idealvorstellungen hinsichtlich des familiären und ausserfamiliären Zusam-
menlebens haben zu veränderten, divergierenden Ansprüchen hinsichtlich der Wohnung und des
Wohnumfeldes und somit auch zu Veränderungen der Raumnutzung geführt (Heye/Leuthold 2005,
Leuthold [im Druck], Spellerberg 1997, Wulfhorst/Hunecke 2000). So weisen die «neuen
Haushaltstypen»[2] ein anderes Wohnstandortverhalten auf als traditionelle – der Paarhaushalt mit
tigen im Gegensatz zu Familienhaushalten keine Freiflächen für Kinder, sondern vielmehr eine Infra-
mit Kindern benötigen wie die traditionellen Familienhaushalte Freiflächen für die Kinder, sind
– angewiesen.
Die veränderten Familienstrukturen, die zunehmende Erwerbstätigkeit der Frauen, aber auch die
veränderten Berufsbiographien, haben ebenfalls Einfluss auf das räumliche Verhalten (Camstra
anderen räumlichen Restriktionen hinsichtlich der Organisation von Arbeit und Wohnen konfron-
tiert als beispielsweise traditionelle Familienhaushalte mit nur einem Erwerbstätigen (Camstra
1996, Cervero 1989, Giuliano/Small 1993, Schneider et al. 2001). Im Gegensatz zu den Paar-
haushalten mit einem Erwerbstätigen, welche bei ihrer Wohnstandortentscheidung einzig einen
Arbeitsort berücksichtigen müssen, haben die Doppelverdiener den Wohnstandort und die Pend-
lermobilität für zwei Arbeitsplätze zu optimieren. Dies schlägt sich in diesem Fall in tendenziell
grösseren Weglängen nieder (Camstra 1996, Scheiner/Kasper 2002). Ebenfalls in Richtung eines
höheren Zeitaufwandes wirkt die Veränderung der Berufsbiographien, welche in Zukunft seltener
durch dauerhafte Arbeitsbeziehungen gekennzeichnet sein werden, sondern vielmehr durch wieder-
[2] Unter die «neuen Haushalte» fallen Wohngemeinschaften, Einpersonenhaushalte, Alleinerziehende, Paarhaushalte
ohne Kinder oder Familien mit mehreren Standorten (Spellerberg 1997:8).
Theoretische Grundlagen
holte Wechsel des Arbeitsgebers und der beruflichen Tätigkeit (Rouwendal/Rietveld 1994,
Schneider et al. 2001). Infolgedessen wird das Pendeln seltener nur eine kurzfristige temporäre
Anpassung an eine veränderte Arbeitsortsituation sein, deren langfristige Konsequenz die Migration
nicht allein als eine Reaktion auf strukturelle und geographische Rahmenbedingungen sowie einige
sozio-demographische Merkmale betrachtet werden, sondern muss zudem als Folge wie auch
Das konkrete räumliche Pendlermobilitätsverhalten eines Individuums resultiert letztlich aus einer
spezifischen geographischen Lokalisation von Arbeits- und Wohnort. In ihm widerspiegeln sich
daher persönliche Restriktionen – sozialer wie auch ökonomischer Natur – und spezifische, indivi-
duelle Präferenzen hinsichtlich des Wohnumfeldes, der Wohnungsform, aber auch der Alltagsmobi-
lität (Scheiner/Kasper 2002). So hätte z.B. ein Individuum, welches vom suburbanen Raum in ein
Grosszentrum pendelt, auch die Option, den Wohnstandort in die Arbeitsgemeinde zu verlagern.
Die Substitution von Wohnmobilität durch Pendeln kann in diesem Fall als Ausdruck von Präfe-
renzen für das aktuelle Wohnumfeld, lokale soziale Netze oder andere ortsgebundene Faktoren
gewertet werden.
Abbildung 2.01 zeigt die Wechselwirkungen, die sich zwischen Lebensstil und Pendlermobilität
ergeben. Zum einen besteht ein direkter Zusammenhang, welcher sich in spezifischen Präferenzen
hinsichtlich der Pendlermobilität selbst – einem bestimmten Mobilitätsideal – äussert (Abb. 2.01: A).
Direkte Wechselwirkungen zwischen Lebensstil und Pendlermobilität bestehen zum Beispiel in Bezug
auf die Wahl des Verkehrsmittel (Modus), die Präferenzen in Bezug auf die räumliche Trennung von
Wohnen und Arbeiten – in anderen Worten die Distanz – oder ganz allgemein die Bereitschaft zu
pendeln. Dieser Zusammenhang zwischen Mobilitätsidealen und Lebensform ist bisher jedoch erst
partiell und relativ kleinräumig untersucht worden. Einige aktuelle Studien befassen sich beispiels-
weise mit den Wechselwirkungen zwischen Mobilitätsstil und Verkehrsmittelwahl (Götz et al.
Zum anderen besteht ein indirekter Zusammenhang, welcher sich aus der Wohnstandortwahl ergibt
Theoretische Grundlagen 11
(Abb. 2.01: B). Dieser widerspiegelt die individuellen Präfernzen bezüglich des natürlichen, kultu-
fehlen jedoch Studien, die den direkten Bezug zur Pendlermobilität herstellen.
Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor der Pendlermobilität ist der Arbeitsort (Abb. 2.01: C). Dieser
hängt jedoch nur bedingt mit dem Lebensstil zusammen, weswegen er hier nicht spezifisch disku-
tiert wird.
Lebensstil
B A
B C
Wohnort Pendlermobilität Arbeitsort
Nachfolgend wird näher auf einzelne Dimensionen des Pendelns eingegangen, welche diese unter-
• Raumtypologische Richtung,
• Zeitaufwand,
• Modus.
Eine weitere relevante Dimension wäre die Frequenz, das heisst sowohl die tägliche als auch die
wöchentliche Häufigkeit der Pendlerbewegung. Diese wird jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht
gesondert analysiert.
Theoretische Grundlagen 12
bildet den Forschungsschwerpunkt der vorliegenden Arbeit. Die Richtung ist von zentraler
Bedeutung, da sie zum einen die Wirschafts- und Arbeitsplatzstruktur, zum anderen die persön-
lichen Präferenzen hinsichtlich des aktuellen natürlichen, infrastrukturellen, baulichen und sozialen
systematisieren und die Pendelnden entsprechend den Charakteristika ihrer Wohn- und Arbeitsum-
Richtung[3] überführt. Es handelt sich dabei – wie der Name bereits impliziert – um eine spezi-
fische Kombination von Arbeits- und Wohnortstypus, zum Beispiel Wohnort im suburbanen Raum,
Arbeitsort in einem Grosszentrum. Durch das Überführen der Arbeitspendlerbewegungen in eine
raumtypologische Ebene wird es möglich zu untersuchen, inwiefern sich zum Beispiel Pendelnde mit
Wohnsitz im suburbanen Raum bei identischem Arbeitsortstypus von denjenigen mit Wohnsitz in
Klein- und Mittelzentren unterscheiden. Umgekehrt lassen sich durch eine vergleichende Analyse
menhänge zwischen Arbeitsort-Raumtypus und Lebensstil untersuchen. So etwa die Frage, ob dieje-
nigen Pendelnden mit Arbeitsort in urbanen Zentren im Vergleich zu den übrigen mit identischem
Wohnort gleichzeitig auch über einen urbaneren Lebensstil verfügen.
2.2.2 Zeitaufwand
Die Pendeldistanz wird in dieser Arbeit nicht in metrischer Form gemessen, sondern durch den für
die Überwindung der geographisch-räumlichen Distanz zwischen Wohn- und Arbeitsort nötigen
Zeitaufwand ausgedrückt. Dieser Schritt ist dadurch motiviert, dass der tatsächliche Zeitaufwand
den eigentlichen Opportunitätskosten des Pendelns entspricht. Daher dürfte er gegenüber der
zurückzulegenden Distanz zwischen Arbeits- und Wohnort für die individuelle räumliche Orga-
nisation von Arbeit, Wohnen und Freizeit von übergeordneter Bedeutung sein. Der Zeitaufwand
widerspiegelt in diesem Zusammenhang sowohl die zeitlichen und finanziellen Restriktionen der
Individuen als auch ihre Präferenzen hinsichtlich räumlicher Trennung von Arbeits- und Wohnort.
Das Arbeitspensum, die Haushaltsform und das Familienmodell – die Rollenverteilung zwischen
Mann und Frau – dürften die Haupteinflussfaktoren für das Zeitbudget darstellen (vgl. Frick et al.
ohne dass auf das gewünschte natürliche Umfeld verzichtet werden muss �( Jemelin et al. 2005,
Næss/Sandberg 1995).
Wie bereits erwähnt, ist der Zeitaufwand nicht nur einfach durch die Rahmenbedinungen gegeben,
sondern unterliegt auch individuellen Präferenzen. So gut die Vorlieben hinsichtlich Wohnumfeld
die Pendeldistanz determinieren können, können die Vorlieben hinsichtlich der geographischen
Trennung von Arbeitsplatz und Wohnort die Wohnstandortwahl entscheidend beeinflussen. Dies
nicht nur in Richtung einer Verminderung der Distanz, sondern durchaus auch hin zu einer gewissen
2.2.3 Modus
Die Verkehrsmittelwahl widerspiegelt zum einen die mit der Wohn- und Arbeitsortswahl verbun-
anderen ist sie von individuellen Präferenzen und finanziellen Restriktionen abhängig (Moser
2005B, Scheiner 2005, Wulfhorst/Hunecke 2000). Die Wahl des Modus resultiert letztlich aus
Wohn- und Arbeitsort einerseits die Wahl des Verkehrsmittels auf dem Arbeitsweg, andererseits ist
es ebenso plausibel anzunehmen, dass die Präferenzen hinsichtlich des Verkehrsmittels die Wohn-
und Arbeitsortswahl beeinflussen (Moser 2005b, Scheiner 2005). Die finanziellen Restriktionen
stehen insofern im Zusammenhang mit der Verkehrsmittelwahl, als dass sie die Verfügbarkeit von
Die theoretisch-konzeptionelle Grundlage für die Analyse der sozialen Differenzierung der verschie-
denen Pendlermobilitätsgruppen bildet zum einen die Gesellschaftstheorie Pierre Bourdieus und
sein Konzept des sozialen Raumes (1979, 1991), zum anderen dessen Adaption durch Vester et al.
(2001) und die Arbeiten der Forschungsgruppe sotomo[4] (z.B. Heye/Leuthold 2004a, 2004b,
Im Sinne Bourdieus ist die Position eines Individuums in der Gesellschaft nicht durch die Klasse,
sondern durch das Gesamtvolumen an Kapital und durch die Kapitalstruktur, das heisst die Zusam-
mensetzung des Kapitals, gegeben. Das Gesamtvolumen entspricht dabei der klassischen Stratifi-
zierung nach Status, die Kapitalstruktur der Differenzierung nach Lebensstilen. Die Differenzierung
der Gesellschaft nach Lebensstilen ist nicht als Auflösung der klassischen Differenzierung nach
Status zu betrachten, sonder vielmehr als Erweiterung des primär vertikal strukturierten Klassenbe-
griffs um eine zusätzliche Ungleichheitsdimension, die auf einer sozio-kulturellen Ebene wirkt und
Soziologen (z.B. Lüdke 1991), welche die Lebensstile als von der sozialen Struktur unabhängig zu
betrachten tendieren. Bei Bourdieu sind Lebensstile fest in die Klassenstruktur der Gesellschaft
eingebunden, wobei der Habitus als vermittelndes Element zwischen den sozialen Dispositionen und
den Praxisformen dient. Der Habitus erzeugt somit, bedingt durch eine bestimmte Soziallage einen
1995). Das Pendelverhalten eines Individuums ist ein Beispiel einer solchen Praktik. Eine bestimmte
Praxis oder Handlung ist demnach nicht allein eine Frage substantieller Wahlfreiheit aufgrund
ökonomischer Ressourcen und Wohlstand, sondern vielmehr auch eine Frage psychischer Strukturen
der Wahrnehmung, des Urteilens und Denkens (vgl. Konietzka 1995). Durch die Erweiterung
[4] sotomo.geo.unizh.ch.
