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Elmar Schrohe
Wintersemester 2006/07
1
2
1 Die Reellen Zahlen
1.1 Aussagen. Mengen. Eine Aussage nennen wir etwas, von dem wir sagen können, ob es
wahr ist oder falsch.
Aus zwei Aussagen A und B können wir neue Aussagen bilden, z.B. die Aussage A ⇒ B ( aus
”
A folgt B“). Sie ist falsch, wenn die Aussage A wahr ist und die Aussage B falsch. Ansonsten
ist sie wahr.
Wichtig ist auch die Aussage A ⇔ B ( A ist äquivalent (gleichwertig) zu B“). Sie ist wahr,
”
wenn die Aussagen A und B entweder beide wahr oder beide falsch sind.
Oder (gleichwertig): Sie ist wahr, wenn sowohl die Aussage A ⇒ B als auch die Aussage
B ⇒ A gilt, und ansonsten falsch.
Die Begriffe Menge“, Element“ und enthalten sein“ definieren wir nicht.
” ” ”
Wir schreiben x ∈ M , falls x in der Menge M enthalten ist, anderenfalls x ∈ / M . Wir
schreiben M = N ; falls die Mengen M und N dieselben Elemente enthalten, sonst M 6= N .
Wichtig: Alle Elemente einer Menge sind verschieden.
Für mehr Details siehe z. B. P. Halmos: Naive Mengenlehre oder Lévy: Basic Set Theory.
∅ leere Menge
N = {1, 2, 3, . . .} natürliche Zahlen ohne Null
N0 = {0, 1, 2, . . .} natürliche Zahlen einschließlich Null
Z = {0, ±1, ±2, . . .} ganze Zahlen
Q = { pq : p ∈ Z, q ∈ N } rationale Zahlen
p r
Dabei sieht man die Brüche q und s in Q als gleich an, falls ps = rq.
Beispiel: 32 = 46 = 24
36 .
Oft beschreibt man Mengen auch in der Form:
{x : Aussage über x“}, meint die Menge aller Elemente, für die die Aussage gilt. Beispiel:
”
N = {x ∈ N0 : x 6= 0}.
3
1.4 Reelle Zahlen. Die reellen Zahlen sind eine Menge R 6= ∅, die durch bestimmte Eigen-
schaften charakterisiert ist.
Auf R sind zwei Verknüpfungen definiert, nämlich +“, die Addition“, und ·“, die Mul-
” ” ” ”
tiplikation“, die zwei Elementen x, y die Summe x + y ∈ R bzw. das Produkt x · y = xy ∈ R
zuordnen (Malpunkt wird meist nicht geschrieben). Dabei gelten folgende Regeln ( Axiome“):
”
(A1) (x + y) + z = x + (y + z) für alle x, y, z ∈ R Assoziativgesetz der Addition
(A2) Es gibt ein Element 0 ∈ R mit x + 0 = x für alle x Neutralelement der Addition
(A3) Zu jedem x ∈ R existiert ein Element (−x) ∈ R mit x + (−x) = 0 Inverses Element der
Addition
(M2) Es gibt ein von 0 verschiedenes Element 1 ∈ R mit x · 1 = x für alle x ∈ R Neutralelement
der Multiplikation
(M3) Zu jedem x 6= 0 existiert ein Element x −1 mit xx−1 = 1 Inverses Element der
Multiplikation
R ist ferner angeordnet, d. h. es gibt eine Beziehung > 0“ ( größer Null“) mit folgenden
” ”
Eigenschaften:
(S) Jede nichtleere, nach oben beschränkte Teilmenge von R hat eine kleinste obere Schranke.
Mehr dazu gleich!
1.5 Definition. Eine Menge mit mindestens zwei Elementen, in der die Axiome (A1)-(A4),
(M1)-(M4) und (D) gelten, heißt Körper.
Ein Körper mit ‘>’, in dem (O1)-(O3) gelten, heißt angeordneter Körper.
1.6 Beispiel.
4
(c) Q ist angeordnet, Z2 hingegen nicht (1+1=0!).
(d) In Q gilt das Supremumsaxiom nicht, wie wir später sehen werden.
1.7 Bezeichnungen.
(a) M ⊆ R, M 6= ∅ heißt nach oben beschränkt, falls ein C ∈ R existiert mit x ≤ C für alle
x ∈ M . Die Zahl C heißt dann obere Schranke.
M heißt nach unten beschränkt, falls ein D ∈ R existiert mit D ≤ x für alle x ∈ M (untere
Schranke).
M heißt beschränkt, falls es nach oben und nach unten beschränkt ist.
(b) Es sei M ⊆ R, M 6= ∅. Eine Zahl C ∈ R heißt Supremum von M oder kleinste obere
Schranke von M , wenn gilt
(1) x ≤ C für alle x ∈ M (d.h. C ist obere Schranke)
(2) Zu jedem ε > 0 existiert ein x ∈ M mit x > C − ε (d.h. C − ε ist keine obere
Schranke).
(c) Ist C ein Supremum für die nichtleere Menge M , und zusätzlich C ∈ M , so heißt C
Maximum von M .
(d) Es sei M ⊆ R. Eine Zahl C ∈ R heißt Infimum für M , falls C größte untere Schranke ist,
d. h., falls (1) x ≥ C für alle x ∈ M und (2) zu jedem ε > 0 ein x ∈ M existiert mit
x < C + ε. Ist C Infimum von M und C ∈ M , so heißt C Minimum.
1.9 Satz.
Beweis.
A2 A1
(a) x · 0 = x · (0 + 0) = x · 0 + x · 0. Addition von −(x · 0) liefert 0 = x · 0.
(b)
(c)
5
(d) Ist x = 0 oder y = 0, so ist xy = 0 nach (a). Ist andererseits xy = 0 und x 6= 0, so liefert
die Multiplikation mit x−1
M3,M4 M1 Ann (a)
y = (x−1 x)y = x−1 (xy) = x−1 0 = 0
Beweis.
(e) )
(O3)
b − a > 0 =⇒ bc − ac > 0 (O2)
=⇒ bd − ac > 0
b > 0 =⇒ bd − bc > 0
6
1−ε x
also z.B. falls x = ε + 1 (nach 1.10(c) und (O2)). Beachte: 1 ist kein Maximum, weil 1+x <1
für alle x > 0.
1.12 Definition. Für a ∈ R definiert man |a| ( Betrag von a“, a Betrag“)
” ”
a , wenn a ≥ 0
|a| = .
−a , wenn a < 0
Beweis. Klar. ⊳
1.14 N, N0 , Z, Q als Teilmengen von R. Wir finden die konkret bekannte Menge N nun
auch wieder in der abstrakten Menge R, indem wir n ∈ N mit 1 + . . . + 1 ∈ R (n−mal)
identifizieren. Damit haben wir auch N ∪ {0} = N ∪ {0}; ebenso Z als N 0 ∪ {−n : n ∈ N} und
Q = {p/q : p ∈ Z, q ∈ N} (mit der üblichen Identifikation von Brüchen).
Beweis. –
Viele Beispiele folgen noch.
1.16 Quantoren.
7
(:= heißt: Wir definieren
Pn die SeiteQmit dem Doppelpunkt durch die andere.)
n
Für m > n setze k=m ak := 0, k=m ak := 1 (leere Summe, leeres Produkt).
Weitere Aussagen, die sich leicht mit vollst ändiger Induktion beweisen lassen
1.20 Satz. Für n ∈ N ist
n
X n(n + 1)
k= .
2
k=1
Beweis. Mit vollständiger Induktion: Für n = 1 ist die Aussage, dass 1k=1 k = 1·2
P
2 bzw., dass
1 = 1, also richtig. Stimmt sie für ein n, so schließen wir folgendermaßen, dass sie auch für n + 1
gilt:
n+1 n
X X n(n + 1)
k = k + (n + 1) = + (n + 1)
2
k=1 k=1
n2 + n + 2n + 2 (n + 1)(n + 2)
= = .
2 2
1.21 Satz. Binomischer Lehrsatz“: Für a, b ∈ R und n ∈ N ist
”
n
n
X n k n−k
(a + b) = a b
k
k=0
Pn n Pn n
Insbesondere: k=0 k = (1 + 1)n = 2n und k=0 (−1)
k
k = (−1 + 1)n = 0.
