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edition suhrkamp
Redaktion: Gunther Busch
1

edition suhrkamp
Redaktion: Gunther Busch

Dieter lenrich


legel im Kontext


Vierte, ·eränderte Auílage













Dieter lenrich, geboren 192¯, habilitierte sich 1956 in leidelberg, wurde
1960 Ordinarius an der lreien Uni·ersität Berlin, 1965 an der Uni·ersität
leidelberg, seit 1981 lehrt er an der Uni·ersität München. Diese Arbeiten
über legel und den legelianismus sind aus der neueren wissenschaítlichen
Diskussion nicht mehr íortzudenken, sie haben nicht nur die Interpretation
der legelschen 1heorie in Linzelíragen ·orangebracht, sondern auch zur
Lntwicklung eines legel-Bildes beigetragen, das \erk, \irkung und
Auínahme legels im Zusammenhang der Vor- und Nachgeschichte der
klassischen deutschen Philosophie präzisiert. Diesem 1hema ist der
·orliegende Band gewidmet.


Suhrkamp Verlag

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Dieter lenrich


legel im Kontext


Vierte, ·eränderte Auílage













Dieter lenrich, geboren 192¯, habilitierte sich 1956 in leidelberg, wurde
1960 Ordinarius an der lreien Uni·ersität Berlin, 1965 an der Uni·ersität
leidelberg, seit 1981 lehrt er an der Uni·ersität München. Diese Arbeiten
über legel und den legelianismus sind aus der neueren wissenschaítlichen
Diskussion nicht mehr íortzudenken, sie haben nicht nur die Interpretation
der legelschen 1heorie in Linzelíragen ·orangebracht, sondern auch zur
Lntwicklung eines legel-Bildes beigetragen, das \erk, \irkung und
Auínahme legels im Zusammenhang der Vor- und Nachgeschichte der
klassischen deutschen Philosophie präzisiert. Diesem 1hema ist der
·orliegende Band gewidmet.


Suhrkamp Verlag

2 3


Inhalt


Inhalt 5
Vorwort ¯
legel und lolderlin 9
1. Selbstsein und lingabe in der Vereinigungsphilosophie 12
2. lolderlins \eg zur philosophischen Grundlegung 18
3. legels Selbst·erständigung mit lolderlin 22
4. Strukturen in lolderlins späterem Denken 30
5. legel und lolderlin in Diííerenz 35
listorische Voraussetzungen ·on legels System 41
1. Rousseau und Kants Moraltheologie 44
2. Kantianismus und Bibelkritik 51
3. lolderlins Systementwurí und legels írüheste Probleme 61
Aníang und Methode der Logik ¯3
1. Die Kritik am Aníang ¯5
2. Die Struktur des Aníangs 85
legels Logik der Reílexion 95
I. Ziel und Methode der Logik 95
II. Analytischer Kommentar zur Logik der Reílexion 105
III. Methode und Auíbau der Logik 136
legels 1heorie über den Zuíall 15¯
1. Der Begriíí des Zuíalls in der Logik 15¯
2. Der Zuíall in der Natur 165
3. Der Zuíall im Leben des Geistes 1¯1

edition suhrkamp 510
Lrste Auílage 19¯1
© Suhrkamp Verlag, lrankíurt am Main 196¯. Lrstausgabe. Printed in
Germany. Alle Rechte ·orbehalten, insbesondere das der Ubersetzung, des
oííentlichen Vortrags sowie des Rundíunk·ortrags, auch einzelner 1eile.
Druck und Bindung bei Nomos Verlagsgesellschaít, Baden-Baden. Gesamt-
ausstattung \illy lleckhaus.
4. Die Notwendigkeit des Seinsganzen und
die Kontingenz des Seienden 180
Karl Marx als Schüler legels 18¯
Bibliographische Notiz des Autors 209
4 5 6 ¯ 8

9 -

93 92

91

90 89 88

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Inhalt


Inhalt 5
Vorwort ¯
legel und lolderlin 9
1. Selbstsein und lingabe in der Vereinigungsphilosophie 12
2. lolderlins \eg zur philosophischen Grundlegung 18
3. legels Selbst·erständigung mit lolderlin 22
4. Strukturen in lolderlins späterem Denken 30
5. legel und lolderlin in Diííerenz 35
listorische Voraussetzungen ·on legels System 41
1. Rousseau und Kants Moraltheologie 44
2. Kantianismus und Bibelkritik 51
3. lolderlins Systementwurí und legels írüheste Probleme 61
Aníang und Methode der Logik ¯3
1. Die Kritik am Aníang ¯5
2. Die Struktur des Aníangs 85
legels Logik der Reílexion 95
I. Ziel und Methode der Logik 95
II. Analytischer Kommentar zur Logik der Reílexion 105
III. Methode und Auíbau der Logik 136
legels 1heorie über den Zuíall 15¯
1. Der Begriíí des Zuíalls in der Logik 15¯
2. Der Zuíall in der Natur 165
3. Der Zuíall im Leben des Geistes 1¯1

edition suhrkamp 510
Lrste Auílage 19¯1
© Suhrkamp Verlag, lrankíurt am Main 196¯. Lrstausgabe. Printed in
Germany. Alle Rechte ·orbehalten, insbesondere das der Ubersetzung, des
oííentlichen Vortrags sowie des Rundíunk·ortrags, auch einzelner 1eile.
Druck und Bindung bei Nomos Verlagsgesellschaít, Baden-Baden. Gesamt-
ausstattung \illy lleckhaus.
4. Die Notwendigkeit des Seinsganzen und
die Kontingenz des Seienden 180
Karl Marx als Schüler legels 18¯
Bibliographische Notiz des Autors 209
4 6 ¯ 8

9 -

93 92

91

90 89 88

5 4

Vorwort


\er legel ·erstehen will, war über mehr als ein Jahrhundert mit sich allein.
Lr íand keinen Kommentar, der beim Lesen halí, statt es nur ersetzen zu
wollen. Auch heute íällt es noch schwer zu sagen, was eigentlich ·orgeht in
legels Denken, - dem letzten, das es ·ermochte, 1heorie der logischen lor-
men, der Gesellschaít, des Bewu|tseins und der \elt in einem zu sein.
An seiner Bedeutung zweiíelt niemand. Seine Diagnose steht aus.




Die Untersuchungen zu legel, die nunmehr in ·ierter Auílage ·eroííentlicht
werden, sind im Bewu|tsein dieser Situation geschrieben worden. Sie sind
ebenso ·iele Versuche, eine Perspekti·e zu gewinnen, in der sich legels \erk
als Ganzes ·erstehen lassen konnte. Ihre Nebenabsicht ist, einige wichtige
Probleme der legel-Interpretation zu losen.





Sie wollen legel im Kontext ·erstehen, - zunächst im Kontext seines eigenen
\erkes. So haben einige der Untersuchungen damit begonnen, sich in ihm
argumentierend zu bewegen, Alternati·en zum Verständnis der 1exte zu
erwägen und unter ihnen nach Gründen zu entscheiden. Vor allem die
Auísätze zu legels Logik zielen darauí, die unbeíriedigende Situation zu
beenden, in der nicht mehr moglich ist als die \iedergabe und die inspirierte
Variation ·on legels 1hesen oder ihre Kritik aus einer Distanz, die ihre
Strukturen ·erschwimmen lä|t. Immerhin lä|t sich über Dialektik nur reden,
aber nicht denken, solange legels Grundwerk ein ·erschlüsseltes Buch ist.








In anderen Untersuchungen wird legel in den Kontext seiner Zeit gebracht.
Ls sollte gelingen, die Bedingungen, unter denen sein \erk entstand, so zu
·ergegenwärtigen, da| seine Moti·e deutlich werden. Solche Moti·e sind in


legels philosophischer Lntwicklung und überall im System gegenwärtig
geblieben. Sie erklären zum guten 1eil seine Originalität, die íür keine
Imitation erreichbar war, und seinen Auístieg zur \eltphilosophie. Die
Grundkonzeption des \erkes, die aus solchen Moti·en íreigesetzt wurde,
6 ¯

Vorwort


\er legel ·erstehen will, war über mehr als ein Jahrhundert mit sich allein.
Lr íand keinen Kommentar, der beim Lesen halí, statt es nur ersetzen zu
wollen. Auch heute íällt es noch schwer zu sagen, was eigentlich ·orgeht in
legels Denken, - dem letzten, das es ·ermochte, 1heorie der logischen lor-
men, der Gesellschaít, des Bewu|tseins und der \elt in einem zu sein.
An seiner Bedeutung zweiíelt niemand. Seine Diagnose steht aus.




Die Untersuchungen zu legel, die nunmehr in ·ierter Auílage ·eroííentlicht
werden, sind im Bewu|tsein dieser Situation geschrieben worden. Sie sind
ebenso ·iele Versuche, eine Perspekti·e zu gewinnen, in der sich legels \erk
als Ganzes ·erstehen lassen konnte. Ihre Nebenabsicht ist, einige wichtige
Probleme der legel-Interpretation zu losen.