Theoretische Grundlagen 15
ebenfalls klar von klassischen, auf einer rein ökonomischen und vertikalen Sichtweise basierenden
Bourdieus grundlegender Ansatz, dass Lebensstile ohne Verortung im Raum sozialer Positionen
nicht begreifbar sind, wie umgekehrt die traditionellen Schichten und Klassenanalysen ihrerseits
den praktischen oder sozialen Sinn unterschlagen (Konietzka 1995), findet sich in seinem Konzept
des sozialen Raumes (1979) wieder. Der soziale Raum bildet die Differenzierung der Gesellschaft
In den Augen Bourdieus beruhen die bedeutsamsten Unterschiede bezüglich der Lebensstile der
Bezug auf die Berufspendlermobilität bedeutet dies Unterschiede in der Gewichtung der Präferenzen
[5] N.B. Typischer für klassische Verkehrsanalysen benutzter Ansatz für die soziale Differenzierung.
Methodisches Vorgehen 16
3. Methodisches Vorgehen
3.1 Grundlagen
3.1.1 Pendlerbegriff[1]
Als Pendler gelten Personen, die mindestens 15 Jahre alt und erwerbstätig sind sowie ihr Wohnge-
bäude verlassen, um in derselben oder in einer anderen Gemeinde ihren Arbeitsplatz aufzusuchen
meinde liegt. Zu den Interkommunalen Pendlern zählen auch die Weg- und Zupendler.
Grosszentrum.
Grosszentren.
3.1.2 Datenbasis
Die verwendeten Personen- und Haushaltsdaten entstammen der vom Bundesamt für Statistik
BFS erhobenen schweizerischen Volkszählung 2000. Die Volkszählungsdaten besitzen zwei für die
vorliegende Arbeit zentrale Eigenschaften. Sie werden flächendeckend erhoben und liegen auf Indi-
vidualdatenebene vor. Dadurch können die Daten entsprechend den Kriterien der Forschungsfragen
aggregiert werden. Im Fall der vorliegenden Studie ist dies zentral, da die Definition der Pendlermo-
bilitätsgruppen und die Analyse ihrer sozialen Differenzierung mit bereits aggregierten Datensätzen
[1] Der Begriff Pendler ist als Terminus technicus zu verstehen und bezeichnet jeweils Personen beiderlei Geschlechts.
Im Text wird nach Möglichkeit der geschlechtsneutrale Begriff Pendelnde verwendet.
Methodisches Vorgehen 17
–z.B. auf Gemeindeebene – nicht zu bewerkstelligen ist. Die flächendeckende Verfügbarkeit der
Daten hat gegenüber Stichproben den Vorteil, dass sie das Risiko der Überbewertung von kleinräu-
migen, lokalen Effekten und Eigenschaften minimiert. Eine weitere positive Eigenschaft der Volks-
zählungsdaten ist deren periodische Erhebung, was die Möglichkeit einer allfälligen späteren Analyse
3.1.3 Untersuchungsgebiet
Das Untersuchungsgebiet beschränkt sich auf den deutschsprachigen Teil der Schweiz. Mit dieser
Beschränkung auf nur einen Sprachraum wird versucht, sprachkulturell bedingte Effekte hinsichtlich
der Bewertung des Raumes, der Raumnutzung oder dem Modalsplit zu minimieren.
3.1.4 Grundgesamtheiten
Die Grundgesamtheit bilden sämtliche in der Deutschschweiz wohnhaften, erwerbstätigen Personen
über 15 Jahre (Tab. 3.01). Davon werden diejenigen von der weiteren Untersuchung ausgeschlossen,
bei denen nur unvollständige Angaben hinsichtlich ihres Pendlerstatus vorhanden sind oder die
über keinen fixen Arbeitsplatz verfügen. Deshalb werden in der vorliegenden Untersuchung letztlich
nur insgesamt 47% der Wohnbevölkerung berücksichtigt. Diese bilden die Grundgesamtheit der
Erwerbstätigen für die vorliegende Arbeit. Neben den klassischen Pendlern (siehe Definition unter
Punkt 3.1.1) werden in der Studie auch diejenigen Erwerbstätigen erfasst, die keinen Arbeitsweg
Bei den drei Auswertungsvariablen Richtung, Distanz und Verkehrsmittel sind die Angaben in der
Volkszählung teilweise unvollständig, wobei die Anzahl dieser Fälle stark variiert. Während die
Anzahl Individuen mit fehlenden Angaben bezüglich Richtung mit 0.3% gering ist, fällt der prozen-
tuale Anteil der Pendelnden mit fehlender Angabe zum Zeitaufwand mit gut 12% relativ hoch aus.
Bei der Variable Verkehrsmittelnutzung betrug der Anteil unvollständiger Angaben etwas weniger
als 5%.
Methodisches Vorgehen 18
Erwerbstätige (15 Jahre und älter, Wohnsitz in der Deutschschweiz) 2’511’951 47.0 Wohnbevölkerung
Pendler (mit Angabe der Pendlertätigkeit und fixem Arbeitsort) 2’306’834 81.0 Erwerbstätige
Erwerbstätige mit Angabe der Haushaltsform, 30-50 Jährig 1’245’565 43.7 Erwerbstätige
3.1.5 Raumgliederung
Im vorangehenden Kapitel wurde auf die zentrale Bedeutung der persönlichen Präferenzen hinsichtlich
gerecht zu werden und die Pendelnden entsprechend den natürlichen und strukturellen, wie auch
den kulturellen und sozialen Eigenschaften ihres Wohnumfeldes klassieren zu können, werden die
typisiert. Die verwendete Typisierung für die Wohn- und Arbeitsortgemeinde basiert im Wesent-
lichen auf der Gemeindetypologie des BFS (Joye et al. 1988, Schuler et al. 2005). Diese Gemein-
detypologie wurde mit dem Ziel entwickelt, eine aussagekräftige Klassifizierung der kommunalen
Stufe für demographische und sozioökonomische Untersuchungen unter Miteinbezug von raum-
planerischen Belangen herzuleiten (Schuler et al. 2005:116). Sie entspricht einem erweiterten
Methodisches Vorgehen 19
hausanteil, Bevölkerungsstruktur oder Zentrumsfunktion und liegt in einer Variante mit 22 sowie
Da eine Analyse von neun oder gar 22 Klassen zu komplex wäre, werden ausgehend von dieser
Tabelle 3.02 beschriebenen fünf Raumtypen gebildet (vgl. auch Abb. A.02).
Anzahl Nummerische
Raumtypus (Ganze CH) Kurzform Codierung
Grosszentren 5 GRZ 1
einer Agglomeration werden dem ländlichen Raum RUR zugeteilt. Eine Ausnahme bilden isolierte
Als zweite Differenzierungsebene dient die Zentrumsfunktion, wobei zwischen Zentren und Agglo-
Kommunen im suburbanem SUB und periurbanem Raum PER differenziert. Für die Zuordnung
Bei den Zentren wird zwischen Grosszentren GRZ sowie Klein- und Mittelzentren KMZ unter-
schieden, wobei es sich bei ersteren um die urbanen Zentren der fünf Grossagglomerationen
handelt. Die Differenzierung zwischen GRZ und KMZ wird vorgenommen, um den Unterschieden
hinsichtlich der städtischen Morphologie sowie dem sozialen und dem kulturellen Umfeld Rechnung
zu tragen.
[2] Gemeinden ausserhalb einer Agglomeration mit mehr als 10’000 Einwohnern (Schuler et al. 2005:148)
Methodisches Vorgehen 20
Die verwendete Typisierung weist Ähnlichkeiten zu derjenigen von INFRAS (vgl. Frick et al. 2004)
auf. Sie unterscheidet sich von dieser jedoch durch die Differenzierung zwischen GRZ und KMZ
sowie durch die fehlende Trennung zwischen ländlich-touristischen und ländlichen Gemeinden.
Methodisches Vorgehen 21
3.2 Pendlermobilitätsverhalten
Die drei Dimensionen Richtung, Zeitaufwand und Modus – anders ausgedrückt:� Wohin? Wie lange?
Wie? – bilden die Ausgangslage für die Aggregation der Pendelnden zu Pendlermobilitätsgruppen
und für die spätere Analyse des Zusammenhangs von Lebensstil und Arbeitspendlermobilität. Die
nachfolgenden Abschnitte befassen sich detaillierter mit den spezifischen Anforderungen und den
fische Raumtyp-Relation (Frick et al. 2004:12). Hierzu werden Ausgangs- und Zielgemeinde der
Pendlerbewegungen entsprechend ihrem Raumtypus (vgl. Kapitel 3.1.5) typisiert. Die Typisierung
von insgesamt 35 raumtypologischen Richtungen. Dabei gibt es 25 Richtungen für Pendelnde mit
Arbeits- und Wohnort in unterschiedlichen Gemeinden, fünf für Binnenpendler (BP) sowie fünf für
In Tabelle 3.03 werden die raumtypologischen Richtungen sowie die für die spätere Analyse und
Visualisierung verwendete nummerische Kodierung wiedergegeben. Die Kodierung ist wie folgt zu
lesen:
Methodisches Vorgehen 22
• Raumtypologische Richtung vom Typ XY: Die raumtypologische Richtung der Pendler mit
Arbeits- und Wohnort in unterschiedlichen Gemeinden wird mittels einer zweistelligen Zahl
kodiert, wobei die erste Ziffer den Wohn- , die zweite den Arbeitsortsraumtypus wiedergibt.
So steht zum Beispiel die Ziffer 11 für einen Arbeitsweg mit Startpunkt in einem Gross-
zentrum und Ziel in einem anderen Grosszentrum, 32 für Pendler mit Wohnort im subur-
• Raumtypologische Richtung vom Typ X0: Die Binnenpendler werden ebenfalls mit einer
zweistelligen Zahl kodiert. Die erste Ziffer gibt dabei den Raumtypus wieder, die Null an
zweiter Stelle dient der Unterscheidung von Binnenpendlern und übrigen Pendlern. Als
5 für Personen mit Arbeits- und Wohnort im ländlichen Raum bei räumlicher Kongruenz
3.2.2 Zeitaufwand
Insgesamt werden vier Zeitklassen unterschieden. Auf eine detailliertere Differenzierung wird aus
tiert bereits mit vier Distanz- bzw. Zeitklassen eine beträchtliche Anzahl unterschiedlicher Mobili-
Zeitaufwand
1 bis 19 Minuten
20 bis 39 Minuten
40 bis 59 Minuten
3.2.3 Verkehrsmittel
Die Klassierung der Verkehrsmittel beschränkt sich auf vier Verkehrsmittelgruppen, welche in
Tabelle 3.05 abgebildet sind. Unterschieden wird zwischen motorisiertem Individualverkehr MIV,
öffentlichem Verkehr OEV, kombiniertem Verkehr KMB und Langsamverkehr LV. Die Kategorie
kombinierter Verkehr beinhaltet dabei sämtliche Kombinationen von MIV und OEV. Dem Lang-
samverkehr werden neben den Fussgängern auch Velo- oder Mopedfahrer zugeordnet.