8
Beweis. ⊳
Beweis. Es ist
n
X n
X Xn
(1 − a)( ak ) = ak − ( ak )a
k=0 k=0 k=0
Xn n
X n
X n+1
X
k k+1 k
= a − a = a − ak
k=0 k=0 k=0 k=1
n+1
= 1−a .
[a, b] = {x ∈ R : a ≤ x ≤ b}
]a, b] = {x ∈ R : a < x ≤ b}
[a, b[ = {x ∈ R : a ≤ x < b}
]a, b[ = {x ∈ R : a < x < b}
[a, ∞[ = {x ∈ R : x ≥ a}
]a, ∞[ = {x ∈ R : x > a}
] − ∞, a] = {x ∈ R : x ≤ a}
] − ∞, a[ = {x ∈ R : x < a}
Beweis. Sei p/q ∈ Q ein gekürzter Bruch (d.h. p ∈ Z, q ∈ N sind teilerfremd) mit p 2 /q 2 = 2.
Dann ist p2 = 2q 2 . Dann ist p2 gerade, also p gerade, denn Quadrate ungerader Zahlen sind
ungerade. Es folgt: p2 ist durch 4 teilbar ⇒ q 2 = p2 /2 ist durch 2 teilbar ⇒ q gerade – im
Widerspruch zur Annahme, dass p, q teilerfremd sind. ⊳
1.26 Lemma. Seien a, b ∈ R. Gilt für jedes ε > 0, dass a < b + ε ist, so ist a ≤ b.
9
Beweis. Wäre a > b, so ergibt sich für ε = a − b ein Widerspruch:
a < b + ε = b + (a − b) = a.
1.27 Satz. Existenz der Quadratwurzel. Es sei a ∈ R + = ]0, ∞[. Dann existiert ein x ∈ R+
√
mit x2 = a. Schreibe x = a oder x = a1/2 .
Beweis. Die Menge M = {r ∈ ]0, ∞[ : r 2 ≤ a} ist nichtleer: Ist a < 1, so ist a2 ≤ a, also a ∈ M ;
ist a ≥ 1, so ist 12 = 1 ≤ a, also 1 ∈ M .
Sie ist ferner beschränkt, denn für C > 1 + a ist C 2 > (1 + a)2 = 1 + 2a + a2 > a.
Sie hat also ein Supremum, x. Wir zeigen, dass x 2 = a ist.
1. Schritt: Wir zeigen, dass x2 < a+ε für jedes ε > 0. Sei ε > 0 vorgelegt. Zu jedem 0 < δ ≤ 1
existiert nach der Definition des Supremums ein r ∈ M mit r > x − δ. Also ist
Wir schätzen diesen Ausdruck nach oben ab. Zunächst ist δ ≤ 1. Wir unterscheiden nun zwei
Fälle: Ist r ≤ 1, so ist δ(2r + δ) ≤ δ(1 + 2) = 3δ. Ist r > 1, so ist r ≤ r 2 = a, also δ(2r + δ) ≤
δ(2a + 1). In jedem Fall ist
(x + δ)2 < x2 + ε = a,
falls δ hinreichend klein ist. Also ist x + δ ∈ M , und x ist nicht das Supremum. Widerspruch.
⊳
1.28 Bemerkung. Mit etwas mehr Arbeit kann man genauso die Existenz der n-ten Wurzel
√
a1/n bzw. n a aus jeder positiven reellen Zahl a zeigen.
1.29 Folgerungen.
(a) R ist (bedeutend) größer als Q. In Q gilt das Supremumsaxiom nicht (sonst könnten wir
schließen wie oben).
p
(b) Für rationales r = q mit p ∈ Z, q ∈ N und a ∈ R+ können wir
ar = (ap )1/q
definieren.
Es gilt ar = (a1/q )p und ar as = ar+s mit r, s ∈ Q.
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2 Komplexe Zahlen
2.1 Definition. Die Menge R×R bildet einen Körper, sofern man Addition und Multiplikation
wie folgt definiert:
Addition
(x1 , y1 ) + (x2 , y2 ) = (x1 + x2 , y1 + y2 );
Multiplikation
(x, y1 ) · (x2 , y2 ) = (x1 x2 − y1 y2 , x1 y2 + x2 y1 )
Das Nullelement ist (0, 0), das Einselement ist (1, 0) (nachrechnen!).
x −y
Additives Inverses: − (x, y) = (−x, −y), multiplikatives: (x, y) −1
= , 2 .
x + y x + y2
2 2
Dieser Körper heißt der Körper der komplexen Zahlen und wird mit C bezeichnet.
Aus den obigen Regeln ergibt sich, dass
Wir können also R als Teilmenge von C auffassen, indem wir x ∈ R mit (x, 0) ∈ C identifizieren.
Die Schreibweise mit zwei Komponenten ist unpraktisch und wird nicht benutzt. Man schreibt
Mit dieser Identifikation entspricht also i dem Tupel (0, 1). Unter Berücksichtigung der Regel
i2 = −1 kann man mit komplexen Zahlen dann wie mit reellen rechnen
2.2 Definition. Sei z = x + iy ∈ C. Dann heißt x Realteil von z und y Imaginärteil von z.
Schreibe x = Re z, y = Im z.
Die Zahl z = xp − iy nennt man das Konjugiert-Komplexe von z.
Die Zahl |z| = x2 + y 2 ∈ [0, ∞[ heißt Betrag von z.
(a) z 1 + z 2 = z1 + z2 .
(b) z 1 · z 2 = z1 · z2 .
(c) (z)−1 = z −1 .
(d) z = z.
(e) Re z = 12 (z + z), Im z = 1
2i (z − z).
Beweis.
11
(b) analog zu (a).
(b)
(c) z · z −1 = z · z −1 = 1 = 1. Die Multiplikation mit (z)−1 liefert die Behauptung.
(d) Schreibe z = x + iy. Dann ist z = x − iy und z = x + iy = z.
(e) Schreibe z = x + iy. Dann ist 21 (z + z) = 12 (x + iy + x − iy) = x und 2i 1
(z − z) =
1 1
2i (x + iy − x + iy) = 2i (2iy) = y.
(a) |z| ≥ 0.
(b) |z| = 0 ⇔ z = 0.
(c) |z| = |z|, |z|2 = zz.
(d) |z1 z2 | = |z1 ||z2 |.
(e) |z1 + z2 | ≤ |z1 | + |z2 |.
(f) |z1 + z2 | ≥ ||z1 | − |z2 ||.
erhalten. Da für eine reelle Zahl a gilt: |a| = a oder |a| = −a, folgt die Behauptung. ⊳
12
3 Folgen
3.1 Definition.
(a) Eine Folge reeller bzw. komplexer Zahlen ist eine Vorschrift, die jedem k ∈ N eine reelle
bzw. komplexe Zahl ak zuordnet. Eine Folge schreibt man meist (a 1 , a2 , . . .) oder (ak )∞k=1
oder kurz (ak ).
(b) Sind n1 < n2 < n3 < . . . Elemente von N, so heißt (an1 , an2 , . . .) Teilfolge von (ak ).
(c) Es sei (ak ) eine Folge in R oder C und a ∈ R bzw. C. Wir sagen
k→∞
Wir schreiben lim ak = a oder ak → a und nennen a den Grenzwert. Eine Folge, die
keinen Grenzwert hat, heißt divergent.
(d) Eine Folge heißt Cauchy-Folge, falls gilt: Zu jedem ε > 0 existiert ein n 0 ∈ N mit
3.2 Beispiele.
(a) Die Folge 1 konvergiert in R gegen 0.
k
(b) Die Folge (ik )k in C ist divergent.
Beweis. (a) Es sei ε > 0 vorgelegt. Wir müssen ein n0 finden mit |1/k − 0| < ε für alle k ≥ n0 .
Dazu wähle n0 ∈ N mit n0 > 1/ε.1 Dann gilt für k ≥ n0 :
1 1 1
| |= ≤ < ε für alle k ≥ n0 .
k k n0
(b) Gäbe es einen Grenzwert z in C, so gäbe es zu ε = 1/4 ein n0 mit
1
|ik − z| ≤ für k ≥ n0
4
und somit
1
|ik − il | = |ik − z + z − il | ≤ |ik − z| + |il − z| ≤ für k, l ≥ n0 .
