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Abkürzungen ........................................................................................ II
1. Einleitung .......................................................................................... 1
4. Widerrufsrecht ................................................................................ 12
4.1 Entstehung, Zweck und Anwendungsbereich des Widerrufsrechts .............. 12
4.2 Verbrauchereigenschaft ................................................................................ 13
4.3 Form der Widerrufsbelehrung ....................................................................... 15
4.4 Widerrufsfrist ................................................................................................. 17
4.5 Musterwiderrufsbelehrung ............................................................................. 19
4.6 Ausübung des Widerrufsrechts ..................................................................... 21
5. Fazit .................................................................................................. 21
5.1 Zusammenfassung ........................................................................................ 21
5.2 Ausblick ......................................................................................................... 22
Selbständigkeitserklärung ................................................................ 24
I
Abkürzungen
a. A. anderer Ansicht
ABl. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Abs. Absatz
AG Amtsgericht
AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen
Art. Artikel
Aufl. Auflage
B2C Business to Consumer (Handelsbeziehungen zwischen
Unternehmen und Verbrauchern)
BGB Bürgerliches Gesetzbuch
BGB-InfoV Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach
bürgerlichem Recht (BGB-Informationspflichten-Verordnung)
BGBl. Bundesgesetzblatt (I. = Teil 1)
BGH Bundesgerichtshof
BVerfG Bundesverfassungsgericht
BVerfGE Amtliche Entscheidungssammlung des
Bundesverfassungsgerichts
EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche
engl. englisch
EU Europäische Union
f., ff. folgende, fortfolgende
FernAbsG Fernabsatzgesetz
GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
ggf. gegebenenfalls
HGB Handelsgesetzbuch
Hrsg. Herausgeber/in
i. E. im Ergebnis
i. V. m. in Verbindung mit
KG Kammergericht
lat. lateinisch
LG Landgericht
m. krit. Anm. mit kritischer Anmerkung
m. w. N. mit weiteren Nachweisen
MarkenG Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen
(Markengesetz)
MMR Multimedia und Recht - Zeitschrift für Informations-,
Telekommunikations- und Medienrecht
NJW Neue Juristische Wochenschrift
NJW-RR Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungsreport
OLG Oberlandesgericht
Rn. Randnummer
S. Seite
sog. sogenannte/r
vgl. vergleiche
z. B. zum Beispiel
II
Literaturverzeichnis
Emmerich, Volker, Anmerkung zum Urteil des BGH vom 3.11.2004, VIII ZR 375/03
in: Juristische Schulung 2005, S. 175-177
Hahn, Erik, Die Mitteilung in Textform nach § 312c II 1 BGB - Ist eine Bereitstellung
auf der Homepage des Unternehmers wirklich ausreichend?, JurPC Web-Dok.
132/2008, http://www.jurpc.de/aufsatz/20080132.htm, zuletzt abgerufen am
28.1.2009
III
Hoffmann, Helmut, Die Entwicklung des Internet-Rechts bis Mitte 2007 in: Neue
Juristische Wochenschrift 2007, S. 2594-2599
Klees, Andreas, Muss ein bisschen Spaß wirklich sein? - Rechtsfragen des sog.
"Spaßbietens" bei Internetauktionen in: Multimedia und Recht 2007, S. 275-278
Lober, Andreas/Weber, Olaf, Money for Nothing? Der Handel mit virtuellen
Gegenständen und Charakteren in: Multimedia und Recht 2005, S. 653-660
IV
Obergfell, Eva Inés, Die Onlineauktion als Chimäre des deutschen Vertragsrechts -
Kritische Anmerkungen zur Ausweitung des Verbraucherschutzes auf spekulative
Geschäfte in: Multimedia und Recht - Beilage 2005, S. 495-500
Spindler, Gerald, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 3.11.2004 - VIII ZR375/03 in:
Multimedia und Recht 2005, S. 40-44
V
Rechtsfragen bei Internetauktionen - 1. Einleitung
1. Einleitung
Der Handel im Internet gewinnt zunehmend an Bedeutung. Nicht nur große kommerzielle
Händler bieten per Internet Waren und Dienstleistungen an; auch Privatpersonen nehmen
immer mehr die Möglichkeit wahr, ohne großen technischen und finanziellen Aufwand als
Anbieter auf dem Markt aufzutreten und ihrerseits am Handel teilzunehmen. Als Plattform
für den Onlinehandel haben sich Internetauktionen etabliert, weil sie zum einen kosten-
günstig sind und zum anderen die technischen Rahmenbedingungen vom Plattformanbie-
ter zur Verfügung gestellt werden, so dass sich die Nutzer auf die Geschäftsabwicklung
konzentrieren können.
Beim Handel über das Internet treffen zahlreiche Beteiligte aufeinander, die jeweils unter-
schiedliche Interessen verfolgen. Die Rechtsordnung ist bemüht, die Interessen der Partei-
en zu einem gerechten Ausgleich zu bringen und zugleich dem sich ändernden Bild der
Marktteilnehmer Rechnung zu tragen.
Die vorliegende Arbeit gibt einen Überblick über die Entwicklung der Rechtsprechung zum
Themenkomplex „Internetauktionen“ der letzten Jahre. Da sich die Judikatur stets an Ge-
setz und Recht zu halten hat, ist es bei der Betrachtung der Rechtsprechung unerlässlich,
die Dynamik der Gesetzgebung mit in die Betrachtung einzubeziehen. Ferner erfährt die
Rechtsprechung eine kritische Aufnahme durch die Literatur und tritt mit ihr in Wechselwir-
kung, so dass auch das Schrifttum berücksichtigt werden muss.
1
Rechtsfragen bei Internetauktionen - 2. Zustandekommen von Verträgen bei Internetauktionen
Charakteristisch für eine Versteigerung im traditionellen Sinne des § 156 BGB ist der Ver-
tragsschluss durch den Zuschlag des Auktionators3. Werden keine höheren Gebote mehr
abgegeben, erteilt der Auktionator dem Höchstbietenden den Zuschlag. Dieser Zuschlag
ist die Willenserklärung des Auktionators, mit dem dieser das Gebot eines Bieters an-
nimmt4. Die bloße Präsentation des Versteigerungsgegenstandes durch den Auktionator
hingegen ist lediglich eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes, eine sog. invitatio ad
offerendum5. Bis zum Zuschlag kann der Auktionator die Versteigerung jederzeit ohne Ver-
tragsschluss beenden.
Bei den Internetauktionen lassen sich zwei bedeutende Modelle unterscheiden, andere
Systeme sind geringfügige Abwandlungen dieser oder von untergeordneter Bedeutung. Al-
len Erscheinungsformen ist gemein, dass der Anbieter der Auktionsplattform an den abge-
schlossenen Verträgen nicht als Partei beteiligt ist, zwischen ihm und den Handelsparteien
besteht ein lediglich ein Benutzungsverhältnis6 über die Funktionen der Auktionsplattform.
1 für eine Einstufung als Versteigerung nach §156 BGB: AG Osterholz-Scharmbeck, Urteil vom 23.8.2002, 3 C
415/02; AG Bad Hersfeld, Urteil vom 22.3.2004, 10 C 153/04; zurückhaltend: KG, Urteil vom 11.5.2001, 5 U
9586/00 = MMR 2001, 764; ablehnend: LG Hof, Urteil vom 26.4.2002, 22 S 10/02 = MMR 2002, 760; AG
Itzehoe, Urteil vom 18.5.2004, 57 C 361/04 = MMR 2004, 637; LG Konstanz, Urteil vom 28.7.2004, 11 S 31/04
= MMR 2005, 54 = NJW-RR 2004, 1635
2 vgl. zum Meinungsstand Obergfell, MMR 2005, 495, 496
3 Hoeren/Müller, NJW 2005, 948, 949; Janal, JurPC Web-Dok. 4/2005, Abs. 8; Goldmann, S. 31; a. A. Obergfell,
MMR 2005, 495, 498, die den besonderen Preisbildungsmechanismus einer Versteigerung betont
4 BGH, Urteil vom 3.11.2004, VIII ZR 375/03 = MMR 2005, 37 (m. krit. Anm. Spindler) = NJW 2005, 53
5 Wiebe/Neubauer in: Hoeren/Sieber, Teil 15, Rn. 15; MünchKomm § 156, Rn. 4
6 zur näheren Einstufung siehe Wiebe/Neubauer in: Hoeren/Sieber, Teil 15, Rn. 7 ff. sowie Goldmann, S. 45 ff.