Verkehrsmittel Kurzform
Motorisierter Individualverkehr MIV
Kombinationen von LV und MIV werden der Verkehrsmittelkategorie MIV, solche von OEV und LV
der Klasse OEV zugeordnet. Diese Verkehrsmittelkombinationen werden bewusst nicht dem KMB
Die theoretische Basis für die Analyse der sozialen Differenzierung der Pendelnden bildet die bereits
besprochene Theorie des sozialen Raumes von Bourdieu (1979, 1991) (vgl. Kapitel 2.3). Es handelt sich
um einen zweidimensionalen Raum (Abb 3.01 A), dessen vertikale Achse das Gesamtkapitalvolumen
abbildet und somit die traditionelle Stratifizierung der Gesellschaft nach Status wiedergibt. Die
horizontale Achse steht für die Kapitalstruktur – dessen Zusammensetzung – und widerspiegelt
den Kontrast zwischen einem monetär materialistisch basierten und einem eher bildungs- und
wissensorientierten Habitus (Heye/Leuthold 2004a:3). Diese horizontale Achse wird deshalb auch
als Lebensstilachse bezeichnet (vgl. Vester et al. 2001).
Pendlermobilitätsgruppe A
SA
Lebensstilachse IB Individualisierungsgrad
SB
Pendlermobilitätsgruppe B
– Kapitalvolumen
Quelle: Eigene Darstellung nach Klee (2001) Eigene Darstellung nach Hermann et al. (2005)
Die methodische Basis für die Operationalisierung der beiden Differenzierungsdimensionen bildet
die Arbeit «Soziokulturelle Unterschiede in der Schweiz» von Hermann et al. (2005). Die Autoren
präsentieren darin vier Indizes, mit deren Hilfe die soziokulturelle Differenzierung der Gesellschaft
analysiert werden kann. Von Interesse für die vorliegende Arbeit sind der Individualisierungsindex
Repräsentation des sozialen Raumes, die für die spätere Analyse und Visualisierung der Resultate
zentral ist. Das S-I-Diagramm erlaubt die Verortung der einzelnen Pendlermobilitätsgruppen im
sozialen Raum, wodurch die Status- und Lebensstilunterschiede der einzelnen Pendlergruppen visu-
Im Folgenden werden die Indikatoren für den sozialen Status und die Lebensform identifiziert und
die für die Operationalisierung der beiden Differenzierungsdimensionen nötigen Schritte genauer
erläutert.
3.3.1 Status
Die vertikale Schichtung der Gesellschaft und somit deren Differenzierung nach Status beruht auf
2005). Das Gesamtvolumen an Kapital – in anderen Worten der Status – kann durch diese Kompo-
nenten angenähert und operationalisiert werden. Hermann et al. (2005) entwickelten einen Index,
mit dessen Hilfe sich der Status quantifizieren lässt. Dieser beinhaltet neben höchstem Bildungsab-
schluss und sozio-professioneller Kategorie auch das jährliche Reineinkommen. Da dieses durch die
Volkszählung nicht erhoben wird, muss für die vorliegende Untersuchung auf die Verwendung dieses
Indexes verzichtet werden. Als Alternative wird die internationale Berufsprestige-Skala (SIOPS)[3]
Die spätere Analyse der Differenzierung der Pendlermobilitätstypen nach Status stützt sich zusätzlich
zum Treiman Berufsprestigescore auch auf die relativen Anteile verschiedener Berufsstatusgruppen,
die aus den sozio-professionellen Kategorien (SOPK) des BFS abgeleitet sind (Joye/Schuler
1995).
Berufsstatusgruppen
Ausgehend von den sozio-professionellen Kategorien des BFS (vgl. Joye/Schuler 1995) werden
lerem und tiefem Status sowie anderen. Die sozio-professionelle Kategorie wird von den Befragten
in der Volksdatenzählung nicht direkt angegeben, sondern mit Hilfe von Angaben zu Arbeitsplatz,
Stellung im Beruf, beruflicher Tätigkeit, Ausbildung und erlerntem Beruf ermittelt. Aufgrund der
Kombination verschiedener Variablen kumulieren sich die fehlenden Angaben der einzelnen Vari-
ablen, wodurch die Anzahl fehlender Angaben hinsichtlich sozio-professioneller Kategorie relativ
hoch ausfällt. Bei den auf diesen sozio-professionellen Kategorien basierenden Berufsstatusgruppen
liegt der Anteil fehlender Angaben aller Erwerbstätigen deshalb bei beinahe 30% (vgl. Tab. 3.01)
Tabelle 3.06 gibt die vier Berufsstatusgruppen wieder. Die Spalte SOPK liefert die entsprechenden
sozio-professionellen Kategorien des BFS. Nichtzuteilbare Erwerbstätige werden wie fehlende Werte
Quelle: Eigene Klassierung nach VZ 2000 (BFS) Grundgesamtheit: Erwerbstätige, älter als 15 Jahre)
entwickelt (Treiman 1977, Ganzeboom/Treiman 1996, 2003). Der Ansatz geht von der ISCO-
Berufsklassifikation (International Standard Classification of Occupations) aus, ersetzt diese aber
durch Angaben zum Ansehen des jeweiligen Berufes, die aus empirischen Umfragedaten aus rund 60
Ländern gewonnen wurden. Die aus dieser Transformation resultierende Standardskala, mit Werten
zwischen 0 und 100, erlaubt Aussagen über die von der Gesellschaft mit verschiedenen Tätigkeiten
Erwerbstätigen in der Deutschschweiz, ergeben sich empirische Werte zwischen 6 (Jäger, Fallen-
Median 44.0
1. Quartile 34.0
3. Quartile 51.0
IQR 17.0
Quelle: Eigene Klassierung nach VZ 2000 (BFS) Grundgesamtheit: Erwerbstätige, älter als 15 Jahre
Die Indexwerte wurden für die Auswertung so transformiert, dass der Mittelwert den Wert 50
annimmt. Die Werte in Tabelle 3.07 entsprechen dagegen den ursprünglichen Werten.
Die Treiman-Skala bringt einige Nachteile mit sich. Zum eine basieren sowohl die ISCO- als auch die
Skala auf Durchschnittswerten und Daten aus unterschiedlichen Kulturen, wodurch im konkreten
(Stamm/Lamprecht 2005).
Der Berufsstatusindikator von Treiman stellt aufgrund der oben genannten Schwächen eine subop-
timale Lösung dar. Die Stärke dieses Indikators liegt hauptsächlich darin, dass er mittels der Volkszäh-
lungsdaten errechnet werden kann und eine Quantifizierung des Status bei fehlenden Einkommens-
3.3.2 Lebensstil
Der Lebensstil wird in dieser Untersuchung durch den Individualisierungsgrad angenähert. Dies
ist insofern korrekt, als die Differenzierung der Gesellschaft nach Lebensstil die Konsequenzen
Der Individualisierungsgrad kann als Abweichung von der traditionellen, bürgerlichen Lebensform
angesehen werden (vgl. Heye/Leuthold 2004a). Die Operationalisierung der Lebensstilachse muss
sich deshalb auf Indikatoren stützen, die diese Abweichung widerspiegeln, wie zum Beispiel das
Familienmodell
Für die Operationalisierung der Unterschiede hinsichtlich Familienideal bieten sich Bühlers (2005)
verteilungen der Eltern im Hinblick auf Haus-, Erziehungs- und Erwerbsarbeit. Das traditionellste
Modell, das traditionell-bürgerliche, lässt sich durch einen Vollzeit-erwerbstätigen Mann und eine
nichterwerbstätige Frau, welche sich der Erziehung und dem Haushalt widmet, charakterisieren.
Das moderne Gegenstück bildet das egalitär familienbezogene Familienmodell, bei welchem beide
Elternteile Teilzeit-erwerbstätig sind und sich die Erziehungsverantwortung sowie die Haushalts-
führung teilen. Weitere Varianten sind das modernisierte-bürgerliche und egalitär erwerbsbezogene
Quelle: nach Bühler (2005) *Grundgesamtheit: Erwerbstätige in Familienhaushalten mit Kind unter 16 Jahren
Die prozentualen Anteile der Familienmodelle weichen deutlich von denjenigen von Bühler (2005)
ab. Der Grund liegt darin, dass in der vorliegenden Studie die Familienmodellanteile für die Indi-
viduen und nicht wie bei Bühler für die Haushalte errechnet wurden, wodurch bei den traditionell-
Haushaltstyp
In Bezug auf den Haushaltstyp – Ausdruck der individuellen Lebensgestaltung (Hermann et al.
haushalte mit und ohne Kind, Paarhaushalte mit und ohne Kind, sowie andere. Tabelle 3.09 zeigt
die in der vorliegenden Arbeit berücksichtigten Kategorien. Um den biographischen Bias zu mini-
mieren, werden für die Errechnung dieser Haushaltstypen nur Personen im Alter zwischen 30 und
Methodisches Vorgehen 29
50 berücksichtigt, da diese Phase am ehesten derjenigen der Etablierung eines bestimmten Lebens-
stils entspricht – sei es Familienleben, Partnerschaft ohne Kind, getrenntes Zusammenleben oder
das Wohnen in einer Wohngemeinschaft (vgl. Heye/Leuthold 2004a, Hermann et al. 2005).
Der meistverbreitete Haushaltstyp in dieser Altersgruppe ist der Paarhaushalt mit Kindern (siehe
Tab. 3.09). Andere Haushaltstypen können daher als eine Abweichung vom Standard interpretiert
Quelle: Eigene Klassierung nach VZ 2000 (BFS) Grundgesamtheit: Erwerbstätige zwischen 30 und 50 Jahren
Individualisierungsindex
Die Analyse der Differenzierung der Pendelnden nach Lebensstil stützt sich zum einen auf die
Struktur der eben diskutierten Indikatoren, zum anderen auf den eingangs des Kapitels erwähnten,
von Hermann et al. (2005) entwickelten Individualisierungsindex (Tab. 3.10). Neben den oben disku-
tierten Teilkomponenten Familienmodell und Haushaltstyp beinhaltet dieser Index auch die Indika-
toren über den Anteil erwerbstätiger Mütter und den Anteil an Frauen ohne Kinder. Die Gewichtung
der Indikatoren orientiert sich an den Faktorscores einer von Hermann et al. (2005) durchgeführten
Faktorenanalyse.
die Anteile an Wohngemeinschaften, Frauen ohne Kind und erwerbstätigen Müttern, stellen
verschiedene Aspekte der Individualisierung dar und fliessen aus diesem Grunde mit einem positiven
Modell kann als der Idealtypus der bürgerlichen Lebensform angesehen werden und ist somit eine
Masszahl für einen geringen Individualisierungsgrad, weswegen er mit einem negativen Vorzeichen
Methodisches Vorgehen 30
WG = Wohngemeinschaft 30- bis 50-Jährige in Nichtfamilienhaushalten mit Verwandten ohne weitere Personen,
Nichtfamilienhaushalte mit Verwandten und weiteren Personen, Haushalte nicht verwandter
Personen.
FOK = Frauen ohne Kinder 35- bis 44-Jährige Frauen in Haushalten ohne Kinder.
MER = Erwerbstätige Mütter 25- bis 44-Jährige Arbeitsmarktstatus von Frauen in Haushalten mit Kinder: Vollzeiterwerbstätige,
Teilzeiterwerbstätige mit einer oder mehreren Stellen.
TBM = Traditionell-bürgerliches Familien mit Kindern unter 16 Jahre mit Arbeitsmarktstatus: Vollerwerbstätig (Vater), sowie Nichter-
Familienmodell werbsperson und Haushalt (Mutter).
Quelle: Hermann et al. (2005:32) Die Indexwerte werden entsprechend den Vorgaben von Hermann et al. (2005) normiert
(Gesamtschweizerischer Mittelwert =50, Standardabweichung = 8)
Empirie 31
4. Empirie
Im Folgenden werden die Ergebnisse des Zusammenhangs zwischen sozialer Differenzierung und
raumtypologischer Richtung (Kap. 4.1), Zeitaufwand (Kap. 4.2) sowie Modus (Kap. 4.3) genauer
untersucht.