2
Da jedoch i4k = 1 ist und i4k+2 = −1 für beliebiges k ∈ N, ist |i4k − i4k+2 | = 2. Widerspruch. ⊳
3.3 Satz. Der Grenzwert ist eindeutig: Konvergiert eine Folge gegen a und a ′ , so ist a = a′ .
1
Wieso gibt es eine solche Zahl? Nehmen wir an, die Menge der natürlichen Zahlen wäre nach oben beschränkt.
Dann hätte sie ein Supremum s. Nach Definition des Supremums existierte ein n ∈ N mit n > s − 1/2. Dann wäre
jedoch n + 1 ∈ N mit n + 1 > s. Widerspruch!
14
Beweis. Sei ε > 0. Dann existiert ein n 1 : |ak − a| < ε/2 ∀k ≥ n1 und es existiert ein n2 mit
|ak − a′ | < ε/2 ∀k ≥ n2 . Dann gilt für n0 ≥ max{n0 , n1 } : |a − a′ | ≤ |a − an0 | + |an0 − a′ | < ε.
Also ist |a − a′ | = 0 bzw. a = a′ . ⊳
3.4 Satz. Es sei (zk ) eine Folge komplexer Zahlen, zk = xk + iyk und z = x + iy ∈ C. Dann
gilt
xk konvergiert gegen x, und
zk konvergiert gegen z ⇐⇒
yk konvergiert gegen y.
Beweis.
⇒“ Sei zk konvergent gegen z = x+iy und ε > 0. Dann existiert ein n 0 mit |zk −z| < ε ∀k ≥ n0 .
”
Also
⇐“ Sei ε > 0 vorgelegt. Dann existiert ein n 1 mit |xk − x| < ε/2 ∀k ≥ n1 und es existiert ein
”
n2 mit |yk − y| < ε/2 ∀k ≥ n2 . Setze n0 = max{n1 , n2 } und z = x + iy. Dann gilt für
k ≥ n0
|zk − z| = |xk − x + iyk − iy| ≤ |xk − x| + |yk − y| < ε.
⊳
3.5 Satz: Rechenregeln für Grenzwerte. Es seien (xk ), (yk ) Folgen in K (K = R oder
K = C), x, y ∈ K.
(a) Ist die Folge (xk ) konvergent, so ist sie auch beschränkt, d. h.
Beweis.
(a) Zu ε = 1 existiert ein n0 mit |xk − x| < 1 für k ≥ n0 . Damit ist |xk | ≤ |xk − x| + |x| ≤
|x| + 1 ∀k ≥ n0 . Für C = max{|x1 |, . . . , |xn0 −1 |, |x| + 1} ergibt sich die Behauptung.
(b) (Additivität) Sei ε > 0 vorgelegt. Dann existieren n 1 , n2 mit |xk − x| ≤ ε/2 ∀k ≥ n1 und
|yk − y| ≤ ε/2 ∀k ≥ n2 . Für k ≥ n0 := max{n1 , n2 } folgt
(Multiplikativität) Nach (a) existiert ein C ≥ 0 mit |y k | ≤ C für alle k. Zu ε > 0 wähle
n1 und n2 so, dass
ε
|xk − x| < ∀k ≥ n1 , und
2C
ε
|yk − y| < ∀k ≥ n2 .
2|x| + 1
15
Für k ≥ max{n1 , n2 } folgt
|x−1 −1 −1 −1 −1 −1
k − x | = |x (x − xk )xk | ≤ |x| |xk | |x − xk |.
1 2 ε 2
|x−1 −1
k −x |< |x| ≤ ε.
|x| |x| 2
⊳
Beweis. Es sei xk → x und ε > 0. Wähle n0 so, dass |xk − x| < ε/2 ∀k ≥ n0 . Dann ist für
k, m ≥ n0 : |xk − xm | ≤ |xk − x| + |x − xm | < ε/2 + ε/2 = ε. ⊳
3.8 Satz. Monoton wachsende, nach oben beschränkte Folgen reeller Zahlen sind konvergent:
Gibt es ein C ∈ R mit xk ≤ xk+1 ≤ C für alle k, so gilt xk → x = sup{xk }.
Beweis. Sei ε > 0 vorgelegt. Nach Definition des Supremums existiert ein n 0 mit
xn0 > x − ε.
3.9 Folgerung. Ist die Folge (xk ) monoton fallend und nach unten beschränkt, so ist (xk )
auch konvergent. (Betrachte (−xk )!)
3.10 Satz. Stabilität des Grenzwerts. Es seien (xk ), (yk ) Folgen in R mit xk ≤ yk ∀k. Gilt:
xk → x und yk → y, so folgt x ≤ y.
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Beweis. Annahme: x > y. Setze ε = x − y > 0. Dann existieren n 1 , n2 mit |xk − x| < ε/2 für alle
k ≥ n1 bzw. |yk − y| < ε/2 für alle k ≥ n2 . Für k ≥ max{n1 , n2 } gilt
ak ≤ xk ≤ bk für alle k ∈ N.
Beweis. Sei ε > 0 vorgelegt. Dann existieren n 1 , n2 mit |ak − x| < ε/3 ∀k ≥ n1 , |bk − x| <
ε/3 ∀k ≥ n2 . Setze n0 = max{n1 , n2 }. Dann gilt
3.12 Satz. In R ist jede Cauchy-Folge konvergent. Eine Menge, in der jede Cauchyfolge einen
Grenzwert hat, nennt man vollständig.
Beweis. Es sei (xk ) eine Cauchy-Folge. Wir definieren zwei neue Folgen
Beweis. Sei (zk ) eine Cauchy-Folge in C. Dann sind (Re zk ) und (Im zk ) Cauchy-Folgen in R
nach 3.4. Mit 3.12 folgt, dass (Re zk ) und (Im zk ) Grenzwerte in R haben, und schließlich mit
3.4, dass (zk ) einen Grenzwert in C hat. ⊳
3.14 Definition und Bemerkung. Man sagt, eine Folge (a k ) reeller Zahlen divergiere be-
stimmt gegen +∞ und schreibt lim ak = +∞, falls gilt:
Dies ist äquivalent dazu, dass ab einem festen Index n 1 gilt ak > 0 und lim a1k = 0. (Wieso?)
Ebenso: lim ak = −∞, falls lim(−ak ) = +∞, d.h. falls ∀M > 0∃n0 : ak < −M ∀k ≥ n0 .
17
3.15 Beispiele.
(a) Die Folgen 1 , j = 1, 2, 3, . . . konvergieren in R gegen 0.
j
k
(b) Ist z ∈ C mit |z| < 1, so ist die Folge (z k ) eine Nullfolge.
(c) Sei z ∈ C, |z| < 1, r ∈ N. Dann ist
lim k r |z|k = 0.
√
k
(d) k → 1.
√
(e) Es sei a > 0. Dann gile k a → 1.
√k
(f) k 2 + k + 2 → 1.
√k
(g) ( k!) divergiert bestimmt gegen +∞.
Beweis.
(a) Wir wissen, dass 0 ≤ k1j ≤ k1 für k ∈ N und j = 2, 3, . . . Also folgt die Behauptung aus 3.2
und dem Schachtelungssatz.
(b) Sei ε > 0 vorgelegt. Wir haben zu zeigen, dass ein n 0 existiert mit |z k | < ε ∀k ≥ n0 bzw.,
äquivalent dazu, dass |z1k | > 1ε ∀k ≥ n0 .
1 1
Es ist |z| > 1. Setze δ := |z| − 1. Wähle n0 so groß, dass n0 δ > 1ε .
Dann gilt für k ≥ n0 nach der Bernoullischen Ungleichung:
n 0
1 1 1.10 1 1 n0
Bernoulli 1
k
= k
≥ n
= = (1 + δ) ≥ 1 + n 0 δ > .
|z | |z| |z| 0 |z| ε
Da lim(1 + k1 )r = (lim( 1 + k1 ))r = 1 ist, und |z| < 1 folgt, dass bk+1 < bk für k ≥ k0 , k0
geeignet. Dann ist (bk )∞
k=k0 monoton fallend und beschränkt, somit konvergent nach 3.9.