Sie wollen legel im Kontext ·erstehen, - zunächst im Kontext seines eigenen
\erkes. So haben einige der Untersuchungen damit begonnen, sich in ihm
argumentierend zu bewegen, Alternati·en zum Verständnis der 1exte zu
erwägen und unter ihnen nach Gründen zu entscheiden. Vor allem die
Auísätze zu legels Logik zielen darauí, die unbeíriedigende Situation zu
beenden, in der nicht mehr moglich ist als die \iedergabe und die inspirierte
Variation ·on legels 1hesen oder ihre Kritik aus einer Distanz, die ihre
Strukturen ·erschwimmen lä|t. Immerhin lä|t sich über Dialektik nur reden,
aber nicht denken, solange legels Grundwerk ein ·erschlüsseltes Buch ist.








In anderen Untersuchungen wird legel in den Kontext seiner Zeit gebracht.
Ls sollte gelingen, die Bedingungen, unter denen sein \erk entstand, so zu
·ergegenwärtigen, da| seine Moti·e deutlich werden. Solche Moti·e sind in


legels philosophischer Lntwicklung und überall im System gegenwärtig
geblieben. Sie erklären zum guten 1eil seine Originalität, die íür keine
Imitation erreichbar war, und seinen Auístieg zur \eltphilosophie. Die
Grundkonzeption des \erkes, die aus solchen Moti·en íreigesetzt wurde,
6 ¯
macht es auch moglich, sein Verhältnis zum Bedeutendsten und zum
lolgenreichsten zu bestimmen, das in seiner Nähe entstand: Zum \erk ·on
lolderlin und zu dem ·on Marx.
legel und lolderlin
Die Untersuchungen sind nicht zur selben Zeit entstanden. Ihre Perspekti·en
auí legel sind deshalb ·oneinander ·erschieden. Ich hoííe, da| der lolge in
der Zeit ein lortschritt im Verständnis entsprach. Sie haben alle auch einen
Linílu| auí die Lríorschung und die philosophische Lrkundung ·on legels
\erk gehabt. Auch aus diesem Grunde ist es wohl sinn·oll, sie mit nur sehr
wenigen Veränderungen erneut zugänglich zu machen. In einem Anhang sind
Arbeiten des Veríassers genannt, welche sich an die 1exte dieses Bandes
angeschlossen haben.
Die lreundschaít legels mit lolderlin endete im Schweigen. Im ganzen \erk
legels ist lolderlins Name nicht einmal genannt. Auch wo Brieíe an ihn
erinnern, ist legels Antwort stets karg. Die Zeit ihrer Gemeinsamkeit, in der das
·Ideal des Jünglingsalters· in Kraít stand, war dem legel, der die Idee zum
System als \issenschaít entíaltete, ebenso entrückt wie der im \ahnsinn
·erstummte lolderlin selber. Gäbe es nicht lorschung, - wir wü|ten nichts ·on
dem, was sie ·erband.
München, April 1·º¨ Dieter íevricb
In besonderen Situationen konnte íreilich das ·erschüttete Gedächtnis
legels zu erstaunlicher Klarheit auíleben. Lr konnte dann ·on der
Vergangenheit mit lolderlin so erzählen, da| die, die an ihr Anteil hatten,
sich ganz in sie zurück·ersetzt íanden, - kaum anders als so, wie später Proust
den ·ollendeteren \iederauígang der ·erlorenen Zeit beschrieben hat.
1

In der Lrwartung einer neuen Gemeinsamkeit mit lolderlin hatte legel
einst das einzige Gedicht ·on Belang, das er schrieb, dem lreunde
gewidmet. In Ungeduld zum nahen \iedersehen pries er in ihm die 1reue ihres
alten Bundes.
2
Und er ·ersicherte, da| er seiner Leitung und lührung bedüríe, -
so wie lolderlin umgekehrt ihn als den Mentor
9

1 Vgl. den Lintrag im 1agebuch der Prinzessin Marianne ·on Preu|en in: \erner Kirchner,
íötaertiv, .vf.at¸e ¸v .eiver íovbvrger Zeit, 1·ó¨ S. 120,121.
lolderlins \erk wird nach der Gro|en Stuttgarter Ausgabe als ·StA· zitiert.
2 Im Gedicht ítev.i., abgedruckt u. a. in legel, ßr i e f e , Band I, 1952, S. 38.
Im lolgenden werden nur ausdrückliche Zitate und einige wichtige, weniger bekannte Stellen durch
Zitate ausgewiesen. Da im übrigen ständig auí Schriíten legels und lolderlins aus der lrankíurter
Zeit Bezug genommen wird, ist auí weitere Belege ·erzichtet worden.

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macht es auch moglich, sein Verhältnis zum Bedeutendsten und zum
lolgenreichsten zu bestimmen, das in seiner Nähe entstand: Zum \erk ·on
lolderlin und zu dem ·on Marx.
legel und lolderlin
Die Untersuchungen sind nicht zur selben Zeit entstanden. Ihre Perspekti·en
auí legel sind deshalb ·oneinander ·erschieden. Ich hoííe, da| der lolge in
der Zeit ein lortschritt im Verständnis entsprach. Sie haben alle auch einen
Linílu| auí die Lríorschung und die philosophische Lrkundung ·on legels
\erk gehabt. Auch aus diesem Grunde ist es wohl sinn·oll, sie mit nur sehr
wenigen Veränderungen erneut zugänglich zu machen. In einem Anhang sind
Arbeiten des Veríassers genannt, welche sich an die 1exte dieses Bandes
angeschlossen haben.
Die lreundschaít legels mit lolderlin endete im Schweigen. Im ganzen \erk
legels ist lolderlins Name nicht einmal genannt. Auch wo Brieíe an ihn
erinnern, ist legels Antwort stets karg. Die Zeit ihrer Gemeinsamkeit, in der das
·Ideal des Jünglingsalters· in Kraít stand, war dem legel, der die Idee zum
System als \issenschaít entíaltete, ebenso entrückt wie der im \ahnsinn
·erstummte lolderlin selber. Gäbe es nicht lorschung, - wir wü|ten nichts ·on
dem, was sie ·erband.
München, April 1·º¨ Dieter íevricb
In besonderen Situationen konnte íreilich das ·erschüttete Gedächtnis
legels zu erstaunlicher Klarheit auíleben. Lr konnte dann ·on der
Vergangenheit mit lolderlin so erzählen, da| die, die an ihr Anteil hatten,
sich ganz in sie zurück·ersetzt íanden, - kaum anders als so, wie später Proust
den ·ollendeteren \iederauígang der ·erlorenen Zeit beschrieben hat.
1

In der Lrwartung einer neuen Gemeinsamkeit mit lolderlin hatte legel
einst das einzige Gedicht ·on Belang, das er schrieb, dem lreunde
gewidmet. In Ungeduld zum nahen \iedersehen pries er in ihm die 1reue ihres
alten Bundes.
2
Und er ·ersicherte, da| er seiner Leitung und lührung bedüríe, -
so wie lolderlin umgekehrt ihn als den Mentor
9

1 Vgl. den Lintrag im 1agebuch der Prinzessin Marianne ·on Preu|en in: \erner Kirchner,
íötaertiv, .vf.at¸e ¸v .eiver íovbvrger Zeit, 1·ó¨ S. 120,121.
lolderlins \erk wird nach der Gro|en Stuttgarter Ausgabe als ·StA· zitiert.
2 Im Gedicht ítev.i., abgedruckt u. a. in legel, ßr i e f e , Band I, 1952, S. 38.
Im lolgenden werden nur ausdrückliche Zitate und einige wichtige, weniger bekannte Stellen durch
Zitate ausgewiesen. Da im übrigen ständig auí Schriíten legels und lolderlins aus der lrankíurter
Zeit Bezug genommen wird, ist auí weitere Belege ·erzichtet worden.

