couleur

zeitschrift des mittelschüler-kartell-verbandes

Preis: 2,- >> politisch unabhängiges jugend- und mitgliedermagazin 02 | 11

Die Christlich-Sozialen
vor der Entscheidung

> Japan
rte
Wie ein Beben die Menschen verände
> Fühl’‘ den Beat
Sommers
… auf den Festival-Highlights des

P.b.b. GZ 02Z031286S Verlagspostamt 1070 Wien DVR: 0014958


Ein Neustart – nur wohin?
Michael Spindelegger ist der Erste mit
echten couleurstudentischen Wurzeln an
der Spitze der Christlich-Sozialen seit
Alois Mock. Grund zur Freude? Ja! Einer
von uns, der sich offen zu einer christlichen
Wertehaltung, zu Österreich und Europa
bekennt, hat die Gelegenheit zu verändern,
die Dinge zum Besseren zu wenden. Es
wäre hoch an der Zeit!
Österreich ist seit 2008 in einem Reform-
stau gefangen. Anfangs bemühte sich das
Gespann Gusenbauer/Molterer mehr
schlecht als recht an den Veränderungs-
willen eines Wolfgang Schüssel anzu-
knüpfen. Um es direkt zu sagen: Alles,
woran ich mich aus dieser Zeit erinnere, ist
ein Alfred Gusenbauer in viel zu engen
Radlerhosen; und der „Abstimmungs-
bazar“ im Nationalrat wenige Tage vor dem
vorgezogenen Urnengang. Ansonsten?
Reformen, Verbesserungen? Mir fallen
keine ein.
Dann kam die Neuwahl. Dann kam
Faymann/Pröll und dann mit orkanartiger
Geschwindigkeit die Finanz- und Wirt-
schaftskrise. Diese Krise, das muss man
den beiden lassen, wurde gut gemeistert.
Die Arbeitslosigkeit hält sich dank der ge-
waltigen Kraftanstrengungen in Grenzen
und die Wirtschaft brummt. Kehrseite: All
das wurde auf Pump finanziert.
Doch was passierte dann? Kaum schien der
gemeinsame Feind die Krise bezwungen,
ließen sich die Regierungsparteien wieder
in die Niederungen des Schmutzkübel-
weitwurfs hinab. Eine Disziplin, die seit
2008 gepflegt wird und an der alle sehr viel
Freude haben dürften. Vor allem Heinz-
Christian Strache. Frustrierend ist es
darüber hinaus mitansehen zu müssen, wie
sich eine Regierungspartei aus Angst vor
Wahlniederlagen als Opposition generiert,
Land und Leute beiseite schiebt und nur im
Blick hat 2013 Erster zu bleiben.
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GR Gottfried Forsthuber
v/o Michelangelo (BDB)
Chefredakteur
Womit wir bei der Regierungsumbildung an-
gelangt wären. Es ist schön, dass alle (!) VP-
Regierungsmitglieder bis auf Sebastian Kurz
und Maria Fekter bei christlichen Studenten-
verbindungen korporiert sind, damit kennen
wir ihre 120% Leistungsbereitschaft.
Aber wie, nur wie in Gottes Namen kann
man angesichts der geschilderten Um-
stände konstruktiv regieren? Mit gutem
Willen? Vielleicht. Mit Kompromissen?
Naja. Wird das reichen, die großen ideo-
logischen Unterschiede im Steuer-, im
Familien-, im Bildungsbereich zu über-
brücken? Noch dazu mit einem Wer-
ner Faymann an der Spitze, der als
Hausmeister sicherlich grandiose beruf-
liche Erfolge feiern könnte, als Kanzler
aber eine totale Fehlbesetzung ist?
Eine Regierungsumbildung ist ein Neu-
anfang. Schön wäre es, wenn sich auch der
Hauptverantwortliche – der Bundes-
kanzler – von diesem frischen (couleur-
studentischen) Wind inspirieren ließe.
Arbeit gäbe es mehr als genug.
Impressum
Herausgeber: Mittelschüler-Kartell-Verband der
katholischen farbentragenden Studentenkorporationen
Österreichs (MKV), Neubaugasse 25/21, 1070 Wien
Telefon: +43/1/5237434, Fax: +43/1/5237434-9
E-Mail: kanzlei@mkv.at, Internet: www.mkv.at
ZVR-Zahl: 646503058
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Geschäftsführer: StS a.D. Mag. Helmut Kukacka (TGW)
Vorstand: StS a.D. Mag. Helmut Kukacka (TGW),
Michael Wilim (MDK), RA Dr. Alexander Kragora
(VDW), Dr. Gregor Jansen (SOP)
Chefredaktion: GR Gottfried Forsthuber (BDB)
Telefon: +43/699/13300140, E-Mail: couleur@mkv.at
Redaktion: Martin Meixner (BDB), Mag. Marc Vecsey
(SOP), Mag. Axel Sonntag (MDK), Bernhard Sonntag
(MDK), Christoph Steinacker (AUP)
Fotos: MKV, Europäische Kommission (EK),
flickr.com, zur Verfügung gestellt
3
editorial
Thema
Wird uns die ÖVP abgehen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Die Christlich-Sozialen sind am Scheideweg
„Es müssen Entscheidungen fallen" .................6
Interview mit Dr. Erhard Busek
Vor.Gedacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Kolumne des Kartellvorsitzenden
Verband
Leserbriefe .......................................................9
Auf dem Weg zur Bildungsrepublik . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Ein Beitrag von Kbr. CR Karl Roithinger
MKV Garten der Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Farbenfrohe Pfingsten in Hartberg
Politik
Mehr Anstand in der Politik! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Kommentar von Kbr. Mag. Othmar Karas
Ad Fundum
Japan: Tsunami und Zauberlehrlinge
Wie ein Beben ein ganzes Land verändert
. . . . . . . . . . . . . 14
Frühling im Nahen Osten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Alles bleibt in Bewegung - und zwar heftig
Schluss mit der Piraterie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Der Kampf ums Urheberrecht
Die Hochzeit als Happening . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
William hat geheiratet und der MKV war live dabei
MKV goes Facebook . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Social-Media Kampagne gestartet
Auf dem Weg ins globale Kulturdorf? . . . . . . . . . . . . . 24
Gastkommentar von Kbr. Dr. Peter Hofbauer
Von Festival zu Festival . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
Die Konzert-Highlights des Sommers
"Qualitätsjournalismus
wird in Österreich nie möglich sein" . . . . . . . . . . . . . . 28
Interview mit Kbr. Dr. Engelbert Washietl
Gift und Genom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Wem kann man eigentlich noch trauen?
Konzeption, Produktion und Anzeigenverwaltung:
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Auflage: 25.000 Exemplare
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Denkmayr Thomas, Hartberg, Herrengasse 22; Wacker
Norbert, Hall/Tirol, Oberer Stadtplatz 9; Wacker Mar-
tin, Innsbruck, Museumstraße 38; Sezemsky Josef,
Innsbruck, Bruneckstraße 162
Blattlinie: Das „couleur“ ist die österreichweite Ver-
bandszeitung des Mittelschüler-Kartell-Verbandes und
als solche politisch unabhängig. Ziel ist die Informa-
tion aller Mitglieder und Interessenten im Rahmen
eines kritischen, auf den Grundsätzen des MKV
bauenden Jugend- und Mitgliedermagazins.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht der Meinung
des Herausgebers entsprechen.
4 couleur 02 | 11
thema
Wird uns die ÖVP abgehen?
Die Christlich-Sozialen sind am Scheideweg. Als Juniorpartner in einer
Koalition hat man es ohnehin schon schwer. Aktuell kommt aber noch ein
Regierungschef dazu, der absolut nichts erreichen will.
Sechzehn Jahre ist es her, dass die ÖVP im
Jänner 1995 ihr allerletztes Dreikönigstref-
fen abhielt. Der Ort war Schloss Leopolds-
kron in Salzburg. Auf dem zugefrorenen
Weiher vor dem prächtigen Schloss drehten
Eisläufer gekonnt ihre Pirouetten. Drinnen
ging es ebenfalls eisig, aber weniger ge-
konnt zu. Die ÖVP hatte bei der National-
ratswahl im Oktober 1994 eine schwere
Niederlage erlitten und die versammelten
Granden hatten längst Parteichef Erhard
Busek mit seiner Wahlkampfansage, die
Koalition mit der SPÖ „ohne Wenn und
Aber“ fortzusetzen, als Schuldigen erkannt.
Monate der lähmenden Flügelkämpfe und
Obmanndebatten waren dem Treffen in Le-
opoldskron vorangegangen, und Busek ver-
mochte nur mit einer überraschenden Dro-
hung noch einmal (und, wie man im Rück-
blick weiß, nur für wenige Monate) den
Kopf aus der Schlinge zu ziehen: mit der
Drohung, die Bundespartei aufzulösen. Die
„Salzburger Nachrichten“ fragten darauf-
hin in ihrem Leitartikel nachdenklich:
„Wird uns die ÖVP abgehen?“ Diese Frage
- von den SN damals übrigens mit einem
klaren Ja beantwortet - stellt sich heute wie-
der. Denn auch die von Busek damals den
Bünden und Ländern provokativ gestellte
Frage „Wollen wir noch miteinander?“
stellt sich heute neuerlich. Beim jüngsten
Innsbrucker Parteitag, bei dem Michael
Spindelegger zum neuen ÖVP-Chef ge-
wählt wurde, konnten die enormen Diffe-
renzen zwischen den Bünden und den Lan-
desorganisationen der ÖVP nur mühsam
zugekleistert werden. Da war der Krach mit
den Steirern, die sich bei der Neubesetzung
von Regierungsmannschaft und ÖAAB-
Spitze schlecht behandelt fühlten (das tun
sie eigentlich immer). Da war der von An-
dreas Treichl so wuchtig artikulierte Unmut
der Wirtschaft über den Stillstand in der
Regierung. Da war das unverständliche
Zickzack der ÖVP in Sachen Steuerreform
(erst: ja, dann: nein, zuletzt: vielleicht). Und
da waren und sind noch andere Dinge, die
der Partei schwer zu schaffen machen: Die
unverhohlene (und durch Inseratenaufträge
aus Steuermitteln initiierte) SPÖ-Schlag-
seite der Wiener Medien. Oder – und das ist
vielleicht das Schlimmste - die enorme
Mutlosigkeit in den eigenen Reihen.
Interesse an Reformen
Tatsächlich deutet nichts darauf hin, dass die
ÖVP je wieder einen Weg aus ihrem gegen-
wärtigen Jammertal finden könnte. Als Ju-
niorpartner in einer Koalition hat man es oh-
nehin schon schwer. Aktuell kommt aber
noch ein Regierungschef dazu, der absolut
nichts erreichen will – außer seiner Wieder-
wahl. Da man von Werner Faymann ohnehin
nichts erwartet, schadet die Reformblockade
der SPÖ kaum, der ÖVP hingegen massiv.
Der Grund dafür ist einfach: Der durch-
schnittliche Wähler der SPÖ ist Profiteur des
Sozialstaates. Er hat also nicht das geringste
Interesse an Reformen, die ja doch nur in
Ausgabenkürzungen bestehen würden. Der
durchschnittliche ÖVP-Wähler hingegen ist
Financier des Sozialstaates. Sein Interesse an
Reformen wächst und wächst – parallel zur
Steuerlast. Kanzler Werner Feymann schlägt
durch sein Nichtstun also zwei Fliegen mit
einer Klappe: Er bedient die eigene Klientel.
Und: Er ruiniert einen ÖVP-Chef nach dem
anderen. Josef Pröll ist nur vordergründig an
seinen gesundheitlichen Problemen geschei-
tert, in Wahrheit aber daran, dass er die hoch-
gesteckten und von ihm selbst geschürten
Reformerwartungen nicht erfüllen konnte.
Warum sollte es Michael Spindelegger bes-
ser gehen?
Wenn nicht ein Wunder geschieht und die
ÖVP in nächster Zeit wider Erwarten ein,
zwei große Reformen durchsetzt, wird sie
die kommende Nationalratswahl verlieren.

Vieles deutet darauf hin, dass diese Wahl
nicht im Herbst 2013, sondern schon ein
Jahr früher stattfindet. Denn im Frühjahr
2013 sind Landtagswahlen in Niederöster-
reich und Tirol, und das Risiko, dort Schlap-
pen zu erleiden und dann mit dem Verlierer-
Image in die Nationalratswahl gehen zu
müssen, ist vor allem für die SPÖ groß. Da-
her wird über eine Wahlvorverlegung auf
2012 spekuliert. Wie auch immer. Fällt die
ÖVP auf Bundesebene auf Platz drei zu-
rück, hat sie, um zu überleben, nur noch ei-
ne Chance: Den Gang in die Opposition.
Gerade zu diesem in einer Demokratie lo-
gischen Schritt sind wesentliche Entschei-
dungsträger in der ÖVP aber nicht bereit.
Sie bleiben lieber in dem für sie lukrativen
Geflecht aus Großer Koalition und Sozial-
partnerschaft sitzen, als den Weg für Neues
freizugeben oder selbst den Weg zu Neuem
zu beschreiten. Diese Mut- und Antriebs-
losen werden auch mit Platz drei noch zu-
frieden sein, wenn die ÖVP nur an den
Futtertrögen der Macht bleibt. Sie sind ab
sofort die gefährlichsten Gegner Michael
Spindeleggers.
Die Politik ist nach links gerückt
Zeit jedenfalls, sich die Frage von 1995 neu
vorzulegen: Wird uns die ÖVP abgehen?
Die Antwort ist, mehr noch als damals, ein
Ja. Denn die heimische Politik ist seit da-
mals weiter nach links gerückt. Die Stimme
der wirtschaftlichen Vernunft in der SPÖ ist
sehr leise geworden. Über die Grünen
braucht man in diesem Zusammenhang erst
gar nicht zu reden. Das BZÖ ist zwar auf ei-
nem interessanten Weg, aber in Summe
noch eine unausgegorene Sache. Und die
FPÖ hat in den letzten Jahren eine spekta-
kuläre Umpolung vorgenommen: Für Jörg
Haider war der Gemeindebau das Spiel-
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material, mit dem er seine Wahlsiege
holte, mehr nicht. Für Heinz-Christian
Strache hingegen ist der Gemeindebau die
Messlatte für seine gesamte Politik.
Eine politische Landschaft, die nur aus die-
sen dreieinhalb sozialistischen Parteien be-
steht, ist eine Schreckensvision. Nicht, dass
nicht auch die ÖVP teilweise sozialistisch
wäre: Sozialisten gibt es in allen Parteien.
(Copyright: ÖVP-Klubobmann Karl-Heinz
Kopf). Aber in der ÖVP haben sie nicht die
Mehrheit, zumindest nicht immer. Dieser
konservative Gegenpol zu all den anderen
Parteien ist für das Land tatsächlich unver-
zichtbar. Nichts ist daher so falsch wie die
ständige Behauptung von Politologen und
sonstigen selbst ernannten Experten, die
ÖVP wäre zu konservativ, und sie müsse
nur weniger konservativ sein, dann würde
sie schon wieder Wahlen gewinnen. Un-
sinn. Was hat es der ÖVP 2008 genutzt, dass
sie vier Tage vor der Nationalratswahl mit
den Wölfen mitheulte und das (nicht vor-
handene) Geld mit vollen Händen zum
Fenster hinauswarf? Was hat es der ÖVP
genutzt, dass sie unter Josef Pröll der „ein-
getragenen Partnerschaft“ für homosexuel-
le Paare zustimmte? Hat sie deswegen eine
„liberale“ Stimme mehr bekommen? Nein.
Die ÖVP ist nur dann unverzichtbar, wenn
sie ihre Grundwerte hochhält. Tut sie das
nicht, wird sie austauschbar und zu Recht
untergehen.
ÖVP in Opposition!
Das Plädoyer dafür, dass die ÖVP in Op-
position gehen soll, und die Feststellung ih-
rer Unverzichtbarkeit im politischen Sys-
tem sind im Übrigen kein Widerspruch.
Denn wie soll der Wähler ihr Fehlen be-
merken, wenn sie ohnehin immer da ist?
5
thema
Seit 25 Jahren sitzt die ÖVP ununterbro-
chen in der Regierung. Abgesehen davon,
dass das im demokratischen System, das
vom Wechsel lebt, viel zu lang ist, ist da-
durch ein für die Partei fataler Gewöh-
nungseffekt eingetreten: Viele Wähler ver-
lassen sich darauf, dass die ÖVP ohnehin in
der Regierung sitzt und notfalls den ärgsten
Unsinn verhindern wird, aber sie selbst
wählen in dieser Gewissheit ruhig etwas
anderes. Die ÖVP ist für viele so etwas
wie der strenge Lehrer: Man weiß zwar,
dass er notwendig ist und zähneknirschend
akzeptiert werden muss. Aber lieben, das tut
man ihn nicht.
Vielleicht ist genau das für die ÖVP das gro-
ße Problem: Man ist ihr höchstens noch
mit dem Kopf, aber sicher nicht mit dem
Herzen verbunden. Die ÖVP – und das
sei unser abschließender Befund – kann
heute ihre Wähler nicht emotional an sich
binden. Ohne Emotion gibt es aber keinen
politischen Erfolg.
PS: Vier Monate nach den geschilderten
Vorgängen in Leopoldskron wurde Wolf-
gang Schüssel zum Nachfolger von Erhard
Busek als ÖVP-Obmann gewählt. Fünf
Jahre später war er Bundeskanzler.
der autor
Alexander Purger (*1965 in Wien)
ist seit 1993 innenpolitischer Redak-
teur der „Salzburger Nachrichten“
und stellvertretender Leiter der Wie-
ner Redaktion. Er ist Autor der sati-
rischen Kolumne „Purgertorium“
und der Kanzler-Biographie „Wolf-
gang Schüssel – Offengelegt“.
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thema