Sei α der Grenzwert. Wäre α 6= 0, so wäre nach den Rechenregeln
bk+1 lim bk+1
lim = = 1,
bk lim bk
(weil lim bk+1 = lim bk !?). Dies ist ein Widerspruch zu (1). Also folgt α = 0.
√
(d) Zeige: Zu ε > 0 existiert ein n 0 mit k k − 1 < ε:
k k
1 1 1
Es ist 0 < 1+ε < 1. Somit ist nach (c) lim k 1+ε = 0. Es folgt k 1+ε < 1 bzw.
k
√
k
1 < k < (1 + ε) für k ≥ n0 , also auch 1 < k < 1 + ε für k ≥ n0 .
(e) Für a ≥ 1 folgt dies aus dem Schachtelungssatz, weil für alle k ≥ a gilt:
√ √
k
1 ≤ a ≤ k ⇒ 1 ≤ k a ≤ k → 1.
q
1 k 1
Für a < 1 betrachte 1/a: √ k a = a → 1.
√ √k
√ √ √
(f) Schachtelungssatz und Rechenregeln: 1 ≤ k k 2 + k + 2 ≤ 4k 2 = k 4 k k k k → 1.
18
√
(g) Zu zeigen: Zu M > 0 existiert n 0 mit bzw. M k /k! < 1 k
k! > M für alle k ≥ n0 . Nun ist
für k ≥ k0 ≥ 2M :
Mk M k0 M M M k0 k0 −k
= · ... · ≤ 2 <1
k! k0 ! k0 + 1 k k0 !
| {z }
(k−k0 ) Faktoren ≤1/2
3.16 Satz von Bolzano-Weierstraß. In R und C hat jede beschränkte Folge eine konvergente
Teilfolge.
Beweis. 1. Schritt: Folge in R. Auf Grund der Beschränktheit gibt es ein Intervall [a1 , b1 ],
a1 < b1 , in dem alle Folgenglieder liegen. Wir halbieren es und erhalten zwei Teilintervalle
[a1 , a1 +b a1 +b1
2 ] und [ 2 , b1 ]. In einem davon (evtl. in beiden) liegen unendlich viele Glieder. Wir
1
nennen es [a2 , b2 ]. Schrittweise erhalten wir eine ineinander geschachtelte Folge von Intervallen
Ij = [aj , bj ] , deren Länge bj − aj gegen Null konvergiert. In ihrem Durchschnitt liegt genau ein
Punkt x (Übungsaufgabe). Wählt man Folgenglieder xkj ∈ Ij mit k1 < k2 < . . . so hat man die
gesuchte (gegen x) konvergente Teilfolge.
2. Schritt: Folge in C. Ebenso mit Real- und Imaginärteil. ⊳
19
4 Reihen
Im Folgenden sei K = R oder K = C.
4.1 Definition. Es sei (xk ) Folge in K. Wir schreiben
∞
X
xk = s
k=1
P∞
und sagen, die Reihe k=1 xk konvergiere, falls die sogenannte Partialsummen-Folge
n
X
sn = xk n = 1, 2, . . .
k=1
in K gegen s konvergiert.
Oft startet man die Folge/Reihe auch bei k = 0. Für Konvergenzfragen macht das keinen
Unterschied.
∞
X ∞
X
4.2 Satz. Es seien xk = x und yk = y konvergent. Dann folgt
k=1 k=1
∞
X
(xk + yk ) = x + y und
k=1
∞
X
(cxk ) = cx für c ∈ K.
k=1
4.3 Cauchy-Kriterium. In K ist eine Folge genau dann konvergent, wenn sie eine Cauchyfolge
ist. Daher gilt
∞
X Def.
xk konvergiert ⇔ Partialsummenfolge konvergiert
k=1
3.12
⇔ Partialsummenfolge ist Cauchy-Folge; mit anderen Worten:
M
X
∀ε > 0 ∃ n0 : xk < ε ∀N, M ≥ n0
k=N
Pn
4.4 Satz. Die Glieder einer konvergenten Reihe bilden eine Nullfolge: Ist k=1 xk konvergent
in K, so gilt xk → 0. (Die Umkehrung gilt nicht; siehe 4.8(b).)
Beweis. Die Partialsummenfolge (s n ) ist eine Cauchy-Folge nach 3.6. Daraus folgt, dass zu ε > 0
ein n0 existiert mit |sn − sm | < ε ∀n, m ≥ n0 ⇒ |xn | = |sn − sn−1 | < ε ∀n > n0 . ⊳
P P∞
4.5 Definition. Eine Reihe ∞ k=1 xk heißt absolut konvergent, falls k=1 |xk | konvergiert.
20
Beweis. Wende Cauchy-Kriterium 4.3 an:
M
X M
X
| xk | ≤ |xk |.
k=N k=N
4.7 Bemerkung. Für Fragen der (absoluten) Konvergenz spielen alle Veränderungen, die an
lediglich endlich vielen Gliedern vorgenommen werden keine Rolle (für den Wert schon).
Wenn man endlich viele Glieder einer konvergenten Reihe umordnet, ändert sich der Wert
der Reihe nicht.
4.8 Beispiele.
P∞ k k
(a) k=1 (−1) ist nicht konvergent, da ((−1) ) keine Nullfolge ist.
P∞ 1 1
(b) (Harmonische Reihe) k=1 k ist nicht konvergent, obwohl ( k ) eine Nullfolge ist! Wir
betrachten die Partialsummen
s1 = 1
1
s2 = 1 +
2
1 1 1 1 1
s4 = 1+ + + >1+ +
2 |{z}
3 4 2 2
> 14
1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
s8 = 1 + + + + + + + >1+ + +
2 3 4 5 6 7 8 2 2 2
Mit Induktion: s2k ≥ 1 + k2 , also nicht konvergent.
(c) (Geometrische Reihe) Es sei z ∈ C, |z| < 1. Dann ist
∞
X 1
zk = ,
1−z
k=0
weil
n
X 1.22 1 − z n+1 n→∞ 1
zk = → .
1−z 1−z
k=0
nach 3.15.
P∞ 1 1 1 1
(d) k=1 k(k+1) = 1, denn k(k+1) = k − k+1 . Also ist
n
X 1 1 1 1
= + + ... +
k(k + 1) 1·2 2·3 n(n + 1)
k=1
1 1 1 1 1 1
+ − + ... + −
= 1− =1− .
2 2 3 n n+1 n+1
P P∞
4.9 Satz (Cauchy-Produkt). Es seien ∞ k=0 xk und k=0 yk absolut konvergent. Dann ist
(mit absoluter Konvergenz)
∞
! ∞ ∞
k
X X X X
xk yj = xk−j yj .
k=0 j=0 k=0 j=0
21
Veranschaulichung: Es werden erst die Werte entlang der Diagonalen multipliziert und addiert;
dann werden diese aufaddiert.
x0 y0
|{z}
k=0
+ x1 y 0 + x0 y 1
| {z }
k=1
+ x2 y 0 + x1 y 1 + x0 y 2
| {z }
k=2
+ ...
Beweis. –
Konvergenzkriterien
4.10 Satz
P(Leibniz-Kriterium). Es sei (x n ) eine monoton fallende Nullfolge reeller Zahlen.
Dann ist ∞k=1 (−1)k x konvergent.
k
Pn k
Beweis. Setze sn = k=1 (−1) xk . Dann gilt
Man sieht:
(1) (s2n ) monoton fallend und nach unten beschränkt, da s2n ≥ s1 ∀n, hat also einen Grenzwert
s nach 3.8.
(2) (s2n+1 ) monoton wachsend und nach oben beschränkt: s2n+1 ≤ s2n ≤ s2 ; hat also einen
Grenzwert s′ .
Man sieht nun leicht, dass s = s′ ist, und ist fertig. ⊳
P∞ k1
4.11 Beispiel. Die alternierende harmonische Reihe k=1 (−1) k konvergiert nach dem Leib-
nizkriterium.
⊳
P 1 P 1 1 1
4.13 Beispiel. Die Reihe k2
konvergiert, weil k(k+1) konvergiert und k2
≤ 2 k(k+1) .
22
4.14 Satz (Quotientenkriterium). Es sei (x k ) Folge in K. Falls ein k0 existiert, so dass für
k ≥ k0 gilt xk 6= 0 und
|xk+1 |
≤ c < 1, (1)
|xk |
P
so ist xk absolut konvergent.