8
düríen, in dem Stuíe auí Stuíe zur hoheren Linsicht íührt. Und es ist auch
längst an der Zeit, prägnanter darzulegen, inwieíern die Lntwüríe einer
Philosophie, die gegen die 18. Jahrhundertwende her·ortraten, nur als ebenso
·iele Anstrengungen zu ·erstehen sind, auí eine singuläre Situation ·on
Problemen Antwort zu geben, - da| sie sich also zu Unrecht gegenseitig íür
historisch überboten oder gar íür Lxkremente der linsternis diagnostisch
abgetan haben, - in unbeíangener Anwendung der noch neuen Mittel der Ge-
schichtsphilosophie auí ihre Lríinder. Im Zuge dieser Re·ision zeichnet sich
ein Bild ·on legels Denken ab, das den Bund der Geister mit lolderlin nicht
einer belanglosen Vorgeschichte überlassen kann. Aber die Konturen des Bil-
des sind bisher unbestimmt geblieben.
seines zu oít ·erstorten Lebens begrü|en wollte.
3
Dem íolgte wirklich eine
Zeit im gro|eren Kreis weiterer lreunde, die ·iel später noch zumindest
einem ·on ihnen ein ·Bund der Geister· in der ·gemeinsamen Ansicht der
\ahrheit· war.
4

lür legel aber ist dieser Bund zeríallen, - im rapiden \echsel der
historischen Szene der Lpoche, der das Leben der lreunde mit sich und in
disparate Richtungen zog, mit dem Lintritt in den prosaischen Lehralltag der
Jenaer Uni·ersität, mit der Ausbildung der Uberzeugung, da| die moderne
\elt sich selbst in der gro|en mythischen Dichtung nicht wiederíinden
konne, íür die lolderlin lebte, sicher auch aus dem Schrecken über die ·om
\ahnsinn entstellte Lrscheinung des Dichters, die ehedem Lngeln und
Gottern ·erglichen worden war. So breitete sich das Schweigen aus, ·erstärkt
·om Bewu|tsein der \elt Metternichs, die sich der lolge ·on Auíbrüchen
und Krisen, der sie ihre eigene prekäre Ruhe schlie|lich abgewonnen hatte,
zwar stets aber ebenso ungern erinnerte, ·erstärkt auch ·on legels
Selbstdarstellung, derzuíolge sein System aus denen, die ihm ·orangingen, mit
der Notwendigkeit logischer Konsequenz íolgte. \er die eigene Arbeit als die
Quintessenz des ·on Kant, gar des ·on Parmenides begonnenen Denkens
sieht, mag leicht die Lebenssituationen ·on sich abscheiden, aus denen er zu
dem wurde, als der er sich nun ·ersteht. Die unendliche Macht des Begriíís
bringt seine \ahrheit aus beliebigen, somit gleichgültigen Bedingungen des
besonderen Indi·iduums her·or, das ihn zuerst in seiner ·ollen Bestimmtheit
ausspricht, - so ist gut legelisch ein philosophischer Grund íür das Vergessen
zu íormulieren.
lier soll nun ·ersucht werden, sie schäríer nachzuzeichnen und Strukturen
des Gedankens in einer Begegnung abzuheben, die ·or allem deshalb bewegt,
weil sie in lolderlins Gratwanderung zur ·ollendetsten Dichtung und zum
Absturz in dämmernde Linsamkeit einbezogen ist.
legel ·erdankte seinem lreund mehr, als dieser ihm jemals danken konnte,
und zwar in zweierlei, durchaus ·erschiedenem Sinn: Lr ·erdankte ihm
zunächst den wesentlichsten Ansto| beim Ubergang zu seinem eigenen, ·on
Kant und lichte schon im ersten Schritt abgelosten Denken. Seit der
lrankíurter Begegnung blieb legel auí einem kontinuierlichen \eg der
Lntíaltung, auí den er ohne lolderlins ·orausgehendes Nachdenken nicht
geíunden hätte. Daraus ist nicht zu íolgern, da| legel eine Linsicht, die
lolderlin zukommt, lediglich zum System artikuliert habe. Im geraden
Gegenteil dazu soll zweitens gezeigt werden, da| legel bald erkannte, er
müsse lolderlins Linsicht ganz anders explizieren als dieser selbst es
·ermochte, so da| erst der Ansto| durch lolderlin mit dem Absto| ·on ihm
zusammengenommen legels írühen \eg zum System bestimmt haben.
Zwar ist die Meinung allgemein, der reiíe legel habe stets, was ihm eigen-
Doch seit langem ist klar, da| wir den \eg ·on Kant zu legel nicht nach
dem Modell eines Auígangs ·orstellen

11
3 legels Versicherung ist indirekt aus lolderlins Antwort zu entnehmen, ·gl. StA VI, I, 5.222
4 legel, Brieíe I, S. 322.
10
düríen, in dem Stuíe auí Stuíe zur hoheren Linsicht íührt. Und es ist auch
längst an der Zeit, prägnanter darzulegen, inwieíern die Lntwüríe einer
Philosophie, die gegen die 18. Jahrhundertwende her·ortraten, nur als ebenso
·iele Anstrengungen zu ·erstehen sind, auí eine singuläre Situation ·on
Problemen Antwort zu geben, - da| sie sich also zu Unrecht gegenseitig íür
historisch überboten oder gar íür Lxkremente der linsternis diagnostisch
abgetan haben, - in unbeíangener Anwendung der noch neuen Mittel der Ge-
schichtsphilosophie auí ihre Lríinder. Im Zuge dieser Re·ision zeichnet sich
ein Bild ·on legels Denken ab, das den Bund der Geister mit lolderlin nicht
einer belanglosen Vorgeschichte überlassen kann. Aber die Konturen des Bil-
des sind bisher unbestimmt geblieben.
seines zu oít ·erstorten Lebens begrü|en wollte.
3
Dem íolgte wirklich eine
Zeit im gro|eren Kreis weiterer lreunde, die ·iel später noch zumindest
einem ·on ihnen ein ·Bund der Geister· in der ·gemeinsamen Ansicht der
\ahrheit· war.
4

lür legel aber ist dieser Bund zeríallen, - im rapiden \echsel der
historischen Szene der Lpoche, der das Leben der lreunde mit sich und in
disparate Richtungen zog, mit dem Lintritt in den prosaischen Lehralltag der
Jenaer Uni·ersität, mit der Ausbildung der Uberzeugung, da| die moderne
\elt sich selbst in der gro|en mythischen Dichtung nicht wiederíinden
konne, íür die lolderlin lebte, sicher auch aus dem Schrecken über die ·om
\ahnsinn entstellte Lrscheinung des Dichters, die ehedem Lngeln und
Gottern ·erglichen worden war. So breitete sich das Schweigen aus, ·erstärkt
·om Bewu|tsein der \elt Metternichs, die sich der lolge ·on Auíbrüchen
und Krisen, der sie ihre eigene prekäre Ruhe schlie|lich abgewonnen hatte,
zwar stets aber ebenso ungern erinnerte, ·erstärkt auch ·on legels
Selbstdarstellung, derzuíolge sein System aus denen, die ihm ·orangingen, mit
der Notwendigkeit logischer Konsequenz íolgte. \er die eigene Arbeit als die
Quintessenz des ·on Kant, gar des ·on Parmenides begonnenen Denkens
sieht, mag leicht die Lebenssituationen ·on sich abscheiden, aus denen er zu
dem wurde, als der er sich nun ·ersteht. Die unendliche Macht des Begriíís
bringt seine \ahrheit aus beliebigen, somit gleichgültigen Bedingungen des
besonderen Indi·iduums her·or, das ihn zuerst in seiner ·ollen Bestimmtheit
ausspricht, - so ist gut legelisch ein philosophischer Grund íür das Vergessen
zu íormulieren.
lier soll nun ·ersucht werden, sie schäríer nachzuzeichnen und Strukturen
des Gedankens in einer Begegnung abzuheben, die ·or allem deshalb bewegt,
weil sie in lolderlins Gratwanderung zur ·ollendetsten Dichtung und zum
Absturz in dämmernde Linsamkeit einbezogen ist.
legel ·erdankte seinem lreund mehr, als dieser ihm jemals danken konnte,
und zwar in zweierlei, durchaus ·erschiedenem Sinn: Lr ·erdankte ihm
zunächst den wesentlichsten Ansto| beim Ubergang zu seinem eigenen, ·on
Kant und lichte schon im ersten Schritt abgelosten Denken. Seit der
lrankíurter Begegnung blieb legel auí einem kontinuierlichen \eg der
Lntíaltung, auí den er ohne lolderlins ·orausgehendes Nachdenken nicht
geíunden hätte. Daraus ist nicht zu íolgern, da| legel eine Linsicht, die
lolderlin zukommt, lediglich zum System artikuliert habe. Im geraden
Gegenteil dazu soll zweitens gezeigt werden, da| legel bald erkannte, er
müsse lolderlins Linsicht ganz anders explizieren als dieser selbst es
·ermochte, so da| erst der Ansto| durch lolderlin mit dem Absto| ·on ihm
zusammengenommen legels írühen \eg zum System bestimmt haben.
Zwar ist die Meinung allgemein, der reiíe legel habe stets, was ihm eigen-
Doch seit langem ist klar, da| wir den \eg ·on Kant zu legel nicht nach
dem Modell eines Auígangs ·orstellen