„Es müssen Entscheidu

Angesichts der überwundenen Krise der Volkspartei befragte das Couleur

Vizekanzler a.D. Dr. Erhard Busek zur Lage der Christlich-Sozialen, arbei-
ten bis 70 und zu seiner Einstellung zu Europa.
INTERVIEW: BA BERNHARD SONNTAG V/O ARNIE (MDK)

Grenzkontrollen in Dänemark, Korrup-
tionsfälle im EU-Parlament, Rechtspar-
teien von Finnland bis Ungarn im Auf-
wind – befindet sich das vereinte Europa
auf einem Weg zurück in seine Vergan-
genheit?
Ein Weg zurück in die Vergangenheit ist
nie möglich. Es ist aber ein Warnsignal,
dass der Traum vom gemeinsamen Euro-
pa wieder mehr in die Ferne rückt, bzw.
wir auf einen Egoismus der Staaten zuge-
hen, der letztlich Europa aus dem Spiel
unserer Zeit herausführt. Es geht daher
nicht nur darum, etwa die Europäische
Union vorbehaltlos zu loben, sondern eine
sachlichere Gesprächsbasis zustandezu-
bringen. Die Grenzkontrollen etwa wer-
den vermeidbar, wenn die Zusammenar-
beit der Sicherheitsapparate besser wäre.
Gleiches gilt etwa für die Wahlen zum
EU-Parlament, wenn die Personenaus-
wahl besser wäre. Und in Wirklichkeit
müssen wir über den Inhalt von Europa re-
den, wie es schon Jacques Delors gemeint
hat.
Die Lage der ÖVP:
Sie waren selbst jahrelang mit beacht-
lichen Erfolgen in Führungspositionen
der ÖVP auf Bundes- und Landesebene
tätig – wie beurteilen Sie aktuell die Lage
der Volkspartei?
Sind die bündisch-föderalen Strukturen
eine Gefahr für ihre Zukunft? Trauen
Sie der Partei unter Michael Spindel-
egger eine Aufholjagd bis zur nächsten
Nationalratswahl 2013 zu?

ngen fallen“
Es ist zu hoffen, dass Michael Spindeleg-
ger einen Aufwind für die Volkspartei be-
deutet, da wir ansonsten eine andere poli-
tische Struktur bekommen. Wir haben oh-
nehin schon drei gleichstarke Parteien.
Die wirkliche Herausforderung besteht
nicht darin, etwa wieder einmal die Struk-
tur der Volkspartei ändern zu wollen, son-
dern die Führungsaufgabe durch die Poli-
tik wahrzunehmen. Es müssen Entschei-
dungen fallen und eine bessere Personen-
auswahl geschehen. Daher wäre etwa die
Änderung des Wahlrechts im Sinne einer
Personalisierung dringend notwendig.
Damit könnte man eine inhaltliche Auf-
holjagd bis zur nächsten Nationalratswahl
beginnen, der natürlich auch eine bessere
Personenauswahl folgen müsste.
Christlich-soziale Werte
Kann christlich motivierte Politik in ei-
ner säkularen Gesellschaft überhaupt
Erfolg haben? Was bedeutet für Sie heut-
zutage christlich-soziales Handeln?
Bei vielen Diskussionen - quasi täglich -
kann ich feststellen, dass die Sehnsucht
nach Werten sehr groß ist. Sie müssen aber
entsprechend angeboten werden. Ich per-
sönlich glaube z.B., dass die zehn Gebote
nach wie vor ihre Bedeutung haben und
couleur 02 | 11
eine Berufung der Politik auf diese letzt-
lich sehr hilfreich wäre. Das hat nicht ein-
mal etwas mit den Kirchenaustritten zu
tun, weil trotz dieser bedauerlichen Ent-
wicklung die Sehnsüchte nach Wertvor-
stellungen und nach Orientierung zuneh-
men. Die Frage ist natürlich: wo werden
sie geboten?
Das Pensionssystem
Trotz Ihres fortgeschrittenen Alters
(Anm.: seit 25. 3. 70) sind Sie nach wie
vor ein sehr aktiver Mensch. Ist das Ak-
tivsein bis ins hohe Alter ehemaligen Po-
litikern wie Andreas Khol und Ihnen vor-
behalten, oder halten Sie dieses Modell
im Kontext eines zunehmend unfinan-
zierbaren Pensionssystems in Österreich
für massentauglich?
Wer etwas tut, hält sich auch selber
lebendig. Ich glaube, dass das Pensions-
alter angehoben werden muss und ich
kann jedem nur persönlich empfehlen, so
lange als möglich etwas zu tun, wenn er
am Leben bleiben will.
Das Couleurstudententum
Zu guter Letzt darf ich Sie noch nach Ih-
rem Verhältnis zum Couleurstudenten-
7
thema
tum fragen. Gibt es in Ihrem Umfeld
Couleurstudenten? Was verbinden Sie
mit dem Kürzel MKV?
Der MKV ist mir sehr bekannt, nicht nur
aus der Vergangenheit, sondern ich kenne
auch viele MKVer. Ich muss allerdings um
Entschuldigung bitten, denn ich kann die
Frage nach den Couleurstudenten in mei-
nem Umfeld nicht beantworten, weil ich
auch nicht weiß, wer sich dazuzählt. Ich
weiß aber, dass im Europäischen Forum
Alpbach sehr viele Couleurstudenten in
den Initiativgruppen tätig sind. Man muss
heute froh sein, wenn junge Menschen
eine Bindung eingehen. In diesem Zu-
sammenhang hat der MKV eine große
Bedeutung.
zur person
Dr. Erhard Busek (*25.3.1941) war Vizebür-
germeister von Wien, VP-Bundesparteiobmann,
Vizekanzler, Wissenschafts- und Unterrichts-
minister. Derzeit ist er Vorstand des Instituts für
den Donauraum und Mitteleuropa, Präsident des
Europäischen Forums Alpbach und Rektor der
Fachhochschule Salzburg (u.a.).
8 couleur 02 | 11
verband
MKV – Garten der Zukunft
Eine zeitgemäße Interpretation unserer Prinzipien, ja zu Europa und ein ja
zum Religions- und Ethikunterricht ist das Gebot der Stunde.
Liebe Kartell- und Bundesbrüder, liebe
Freunde des MKV! Ich darf Euch alle –
auch im Namen des Steiermärkischen
Landesverbandes und e.v. K.Ö.St.V Fes-
tenburg Hartberg – sehr herzlich zum Pen-
nälertag in Hartberg einladen. Das verhei-
ßungsvolle Motto „MKV – Garten der Zu-
kunft“ soll uns Auftrag sein, die vier Prin-
zipien katholischen Farbstudententums
zeitgemäß zu interpretieren und den MKV
zukunftsfähig zu erhalten. Wir wollen un-
sere inhaltliche Arbeit an der Fortschrei-
bung unseres Grundsatzprogrammes mit
entsprechenden Positionspapieren zum
Thema Schule und zu unseren Prinzipien
„patria“ und „amicitia“ fortsetzen. Beim
Pennälertag 2012 soll dann ein neuer Ent-
wurf zu einem zeitgemäßen Grundsatz-
programm vorgelegt werden.
Patria und Europa
Vor allem unser Bekenntnis zu Europa ist
im Positionspapier „patria“ neu formu-
liert, ist doch das vereinte Europa die
Grundlage für Frieden und Sicherheit un-
seres Kontinents. Der MKV tritt deshalb
dafür ein, dass Österreich an der Entwick-
lung der EU zu einer neuen europäischen
Sicherheitsordnung (umfassende Frie-
dens-, Sicherheits- und Solidargemein-
schaft) mitwirkt.
Der MKV bekennt sich im Sinne der
„patria“ weiterhin zur Verpflichtung jedes
Staatsbürgers zu einer umfassenden
Sicherheitsvorsorge im Rahmen eines
allgemeinen „Österreichdienstes“. Dieser
Österreichdienst soll die militärische Lan-
desverteidigung und die Auslandseinsät-
ze, den flächendeckenden Katastrophen-
schutzdienst, aber auch den Zivildienst im
bisherigen Umfang umfassen.
Die Mittelschule kommt –
das Gymnasium bleibt
Im Positionspapier Schulpolitik betont der
MKV den Wert von Leistungen. Die schu-
lischen Angebote sollen durch klare Leis-
tungsorientierung, hohe Durchlässigkeit
und intelligente Fördersysteme gekenn-
zeichnet sein. Schulische Bildung muss
den veränderten gesellschaftlichen Anfor-
derungen gerecht werden und sich vor al-
lem an den Stärken, Neigungen und Bega-
bungen des Einzelnen orientieren und ent-
sprechende Schwerpunkte setzen. Das tra-
ditionelle 8-jährige Gymnasium mit einer
vertieften Allgemeinbildung ist unter den
angebotenen Schularten unverzichtbar, es
bietet leistungs- und belastungsfähigen,
interessierten Schülern eine förderliche
Lernumgebung in homogenen Klassen.
In einem weiteren Antrag wollen wir
unser Verhältnis zum Prinzip religio
schärfen. Wenn ein MKV-Mitglied seinen
Austritt aus der Kirche erklärt – aus wel-
chen Gründen auch immer –, kann das für
den Verband nicht folgenlos bleiben, das
Aufgeben der Zugehörigkeit zur katholi-
schen Kirche ist nicht vereinbar mit der
Mitgliedschaft in seiner Verbindung.
Ja zu Religions- und Ethikunterricht
Im Sinne dieser grundsätzlichen Positionie-
rung sagen wir auch klar: Ja zum Reli-
gionsunterricht! Dort aber, wo Kinder und
Jugendliche – aus welchen Gründen auch
immer – keinen konfessionellen Unterricht
besuchen, sollen sie verpflichtend an einem
Ethikunterricht teilnehmen. Religions- und
Ethikunterricht ist für die Vermittlung von
Werten unverzichtbar, sichert er doch die
spezifisch religiöse und kulturelle Identität
junger Menschen, gibt Heimat und ist ein
klares Zeichen gegen den zunehmenden In-
dividualisierungs- und Entsolidarisierungs-
trend in der Gesellschaft.
Mit unserem Jahresthema: „Der MKV und
seine Verbindungen als attraktivste Jugend-
und Schülerorganisationen im Jahr 2015“
sind wir auf einem guten Weg. Im Herbst
sollen gemeinsam mit unserer Perspekti-
vengruppe die Grundzüge für ein Strategie-
und Marketingkonzept für Verband und
Verbindungen vorgestellt werden, der am
PT vorliegende Bericht der Perspektiven-
gruppe dient dazu als Grundlage. Darin fin-
den sich auch bereits die wesentlichsten
Vorschläge aus den Workshops in den Lan-
desverbänden und Verbindungen.
Selbstbewusster MKV
Insgesamt soll auch das MKV-Verbands-
bewusstsein gestärkt werden, der MKV in
der Öffentlichkeit noch selbstbewusster
auftreten, wie wir das ja auch bereits bei
den beiden Schwerpunkten Protestaktio-
nen gegen Christenverfolgung, aber auch
bei unserer Teilnahme an der Mauthausen-
Gedenkfeier zum Gedächtnis an die Opfer
des Widerstandes gegen das NS-Regime,
das ja gerade auch unter den katholischen
Couleurstudenten namhafte Opfer gefor-
dert hat, getan haben.
Wir wollen den Pennälertag zu einem gro-
ßen couleurstudentischen Fest gestalten,
die spezifische Eigenart unseres Verbin-
dungslebens und unseres Zusammenge-
hörigkeitsgefühls zu einem gemeinsamen
emotionalen Erlebnis machen. So kann
das Motto unseres 69. Pennälertages
tatsächlich zur Realität werden: MKV –
Garten der Zukunft!
MAG. HELMUT KUKACKA
V/O ORPHEUS (TGW)
KARTELLVORSITZENDER