Die Analyse der Resultate basiert dabei zum einen auf dem sogenannten Status-Individualisierungs-
Diagramm (vgl. Kap. 3.3), zum anderen auf der Struktur der Haushaltsform, des Familienmodells
2003) (Kap. 3.3.1) und bildet die Schichtung der Pendelnden nach sozialem Status ab. Die hori-
zontale Achse des Diagramms entspricht dem Individualisierungsindex von Hermann et al. (2005)
und stellt die Differenzierung nach Lebensstil dar. Die Markierungen auf den Achsen zeigen den
74,4 deutlich über dem Wert der gesamtschweizerischen Wohnbevölkerung von 50 (Hermann et
al. 2005) (vgl. Kap. 3.3.2). Der Grund dafür liegt zum einen in einem generell höheren Individuali-
sierungsgrad der Pendelnden (vgl. Tab. A.02 im Anhang). So ist bei den Pendelnden der Anteil der
Frauen in Haushalten ohne Kinder deutlich höher. Ebenso übervertreten sind die individualisierten
Wohnformen. Zum anderen ist der Individualisierungsunterschied auch die Folge von zwei syste-
matischen Fehlern, die sich aus der Anwendung des Individualisierungsindexes auf die Pendelnden
ergeben. Der Anteil erwerbstätiger Frauen beträgt bei den Pendelnden per Definition 100%. Des
200
150
100
50
60
Personen [x1000]
58
70 75 80 85 90 95
56
54
52
▲
▲
▲ 50
Status
Grosszentrum
Klein- oder Mittelzentrum
Suburbaner Raum
Periurbaner Raum
Ländlicher Raum
Wegpendler
Binnenpendler
Individualisierungsgrad
▲
▲
▲
Insgesamt lässt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Raumtypus des Wohnortes und
der sozialen Differenzierung der Pendelnden ausmachen. Die Graphik zeigt eine deutliche, systema-
Auf der horizontalen Differenzierungsebene – nach Lebensform – lässt sich ein Gegensatz zwischen
den Pendelnden mit Wohnsitz in den Grosszentren und den übrigen erkennen. In Bezug auf die
vertikale Differenzierung zeigen sich deutliche Statusunterschiede zwischen den Pendelnden aus
den Grosszentren, denjenigen aus den Klein- und Mittelzentren und dem Agglomerationsgürtel
sowie den Pendelnden aus dem ländlichen Raum. Die in den Grosszentren wohnhaften Pendelnden
heben sich bezüglich Status wie auch Individualisierungsgrad deutlich von den übrigen Pendelnden
ab. Sie konzentrieren sich im oberen rechten Bereich des S-I-Diagramms und verfügen daher über
dem ländlichen Raum, welche sich im unteren linken Bereich des Diagramms ansammeln. Sie weisen
tiefe Statuswerte auf und es dominieren bürgerlich-traditionelle Lebensformen (vgl. auch Abb. 4.03
und 4.04). Die Pendlergruppen mit Wohnort in Klein- oder Mittelzentren, im suburbanen oder peri-
urbanen Raum situieren sich zwischen diesen beiden Polen. Sie unterscheiden sich nur marginal
hinsichtlich des Status, sondern primär hinsichtlich dem Individualisierungsgrad. Dieser Befund
widerspiegelt sich auch in der Struktur der Lebensformindikatoren Haushaltsform und Familien-
modell sowie des Statusindikators Berufsstatusgruppen. In den Grosszentren sind die statushohen
vertreten. Pendelnde aus den Klein- und Mittelzentren und dem Agglomerationsraum weisen
I Erwerbstätige GRZ
KMZ
SUB
PER
RUR
Berufsstatus
II Wegpendler GRZ
KMZ hoch
SUB mittel
PER tief
RUR anderer
0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
Quelle: Eigene Darstellung Grundgesamtheit: Erwerbstätige.
et al. 2005). Mit abnehmender Zentralität des Siedlungsraums geht eine Zunahme der Familien-
haushalte mit Kind sowie eine Abnahme der individualisierten Wohnformen wie Wohngemeinschaft
Empirie 34
oder Einpersonenhaushalt einher. Der Anteil Familienhaushalte ist im ländlichen Raum am grössten,
I Erwerbstätige GRZ
KMZ
SUB
PER Haushaltsform
RUR
Wohngemeinschaft
II Wegpendler Einpersonenhaushalt
GRZ
KMZ Paarhaushalt (ohne Kind)
SUB Paarhaushalt (mit Kind)
PER Einpers. haushalt mit Kind
RUR andere Wohnform
0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
Quelle: Eigene Darstellung Grundgesamtheit: Erwerbstätige zwischen 30 und 49 Jahren.
In Bezug auf die Familienmodellstruktur (Abb. 4.04) zeigt sich ein ähnliches Bild. Die modernen,
egalitären Formen des familiären Zusammenlebens sind in den Grosszentren deutlich häufiger anzu-
treffen als in den übrigen Siedlungsräumen. Mit zunehmender raumtypologischer Distanz zu den
Zentren nimmt hingegen die Verbreitung der bürgerlichen – insbesondere des traditionell-bürger-
I Erwerbstätige GRZ
KMZ
SUB
PER
RUR
II Wegpendler
traditionell-bürgerlich
GRZ
KMZ modernisiert-bürgerlich
SUB egalitär erwerbsbezogen
PER egalitär familienbezogen
RUR andere Familienmodelle
0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
Quelle: Eigene Darstellung Grundgesamtheit: Erwerbstätige in Familienhaushalten mit Kind unter 16 Jahren.
Empirie 35
Der hohe Statuswert der in den Zentren wohnhaften Pendelnden widerspricht den Resultaten der
Segregationsstudie von Hermann et al. (2005), welche den Agglomerationsgürtel als statushöchsten
Siedlungsraum ausweist. Der Grund liegt in der unterschiedlichen Beschaffenheit der verwen-
deten Statusindizes. Der Statusindex von Hermann et al. (2005) beinhaltet im Gegensatz zum
aufweisen, ergeben sich systematische Unterschiede zwischen den beiden Indizes. Während die
Kernstädte einen höheren Anteil an tertiären Bildungsabschlüssen aufweisen, lassen sich die Agglo-
et al. 2005). Die fehlende direkte Berücksichtigung des Einkommens beim Treiman-Index führt
weisen die Wegpendler einen systematisch höheren Grad an Individualisierung auf als die Binnen-
pendler. Diese sind wiederum individualisierter als die Erwerbstätigen ohne Arbeitsweg. Es besteht
somit ein positiver Zusammenhang zwischen der «Bereitschaft» ausserhalb des Wohngebäudes
modellstruktur der Wegpendler (Abb. 4.04) unterscheidet sich, mit Ausnahme der Wegpendler aus
den Grosszentren, von derjenigen der übrigen Pendler durch einen insgesamt höheren Anteil des
In Bezug auf die vertikale Differenzierung – das heisst nach Status – von Wegpendlern und Binnen-
pendlern zeigen sich Unterschiede zwischen den Zentren (Abb. 4.05 A, B) sowie den übrigen Sied-
(E) die statustiefste Gruppe bilden, ist dies in den Zentren nicht der Fall, insbesondere nicht in den
Klein- und Mittelzentren. Dieser Befund widerspiegelt letztlich die räumliche Arbeitsplatzstruktur,
welche in den Zentren durch einen überdurchschnittlich hohen Anteil an hochqualifizierten Stellen
charakterisiert ist (GZA 2006, Thierstein et al. 2006). Die überproportionale Vertretung von
statushohen und mittleren Berufsstatusgruppen (Abb. 4.02) bei den Wegpendlern dürfte die stärkere
Empirie 36
Ein deutlicher Einfluss des Wohnort-Raumtypus zeigt sich bei den Erwerbstätigen ohne Arbeitsweg
und den Binnenpendlern. Während in den Zentren (Abb. 4.05 A,B) der Unterschied des Individuali-
sierungsgrades gegenüber demjenigen des Statuswertes überwiegt, dominiert in den übrigen Raum-
Suburbaner Raum
150 150
100
50 Grosszentrum 100
50
60 60
Anzahl[x1000] Anzahl[x1000]
58 58
70 75 80 85 90 95 70 75 80 85 90 95
56 56
54 54
52 52
50 50
▲ 48 ▲ 48
▲ ▲
▲ ▲
46 46
Status
Status
A C
Individualisierungsgrad Individualisierungsgrad
▲
▲
▲
▲
▲
▲
200 200
Anzahl[x1000] Anzahl[x1000]
58 58
70 75 80 85 90 95 70 75 80 85 90 95
56 56
54 54
52 52
50 50
▲ 48 ▲ 48
▲ ▲
▲ ▲
46 46
Status
Status
B D
Individualisierungsgrad Individualisierungsgrad
▲
▲
▲
▲
▲
▲
200
Ländlicher Raum
150
100
50
60
Anzahl[x1000]
58
70 75 80 85 90 95
56
54
52
Pendlertyp
50
Binnenpendler ▲
▲
46
Status
Quelle: Eigene Darstellung. Die S-I-Diagramme geben die untersuchten Wohnort-Raumtypen wieder. Die Kreisfläche
entspricht der Anzahl Pendelnden. Die Farbe dem Pendlertyp.
Empirie 38
200
150
100
50
60
Personen [x1000]
58
70 75 80 85 90 95
56
54
52
▲
▲
▲ 50
Status
Grosszentrum
Klein- & Mittelzentrum
Suburbaner Raum
Periurbaner Raum
Ländlicher Raum
Zupendler
Binnenpendler
Individualisierungsgrad
▲
▲
▲
Die Graphik zeigt einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsort-Raumtypus der
und Raumtypus des Arbeitsortes lässt sich hingegen nicht nachweisen. Dies äussert sich in einer
Der Status der Pendlergruppen nimmt dabei mit zunehmender raumtypologischer Distanz zu den
Grosszentren ab. Die höchsten Statuswerte weisen die in den Grosszentren arbeitenden Pendler auf,
Die Pendelnden, welche in den Grosszentren arbeiten, heben sich deutlich von den übrigen ab. Sie sind
einerseits statushöher als die übrigen Pendlergruppen (vgl. auch Abb. 4.09), andererseits insgesamt
auch klar individualisierter (vgl. auch Abb. 4.07, 4.08 ). Den Gegenpol bilden die Pendelnden mit
Arbeitsort im ländlichen oder periurbanen Raum, welche im unteren linken Bereich der Abbildung
zu finden sind. Das heisst, sie weisen neben einem tiefen Status auch einen geringen Individualisie-
rungsgrad auf. Die Pendelnden mit Arbeitsort in einem Klein- und Mittelzentrum oder im subur-
banen Raum situieren sich zwischen diesen Polen. Sie weisen eine nahezu identische Struktur der
Haushaltsformen (Abb. 4.07) wie auch der Berufsstatusgruppen (Abb. 4.09) auf.
I Erwerbstätige GRZ
KMZ
SUB
PER Haushaltsform
RUR
Wohngemeinschaft
II Zupendler Einpersonenhaushalt
GRZ
KMZ Paarhaushalt (ohne Kind)
SUB Paarhaushalt (mit Kind)
PER Einpers. haushalt mit Kind
RUR andere Wohnform
0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
Quelle: Eigene Darstellung Grundgesamtheit: Erwerbstätige zwischen 30 und 49 Jahren.
I Erwerbstätige GRZ
KMZ
SUB
PER
RUR
II Zupendler
traditionell-bürgerlich
GRZ
KMZ modernisiert-bürgerlich
SUB egalitär erwerbsbezogen
PER egalitär familienbezogen
RUR andere Familienmodelle
0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
Quelle: Eigene Darstellung Grundgesamtheit: Erwerbstätige in Familienhaushalten mit Kind unter 16 Jahren.