Damit folgt die Konvergenz aus dem Majorantenkriterium, denn die Reihe
∞
X ∞
X
k
|xk0 |c = |xk0 | ck
k=k0 k=k0
Beweis. Wegen |xk | ≤ ck folgt die Konvergenz aus dem Majorantenkriterium und der Konvergenz
der geometrischen Reihe. ⊳
4.16 Bemerkung.
(a) Das Wurzelkriterium bzw. das Quotientenkriterium sind insbesondere erfüllt, wenn die
folgenden Grenzwerte existieren und < 1 sind:
|xk+1 | p
lim < 1 bzw. lim k |xk | < 1.
k→∞ |xk | k→∞
|x | p
(b) Existiert ein k0 mit |xk+1
k|
≥ 1 oder k |xk | ≥ 1 für alle k ≥ k0 , so ist die Reihe divergent,
denn dann bilden die Glieder keine Nullfolge. Dies ist insbesondere der Fall wenn die
obigen Grenzwerte > 1 sind. (Sind die Grenzwerte 01, so ist keine Aussage möglich.)
(c) Ist das Quotientenkriterium erfüllt, so ist auch das Wurzelkriterium erfüllt, s. 4.14(2).
(d) Ist die Reihe absolut konvergent, so kann man die Glieder beliebig umordnen, ohne dass
sich der Reihenwert ändert.
Man setzt e : e1 .
23
2k
k z
P∞
(b) k=0 (−1) (2k)! = cos z konvergiert für alle z ∈ C (Wurzelkriterium).
P∞ 2k+1
(c) k z
k=0 (−1) (2k + 1)! = sin z konvergiert für alle z ∈ C (Wurzelkriterium).
4.18 Satz.
(a) e(0) = 1
(b) ez ew = ez+w . Insbesondere: ez 6= 0 ∀z ∈ C, da ez e−z = e0 = 1.
(c) eiz = cos z + i sin z, z ∈ C (Eulersche Formel).
Speziell: x ∈ R: cos x = Re eix , sin x = Im eix .
(d) cos(−z) = cos z, sin(−z) = − sin z, z ∈ C
eiz + e−iz eiz − e−iz
(e) cos z = , sin z = , z ∈ C.
2 2i
(f) |eix | = 1 für x ∈ R, insbesondere −1 ≤ cos x, sin x ≤ 1 für x ∈ R (auf C sind beide
Funktionen unbeschränkt).
(g) ez = ez
(h) cos(w + z) = cos w cos z − sin w sin z
sin(w + z) = sin w cos z + cos w sin z, w, z ∈ C.
Beweis.
(a) klar
(b)
∞ X
k ∞ X
k
z w Cauchy−Produkt X z j wk−j X 1 k j k−j
e e = = z w
j! (k − j)! k! j
k=0 j=0 k=0 j=0
∞
BIN LS
X 1
= (z + w)k = ez+w .
k!
k=0
(c)
∞ ∞ ∞
X (iz)k 4.2
X (iz)2l X (iz)2l+1
eiz = = +
k! (2l)! (2l + 1)!
k=0 l=0 l=0
∞ ∞
4.2
X z 2l X z 2l+1
= (−1)l +i (−1)l
(2l)! (2l + 1)!
l=0 l=0
= cos z + i sin z
24
(g) Schreibe z = x + iy,
25
5 Stetigkeit
Im Folgenden seien X, Y, Z Teilmengen von R oder C. Ferner sei f : X → Y eine Abbildung.
5.1 Definition.
∀ε > 0 ∃ δ > 0 so, dass |f (x) − f (x0 )| < ε, falls x ∈ X und |x − x0 | < δ.
(b) f heißt stetig auf X, falls f in jedem Punkt von X stetig ist.
(c) C(X, Y ) = {f : X → Y : f stetig}. Statt C(X, R) bzw. C(X, C) schreibt man meist C(X).
5.2 Satz (Folgencharakterisierung). f ist stetig in x 0 ∈ X genau dann, wenn für jede Folge
(xn ) mit xn → x0 gilt: f (xn ) → f (x0 ).
Wähle n0 so groß, dass |xk − x0 | < δ für k ≥ n0 . Es folgt |f (xk ) − f (x0 )| < ε für k ≥ n0 ,
d.h.f (xk ) → f (x0 ).
⇐“ Sei f nicht stetig in x0 . Dann existiert ein ε0 derart, dass für alle δ mindestens ein x(δ)
”
existiert mit
|f (x(δ) ) − f (x0 )| ≥ ε0 , obwohl |x(δ) − x0 | < δ. (1)
Speziell für δn = 1/n wähle xn := x(δn ) , n = 1, 2, 3, . . .. Wegen (1): xn → x0 , aber f (xn ) 6→ f (x0 ).
⊳
5.4 Lemma (Einschränkung). Ist f : X → Y stetig, und ist X0 ⊆ X, so ist die Einschränkung
von f auf X0 die Funktion f |X0 : X0 → Y mit f |X0 (x) = f (x) für x ∈ X0 .
Klar: Ist f stetig in x0 ∈ X0 , so auch f |X0 .
(a) f + g : X → K stetig in x0 .
(b) f g : X → K stetig in x0 .
1
(c) Ist zusätzlich f (x) 6= 0 für alle x ∈ X, so ist auch f (x) stetig in x0 .
26
5.6 C-wertige Funktionen. Ist f : X → C stetig, so gibt es für jedes x ∈ X zwei eindeutig
bestimmte Elemente a(x), b(x) ∈ R mit
Damit liefern a : x 7→ a(x) und b : x 7→ b(x) selbst Abbildungen von X nach R, die man als
Realteil und Imaginärteil von f bezeichnet: a = Re f, b = Im f .
Aus 3.4 folgt: f stetig in x0 ⇔ Re f und Im f stetig in x0 .
P
5.7 Lemma. Eine Funktion p : C → C der Form p(z) = nk=0 ak z k mit geeignetem n ∈ N0
und a0 , . . . , an ∈ C heißt (komplexwertiges) Polynom.
(a) Polynome sind auf C stetig (also auch auf R).
(b) Es seien p, q Polynome und X = {z : q(z) 6= 0}. Dann ist die Funktion f : X → C definiert
durch
p(z)
f (z) =
q(z)
stetig. Diese Funktionen heißen rationale Funktionen.
Beweis. (a) Schrittweise: Zunächst sind die konstanten Funktionen z 7→ c, c ∈ C fest, stetig: Aus
zn → z0 stets folgt c → c.
Ferner ist die Funktion z 7→ z stetig: Aus z n → z0 folgt zn → z0 .
Damit sind nach 5.5 auch die Funktionen z 7→ a k z k , k = 1, 2, . . ., stetig, somit, wiederum
nach 5.5 das Polynom als deren Summe.
(b) Verwende (a) und 5.5(c). ⊳
5.8 Lemma.
(a) Die Exponentialfunktion exp : C → C ist stetig.
(b) sin z, cos z : C → C sind stetig.
Beweis. (a) Zunächst z0 = 0: Sei ε > 0 vorgelegt. Wir können annehmen, dass ε < 1 ist. Wähle
δ = ε/2. Zeige zunächst Stetigkeit in 0: Für |z − 0| < δ gilt 1 − |z| > 1/2 und
∞ ∞
X zk X zk
| exp(z) − exp(0)| = | − 1| = | |
k! k!
k=0 k=1
<δ
∞ ∞
z}|{
X|z|k X
k |z| δ
≤ ≤ |z| = < = ε.
k! 1 − |z| 1/2
k=1 k=1 | {z }
>1/2
5.9 Beispiele. Die Betragsfunktion ist stetig auf R und C, weil ||z| − |z n || ≤ |z − zn |.
27
5.10 Zwischenwertsatz. Es sei [a, b] ein Intervall, a < b und f : [a, b] → R stetig. Ist f (a) < 0
und f (b) > 0, so existiert ein x0 ∈]a, b[ mit f (x0 ) = 0.
5.11 Folgerung (Zwischenwertsatz). Es sei f : [a, b] → R stetig. Dann nimmt f jeden Wert
zwischen f (a) und f (b) an.