LESERBRIEFE
80er von Kbr. Siegfried Ludwig
Eine Berichtigung: 1945/46 wurden nicht
300.000 deutsche Alt-Österreicher, wie irr-
tümlich im Beitrag über den runden Ge-
burtstag von Alt-LH Kbr. Siegfried Ludwig
erwähnt, sondern gegen 3.000.000 vertrie-
ben! Meine Mutter und ihre Eltern zählten
dazu, auch sie stammten wie Kbr. Ludwig
aus Südmähren (Zlabings).
Mag. Reinhard Rosenbusch (JDW)
Interview Hannes Androsch
Mit Interesse habe ich das Interview mit
Hannes Androsch zu seinem Bildungsvolks-
begehren gelesen. Schlussendlich sollte der
MKV am Thema Bildung interessiert sein
und entsprechende Meinungen und Sicht-
weisen zu Reformansätzen präsentieren und
kommentieren. Ein Interview mit der Quelle
des Volksbegehren scheint ein probates
Mittel. Der direkt darauf folgende Artikel
von Andreas Unterberger ist an Polemik fast
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schon nicht mehr zu überbieten. Argumente
und Abwägungen für eine „Bilanz“, wie der
Autor seinen Kommentar nennt, fehlen. Viel-
mehr scheint es eine vom politischen Beiß-
reflex geleitete Schmähschrift. Das Thema
Bildung in Österreich ist zu bedeutend für
unsere Zukunft, als dass es von derartigen
Proponenten thematisch besetzt wird.
DI(FH) Philipp Nagele (AGS)
Österreich darf nicht sitzen bleiben
Anmerkungen zum berühmt-berüchtigten
Androsch-Volksbegehren. 1. „Wir fordern
ein modernes, bürokratieschlankes und
weitgehend autonomes Schulsystem ohne
parteipolitische Einflussnahme.“
Wer kann da dagegen sein? In der Begrün-
dung: „Das Ministerium gibt die Bildungs-
ziele vor, …“ Ohne Parteipolitik, weil die
Frau Schmied ist der Inbegriff von Objek-
tivität. 2. „Lehrlingen müsse jederzeit der
Abschluss der Matura und die Absolvierung
von Hochschulstudien möglich sein.“ Steht
so ähnlich übrigens auch im ÖVP-Bildungs-
programm. Das ist schon jetzt möglich!
9
verband
3. „Wir fordern ein flächendeckendes Ange-
bot an Ganztagsschulen.“ Natürlich letzt-
lich nicht als Angebot, sondern als Zwang!
(„Daher müssen 8-stündige, verschränkte
Ganztagsschulen die Regel werden.“).
Sport, Instrumentalmusik etc. haben die
Kinder ja so in der Schule, da brauchen
wir keine Vereine (vielleicht mit falschen
Idealen).
Ob der Volksbegehrenstext so lautet wie
die angesprochenen Punkte, kann ich der-
zeit nicht sagen. Ich habe das Papier kom-
mentiert, das uns bei der letzten Be-
sprechung überreicht wurde. Die fast 150
Personen waren beeindruckend, man sieht,
was man mit Prominenz und entsprechender
Reklame auf die Füße stellen kann. Dieses
Volksbegehren wird das Konferenzzen-
trums-Volksbegehren überholen oder ihm
nahekommen – und es wird genauso falsch
wie das Konferenzzentrums-Volksbegehren
sein. Leider haben wir niemanden, der wie
Kreisky sagen wird: „1,5 Millionen haben
unterschrieben. Da sind ja 4,5 Millionen
dagegen!“
Mag. Franz Karl (GLW)
10
verband
Auf dem Weg zur Bildungs
In Österreich wird viel über Schulreformen gesprochen. Über das Ziel ist
man sich einig: Unser Land soll eine Bildungsrepublik werden. Über den
Weg aber wird umso heftiger gestritten. Einen fundierten inhaltlichen Bei-
trag lieferte nun dazu der MKV.
Der MKV beteiligt sich – entsprechend
seinem Hauptanliegen der „aktiven Mit-
gestaltung von Schule und Schulpolitik
im Interesse der Schüler“ – intensiv an
‘den umfassenden bildungspolitischen
Diskussionen; Grundlage ist sein schul-
und bildungspolitisches Programm, das
am Pennälertag 2010 in Waidhofen/Ybbs
beschlossen wurde. Ein weiterer Beitrag
war die Enquete „Die Zukunft der Schule
– Wege zur Bildungsrepublik Österreich“
im April in Wien.
Was müssen Kinder und Jugendliche heu-
te lernen, damit sie morgen ein erfolgrei-
ches und vor allem sinnerfülltes Leben
führen können; wie muss die Schule der
Zukunft aussehen, die dies möglich macht
und welche Reformen der Höheren Schu-
len sind dazu endlich umzusetzen. Mit sei-
nem 30 Punkte Schulprogramm sehe sich
der MKV als Impulsgeber in der schulpo-
litischen Debatte, stellte Kartellvorsitzen-
der Mag. Helmut Kukacka (TGW) am Be-
ginn der Schulenquete fest. So müssten
die Hauptschulen flächendeckend zu
„Neuen Mittelschulen“ weiterentwickelt
werden, damit sie endlich zur Unterstufe
der AHS konkurrenzfähig sind und nicht
länger, – wie derzeit vor allem in Städten
und besonders in Wien, zu Restschulen al-
ler leistungsschwachen Schüler verkom-
men. Mit der Neuen Mittelschule werde
der Druck der Eltern geringer ihre Kinder
unbedingt in die Unterstufe der AHS
schicken zu wollen; denn die Neue Mittel-
schule stelle eine bildungspolitische Al-
ternative zum Eintritt ins Gymnasium dar.
Ja zur Leistung
Der MKV bekenne sich aber zur Durch-
lässigkeit des Schulsystems, damit sei ge-
sichert, dass die Entscheidung über die
weitere Schullaufbahn bis zum 14. Le-
bensjahr offen bleibt und nicht, wie von
den Befürwortern der Gesamtschule be-
hauptet, schon mit 10 Jahren getroffen
couleur 02 | 11
werden müsse, unterstrich Prof. Mag.
Matthias Hofer (NOH), der Schul- und
Bildungspolitische Referent des MKV.
„Jeder dafür geeignete Schüler kann auch
mit 14 Jahren in eine der verschiedenen
Oberstufenformen (AHS-Oberstufenreal-
gymnasium, BHS, Lehre mit Maturaschu-
le etc.) wechseln und so die Matura errei-
chen.“ Für den MKV sei das differenzier-
te, österreichische Schulwesen unver-
zichtbar, damit individuelle Begabungen
und Bildungswünsche möglichst gut ge-
fördert werden. Denn primär komme es
nicht auf die Organisation des Schul-
„ ler in der Hochblüte ihrer Pubertät, die
Gleichbehandlung
ist auch eine Art
Diskriminierung.
Severin Vetter
schuelerbegehren.at
“
systems, sondern auf seine Inhalte und
seine Durchlässigkeit an. „Die Einheits-
schule führt noch zu keiner Verbesserung
der Bildungs- und Ausbildungssituation
für die Jugend“, so Kbr. Hofer.
Die Bundesobfrau der Vereinigung
Christlicher Lehrer an AHS/BHS, Mag.
Isabella Zins, Direktorin am BORG Mis-
telbach, legte aus der Sicht der Professo-
rinnen und Professoren einige Probleme
rund um die Schuldiskussion dar. Dass es
den Lehrkräften vor allem darum gehe,
den ihnen anvertrauten Schülerinnen und
Schülern die bestmögliche fachliche Aus-
bildung sowie auch Persönlichkeitsbil-
dung und soziale Kompetenz, also „Her-
zensbildung“, für ihr Leben mitzugeben,
werde immer weniger anerkannt. Dafür
müssten sich Lehrkräfte und Schulleit-
ungen mit wachsenden bürokratischen
Anforderungen aus dem Ministerium
herumschlagen.
Keine Konsequenzen?
Als Beispiel verweist sie auf Pläne des
Unterrichtsministeriums, die Aufnahme in
eine höhere Schule weiter zu erleichtern.
Wer aber eine leistungsorientierte Schule
wolle, dürfe das Nicht-Erbringen von
Leistung nicht ohne jede Konsequenz
hinnehmen, ja junge Menschen dazu gera-
dezu motivieren und so den Unterrichtser-
folg aller Schüler beeinträchtigen. „Schü-
wissen, dass eine negative Note keinerlei
Folgen für sie hat, erschweren die Unter-
richtsbedingungen für die Lehrkräfte und
die Lernbedingungen für die Schüler“,
weiß Zins aus Erfahrung. Sie wünscht sich
deshalb vielmehr eine Potenzialanalyse
und Beratung der Schüler schon vor dem
Schuleintritt und besonders vor den Naht-
stellen im Bildungssystem mit 10 und 14
Jahren. Und sie plädierte für eine ehrliche
Leistungsbeurteilung und für aussagekräf-
tige Zeugnisse. Verbesserungen im Bil-
dungsbereich erwartet sich Isabella Zins
nur durch eine intensive Auseinanderset-
zung mit dem Thema „Erziehung“ – im El-
ternhaus und in der Schule. Denn die Schu-
len können nicht der Reparaturbetrieb für
Defizite im Elternhaus sein.
Schülervolksbegehren macht Dampf
Großen Eindruck hinterließ der Sprecher
der Internetplattform www.schuelerbegeh-
ren.at, Severin Vetter. Er stellte sich als po-
litisch interessierter Schüler des Kollegium
Kalkburg vor, der als Schulsprecher und
Mitglied der Schülervertretung besonders
aufmerksam die Bildungspolitik verfolge,
„weil sie mich im Moment am unmittel-
barsten betrifft“. Vetter lebte fünf Jahre in
Spanien, und besuchte dort eine englische
Schule, die sowohl eine Gesamtschule als

republik
auch eine Ganztagsschule war, in der es
zentral gestellte Prüfungsaufgaben gab.
„Ich kenne dieses Schulsystem daher sehr
gut und stehe aus diesem Grund den Ver-
sprechungen und Ankündigungen von
Unterrichtsministerin Claudia Schmied äu-
ßerst kritisch gegenüber, da sie sich weder
mit meiner eigenen Erfahrung noch mit der
meiner Freunde und Cousins in Frankreich,
Belgien, England und Spanien decken.“
Ziel des Schülerbegehrens sei, in Öster-
reich eine Diskussion in Gang zu bringen,
die jenseits aller ideologischen Vorgaben
endlich der Realität der Schule und den
wahren Bedürfnissen der Schülerinnen
und Schüler berücksichtigt. „In Öster-
reich hören wir immer nur, wie toll die Ge-
samtschule ist, dass sie Gerechtigkeit und
Bildung für alle bringt und dass die ,inter-
nationalen Experten’ angeblich alle der
Meinung sind, dass sie das Beste aller
möglichen Schulsysteme ist.“ Die Wahr-
heit sehe anders aus, weiß Vetter nicht zu-
letzt aus eigener Erfahrung. Die Gesamt-
schule sei – auch in vielen Gesamtschul-
ländern selbst – heftig umstritten; vor al-
lem habe sie „keineswegs das Bildungs-
paradies gebracht, das uns hier jetzt als
Folge ihrer Einführung versprochen wird
(sondern meist eher das Gegenteil).
Gesamtschule ist Ungleichbehandlung
Auch wem es wirklich um soziale Ge-
rechtigkeit gehe, müsse das Gegenteil
einer Gesamtschule fordern. „Gleichbe-
handlung von Menschen mit unterschied-
lichen Voraussetzungen ist nämlich auch
eine Form der Diskriminierung“, stellte
der wortgewandte Schüler fest. Wie kann
bei uns noch behauptet werden, die Ge-
samtschule würde die Begabten nicht be-
nachteiligen, wenn etwa eine Studie in
Deutschland zwischen den Schülern, die
mit 10 Jahren ins Gymnasium gehen, und
denen, die das erst mit 14 tun, Wissens-
unterschiede von bis zu drei Schuljahren
festgestellt hat? „Wie kann man den Men-
schen einreden, wir müssten endlich an
die großartigen Bildungssysteme der an-
deren europäischen Länder „anschlie-
ßen“, wenn Tony Blair schon 2001 die Ge-
samtschule in England für „gescheitert“
erklärt hat und in Frankreich der Bericht
des „Haut Conseil de l’Education“ für
couleur 02 | 11 11
verband
2010 die Gesamtschule als die „Schwach-
stelle“ des Schulsystems bezeichnet, die
dringend reformiert werden muss?“
Überraschung
bei Volksbegehren
Aufwertung der Hauptschule
Derzeit kämpfen zwei Initiativen um
die Unterstützung der Österreiche-
Vetter sprach sich für Leistungsbereit-
rinnen und Österreicher: Das bereits
schaft und Begabtenförderung aus, und
in der letzten Ausgabe vorgestellte
distanzierte sich vom Volksbegehren
Bildungsvolksbegehren von Hannes
„Bildungsinitiative“. „Die Schifahrer der
Androsch (nichtsitzenbleiben.at) und
Nationalmannschaft trainieren ja schließ-
ein von Schülern, Eltern und Promi-
lich auch alle gemeinsam in einer Gruppe
nenten (mit dabei: Alfred Dorfer) ge-
– nach der von BM Schmied vertretenen
tragene Begehren. Nichtsitzenblei-
Theorie müssten sie aber eigentlich bes-
ben.at dürfte nach derzeitigem Stand
sere Ergebnisse haben, wenn jeder für sich
um die 7.000 Unterschriften haben,
mit Hobbyschifahrern oder in Senioren-
die wirkliche Überraschung ist aber
schivereinen trainiert, weil sie dort von
das Schülervolksbegehren: Bereits
den Schwächeren so viel lernen könnten.“
mehr als 2.500 Personen haben unter-
schrieben, und das trotz einer media-
Vor dem von Ex-Finanzminister Hannes
len Berichterstattung weit unter
Androsch initiierten Volksbegehren „Bil-
der Wahrnehmungsgrenze. Forde-
dungsinitiative“ warnte auch VP-Bil-
rungen der Schülerinnen und Schü-
dungssprecher NR-Abg. Werner Amon
ler: Kritische Prüfung der Ge-
(LIJ). Die VP habe mit ihrem Bildungs-
samtschule, Hinterfragung der inne-
konzept ein klares Bekenntnis zu Leistung
ren Differenzierung und mehr Leis-
und Differenzierung, Sprachkompetenz
tungsgerechtigkeit. Weitere Infos:
und Schulautonomie abgelegt. „Mit der
schuelerbegehren.at
Aufwertung der Hauptschulen zu Neuen
Mittelschulen – wie auch im MKV-Schul-
programm gefordert – sei man einen Schritt
auf die SP zugegangen und erwarte sich im
Gegenzug eine Garantie zum Erhalt des
Gymnasiums“, so Amon. Forderungen wie zur person
„ein sozial faires, inklusives Bildungssys-
Kbr. Karl Roithinger (RGR,
tem, in dem die Trennung der Kinder nach
ENB) ist Chefredakteur des
ihren Interessen und Begabungen erstmals
„Rupertusblatt“, der Zeitschrift
am Ende der Schulpflicht erfolgt“, bedeu-
der Erzdiözese Salzburg.
teten nichts anderes als die Gesamtschule
durch die Hintertür. Das werde es mit der
Volkspartei nicht geben, betonte Amon.
12
verband
Farbenfrohe Pfingsten in Hartberg
Der 69. Pennälertag des MKV findet von 10. bis
13. Juni in der Oststeiermark unter dem Motto
„MKV - Garten der Zukunft“ statt.
Buntes Programm am Pennälertag (Auswahl)
Freitag, 10. Juni 2011
13:30 Kartellrat, Schloss Hartberg
14:00 Begrüßungsnachmittag, Edelweißhaus
19:00 Steirischer Abend, Edelweißhaus
19:00 Get2gether des WSTV, Café Restaurant Pick
Samstag, 11. Juni 2011
08:00 Frühstücksmöglichkeit (Edelweißhaus)
09:00 Aktiventag (Hartberg-Halle)
09:00 Altherrenbundtag (Gasthaus zur Lebing Au)
10:00 American Brunch (Café & Pup Kaos)
13:30 Kartellversammlung (Hartberg-Halle)
13:30 Buschenschankwanderung
(ca. 3 Stunden; Hartberg & Umgebung)
14:00 Filmvorführung MAXOOM**
(ÖkoPark Hartberg)
15:00 Lesung „Lustiges aus der Schule“
mit Prof. Mag. Kranich v/o Ibikus (RBF)
(Edelweißhaus)
15:00 Sonderführung CERN-Ausstellung***
(ÖkoPark Hartberg)
17:00 Spanferkelgrillen des WSTV
(Café Restaurant Pick)
18:00 KFS Empfang* (Museum Hartberg)
19:00 Blau-Gold-Grün-Kneipe ev. AGS
(Café & Pup Kaos)
* gesonderte Einladung erforderlich; ** mit Festabzeichen Eintritt gratis; *** mit Festabzeichen ermäßigter Eintritt
couleur 02 | 11
Pfingsten ist wohl die Zeit, in der sich die
Natur in und um die Stadt Hartberg in der
Oststeiermark von ihrer farbigsten Seite
zeigt. Nicht ohne Grund hat die in Hartberg
ansässige Verbindung K.Ö.St.V Festenburg
als Träger der Veranstaltung das diesjähri-
ge Verbandstreffen im Garten Österreichs
unter das Motto „MKV-Garten der Zu-
kunft“ gestellt. Die Besucher des 69. Pen-
nälertags werden neben der wunderschö-
nen Region, der historischen und kultu-
rellen Sehenswürdigkeiten der Stadt, den
kulinarischen Genüssen auch zahlreiche
couleurstudentische Höhepunkte erleben.
Wein & Wissenschaft
Neben einer gesonderten Führung durch
die CERN-Ausstellung (einzige Station
der Welttour des Schweizer Institutes
ist in Hartberg), gibt es eine geführte
Buschenschankwanderung (bereits die
Römer kultivierten Wein in Hartberg) und
eine Nachtwächterführung durch den
historischen Kern der Stadt Hartberg. Am
Foto: Bernhard Bergmann
Pfingstsamstag finden in altbewährter
Manier die einzelnen Bundesländerknei-
pen statt, besonders Schmankerl ist dabei
die Weinkneipe des STMV und BMV in
der Buschenschank Pußwald in Hartberg.
Steirischer Abend
Das Edelweiß-Haus (in nächster Nähe zum
Pennälertagszentrum) hat seine Türen von
19:30 Weinkneipe & Süd-Ost-Kommers Freitag 10.00 Uhr bis Pfingsmontag um
STMV/BMV (Buschenschank Pusswald) 14.00 Uhr geöffnet. Neben einem Steiri-
19:30 Kneipen: NÖMKV/VLV
schem Abend, einem Konzert und einem
(GH zur Lebing Au); OÖMKV
(GH zum Brauhaus); TMV (Sonnenhof) Frühschoppen kann man sich hier fast rund
20:30 Nachtwächterführung* (TP vor BH) um die Uhr mit Getränken und Speisen ver-
22:30 Konzert mit Coloured Rock sorgen. Der traditionelle Höhepunkt wird
(Edelweißhaus) der Pfingstsonntag sein: Er beginnt mit der
Festmesse am Hauptplatz, zelebriert von
Sonntag, 12. Juni 2011
08:00 Frühstücksmöglichkeit (Edelweißhaus)
Exzellenz Diöz.Bischof Dr. Egon Kapellari
10:00 American Brunch (Café & Pup Kaos) (KTK). Im Anschluss findet der Festumzug
10:00 Museum Hartberg bis 16 Uhr** mit klingendem Spiel durch die Innenstadt
11.00 Politiker- und Journalistenzirkel* zur Hartberghalle statt. Dort wird auch der
(GH zur Lebing Au) finale Schlusspunkt des Pennälertages stei-
14:30 Platzkonzert der Stadtkapelle
gen: Der Festkommers, ein farbenprächti-
(Hauptplatz Hartberg)
15:00 Festgottesdienst ges Fest in alter studentischer Tradition.
16:30 Festumzug durch die Stadt
Weitere Infos: pennaelertag.at
17:00 Einlass Festkommers (Hartberg Halle)
19:00 Festkommers & Ausklang
Montag, 13. Juni 2011
08:00 Frühstücksmöglichkeit (Edelweißhaus)
10:00 Frühschoppen
12:00 Schließung Festkanzlei
 couleur 02 | 11 13
politik usw.