Empirie 40
I Erwerbstätige GRZ
KMZ
SUB
PER
RUR
Berufsstatus
II Zupendler GRZ
KMZ hoch
SUB mittel
PER tief
RUR anderer
0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
Quelle: Eigene Darstellung Grundgesamtheit: Erwerbstätige.
Zentren (Abb. 4.10 A, B) und den übrigen Raumtypen (C-E). Die Binnenpendler sind in den Zentren
insgesamt individualisierter als die Zupendler. Am deutlichsten zeigt sich dies in den Grosszentren.
Eine Ausnahme bilden jeweils die Zupendler, welche aus anderen Zentren einpendeln (vgl. Abb. A.02
im Anhang). Diese situieren sich im S-I-Diagramm (Abb. 4.10 A, B) rechts von den Binnenpendlern
und weisen daher einen höheren Individualisierungsgrad auf. Im Gegensatz zu den Zentren sind die
Zupendler im Agglomerationsgürtel (C, D) wie auch im ländlichen Raum (E) tendenziell individuali-
sierter als die Binnenpendler. Dieser Zusammenhang zeigt sich ebenfalls deutlich an der Haushalts-
struktur (Abb. 4.07 II). Die Zupendler mit Arbeitsort in den Zentren weisen insgesamt eine traditi-
onellere Wohnformstruktur auf. Das heisst, dass individualisierte Wohnformen eher untervertreten
Die traditionell-bürgerliche Form des familiären Zusammenlebens ist bei den Zupendlern deutlich
stärker vertreten als dies bei den in der Arbeitsgemeinde wohnhaften Erwerbstätigen der Fall ist. Am
ausgeprägtesten ist der Unterschied in den Grosszentren. Das egalitär erwerbsbezogene Modell ist
Die Binnenpendler sind insgesamt statustiefer als die Zupendler, wobei der Unterschied im subur-
banen Raum am ausgeprägtesten ist (Abb. 4.10 C). Die vertikale Streuung der Zupendler ist im
suburbanen und periurbanen Raum deutlich geringer als in den Zentren oder im ländlichen Raum.
Während sich in letzteren die Zupendler aus den Grosszentren (vgl. Abb. A.02 im Anhang) punkto
Empirie 41
Status deutlich von den übrigen Pendelnden abheben, ist der Unterschied im Agglomerations-
gürtel wesentlich geringer. Die Verteilung der Berufsstatusgruppen (Abb. 4.09) zeigt, dass bei den
Suburbaner Raum
150 150
100
50 Grosszentrum 100
50
60 60
Anzahl[x1000] Anzahl[x1000]
58 58
70 75 80 85 90 95 70 75 80 85 90 95
56 56
54 54
52 52
50 50
▲ 48 ▲ 48
▲ ▲
▲ ▲
46 46
Status
Status
A C
Individualisierungsgrad Individualisierungsgrad
▲
▲
▲
▲
▲
▲
200 200
Anzahl[x1000] Anzahl[x1000]
58 58
70 75 80 85 90 95 70 75 80 85 90 95
56 56
54 54
52 52
50 50
▲ 48 ▲ 48
▲ ▲
▲ ▲
46 46
Status
Status
B D
Individualisierungsgrad Individualisierungsgrad
▲
▲
▲
▲
▲
▲
200
Ländlicher Raum
150
100
50
60
Anzahl[x1000]
58
70 75 80 85 90 95
56
54
52
Pendlertyp
50
Zupendler
▲ 48
Binnenpendler ▲
▲
46
Status
Quelle: Eigene Darstellung. Die S-I-Diagramme geben die untersuchten Arbeitsort-Raumtypen wieder. Die Kreisfläche
entspricht der Anzahl Pendelnden.
Empirie 43
zwischen den Tangential- und Radialpendlern, sowohl hinsichtlich Status als auch hinsichtlich Indi-
vidualisierungsgrad, deutlich. Die Radialpendler weisen deutlich höhere Statuswerte und einen
I Radialpendler
II Tangentialpendler
0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
Im Gegegensatz zur starken Verbreitung von städtischen, modernen Formen bei den Haushalttypen,
ist die Familienmodellstruktur der Radialpendler insgesamt traditioneller als diejenige der Tangen-
I Radialpendler
II Tangentialpendler
0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
Quelle: Eigene Darstellung Grundgesamtheit: Erwerbstätige in Familienhaushalten mit Kind unter 16 Jahren.
Die Radialpendler weisen insgesamt einen deutlich höheren Status auf als die Tangentialpendler.
Dies zeigt sich auch an einer starken Verbreitung von statushohen beziehungsweise einem geringen
Anteil von statustiefen und «anderen» Berufsgruppen bei den Radialpendlern (Abb. 4.13).
Empirie 44
I Radialpendler
II Tangentialpendler
0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
Die Radialpendler mit Wohnort im einem Grosszentrum unterscheiden sich von den übrigen
Radialpendlern – den Zupendlern – durch einen deutlich höheren Individualisierungsgrad (Abb. 4.01,
4.02). Dies zeigt sich auch an einer deutlich stärkeren Vertretung von individualisierten Wohnformen
(Abb. 4.14) und modernen, egalitären Familienmodellen (Abb. 4.15). Die starke Verbreitung des
traditionell-bürgerlichen Modells bei den Radialpendlern (Abb. 4.12) ist somit hauptsächlich auf die
I Wegpendler
II Zupendler
0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
I Wegpendler
II Zupendler
0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
Quelle: Eigene Darstellung Grundgesamtheit: Erwerbstätige in Familienhaushalten mit Kind unter 16 Jahren.
Empirie 45
4.1.4 Fazit
Insgesamt zeigt sich eine deutliche soziale Differenzierung der Pendelnden in Abhängigkeit der
sächlich auf den Raumtypus des Wohnortes zurückzuführen und bilden den bereits von Hermann et
al. (2005) aufgezeigten Zentrum-Peripherie-Gegensatz ab. Dabei sind die Pendelnden mit Wohnort
dualisiert. Die Statusunterschiede hängen sowohl mit dem Arbeitsort-Raumtypus wie auch mit dem
Wohnortstypus zusammen, wobei der Einfluss des Arbeitsortes deutlich stärker ausgeprägt ist. Die
Differenzierung der Pendelnden nach Status widerspiegelt im Grossen und Ganzen die räumliche
Arbeitsplatzstruktur mit einer Konzentration von statushohen Berufen in den Grosszentren und einem
stärkeren Vorkommen von statustiefen Berufen im ländlichen Raum sowie dem äusseren Rand des
Agglomerationsgürtels (GZA 2006, Hamnett 1994). Der nahezu gleichhohe Status der Pendelnden
mit Arbeitsort in Klein- und Mittelzentren oder dem suburbanen Raum verdeutlicht die Suburba-
nisierung des Dienstleistungssektors. Der nahezu identische Status von Pendelnden mit Wohnort in
den Klein- und Mittelzentren, dem suburbanen und dem periurbanen Raum zeigt dagegen die Sub-
und insbesondere die Periurbanisierung des Wohnens auf. Die Grosszentren heben sich in Bezug
auf die sozialen Merkmale ihrer Wohnbevölkerung wie auch der einpendelnden Erwerbstätigen klar
von den übrigen Siedlungsräumen ab. Dies verdeutlicht sich in den Unterschieden zwischen den
Radial- und den Tangentialpendlern. Erstere heben sich durch einen tendenziell höheren Individua-
Die Binnenpendler unterscheiden sich von den Wegpendlern durch einen systematisch tieferen Indi-
vidualisierungsgrad und weisen einen deutlich höheren Anteil an Haushalten mit Kindern auf. Am
Die geringere Verbreitung des modernisiert-bürgerlichen wie auch des egalitär erwerbsbezogenen
Familienmodells bei den interkommunalen Pendlern – Weg- wie auch Zupendler – dürfte auf die
Erwerbstätigkeit der Frau und somit auf die Doppelbelastung beziehungsweise Vereinbarkeit von
Beruf und Familie zurückzuführen sein (vgl. Bühler 2005 oder Camstra 1996).
Empirie 46
4.2 Zeitaufwand[1]
Dieses Kapitel befasst sich mit der Frage, ob und inwiefern sich ein empirischer Zusammenhang
zwischen der sozialen Differenzierung der Pendelnden und der für den Arbeitsweg aufgewendeten
Zeit erkennen lässt. Hierfür werden die Pendelnden der unterschiedlichen raumtypologischen Rich-
tungen zusätzlich entsprechend dem Zeitbedarf für den Arbeitsweg differenziert. Das heisst, jede
raumtypologische Richtung wird weiter in vier Zeitklassen unterteilt. Die Kreisflächen im nach-
folgenden S-I-Diagramm (Abb. 4.16) zeigen somit nicht mehr die raumtypologischen Richtungen,
200
150
100
50
Personen [x1000]
58
70 80 90 100
54
▲
▲
▲ 50
Status
46
Zeitaufwand [min]
<15 15-29 30-59 >60 46
Interkommunale
Pendler
Binnenpendler 42
Individualisierungsgrad
▲
▲
▲
Quelle: Eigene Darstellung. Jede Kreisfläche steht für eine spezifische Kombination von raum-
typologischer Richtung und Zeitaufwand. Die Farbe der Kreisflächen zeigt die Zeitklasse an. Die
Fläche ist proportional zur Anzahl der Pendelnden.
[1] Für die Analyse werden ausschliesslich Gruppen mit mehr als 250 Pendelnden berücksichtigt.
Empirie 47
Die Graphik 4.16 lässt eine horizontale wie auch eine vertikale Differenzierung der Pendlergruppen
in Abhängigkeit vom Zeitaufwand erkennen. Es zeigen sich jedoch deutliche Unterschiede zwischen
Interkommunale Pendler
Die interkommunalen Pendler differenzieren deutlich nach Status in Abhängigkeit des Zeitaufwandes,
wobei sich ein positiver Zusammenhang zwischen Status und Zeitbedarf für den Arbeitsweg nach-
weisen lässt. Das heisst, Pendler mit einem grösseren Zeitbedarf für den Arbeitsweg weisen tenden-
ziell auch einen höheren sozialen Status auf. Dieser Befund deckt sich mit den Ergebnisse des Mikro-
zensus 2000 (ARE 2001) und zeigt sich bei allen untersuchten raumtypologischen Richtungen (Abb.
4.19). Die deutlichsten Unterschiede finden sich zwischen den interkommunalen Pendlergruppen
mit einem Zeitaufwand von mehr und denjenigen mit weniger als einer halben Stunde (Abb. 4.16).
Statuswerte auf. Die Schwelle scheint somit bei einer halben Stunde zu liegen.
In Bezug auf die horizontale Differenzierung lassen sich ebenfalls signifikante Unterschiede zwischen
den Zeitklassen beobachten. Pendelnde mit weniger als 15 Minuten Arbeitsweg weisen insgesamt den
geringsten, Gruppen mit mehr als 60 Minuten Zeitaufwand den höchsten Individualisierungsgrad
auf. Es besteht somit ein tendenziell positiver Zusammenhang zwischen Zeitaufwand und
Individualisierungsgrad.
I Binnenpendler < 15
15-29
30-59 Haushaltsform
> 60 Wohngemeinschaft
Einpersonenhaushalt
II Interkom. Pendler [IKP] < 15 Paarhaushalt (ohne Kind)
15-29 Paarhaushalt (mit Kind)
30-59 Einpers. haushalt mit Kind
> 60 andere Wohnform
0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
Diese Unterschiede manifestieren sich auch in Abbildung 4.17. Mit steigendem Zeitaufwand nimmt
bei den interkommunalen Pendlern der Anteil an individualisierten Wohnformen und Paarhaus-
Empirie 48
Die Entwicklung der Familienmodellstruktur (Abb. 4.18 II) zeigt bei den interkommunalen Pendlern
sowohl eine Zunahme des traditionell-bürgerlichen als auch des egalitär familienbezogenen Fami-
lienmodells mit steigendem Zeitbedarf für den Arbeitsweg. Es besteht somit ein positiver Zusam-
I Binnenpendler < 15
15-29
30-59
> 60 Familienmodell
traditionell-bürgerlich
II Interkom. Pendler [IKP] < 15
modernisiert-bürgerlich
15-29
egalitär erwerbsbezogen
30-59 egalitär familienbezogen
> 60 andere Familienmodelle
0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
Quelle: Eigene Darstellung Grundgesamtheit: Erwerbstätige in Familienhaushalten mit Kind unter 16 Jahren.