2
Rechtsfragen bei Internetauktionen - 2.2 Die klassische Internetauktion
Vertragsschluss erfolgt bei Ablauf der vom Verkäufer vorgegebenen Laufzeit mit demjeni-
gen Bieter, der bis zu diesem Zeitpunkt das höchste Gebot abgegeben hat. Hier ist also
der Zeitablauf ein für den Vertragsschluss entscheidendes Element, einer weiteren Wil-
lenserklärung des Anbieters bedarf es im Gegensatz zur klassischen Versteigerung nach
§ 156 BGB nicht. Aufgrund dieser Unterschiede sei nach Auffassung des BGH eine Inter-
netauktion in der Regel keine Versteigerung im Sinne des § 156 BGB, so dass auch hier
ein Widerrufsrecht für den Verbraucher bestehe und nicht nach § 312 d Abs. 4 Nr. 5 BGB
ausgeschlossen sei7. Zudem sei der Ausschluss des Widerrufsrechts bei Versteigerungen
eine Ausnahmevorschrift und müsse daher nach dem Grundsatz singularia non sunt ex-
tenda restriktiv ausgelegt werden.
Die Ansicht des BGH ist indes nicht zwingend. Der Begriff „Versteigerung“ wird durch die
Vorschrift des § 156 BGB nicht definiert. Diese „bildet lediglich den Regelfall einer Verstei-
gerung ab, lässt aber auch andere Gestaltungen der Versteigerung zu“8. Daher ist ein Ver-
ständnis dieses Begriffes im Sinne der klassischen Versteigerung mit einem Zuschlag
durch einen Auktionator in Gegenwart der Bietenden nicht die einzig mögliche Auslegung.
Vielmehr kann der Begriff auch in einem weiten Sinne verstanden werden, der auch die
klassische Internetauktion einbezieht9.
Insbesondere ist zu beachten, dass es sich bei § 156 BGB um dispositives Recht handelt.
Dem Versteigerer steht es offen, bereits zu Beginn der Versteigerung die Annahme des
höchsten Angebotes zu erklären und sich damit seines Rechtes auf Abbruch der Versteige-
rung ohne Zuschlag zu begeben10.
Auch in methodischer Hinsicht wurde die Entscheidung des BGH in der Literatur kritisiert.
Insbesondere bei dem historischen Auslegungsansatz wurde dem BGH vorgehalten, „die
Gesetzesmaterialien nicht vollständig auszuwerten, sondern selektiv auf die seine Ansicht
stützenden Aussagen zurückzugreifen“11. So habe der BGH nicht berücksichtigt, dass der
Rechtsausschuss im Gesetzgebungsverfahren zum Fernabsatzgesetz12 zwischen „echten“
Versteigerungen und Verkäufen gegen Höchstgebot unterschieden hat. „Echte“ Versteige-
7 BGH, Urteil vom 3.11.2004, VIII ZR 375/03 = MMR 2005, 37 = NJW 2005, 53; noch offen gelassen im Urteil
vom 7.11.2001, VIII ZR 13/01 = MMR 2002, 95 = NJW 2002, 363
8 Obergfell, MMR 2005, 495, 498
9 a. A. Hoeren/Müller, NJW 2005, 948, 949
10 BGH, Urteil vom 24.4.1998, V ZR 197/97 = NJW 1998, 2350; Kramer in: MünchKomm, § 156, Rn. 7
11 Goldmann, S. 105
12 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 14/3195, S. 30
3
Rechtsfragen bei Internetauktionen - 2.2 Die klassische Internetauktion
rungen im Internet seien demnach solche, bei denen durch das Auktionsende verbindlich
ein Vertragsschluss herbeigeführt werde13.
Des weiteren sei laut in der Literatur vertretenen Stimmen der teleologischen Auslegung
des BGH nicht zu folgen, nach welcher der Verbraucher wie bei anderen Fernabsatzfor-
men ein Schutzbedürfnis habe, weil er die Ware nicht persönlich prüfen könne, und diesem
auch keine schutzwürdigen Interessen des Unternehmers oder der Auktionsplattform ent-
gegenstünden14. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Bieter bei einer „Live-Auktion“
per Videokonferenz kein Widerrufsrecht haben soll, obwohl auch er die Ware nicht persön-
lich prüfen kann. Zudem konterkariere ein Widerrufsrecht das Wesen der Auktion als spe-
kulatives Geschäft und zerstöre den Preisfindungsmechanismus15.
Ferner sei zu beachten, dass schon das Widerrufsrecht selbst eine Ausnahme vom Grund-
satz pacta sunt servanda darstellt, so dass Ausnahmen von der Ausnahme eher weit aus-
gelegt werden müssten16.
Im Urteil vom 3.11.2004 ist der BGH nicht auf die bisherige Rechtsprechung der Instanzge-
richte und die Diskussion in der Literatur eingegangen, was ihm umgehend vorgeworfen
wurde17. Auch wird abzuwarten sein, wie sich die Rechtsprechung zu abgewandelten For-
men der klassischen Internetauktion entwickelt. So endet beispielsweise eine Versteige-
rung der Zollverwaltung fünf Minuten nach Abgabe des letzten Gebotes durch Zuschlag18.
Zwar behält sich der Zoll vor, keinen Zuschlag zu erteilen, der Zuschlag wird jedoch in aller
Regel ebenso automatisiert erfolgen wie dies bei bei anderen Internetauktionen nach Ab-
lauf der Laufzeit geschieht19.
13 Spindler, MMR 2005, 40, 41; Obergfell, MMR 2005, 495, 498; Janal, JurPC Web-Dok. 4/2005, Abs. 8; a. A.
Hoeren/Müller, NJW 2005, 948, 949
14 Spindler, MMR 2005, 40, 42; Obergfell, MMR 2005, 495, 499; Janal, JurPC Web-Dok. 4/2005, Abs. 8; a. A.
Hoeren/Müller, NJW 2005, 948, 949
15 Wiebe/Neubauer in: Hoeren/Sieber, Rn. 76; a. A. Krois/Naber, BLJ 2007, 77, 80
16 vgl. Krois/Naber, BLJ 2007, 77, 78
17 Spindler, MMR 2005, 40, 41; Emmerich, JuS 2005, 175, 177
18 § 3 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 der Versteigerungsbedingungen für Zoll-Auktion, http://www.zoll-
auktion.de/auktion/contents.php?show=terms, zuletzt abgerufen am 28.1.2009
19 Janal, JurPC Web-Dok. 4/2005, Abs. 15
4
Rechtsfragen bei Internetauktionen - 2.3 Die umgekehrte Versteigerung
Ein interessierter Käufer kann jederzeit seinen Kaufwunsch äußern, damit den Vertrag zum
aktuellen Preis schließen und die Auktion beenden. Wartet ein potenzieller Käufer auf
einen geringeren Preis, erhöht sich für ihn das Risiko, dass ihm ein anderer Käufer zuvor-
kommt. Ein gegenseitiges Überbieten erfolgt jedoch nicht, allenfalls kann ein „Wettbewerb“
darin gesehen werden, dass sich interessierte Personen mit sinkendem Preis zunehmend
dem Wagnis aussetzen, den rechtzeitigen Vertragsschluss zu verpassen. Dieses Modell
findet sich z. B. bei den Portalen hood.de und Azubo.de.
Die umgekehrte Versteigerung unterscheidet sich schon sprachlich von einer „Versteige-
rung“ und einer „Auktion“ (von lat. augere = vermehren, vergrößern, erhöhen)20. Aber es
bestehen dennoch Parallelen zur Versteigerung im Sinne des § 156 BGB. Beiden Vorgän-
gen ist gemein, dass der Vertrag durch eine Willenserklärung zustande kommt und nicht
durch Zeitablauf. Bei der klassischen Versteigerung erteilt der Auktionator den Zuschlag,
bei der umgekehrten Versteigerung im Internet erklärt der Käufer die Annahme des vom
Verkäufer abgegebenen Angebotes. Die Rollenverteilung verhält sich somit spiegelbildlich
zur klassischen Versteigerung.
Aber es überwiegen die Ähnlichkeiten mit einem konventionellen Kaufvertrag. Sowohl bei
diesem als auch bei der umgekehrten Versteigerung bestimmt der Verkäufer Kaufsache
und Kaufpreis, Interessierte können dieses Angebot annehmen und so den Vertrags-
schluss herbeiführen. Die Besonderheit der umgekehrten Versteigerung ist zwar die auto-
matische Reduzierung des Kaufpreises durch fortschreitenden Zeitablauf, jedoch wird
auch bei konventionellen Verkäufen der Anbieter eine Senkung des Kaufpreises erwägen,
wenn sich für sein Angebot nach einiger Zeit kein Käufer findet.