Mehr Anstand in der Politik!

Wir Couleurstudenten haben einen Vorteil: Unsere Prinzipien zahlen sich aus
Seit einigen Jahren ist in den Medien immer
wieder die Rede von permanent steigender
Politikverdrossenheit. Diese wurde auch in
den letzten Monaten vor allem durch das
Fehlverhalten Einzelner gefördert. Fehler
können passieren, doch entscheidend ist,
dass man zu diesen Fehlern steht und –
wenn nötig – Konsequenzen zieht. Klar ist,
dass das Fehlverhalten von einzelnen Per-
sonen nicht symptomatisch für das Verhal-
ten von Politikern generell und nicht für
die Politik als Ganzes steht. Trotzdem darf
nicht einfach zur Tagesordnung übergegan-
gen werden.
Handeln nach Wertvorstellungen
Ebenso wichtig ist das eigene Handeln tat-
sächlich nach den eigenen Wertvorstellun-
gen auszurichten. Prinzipien dürfen nicht
zu leeren Worthülsen verkommen. Jeder
ist Vorbild für seine Mitmenschen und vor
allem für junge Menschen. Gerade ihnen
muss ein Leben in Aufrichtigkeit und Ernst-
haftigkeit möglich sein und es kann jungen
Menschen nur dann möglich sein, wenn wir
nachhaltig zeigen, dass es nicht nur mög-
lich, sondern auch vorteilhaft ist, ein Leben
nach Prinzipien zu führen.

Engagement ist gefragt

Jetzt ist es wichtig, verlorenes Vertrauen
wieder zurückzugewinnen und die Men-
schen für die öffentlichen Angelegenheiten
zu begeistern. Wir wollen Europa zum Eu-
ropa der Bürgerinnen und Bürger machen
und das Wichtigste ist, dass wir die Glaub-
würdigkeit der Politik bei den Menschen er-
höhen und das Vertrauen in das politische
Handeln und in das Projekt Europa zurück-
gewinnen. In einem demokratischen Sys-
tem hängt die Qualität der Politik maßgeb-
lich vom Interesse und dem Engagement
der Bürgerinnen und Bürger ab. Um das
notwendige Vertrauen wieder zu gewinnen,
müssen sich Politikerinnen und Politiker
wieder grundlegende Werte und Prinzipien
ins Bewusstsein rufen.
Aufrichtigkeit, Ernsthaftigkeit und Nach-
haltigkeit sind Werte, die in einer globali-
sierten und schnelllebigen Welt gefragt
sind. Politik muss nicht nur legal sein, son-
dern es muss auch um ethische und morali-
sche Grundsätze gehen, die die Vorausset-
zung sind um Glaubwürdigkeit und Ver-
trauen zurückgewinnen zu können. Morali-
sche Grundsätze können nicht verordnet
werden. Jeder und jede ist gefragt, sich
selbst die Frage zu stellen, welche Werte
zählen und diese Werte auch vertreten und
dazu zu stehen. Nur wenn für die eigenen
Prinzipien geworben wird, können andere
wirklich überzeugt werden.
„
Aufrichtigkeit,
Ernsthaftigkeit und
Nachhaltigkeit sind
Werte, die in einer
globalisierten und
schnelllebigen Welt
gefragt sind.
“
In der Politik ist es notwendig, für Trans-
parenz zu sorgen, damit klar ist, welche
Interessen vom wem vertreten werden. Die-
se Transparenz ist ein Ziel von aufrichtiger
Politik. Kein politisches Amt ist Selbst-
zweck, sondern immer Instrument zum Ge-
stalten von Politik. Dabei müssen notwen-
digerweise Interessen eine Rolle spielen.
Diese Interessen müssen nachvollziehbar
und argumentierbar sein, um eine öffentli-
che Diskussion über die politischen Inhalte
zu ermöglichen.
Innenpolitik europäisieren
Es werden in Zukunft weitere Integrations-
schritte im Rahmen der Europäischen
Union notwendig werden. Um in diesem
Prozess eine wirkliche und entscheidende
Rolle im Sinne unserer Interessen spielen
zu können, müssen wir die österreichische
Innenpolitik europäisieren und durch pro-
europäisches Denken manche parteipoliti-
sche Streitereien im Hinblick auf nachhal-
tige Politik aus der Welt schaffen. Um eine
solche Politik, die Europa auch in Zukunft
wettbewerbsfähig halten soll, zu ermög-
lichen, ist Handeln gefragt, welches sich an
Prinzipien wie Anstand und Ehrlichkeit
hält. Schließlich muss eine politische Kul-
tur gelebt werden, in der auch junge Men-
schen die Möglichkeit sehen, Verantwor-
tung für Österreich und für Europa zu
übernehmen. So zahlen sich unsere Prinzi-
pien nicht nur für die Politik, sondern in
weiterer Folge auch für die Bürgerinnen
und Bürger aus.
KBR. MAG. OTHMAR KARAS, M.B.L.-HSG
V/O CICERO (OLS, WALTH) IST MITGLIED
DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS,
VIZEPRÄSIDENT DER EVP-FRAKTION UND
LEITER DER VP-DELEGATION.
14 couleur 02 | 11
ad fundum

Japan: Tsunami und Zauber

Ich saß in der Cafeteria meines Bürohauses in Odaiba, es war Freitag,

11. März 2011, 2:46 Uhr. Da begann ein Grollen, sehr leise zunächst, aber
hör- und sofort spürbar – der Boden erzitterte mehr und mehr. Aber dies-
mal war es anders, ganz anders als sonst, wenn in Tokyo die Erde bebt.
Frage mich niemand, warum ich wusste, mich mit schreckgeweiteten Augen an nen einer Stunde sollte die Erde unter To-
dass es diesmal anders kommen würde. und stammelte immer wieder: „Jishin! Jis- kyo viele Male erzittern, zweimal davon
Ich ließ meinen Instinkten einfach Lauf, hin!“ („Erdbeben! Erdbeben“!). Niemand in ähnlicher Stärke und ähnlicher Länge.
sprang auf und rannte stracks in die Hal- kam aus den Gebäuden rings um uns, nur Unzählige Nachbeben folgten ...
le, wo alles wackelte, die Säulen wankten wir beide knieten mitten am Parkplatz. Al-
und sich die großen Scheiben zu verbie- les war jetzt in Bewegung. Der Asphalt Nichts ging mehr in der Metropolis. Der
gen begannen. Üblicherweise dauern Be- hob und senkte sich, die Bäume schaukel- Strom war überall ausgefallen, alle Lich-
ben in Tokyo höchstens 20 bis 30 Sekun- ten, das stählerne Parkhaus schlug laut- ter, alle Ampeln erloschen, alle Aufzüge
den, dann sind sie wieder vorbei. Ich war stark gegen den Beton meines Bürohau- und Rolltreppen stoppten, alle automati-
in 20 Sekunden bereits aus dem Haus und ses, das selbst ächzte und stöhnte und auf schen Türen blockten. Züge und U-Bah-
auf den angrenzenden Parkplatz gelaufen, und nieder ging als stünde es auf einem nen standen still. Vielfach fiel das Internet
da ging es erst richtig los. Der Boden un- Wasserbett und nicht auf seit Jahrzehnten aus, kaum ein Handy funktionierte. Erst
ter meinen Füßen begann sich zu wölben aufgeschüttetem Grund ... nach „Beben 3“ (!) verließen dann die
als stünde ich auf einem fliegenden Tep- meisten doch endlich ihre Büros und be-
pich. Ich musste in die Knie gehen, um Keine Hektik, keine Panik wegten sich auf die Straße – keiner schubs-
nicht umzufallen. Ähnliches tat der Park- te oder drängelte, keiner war hysterisch,
wächter keine zwei Schritte entfernt von Das Beben dauerte fast drei Minuten. Für einige weinten wohl, es gab kaum Ge-
mir. Er versuchte, nach mir zu greifen, sah mich dauerte es eine Ewigkeit. Noch bin- schrei, kaum Hektik, keine Panik. DAS ist

