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SCHWEIZ
Schluss mit «Füdliblutt»: Das harte Vorgehen gegen hüllenloses Wandern im Appenzell wird nun auch von FKK- Verbänden unterstützt.
Bild: Keystone
Im September gelang es der Polizei schliesslich, einen Nacktwanderer in flagranti zu erwischen. Der 44-
jährige Ostschweizer wurde wegen «groben Unfugs» angezeigt. Die Nachricht über den Fall verbreitete sich
in Windeseile weit übers Schweizerland hinaus. In einschlägigen Internetforen Deutschlands, wo das
Nacktwandern besonders viele Anhänger hat und der Alpstein als attraktives Gebiet propagiert wird, gilt
Appenzell seither als Inbegriff der Prüderie.
Das beeindruckt die Appenzeller aber nicht im Geringsten. «Wir müssen unsere Kinder vor dieser Unsitte
schützen», sagt Melchior Looser, Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartements. Zudem zählten die
Touristen darauf, dass im Appenzellerland noch Ordnung herrsche: «Wir dürfen die anständigen Gäste
nicht vor den Kopf stossen.» Noch vor der warmen Jahreszeit soll Innerrhoden deshalb ein griffigeres
Gesetz gegen das Nacktwandern erhalten.
Ein Vorentscheid dazu fällt am kommenden Montag. Dann berät das Kantonsparlament über eine Änderung
des Übertretungsstrafgesetzes. Zentraler Revisionspunkt: Verstösse gegen die öffentliche Ordnung sollen
nicht mehr bloss ein Antrags-, sondern ein Offizialdelikt sein. Nacktwanderer könnten somit auf der Stelle
mit 200 Franken gebüsst werden. Und die Behörden würden sich ein langwieriges Verfahren ersparen – der
letzten Herbst erwischte Ostschweizer ist bis heute nicht verurteilt.
Looser hat keinen Zweifel, dass das Parlament der Vorlage zustimmen wird. Und dass im April auch die
Landsgemeinde ihren Segen dazu gibt. «Ich habe jedenfalls noch von keinem gehört, der gegen diese
Verschärfung opponieren würde.» Und bemerkenswert: Auch die Verbände für Freikörperkultur halten ein
rigoroses Vorgehen für sinnvoll. Man distanziere sich klar von den Nacktwanderern, heisst es bei der
Schweizer Naturisten Union, die 7000 Mitglieder zählt.
Kurt Fischer, Präsident des deutschen Verbands für Freikörperkultur, bezeichnet die Nacktwanderer gar als
«Neurotiker und Psychopathen», die ausserdem ein verdrehtes Toleranzdenken hätten: «Die Freiheit des
Einzelnen hört bekanntlich dort auf, wo die Freiheit der anderen tangiert wird.» Sein Verband nehme
konsequent keine Nacktwanderer auf. Unter den 45'000 Mitgliedern gilt laut Fischer die strikte Regel:
«FKK-Aktivitäten nur in eingezäumtem Gelände.»
Fischer findet es deshalb richtig, dass Behörden das Nacktwandern rigoros ahnden, und macht den
Appenzellern ein Kompliment. Ob das verschärfte Gesetz abschreckend wirken wird, ist jedoch offen. «Die
Polizei wird auch künftig nicht in den Bergen patrouillieren», räumt Staatsanwalt Brogli ein.
Grundsätzliche juristische Bedenken hegt der Zürcher Statthalter Bruno Graf: «Ob die Appenzeller
Bestimmung zulässig ist, müsste letztlich das Bundesgericht entscheiden.» Im Kanton Zürich ist das
Nacktwandern kein Thema und auch nicht gesetzlich geregelt. In einem konkreten Fall könnte laut Graf am
ehesten «sexuelle Belästigung» (StGB Artikel 198) geltend gemacht werden. Allerdings setze dies ein
willentliches Vorgehen des Täters voraus. Graf hofft aber, dass «diese Rückkehr des viktorianischen
Weinwelt-Angebot der
Woche
Zeitgeistes» nicht auch den Kanton Zürich erfassen wird. (Tages-Anzeiger)
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