11
3 legels Versicherung ist indirekt aus lolderlins Antwort zu entnehmen, ·gl. StA VI, I, 5.222
4 legel, Brieíe I, S. 322.
10
tümlich ist, in kritischer Beziehung auí Schelling ausgesprochen. In Grenzen
kann das auch gar nicht bestritten werden, zumal Schellings \irkung eine
oííentliche Macht geworden war, der legel entgegenzutreten hatte.
Dennoch ist es nicht nur Rücksicht auí den jüngeren lreund, die ihn
Schellings Namen zunächst nicht nennen lä|t: legel mu|te in Schellings
Identitätsphilosophie eine Denkíigur wiederíinden, die ihm in lolderlin
schon írüher begegnet war und die tieíer auí ihn gewirkt hatte als
Schellings Denken in der Jenaer Zeit der Ausarbeitung des Systems. In
Beziehung auí sie, noch im Kreis der lrankíurter lreunde, hatte er
gelernt, sein Ligenstes auszusprechen.
Nicht immer kann sich das Bewu|tsein einer Zeit in der philosophischen
1heorie, die in ihr ·orherrscht, ·ollständig íormulieren. So entstehen
Nebenstrome des Gedankens, die lange unbeachtet bleiben, bis sie
Gelegenheit íinden, den lauptstrom zu erreichen. Sie ändern dann oít
seine Verlauísíorm und seine Richtung. Lin solcher Nebenstrom zu Lmpi-
rismus und Metaphysik des 18. Jahrhunderts war die aus platonischen
Quellen ílie|ende Vereinigungsphilosophie. In ihr hatte lolderlin schon
das Problem seines Lebens íormuliert, ehe er noch lichtes Denken
begegnete. Und sie gab ihm die Kraít, dessen Ideen umzuordnen und mit
ihrer lilíe, in der neuen Gestalt, die er ihnen gab, legel auí seinen
\eg zu bringen. \ir haben Grund, die Programmíormeln ·on legels Denken, die heute
in jedermanns Munde sind, so zu betonen, da| sie lolderlins Linsicht
gleicherma|en entsprechen vva entgegentreten. Zu nichts weniger aber
müssen wir auch imstande sein, um an beider Lebens- und Ideenentwurí,
die aus je besonderem Grund un·erge|lich geworden sind, die lrage nach
Recht und \ahrheit überhaupt richten zu konnen.
1hema der Vereinigungsphilosophie ist des Menschen hochstes Verlangen,
das seine Beíriedigung weder im Verbrauch ·on Gütern noch im Genu|
·on Macht und Anerkennung anderer íindet. Shaítesbury hatte es - in
neuplatonischer 1radition - auí die Anschauung des Schonen bezogen, das
am meisten in der Kraít des Geistes zu íinden ist, aus der die schonen
\erke der Kunst her·orgehen.
6
Durch den Gedanken, da| der Geist der
eigentliche Ort ·on Schonheit sei, auí die hochstes Verlangen geht, hielt er
sich in der Nähe der Grundüberzeugungen neuerer Philosophie. Aber bald
trat ihnen lranz lemsterhuis schroííer entgegen. Lr meinte, das Verlangen
sei nicht zu íassen als enthusiastische Verehrung hochster Schopíerkraít. Da
es uns dazu treibt, alle Vollkommenheit zu gewinnen, mu| es auch alle
Linzelheit und Beschränkung überíliegen. Ls beíriedigt sich immer nur
dann, wenn die Grenzen íallen, die den Verlangenden ·on dem trennen,
wonach er ·erlangt. Vereinigungstrieb ist also 1rieb zur Verschmelzung und
kann nicht Liebe eines lochsten sein, nur lingabe an das Lndliche au|er
uns. lemsterhuis hat Gott nicht mehr als die Macht der Liebe geía|t,


1. Selbstsein und lingabe in der Vereinigungsphilosophie
Seit kurzem sind wir der Gewi|heit nahegekommen, da| lolderlin in der
Nachíolge ·on Kants lreiheitslehre der erste war, der Kants 1hese
bestritt, der hochste Punkt, ·on dem die Philosophie auszugehen habe,
sei die Linheit des Bewu|tseins ·om Ich als Subjekt des Denkens. Da| der,
der sich ganz als Dichter sah und der sein ·spekulati·es Pro und Contra·
:

aus seinem Dienst íür die Poesie rechtíertigte, in die \eltgeschichte der
Philosophie eingreiíen konnte, scheint unglaublich. Um so dringlicher ist es
herauszuíinden, wie es dennoch moglich gewesen ist. Damit sei begonnen.

13

6
Vor allem: 1be Morati.t. ííí, 2.
5 StA VI, 1, S. 183
12
tümlich ist, in kritischer Beziehung auí Schelling ausgesprochen. In Grenzen
kann das auch gar nicht bestritten werden, zumal Schellings \irkung eine
oííentliche Macht geworden war, der legel entgegenzutreten hatte.
Dennoch ist es nicht nur Rücksicht auí den jüngeren lreund, die ihn
Schellings Namen zunächst nicht nennen lä|t: legel mu|te in Schellings
Identitätsphilosophie eine Denkíigur wiederíinden, die ihm in lolderlin
schon írüher begegnet war und die tieíer auí ihn gewirkt hatte als
Schellings Denken in der Jenaer Zeit der Ausarbeitung des Systems. In
Beziehung auí sie, noch im Kreis der lrankíurter lreunde, hatte er
gelernt, sein Ligenstes auszusprechen.
Nicht immer kann sich das Bewu|tsein einer Zeit in der philosophischen
1heorie, die in ihr ·orherrscht, ·ollständig íormulieren. So entstehen
Nebenstrome des Gedankens, die lange unbeachtet bleiben, bis sie
Gelegenheit íinden, den lauptstrom zu erreichen. Sie ändern dann oít
seine Verlauísíorm und seine Richtung. Lin solcher Nebenstrom zu Lmpi-
rismus und Metaphysik des 18. Jahrhunderts war die aus platonischen
Quellen ílie|ende Vereinigungsphilosophie. In ihr hatte lolderlin schon
das Problem seines Lebens íormuliert, ehe er noch lichtes Denken
begegnete. Und sie gab ihm die Kraít, dessen Ideen umzuordnen und mit
ihrer lilíe, in der neuen Gestalt, die er ihnen gab, legel auí seinen
\eg zu bringen. \ir haben Grund, die Programmíormeln ·on legels Denken, die heute
in jedermanns Munde sind, so zu betonen, da| sie lolderlins Linsicht
gleicherma|en entsprechen vva entgegentreten. Zu nichts weniger aber
müssen wir auch imstande sein, um an beider Lebens- und Ideenentwurí,
die aus je besonderem Grund un·erge|lich geworden sind, die lrage nach
Recht und \ahrheit überhaupt richten zu konnen.
1hema der Vereinigungsphilosophie ist des Menschen hochstes Verlangen,
das seine Beíriedigung weder im Verbrauch ·on Gütern noch im Genu|
·on Macht und Anerkennung anderer íindet. Shaítesbury hatte es - in
neuplatonischer 1radition - auí die Anschauung des Schonen bezogen, das
am meisten in der Kraít des Geistes zu íinden ist, aus der die schonen
\erke der Kunst her·orgehen.
6
Durch den Gedanken, da| der Geist der
eigentliche Ort ·on Schonheit sei, auí die hochstes Verlangen geht, hielt er
sich in der Nähe der Grundüberzeugungen neuerer Philosophie. Aber bald
trat ihnen lranz lemsterhuis schroííer entgegen. Lr meinte, das Verlangen
sei nicht zu íassen als enthusiastische Verehrung hochster Schopíerkraít. Da
es uns dazu treibt, alle Vollkommenheit zu gewinnen, mu| es auch alle
Linzelheit und Beschränkung überíliegen. Ls beíriedigt sich immer nur
dann, wenn die Grenzen íallen, die den Verlangenden ·on dem trennen,
wonach er ·erlangt. Vereinigungstrieb ist also 1rieb zur Verschmelzung und
kann nicht Liebe eines lochsten sein, nur lingabe an das Lndliche au|er
uns. lemsterhuis hat Gott nicht mehr als die Macht der Liebe geía|t,


1. Selbstsein und lingabe in der Vereinigungsphilosophie
Seit kurzem sind wir der Gewi|heit nahegekommen, da| lolderlin in der
Nachíolge ·on Kants lreiheitslehre der erste war, der Kants 1hese
bestritt, der hochste Punkt, ·on dem die Philosophie auszugehen habe,
sei die Linheit des Bewu|tseins ·om Ich als Subjekt des Denkens. Da| der,
der sich ganz als Dichter sah und der sein ·spekulati·es Pro und Contra·
:

aus seinem Dienst íür die Poesie rechtíertigte, in die \eltgeschichte der
Philosophie eingreiíen konnte, scheint unglaublich. Um so dringlicher ist es
herauszuíinden, wie es dennoch moglich gewesen ist. Damit sei begonnen.