Die umgekehrte Versteigerung weist also sowohl Elemente einer traditionellen Versteige-
rung als auch eines klassischen Kaufvertrages auf. Wohl wegen der geringeren Verbrei-
20 vgl. Goldmann, S 32 f.
5
Rechtsfragen bei Internetauktionen - 2.3 Die umgekehrte Versteigerung
tung dieses Modells ist die genaue rechtliche Einstufung derzeit gerichtlich noch nicht ab-
schließend geklärt. Höchstrichterlich entschieden ist bislang lediglich die wettbewerbs-
rechtliche Zulässigkeit umgekehrter Versteigerungen21.
Der Vergleich der klassischen Internetauktion mit der umgekehrten Versteigerung zeigt,
dass die erstgenannte Form wegen der besonderen Preisbildung und des spekulativen
Charakters eher der Versteigerung nach § 156 BGB ähnelt, während bei der holländischen
Auktion die Elemente eines Kaufvertrages dominieren, weil ihr insbesondere der direkte
Wettbewerb der Bieter fehlt. Legt man dem Versteigerungsbegriff nach § 156 BGB ein wei-
tes Verständnis zugrunde, so umfasst dieser die klassische Internetauktion, nicht aber die
umgekehrte Versteigerung22. Im folgenden werden daher ausschließlich rechtliche Proble-
me bei klassischen Internetauktionen erörtert.
Bei der rechtlichen Beurteilung einer Auktionseröffnung sind die Allgemeinen Geschäftsbe-
dingungen des Plattformanbieters jedoch zumindest als Auslegungshilfe heranzuziehen25.
Während eBay in seinen AGB von einem verbindlichen Angebot ausgeht26, wertet hood.de
die Auktionseröffnung nur als Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes27.
21 BGH, Urteil vom 13.3.2003, I ZR 212/00 = MMR 2003, 465 = NJW 2003, 2096 (unter Aufgabe der früheren
Rechtsprechung); BGH, Urteil vom 13.11.2003, I ZR 141/02 = MMR 2004, 162 = NJW 2004, 854
22 für eine Anwendung des § 156 BGB auf klassische Internetauktionen auch Wiebe/Neubauer in: Hoeren/Sieber,
Teil 15, Rn. 18
23 LG Berlin, Urteil vom 20.7.2004, 4 O 293/04 = NJW 2004, 2831
24 AG Menden, Urteil vom 10.11.2003, 4 C 183/03 = MMR 2004, 502 = NJW 2004, 1329; LG Coburg, Urteil vom
6.7.2004, 22 O 43/04 = MMR 2005, 330; LG Berlin, Urteil vom 20.7.2004, 4 O 293/04 = NJW 2004, 2831; KG,
Beschluss vom 25.1.2005, 17 U 72/04 = MMR 2005, 709 = NJW 2005, 1053; OLG Oldenburg, Urteil vom
28.7.2005, 8 U 93/05 = MMR 2005, 766 = NJW 2005, 2556
25 BGH, Urteil vom 7.11.2001, VIII ZR 13/01 = MMR 2002, 95 = NJW 2002, 363
26 § 10 Nr. 1 Satz 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Nutzung der deutschsprachigen eBay-
Websites, http://pages.ebay.de/help/policies/user-agreement.html?_trksid=m40, zuletzt abgerufen am
28.1.2009
27 § 4 Abs. 1 der Allgemeinen Nutzungsbedingungen für das Handeln auf der Handelsplattform hood.de,
http://www.hood.de/nutzungsbedingungen.cfm, zuletzt abgerufen am 28.1.2009
6
Rechtsfragen bei Internetauktionen - 2.4 Verbindlichkeit eines Angebotes
Die AGB des Plattformanbieters, die Auktionsersteller und Bieter bei ihrer Anmeldung auf
der Auktionsplattform akzeptiert haben, sind also entscheidend für die Verbindlichkeit des
eingestellten Angebotes. Aufgrund der AGB ergibt sich für beide Teilnehmer ein objektiver
Empfängerhorizont, der maßgeblich für die Auslegung der jeweiligen Willenserklärung ist28.
Die Frage der Verbindlichkeit eines vom Anbietenden erstellten Angebotes lässt sich daher
nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der AGB des Plattfor-
manbieters beantworten. Der BGH greift jedoch dann nicht auf die AGB des Plattforman-
bieters zurück, wenn sich der Bindungswille des Angebotserstellers bereits aus einer bei
der Erstellung abgegebenen individuellen Willenserklärung ergibt29.
Ergibt sich durch Rückgriff auf die AGB des Plattformanbieters oder aus anderen Umstän-
den, dass das Erstellen eines Angebotes grundsätzlich verbindlich ist, so kann der Ersteller
diese Bindung dennoch durch ausdrückliche Hinweise wie „Achtung, dies ist vorerst eine
Umfrage! Nicht bieten!“ ausschließen30. Derartige individuelle Erklärungen verdrängen die
durch die AGB des Plattformanbieters vorgegebene Verbindlichkeit des Angebotes. Zwi-
schen den an der Versteigerung Beteiligten ist es dabei ohne Belang, dass sich der Anbie-
tende nicht an die AGB des Plattformbetreibers gehalten hat31.
Von einem verbindlichen Angebot kann sich der Auktionsersteller in der Regel nur durch ei-
ne wirksame Anfechtung wegen Irrtums lösen. Eine unvollständige Artikelbeschreibung,
die durch einfache Reparaturen behebbare Mängel verschweigt, rechtfertigt jedoch keine
Anfechtung wegen eines Eigenschaftsirrtums, weil es sich bei geringen Mängeln nicht um
verkehrswesentliche Eigenschaften handelt32.
Stellt ein Anbieter einen Artikel in eine Internetauktion zu einem Startpreis von 1,00 EUR
ein und eröffnet zugleich die Option, den Artikel sofort zum Preis von 60.000,00 EUR zu
kaufen, so ist das Rechtsgeschäft nicht wegen Wuchers oder Sittenwidrigkeit nichtig und
auch nicht wegen Irrtums anfechtbar, wenn die Auktion mit einem Höchstgebot von 51,00
EUR endet33. Der Anbieter hat es selbst in der Hand, durch einen entsprechenden Start-
preis einen Verkauf weit unter dem tatsächlichen Wert zu vermeiden.
28 OLG Hamm, Urteil vom 14.12.2000, 2 U 58/00 = MMR 2001, 105 = NJW 2001, 1142; LG Coburg, Urteil vom
6.7.2004, 22 O 43/04 = MMR 2005, 330; OLG Oldenburg, Urteil vom 28.7.2005, 8 U 93/05 = MMR 2005, 766 =
NJW 2005, 2556
29 BGH, Urteil vom 7.11.2001, VIII ZR 13/01 = MMR 2002, 95 = NJW 2002, 363
30 LG Darmstadt, Urteil vom 24.1.2002, 3 O 289/01 = NJW-RR 2002, 1139
31 AG Kerpen, Urteil vom 25.5.2001, 21 C 53/01 = MMR 2001, 711 = NJW 2001, 3274
32 OLG Oldenburg, Urteil vom 28.7.2005, 8 U 93/05 = MMR 2005, 766 = NJW 2005, 2556
33 OLG Köln, Urteil vom 8.12.2006, 19 U 109/06 = MMR 2007, 446
7
Rechtsfragen bei Internetauktionen - 2.4 Verbindlichkeit eines Angebotes
Ein sehr niedriger Startpreis ist auch nicht ohne weiteres ein Indiz dafür, dass es sich bei
der angebotenen Ware um Diebesgut handelt, weil ein solcher auch deswegen eingestellt
werden kann, um Verkaufsgebühren zu sparen oder durch einen attraktiven Startpreis
einen größeren Bieterkreis zu erreichen34. Jedoch sind bei einem Handel mit gestohlenen
Waren sowohl das Verpflichtungs- als auch das Verfügungsgeschäft nach § 134 BGB nich-
tig35, unabhängig davon, ob der Bieter erkennen konnte, dass es sich bei dem Artikel um
Diebesgut handelte.