lehrlinge
Japan! Man hat von Kind an gelernt, mit
Erdbeben und Vulkanausbrüchen zu leben
– und mit Tsunami, den Riesenwellen, die
diesmal furchtbar kamen, gewaltig und
gewaltsam. Sie machten das, was sonst
vielleicht nur eine schwere Erdbebenserie
mit relativ geringen Verlusten an Men-
schenleben und Habe geblieben wäre,
endgültig zu einer verheerenden Katas-
trophe ...
„ gemessenem zeitlichem Abstand Gegen-
Das Beben dauerte
fast drei Minuten.
Für mich dauerte es
eine Ewigkeit.
“ Doch folgten viele vorschnell rein per-
Ein AKW vor dem Kollaps
Tags darauf wurde ruchbar, dass am Pazi-
fik-Strand von Fukushima, etwa 240 Ki-
lometer nordöstlich von Tokyo, ein AKW
aus den Fugen zu geraten drohte, dort, wo
die Meeresflut mit einer Wucht ins Land
gegangen war, die jede Vorstellungsgabe
übertrifft. Ich wusste sofort, um welches
es sich nur handeln konnte, weil ich es
schon hundert Mal vom Flugzeug aus
gesehen hatte und mich stets aufs Neue
wunderte, warum es gerade an diesem Ort
stand – direkt am Rand des größten Oze-
ans der Erde, kaum sechs Meter über der
Wasserlinie und an einer der instabilsten
Bruchkanten auf diesem Planeten.
Nun gebe ich offen zu, dass ich bereits als
Physikmaturant Kernspaltung immer nur
als forschungsbedingte Notwendigkeit
auf dem Weg zur Kernfusion ansah. Des-
halb war ich nie ein Freund von Kern-
spaltungs-Reaktoren zur Energiegewin-
nung aus Wirtschaftsgründen. Im Ernst-
fall stempeln uns diese nämlich zu hilflo-
sen Zauberlehrlingen. Ich stimmte auch
seinerzeit gegen die Inbetriebnahme des
AKW in Zwentendorf. Es gab seither
wenig nennenswerten technischen Fort-
schritt in Richtung Kernfusion. Der oft-
mals angekündigte Durchbruch lässt auf
sich warten. Fraglos „beherrschen“ wir
couleur 02 | 11
theoretisch Energiegewinnung über Kern-
spaltung – in der Praxis dagegen zeigte
sich bereits bei Tschernobyl, exemplari-
scher noch nach Fukushima, dass alle
Wahrscheinlichkeitsberechnungen auf die-
sem Gebiet empörend falsch und das „Re-
strisiko“ in Wahrheit nicht zu verantworten
ist.
Gesellschaftliche Gewissensforschung?
Was sich aber nach dem AKW-Unfall in
Fukushima vor allem in Mitteleuropa po-
litisch wie medial abspielte, müsste, so se-
he ich das jedenfalls, spätestens nach an-
stand gesellschaftlicher Gewissenserfor-
schung sein. Ich habe auch Verständnis für
jene, welche so rasch wie möglich aus To-
kyo oder sonst wo das Weite suchten. Nur
darf man schon von ausländischen Fir-
menvertretern mit gut bezahlten Jobs in
Japan eine zunächst nüchterne Einschät-
zung realer Umstände vor Ort erwarten.
sönlichen Emotionen oder unreflektiert
einer mehrheitlich von Mitteleuropa aus
inszenierten Hysterie und Panikmache.
Man mochte oft meinen, ganz Japan sei
versunken und verstrahlt ...
Ich blieb und mit mir andere Ausländer
auch – nicht, weil wir so einfältig sind
oder haben Helden spielen wollen. Alle
von uns sind mit „Atom“, mit weltweiten
Atombombenversuchen in der Atmosphä-
re und unterirdisch, mit Atomunfällen und
„ Diakonie Katastrophenhilfe
Im Ernstfall
stempeln uns die
Atomkraft zu hilflosen
Zauberlehrlingen.
“
anderen Scheußlichkeiten aufgewachsen,
erst Three Miles Island, dann Tscherno-
byl, jetzt Fukushima. Nie hatten wir Ent-
scheidungsmöglichkeit. Aber wir alle
konnten uns frei entscheiden, in diesem
Land, Japan eben, leben zu wollen. Alle
wussten wir, wohin wir da gingen und mit
welchen Konsequenzen wir eventuell zu
rechnen hatten. Und wir rücken in der Fa-
milie und mit unseren Nachbarn zusam-
15
ad fundum
men, so, wie Japaner das tun, wenn sie das
Schicksal trifft. Wir laufen nicht davon.
Japan ist aus jeder Katastrophe erstarkt
hervorgegangen. Es wird auch diesmal so
sein. Was die weitere Anwendung von
Kernspaltung im Land betrifft, ist Über-
denken und Abwägen gewiss. Dennoch
werden die Japaner immer ihre eigene Ge-
schichte schreiben: So viel wie möglich
vom Ausland lernen, Brauchbares an-
passen – und dabei stets Japaner bleiben.
Wie kann ich helfen?
Angebote wie „jemanden bei sich auf-
nehmen“ oder „Sachspenden“ zeigen
zwar guten Willen und die so notwen-
dige Anteilnahme, sind aber nicht ziel-
führend und notwendig. Gelder, die jetzt
gesammelt werden, dienen hingegen der
langfristigen Finanzierung von Wieder-
aufbauprogrammen und psychosozialer
Hilfe.
Hier eine Auswahl, an wen gespendet
werden kann:
Rotes Kreuz-Spendenkonto
2.345 000,
BLZ 60.000
Kennwort: Erdbeben Japan
Caritas-Spendenkonto
7.700 004
BLZ 60.000
Kennwort: Erdbeben Japan
23.13.300
BLZ 60.000
Kennwort: Erdbeben Japan
Ärzte ohne Grenzen
PSK BLZ: 60.000
Kto.-Nr.: 930.40.950
der autor
Kbr. Mag.jur. Michael Schano v/o
Beowulf (BDB) (* 1947 in Baden/NÖ), ist
Managing Director von KTM Japan KK,
verheiratet, hat 3 Töchter und lebt seit
vielen Jahren in Japan.
Betriebliche Pensionsvorsorge
nützt auch dem Arbeitgeber
Wie Jungunternehmer Steuern sparen, qualifizierte Mitarbeiter gewinnen
und gleichzeitig ihre eigene spätere Pension aufwerten können, erklärt
Mag. Andreas Zakostelsky (NMG, MEG, BDB).
Mag. Andreas Zakostelsky, Vorsitzender des Vorstandes der Valida Vorsorge Management
Der Traum vieler junger Menschen lau-
tet, ein eigenes Unternehmen zu gründen.
Was würdest du, als Experte der betrieb-
lichen Vorsorge, dabei empfehlen?
Eine betriebliche Vorsorgelösung bietet
dem Arbeitgeber zahlreiche Vorteile. Bei
einer Pensionskassenlösung bezahlt der
Arbeitgeber für seine Mitarbeiter laufend
Beiträge in eine Pensionskasse. Die be-
günstigten Mitarbeiter erhalten später im
Ruhestand eine Zusatzpension von dieser
Foto: Franz Helmreich
Pensionskasse ausbezahlt. Der Arbeitgeber
kann so vor allem Steuern sparen. Denn
während von Bruttolöhnen bekanntlich
Lohnsteuern und Sozialversicherungsbei-
träge abgezogen werden, sind Pensions-
kassenbeiträge durch den Arbeitgeber von
sämtlichen Lohnnebenkosten befreit.
Außerdem beweist sich die betriebliche
Vorsorge als ideales Instrument zur Ge-
winnung und Bindung qualifizierter Mit-
arbeiter, die eine betriebliche Zusatz-
pension erwarten.
Wie wichtig ist eine Pensionskassenlö-
sung tatsächlich? Muss ein Jungunter-
nehmer, der anfangs noch mit geringem
Budget arbeitet, auch für die Vorsorge sei-
ner Mitarbeiter bezahlen?
Die betriebliche Vorsorge ist – abgesehen
von der Abfertigung Neu - keine gesetzliche
Verpflichtung, sondern rein freiwillig. Ich
empfehle bei Unternehmensgründungen
zuerst, ein ausreichend hohes Startkapital zu
generieren und die verpflichtenden laufen-
den Fixkosten genau zu kalkulieren und ab-
zudecken. Wer sich zusätzlich auch für die
Bindung qualifizierter Mitarbeiter bei gleich-
zeitiger Steuerersparnis engagiert, verschafft
sich aber natürlich einen enormen Wettbe-
werbsvorteil gegenüber anderen Jungunter-
nehmern, die diese Vorteile nicht erkennen.
Du betonst die Mitarbeiterbindung durch
die betriebliche Vorsorge. Fordern Ar-
beitnehmer tatsächlich Vorsorgelösun-
gen von ihren Vorgesetzten?
Laut einer aktuellen Studie von Aon Hewit
ist die betriebliche Vorsorge die meist gefor-
derte soziale Zusatzleistung. Rund die Hälf-
te aller europaweit befragten Arbeitnehmer
würde für eine Pensionszulage des Arbeitge-
bers sogar auf einen Teil des Lohns verzich-
ten. Zahlreiche Umfragen und Studien bele-
gen, dass vor allem junge Menschen sich
ernstzunehmende Sorgen um ihre zukünfti-
gen staatlichen Pensionsleistungen machen.
Dies trifft Jungunternehmer in doppelter
Hinsicht. Zum einen besteht die Möglichkeit
für sie, auch für sich selbst eine betriebliche
Vorsorgelösung abzuschließen. Zum ande-
ren stellen sich Jungunternehmer vor allem
im Wettbewerb um qualifizierte junge Ar-
beitskräfte in eine gute Ausgangsposition.
www.valida.at
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18 couleur 02 | 11
ad fundum

Frühling im Nahen Osten

Die jüngsten, oft blutigen Auseinandersetzungen haben das Interesse einer

breiten Öffentlichkeit stärker auf den Nahen Osten, gelenkt. Dabei hatten
schon die Enthüllungen von WIKILEAKS verdeutlicht, dass der Nahost-
Konflikt viel mehr als nur ein Konflikt zwischen Israel und Palästinensern ist.
Im Nahen Osten haben wir es mit einem Briten und Franzosen aufgeteilt. Hieraus In weiterer Folge brachen zwischen den
ganzen Sammelsurium verschiedener ging der Kunststaat Irak, Jordanien etc. Staaten des Nahen Ostens Grenzstreitigkei-
Einzelkonflikte zu tun. Ein Blick in die hervor. ten und ideologische Konflikte aus. Dies ge-
Geschichte ist unerlässlich. So wurden die schah nicht zuletzt zwischen Mitgliedern
grausamen Kämpfe um Darfur und Süd- Das Heilige Land in Krieg und Not der Arabischen Liga. Putsche, Revolutio-
Sudan grundgelegt, als sich die imperialis- nen, Attentate bis hin zu Bürgerkriegen wa-
tischen Mächte Frankreich und Großbri- Als nach dem II. Weltkrieg der Abzug der ren keine Seltenheit. In Nordafrika war aus
tannien 1898 auf die Aufteilung dieses britischen und französischen Besatzungs- verschiedenen Landesteilen 1951 das neue
Teils Afrikas mit seinen verschiedenen mächte begann, waren angestachelt durch Gebilde Libyen geschaffen worden. 1956
Volksgruppen einigten. Ohne Rücksicht diese Mächte der israelisch-arabische und wurden Tunesien von Frankreich und das
auf Menschen und Kulturen wurden rück- andere Konflikte grundgelegt. Ebenso bis dahin geteilte Marokko von Frankreich
sichtslos Grenzen gezogen. Diese Über- wirkte sich besonders aus, dass den Kur- und Spanien unabhängig. Wichtig für die
einkunft hatte auch zur Folge, dass sich den, als einem der größten Völker der globale Entwicklung wurde, dass 1956 der
Frankreich mit Ausgang des I. Weltkriegs Erde, die Eigenstaatlichkeit verwehrt Überfall Frankreichs und Großbritanniens
das zum Deutschen Reich gehörende El- wurde. So meinte der frühere lateinische auf Ägypten scheiterte. Der damit einherge-
sass-Lothringen unter den Nagel reißen Patriarch von Jerusalem Michel Sabbah hende Angriff Israels auf Äypten löste den
konnte. Nach dem I. Weltkrieg wurde wie ungezählte andere, dass die Besat- sog. II. Arabisch-Israelischen Krieg aus.
auch entgegen aller Versprechen Arabern zungsmacht Großbritannien bei ihrem Schließlich erlangte nach mehrjährigem Be-
und anderen gegenüber der vorderasiati- Abzug das Heilige Land in Krieg und Not freiungskrieg 1962 Algerien von der Kolo-
sche Teil des Nahen Ostens zwischen den hinterlassen hat. nialmacht Frankreich die Unabhängigkeit.

Keine ruhige Gegend
Weniger erfolgreich waren die Mitglieds-
staaten der Arabischen Liga an einer an-
deren Front. Trotz zahlenmäßig enormer
Überlegenheit verloren sie auch den
III. Arabisch-Israelischen Krieg. Dieser
Sechs-Tage-Krieg von 1967 führte zu ei-
ner enormen Ausweitung des israelischen
Machtbereichs.
„ So spricht man jetzt vom „1989 des Nahen
Ohne Rücksicht
auf Menschen und
Kulturen wurden
rücksichtslos Grenzen
gezogen.
“ schiedenen Gründen wie bitterer Armut,
Andererseits überfiel der Irak unter Dik-
tator Saddam Hussein den arabischen
„Bruderstaat“ Kuwait. Unter Führung der
USA gelang es im Auftrag der Vereinten
Nationen einer internationalen Streit-
macht, Kuwait zu befreien. Dieser I. Irak-
Krieg und ein II. Irak-Krieg führten zur
Zerrüttung des Iraks. Der USA und der
von ihr angeführten Allianz von zunächst
ca. 40 Staaten gelang es im Rahmen des
II. Irak-Krieges nicht, das Gebiet wirklich
zu sichern. Unterstützt vor allem durch is-
lamische Freiwillige entwickelte sich im
südlichen und mittleren Irak (eigentlicher
Irak) ein heftiger Partisanenkrieg gegen
die ausländischen Besatzungsmächte wie
der Volksgruppen gegeneinander.
Das Kurdengebiet im Norden entwickelte
sich zu einem eigenen Staatswesen mit ei-
gener Regierung, Streitkräften, Außenbe-
ziehungen und gewaltigen Ölvorkom-
men. Türkische Überfälle auf dieses
freie Kurdengebiet endeten wiederholt in
heftiger Blamage für die Türkei.
Vernichtungskrieg gegen Volksgruppen
Drastisch auch die Entwicklung im Su-
dan. Der Vernichtungskrieg gegen nicht-
arabische Volksgruppen im Süden dieses
Riesenstaates kostete ca. 2 Millionen
Menschen das Leben, scheiterte aber.
2005 musste die Zentralregierung ein um-
fassendes Friedensabkommen akzeptie-
ren. Der christlich orientierte Südsudan
couleur 02 | 11
bekam eine starke Selbstverwaltung und
durfte vor wenigen Monaten eine Volks-
abstimmung abhalten. Die Bevölkerung
entschied sich mit rund 99 % für die na-
tionale Unabhängigkeit. Inzwischen wer-
den die Südsudanesen mit ihrem im Auf-
bau befindlichen eigenen Staat heftig
international umworben. Diesen Men-
schen kamen die Unruhen, Revolutionen
etc. zu Hilfe, die inzwischen arabische
Staaten erschüttern.
Ostens“, in Anlehnung an den Umbruch,
der zur Auflösung des alten Ostblocks
samt territorialer Neugestaltung Europas
bis nach Innerasien hinein führte.
Tatsächlich ereigneten sich inzwischen im
Nahen Osten Dinge, die bisher für un-
möglich gehalten wurden. Aus so ver-
politischer Entrechtung, Korruption und
religiöser und ethnischer Misshelligkei-
ten wurden die Menschen zur Revolte
getrieben.
Sozialistische Internationale auf Distanz
Die Diktaturen Mubaraks in Ägypten und
Ben Alis in Tunesien brachen zusammen.
Ihre Parteien sind inzwischen verboten.
Selbst die Sozialistische Internationale,
denen diese beiden Diktatur-Parteien bis-
her angehörten, ging auf Distanz. Auch
den alten Freund deutschsprachiger
Grüner, Gaddafi, hat es erwischt. Sogar
bisherige politische Freunde fordern nun
militärische Interventionen gegen das
Gaddafi-Regime.
Eine dauernde Teilung Libyens wie des
Jemens wird für möglich gehalten. Die Er-
langung der überfälligen diplomatischen
Anerkennung für die Republik Somali-
land mit ihrer eigenen Armee, Zivilver-
waltung, Polizei, kaufkräftiger Währung
und demokratisch gewählten Staatsver-
zur person
MMMMag. Dr. , cand. phil. fac. theol. Matthias Martin v/o Nepomuk (NKW,
COT, TUT) ist Priester im Bistum St. Pölten, Verbindungsseelsorger der TUT
und Autor dreier Bücher („Für Gott und gegen den Führer?“; „Der kath. Weg
ins Reich“ und „Staat, Recht und Kirche“) sowie Autor zahlreicher Artikel in
verschiedenen Medien.
19
ad fundum
tretern ist nun sehr wahrscheinlich ge-
worden. Gut laufen die Dinge auch für den
Südsudan auf seinem Weg in die interna-
tional anerkannte Unabhängigkeit.
Kurden im Aufwind
Ähnlich kann das kurdische Staatswesen
im Nordirak mit Bedeutungsgewinn rech-
nen. Fraglich bleibt, was mit den kurdi-
schen Siedlungsgebieten geschieht, die
noch unter syrischer, iranischer und tür-
kischer Hoheit stehen. Ist doch ein militä-
rischer Konflikt westlicher Mächte mit
dem Iran nicht auszuschließen, was zur
Befreiung des dortigen Kurdengebietes
führen kann.
Die türkische Führung hat nicht nur mit
den Kurden, sondern mit einer ganzen
Reihe von Staaten und Völkern Ärger,
was nach Meinung von Beobachtern tür-
kische Gebietsverluste an die Kurden
wahrscheinlicher macht. Löst sich Syrien
auf? Für ihren beabsichtigten Staat haben
die Palästinenser von weiteren Staaten
diplomatische Anerkennung erlangt.
Menschenrechtsorganisationen weisen
aber darauf hin, dass es noch sehr große
Probleme im Nahen Osten gibt. Demo-
„
Der Nahe Osten
bleibt in Bewegung
und das heftig.
“
kratie ist in der Regel alles andere als ver-
wirklicht. Schlecht geht es oft Christen
wie Alewiten sowie den Menschen in Dar-
fur. Die Brutalität z.B. syrischer Sicher-
heitskräfte ist erschütternd. Der Nahe
Osten bleibt in Bewegung und das heftig.
20
ad fundum
Schluss mit der Piraterie?
In einem Musterprozess geht die erste Runde an die Filmindustrie. UPC
muss das Download-Portal kino.to sperren. Der Fall wird vermutlich noch
bis vor den Obersten Gerichtshof gehen.
Die Filmindustrie hat in der ersten Runde
einen Sieg gegen den österreichischen
Provider UPC errungen. Der Anbieter
muss aufgrund einer einstweiligen Verfü-
gung die URL kino.to und dazugehörige
IP-Adressen sperren. Damit geht der Auf-
takt des Musterprozesses an den „Verein
für Antipiraterie“ (VAP), der die Klage
gegen UPC stellvertretend für alle Provi-
der in Österreich angestrengt hat. „Inter-
net-Provider können sich ihrer Verant-
wortung für die Inhalte nicht entziehen“,
sagt Werner Müller, Geschäftsführer des
VAP. UPC hat von dem Urteil bisher nur
aus einer Presseaussendung des VAP er-
fahren, heißt es aus dem Unternehmen.
Man werde erst reagieren, wenn man
die Verfügung tatsächlich im Haus habe,
erklärte ein Sprecher gegenüber der
„Presse“.
Portal stellt illegal Filme bereit
Kino.to ist ein Webportal, auf dem Filme
in voller Länge heruntergeladen und ge-
streamt werden können. Das illegale An-
couleur 02 | 11
gebot ist der Industrie schon länger ein
Dorn im Auge. Unter anderem wird auch
der preisgekrönte „Das weiße Band“ von
Michael Haneke dort auf kino.to angebo-
ten. Die Aufforderung, derartige Portale
zu sperren, hatte schon im Herbst 2010 für
Aufregung gesorgt. Sowohl UPC als auch
der VAP haben im Vorfeld angekündigt,
den Fall bis zur höchsten Instanz ausju-
dizieren zu lassen. Bisher wurde nur vor
dem Handelsgericht Wien verhandelt.
VAP zahlt 50.000,– Euro für Verfügung.
In der Begründung für die Verfügung, die
„DiePresse.com“ vorliegt, heißt es, ki-
no.to würde gegen §18 Urheberrechtsge-
setz (UrhG) verstoßen, der dem Rechte-
inhaber das alleinige Vorführrecht eines
Filmwerks gestattet. UPC sei als Internet-
provider am ehesten dazu geeignet, diese
Rechte durchzusetzen, weshalb bis zum
Ende des Hauptverfahrens die einstweili-
ge Verfügung angeordnet wurde. Sie tritt
aber erst in Kraft, sobald der VAP eine
Sicherheitszahlung von 50.000,– Euro an
UPC leistet. Damit sollten eventuell durch
Foto: Disney
die Blockade entstehende Schäden für
das Unternehmen abgedeckt werden.
Provider: „Jubelmeldungen zu früh“
Diese Sicherheitszahlung ist für den Ver-
band der österreichischen Internetprovi-
der, die ISPA, ein Zeichen, dass die Ent-
scheidung nicht lange halten wird. „Ju-
belmeldungen des VAP sind definitiv zu
früh“, kommentiert ISPA-Generalsekre-
tär Andreas Wildberger. Für ihn ist die
Verfügung eine klare Fehlentscheidung.
„Das ist, wie wenn die Asfinag verpflich-
tet wird, Autofahrer zu kontrollieren, ob
sie schwarz kopierte DVDs im Koffer-
raum haben“, sagt er. Die ISPA fordert
schon länger ein „internettaugliches Ur-
heberrecht“. „Damit wären innovative
Geschäftsmodelle möglich und die stän-
dige Kriminalisierung von Millionen Nut-
zern hätte ein Ende“, sagt Wildberger.
DIESER BEITRAG ERSCHEINT MIT
FREUND-LICHER UNTERSTÜTZUNG DER
TAGESZEITUNG „DIE PRESSE“.