13

6
Vor allem: 1be Morati.t. ííí, 2.
5 1, S. 183
12
sondern nur noch als die Kraít, welche einer \elt, in der alles zum Ganzen
strebt, das unbegreiíliche Schicksal der Vereinzelung auíerlegt.
¯

Viel später, in den ästhetischen Vorlesungen, erinnerte sich legel noch
dieser Auígabe, wenn er die Mutterliebe, als romantisches Kunstsujet, so
erläutert: »Sie ist eine Liebe ohne Verlangen, aber nicht lreundschaít, denn
lreundschaít, wenn sie auch noch so gemütreich ist, íordert doch einen
Gehalt, eine wesentliche Sache als zusammenschlie|enden Zweck. Die
Mutterliebe dagegen hat ohne alle Gleichheit des Zwecks und der Interessen
einen unmittelbaren lalt |...|.«
8

Da| solche Preisgabe nicht der Sinn ·on Liebe sein konne, hat dann
lerder in seinem einílu|reichen Auísatz über íiebe vva ´etb.tbeit gezeigt.
Die Grenzen der Liebe, die lemsterhuis in unserem ·ereinzelten Dasein
geíunden hatte, düríen nicht auígehoben werden, wenn mit ihnen nicht
auch der Cevv; der Liebe, somit sie selber ·erschwinden soll. Geschopíe
müssen »geben und nehmen, leiden und tun, an sich ziehen und sanít aus
sich mitteilen« - dies ist »der wahre Pulsschlag des Lebens«. lerder
schlie|t sich Aristoteles an, wenn er sagt, da| lreundschaít, die im Bezug
auí einen gemeinsamen Zweck ihre Lríüllung íindet, die auch die Selb-
ständigkeit der lreunde immer sucht und wahrt, in alle Liebe eingehen
müsse. »lreundschaít und Liebe sind nie moglich als zwischen gegenseitigen
íreien, konsonen, aber nicht unisonen, geschweige identiíizierten \esen.«
Den ersten Versuch zur Vermittlung ·on Liebe und Selbstheit machte
der junge Schiller in der 1beo.o¡bie ae. ]vtiv.. Lr beschrieb ihn selbst als
Unternehmen, zu einem »reineren Begriíí der Liebe« zu gelangen.
9
Anders als
lemsterhuis deutete er Liebe als ein Sichausdehnen des endlichen Selbst, das
nach aller Vollkommenheit strebt, über die ganze \elt. Ls ist der ewige
innere lang, in das Nebengeschopí überzugehen oder dasselbe in sich
hineinzuschlingen, was wir mit ·Liebe· meinen. Man ·ersteht sie also íalsch,
wenn man sie als Bereitschaít zur lingabe deutet. Sie ist ein Akt, der auí
die Ausdehnung des Selbst geht, wenngleich er dessen Grenzen gegen den
Anderen niederrei|t.
Durch den \iderstreit zwischen lemsterhuis und lerder war der
Vereinigungsphilosophie ihr neuestes, auch ihr speziíisch neuzeitliches
Problem gegeben, ·on dem lolderlins selbständige Aníänge bestimmt
waren, - im Dichten ebenso wie im Philosophieren. Mit lerders
Aristotelismus war nämlich die Lríahrung der lingabe nicht zu deuten,
die lemsterhuis als \esen des Verlangens genommen und eindrücklich
dargestellt hatte. Gegen ihn hatte aber lerder wieder da·on überzeugt,
da| in einem Verlangen, das Preisgabe will, die Liebe selber ·ergeht
und zudem die andere Lríahrung modernen Lebens und neuerer
Philosophie, das un·eräu|erliche Recht des íreigesetzten Subjekts, ihre
Legitimation ·erliert. Ls schien sogar notig, lerders Gründe gegen
lemsterhuis noch zu ·erstärken, der ·Selbstheit· hoheren Anspruch
zuzugestehen und ¸vgteicb lemsterhuis' lingabe gegen lerders
aristotelische Linrede íestzuhalten.
Man sieht leicht, da| Schillers Interpretation, welche die Selbstheit
wahren will, ohne die Lríahrung der lingabe zu leugnen, dies nur
deshalb tun kann, weil sie den Sinn der lingabe in sein Gegenteil
·erkehrt: Vom Krieg aller gegen alle unterscheidet sich Liebe nur noch
durch das \enige, da| sie Aneignung ·on je schon Ligenem, also nicht
Uberwältigung ·on lremdem und Macht über blo|e Mittel ist. Ls ist ein
·erzweiíeltes Unteríangen, dem Gegensatz zwischen Liebe und Selbst zu
entgehen, indem man die pure Identität beider behauptet. \ohl aber hat
Schiller mit zu schwachem Instrument zuerst ·ersucht, was sich auch
noch als das Programm ·on legels spekulati·er Logik íormulieren lä|t:
Die Beziehung auí sich mu| so gedacht werden, da| sie zugleich

15

8 1orte.vvgev vber aie ..tbeti/, ed. Glockner II, S. 152.
9 Vgl. Brieí an Reinwald ·om 14. 4. 1¯83.

¯ ´vr te ae.ire, letzte Absätze.
14
sondern nur noch als die Kraít, welche einer \elt, in der alles zum Ganzen
strebt, das unbegreiíliche Schicksal der Vereinzelung auíerlegt.
¯

Viel später, in den ästhetischen Vorlesungen, erinnerte sich legel noch
dieser Auígabe, wenn er die Mutterliebe, als romantisches Kunstsujet, so
erläutert: »Sie ist eine Liebe ohne Verlangen, aber nicht lreundschaít, denn
lreundschaít, wenn sie auch noch so gemütreich ist, íordert doch einen
Gehalt, eine wesentliche Sache als zusammenschlie|enden Zweck. Die
Mutterliebe dagegen hat ohne alle Gleichheit des Zwecks und der Interessen
einen unmittelbaren lalt |...|.«
8

Da| solche Preisgabe nicht der Sinn ·on Liebe sein konne, hat dann
lerder in seinem einílu|reichen Auísatz über íiebe vva ´etb.tbeit gezeigt.
Die Grenzen der Liebe, die lemsterhuis in unserem ·ereinzelten Dasein
geíunden hatte, düríen nicht auígehoben werden, wenn mit ihnen nicht
auch der Cevv; der Liebe, somit sie selber ·erschwinden soll. Geschopíe
müssen »geben und nehmen, leiden und tun, an sich ziehen und sanít aus
sich mitteilen« - dies ist »der wahre Pulsschlag des Lebens«. lerder
schlie|t sich Aristoteles an, wenn er sagt, da| lreundschaít, die im Bezug
auí einen gemeinsamen Zweck ihre Lríüllung íindet, die auch die Selb-
ständigkeit der lreunde immer sucht und wahrt, in alle Liebe eingehen
müsse. »lreundschaít und Liebe sind nie moglich als zwischen gegenseitigen
íreien, konsonen, aber nicht unisonen, geschweige identiíizierten \esen.«
Den ersten Versuch zur Vermittlung ·on Liebe und Selbstheit machte
der junge Schiller in der 1beo.o¡bie ae. ]vtiv.. Lr beschrieb ihn selbst als
Unternehmen, zu einem »reineren Begriíí der Liebe« zu gelangen.
9
Anders als
lemsterhuis deutete er Liebe als ein Sichausdehnen des endlichen Selbst, das
nach aller Vollkommenheit strebt, über die ganze \elt. Ls ist der ewige
innere lang, in das Nebengeschopí überzugehen oder dasselbe in sich
hineinzuschlingen, was wir mit ·Liebe· meinen. Man ·ersteht sie also íalsch,
wenn man sie als Bereitschaít zur lingabe deutet. Sie ist ein Akt, der auí
die Ausdehnung des Selbst geht, wenngleich er dessen Grenzen gegen den
Anderen niederrei|t.
Durch den \iderstreit zwischen lemsterhuis und lerder war der
Vereinigungsphilosophie ihr neuestes, auch ihr speziíisch neuzeitliches
Problem gegeben, ·on dem lolderlins selbständige Aníänge bestimmt
waren, - im Dichten ebenso wie im Philosophieren. Mit lerders
Aristotelismus war nämlich die Lríahrung der lingabe nicht zu deuten,
die lemsterhuis als \esen des Verlangens genommen und eindrücklich
dargestellt hatte. Gegen ihn hatte aber lerder wieder da·on überzeugt,
da| in einem Verlangen, das Preisgabe will, die Liebe selber ·ergeht
und zudem die andere Lríahrung modernen Lebens und neuerer
Philosophie, das un·eräu|erliche Recht des íreigesetzten Subjekts, ihre
Legitimation ·erliert. Ls schien sogar notig, lerders Gründe gegen
lemsterhuis noch zu ·erstärken, der ·Selbstheit· hoheren Anspruch
zuzugestehen und ¸vgteicb lemsterhuis' lingabe gegen lerders
aristotelische Linrede íestzuhalten.
Man sieht leicht, da| Schillers Interpretation, welche die Selbstheit
wahren will, ohne die Lríahrung der lingabe zu leugnen, dies nur
deshalb tun kann, weil sie den Sinn der lingabe in sein Gegenteil
·erkehrt: Vom Krieg aller gegen alle unterscheidet sich Liebe nur noch
durch das \enige, da| sie Aneignung ·on je schon Ligenem, also nicht
Uberwältigung ·on lremdem und Macht über blo|e Mittel ist. Ls ist ein
·erzweiíeltes Unteríangen, dem Gegensatz zwischen Liebe und Selbst zu
entgehen, indem man die pure Identität beider behauptet. \ohl aber hat
Schiller mit zu schwachem Instrument zuerst ·ersucht, was sich auch
noch als das Programm ·on legels spekulati·er Logik íormulieren lä|t:
Die Beziehung auí sich mu| so gedacht werden, da| sie zugleich

15

8 1orte.vvgev vber aie ..tbeti/, ed. Glockner II, S. 152.
9 Vgl. Brieí an Reinwald ·om 14. 4. 1¯83.