Auch durch den Einsatz von Bietagenten kommen wirksame Verträge zustande36. Die Ver-
wendung und Einrichtung des Bietagenten geht auf den menschlichen Willen des Benut-
zers zurück, der Bietagent puffert sozusagen einen Vorrat von Willenserklärungen seines
Verwenders und gibt diese nur nach Bedarf ab. Ein vom Bietagenten abgegebenes Gebot
ist daher dem Benutzer zuzurechnen37.
Wenn mehrere Personen bei einer Internetauktion einen Bietagenten einsetzten, so kann
es bereits früh zu einem gegenseitigen Überbieten kommen, so dass hohe Gebote gesetzt
werden müssen. Sniper-Software (von engl. sniper = Scharfschütze, Heckenschütze) kann
hingegen im letzten Moment vor Ablauf der Auktion ein vom Benutzer vorgegebenes Gebot
abgeben38. Um das Gebot möglichst dicht am Auktionsende platzieren zu können, ermittelt
34 LG Karlsruhe, Urteil vom 28.9.2007, Ns 84 Js 5040/07 = MMR 2007, 796 = NJW-Spezial 2008, 26
35 vgl. Armbrüster in: MünchKomm, § 134, Rn. 8 f.
36 AG Hannover, Urteil vom 7.9.2001, 501 C 1510/01 = MMR 2002, 262 = NJW-RR 2002, 131; Kitz in:
Hoeren/Sieber, Teil 13.1, Rn. 27 f.; Hoeren, S. 292
37 vgl. Hoeren, S. 296 f.
38 vgl. Wiebe/Neubauer in: Hoeren/Sieber, Teil 15, Rn. 112
8
Rechtsfragen bei Internetauktionen - 3.1 Bietagenten/Sniper-Software
die Sniper-Software die Zeit, die zwischen Abgabe des Gebotes und der Reaktion des
Plattformservers vergeht und kalkuliert diese bei der Gebotsabgabe ein39.
Der Einsatz von Sniper-Programmen ist in zwei Varianten möglich. Zum einen bestehen
externe Lösungen, bei denen der Anbieter der Sniper-Software das Gebot von seinem Ser-
ver aus abgibt. Bei der internen Variante läuft das Sniper-Programm auf dem Rechner des
Bieters ab.
Um dem Einsatz von Sniper-Software beim Bieten zu begegnen, untersagen einige Platt-
formanbieter die Verwendung dieser Programme43. Die Auktionsplattform AuVito verlängert
bei Geboten kurz vor Ablauf der Auktion deren Laufzeit, um so die Verwendung von Sni-
per-Software zu unterbinden44.
3.2 „Spaßbieten“
Unter einem Spaßbieter versteht man eine Person, die auf Internetauktionen bietet, obwohl
sie kein Interesse an der Ersteigerung der Sache hat45. Zum einen ist denkbar, dass ein
Spaßbieter schlicht aus Freude am Schabernack bietet und in Wirklichkeit gar kein binden-
39 vgl. Goldmann, S. 12
40 LG Hamburg, Urteil vom 27.2.2003, 315 O 624/02
41 LG Hamburg, Urteil vom 16.7.2002, 312 O 271/02 = MMR 2002, 755
42 LG Berlin, Urteil vom 11.2.2003, 15 O 704/02; Wiebe/Neubauer in: Hoeren/Sieber, Teil 15, Rn. 114 f.
43 § 10 Nr. 9 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Nutzung der deutschsprachigen eBay-Websites,
http://pages.ebay.de/help/policies/user-agreement.html?_trksid=m40, zuletzt abgerufen am 28.1.2009; § 11 Nr.
1 Abs. 2 Satz 7 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (kurz AGB) für die Nutzung von Ameros Auktionshaus,
http://www.ameros.de//hilfe/index.php?sid=2585&lang=de&action=artikel&cat=351489&id=10&artlang=de,
zuletzt abgerufen am 28.1.2009. Hood.de und auXion untersagen die Verwendung von Sniper-Software
hingegen nicht.
44 § 11 Nr. 8 der AuVito-AGB, http://www.auvito.de/helpid_74/agb/hilfe.html, zuletzt abgerufen am 28.1.2009
45 Klees, MMR 2007, 275 unter Bezug auf die freie Online-Enzyklopädie Wikipedia,
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Spa%C3%9Fbieter&oldid=53289210 (aktueller Stand: 22.11.2008)
9
Rechtsfragen bei Internetauktionen - 3.2 „Spaßbieten“
des Gebot abgeben will. Dieser geheime Vorbehalt ist jedoch nach § 116 Abs. 1 BGB un-
beachtlich, seine Erklärung muss der Spaßbieter gegen sich gelten lassen. Geht der Bieter
davon aus, dass der Auktionsersteller den Scherz erkennen werde, so liegt eine nach
§ 118 BGB nichtige Willenserklärung vor.
Wenn ein Bieter ein Gebot zunächst bewusst und gewollt abgegeben hat, ihm später je-
doch Bedenken kommen, so gilt auch diese Willenserklärung. Jedoch hat er im Rahmen
seines Widerrufsrechtes (siehe dazu unten Kapitel 4) die Möglichkeit, sich von seiner Wil-
lenserklärung wieder zu lösen46.
Spaßbieter, die das Höchstgebot abgegeben haben, reagieren häufig nach Auktionsende
nicht auf Anfragen des Verkäufers. Die Schwierigkeit des Verkäufers besteht darin, die
wirkliche Person hinter dem Mitgliedsaccount festzustellen, da in der Regel das Auktions-
haus die Anmeldedaten nicht überprüft47. Selbst wenn die bei der Anmeldung hinterlegten
Daten tatsächlich die Identität des Bieters wiedergeben, so kann sich der Spaßbieter sei-
ner Verantwortung durch bloßes Bestreiten der Gebotsabgabe entziehen48.
Da der Verkäufer zu beweisen hat, dass der Inhaber des Accounts das Gebot abgegeben49
hat und ihm dieser Beweis praktisch nicht gelingen wird, steht er dem Risiko von Spaßbie-
tern nahezu schutzlos gegenüber. Dann schließt sich für ihn an das Auktionsende eine Zeit
der Rechtsunsicherheit an, während der er die Ware nicht umgehend erneut in eine Aukti-
on einstellen kann, bis er Gewissheit über die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäftes hat.
46 einschränkend Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3379, die bei evidenter Schädigungsabsicht eine Verwirkung
des Widerrufsrechts fordern
47 vgl. z. B. § 10 Nr. 9 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Nutzung der deutschsprachigen eBay-
Websites, http://pages.ebay.de/help/policies/user-agreement.html?_trksid=m40, zuletzt abgerufen am
28.1.2009; § 1 Abs. 5 der Allgemeinen Nutzungsbedingungen für das Handeln auf der Handelsplattform
hood.de, http://www.hood.de/nutzungsbedingungen.cfm, zuletzt abgerufen am 28.1.2009
48 Klees, MMR 2007, 275, 277
49 LG Bonn, Urteil vom 19.12.2003, 2 O 472/03 = MMR 2004, 179 (m. krit. Anm. Mankowski); OLG Köln, Urteil
vom 13.1.2006, 19 U 120/05 = MMR 2006, 321 = NJW 2006, 1676
50 AG Bremen, Urteil vom 20.10.2005, 16 C 168/05 = NJW 2006, 518
10
Rechtsfragen bei Internetauktionen - 3.2 „Spaßbieten“
Dieser Entscheidung haben sich andere Gerichte bisher nicht angeschlossen. Insbesonde-
re ist bei dem entschiedenen Fall zu beachten, dass kein Nachweis geführt werden konnte,
dass die Vertragsstrafenklausel mehrfach vom Anbieter verwendet wurde. Würde eine sol-
che Klausel mehrfach oder gar regelmäßig benutzt, so unterfiele sie der AGB-Kontrolle
nach § 309 Nr. 6 BGB51. Zudem können gewerbliche Händler solche Klauseln nicht ver-
wenden. Bei B2C-Geschäften steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zu, das nicht
durch eine Vertragsstrafe ausgehöhlt werden kann.
Wenn eine andere Person unter dem Account eines Mitgliedes erfolgreich bei einer Auktion
mitbietet, stellt sich die Frage, ob das angemeldete Mitglied oder aber der tatsächlich Bie-
tende Vertragspartei geworden ist. Diese Frage ist nach den Grundsätzen des Handelns
unter fremdem Namen zu beantworten52.