Binnenpendler
Die soziale Differenzierung der Binnenpendler in Abhängigkeit vom Zeitaufwand ist weniger ausge-
prägt als bei den interkommunalen Pendlergruppen. Es lässt sich kein systematischer Zusam-
menhang, beziehungsweise Unterschied, zwischen der Lage im sozialen Raum und dem Zeitbedarf
nachweisen. Die Entwicklung der Haushaltsformstruktur der Binnenpendler (Abb. 4.17 I) verläuft
insgesamt ähnlich wie diejenige der interkommunalen Pendler (Abb. 4.17 II). Der sprunghafte
Anstieg des WG- und Einpersonenhaushalt-Anteils bei den Binnenpendlern mit einem Zeitaufwand
von mehr als 15 Minuten ist nur bedingt auf einen tatsächlichen, systematischen Anstieg des Indivi-
dualisierungsgrad zurückzuführen. Der Grund liegt vielmehr darin, dass die Pendelnden mit einem
Zeitaufwand von mehr als 15 Minuten in den Zentren deutlich stärker vertreten sind. Was die
klar von den interkommunalen Pendlern (Abb. 4.18). Bei den Binnenpendlern (Abb. 4.18 I) zeigt
sich ein mit dem steigenden Zeitaufwand einhergehender Rückgang des traditionell-bürgerlichen
Familienmodells bei gleichzeitiger Zunahme des egalitär erwerbsbezogenen Modells. Die interkom-
munalen Pendler (Abb. 4.18 II) zeigen im Gegensatz dazu eine mit steigendem Zeitaufwand einher-
Empirie 49
gehende Zunahme des traditionell-bürgerlichen und eine Abnahme des egalitär erwerbsbezogenen
Modells.
Empirie 50
die soziale Differenzierung der interkommunalen Pendler in Abhängigkeit von Zeitaufwand und
Wohnort-Raumtypus verglichen, zeigt sich eine leicht stärkere horizontale Streuung der Zeitklassen
Insgesamt lässt sich ein deutlicher, positiver Zusammenhang zwischen Zeitaufwand und Status sowie
Arbeitsort im suburbanen Raum und Wohnort in einem Grosszentrum (A), solche mit Arbeitsort
im periurbanen Raum und Wohnort in den Zentren (A, B) sowie im periurbanen Raum (D) und
die Gruppe der Pendler mit Arbeits- und Wohnort im ländlichen Raum (E). Bei alle lässt sich eine
primär horizontale Differenzierung ausmachen. Bei den Pendelnden mit Arbeitsort in einem Gros-
szentrum ist der Einfluss des Zeitaufwandes auf die soziale Differenzierung generell gering. Einzig
im ländlichen Raum (E) lässt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen Zeitaufwand, Status und
Individualisierungsgrad erkennen.
Binnenpendler
Die Binnenpendler lassen sich durch einen tendenziell negativen Zusammenhang zwischen
Zeitaufwand und Status charakterisieren (Abb. 4.19). Je grösser der Zeitaufwand ist, desto geringer
ist der Status der entsprechenden Binnenpendlergruppe. Die horizontale Differenzierung der
Pendelnden zeigt einen deutlichen Unterschied zwischen den Binnenpendlern in Grosszentren (A)
und denjenigen in den übrigen Siedlungsräumen. Während bei den übrigen Binnenpendlern der
Individualisierungsgrad mit zunehmender Zeit zunimmt und sich somit ein tendenziell positiver
Anzahl[x1000] Anzahl[x1000]
58 58
70 80 90 100 70 80 90 100
54 54
50 50
46 46
▲ ▲
▲ ▲
▲ ▲
Status
Status
42 A 42 C
Individualisierungsgrad Individualisierungsgrad
▲
▲
▲
▲
▲
▲
200 200
Anzahl[x1000] Anzahl[x1000]
58 58
70 80 90 100 70 80 90 100
54 54
50 50
▲ 46
▲ 46
▲ ▲
▲ ▲
Status
Status
42 B 42 D
Individualisierungsgrad Individualisierungsgrad
▲
▲
▲
▲
▲
▲
200
Ländlicher Raum
150
100
50
Anzahl[x1000]
58
70 80 90 100
54
Raumtypus
Zeitaufwand [min]
Arbeitsort
<15 15-29 30-59 >60 50
Grosszentrum
Klein- & Mittelzentrum
Suburbaner Raum
▲ 46
Periurbaner Raum ▲
Ländlicher Raum ▲
Status
42 E
Binnenpendler
Individualisierungsgrad
▲
▲
▲
Quelle: Eigene Darstellung. Die S-I-Diagramme geben die untersuchten Wohnort-Raumtypen wieder. Jede Kreisfläche steht
für eine spezifische Kombination von raumtypologischer Richtung und Zeitaufwand. Die Farbe der Kreisflächen gibt den Arbeitsort-
Raumtypus wieder, die Intensität den Zeitaufand. Die Fläche ist proportional zur Anzahl der Pendelnden.
Empirie 52
lisierten Wohnformen mit zunehmendem Zeitaufwand zeigen, lässt sich hingegen bei den Radial-
pendlern (Abb. 4.20 I) kein wirklicher Zusammenhang zwischen Zeitbedarf und der Verbreitung von
jedoch die Struktur der Paarhaushalte. So wird ersichtlich, dass mit zunehmendem Zeitaufwand
der Anteil der Paarhaushalte ohne Kinder zu-, und derjenige der Familienhaushalte abnimmt
I Radialpendler < 15
15-29
30-59 Haushaltsform
> 60 Wohngemeinschaft
Einpersonenhaushalt
II Tangentialpendler < 15 Paarhaushalt (ohne Kind)
15-29 Paarhaushalt (mit Kind)
30-59 Einpers. haushalt mit Kind
> 60 andere Wohnform
0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
Die Entwicklung der Familienmodellstruktur (Abb. 4.21) der beiden Pendlertypen ist nahezu iden-
tisch. Die Radialpendler zeigen insgesamt aber eine leicht stärkere Abnahme des egalitär erwerbsbe-
I Radialpendler < 15
15-29
30-59
> 60 Familienmodell
traditionell-bürgerlich
II Tangentialpendler < 15
modernisiert-bürgerlich
15-29
egalitär erwerbsbezogen
30-59 egalitär familienbezogen
> 60 andere Familienmodelle
0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
Quelle: Eigene Darstellung Grundgesamtheit: Erwerbstätige in Familienhaushalten mit Kind unter 16 Jahren.
Empirie 53
Die Struktur der Berufsstatusklassen weist mit zunehmendem Zeitaufwand einen deutlichen Anstieg
der statushohen Berufe bei Tangentialpendlern auf (Abb. 4.22 II). Bei den Radialpendlern (Abb. 4.22
I) lässt sich dagegen keine wesentliche Veränderung dieser Berufsstatusklasse erkennen. Hingegen
I Radialpendler < 15
15-29
30-59
> 60
Berufsstatus
II Tangentialpendler < 15 hoch
15-29 mittel
30-59 tief
> 60 anderer
0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
4.2.3 Fazit
Insgesamt zeigt sich bei den interkommunalen Pendlern ein positiver Zusammenhang zwischen Zeit-
aufwand und sozialem Status sowie zwischen Zeitaufwand und Individualisierungsgrad. Je höher der
Zeitaufwand, der für das Pendeln aufgewendet wird, desto höher ist sowohl der Status als auch der
das egalitär familienbezogene Familienmodell nehmen mit steigendem Zeitaufwand zu. Gleichzeitig
lässt sich aber auch eine mit dem Zeitbedarf einhergehende stärkere Verbreitung des traditionell-
bürgerlichen Familienmodells beobachten, welches eine Indikator für eine traditionelle, daher wenig
Die Binnenpendler unterscheiden sich von den interkommunalen Pendlern durch einen negativen
Zusammenhang zwischen Status und Zeitaufwand. Die statushohen Binnenpendler weisen daher
Deutliche Unterschiede zeigen sich zwischen den Radial- und den Tangentialpendlern in Bezug
individualisierten Haushaltsformen, der Paarhaushalte ohne Kind sowie der statushohen Berufe auf.
Bei den Radialpendler wird kein wirklicher Zusammenhang zwischen Zeitaufwand, individualisierten
Haushaltsformen oder statushohen Berufen deutlich. Hingegen zeigt sich bei beiden Pendlertypen
eine mit steigendem Zeitaufwand einhergehende Zunahme des traditionell-bürgerlichen wie auch
des egalitär familienbezogenen Familienmodells.
Empirie 55
4.3 Modus[2]
Dieses Kapitel beinhaltet die empirischen Resultate zum Zusammenhang zwischen sozialer Differen-
zierung und Verkehrsmittel. Als Ausgangslage dienen wiederum die raumtypologischen Richtungen,
wobei die Pendelnden zusätzlich entsprechend des verwendeten Verkehrsmittels klassiert werden.
Jede Pendlergruppe zeichnet sich in der Folge durch eine spezifische Kombination von Richtung und
Verkehrsmittel aus.
Personen [x1000]
58
70 80 90 100
54
▲
▲
▲ 50
Status
Modus (Verkehrsmittel)
Motorisierter Individualverkehr
46
Öffentlicher Verkehr
Kombinierter Verkehr
Langsamverkehr
46
Binnenpendler
Individualisierungsgrad
▲
▲
▲
Quelle: Eigene Darstellung. Jede Kreisfläche steht für eine spezifische Kombination von raum-
typologischer Richtung und Verkehrsmittel. Die Farbe der Kreisflächen zeigt das Verkehrsmittel an.
Die Fläche ist proportional zur Anzahl der Pendelnden.
Graphik 4.23 bildet die verschiedenen Kombinationen von raumtypologischer Richtung und Modus
im S-I-Diagramm ab. Dabei zeigt sich, dass die MIV- und LV-Gruppen insgesamt eine geringere
[2] Für die Analyse werden ausschliesslich Gruppen mit mehr als 250 Pendelnden berücksichtigt.
Empirie 56
soziale Differenzierung aufweisen als die KMB- oder OEV-Gruppen. Die Pendelnden der Verkehrs-
Abbildung und weisen insgesamt leicht überdurchschnittliche Statuswerte auf. In der Tendenz
deutlich statustiefer sind die Langsamverkehrs-Pendler LV. Die insgesamt höchsten Statuswerte
weist der kombinierte Verkehr auf. Die OEV-Pendler stellen sowohl die statustiefste wie auch die
statushöchste Gruppe dar (vgl. ARE 2001, Frick et al. 2004). Trotz dieser Streuung lässt sich eine
gewisse Konzentration im (unteren) rechten Bereich des Diagramms feststellen. Dies bedeutet, dass
sie alles in allem einen höheren Individualisierungsgrad aufweisen als beispielsweise MIV- oder
KMB-Gruppen, was sich auch an der Struktur der Haushaltsformen zeigt (Abb. 4.24). Die OEV-
sowie Alleinerziehenden auf, wobei der Effekt bei den Binnenpendlern am ausgeprägtesten ist (Abb.
4.24 I). OEV- wie auch KMB-Pendler weisen zudem einen hohen Anteil an Paarhaushalten ohne
Kind auf. Im Gegensatz dazu sind die LV-Pendler unterdurchschnittlich individualisiert. Sie weisen
gesamthaft gesehen den höchsten Anteil an Familienhaushalten auf (Abb. 4.24 II).