¯ ´vr te ae.ire, letzte Absätze.
14
den Gedanken einer Beziehung auí anderes einschlie|t, - und umgekehrt.
Man kann diese Auígabe aber auch so íormulieren, da| sie lolderlins
írühes Lebensproblem ausspricht: Beide, Liebe und Selbstheit müssen
zusammengedacht, aus ihrem Gegensatz herausgeholt werden, der heillos zu
sein scheint, - und zwar durch einen Gedanken, der keines ·on beiden
dementiert und seines eigentlichen Sinnes beraubt, indem er es zu einem
blo|en Llement im anderen macht. Der Roman ·on lyperion, begleitet
·on philosophischer Reílexion, sollte diese Auígabe entíalten und losen.

kraít, oder Person und Person miteinander ·erbunden, sondern
Lebenstendenzen, deren eine selbst schon Linigung ist. Liebe wird damit zu
einem Metaprinzip der Vereinigung ·on Gegensätzen im Menschen. Das
sehnsüchtige Verlangen nach dem Unendlichen, die grenzenlose Bereitschaít
zur lingabe, ·orzüglich aber der 1rieb, die Linheit zwischen diesen
Gegensätzlichen zu gewinnen und zu oííenbaren, dies alles wird nun
·om einen \ort ·Liebe· benannt.
In den Grabspruch des Ignaz ·on Loyola »Vom Gro|ten unbezwungen,
·om Kleinsten beíangen« hat lolderlin die Auígabe eines solchen
Menschenlebens hineingelesen, das sich in der Vereinigung seiner
entgegengesetzten Lebenstendenzen ·ollendet. Lr ist das Motto des
lyperion geworden. Ihre Integration kann nicht koníliktlos geschehen.
Deshalb ist sie auch nur denkbar als das Resultat eines \eges des Lebens in
der Zeit. So ·erwandelt sich ihm Liebe zu einer Kraít, die nicht in
einem Zustand, sondern nur in Bewegung durch Gegensätze zu denken
ist. Sie wird zu einem Prinzip ·on Geschichte. Der Konílikt ihrer
Gegensätze lä|t manchen ·ersuchen, dem Gegensatz und der Auígabe der
Vereinigung zu entkommen oder sich die Anstrengung zu ihr zu
ermä|igen. So ist der geschichtliche \eg des Menschen auch ·on ·ielerlei
Irrungen bedroht. lolderlin wendete deshalb auí ihn die Metapher einer
Bahn ohne Mittelpunkt und klare Zielstrebigkeit an, - einer exzentrischen
Bahn.
Aus Anlage und írüher Lríahrung seines Lebens war lolderlin wie kein
anderer imstande, die Gegensätzlichkeit in den doch gleicherma|en
legitimen 1endenzen zu kennen, die durch die \orter Liebe und Selbstheit
bezeichnet sind. Lmpíindlich íür Leben und Schonheit der Natur, seinen
Verwandten stets an·ertraut, war er bereit und bedürítig, schutzlos sich
hingebend dem oííen zu sein, was ihm begegnete. lrüh lernte er aber auch
im strikten Lrziehungssystem seiner Schulen, da| sich nur der immer
bewahren kann, der es ·ermag, sich ganz auí sich selber zu stellen und, wie
er sagte, ein Unendliches in sich zu íinden. Beides, so sehr es auch das
jeweils andere ausschlie|t, gehort doch zu einander und macht erst ein
ganzes Leben aus. Man sieht es daran, da| wir in beiden Lebenstendenzen
uns írei íühlen und da| auch jedes Gewaltsystem ·ersucht, die eine wie die
andere unter seine Kontrolle zu zwingen. Doch ist es nicht leicht, sie in
lreiheit zusammenzubringen, - auch nur das Line zu denken, was sie
zusammengehoren lä|t. \as nämlich lerder in die spannungslose
Ubereinstimmung der lreundschaít einbringen wollte, steht doch
miteinander in Konílikt: Das Aussein auís Unbedingte und die lingabe ans
·ereinzelte, besondere Dasein, - Selbstsein und Liebe.
Des weiteren íand er, da| die Vereinigung des Lebens zum Ganzen
nicht nur das Ziel der Liebe ist, sondern auch die eigentlichste
Bedeutung ·on Schonheit. Dabei ist klar ·on Beginn, da| sie die Spannung
der Vielíalt und auch des Gegensatzes in sich einschlie|t. In welchem Sinne
sie es ·ermag, das allerdings wu|te lolderlin zunächst nicht zu sagen.
Im Bl i ck auí den Gegensatz der bei den erhäl t das Pri nzi p der
Verei ni gungsphi l osophi e bei lol derl i n ei ne ganz neue lun-
kti on: Ni cht mehr werden Mensch und schone Gei stes

16 1¯
den Gedanken einer Beziehung auí anderes einschlie|t, - und umgekehrt.
Man kann diese Auígabe aber auch so íormulieren, da| sie lolderlins
írühes Lebensproblem ausspricht: Beide, Liebe und Selbstheit müssen
zusammengedacht, aus ihrem Gegensatz herausgeholt werden, der heillos zu
sein scheint, - und zwar durch einen Gedanken, der keines ·on beiden
dementiert und seines eigentlichen Sinnes beraubt, indem er es zu einem
blo|en Llement im anderen macht. Der Roman ·on lyperion, begleitet
·on philosophischer Reílexion, sollte diese Auígabe entíalten und losen.

kraít, oder Person und Person miteinander ·erbunden, sondern
Lebenstendenzen, deren eine selbst schon Linigung ist. Liebe wird damit zu
einem Metaprinzip der Vereinigung ·on Gegensätzen im Menschen. Das
sehnsüchtige Verlangen nach dem Unendlichen, die grenzenlose Bereitschaít
zur lingabe, ·orzüglich aber der 1rieb, die Linheit zwischen diesen
Gegensätzlichen zu gewinnen und zu oííenbaren, dies alles wird nun
·om einen \ort ·Liebe· benannt.
In den Grabspruch des Ignaz ·on Loyola »Vom Gro|ten unbezwungen,
·om Kleinsten beíangen« hat lolderlin die Auígabe eines solchen
Menschenlebens hineingelesen, das sich in der Vereinigung seiner
entgegengesetzten Lebenstendenzen ·ollendet. Lr ist das Motto des
lyperion geworden. Ihre Integration kann nicht koníliktlos geschehen.
Deshalb ist sie auch nur denkbar als das Resultat eines \eges des Lebens in
der Zeit. So ·erwandelt sich ihm Liebe zu einer Kraít, die nicht in
einem Zustand, sondern nur in Bewegung durch Gegensätze zu denken
ist. Sie wird zu einem Prinzip ·on Geschichte. Der Konílikt ihrer
Gegensätze lä|t manchen ·ersuchen, dem Gegensatz und der Auígabe der
Vereinigung zu entkommen oder sich die Anstrengung zu ihr zu
ermä|igen. So ist der geschichtliche \eg des Menschen auch ·on ·ielerlei
Irrungen bedroht. lolderlin wendete deshalb auí ihn die Metapher einer
Bahn ohne Mittelpunkt und klare Zielstrebigkeit an, - einer exzentrischen
Bahn.
Aus Anlage und írüher Lríahrung seines Lebens war lolderlin wie kein
anderer imstande, die Gegensätzlichkeit in den doch gleicherma|en
legitimen 1endenzen zu kennen, die durch die \orter Liebe und Selbstheit
bezeichnet sind. Lmpíindlich íür Leben und Schonheit der Natur, seinen
Verwandten stets an·ertraut, war er bereit und bedürítig, schutzlos sich
hingebend dem oííen zu sein, was ihm begegnete. lrüh lernte er aber auch
im strikten Lrziehungssystem seiner Schulen, da| sich nur der immer
bewahren kann, der es ·ermag, sich ganz auí sich selber zu stellen und, wie
er sagte, ein Unendliches in sich zu íinden. Beides, so sehr es auch das
jeweils andere ausschlie|t, gehort doch zu einander und macht erst ein
ganzes Leben aus. Man sieht es daran, da| wir in beiden Lebenstendenzen
uns írei íühlen und da| auch jedes Gewaltsystem ·ersucht, die eine wie die
andere unter seine Kontrolle zu zwingen. Doch ist es nicht leicht, sie in
lreiheit zusammenzubringen, - auch nur das Line zu denken, was sie
zusammengehoren lä|t. \as nämlich lerder in die spannungslose
Ubereinstimmung der lreundschaít einbringen wollte, steht doch
miteinander in Konílikt: Das Aussein auís Unbedingte und die lingabe ans
·ereinzelte, besondere Dasein, - Selbstsein und Liebe.
Des weiteren íand er, da| die Vereinigung des Lebens zum Ganzen
nicht nur das Ziel der Liebe ist, sondern auch die eigentlichste
Bedeutung ·on Schonheit. Dabei ist klar ·on Beginn, da| sie die Spannung
der Vielíalt und auch des Gegensatzes in sich einschlie|t. In welchem Sinne
sie es ·ermag, das allerdings wu|te lolderlin zunächst nicht zu sagen.
Im Bl i ck auí den Gegensatz der bei den erhäl t das Pri nzi p der
Verei ni gungsphi l osophi e bei lol derl i n ei ne ganz neue lun-
kti on: Ni cht mehr werden Mensch und schone Gei stes