Beweis. Sei etwa f (a) < f (b) und f (a) < c < f (b). Definiere g : [a, b] → R durch g(x) = f (x)− c.
Dann g(a) < 0, g(b) > 0. Nach 5.13 existiert x 0 mit g(x0 ) = 0, also f (x0 ) = c. Ist f (a) > f (b)
und f (a) > c > f (b), so betrachte g(x) = c − f (x). ⊳
5.12 Folgerung. Es sei I ∈ R irgendein Intervall, f : I → R stetig. Dann ist das Bild f (I) ein
Intervall.
Bemerkung: Der Intervalltyp (offen, abgeschlossen, beschränkt) muss nicht erhalten bleiben.
5.13 Satz. Es sei f : [a, b] → R stetig und streng monoton wachsend (d. h. f (x 1 ) > f (x2 ) für
x1 > x2 , x1 , x2 ∈ [a, b]). Setze A = f (a), B = f (b). Dann ist
f : [a, b] → [A, B] bijektiv,
hat also eine Umkehrfunktion F : [A, B] → [a, b] und diese ist stetig und streng monoton
wachsend. (Analog für monoton fallende Funktionen.)
28
5.15 Bemerkung. Ist k ∈ N ungerade, so ist x k : R → R streng monoton, bijektiv und stetig,
√
also existiert die Umkehrfunktion F (y) = k y.
5.16 Satz. exp : R → R ist stetig, streng monoton wachsend und bildet R bijektiv auf R + ab.
Die Umkehrfunktion wird als natürlicher Logarithmus bezeichnet
ln : R+ → R.
Sie ist streng monoton wachsend und stetig. Aus e u ev = eu+v folgt
ln(xy) = ln x + ln y, x, y ∈ R+ . (1)
ax := exp(x ln a).
Bemerkung: (d) und (e) zeigen, dass wir eine sinnvolle Erweiterung der bisherigen Definition
gewählt haben.
5.18 Lemma und Definition. Die cos-Funktion hat auf [0, 2] genau eine Nullstelle. Sie wird
mit π/2 bezeichnet. Die sin-Funktion ist auf ]0, 2] positiv.
5.19 Folgerungen.
3
(a) eiπ/2 = i, eiπ = −1, ei 2 π = −i, e2πi = 1
(b) cos(x + 2π) = cos x, sin(x + 2π) = sin x 2π-periodisch“
”
(c) cos(x + π) = − cos x, sin(x + π) = − sin x
(d) cos( π2 − x) = sin x, sin( π2 − x) = cos x
(e) {x ∈ R : sin x = 0} = {kπ : k ∈ Z} {x ∈ R : cos x = 0} = {π/2 + kπ : k ∈ Z}
(f) ix
e = 1 ⇔ x = 2kπ für ein k ∈ Z
Beweis.
5.18
(a) cos2 π2 + sin2 π
2 = |eiπ/2 | = 1 ⇒ sin π2 = 1 ⇒ eiπ/2 = cos π2 + i sin π2 = 0 + i · 1 = i. Rest
mit 4.18(b).
Rest ähnlich. ⊳
29
5.20 Definition. Tangens, Cotangens
sin x π
tan x = x∈R\{ + kπ : k ∈ Z}
cos x 2
cos x
cot x = x ∈ R \ {kπ : k ∈ Z}
sin x
5.21 Inverse trigonometrische Funktionen.
(a) cos : [0, π] → [−1, 1] ist stetig und streng monoton fallend mit cos 0 = 1 und cos π = −1.
Nach 5.13 existiert stetige Umkehrfunktion arccos“
”
arccos : [−1, 1] → [0, π].
(b) sin : [−π/2, π/2] → [−1, 1] ist stetig, streng monoton wachsend und bijektiv. Nach 5.13
existiert eine stetige Umkehrfunktion arcsin“
”
arcsin : [−1, 1] → [−π/2, π/2].
(c) tan : ] − π/2, π/2[ → R ist stetig, streng monoton wachsend und bijektiv. Nach 5.13
(mit den Zusatzüberlegungen aus den Beweisen von 5.14 und 5.16) existiert eine stetige
Umkehrfunktion arctan“
”
arctan : R → ] − π/2, π/2[.
5.22 Satz (Polardarstellung komplexer Zahlen). Jedes z ∈ C lässt sich in der Form
z = reiϕ
schreiben, wobei r = |z| und ϕ ∈ R ist. Für z 6= 0 ist ϕ bis auf ein Vielfaches von 2π bestimmt.
Man nennt ϕ das Argument von z.
5.23 Bemerkung. Der obige Beweis zeigt insbesondere, dass die Abbildung
bijektiv ist.
30
5.25 Satz: n-te Einheitswurzeln. Sei n ∈ N, n ≥ 2. Dann hat die Gleichung z n = 1 in C
genau n verschiedene Lösungen, nämlich
zj = ei2πj/n j = 0, . . . , n − 1. (1)
Beweis. Offensichtlich gilt zjn = ei2πj = 1. Die zj sind paarweise verschieden nach 5.19(f).
Umgekehrt sei z ∈ C und z n = 1. Schreibe z = reiϕ . Es folgt r n einϕ = 1. Es folgt r = 1 und
nϕ ∈ {2kπ : k ∈ Z}, also ϕ ∈ {2kπ/n : k ∈ Z}. Wegen e i2kπ = 1 liefert dies genau (1). ⊳
5.26 Satz. Es sei f : [a, b] → R stetig. Dann nimmt f sein Maximum und sein Minimum an.
Wichtig: Stetige reellwertige Funktion, endliches, abgeschlossenes Intervall. Sonst i. Allg. falsch.
Beweis. 1. Schritt: f ist beschränkt. Annahme: Es existiert eine Folge (t k ) in [a, b] mit |f (tk )| →
∞ (*). Nach Bolzano-Weieerstraß hat (t k ) eine konvergente Teilfolgen (tkl ) mit tkl → t0 ∈ [a, b]
nach 3.10. Da |f | stetig ist, konvergiert |f (t kl )| gegen |f (t0 )| – Widerspruch zu (*).
2. Schritt: Also existiert ein M = sup{f (t) : t ∈ [a, b]}. Nach der Definition des Supremums
existiert eine Folge
(tk ) in [a, b] mit f (tk ) → M.
Nach Bolzano-Weierstraß existiert eine konvergente Teilfolge (t kj ) mit tkj → t0 in [a, b].
Da f stetig ist, folgt
31
6 Differentialrechnung in R
Im Folgenden sei D ⊆ R ein Intervall (offen, abgeschlossen, . . .) mit mehr als einem Punkt und
f : D → K (K = R oder K = C) eine Funktion.
f (t) − f (t0 )
lim =: f ′ (t0 ) ∈ K. (1)
t→t0 t − t0
(Ableitung von f an der Stelle t0 ) existiert. Die Schreibweise lim t→t0 . . . soll heißen, dass für jede
Folge (tk ) mit tk → t0 gilt
f (tk ) − f (t0 )
lim =: f ′ (t0 ) ∈ K.
k→∞ t − t0
Der Ausdruck ist natürlich nur dann sinnvoll, wenn tk ∈ D und tk 6= t0 für alle k. Das wollen
wir stillschweigend voraussetzen.
Äquivalent zu (1) kann man schreiben
f (t0 + h) − f (t0 )
f ′ (t0 ) = lim ,
h→0 h
wobei hier Folgen (hk ) mit t0 + hk ∈ D, hk 6= 0 betrachtet werden.
Die Funktion f heißt von rechts (bzw. von links) differenzierbar, falls man sich auf Folgen
mit tk > t0 (bzw. tk < t0 ) beschränkt.
Die Funktion f heißt auf D differenzierbar, falls sie in jedem t 0 ∈ D differenzierbar ist.
Beweis. (a) ⇒ (b) Wir definieren c = f ′ (t0 ) und ϕ(t) durch (1). Dann gilt
(b) ⇒ (a)
f (t) − f (t0 ) ϕ(t)
=c− → c.
t − t0 t − t0
Also ist f differenzierbar und f ′ (t0 ) = c. ⊳
30
6.3 Folgerung. Ist f : D → R in t0 differenzierbar, so ist f in t0 stetig, da aus 6.1(1) folgt,
dass limt→t0 f (t) = f (t0 ).