Die Hochzeit als Happening
29. April 2011, 6 Uhr, London: Es ist kein Tag wie jeder andere. Seit mehreren
Tagen wird auf allen TV-Kanälen nur über ein Thema berichtet. William Prince
of Wales wird heiraten und die ganze Welt ist live dabei.
Foto: Lambach
Aus dem ganzen Commonwealth reisen
Menschen an, um an der Hochzeit teilzuneh-
men, manche campen schon seit Tagen mit-
ten in London, verzichten auf jegliche An-
nehmlichkeiten des 21. Jahrhunderts, nur um
ihrem Prinzen in dieser großen Stunde nahe
zu sein. Bei uns in Österreich bekommt man
sowas ziemlich sicher nicht mehr zu sehen.
Wobei, wenn ich daran denke, welches Spek-
takel ich einst als Bub miterlebte, als ihre kai-
serliche Hoheit, Zita von Habsburg in der Ka-
puzinergruft zur ewigen Ruhe gebettet wur-
de, bin ich mir da doch nicht ganz so sicher.
Kitschig?
Wider Erwarten erreiche ich Greenpark
ohne übermäßige polizeiliche Kontrolle
oder hysterischen Menschenmassen. Knapp
2 Stunden vor Beginn der Feierlichkeiten
herrscht beinahe gespenstische Ruhe, einzig
der Zugang zur Mall ist bereits geschlossen.
Kein Wunder, die Grünflächen entlang der
Straße zum Buckingham Palace sind ja
schon seit Tagen von der hochzeitlichen
Campinggesellschaft belegt.
couleur 02 | 11
Also wird ein nettes Plätzchen vor einer der
in ganz Großbritannien verteilten Übertra-
gungsleinwände mitten im Park bezogen.
Vor mir sitzen gerade mal 100 Leute, die ers-
ten Mädels in Brautkleidern erscheinen – „It
should have been me“ haben sie sich auf ih-
re Kleider gepinnt – tja, Ladies der Zug ist
abgefahren, denke ich mir als sich vor mir
eine britische Großfamilie niederlässt.
Mehr Know-how, mehr Monarchie
Plötzlich bekommt das ganze Szenario ei-
nen Touch von „very British“ – die Männer
der Familie starten umgehend die Einrich-
tung ihres Picknickplatzes. „Verflucht sind
die gut organisiert!“, denk ich mir, als die
wohl behuteten Damen der benachbarten
royalen Picknickgesellschaft offensichtlich
wohlgekühlte Champagnerflaschen inklu-
sive entsprechender Gläser hervorzaubern
und die Szenerie mit Köstlichkeiten von
Prosciutto bis Räucherlachs bestücken.
Mehr oder weniger verdeckt werden ein
paar profane Bier- und Ciderdosen für den
männlichen Teil der Gesellschaft neben der
21
ad fundum
Decke platziert, um das Picknickidyll nicht
zu stören. Da haben die Briten einfach mehr
Erfahrung, mehr Know-how, mehr Monar-
chie. Plötzlich braust lauter Jubel auf, kurz
blicke ich hinter mich – der Park hat sich
mit Hunderten gefüllt, die wie verrückt den
Union jack schwenken – die Queen hat den
Palast verlassen! Gebannt verfolge ich 3
Stunden die Hochzeit, fühle mich dem Haus
Windsor tief verbunden und werde vom Ju-
bel der Massen mitgerissen als der Prinz
endlich seine Prinzessin küsst. Es ist nicht
das aufgesetzte imperiale Gehabe der Wie-
ner Möchtegernaristokraten, keine als Höf-
linge verkleideten Zuschauer à la Audienz
bei „Wir sind Kaiser“ oder die in den Som-
mermonaten die Hofburg belagernden Heer-
scharen von Mozarten und Sissis, welche
Touristen allen möglichen Kulturplunder
andrehen wollen. Nein, es ist einfach echt
und hat was von tiefer innerlicher Überzeu-
gung, dass es schön ist einen Tag mit seinem
Herrscherhaus zu verbringen.
DIPL. PÄD MARCELLO LAMBERTI V/O
HAKUNA MATATA (BDB)
22
social media
Couleur-Serie „Das Phänomen Social Media“
MKV goes Facebook
Gerade für Vereine, NGOs und Interessenvertretungen ist Facebook eine
perfekte Plattform. Der MKV startet nun mit seiner Facebook-Seite eine
Social Media-Initiative.
Für viele Unternehmen stellt sich nicht mehr
die Frage ob sie in sozialen Netzwerken wie
Facebook präsent sind, sondern nur wie sie
dies tun. Eine Facebook-Seite gehört mittler-
weile zum guten Ton, ist eine weitere Visiten-
karte im Internet und Standard jeder Online-
Strategie. Aber gerade für Vereine, NGOs und
Interessenvertretungen ist Facebook eine per-
fekte Plattform. Der MKV startet nun mit sei-
ner Facebook-Seite eine Social Media-Initia-
tive. Knapp 1.000 Kartellbrüder sind bereits
Fans der Facebook-Seite „Mittelschüler-Kar-
tell-Verband der kath. farbtragenden Studen-
ten Österreichs“. Viele weitere sind in den Sei-
ten der Landesverbände sowie der einzelnen
Verbindungen sowie der Seite des „Couleurs“.
Momentan funktioniert die Kommunikation
aber „Facebook intern“ noch kaum. Die vielen
Möglichkeiten, welche dieses soziale Netz-
werk bietet, werden momentan noch nicht
ausgenützt. Der MKV möchte als Verband mit
seiner Facebook-Seite beispielgebend den
Verbindungen zeigen, wie schnell, einfach und
günstig dieses Medium als Kommunikations-
und Selbstvermarktungsplattform funktionie-
ren kann.
Vernetzung
Eine wichtige Säule auf Facebook ist die Ver-
netzung der Kartell- und Bundesbrüder über
diverse Facebook-Seiten. Bis dato ist die Mög-
lichkeit an den Veranstaltungen anderer Ver-
bindungen Anteil zu haben gering. Facebook
bietet hier viele Optionen. Veranstaltungshin-
weise können schneller, viraler und lebendiger
verbreitet werden als über die üblichen Kanä-
le wie Bekanntgabe auf der Webseite, News-
letter oder Verbindungszeitschrift. Die Grund-
idee der sozialen Vernetzung via Social Media-
Plattformen ist quasi für Interessensgemein-
schaften wie die unsere gemacht. Kartellbrü-
der, Bundesbrüder, Verbindungen, Landesver-
bände, der MKV, all diese Kanäle können ein-
fach und schnell miteinander Informationen,
Fotos, Videos austauschen, einander einladen
und sich organisieren. Diese spannenden
Ressourcen für die Verbindungen und deren
couleur 02 | 11
Mitglieder bereitzustellen ist eine wichtige sind groß. Natürlich ist es eine Herausforde-
Funktion der Social Media-Initiative. rung für den MKV diese Front zu öffnen. Das
katholische Couleurstudententum stellt sich
Self-Marketing, Pressearbeit & Co hier erstmals einer öffentlichen Diskussion,
die so nicht vergleichbar ist. Gleichzeitig kön-
Die Möglichkeiten des MKVs sich in der brei- nen wir hiermit auch ein wenig dazu beitragen
ten Öffentlichkeit selbst zu „vermarkten“ sind eine gezielte Imagepflege zu beginnen und
meist begrenzt. Oftmals wäre es wichtig, dass Social Media zum integralen Bestandteil der
der MKV und seine Verbindungen Stellung zu Kommunikationspolitik werden zu lassen. Die
gesellschaftlichen Themen nimmt, die über Imageprobleme hinsichtlich der Verwechs-
die übliche Presseaussendung hinausgeht. Der lung mit „Schlagenden“ ist nur ein Aspekt,
MKV ist ein Verband mit gesellschaftspoliti- der hier exemplarisch genannt werden kann.
schem Engagement. Soziale Netzwerke wur-
den bereits für die Revolution im islamischen In den nächsten Wochen und Monaten wird
Raum, die Auffindung von Erdbebenopfer in also die Facebook-Präsenz überarbeitet, die
Japan und für Präsidentschaftswahlen in den notwendige Infrastruktur geschaffen und
USA genutzt. Die Möglichkeiten via Face- auch Hilfestellungen für die einzelnen Ver-
book eine breite Masse auf unsere Werte und bindungen gewährleistet. Das Couleur wird
Weltanschauungen aufmerksam zu machen weiter darüber Berichten.
Wer steckt hinter der MKV-Facebook-Revolution?
Martin Reinelt v/o Frosch und Mag. Markus Cerenak v/o Cosmos ha-
ben mit „Ma2 – digital bohemians“ ein Unternehmen gegründet, das
sich mit Social Media und Online-Kommunikation auf seine Fahnen be-
schäftigt. Die Konzeption und Umsetzung professioneller Facebook-
Präsenzen für Unternehmen, Beratung und Coaching im Social Media-
Bereich ist ihre Kernkompetenz. Die beiden verstehen sich als soge-
nannte „digital bohemians“, d.h. Büro oder angestellte Mitarbeiter exi-
stiert nicht. Mit den Optionen des World Wide Webs, dem weltweiten
Arbeiten mit virtuellen Assistenten und Plattformen, sowie der Kom-
munikation per Skype oder Facebook-Chat leben sie den digitalen Li-
festyle authentisch vor. Infos: Ma2.at
Kartellsenior Diablo (MDK) zur bevorstehenden
„Social Media“-Initiative:
„Soziale Kontakte und Beziehungen sind wichtiger denn je! Es ist
beinahe schon eine Verpflichtung, dass Firmen und Organisatio-
nen eine dementsprechende „Social Media"-Präsenz besitzen, um
damit die größtmögliche Breitenwirksamkeit erzielen zu können.
Die Kartellaktivitas hat es sich neben vielen anderen Projekten
zum Ziel gemacht, die 3 wichtigen Säulen des Social Media (Ho-
mepage, Newsletter und Kommunikationsplattformen) im MKV
auszubauen und zu verbessern.“ Dank der beiden engagierten Kar-
tellbrüder - Kbr. Frosch und Kbr. Cosmos (LIW)- wird eine dieser
Säulen, die Kommunikationsplattform „Facebook", in Form einer Fan-Seite des MKV
nun professionalisiert und für alle Kartellbrüder anschaulich aufbereitet.“

Kolumne von „Mr. Facebook“
Mag. Philipp Ploner v/o Nexus
(GZL)
Facebook-Tipp:
Privatsphäre und Freunde
„Ich will doch nicht, dass jeder alles über
mich weiß!“, „Ich will kein gläserner
Mensch sein!“, sind meist die ersten Beden-
ken bezüglich eines Facebook-Profils. Die
Ängste sind begründet, da viele, die auf Fa-
cebook „unterwegs“ sind, völlig achtlos mit
ihren Daten und mit den Informationen, die
sie posten, teilen etc., umgehen. Nicht um-
sonst beginnen viele Human-Ressources-
Manager ihre Recherche über potentielle
Mitarbeiter, die sich für Jobs bewerben auf
Facebook. „Bevor ich mir den Lebenslauf
ansehe, schaue ich mir mal das Facebook-
Profil eines Bewerbers an. Oft sagen die Fo-
tos und Postings mehr über das wahre Ge-
sicht des Menschen aus, als der Lebenslauf.
Im positiven wie auch im negativen Sinne“
meint Frau Mag. Köhler, HR-Managerin bei
couleur 02 | 11
Deloitte. Umso wichtiger ist es, sich ein we-
nig intensiver mit dem Menüpunkt „Privats-
phäreneinstellungen“ im Facebook-Profil zu
beschäftigen. Die Standardeinstellungen
sind (im Interesse von Facebook) ziemlich
locker und sollten unbedingt adaptiert wer-
den. Am einfachsten ist, dass man alle Infor-
mationen nur seinen Facebook-Freunden zu-
gänglich macht. Wichtig ist auch unter „An-
wendungen und Webseiten“ der Menüpunkt
„Informationen, die durch deine Freunde zu-
gänglich sind“. Diese Option ist relativ ver-
steckt, aber essentiell. Der User sollte sich ge-
nau überlegen, was er hier aktiviert. Auch die
Möglichkeit das Facebook-Profil über die
Suchmaschine Google zu finden kann hier
deaktiviert werden. Facebook gibt viele
Möglichkeiten, die Privatsphäre zu wahren.
Wer sich damit ein wenig beschäftigt, kann
bedenkenlos in diesem sozialem Netzwerk
agieren.Viele Facebook-User sammeln
Freunde wie Briefmarken. Dagegen ist an
sich nichts zu sagen, da das Netzwerken und
Kennenlernen neuer Menschen ja eine
Grundidee von Social Media ist. Wichtig ist
es aber, Freunde zu kategorisieren, um zu
23
social media
entscheiden, welche Informationen wer be-
kommt und was man von wem liest. Die
Möglichkeiten Freunde in Listen zu organi-
sieren wird jedoch bisher noch von wenigen
Usern genützt. Wer möchte, kann seine
Freunde ausblenden, das heißt, dass nicht je-
der sehen kann mit wem man auf Facebook
befreundet ist. Unter „Privatsphäreneinstel-
lungen“ - „Auf Facebook vernetzen“ findet
man diese Funktion. Wer sich eingehender
mit Facebook, den Einstellungen, Möglich-
keiten und Chancen beschäftigen will, kann
dies bei einem Coaching oder dem Besuch
eines unserer Facebook-Seminare tun. Mehr
Infos unter www.Ma2.at
24 couleur 02 | 11
ad fundum

Auf dem Weg ins globale

Wie wollen wir unseren Ruf als Kultur-Nation im neuen österreichischen Jahr-
tausend festigen? Genügt es mit dem Neujahrskonzert zum Jahresbeginn
„Dynamisches Erwachen mit Johann Strauß“ weltweit in die TV-Haushalte zu
liefern? Oder proben wir die Eroberung der Welt durch „Mozart-Googeln“?