Bietet eine andere Person als das tatsächliche Mitglied unter dessen Account, so liegt nicht
lediglich eine Namenstäuschung, sondern eine Identitätstäuschung vor. Der Bieter handelt
nicht in fremdem Namen, sondern unter fremdem Namen53. Demnach finden die Vorschrif-
ten der §§ 164 ff. BGB entsprechende Anwendung.
Durch das Gebot des Unberechtigten kommt ein Geschäft zwischen dem tatsächlichen Ac-
countinhaber und dem Auktionsersteller zustande, das jedoch wegen der fehlenden Vertre-
tungsmacht des Bieters schwebend unwirksam ist. Es wird erst dann wirksam, wenn der
Accountinhaber es nach §§ 177 Abs. 1, 184 Abs. 1 BGB genehmigt.
11
Rechtsfragen bei Internetauktionen - 3.3 Missbräuchliche Account-Nutzung
Bislang haben die Gerichte es abgelehnt, dem Mitglied die Verantwortung und damit die
Haftung für seine Zugangsdaten zuzuschreiben. Demnach kommt eine zu Lasten des Mit-
glieds gehende Beweislastverteilung durch einen Anscheinsbeweis nicht in Betracht. Die-
ser Anscheinsbeweis müsste einen typischen Geschehensablauf voraussetzen,
demzufolge eine unter einem passwortgeschützen Account abgegebene Willenserklärung
auch regelmäßig vom tatsächlichen Inhaber stammt. Im Hinblick auf die noch unzureichen-
den Sicherheitsstandards von Passwörtern im Internet sei ein solcher Anscheinsbeweis
abzulehnen54.
4. Widerrufsrecht
4.1 Entstehung, Zweck und Anwendungsbereich des Widerrufsrechts
Durch die Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.1997
über den Verbraucherschutz bei Vertragsschlüssen im Fernabsatz55 (Fernabsatzrichtlinie)
wurden den Mitgliedsstaaten der EU Vorgaben gemacht, bei Geschäften im Fernabsatz
verbraucherschützende Regeln vorzusehen.
Der europäische Normgeber ging davon aus, dass sich der Verbraucher dem Unternehmer
gegenüber in einer wirtschaftlich schwächeren Position befindet und daher eines besonde-
ren Schutzes bedarf. Insbesondere sollte der Verbraucher vor aggressiven Verkaufsmetho-
den geschützt werden und die zur Einschätzung der Bedeutung eines Fernabsatzvertrages
notwendigen Informationen erhalten56.
Die Vorgaben der Richtlinie wurden durch das Gesetz über Fernabsatzverträge und ande-
re Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom
27.6.200057 (FernAbsG) in nationales Recht umgesetzt. Durch das Gesetz zur Modernisie-
rung des Schuldrechts vom 26.11.200158 wurden die Regelungen des FernAbsG in das
BGB überführt.
54 LG Bonn, Urteil vom 19.12.2003, 2 O 472/03 = MMR 2004, 179; LG Köln, Urteil vom 27.10.2005, 8 O 15/05;
OLG Köln, Urteil vom 13.1.2006, 19 U 120/05 = MMR 2006, 321 = NJW 2006, 1676; OLG Hamm, Urteil vom
16.11.2006, 28 U 84/06 = MMR 2007, 449 = NJW 2007, 611
55 ABl. Nr. L 144 S. 19
56 vgl. Erwägungsgründe Nr. 5, 11, 12, 13 und 19 der Fernabsatz-RL
57 BGBl. I S. 897
58 BGBl. I S. 3138
12
Rechtsfragen bei Internetauktionen - 4.1 Entstehung, Zweck und Anwendungsbereich des Widerrufsrechts
Der Begriff des Fernabsatzvertrages wird in § 312 b Abs. 1 Satz 1 BGB legaldefiniert. Ent-
scheidend für das Vorliegen eines solchen Fernabsatzvertrages ist zum einen die aus-
schließliche Verwendung von Fernkommunikationsmitteln und zum anderen der
Vertragsschluss zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher. Somit finden die
Bestimmungen über das Widerrufsrecht nur bei B2C-Geschäften Anwendung.
4.2 Verbrauchereigenschaft
Wer Verbraucher und wer Unternehmer ist, wird in den §§ 13, 14 BGB bestimmt. Da von
der jeweiligen Einstufung einer an einem Fernabsatzvertrag beteiligten Partei weitreichen-
de Rechte und Pflichten abhängen, gibt es immer wieder Auseinandersetzungen, die einer
gerichtlichen Entscheidung bedürfen. Die Unterscheidung erfolgt zumeist über die (ggf. ne-
gative) Feststellung der Unternehmereigenschaft. Zur Abgrenzung zwischen Verbraucher
und Unternehmer hat sich eine instanzgerichtliche Kasuistik herausgebildet, die alles an-
dere als einheitlich ist60.
Indizien, die auf eine Unternehmereigenschaft hindeuten können, sind insbesondere An-
zahl und Häufigkeit der bereits abgewickelten Geschäfte, Anzahl der von Käufern abgege-
ben Bewertungen, Art der angebotenen Ware (gebraucht oder neu, gleichartige oder
verschiedene Artikel), Höhe des Umsatzes, professionelle Gestaltung der Internetseite,
59 zurzeit aktuell in der Fassung der Bekanntmachung vom 5.8.2002 (BGBl. I S. 3002), zuletzt geändert durch die
Verordnung vom 23.10.2008 (BGBl. I S. 2069)
60 vgl. Rohlfing, MMR 2006, 271 m. w. N.; Obex in: Hoeren/Müller, MMR-Beil. 2008, Heft 7, S. 17
61 Micklitz in: MünchKomm, § 14, Rn. 18; Rohlfing, MMR 2006, 271, 273
62 OLG Zweibrücken, Urteil vom 28.6.2007, 4 U 210/06; Obergfell, MMR 2005, 495, 499; Micklitz in:
MünchKomm, § 14, Rn. 28
63 OLG Hamburg, Beschluss vom 27.2.2007, 5 W 7/07, kritisch hierzu Rohlfing, MMR 2006, 271 passim
13
Rechtsfragen bei Internetauktionen - 4.2 Verbrauchereigenschaft
Werbeaussagen, die Verwendung eigener AGB sowie das Betreiben eines „Shops“ auf der
Auktionsplattform64. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist für die Unternehmereigenschaft je-
doch nach überwiegender Ansicht nicht erforderlich65.
Für eine Unternehmereigenschaft spricht insbesondere, wenn der Auktionsersteller auf der
Plattform eBay als sog. „Powerseller“ geführt wird. Die Anmeldung als „Powerseller“ setzt
neben einer gewissen geschäftlichen Erfahrung und monatlichen Mindestumsätzen unter
anderem auch voraus, dass das Mitglied sich zuvor als gewerblicher Anbieter registriert
hat66. Der Status „Powerseller“ führt zu einer Beweislastumkehr, so dass die Unternehme-
reigenschaft des Anbieters vermutet wird und er beweisen muss, dass er nicht als Unter-
nehmer handelt67. Für eine Beurteilung als Unternehmer ist die Registrierung als
„Powerseller“ jedoch nicht notwendig68.
Umgekehrt ist es aber auch möglich, über ein als „Powerseller“ eingerichtetes Mitglieds-
konto rein private Verkäufe abzuwickeln. Es genügt jedoch nicht, lediglich einen Hinweis
wie „dies ist ein privater Verkauf“ in die Angebotsbeschreibung aufzunehmen69.
Wenn auch bei der Beurteilung der Unternehmereigenschaft eine Gesamtschau erforder-
lich ist, so wird als wichtiges Indiz regelmäßig die Anzahl der bisher abgeschlossenen Auk-
tionen als Verkäufer herangezogen. Insbesondere bei diesem Aspekt ergibt die
Betrachtung der Rechtsprechung ein äußerst diffuses Bild.
Verkauft ein Student eine Vielzahl von Studienunterlagen, Literatur sowie ein Notebook
über ein Internetauktionsportal, so handele er nach Auffassung des LG Hof nicht planvoll
und damit nicht gewerblich, weil gerade bei jüngeren Personen der Handel über das Inter-
net weit verbreitet sei70.
64 a. A. Szczesny/Holthusen, NJW 2007, 2586, 2588, die bei Einrichtung eines „Shops“ stets die
Unternehmereingenschaft bejahen, weil ein virtueller Shop mit einem realen Ladengeschäft vergleichbar sei
und ein Ladenverkäufer sich nicht darauf berufen könne, kein Unternehmer zu sein.