16 1¯
lolderlin sah írüh ein, da| er um dieses Zieles willen nicht, wie Schiller es
wollte, Kantianer bleiben konnte. Kant hatte das Ligentümliche seines
Denkens in den grundsätzlichen Unterschied zweier Strebensweisen des
Menschen gesetzt. Lr íand keinen Sinn darin, ihre Vereinigung zu
erwägen. Schiller widersprach ihm darin, doch ohne eine gründende
Linigkeit dem Gegensatz ·orauszudenken, der zu ·ereinigen war. Das
wäre auch im Rahmen ·on Kants 1heorie notwendig mi|lungen, die
alles Lrkennen auí lormen der Subjekti·ität einschränkt und ihren
Ursprung dem Dunkel des Unbestimmbaren, nicht nur des
Unerkennbaren überlä|t. So sehr lolderlin auch wu|te, da| diese
Restriktion um der lreiheit willen eríolgt war, und so sehr er sich
Antrieb und Anspruch ·on Kants Denken bis in die \ahnsinnszeit ·er-
pílichtet wu|te, - er mu|te doch ·über die Kantische Grenzlinie· hinaus.
11

2. lolderlins \eg zur philosophischen Grundlegung
lolderlins írühe philosophische Lntwüríe sind ebenso ·iele Ansätze, über
den Gedanken ·om Doppelwesen des Menschen, seinem ·on
\iderstrebendem beirrten \eg und ·on der moglichen schonen
Auílosung des Konílikts in Begriííen Rechenschaít zu geben. Ls ist
bekannt, da| er dies zunächst mit lilíe ·on Schillers späterer Philosophie
aus dessen Zeit seiner Schülerschaít zu Kant ·ersuchte. Der Schiller dieser
Periode war lolderlin ·orangegangen, als er die Linheit des Menschen
dem Gegensatz ·on Pílichtgesetz und Geneigtheit des \illens abgewinnen
wollte. Auch er kennt schon ·Liebe· als ein Metaprinzip der Vereinigung ·on
Kräíten des Lebens. Anders als in der írühen 1heosophie ist sie nicht mehr
begriííen als über jedem Gegensatz, sondern als seine Versohnung, so da|
sie reicher bestimmt erscheint: Schiller beschreibt sie - in Kantischer Sprache
und doch in paradoxer Auíhebung Kantischer Unterscheidungen - als die
Neigung, in der, nach Vollendung ihrer unendlichen Auígabe, Vernunít sich
írei ihrem Antagonisten, der Sinnlichkeit, zuwendet, um in ihr,
überrascht und eríreut, den \iderschein ihrer zu gewahren und mit dem
Spiegelbild ihrer selbst zu spielen.
10

lilíe dazu bot ihm íür kurze Zeit Platon, der Gründer der 1radition
der Vereinigungsphilosophie. Lr hatte gelehrt, da| die Liebe zum
Schonen dieser \elt ·erstanden sein will aus einem hoheren Verlangen,
das über die \elt hinaus in den Grund aller larmonie und in den
Ursprung geht, aus dem wir kommen. Doppelaspekt wie einiger Grund
des Verlangens schienen damit gleich gut gewahrt zu sein. Gleichwohl
ergänzt Platons Lehre den Mangel ·on Schillers Versuch nur, indem sie
dessen Vorzüge preiszugeben zwingt: latte Schiller den Gegensatz der
Strebensrichtungen überbrückt, ohne ihren Linheitsgrund nennen zu
konnen, so íand lolderlin in Platon zwar den Linheitsgrund genannt,
den Gegensatz aber überspielt. Denn Platon deutet die lreude am
Schonen in der Lrscheinung gar nicht als lingabe, - nur als den ersten llü-
gelschlag einer neubeíiederten Seele hinauí in den überhimmlischen Ort.
12

Und so blieb lolderlin weiterhin ohne begriííliche Losung seines
Lebensproblems.
\ir konnen leicht sehen, warum lolderlin ·on Schillers paradoxer Losung
unbeíriedigt blieb: \as die Liebe ·ereinigt, ·erdient doch gleichíalls ihren
Namen: Das Verlangen nach dem Unbedingten und die hingebende
Neigung, sei es zum Kleinsten oder sei es zum Gleichen. So mu| man
·erstehen, wie die Liebe nicht nur Gegensätze überbrückt, sondern in
ihnen auch schon am \erke ist. Die Lebenstendenzen müssen trotz ihres
Gegensatzes, soíern sie wahrhaít sollen ·ereinigt werden konnen, aus
gleichem Ursprung begriííen werden.

19

10 Uber die Paradoxien, die sich aus Schillers Gebrauch der 1erminologie Kants im Gegenzug zu
dessen Intentionen ergeben: D. lenrich, Der ßegriff aer ´cbövbeit iv ´cbitter. ..tbeti/, in: Zeit.cbr. fvr ¡bito..
íor.cbvvg XI, 4, 1958.
11 StA VI, 1, S
.
13¯.
12 Pbaiaro. 250 a íí.
18
lolderlin sah írüh ein, da| er um dieses Zieles willen nicht, wie Schiller es
wollte, Kantianer bleiben konnte. Kant hatte das Ligentümliche seines
Denkens in den grundsätzlichen Unterschied zweier Strebensweisen des
Menschen gesetzt. Lr íand keinen Sinn darin, ihre Vereinigung zu
erwägen. Schiller widersprach ihm darin, doch ohne eine gründende
Linigkeit dem Gegensatz ·orauszudenken, der zu ·ereinigen war. Das
wäre auch im Rahmen ·on Kants 1heorie notwendig mi|lungen, die
alles Lrkennen auí lormen der Subjekti·ität einschränkt und ihren
Ursprung dem Dunkel des Unbestimmbaren, nicht nur des
Unerkennbaren überlä|t. So sehr lolderlin auch wu|te, da| diese
Restriktion um der lreiheit willen eríolgt war, und so sehr er sich
Antrieb und Anspruch ·on Kants Denken bis in die \ahnsinnszeit ·er-
pílichtet wu|te, - er mu|te doch ·über die Kantische Grenzlinie· hinaus.
11

2. lolderlins \eg zur philosophischen Grundlegung
lolderlins írühe philosophische Lntwüríe sind ebenso ·iele Ansätze, über
den Gedanken ·om Doppelwesen des Menschen, seinem ·on
\iderstrebendem beirrten \eg und ·on der moglichen schonen
Auílosung des Konílikts in Begriííen Rechenschaít zu geben. Ls ist
bekannt, da| er dies zunächst mit lilíe ·on Schillers späterer Philosophie
aus dessen Zeit seiner Schülerschaít zu Kant ·ersuchte. Der Schiller dieser
Periode war lolderlin ·orangegangen, als er die Linheit des Menschen
dem Gegensatz ·on Pílichtgesetz und Geneigtheit des \illens abgewinnen
wollte. Auch er kennt schon ·Liebe· als ein Metaprinzip der Vereinigung ·on
Kräíten des Lebens. Anders als in der írühen 1heosophie ist sie nicht mehr
begriííen als über jedem Gegensatz, sondern als seine Versohnung, so da|
sie reicher bestimmt erscheint: Schiller beschreibt sie - in Kantischer Sprache
und doch in paradoxer Auíhebung Kantischer Unterscheidungen - als die
Neigung, in der, nach Vollendung ihrer unendlichen Auígabe, Vernunít sich
írei ihrem Antagonisten, der Sinnlichkeit, zuwendet, um in ihr,
überrascht und eríreut, den \iderschein ihrer zu gewahren und mit dem
Spiegelbild ihrer selbst zu spielen.
10

lilíe dazu bot ihm íür kurze Zeit Platon, der Gründer der 1radition
der Vereinigungsphilosophie. Lr hatte gelehrt, da| die Liebe zum
Schonen dieser \elt ·erstanden sein will aus einem hoheren Verlangen,
das über die \elt hinaus in den Grund aller larmonie und in den
Ursprung geht, aus dem wir kommen. Doppelaspekt wie einiger Grund
des Verlangens schienen damit gleich gut gewahrt zu sein. Gleichwohl
ergänzt Platons Lehre den Mangel ·on Schillers Versuch nur, indem sie
dessen Vorzüge preiszugeben zwingt: latte Schiller den Gegensatz der
Strebensrichtungen überbrückt, ohne ihren Linheitsgrund nennen zu
konnen, so íand lolderlin in Platon zwar den Linheitsgrund genannt,
den Gegensatz aber überspielt. Denn Platon deutet die lreude am
Schonen in der Lrscheinung gar nicht als lingabe, - nur als den ersten llü-
gelschlag einer neubeíiederten Seele hinauí in den überhimmlischen Ort.
12

Und so blieb lolderlin weiterhin ohne begriííliche Losung seines
Lebensproblems.
\ir konnen leicht sehen, warum lolderlin ·on Schillers paradoxer Losung
unbeíriedigt blieb: \as die Liebe ·ereinigt, ·erdient doch gleichíalls ihren
Namen: Das Verlangen nach dem Unbedingten und die hingebende
Neigung, sei es zum Kleinsten oder sei es zum Gleichen. So mu| man
·erstehen, wie die Liebe nicht nur Gegensätze überbrückt, sondern in
ihnen auch schon am \erke ist. Die Lebenstendenzen müssen trotz ihres
Gegensatzes, soíern sie wahrhaít sollen ·ereinigt werden konnen, aus
gleichem Ursprung begriííen werden.