I Binnenpendler MIV
OEV
KMB Haushaltsform
LV Wohngemeinschaft
Einpersonenhaushalt
II Interkom. Pendler [IKP] MIV Paarhaushalt (ohne Kind)
OEV Paarhaushalt (mit Kind)
KMB Einpers. haushalt mit Kind
LV andere Wohnform
0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
4.25). Die beiden Gruppen MIV und KMB weisen im Ganzen einen höheren Anteil von traditionell-
bürgerlichen Formen des familiären Zusammenlebens auf. Bei den Pendlern, welche zu Fuss,
mit dem Velo oder dem öffentlichen Verkehrsmittel zur Arbeit pendeln, ist hingegen das egalitär
sowie eine stärkere Verbreitung des egalitär erwerbsbezogenen Familienmodells (Abb. 4.25 I, II).
Empirie 57
I Binnenpendler MIV
OEV
KMB
LV Familienmodell
traditionell-bürgerlich
II Interkom. Pendler [IKP] MIV
modernisiert-bürgerlich
OEV egalitär erwerbsbezogen
KMB egalitär familienbezogen
LV andere Familienmodelle
0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
Quelle: Eigene Darstellung Grundgesamtheit: Erwerbstätige in Familienhaushalten mit Kind unter 16 Jahren.
Gesamthaft betrachtet lässt sich somit ein positiver Zusammenhang zwischen den Modi, welche
menhang zwischen dem Anteil des egalitär familienbezogenen Modells und dem öffentlichen sowie
entsprechend ihres Status- und Individualisierungsgrad-Ranges. Die Abfolge in 4.26a widerspiegelt die
Die vertikale Differenzierung – in anderern Worten die soziale Hierarchie – der Verkehrsmittel-
gruppen in den Grosszentren unterscheidet sich von derjenigen der übrigen Siedlungsräume durch
den hohen Status der Gruppe der LV-Benutzer (Abb. 4.26a). In allen anderen Siedlungsräumen bilden
die MIV-Nutzer die statushöchste Gruppe. Tendenziell am statustiefsten sind in allen untersuchten
Siedlungsräumen die OEV-Pendler (vgl. ARE 2001). Die KMB-Pendler werden an dieser Stelle nicht
a) GRZ KMZ SUB PER RUR b) GRZ KMZ SUB PER RUR
OEV OEV
LV OEV
LV OEV OEV MIV MIV LV LV MIV
Siedlungsräumen (Abb. 4.26b) zeigt, dass die OEV-Nutzer in sämtlichen Siedlungsräumen die am
stärksten individualisierte Gruppe bilden. In Bezug auf den Individualisierungsgrad der übrigen
Ein Vergleich der sozialen Differenzierung der Binnenpendler in den unterschiedlichen Siedlungs-
räumen (Abb. 4.28) zeigt eine deutlich geringere vertikale Streuung der Verkehrsmittelgruppen in
Empirie 59
den Zentren (Abb. 4.28 A, B) als beispielsweise im periurbanen Raum (D). Genau umgekehrt verhält
es sich mit der horizontalen Streuung, die in den Zentren sehr ausgeprägt ist und mit zunehmender
den Zentren (A, B) stärker nach Individualisierungsgrad, in der restlichen Agglomeration (C, D) und
Interkommunale Pendler
Abbildung 4.27 werden die interkommunalen Pendlergruppen der untersuchten Siedlungsräume
Die Abfolge in 4.27a widerspiegelt die Rangabfolge der Verkehrsmittelgruppen nach Status, 4.27b
diejenige nach Individualisierungsgrad. Auf die Langsamverkehr-Pendler wird an dieser Stelle nicht
eingegangen, da sie bei den Interkommunalpendlern anzahlmässig vernachlässigbar sind.
a) GRZ KMZ SUB PER RUR b) GRZ KMZ SUB PER RUR
OEV KMB MIV MIV KMB OEV OEV OEV OEV OEV
– Inidiv.Grad +
– Status +
KMB MIV KMB KMB MIV KMB KMB KMB MIV KMB
MIV OEV OEV OEV OEV MIV MIV MIV KMB MIV
Die Grosszentren unterscheiden sich von den übrigen Siedlungsräumen durch den vergleichsweise
hohen Status der OEV-Pendler (vgl. auch Abb. 4.28) und den tiefen sozialen Status der MIV-Pendler.
In den übrigen Siedlungsräumen bilden die OEV-Pendler insgesamt jeweils die statustiefste und
die MIV- oder KMB-Nutzer die statushöchste Gruppe. Werden ausschliesslich die Pendelnden mit
Arbeitsort in den Grosszentren berücksichtig, weisen die KMB-Zupendler, mit Ausnahme derjenigen
aus dem suburbanen Raum, in allen Siedlungsräumen den höchsten Status auf (vgl. Abb. 4.28).
[3] Für jede raumtypologische Richtung wurde die Rangabfolge (Individualisierungsgrad und Status) der Verkehrsmittel
berechnet. Graphik 4.27 gibt die durchschnittliche Rangabfolge der Verkehrsmittel in den untersuchten Siedlungs-
räumen wieder.
Empirie 60
aufweisen. Am wenigsten individualisiert sind tendenziell die MIV-Nutzer. Die Pendelnden mit
Wird die soziale Differenzierung der interkommunalen Pendler in Abhängigkeit von Verkehrsmittel
und Siedlungsraum verglichen, zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei den Binnenpendlern (Abb. 4.28).
In den Zentren (Abb. 4.28 A, B) lässt sich eine deutliche horizontale Streuung der Verkehrsmittel-
gruppen beobachten. Diese nimmt mit zunehmender raumtypologischer Distanz zu den Zentren ab.
In der restlichen Agglomeration (C, D) und im ländlichen Raum (E) differenzieren die Verkehrsmit-
12
Anzahl[x1000] Anzahl[x1000]
12 58 58
70 80 90 100 70 80 90 100
11 15
15
31
10 54 31 54
13 31
13 13 31
10 10 32
10 13 14 33
14
32
33
50 30 50
35
32 32
35
34
33
34
33 30 35
30
34
46 46
▲ ▲ 34
35
▲ ▲ 30
▲ ▲
Status
Status
A C
Individualisierungsgrad Individualisierungsgrad
▲
▲
▲
▲
▲
▲
200 200
Anzahl[x1000] Anzahl[x1000]
58 58
70 80 90 100 70 80 90 100
41
21 21
41
41
21 54 41 54
22
22
22
42
42 43
20 23 23 43
20 20 23 42 42
50 50
25
25 25 45 45
40 44 43
24 23
24 20 24 4344
40 44 45
44
▲ 25 24 46
▲ 40 46
45
▲ ▲
▲ ▲ 40
Status
Status
B D
Individualisierungsgrad Individualisierungsgrad
▲
▲
▲
▲
▲
▲
200
Ländlicher Raum
150
100
50
Anzahl[x1000]
58
70 80 90 100
Modus (Verkehrsmittel)
51 54
51 51
Motorisierter Individualverkehr
53
Öffentlicher Verkehr 52 52
50
53
52
Kombinierter Verkehr 50 55
54
53
52 54
55
Langsamverkehr ▲ 53
55
50 46
54
54
▲ 50 55
▲
Binnenpendler
Status
50 E
Individualisierungsgrad
▲
▲
▲
Quelle: Eigene Darstellung. Die S-I-Diagramme geben die untersuchten Wohnort-Raumtypen wieder. Die Kreisflächen
entsprechen bestimmten Kombinationen von raumtypologischer Richtung und Verkehrsmittel. Die Ziffern geben die raumtypo-
logische Richtung, die Farbe den Modus wieder.
Empirie 62
4.3.2 Fazit
Die untersuchten Verkehrsmittelgruppen unterscheiden sich deutlich in Bezug auf die Streuung
im S-I-Diagramm. Während die OEV-Pendler eine starke Differenzierung in horizontaler wie auch
in vertikaler Richtung aufweisen, konzentrieren sich die übrigen Modi stärker. Die KMB-Pendler
weisen insgesamt relativ hohe Statuswerte und einen durchschnittlichen Individualisierungsgrad auf.
Die MIV- Pendler sind ähnlich individualisiert bei einem leicht tieferen durchschnittlichen Status.
Insgesamt am statustiefsten und am wenigsten individualisiert sind die LV-Pendler. Die OEV-Pendler
In Bezug auf die Familienmodelle lässt sich ein positiver Zusammenhang zwischen Modi, welche die
Verfügbarkeit eines Autos oder Motorrads bedingen (MIV/KMB) und der Verbreitung der bürger-
lichen Modelle – traditionell wie modernisiert – erkennen. Das egalitär familienbezogene Modell
ist hingegen beim öffentlichen sowie beim nicht motorisierten Verkehr (OEV/LV) stärker vertreten.
Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass Teilzeitarbeitende und Frauen generell einen
höheren Anteil des OEV’s am Modalsplit aufweisen (Frick et al. 2004, Moser 2005b).
Die Grosszentren unterscheiden sich von den übrigen Siedlungsräumen in Bezug auf die soziale
Hierarchie der Verkehrsmittel, durch einen vergleichsweise hohen Status der LV-Pendler bei den
Ein Vergleich der sozialen Differenzierung der Pendelnden in den unterschiedlichen Siedlungs-
räumen zeigt eine deutlich geringere vertikale Streuung der Verkehrsmittelgruppen in den Zentren
als beispielsweise im periurbanen Raum. Genau umgekehrt verhält es sich mit der horizontalen
Streuung, die in den Zentren sehr ausgeprägt ist und mit zunehmender raumtypologischer Distanz
zu diesen abnimmt. Somit unterscheiden sich die Verkehrsmittelgruppen in den Zentren stärker
der Pendelnden zu analysieren erlaubt. Ausgangspunkt für die Analyse dieses Zusammenhanges
von Richtung, Zeitaufwand und Modus charakterisieren lassen. Insgesamt liess sich eine deut-
liche soziale Differenzierung der Pendler ausmachen. Das heisst, dass sich die untersuchten Pend-
lergruppen hinsichtlich des sozialen Status´ und ihrer Lebensstilmerkmale unterscheiden. Den
insgesamt grössten Einfluss hat dabei die raumtypologische Richtung – die Kombination von Wohn-
und Arbeitsortsraumtypus.
und diskutiert.
heisst in Abhängigkeit von Wohn- und Arbeitsortsraumtypus, weist auf zwei sich auseinanderent-
wickelnde räumliche Hierarchien hin. Zum einen eine Hierarchie des Wohnens, welche die zuneh-
mende residentielle Segregation zum Ausdruck bringt (vgl. ARE 2005, Hermann et al. 2005,
Heye/Leuthold 2004b), zum anderen eine Hierarchie der Arbeitsorte, welche die zunehmende
et al. 2006). Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass der periurbane Raum als Wohnort einen
mit den Kleinzentren vergleichbaren Status aufweist, als Arbeitsort hingegen deutlich statustiefer
ist. Es besteht also eine räumliche Inkongruenz von Arbeitsplatzstruktur und der Qualifikation der
ansässigen Bevölkerung ( z.B. Aguilera 2005, ARE 2005, Wachs et al. 1993). Die zunehmende
Komplexität der Pendlerbewegungen, der Anstieg der zurückgelegten Distanz und ganz allgemein
Diskussion und Ausblick 64
der zunehmende Verkehr sind deshalb nicht allein Folgen der fortschreitenden Zersiedlung und
sich ausdehnenden Ballungsräumen (Moser 2004a), sondern, wie in dieser Untersuchung gezeigt
werden konnte, auch das Resultat einer sozialräumlichen Segregation und einer räumlich-funkti-
onalen Differenzierung. Deshalb hat auch die Suburbanisierung der Arbeitsplätze nicht etwa zu
Agglomerationsgürtel und derjenigen aus den Zentren in den Agglomerationsgürtel geführt (vgl.