65 OLG Frankfurt, Beschluss vom 27.7.2004, 6 W 54/04; LG Mainz, Urteil vom 6.7.2005, 3 O 184/04 = MMR
2006, 51 = NJW 2006, 783; BGH, Urteil vom 29.3.2006, VIII ZR 173/05 = NJW 2006, 2250; Rohlfing, MMR
2006, 271, 273; Schubert, JurPC Web-Dok. 194/2007, Abs. 5; Hütte/Helbron, Rn. 972; a. A. LG Coburg, Urteil
vom 19.10.2006, 1 HK O 32/06 = MMR 2007, 399; Schmidt, Rn. 564
66 eBay-Powerseller-Portal, http://powerseller.ebay.de/pub/criteria, zuletzt abgerufen am 28.1.2009
67 OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 4.7.2007, 6 W 66/07; OLG Zweibrücken, Urteil vom 28.6.2007, 4 U 210/06
68 OLG Koblenz, Beschluss vom 17.10.2005, 5 U 1145/05 = MMR 2006, 236 = NJW 2006, 1438; OLG Frankfurt
a.M., Beschluss vom 21.3.2007, 6 W 27/07; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 4.7.2007, 6 W 66/07
69 OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 7.4.2005, 6 U 149/04 = MMR 2005, 458 = NJW 2005, 3361
70 LG Hof, Urteil vom 29.8.2003, 22 S 28/03
14
Rechtsfragen bei Internetauktionen - 4.2 Verbrauchereigenschaft
Strenger entschied das LG Berlin im Falle einer Mutter von vier Kindern, die über eBay
Kinderbekleidung verkaufte71. Ausschlaggebend war für das Gericht, dass rund ein Drittel
der angebotenen Bekleidung Neuware war und die Mutter über das Auktionshaus auch
Kinderbekleidung einkaufte, die sie wenige Monate später wieder zu einem höheren Preis
verkaufte. Daher sei sie als Unternehmerin anzusehen.
Auch reißerische Anpreisungen des Verkaufsgutes können auf eine unternehmerische Tä-
tigkeit hindeuten. Wer mit Aussagen wie „gebrauchte Hardware in Massen“, „tonnenweise
Hardware“ sowie „eine Riesen-Menge Hardware“ wirbt und innerhalb von zwei Jahren 242
Bewertungen als Verkäufer erhalten hat, müsse sich nach Ansicht des OLG Hamburg als
Unternehmer behandeln lassen73.
Der BGH hat zum Begriff des „geschäftlichen Verkehrs“ im Sinne des § 14 Abs. 2 MarkenG
entschieden, dass bei über 25 Bewertungen als Verkäufer geschäftlicher Verkehr vorlie-
ge74. Inwieweit sich diese Rechtsprechung zum MarkenG auf verbraucherschützende Insti-
tute wie das Widerrufsrecht im Fernabsatz übertragen lässt75, wird sich in der Zukunft
zeigen müssen, zumal für Fragen des Markenrechts der I. Senat des BGH zuständig ist,
über zivilrechtliche Streitigkeiten bei Onlineauktionen jedoch der VIII. Senat entscheidet.
71 LG Berlin, Urteil vom 5.9.2006, 103 O 75/06 = MMR 2007, 401= NJW 2007, 2647; i. E. zustimmend Szczesny/
Holthusen, NJW 2007, 2586, 2591
72 LG Hanau, Urteil vom 28.9.2006, 5 O 51/06 = MMR 2007, 339
73 OLG Hamburg, Beschluss vom 27.2.2007, 5 W 7/07
74 BGH, Urteil vom 30.4.2008, I ZR 73/05 = MMR 2008, 531 = NJW-RR 2008, 1136
75 für eine inhaltliche Übereinstimmung des „geschäftlichen Verkehrs“ nach § 14 Abs. 2 MarkenG mit der
„gewerblichen Tätigkeit“ nach § 14 Abs. 1 BGB: OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 7.4.2005, 6 U 149/04 =
MMR 2005, 458 = NJW 2005, 3361; Schubert, JurPC Web-Dok. 194/2007 Abs. 7; Becker/Föhlisch, NJW 2005,
3377 f.; a. A. Szczesny/Holthusen, NJW 2007, 2586, 2588 f.
15
Rechtsfragen bei Internetauktionen - 4.3 Form der Widerrufsbelehrung
mitgeteilt werden. Die Textform wird durch die Vorschrift des § 126 b BGB näher bestimmt.
Ferner hat die Belehrung bei Warenlieferungen spätestens bis zur Lieferung zu erfolgen
(§ 312 c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB).
Bei Internetauktionen stellt sich wie bei allen Warenbestellungen im Internet das Problem,
dem Verbraucher vor Vertragsschluss eine der Textform entsprechende Mitteilung zu ertei-
len. Die Textform nach § 126 b BGB erfordert nämlich, dass die Erklärung auf eine zur
dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise erfolgen muss. „Dauerhaft“ be-
deutet nicht „für immer“76, jedoch ist eine gewisse zeitliche Beständigkeit erforderlich. Der
Textform entsprechen beispielsweise Belehrungen in Papierform, auf Diskette oder CD-
ROM oder Speicherung auf Festplatte77. Ausweislich der Gesetzesbegründung entspre-
chen Mitteilungen per Fax oder E-Mail ebenfalls der Textform78.
Über die genauen Anforderungen an eine Belehrung über das Widerrufsrecht in Textform
bei Internetgeschäften bestand lange Zeit ein Meinungsstreit in Rechtsprechung und
Schrifttum79, der erst durch zahlreiche Entscheidungen der Instanzgerichte einer Klärung
zugeführt wurde. Umstritten war, ob auch eine Belehrung auf einer Internetseite den For-
manforderungen entspricht.
Zunächst wurde eine Widerrufsbelehrung als ausreichend erachtet, die nur über einen
Klick auf einen Link zu einer Internetseite mit Angaben zum Verkäufer erreichbar war80,
wobei es auch Stimmen gab, die eine eine eindeutige Bezeichnung des Links verlangten81.
Die weitere Auseinandersetzung mit den neuen rechtlichen Regelungen und die fortschrei-
tende Rechtsprechung führte aber schon bald zu Bedenken. Es bildete sich eine Tendenz
dahingehend, dass auch eine Belehrung im Internet auf der Angebotsseite nicht ausreicht,
weil es hier an der Dauerhaftigkeit der Wiedergabemöglichkeit fehlt82.
16
Rechtsfragen bei Internetauktionen - 4.3 Form der Widerrufsbelehrung
Als unerheblich wurde beurteilt, dass der Verbraucher die Möglichkeit hat, die Internetseite
auf seinem Rechner abzuspeichern oder auszudrucken83. Auch die Tatsache, dass der In-
ternetbrowser Webseiten vorübergehend im Verzeichnis für temporäre Dateien abspei-
chert, reiche für die Dauerhaftigkeit nicht aus84, weil zum einen der Verbraucher von der
Existenz dieser Datei nicht zwingend Kenntnis haben muss und die gespeicherte Datei bei
Erreichen der Speicherplatzgrenze automatisch gelöscht oder bei erneutem Aufruf der In-
ternetseite aktualisiert wird.
4.4 Widerrufsfrist
Die Widerrufsfrist des Verbrauchers beträgt grundsätzlich zwei Wochen (§ 355 Abs. 1
Satz 2 BGB) und beginnt mit der Mitteilung einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung,
die auch den Namen und die Anschrift desjenigen, dem gegenüber der Widerruf zu erklä-
ren ist, enthalten sowie auf den Fristbeginn und die Regelung des § 355 Abs. 1 Satz 2
BGB hinweisen muss. (§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB). Ferner beginnt die Frist bei der Liefe-
rung von Waren nicht vor der Lieferung (§ 312 d Abs. 2 BGB). Wenn die Belehrung jedoch
erst nach Vertragsschluss mitgeteilt wurde, beträgt die Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 2
Satz 2 BGB einen Monat.
Bei den meisten Verkäufen im Internet gibt der Verkäufer auf seiner Internetseite einen
Überblick über die von ihm angebotenen Artikel. Wie bei Auslagen in einem Ladengeschäft
oder Angebotsinformationen in einem Prospekt oder einem Katalog wurde dies nicht als
Angebot, sondern als invitatio ad offerendum eingestuft, wenn nicht der Verkäufer aus-
drücklich einen Bindungswillen erklärt85.
Bei solchen Geschäften gibt also der potenzielle Käufer das Angebot ab, welches der Ver-
käufer annehmen kann. Vor der Annahme hat der Verkäufer daher die Möglichkeit, den
Käufer, sofern er Verbraucher ist, über dessen Widerrufsrecht zu belehren.