6.4 Satz.
(a) Eine Funktion f : D → C ist in t0 db genau dann, wenn Re (f ) und Im (f ) in t 0 db sind.
In diesem Fall ist f ′ (t0 ) = (Re f )′ (t0 ) + i(Im f )′ (t0 ).
(b) Sind f, g : D → K db in t0 , so ist
(i) (f + g) : D → K db in t0 und (f + g)′ (t0 ) = f ′ (t0 ) + g ′ (t0 ) und
(ii) (f g) : D → K ist db in t0 mit (f g)′ (t0 ) = f ′ (t0 )g(t0 ) + f (t0 )g′ (t0 ).
Insbesondere: (f =const) Die differenzierbaren Funktionen bilden also einen Unterraum
von C(D).
(c) Ist zusätzlich g(t) 6= 0 ∀t ∈ D, so ist auch 1/g : D → K differenzierbar in t 0 und
(1/g)′ (t0 ) = −g ′ (t0 )/g(t0 )2
31
(b) Ähnlich zeigt man sin und cos sind differenzierbar auf R mit sin ′ = cos und cos′ = − sin.
(c) f (t) = |t| differenzierbar auf R \ {0} mit
′ 1 t>0
f (t) = .
−1 t < 0
6.7 Satz. Ableitung der Umkehrfunktion. Es sei f : D = [a, b] → R stetig und streng mo-
noton, D ∗ = f (D). Ist f differenzierbar in t0 ∈ D und f ′ (t0 ) 6= 0, so ist auch die Umkehrfunktion
F : D ∗ → D differenzierbar in x0 = f (t0 ) ∈ D ∗ mit
1
F ′ (x0 ) = .
f ′ (F (x 0 ))
Beweis. Sei (yk ) Folge in D ∗ \ {f (t0 )} mit yk → f (t0 ) =: y0 . Setze tk = F (yk ). Da F stetig ist
nach (5.16), gilt tk → t0 ; ferner ist tk 6= t0 für alle k, da f : D → D ∗ bijektiv ist.
Nun gilt
F (yk ) − F (y0 ) tk − t 0
= .
yk − y0 f (tk ) − f (t0 )
1 1
Da f ′ (t0 ) 6= 0 existiert nach 3.5 der Grenzwert, und F ′ (y0 ) = f ′ (x0 ) = f ′ (F (y0 )) . ⊳
Da g in e0 differenzierbar ist, gilt lime→e0 g∗ (e) = g ′ (e0 ), also ist g ∗ stetig. Außerdem gilt für
alle e ∈ E
g(e) − g(e0 ) = g ∗ (e)(e − e0 ).
Somit folgt
g(f (t)) − g(f (t0 )) f (t) − f (t0 )
= g∗ (f (t)) .
t − t0 t − t0
Also existiert (g ◦ f )′ (t0 ) und hat den Wert g ′ (f (t0 ))f ′ (t0 ). ⊳
32
6.10 Beispiele. f (t) = tc = exp(c ln t); t > 0, c ∈ R fest. Dann ist
1 1
f ′ (t) = exp′ (c ln t) · c = tc c = c tc−1 .
t t
df d2 f dn f
f′ = , f ′′ = , ..., f (n) = .
dt dt2 dtn
Man sagt, f sei k-mal stetig differenzierbar auf D, falls f k-mal differenzierbar ist und die k-te
Ableitung stetig ist. Schreibe f ∈ C k (D).
6.12 Lokale und globale Extrema und Minima. Nach Satz 5.26 hat eine stetige Funktion
f : [a, b] → R auf [a, b] Maxima und Minima (‘globale Maxima/Minima’). Man nennt t 0 ∈ [a, b]
ein lokales Maximum, falls ein ε > 0 existiert mit
Man spricht von isoliertem lokalen Maximum/Minimum, falls (1) bzw. (2) nur für t = t0 Gleich-
heit gilt.
Extremum“ = Oberbegriff für Maximum“ und Minimum“.
” ” ”
6.13 Satz. Die Funktion f : [a, b] → R sei in t 0 ∈ ]a, b[ differenzierbar und habe dort ein lokales
Extremum. Dann ist f ′ (t0 ) = 0.
Beweis. f besitze in t0 ein lokales Maximum. Dann existiert ein ε > 0, so dass I ε = ]t0 − ε, t0 + ε[ ⊆
]a, b[ und f (t) ≤ f (t0 ) ∀t ∈ Iε . Für die links- bzw. rechtsseitige Ableitung f − und f+ folgt:
f (t) − f (t0 )
f+′ (t0 ) = lim ≤0
t→t+
0
t − t0
f (t) − f (t0 )
f−′ (t0 ) = lim ≥ 0.
t→t−
0
t − t0
Da f in t0 differenzierbar ist, gilt f+′ (t0 ) = f−′ (t0 ) = f ′ (t0 ), also f ′ (t0 ) = 0.
Für Minima analog. ⊳
6.14 Bemerkung. Notwendig, nicht hinreichend: f : [−1, 1] → R mit f (t) = t 3 hat kein
Extremum in t0 = 0, obwohl f ′ (0) = 0.
6.15 Bemerkung. Ist f : [a, b] → R stetig, so hat f auf [a, b] ein Maximum, denn [a, b] ist
kompakt. Nun zwei Möglichkeiten:
(i) Das Maximum liegt auf dem Rand (Untersuche f (a), f (b)) oder
33
(ii) das Maximum liegt im Inneren ]a, b[. Dort 6.13 anwenden, vorausgesetzt dass f differen-
zierbar ist in ]a, b[.
6.16 Satz. (Satz von Rolle). Sei a < b und f : [a, b] → R stetig Funktion, differenzierbar in
]a, b[. Ist f (a) = f (b), so existiert ein t 0 ∈ ]a, b[ mit f ′ (t0 ) = 0.
Wichtig ist hier, dass K = R!
6.17 Satz. (Mittelwertsatz). Sei a < b, f : [a, b] → R stetig, differenzierbar in ]a, b[. Dann
existiert ein t0 ∈ ]a, b[ mit
f (b) − f (a) = f ′ (t0 )(b − a). (1)
f (b)−f (a)
Beweis. Definiere g : [a, b] → R durch g(t) = f (t) − b−a (t − a). Dann ist g stetig in [a, b]
f (b)−f (a)
und g(a) = f (a), g(b) = f (b). Nach Rolle existiert ein t 0 mit 0 = g ′ (t0 ) = f ′ (t0 ) − b−a . ⊳
(a) Falls m ≤ f ′ (ξ) ≤ M für geeignete m, M ∈ R und alle ξ ∈]a, b[, so ist für alle s, t ∈ [a, b]
mit s ≤ t
m(t − s) ≤ f (t) − f (s) ≤ M (t − s).
(b) Falls |f ′ (ξ)| ≤ C ist für geeignete C ∈ R und alle ξ ∈]a, b[, so ist ∀s, t ∈ [a, b]
(c) Falls f ′ (t) = 0 ist für alle t ∈]a, b[, so ist f konstant nach (b).
6.19 Satz. Ist f : [a, b] → R stetig und differenzierbar in ]a, b[, so gilt:
Ist f ′ (t) ≥ 0 ∀t ∈]a, b[, so ist f monoton wachsend.
Ist f ′ (t) > 0 ∀t ∈]a, b[, so ist f streng monoton wachsend.
Ist f ′ (t) ≤ 0 ∀t ∈]a, b[, so ist f monoton fallend.
Ist f ′ (t) < 0 ∀t ∈]a, b[, so ist f streng monoton fallend.
Umgekehrt: Ist f monoton wachsend bzw. fallend auf [a, b], so ist f ′ (t) ≥ 0 bzw. ≤ 0 für alle
t ∈ ]a, b[
Beweis. Die ersten Aussagen folgen sofort aus 6.18(a). Ist umgekehrt f monoton wachsend, so
ist der Differenzenquotient f (t)−f
t−t0
(t0 )
≥ 0 für alle t,also f ′ (t0 ) ≥ 0. ⊳
6.20 Satz. Sei f : ]a, b[ → R differenzierbar. In t 0 ∈ ]a, b[ sei f zweimal differenzierbar mit
f ′ (t0 ) = 0, f ′′ (t0 ) > 0 (bzw. f ′′ (t0 ) < 0).