Foto: Metropol Wien, Fotograf: Barbara Palffy

Die Besetzung von „Ti Amo“ - Das Comedy-Musical mit den beliebtesten Italo-Popsongs. Zu sehen im Metropol Wien.

Die kulturellen Rahmenbedingungen un-
serer Zeit sind einem rasanten Wandel
unterworfen. Wer diesen Wandel erfolg-
reich bewältigen will, muss ihn erkennen,
um die notwenigen Konsequenzen daraus
zu ziehen. Lernen im weltweiten Dorf
heißt, sich tagtäglich gedanklich und real
mit Neuem auseinanderzusetzen – ein im
österreichischen Alltag traditionell eher
exotischer Vorgang, sieht man einmal von
jenen wenigen Kulturschaffenden ab, die
– historisch bedingt – seelisch immer
schon miteinander vernetzt waren, aber
nicht über Facebook oder YouTube,
sondern über die gemeinsamen Wurzeln
ihres weltoffenen Geistes.
Spielraum für die Jungen
Wissen und Können werden die entschei-
denden „Rohstoffe“ im 21. Jahrhundert
sein. Nur die Gesellschaften, die über die-
ses Potential im ausreichenden Maß ver-
fügen, werden ihrer jungen Generation die
Entwicklungsspielräume bieten können,
die nötig sind, um die neuen Herausfor-
derungen zu meistern. Vor allem müssen
wir in Zukunft mehr als bisher interdiszi-
plinär, aber auch interkulturell denken
und unser lineares Denken in ein ganz-
heitliches überführen. „Wissen bedeutet
Macht“ gilt heute längst nicht mehr. Wis-
sen ist lediglich ein Teil von Bildung. Ei-
ne Besonderheit von Wissen ist, dass es
sehr schnell veraltet, wenn man es nicht
regelmäßig durch neues Wissen ersetzt.

Kulturdorf?
Heute ist der Austausch zwischen räum-
lich weit entfernten Gesellschaften we-
sentlich intensiver als jemals zuvor, kul-
turelle Veränderungen laufen aufgrund
moderner Kommunikationsmedien weit
schneller und zum Teil homogener ab als
in früheren Jahrhunderten.
Vernetzung organisiert die Kultur
Gleichzeitig ist aber auch feststellbar,
dass insbesondere die wirtschaftlichen
Globalisierungsprozesse den kulturellen
Austausch signifikant beschleunigen. Die
Globalisierung der Kultur führt zu einer
neuen Hyperkultur, d.h.: Kulturelle Aus-
drucksformen lösen sich von ihrem Ur-
sprungsort und „reisen“ um die Welt. Die
Kulturen werden entgrenzt. Nicht Gren-
zen, sondern Vernetzungen und Ver-
mischungen organisieren den neuen
Hyperraum der Kultur, der sich durch das
Nebeneinander und die Gleichzeitigkeit
des Verschiedenen auszeichnet.
Immer häufiger ist die Rede davon, dass
wir inzwischen in einer „Weltgesell-
schaft“ leben, und es bereits eine „Welt-
kultur“ gebe oder bald geben werde. Der
umstrittene Begriff der „Weltkultur“ kann
jedoch keinesfalls bedeuten, dass die lo-
kalen, regionalen oder nationalen Kultu-
ren von einer globalen abgelöst werden
sollen. Kulturelle Vielfalt lässt sich nur
im Bezug auf das in einer Region verwur-
zelte Kulturleben erkennen. Und gleich-
zeitig ist kulturelle Vielfalt die Vorausset-
zung zum Überleben in der Region.
Kein Aufbruch in Österreich
Wie aber sehen diese Überlebenschancen
für Österreich aus? Die derzeitige Kultur-
politik ist geprägt von einer Überbetonung
der reproduzierenden Künste und der Kon-
servierung von Institutionen. Die zeitge-
nössischen und internationalen imagebil-
denden Sparten wie Film, Design, Erzähl-
kunst und Populärmusik werden viel zu
wenig gefördert. Die Bedeutung eines le-
bendigen Kulturgeschehens beschränkt
sich aber nicht auf die viel zitierte Um-
wegrentabilität für den Tourismus. Eine
vitale kulturelle Szene schafft ein Klima
der Kreativität und ein Milieu der geisti-
couleur 02 | 11
gen Beweglichkeit, in dem auch ökonomi-
sche Investitionen besser gedeihen. Diese
zeitgemäße Auffassung einer „Kultur-
Wirtschaft“ ist bei uns in Österreich aber
noch so gut wie unbekannt.
Mit einer verheerenden Konsequenz für
unsere Handelsfinanz für Urheberrechte
und Lizenzen. Bei sämtlichen Unter-
suchungen über den wertschöpfenden
Copyright-Sektor rangiert Österreich so-
wohl in seiner Bedeutung als „Musikland“
als auch in der Literatur, im Theater- und
Medienwesen im unteren Mittelfeld des
internationalen Ländervergleichs. Um
nicht endgültig den Anschluss zu verlie-
ren, wird es in Zukunft darauf ankommen,
dass wir unsere – in reichem Ausmaß vor-
handenen – Kreativressourcen kräftigen
und ihnen die Chance geben, dass wir uns
unüberhörbar und unübersehbar in den
gigantischen Fusionsprozess einbringen,
der sich gerade weltweit vollzieht.
Investition statt Subvention
Das kann aber nur funktionieren sobald
man endlich erkannt hat, dass Kultur keine
Ware ist, sondern ein befreiender Akt der
menschlichen Existenz und man ihr daher
ohne politische und ideologische Vorgaben
eine Chance geben muss. Auch sonst müss-
te so vieles noch – als Ergebnis eines längst
fälligen Umdenkens – geschehen.
Ich nenne da beispielsweise nur die Um-
stellung vom bisher dominierenden Sub-
ventionsdenken auf ein Investitionsdenken,
das darauf abzielt, strukturverbessernde
Maßnahmen zu unterstützen, die eine län-
gerfristige Wirksamkeit entfalten können.
Ferner die schon seit Jahrzehnten erhobene
Forderung nach einer steuerlich attraktiven
Absetzmöglichkeit im Bereich des Kultur-
sponsorings, was endlich dazu führen wür-
de, dass sich Unternehmen und private
Geldgeber viel stärker als bisher an der För-
derung von Kunst und Kultur beteiligen.
Und mehr als ein Gedanke wäre die Frage
wert, welche Rolle dem Österreichischen
Rundfunk im Zusammenhang mit der Zu-
kunft der „Kultur-Nation“ zukommt. Ge-
nügt es, dass Österreichs größtes, mäch-
tigstes und teuerstes Kultur-Institut bloß
25
ad fundum
Kultur-Berichterstatter ist – sollte es nicht
auch Kultur-Initiator sein? Ist es noch
länger zu verantworten, dass einer der
zweieinhalb gebührenfinanzierten Kanäle
sich überwiegend damit begnügt, ameri-
kanische Konserven abzuspulen?
ORF am politischen Gängelband
Bedauerlicherweise betrachten die
Macht- und Entscheidungsträger unseres
Landes den ORF ausschließlich als par-
teipolitisches Beuteobjekt und nicht als
das, was es sein sollte und potenziell auch
ist: Der kulturell bedeutendste Identitäts-
spender der Nation und eine Visitenkarte
Österreichs für die Welt. Ohne dieses
Bewusstsein im Kopf wird jede neue
Rundfunk-Reform nicht das Papier wert
sein, auf dem sie geschrieben steht.
Kulturelle Vielfalt sollte immer mehr zu
einer Verpflichtung gegenüber einer Ge-
sellschaft werden, der es zunehmend
schwerer fällt, sich an die einfachsten
Grundregeln ethischen Handelns zu hal-
ten. Kunst – und dazu gehört auch die oft
zu Unrecht schmähte Unterhaltungskunst
– ermöglicht nicht nur einen überraschen-
den Zugang zu Wirklichkeiten, sie hält
uns vielmehr immer auch ein Spiegelbild
unseres Handelns vor Augen.
Aber alles das wird eine graue Theorie
bleiben, solange die österreichische Poli-
tik, seit inzwischen mehr als zehn Jahren,
nicht da bereit ist, auch für dieses wichti-
ge Ressort einen eigenen, ausschließlich
dafür zuständigen Kulturminister zu leis-
ten. Derzeit liegt der kulturelle Stellen-
wert Österreichs in den Händen jener Un-
verzagter, die selbstausbeuterisch ihrer
Arbeit nachgehen. – Beharrlich. Ihnen ist
es zu verdanken, dass dieses Land den An-
schluss, an das globale Kulturdorf noch
nicht ganz verloren hat.
www.wiener-metropol.at
zur person
Kbr. Dr. jur. Peter Hofbauer (Merc) (* 24. Mai
1946), war unter aderem Leiter der ORF-Ju-
gendredaktion, ORF-Ressortleiter Kabarett und
Kleinkunst und von 1990-1995 ORF-Unterhal-
tungschef. Seit 1998 leitet er das Wiener
Metropol und ist Buch- und Theaterautor.
26 couleur 02 | 11
ad fundum

Von Festival zu Fe
Fühl’ es! Die Konzert-Highlights des Sommers versprechen einiges …

Die schönste Zeit des Jahres kündigt sich

nicht nur mit warmen Temperaturen an,
sondern auch mit einem abwechslungsrei-
chen Programm an Open-Air-Konzerten
und Festival-Terminen – wir haben für
euch die angesagtesten Musik-Highlights
des Sommers zusammengefasst.

Unter allen Leser/innen verlosen wir 2x2

Weekendpässe für das Urban Art Forms in
Wiener Neustadt! Nennt uns drei Gründe,
warum gerade ihr die heißbegehrten Tik-
kets gewinnen wollt. Die kreativsten Ant-
worten erhalten die Weekendpässe – also
schnell sein, Namen, E-Mail-Adresse &
Telefonnummer an couleur@mkv.at sen-
den und feiert schon bald am Urban Art
Forms in der Arena Nova!

Nova Jazz & Blues Nights

Amy Winehouse erstmals in Österreich
The Nova Jazz & Blues Night präsentiert
sich dieses Jahr an 2 Tagen: von 23. bis
24. Juli in der erfrischend neu benannten
Ottakringer Arena in Wiesen. Und auch
diesmal dreht sich wieder alles um die zeit-
genössischen Formen von Jazz, Blues,
Soul, Funk und Groove. Die absolute Sen-
sation des Jahres 2011 wird der erste Auf-
tritt in Österreich von Amy Winehouse
sein! Keine Sängerin hat über die letzten
Jahre so viele Skandal-Schlagzeilen ge-
schrieben wie sie, jedoch verzeiht man ihr
alles, denn ihr musikalisches Talent ist ein-
fach einzigartig. Mit ihrer unvergleichba-
ren Stimme wird sie für einen unvergesslichen Abend sorgen. Nicht weniger spannend wird
der Auftritt von Jestofunk ft. Ce Ce Rodgers – die Italo-Amerikanische Kultgruppe weiß
nur zu gut Soul, Funk und Elektronik zu einem Gesamtkunstwerk zusammenzuführen.
Weitere Highlights: Parov Stelar, Mo’Horizons, Aloe Blacc und und und… Das alles im
richtigen Ambiente, bei gewohnt entspannter „Wiesen“- Stimmung!

stival
I Blame Coco –
auf Stings Spuren
Sie ist jung, hübsch und musikalisch –
Coco Sumner alias I Blame Coco bekam
den Rock’n’Roll-Lifestyle schon im
Mutterbauch vermittelt, und auch ihr
Gesangstalent dürfte an den guten Ge-
nen liegen – die 21-jährige Engländerin
ist die Tochter von Rock-Musiker Sting
und will jetzt selbst im Musikbusiness
Fuß fassen. Bemerkenswert in der Bio-
grafie ist, dass Coco sich nicht auf die
Connections ihrer Familie verlassen hat,
sondern erst über Myspace von Musi-
klabeln entdeckt wurde. Mit Künstlern
wie Sub Focus oder Robyn gelang der
jungen Britin der Durchbruch in Euro-
pa – am 16. Juni gastiert I Blame Coco
im Wiener Wuk.
Grand Hotel Wien
feat. Kettcar
Melancholie aus Hamburg
Kettcar und Tomte haben uns schon vie-
le Festival-Sommer gerettet und mit ih-
ren romantischen Songs den einen oder
anderen in brodelnder Hitze zum
Schluchzen gebracht. Nach Jahren der
Sehnsucht melden sich Kettcar mit
Unterstützung von Tomte-Frontmann
Thees Uhlmann und den Hidden Ca-
meras zurück und geben am 14. Juli ein
Open Air-Konzert in der Arena Wien.
Packt eure Taschentücher ein, wir nut-
zen die "Schönheit der Chance".
OLIVER CAPUDER, THOMAS UNTERBERGER, SZIGETFESTIVAL, WWW.IBLAMECOCO.CO.UK
couleur 02 | 11
Das Urban Art Forms findet vom 16. bis
zum 18. Juni bereits zum siebenten Mal
statt und gilt als das größte elektronische
Musikfestival Österreichs. Im Juni wird
die niederösterreichische Metropole Wr.
Neustadt Mekka der internationalen
Electro-Szene und das Areal der Arena
Nova in einen riesigen Dancefloor ver-
wandeln. Fünf Stages mit Open Air- und
Indoor-Gelände in komplett eigenstän-
digem Design, mehr Camping- und
Parkflächen, eine große Chill Out-Area,
Hotels in unmittelbarer Nähe und die
perfekte Lage der Location sprechen für
sich selbst. Um das Wichtigste nicht zu
vergessen – auch das Line-Up lässt alle
Electronic-Fan-Herzen höher schlagen:
Fatboy Slim, Deichkind, Paul Kalkbren-
ner, Digitalism, Crystal Castles, Carl
Craig und Laserkraft 3D sind nur einige
Namen, die das Urban Art Forms zu ei-
nem unvergesslichen Party-Marathon
machen werden.
Von 18. bis 20. August verwandelt sich die niederösterreichische Landeshauptstadt St. Pöl-
ten in die Rock- & Pop-Metropole Österreichs und heizt dem Publikum mit Bands wie den
Foo Fighters, Seeed, Kasabian, The National, Hurts, den Ting Tings, Boys Noize, Moonboo-
tica und vielen mehr ein. Wem der
Festival-Trubel untertags zu wenig
ist, der kann im Night Park bis in
die Morgenstunden weiter abtan-
zen. Bei 7 Bühnen, 100 Acts und 20
Stunden Partyprogramm pro Tag
kann man schnell ins Schwitzen
kommen – für Abkühlung und zum
Chillen vor und nach dem Feiern
sorgen das Flussufer der Traisen
und ein naheliegender Badeteich.
Be there or be square!
TEXT: ALICIA WEYRICH,, FOTOS: ALICIA WEYRICH, MARKUS LIENBACHER,
27
ad fundum
Das Sziget-Festival findet heuer von 8. bis
15. August in Budapest statt und hat seit
Jahren Kultstatus in der europäischen Par-
tyszene. Auch das diesjährige Line-Up des
7-tägigen Festivals kann sich sehen lassen:
Von Chemical Brothers bis Judas Priest ist
für jeden Geschmack etwas dabei. Im Au-
gust entsteht auf der ungarischen Donau-
insel ein einzigartiger Mikrokosmos, der
mit den angesagtesten Bands, Gastfreund-
lichkeit, günstigen Preisen und einer un-
vergleichlichen Atmosphäre punkten kann.
400.000 Besucher, 60 Bühnen und über
1.000 Acts machen das Sziget zu einem der
größten, und laut den britischen Medien
„The Independent“ und „Songlines“, zu ei-
nem der fünf besten Festivals Europas. Die-
ses Jahr bitten unter anderem auch Gotan
Project, Ojos de Brujo, Amy Whinehouse,
Söhne Mannheims, La Roux und Skunk
Anansie zum Tanz. Das Sziget in Ungarn ist
durch diese Vielfältigkeit weitaus „more
than a festival“.
28 couleur 02 | 11
ad fundum

„Qualitätsjournalismus wie in
den USA oder Deutschland wird
in Österreich nie möglich sein“
Couleur traf Kbr. Dr. Engelbert Washietl, langjähriger stv. Chefredakteur bei
der Presse und den Salzburger Nachrichten und befragte ihn …
INTERVIEW: BA BERNHARD SONNTAG V/O ARNIE (MDK)*

… zu Qualität im Journalismus

Wie beurteilst du Qualität im Journa-

lismus? Gibt es allgemeingültige Kriterien
für diese? Es wird ja öfters argumentiert,
was gefällt und gekauft wird ist Qualität.