Die Grosszentren heben sich in Bezug auf die sozialen Charakteristika ihrer erwerbstätigen Wohn-
bevölkerung wie auch der Zupendelnden Erwerbstätigen klar von den übrigen Siedlungsräumen ab.
Die Radialpendler – Pendler mit Wohn- und/oder Arbeitsort in einem Grosszentrum – weisen im
Vergleich zu den übrigen Pendelnden einen deutlich höheren sozialen Status und einen insgesamt
ist geprägt durch einen überdurchschnittlich hohen Anteil Individuen mit tertiärem Bildungsab-
schluss, die Arbeitsplatzstruktur durch einen hohen Anteil an hochqualifizierten Stellen im Finanz-
und wissensintensiven Dienstleistungssektor (ARE 2006, Dümmler et al. 2004, Thierstein et al.
2006). Sie zeigen somit einige typische Merkmale von Global Cities (vgl. Hamnett 1993, Sassen
1990, 1991).
5.1.2 Zeitaufwand
Der positive Zusammenhang von Zeitaufwand und sozialem Status ist in Anbetracht der mit zuneh-
mendem Einkommen steigenden Opportunitätskosten der Zeit auf den ersten Blick erstaunlich
und widerspricht der Eingangs der Arbeit formulierten Annahme, dass finanziell besser gestellte
leisten können (vgl. Kap. 2.2.2). Dieser Zusammenhang wird jedoch auch in der Literatur kontrovers
diskutiert. So decken sich die Resultate von Hanson und Pratt (1995) mit denjenigen der vorliegenden
Studie, während Næss und Sandberg (1995) einen negativen Zusammenhang von Einkommen und
Zeitaufwand postulieren.
Die Gründe für den mit zunehmendem Zeitaufwand einhergehenden Anstieg des sozialen Status´
Primär scheint der Anstieg jedoch darauf zurückzuführen zu sein, dass hochqualifizierte Stellen
räumlich-geographisch stärker konzentriert sind (vgl. ARE 2005, Dümmler et al. 2004), was in
Anbetracht der Entkoppelung von Wohnen und Arbeiten wie auch der fortwährenden Sub- und
Die mit steigendem Zeitaufwand einhergehende deutliche Zunahme der Wohnformen ohne Kinder
und des traditionell-bürgerlichen Familienmodells weist auf die zentrale Rolle der familiären und
partnerschaftlichen Restriktionen für das Verständnis der Pendlermobilität hin (Camstra 1995,
Bernard et al. 1996, Turner/Niemeier 1997). Die im Vergleich zu den übrigen Familienmodellen
dürften der Grund für die stärkere Verbreitung dieses Familienmodells bei langen Arbeitswegen sein
(vgl. Bühler 2005, Turner/Niemeier 1997). Der positive Zusammenhang zwischen Zeitaufwand
und dem egalitär familienbezogenen Modell ist schwieriger zu erklären. Ein möglicher Ansatz liegt
aber ebenfalls in den geringeren familiären Restriktionen. So verfügen die meisten Individuen, die
in diesem partnerschaftlichen Modell leben, einerseits über einen eher privilegierten materiellen
Hintergrund (Bühler 2005), was eine teilzeitige externe Kinderbetreuung ermöglicht, andererseits
Die deutliche Zunahme der Paarhaushalte ohne Kinder mit steigendem Zeitaufwand unterstützt
die Eingangs formulierte Annahme, dass sich die simultane Berücksichtigung und Optimierung
von zwei Arbeitswegen in grösseren Pendlerdistanzen niederschlägt (Cervero 1989, Green 1996,
Giuliano/Small 1993). Es stellt sich die Frage, inwiefern die Zunahme der kinderlosen Haushalts-
formen eine Folge von Restriktionen ist, oder ob sie vielmehr das Resultat einer auf die Lebensform
5.1.3 Modus
Der deutlich stärkere Einfluss der Lebensform – ausgeprägtere horizontale Streuung – auf die Wahl
des Modus in den Zentren im Vergleich zu den übrigen Siedlungsräumen weist darauf hin, dass
in den Zentren dem Lebensstil eine wesentliche Rolle bei der Wahl des Verkehrsmittels zukommt,
ausserhalb der Zentren hingegen letztlich primär die finanzielle Verfügbarkeit eines – oder mehrerer
Diskussion und Ausblick 66
Die sich von den übrigen Siedlungsräumen unterscheidende soziale Hierarchie der Verkehrsmittel in
den Grosszentren scheint auf den ersten Blick eine Folge unterschiedlicher Restriktionen – Angebot
des öffentlichen Verkehrs (ÖV) und Verfügbarkeit von Parkplätzen – und weniger auf Wahlent-
scheide, beziehungsweise die Lebensform zurückzuführen zu sein. Für die Restriktionen als Erklä-
rungsansatz sprechen die geringere Verfügbarkeit von Parkplätzen und die bessere Anbindung an
das nationale wie auch das regionale ÖV-Netz in den Grosszentren. Gegen dieses Argument spricht
jedoch die Tatsache, dass es sich bei der Verfügbarkeit von Parkplätzen letztlich um eine Kosten-
frage handelt. Gerade die in der ÖV-Gruppe übervertretenen statushohen Pendler würden über die
nötigen finanziellen Ressourcen verfügen, um sich einen Parkplatz zu sichern. Für die Lebensform
als Erklärungsansatz spricht die generell andere Bewertung von «Öffentlichkeit» und «Privatheit»,
welche die grossstädtische von der übrigen Bevölkerung unterscheidet (vgl. Häussermann/Siebel
1996, Leuthold [im Druck]) und sich auch in den städtischen Wohnformen widerspiegelt. Für
diese These spricht auch, dass typische städtische Wohnformen wie die Wohngemeinschaft oder der
Einpersonenhaushalt und das primär städtische, egalitäre Familienmodell bei den ÖV-Pendlern in
allen Siedlungsräumen deutlich stärker vertreten sind. Dies würde bedeuten, dass die Verkehrsmit-
telwahl an die Wohnform und die Form des familiären Zusammenlebens gekoppelt ist und diesen in
der Folge eine entscheidende Rolle bei der Erklärung der Wahl des Modus zukommt.
Der hohe Status des kombinierten Verkehrs bei Pendelnden mit Arbeitsort in den Grosszentren
und des ÖV’s auf den Intercitystrecken, lässt sich teilweise darauf zurückführen, dass der Zug
zumindest auf längeren Strecken in zunehmendem Masse als Arbeitsplatz genutzt wird und so der
«Zeit-Qualität» eine entscheidende Rolle bei der Wahl des Verkehrsmittels zukommt (vgl. Schuler/
Kaufmann 2005). Die Verbesserung der Qualität der Reisezeit durch einen Ausbau der Angebote
rund um den Zug als Arbeitsplatz – Stromanschluss, Breitbandinternet – kann deshalb, zusammen
Raum mit regelmässigen Verbindung in die nähergelegenen Zentren, als möglicher Ansatzpunkt für
Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, dass die Anwendung des Status-Individualisierungs-
Diagramms grundsätzlich gewinnbringend auf das Verkehrsverhalten angewandt werden kann und
insbesondere bei einer grossen Anzahl von zu untersuchenden Gruppen gegenüber einzelnen Indi-
katoren Vorteile bietet. Gleichzeitig wurden jedoch auch die Grenzen des von Hermann et al. (2005)
insbesondere Erwerbstätige – aufgezeigt. Für weiterführende Analysen wäre es deshalb von Vorteil,
Die Fokussierung auf die Indizes überdeckt gewisse gegenläufige Bewegungen wie beispielsweise eine
gleichzeitige Zunahme der als Indikator für einen hohen Individualisierungsgrad geltenden Wohn-
lienmodells, welches als Indikator für eine traditionelle, wenig individualisierte Lebensweise dient.
Um präzise Aussagen über den Zusammenhang von Lebensstil, Status und Pendlermobilität machen
zu können, ist eine detailliertere Analyse einzelner Status- und Lebensstilindikatoren deshalb unab-
dingbar. Neben den sozio-professionellen Kategorien sollten zudem auch Bildungs- und Einkom-
Die Studien, welche als Erklärungsgrundlage für die Resultate der vorliegenden Untersuchung
dienen, basieren teilweise auf Daten aus dem angelsächsischen oder dem skandinavischen Raum.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine deutliche soziale Differenzierung der Pendelnden
feststellbar ist, sowohl in Bezug auf die raumtypologische Richtung als auch in Bezug auf den Zeit-
aufwand und den Modus. Aufgrund des insgesamt hohen Aggregationsniveaus und der komplexen
Wirkungsgefüge, welche das Pendelverhalten beeinflussen, lassen sich die Resultate jedoch nur
Diskussion und Ausblick 68
bedingt begründen. Hierfür sind weiterführende Studien nötig, die sich detaillierter mit einzelnen
Aspekten der Pendlermobilität auseinandersetzen, wobei die vorliegende Arbeit als Ausgangspunkt
dienen kann. Zu untersuchen bleibt beispielsweise, wie sich die soziale Differenzierung der Verkehrs-
mittelgruppen in Abhängigkeit vom Zeitaufwand verändert, aber auch, wie sich bestimmte soziale
Milieus hinsichtlich der Wahl des Modus oder des Zeitaufwandes unterscheiden. Weiter wären
kleinräumigere Studien angebracht, welche verstärkt auf einzelne Agglomerationen oder Städte
fokussieren. Es gilt auch zu untersuchen, inwiefern gewisse Zusammenhänge die Folge von Restrik-
tionen und bis zu welchem Grad sie das Resultat spezifischer Präferenzen – beziehungsweise einer
Der empirische Nachweis einer sozialen Differenzierung der Pendelnden, welcher mit dieser Studie
erbracht wurde, bedeutet nicht zuletzt, dass die residentielle Segregation und Individualisierungs-
indikatoren wie Familienmodell oder Haushaltsform für das Verständnis wie auch die Modellierung
des individuellen Pendelverhaltens nicht weiter vernachlässigbar und deshalb in weiteren Untersu-
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Appendix
Raumtypus
Grosszentren
Klein- & Mittelzentren
Suburbaner Raum
Periurbaner Raum
Ländlicher Raum
Suburbaner Raum
150 150
100
50 Grosszentrum 100
50
60 60
Anzahl[x1000] Anzahl[x1000]
58 58
70 75 80 85 90 95 70 75 80 85 90 95
56 56
54 54
52 52
50 50
▲ 48 ▲ 48
▲ ▲
▲ ▲
46 46
Status
A Status C
Individualisierungsgrad Individualisierungsgrad
▲
▲
▲
▲
▲
▲
200 200
Anzahl[x1000] Anzahl[x1000]
58 58
70 75 80 85 90 95 70 75 80 85 90 95
56 56
54 54
52 52
50 50
▲ 48 ▲ 48
▲ ▲
▲ ▲
46 46
Status
Status
B D
Individualisierungsgrad Individualisierungsgrad
▲
▲
▲
▲
▲
▲
200
Ländlicher Raum
150
100
50
60
Anzahl[x1000]
58
70 75 80 85 90 95
56
54
Raumtypus Arbeitsort
Grosszentrum
52
Suburbaner Raum
Periurbaner Raum ▲ 48
Ländlicher Raum ▲
▲
Ohne Arbeitsweg 46
Status
Binnenpendler E
Individualisierungsgrad
▲
▲
▲
Quelle: Eigene Darstellung. Die S-I-Diagramme geben die untersuchten Wohnort-Raumtypen wieder. Die Farbe der Kreis-
flächen zeigt den Wohnstandortstypus an. Die Fläche ist proportional zur Anzahl Pendelnden.