Anders gestaltet sich die Situation bei Internetauktionen, weil hier in der Regel der Verkäu-
fer durch die Erstellung einer Auktion seinen Bindungswillen in Form eines verbindlichen
83 LG Kleve, Urteil vom 2.3.2007, 8 O 128/06 = MMR 2007, 332; LG Hanau, Urteil vom 12.6.2007, 5 O 34/07;
OLG Köln, Urteil vom 3.8.2007, 6 U 60/07 = MMR 2007, 713; OLG Naumburg, Urteil vom 10.7.2007, 1 U 14/07
= NJW-RR 2008, 776; einschränkend KG, Beschluss vom 17.7.2006, 5 W 156/06 = MMR 2006, 678 = NJW
2006, 3215 sowie OLG München, Urteil vom 26.6.2008, 29 U 2250/08 = MMR 2008, 677, die die Textform
zumindest dann gewahrt sehen, wenn der Verbraucher die Belehrung tatsächlich auf seinem Rechner
abgespeichert hat; a. A. Krois/Naber, BLJ 2007, 77, 82
84 OLG Jena, Urteil vom 9.5.2007, 2 W 124/07; LG Hanau, Urteil vom 12.6.2007, 5 O 34/07; Bonke/Gellmann,
NJW 2006, 3169, 3170; Einsele in: MünchKomm § 126b, Rn. 4; Hahn, JurPC Web-Dok. 132/2008, Abs. 16
85 BGH, Urteil vom 26.1.2005, VIII ZR 79/04 = MMR 2005, 233 = NJW 2005, 976; Kitz in: Hoeren/Sieber, Teil
13.1, Rn. 88; Schmidt, Rn. 272 f.
17
Rechtsfragen bei Internetauktionen - 4.4 Widerrufsfrist
Angebotes erklärt. Dieses kann der Käufer annehmen und so unmittelbar den Vertrags-
schluss herbeiführen. Weil die Akteure bei Internetauktionen üblicherweise unter Pseud-
onymen handeln, erfährt der Verkäufer erst nach Vertragsschluss, wer sein Vertragspartner
geworden ist und kann ihm erst dann die Belehrung erteilen.
Da eine Widerrufsbelehrung auf der Angebotsseite nicht die Textform nach § 126 b BGB
erfüllt und eine formgemäße Belehrung des Verbrauchers per E-Mail erst nach Vertrags-
schluss möglich ist, beträgt die Widerrufsfrist bei Internetauktionen nicht nur zwei Wochen,
sondern einen Monat86.
Das unverständliche und unbefriedigende Ergebnis, dass bei Internetauktionen die Wider-
rufsfrist einen Monat beträgt, bei gewöhnlichen Warenverkäufen im Internet aber nur zwei
Wochen, führte zu der Überlegung, § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB teleologisch einzuschränken.
Wenn Vertragsschluss und Belehrung bei natürlicher Betrachtung einen einheitlichen Vor-
gang bilden, so könne noch von einer rechtzeitigen Belehrung ausgegangen werden87.
Überwiegend wurde dies jedoch abgelehnt88. Auch die Bundesregierung befürchtet neue
Auslegungsprobleme, wenn eine Belehrung „alsbald“ nach Vertragsschluss zur zweiwöchi-
gen Widerrufsfrist führte89.
Umstritten ist auch der Beginn der Widerrufsfrist. Einerseits wurde die Ansicht vertreten,
die Widerrufsfrist beginne erst am Tag nach Erhalt der Ware90, andererseits gibt es auch
Stimmen, die die Frist bereits mit Erhalt der Ware beginnen sehen91. Diese Unterscheidung
ist wichtig für die Beurteilung, ob eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung vorliegt. Die
Widerrufsbelehrung muss nämlich nach § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB auch über den Fristbe-
ginn informieren.
Betrachtet man den Wortlaut des § 187 Abs. 1 BGB, so wird deutlich, dass der Erhalt der
Ware und einer Belehrung in Textform das fristauslösende Ereignis ist und lediglich bei der
Berechnung der Frist vom darauffolgenden Tag auszugehen ist. Der Fristbeginn und der
86 KG, Beschluss vom 18.7.2006, 5 W 156/06 = MMR 2006, 678 = NJW 2006, 3215; OLG Hamburg, Urteil vom
24.8.2006, 3 U 103/06 = MMR 2006, 675 = NJW 2007, 1893; OLG Köln, Urteil vom 3.8.2007, 6 U 60/07 =
MMR 2007, 713; Bonke/Gellmann, NJW 2006, 3169, 3171; Hoeren, S. 353
87 Masuch in: MünchKomm § 355, Rn. 54; Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3378; Hoffmann, MMR 2006, 676,
677
88 OLG Köln, Urteil vom 3.8.2007, 6 U 60/07 = MMR 2007, 713; Bonke/Gellmann, NJW 2006, 3169, 3173
89 Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion, BT-Drs. 16/3595, S. 5
90 AG Bremen, Urteil vom 28.9.2007, 9 C 314/07; OLG Hamm, Urteil vom 18.10.2007, 4 U 126/07 = MMR 2008,
176; Grothe in: MünchKomm § 187, Rn. 1; Buchmann, MMR 2007, 347, 351; Masuch, NJW 2008, 1700, 1702
91 LG Braunschweig, Urteil vom 6.11.2007, 21 O 1899/07 = MMR 2008, 59 (mit zustimmender Anmerkung
Faustmann); wohl auch OLG Köln, Urteil vom 3.8.2007, 6 U 60/07 = MMR 2007, 713
18
Rechtsfragen bei Internetauktionen - 4.4 Widerrufsfrist
Ausgangspunkt für die Berechnung des Fristendes sind folglich streng voneinander zu
trennen92, so dass der zweiten Auffassung zuzustimmen ist.
4.5 Musterwiderrufsbelehrung
Um Zweifeln zu begegnen, wann eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung vorliegt, ent-
hält Anlage 2 der BGB-InfoV eine Musterwiderrufsbelehrung. Verwendet der Unternehmer
eine Belehrung nach diesem Muster, so soll die Belehrung nach § 14 Abs. 1 BGB-InfoV
den Anforderungen nach § 355 Abs. 2 BGB genügen. Umstritten ist aber, ob die Musterwi-
derrufsbelehrung nach Anlage 2 selbst diese Anforderungen erfüllt.
Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des LG Halle, die der
Musterwiderrufsbelehrung mehrere Unklarheiten und Fehler bescheinigte93. Insbesondere
seien Angaben des Musters zum Beginn der Widerrufsfrist, zur Berechnung der Frist sowie
zu den bei einem schriftlich abzuschließenden Vertrag neben der ordnungsgemäßen Be-
lehrung noch erforderlichen Voraussetzungen (§ 355 Abs. 2 Satz 3 BGB) nicht vorhanden
oder unklar.
Dies führe nach Ansicht des Gerichtes dazu, dass sich § 14 Abs. 1 BGB-InfoV und die An-
lage 2 mit der Musterwiderrufsbelehrung nicht mehr im Rahmen der Verordnungsermächti-
gung nach Art. 245 EGBGB halten. Diese Vorschrift ermächtige den Verordnungsgeber
nur, Inhalt und Gestaltung der Belehrung nach § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB festzulegen, wo-
bei die Belehrung dem Verbraucher seine Rechte deutlich machen müsse. Wenn aber das
Muster Fehler und Unklarheiten beinhaltet, so sei es nicht geeignet, dem Verbraucher sei-
ne Rechte deutlich zu machen und entspreche nicht mehr der Verordnungsermächtigung,
weshalb § 14 Abs. 1 BGB-InfoV sowie die Anlage 2 wegen Verstoßes gegen Art. 80 Abs. 1
GG nichtig seien.
Die Argumentation des LG Halle wurde in der Rechtsprechung aufgegriffen. Es wurde je-
doch hervorgehoben, dass die BGB-InfoV nach dem der Entscheidung des LG Halle zu-
grundeliegenden Sachverhalt durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über
Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 2.12.200494, ein vom parlamentari-
19
Rechtsfragen bei Internetauktionen - 4.5 Musterwiderrufsbelehrung
schen Gesetzgeber erlassenes förmliches Gesetz, selbst Gesetzesrang erhalten habe und
daher normhierarchisch mit dem BGB auf einer Stufe stehe95.