Das halte ich für nicht richtig. Eine wissen-

schaftliche Definition ist schwer zu finden.
Es gibt aber eine Menge Kriterien, die dazu
gehören, wenn man als Journalist hochwer-
tig arbeiten möchte, etwa Anständigkeit,
Faktentreue, genaue Recherche, eine Verlet-
zung des Persönlichkeitsschutzes ohne Not-
wendigkeit vermeiden. Wer dies einhält,
kommt journalistischer Qualität möglichst
nahe.

Ist Bildung eine journalistische Aufgabe?

Eva Dichand (Hrsg. Gratiszeitung „Heu-
te“) meinte ja jüngst, dass Zeitung den
Mensch auf dem Level abholen müsse,
wo er sich bildungsmäßig befinde.

Journalisten werden häufig mit bestimmten

Ansprüchen überfrachtet. Beispielsweise
wollten die Kommunisten vor dem Fall der
Mauer westliche Journalisten davon über-
zeugen, dass Journalismus eine Friedens-
aufgabe habe. Mit Frieden als einziger Ma-
xime wären Journalisten aber die Hände ge-
bunden. Die ganz normale Informations-
pflicht wäre nicht mehr zu erfüllen, denn Be-
richte über Konflikte etwa würden ja den
Frieden stören. Zeitungen haben auch eine
Bildungswirkung, aber Medien sind keine
Bildungsinstitution. Sie bringen neben
Unterhaltung und Neuigkeiten auch Bil-
dung mit. Jeder Mensch, der aktiv Medien
aufnimmt, bekommt dabei auch Bildung
mit. Natürlich muss man die Menschen ent-
sprechend ihrer Bildungsstufe ein Infor-
mationsmedium zur Verfügung stellen.
Neben Schule und Eltern sollten auch die
Medien Bildung vermitteln.
*Kbr. Arnie STUDIERT AN DER FH ST. PÖLTEN

Ein Ideal, das im Zusammenhang mit
Qualität immer wieder angesprochen ist,
ist Objektivität. Gibt es diese überhaupt
bzw. ist sie für Zeitungen überhaupt
wünschenswert?
Was Objektivität wirklich ist, lässt sich lan-
ge diskutieren. Im idealen Sinne lässt sie
sich meiner Meinung nach in der Praxis
nicht verwirklichen, ein Streben nach Ob-
jektivität würde ich aber voraussetzen. Da-
zu gehört auch die Einhaltung von Kriterien
wie Faktensicherung, die Anhörung mehre-
rer Parteien und die Widergabe eines mög-
lichst realitätsgenauen Bildes. Dieses kann
ja von einem subjektiven Kommentar be-
gleitet werden.
… zu Ideologie im Journalismus
Inwiefern ist Berichterstattung von der in-
dividuellen Weltanschauung eines Jour-
nalisten abhängig? Inwieweit darf sie
das sein, um objektive Berichterstattung
nicht zu gefährden?
Die klassische Regel, dass Meinung und Be-
richterstattung zu trennen sind, tritt leider
immer mehr in den Hintergrund. Auslands-
korrespondenten etwa transportieren nicht
bloße Tatsachen, sondern liefern oft auch
gleich die Interpretation mit. Das gehört in
diesem Fall dazu um ein stimmiges Bild zu
kreieren, wie es etwa Karim El-Gawhary
mit dem Arabischen Frühling getan hat.
Die weltanschauliche Überzeugung von
Journalisten fließt selbstverständlich in
Form von Themenauswahl und Bewertung
in die Nachrichtendarstellung ein. Eine
diesbezügliche Wertung darf aber nicht vor-
sätzlich falsch ausfallen.
Hängt die Weltanschauung von Journalis-
ten mit medialen Postenbesetzungen in
Österreich zusammen? Inwiefern kann
ein Chefredakteur Einfluss auf den Inhalt
seiner Journalisten nehmen?
Der Chefredakteur hat Einfluss auf die Ge-
staltung seiner Zeitung. Daraus entsteht das
Profil einer Zeitung, das oft den Grund für
Menschen darstellt, die Zeitung zu abonnie-
ren. In der Redaktionskonferenz werden
Themen diskutiert und daraus entstehen
Meinungsbilder. Daraus erfolgt die Aus-
wahl von Themen und Journalisten, die die-
se behandeln. Das Gesetz verbietet aber,
dass ein Journalist gezwungen wird etwas
unter seinem Namen zu schreiben, mit
dem er sich nicht identifizieren kann.
couleur 02 | 11
… zu Qualitätsjournalismus in Öster-
reich
Beim heurigen „Tag des Qualitätsjourna-
lismus“ ging das Podium d’acorrd, dass
in Österreich Qualitätsjournalismus aus
finanziellen Gründen niemals möglich
sein wird. Was meinst du dazu?
Qualitätsjournalismus wie in den USA oder
Deutschland wird in Österreich nie möglich
sein. Zeitungen in größeren Ländern haben
ja ganz andere Möglichkeiten, was die Auf-
lage betrifft. An dieses Niveau werden wir
nicht herankommen, aber man muss versu-
chen auf unserer Ebene auch sehr guten
Journalismus zu machen. Auch der ORF hat
in einigen Sternstunden sehr gute Leistun-
gen geliefert. In Österreich leistet sich aber
kein Verlag, jemanden für 3 Wochen für eine
Geschichte freizustellen, ohne zu wissen, ob
überhaupt etwas daraus wird.
„ Ich bekomme Bauchweh bei diesem Ge-
Die klassische
Regel, dass Meinung
und Berichterstattung
zu trennen sind, tritt
leider immer mehr in
den Hintergrund.
“
Du bist heuer 70 geworden. Wie beurteilst
du aus deiner heutigen Sicht die journalis-
tische Ausbildung und den Nachwuchs in
Österreich?
Die Ausbildung ist besser geworden. Der
Nachwuchs ist gut und hätte das Recht, end-
lich so gut behandelt zu werden, wie er es
verdient, denn junge Journalisten werden
oft ausgenutzt. Die laufenden Kollektivver-
tragsverhandlungen zielen auf eine Verbes-
serung der Situation der Jungen und auf die
Integration der Online-Journalisten ab, die
im Moment wie Journalisten zweiter Klas-
se behandelt werden.
… zu Zeitungssterben und Zukunft
Social Media, Twitter, Tablets … sind das
Schlagworte, die von heute auf morgen
weg sein werden, oder handelt es sich um
Themen, mit denen sich Journalisten
auseinandersetzen müssen?
29
ad fundum
Wir wissen nicht, was weg sein wird. Ich
warne aber davor, auf ein einzelnes Gerät wie
das iPad zu setzen und auf Rettung zu hof-
fen. Verleger müssen unter den vielen Mög-
lichkeiten den Weg finden, der für das be-
treffende Medium geeignet ist. Ich glaube
nicht an ein Zeitungssterben. Die Zeitungen
müssen sehen, was sie mit den neuen Ent-
wicklungen machen können. Alles, was sich
im Internet abspielt, wird im Moment noch
von der gedruckten Zeitung querfinanziert.
Das freie Anbieten der Inhalte im Internet
war ein großer Fehler der Zeitungen.
Ist es nicht möglich, dass Qualitätsjourna-
lismus vom Volk nicht mehr nachgefragt
wird und zum Sterben verdammt ist? Was
haltest du von der Betrachtungsweise von
Zeitungen als schützenswertes Kulturgut,
das im Notfall durch staatliche Förderun-
gen erhalten werden muss?
danken, aber wenn es anders nicht zu ma-
chen ist, dann eventuell vorübergehende
Förderungen. Die österreichische Sonder-
presseförderung unterstützt ja bereits insbe-
sondere Qualitätszeitungen. In ernsten Situ-
ationen wollen die Menschen gut informiert
werden und suchen nach Information, die
ihnen mehr gibt. Darin liegt eine Chance für
Qualitätsmedien. In unserer Wohlstands-
gesellschaft, wo alles gratis und Spaß ist, ist
es aber zunehmend schwieriger, Leute dafür
zu begeistern, sich zu informieren.
Couleurstudenten sind ja im österreichi-
schen Journalismus nicht gerade zahl-
reich vertreten. Inwiefern hat dich dein
couleurstudentischer Hintergrund bei
deiner Berufswahl beeinflusst?
Ich habe beruflich nie meine couleurstuden-
tischen Kontakte ausgenutzt. Man kann als
Journalist nicht jemandem, der eine wich-
tige Funktion innehat, von vornherein auf
cartellbrüderlicher Ebene begegnen, denn
sonst wären die journalistischen Aufgaben
nicht erfüllbar.
zur person
Dr. Engelbert Washietl (Rt-D) war u.a. stv.
Chefredakteur bei der Presse und Chefredakteur
bei den Salzburger Nachrichten und ist heute als
freier Journalist in Wien tätig. Er ist Vorsitzender
der „Initiative Qualität im Journalismus“.
30
ad fundum
Gift und Genom
Manche Unternehmen vergiften die Menschheit.
Kann man noch irgendwem trauen?
Vor kurzem konnte man auf AR-
TE eine bewundernswerte aber
auch verstörende Dokumentation
sehen. Das Thema ist rasch erklärt:
In den USA ist ein Unternehmen
am Werk („Mosanto“), das gen-
manipuliertes Saatgut und Herbi-
zide entwickelt und produziert.
Wesentliche Eckpfeiler des Erfol-
ges sind Bestechung und Knebel-
verträge.
Genmanipulation per se hält eine
große Palette an durchwegs posi-
tiven Möglichkeiten bereit. Züch-
tung und Effizienzsteigerung haben ja nicht
ausschließlich negative Seiten. Wo würden
wir stehen, hätte der Mensch keine verbes-
serten Weizensorten entwickelt?
Giftschleuder vs. Strahlemann
Monsanto hingegen gilt nicht schon seit
gestern als einer der größten Umweltver-
schmutzer des Industriezeitalters. 1985 wur-
de der wichtige Lieferant für „Agent Oran-
ge“* geklagt, da Soldaten während des Viet-
namkrieges mit diesem Herbizid in Berüh-
rung kamen und erkrankten. Von den un-
Termine
Die Termine
10.-13. Juni 2011
69. Pennälertag des MKV
in Hartberg, Oststeiermark
10.-17. Juli 2011
Kartellführungsschule des MKV
in Kremsmünster
23. August 2011
Redaktionsschluss
Couleur 3/2011
Weitere Termine: www.mkv.at
couleur 02 | 11
„ gut der Ernteerträge nicht auszusäen, oder
Entscheidungsträger
weltweit sollen
mit Kuverts, Koffern
oder Autos versorgt
worden sein.
mittelbaren Umweltschäden und jahrzehn-
“ Außerdem wirken die Herbizide nur zu-
telangen Kontaminationen abgesehen
schon eine ziemlich gute „Leistung“.
Greenpeace wirft dem Konzern vor, dass
die weltweite Marktführerschaft angestrebt
wird. Nachdem Monsanto jetzt schon der
größte Saatgutproduzent ist, fällt die Beein-
flussung wichtiger Stellen leicht. Diese sind
natürlich heilfroh „Unterstützung“ mittels
Statistiken und Zahlen von Unternehmen zu
bekommen. Diese sind nämlich teuer und
Institutionen, wie die FDA (Food and Drug
Administration; behördliche Lebensmittel-
überwachung und Arzneimittelzulassungs-
behörde der Vereinigten Staaten, Anm.) sind
wahrscheinlich unterfinanziert.
Bestechung und Beeinflussung
Wie der Zufall so spielt, läuft just beim
Schreiben dieses Artikels eine Meldung
über den Ticker: Monsanto soll sich bald
selbst kontrollieren dürfen. Busi-
ness as usual, oder? Dem Konzern
wird aber nicht nur Beeinflussung
der FDA vorgeworfen. Politiker
weltweit sollen mit Kuverts, Kof-
fern oder Autos versorgt worden
sein.
In Mexiko beispielsweise gibt
es einen liebevoll „Monsanto-
gesetz“ genannten Akt. Bauern
wurden vertraglich verpflichtet
Monsanto im Falle von Ertrags-
ausfällen (z.B.: Fruchtbarkeits-
rückgang) nicht zu klagen, Saat-
keinerlei Äußerungen im Streitfall nach au-
ßen abzugeben. Gröblich benachteiligend
ist da wohl nur ein Hilfsausdruck.
Die genutzten Pflanzen bilden zwar keimfä-
hige Samen, sind aber nicht gleich fruchtbar
wie ihre Eltern. Eigentlich egal, oder? Ei-
gentlich ja, abgesehen davon, dass der Ab-
nehmer vom Zulieferer total abhängig wird.
gunsten der veränderten Pflanzen, sind
aber giftig für die Bauern. Besondere Kritik
wurde gegen „Roundup“ laut. Dieses Her-
bizid beinhaltet den Wirkstoff Glyphosat.
Dieses Herbizid soll besonders schädlich
sein.
Mach die Augen auf!
Mir geht es anhand obigen Beispiels da-
rum, dem Leser die Augen wenigstens ein
Stück weit zu öffnen. Wer garantiert,
dass die Billig-T-Shirts vom Diskonter
nicht aus genmanipulierten Baumwoll-
pflanzen stammen? Wer garantiert, dass die
Bauern durch teure Saat wirtschaftlich
ruiniert bzw. durch die Herbizide nicht
vergiftet werden?
DOMENIC DIRNBACHER V/O CHEFKOCH (BDB)
* Militärische Bezeichnung eines Entlaubungsmittels, verwen-
det um dichten Dschungel zu lichten und Nutzpflanzen zu zer-
stören; führte in Folge zu schweren Vergiftungen; Operation
„Ranch Hand“