Dann besitzt f in t0 ein isoliertes lokales Minimum (bzw. ein isoliertes lokales Maximum).
f ′ (t)−f ′ (t0 )
Beweis. Es ist limt→0 t−t0 = f ′′ (t0 ) > 0. Also existiert zu ε = f ′′ (t0 )/2 ein δ > 0 mit
f ′ (t) − f ′ (t0 )
> ε,
t − t0
34
falls |t − t0 | < δ, t 6= t0 .
Nun ist f ′ (t0 ) = 0, also folgt:
Es folgt dass f streng monoton fallend links von t 0 und streng monoton wachsend rechts von t 0
ist. ⊳
Dann ist
f (t) f ′ (t)
lim = lim ′ ,
t→a+ g(t) t→a+ g (t)
falls der rechte Limes existiert oder bestimmt gegen ±∞ divergiert. Die entsprechende Aussage
gilt für t → b− .
Beweis. Dem Beweis liegt eine einfache Idee zu Grunde, die man gut sieht, wenn f, g stetig
differenzierbar sind und Fall (i) für a ∈ R vorliegt:
f (t)−f (a)
f (t) f (t) − f (a) t−a f ′ (t)
lim = lim = lim f (t)−f (a)
= lim .
t→a g(t)
+ t→a g(t) − g(a)
+ t→a+ t→a+ g′ (t)
t−a
6.23 Satz. Auf [a, b] sei f stetig und auf ]a, b[ differenzierbar. Dann gilt: f konvex auf [a, b]
genau dann, wenn f ′ monoton wachsend auf ]a, b[ ist.
Ohne Beweis.
Kombination von Satz 6.19 und 6.23 liefert dann:
6.24 Folgerung. Ist f auf [a, b] stetig und auf ]a, b[ zweimal differenzierbar, so gilt: f ist konvex
auf [a, b] genau dann, wenn f ′′ (t) ≥ 0 für alle t ∈ ]a, b[.
35
7 Das Riemann-Integral
Im Folgenden sei K = R oder C, [a, b] ein Intervall in R, a < b und f : [a, b] → K beschränkt,
(d.h. ∃C > 0 : kf (x)| ≤ C ∀x ∈ [a, b]).
Wir nennen f (Riemann-) integrierbar, falls f beschränkt ist und ein Element I ∈ K existiert,
für das gilt
∀ε > 0 ∃ δ > 0 so, dass gilt |Z| < δ ⇒ |I − σ(f, Z, s)| < ε
unabhängig von der Wahl der sj . In diesem Fall nennen wir I das Integral von f und schreiben
Z b
I= f (t) dt.
a
Offensichtlich spielt es keine Rolle, wenn man f in endlich vielen Punkten abändert: Der Beitrag
zu (1) geht bei hoher Feinheit gegen 0.
Man kann sich also auf die Integration reeller Fuktionen beschränken.
36
(b) cf : [a, b] → K ist Riemann-integrierbar,
Z b Z b
cf (t) dt = c f (t) dt.
a a
Beweis. Weglassen
7.6 Definition und Folgerung. Wir nennen eine Funktion f : [a, b] → K stückweise ste-
tig, falls es eine Zerlegung a = t0 < t1 < . . . < tN = b gibt mit der Eigenschaft, dass für
j = 0, . . . , N − 1 die Einschränkung f |]tj ,tj+1 [ stetig ist und die Grenzwerte limt→t+ f (t) und
j
limt→t− f (t) existieren.
j+1
Der obige Satz zeigt, dass stückweise stetige Funktionen Riemann-integrierbar sind.
für beliebige Z, s. ⊳
37
7.8 Definition. Ist f : [a, b] → K Riemann-integrierbar, a < b, so setze
Z a Z b
f (t) dt = − f (t) dt.
b a
7.9 Satz. Es sei f : [a, b] → K stetig, t 0 ∈ [a, b]. Definiere F : [a, b] → K durch
Z t
F (t) = f (s) ds.
t0
F ′ (t) = f (t).
7.11 Satz. Es sei F : [a, b] → K eine Stammfunktion von f : [a, b] → K und G : [a, b] → K eine
weitere Funktion. Dann gilt:
38
Rt
Beweis. Definiere F0 (t) = a f (s) ds. Dann ist F0 Stammfunktion von f und
Z b
F0 (a) = 0, F0 (b) = f (s) ds.
a
Ist F beliebige Stammfunktion, so ist F (t) = F 0 (t) + c für ein festes c ∈ K. Es folgt
Z b
F (b) − F (a) = F0 (b) − F0 (a) = f (s) ds.
a
7.13 Beispiele.
b
b
ts+1
Z
s
t dt = ,
a s + 1 a
Für s = −2, −3, . . . soll 0 nicht im Integrationsintervall liegen. Für s ∈ R \ Z soll Integra-
tionsintervall in R+ liegen, ansonsten ist ts nicht definiert.
(b) Für a, b > 0 gilt
Z b
dt
= ln t|ba ,
a t
da ln t Stammfunktion zu 1/t auf R + ist.
Für a, b < 0 gilt Z b
dt
= ln(−t)|ba ,
a t
da ln(−t) Stammfunktion zu 1/t auf R − ist.
(c)
b
dt 1
Z
√ = arcsin t|ba , arcsin′ (t) = √
da , −1 ≤ a ≤ b ≤ 1
a 1 − t2 1 − t2
Z b
dt 1
= arctan t|ba , da arctan′ (t) =
a 1 + t2 1 + t2
Z b
dt 1
2
= tan t|ba , da tan′ (t) = ;
a cos t cos2 t
7.14 Beispiel.
Z 2π
2π k=0
eikt dt = e2πki −1 .
0 ik k ∈ R \ {0}
Speziell = 0 für k ∈ Z \ {0}.
39
7.15 Satz. (Substitutionsregel). Sei f : [a, b] → K stetig, ϕ : [c, d] → [a, b] stetig differen-
zierbar. Dann gilt
Z d Z ϕ(d)
′
f (ϕ(t))ϕ (t) dt = f (s) ds.
c ϕ(c)
Also:
Z d
f (ϕ(t))ϕ′ (t) dt = (F ◦ ϕ)|dc = F (ϕ(d)) − F (ϕ(c))
c
Z ϕ(d)
= f (s) ds.
ϕ(c)
Wegen
2
eix + e−ix
2 1 1 1 1
cos x = = (e2ix + e−2ix ) + = cos 2x +
2 4 2 2 2
folgt
v
1 arcsin v
1
Z p
1 − t2 dt = sin 2x + x .
u 4 2 arcsin u
p
Nun ist sin 2x = 2 sin x cos x = 2 sin x 1 − sin2 x. Es folgt
Z vp p v
1 1
1 − t2 dt = t 1 − t2 + arcsin t .
u 2 2 u
7.17 Satz. (Partielle Integration). Es seien f, g : [a, b] → C stetig differenzierbar. Dann gilt
Z b Z
′
f (t)g (t) dt = f (t)g(t)|ba − f ′ (t)g(t) dt.
a
40
Beweis. Setze F = f g. Dann ist F ′ = f ′ g + f g ′ , also
Z b
f ′ g + f g ′ dt = F |ba = f g|ba .
a
Man braucht also nur noch die Funktionen auf der rechten Seite integrieren zu können; diese
sind tabelliert.
(a) f : [a, ∞[→ K sei Riemann-integrierbar auf allen abgeschlossenen Intervallen [a, R], R ∈ R.
R∞ R∞ RR
Man nennt das Integral a f (t) dt konvergent und setzt a f (t) dt = limR→∞ a f (t) dt,
falls der Limes existiert.
Ra
Analog −∞ f (t) dt für f :] − ∞, a] → K.
(b) f :]a, b] → K sei Riemann-integrierbar auf allen abgeschlossenen Intervallen [a+ε, b], ε > 0.
Rb Rb Rb
Man nennt das Integral a f (t) dt konvergent und setzt a f (t) dt = limε→0 a+ε f (t) dt,
falls der Limes existiert.
Rb Rb
Analog a f (t) dt für f : [a, b[→ K und schließlich a f (t)dt für f :]a, b[→ K, a ∈ R ∪
{−∞}, b ∈ R ∪ {∞}.
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