Somit war die BGB-InfoV unabhängig von ihrem Zustandekommen durch ein förmliches
Gesetz eine Rechtsverordnung98. Dies führt dazu, dass jedes deutsche Gericht sie für
nicht ermächtigungskonform und nichtig erklären kann. In der Folge haben sich der Auffas-
sung des LG Halle mehrere Gerichte angeschlossen99. Eine höchstrichterliche Entschei-
dung des BGH zu dieser Frage erging bisher nicht. Eine dazu anhängig gemachte
Revision100 wurde in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.
Zum 1.4.2008 wurde die BGB-InfoV durch die Dritte Verordnung zur Änderung der BGB-In-
formationspflichten-Verordnung vom 4.3.2008101 modifiziert, wobei auch das Muster der
Widerrufsbelehrung in Anlage 2 angepasst wurde. Das bisherige Muster konnte während
einer Übergangsfrist noch bis zum 30.9.2008 verwendet werden. Zwar wurden mit der
Neufassung viele Mängel der bislang gültigen Musterwiderrufsbelehrung behoben, den-
noch ist das neue Muster noch nicht ideal102. Daher hat die Bundesregierung im November
2008 einen Gesetzentwurf beschlossen, der unter anderem die Widerrufsfrist bei Onli-
neauktionen unmissverständlich auf zwei Wochen festlegt und die Bestimmungen der
95 LG Münster, Urteil vom 2.8.2006, 24 O 96/06 = MMR 2006, 762; LG Flensburg, Urteil vom 23.8.2006,
6 O 107/06 = MMR 2006, 686; LG Kassel, Urteil vom 2.2.2007, 1 S 395/06 = NJW 2007, 3136
96 BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13.9.2005, 2 BvF 2/03 = BVerfGE 114, 196 = NJW 2006, 1195
97 BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13.9.2005, 2 BvF 2/03, Rn. 207 = BVerfGE 114, 196, 236 f.
98 Masuch in: MünchKomm § 355, Rn. 57; Buchmann, MMR 2007, 347, 348
99 AG Bremen, Urteil vom 28.9.2007, 9 C 314/07; OLG Schleswig, Urteil vom 25.10.2007, 16 U 70/07; offen
gelassen vom OLG Köln, Urteil vom 3.8.2007, 6 U 60/07 = MMR 2007, 713
100 Verhandlungstermin vom 26.9.2007, VIII ZR 25/07, Pressemitteilung Nr. 128/07,
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?
Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2007&Sort=3&Seite=2&nr=41157&pos=72&anz=200, zuletzt abgerufen am
28.1.2009
101 BGBl. I S. 292
102 Masuch, NJW 2008, 1700, 1701; kritisch auch Obex in: Hoeren/Müller, MMR-Beil. 2008, Heft 7, S. 19
20
Rechtsfragen bei Internetauktionen - 4.5 Musterwiderrufsbelehrung
BGB-InfoV in ein förmliches Gesetz kleidet103. Das Gesetz soll am 31.10.2009 in Kraft tre-
ten.
Der Begriff „Widerruf“ muss in der Widerrufserklärung nicht enthalten sein, jedoch muss
der Unternehmer erkennen können, dass der Verbraucher an seiner Willenserklärung nicht
festhalten will105. Nicht ausreichend ist jedoch, wenn der Verbraucher erklärt, er „habe eine
Rücksendung“, weil nicht klar ist, ob er eine Nachbesserung wegen eines Sachmangels
verlangt oder sein Widerrufsrecht ausüben möchte106.
5. Fazit
5.1 Zusammenfassung
Nach einer Differenzierung zwischen der konventionellen Internetauktion und der umge-
kehrten Versteigerung wurden dargestellt, wie der rechtliche Charakter von Internetauktio-
nen in Literatur und Rechtssprechung beurteilt wurde. Ferner wurden einzelne Probleme
des Vertragsschlusses erörtert.
21
Rechtsfragen bei Internetauktionen - 5.1 Zusammenfassung
5.2 Ausblick
Neben den hier dargestellten Fragen, die sich mit dem Zustandekommen und der Wirk-
samkeit der im Rahmen von Internetauktionen geschlossenen Rechtsgeschäfte stellen,
verdienen auch andere Aspekte Aufmerksamkeit.
Hier wären zum einen wettbewerbsrechtliche Probleme zu erörtern, die sich insbesondere
aus der Verwendung unzulässiger AGB ergeben. Diese können nämlich dem Verwender
einen nicht gerechtfertigten Vorteil gegenüber Mitbewerbern eröffnen, wenn beispielsweise
die Ausübung des Widerrufsrechts durch unrichtige oder unvollständige Belehrungen be-
schränkt wird und die Bieter von der Ausübung dieses Rechtes abgehalten werden.
108 kritisch zur allgemeinen Informationsüberflutung in der Literatur zum Medienrecht: Hoeren, S. 25
22
Rechtsfragen bei Internetauktionen - 5.2 Ausblick
Handel im Netz dar109. Mögen die Verbraucherschutzrechte auch sinnvoll und gut gemeint
sein, so ist eine Grenze überschritten, wenn Kleinunternehmer systematisch mit Unterlas-
sungsverfügungen und Androhungen von Ordnungsgeld in sechsstelliger Höhe oder Ord-
nungshaft überzogen werden, obwohl sie keine wettbewerbsschädliche Absicht verfolgen.
Ein weiterer Aspekt, der eingehendere Betrachtung verdient, ist der Handel mit virtuellen
Gütern wie Waffen, Rüstungen, besonderen Fähigkeiten aus Online-Rollenspielen, den
sog. MMORPGs110. Auch virtuelle Spielercharaktere (Avatare) werden online gehandelt.
Hier stellen sich Fragen, die nicht ohne weiteres mit den Instrumenten der hergebrachten
Rechtsgeschäftslehre zu beantworten sind und die Rechtsnatur virtueller Gegenstände ist
unklar111, so dass nähere gesetzliche Regelungen wünschenswert erscheinen. Im asiati-
schen Raum, wo diese Art der Onlinespiele weit verbreitet und beliebt ist, werden bereits
seit längerer Zeit rechtliche Regelungen erwogen112.
Schließlich sind auch die Bewertungssysteme zu betrachten, innerhalb derer sich die Teil-
nehmer an Onlineauktionen gegenseitig bewerten können und somit anderen Benutzern
wichtige Anhaltspunkte zur Verlässlichkeit eines potenziellen Vertragspartners geben. Hier
ist insbesondere zu erörtern, welche Abwehrmöglichkeiten einem Marktteilnehmer zur Sei-
te stehen, der sich ungerechtfertigten Bewertungen ausgesetzt sieht113.
Der Bereich Internetauktionen stellt einen kleinen Ausschnitt des Rechtsgebietes Online-
recht dar. Unter Berücksichtigung der zunehmenden Bedeutung der Kommunikation und
des Handels im weltweiten Datennetz bedarf es zur Klärung der zahlreichen noch offenen
Fragen neben einer eingehenden rechtlichen Betrachtung und Diskussion in Literatur und
Rechtsprechung einer Gesetzgebung, die mit den aktuellen gesellschaftlichen und techni-
schen Veränderungen Schritt hält.
109 vgl. Föhlisch in: Hoeren/Sieber, Teil 13.4, Rn. 8; Bonke/Gellmann, NJW 2006, 3169; Hoffmann, NJW 2007,
2594
110 Massive Mulitplayer Online Role Playing Games
111 vgl. die unterschiedlichen Ansätze bei Lober/Weber, MMR 2005, 660; Krasemann, MMR 2006, 351 sowie
Psczolla, JurPC Web-Dok. 17/2009
112 vgl. Koch, JurPC Web-Dok. 57/2006, Abs. 5 f.
113 siehe hierzu z.B. Hoeren, S. 240; Janal, NJW 2006, 870; Meyer, NJW 2004, 3151; Petershagen, NJW 2008,
953
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Selbständigkeitserklärung
Ich versichere, dass ich die vorstehende Arbeit eigenständig und ohne fremde Hilfe ange-
fertigt und mich anderer als der in der Arbeit angegebenen Hilfsmittel nicht bedient habe.
Alle Stellen, die sinngemäß oder wörtlich aus Veröffentlichungen übernommen wurden,
sind als solche kenntlich gemacht.
Die Arbeit wurde bisher weder in Teilen noch insgesamt einer anderen Prüfungsbehörde
vorgelegt und auch nicht veröffentlicht.
Christian Tischlik
Matrikelnummer: 5070035
Unterschrift
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