19

10 Uber die Paradoxien, die sich aus Schillers Gebrauch der 1erminologie Kants im Gegenzug zu
dessen Intentionen ergeben: D. lenrich, Der ßegriff aer ´cbövbeit iv ´cbitter. ..tbeti/, in: Zeit.cbr. fvr ¡bito..
íor.cbvvg XI, 4, 1958.
11 StA VI, 1, S
.
13¯.
12 Pbaiaro. 250 a íí.
18
Diese Situation ·eränderte sich ·ollständig und auí Dauer in den wenigen
Monaten der Begegnung mit lichtes \issenschaítslehre. lolderlin nahm sie
auí und ·erwandelte sie nahezu instantan zu einer Antwort auí seine eigene
Grundírage. Mit ihr trat er dann legel entgegen, der ihr nichts
ebenso Schwerwiegendes an die Seite stellen konnte.
Ls ist ·on gro|er Bedeutung, sich darüber klar zu sein, wie lolderlin
lichte lesen mu|te: Mit Platon war er über die \eisen des
Bewu|tseins und Strebens hinaus und in ihren transzendenten Grund
zurückgegangen. Mit Schiller hatte er das Gegensätzliche in den
Strebensrichtungen des Menschen und die Notwendigkeit zu ihrer
Vereinigung eríahren. Keiner, weder Platon noch Schiller, konnte aber
beides in einem rechtíertigen. Das ·ermochte nur lichte.
Aus der noch nicht ·eroííentlichten írühesten lorm der \issenschaítslehre
kann man lernen, da| lichte zu seiner 1heorie durch zwei Lntdeckungen
kam, die einander schnell geíolgt sind: Zunächst hat er gegen Reinholds
1hese eingesehen, da| der Grundakt des Bewu|tseins nicht ein Beziehen
und Unterscheiden sein kann. Dem ·oraus mu| nämlich ein Lntge-
gensetzen geschehen, das die Moglichkeiten zum Unterscheiden erbringt. Ls
ist lichtes hochst íolgenreiche 1hese, da| Bewu|tsein nur aus dem
Gegensatz, nicht schon aus Kants Verbindung ·on Mannigíaltigem
·erständlich wird. In einem zweiten Schritt begriíí lichte sodann, da| die
Lntgegensetzung selbst auch einen Linheitsgrund ·erlange. linden konnte
er ihn nur in der Unbedingtheit des Selbstbewu|tseins, das alles
Lntgegengesetzte umgreiít.
13

Man mu| sich kl ar machen, da| diese Schritte, zum Gegensatz
und zum Linheitsprinzip, genau dieselbe íormale Struktur ergeben
wie lolderlins Vereinigungsphilosophie, - trotz
der in der 1at íundamentalen Diííerenz, da| lichte ·Bewu|tsein· und
lolderlin ·Liebe· ·erstehen will. In lolderlins Auínahme der
\issenschaítslehre münden somit zwei Sequenzen des Denkens, die seit
dem Beginn der Neuzeit getrennt ·erlieíen, ineinander zum einen
Problemstand der idealistischen Philosophie: Sie sind durch zwei ·erwandte
Grundworte bezeichnet: |vio und ´,vtbe.i., · die Grundworte platonischer
1radition und Kantischen Denkens. Nur so ist auch zu ·erstehen, wie
aus den unbeholíenen írühen lrankíurter 1exten legels, die den
Kantianismus scheinbar ins empíindsame Reden preisgeben, das System
her·orging, das dann zur \eltphilosophie seiner Zeit geworden ist.
14

lolderlin konnte lichtes Argumente nun aber nur übernehmen, indem er
ihre Bedeutung modiíizierte. Ist Liebe Vielíalt und Linheit der
Strebensrichtungen des Menschen, so kann ihr Grund nicht in seiner
Ichheit liegen. Ohnehin ist die Rede ·om ·Ich· sinn·oll nur, wenn sie auí
Selbstbewu|tsein bezogen wird. Das aber ist einzig als Korrelat ·on
Objektbewu|tsein zu denken, - somit niemals als der gesuchte Lin-
heitsgrund vber allem Gegensatz. Auí diesem \ege kam lolderlin dazu,
Bewu|tsein und Ichheit ·oraus eine Linigkeit anzunehmen, die er mit
Spinoza als Sein in allem Dasein, mit lichte als Grund der Lntgegensetzung
dachte. \ieso dies Sein durch 1eilung Gegensätze produzieren kann,
·ermochte lolderlin zunächst nicht zu sagen. Lr konnte sich der lrage
danach auch entziehen: Die Ureinigkeit ist íür ihn wohl hochste
Gewi|heit, aber nicht Gegenstand einer deskripti·en Lrkenntnis. lolderlin
meinte, da| diese Art des Uberstiegs über das Bewu|tsein nun auch ·or
seinem Kantischen Gewissen gerechtíertigt sei, - war er doch der
Bewu|tseinslehre lichtes abgenotigt worden, die sich ihrerseits als
Konsequenz Kants empíohlen hatte.
So konnte lolderlin eine einíache, aber in ihren Moglichkei-

21

13 lichtes Ligene Meditationen über Llementarphilosophie, aus denen sich die Lntstehung seiner
\issenschaítslehre ·ollständig rekonstruieren lä|t, wurden inzwischen ,19¯1, in Bd. II,3 der lichte-
Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der \issenschaíten ·eroííentlicht.

14 So nennt es Karl Marx i m Bri eí an den Vater ·om 10. No·ember 183¯.
20
Diese Situation ·eränderte sich ·ollständig und auí Dauer in den wenigen
Monaten der Begegnung mit lichtes \issenschaítslehre. lolderlin nahm sie
auí und ·erwandelte sie nahezu instantan zu einer Antwort auí seine eigene
Grundírage. Mit ihr trat er dann legel entgegen, der ihr nichts
ebenso Schwerwiegendes an die Seite stellen konnte.
Ls ist ·on gro|er Bedeutung, sich darüber klar zu sein, wie lolderlin
lichte lesen mu|te: Mit Platon war er über die \eisen des
Bewu|tseins und Strebens hinaus und in ihren transzendenten Grund
zurückgegangen. Mit Schiller hatte er das Gegensätzliche in den
Strebensrichtungen des Menschen und die Notwendigkeit zu ihrer
Vereinigung eríahren. Keiner, weder Platon noch Schiller, konnte aber
beides in einem rechtíertigen. Das ·ermochte nur lichte.
Aus der noch nicht ·eroííentlichten írühesten lorm der \issenschaítslehre
kann man lernen, da| lichte zu seiner 1heorie durch zwei Lntdeckungen
kam, die einander schnell geíolgt sind: Zunächst hat er gegen Reinholds
1hese eingesehen, da| der Grundakt des Bewu|tseins nicht ein Beziehen
und Unterscheiden sein kann. Dem ·oraus mu| nämlich ein Lntge-
gensetzen geschehen, das die Moglichkeiten zum Unterscheiden erbringt. Ls
ist lichtes hochst íolgenreiche 1hese, da| Bewu|tsein nur aus dem
Gegensatz, nicht schon aus Kants Verbindung ·on Mannigíaltigem
·erständlich wird. In einem zweiten Schritt begriíí lichte sodann, da| die
Lntgegensetzung selbst auch einen Linheitsgrund ·erlange. linden konnte
er ihn nur in der Unbedingtheit des Selbstbewu|tseins, das alles
Lntgegengesetzte umgreiít.
13

Man mu| sich kl ar machen, da| diese Schritte, zum Gegensatz
und zum Linheitsprinzip, genau dieselbe íormale Struktur ergeben
wie lolderlins Vereinigungsphilosophie, - trotz
der in der 1at íundamentalen Diííerenz, da| lichte ·Bewu|tsein· und
lolderlin ·Liebe· ·erstehen will. In lolderlins Auínahme der
\issenschaítslehre münden somit zwei Sequenzen des Denkens, die seit
dem Beginn der Neuzeit getrennt ·erlieíen, ineinander zum einen
Problemstand der idealistischen Philosophie: Sie sind durch zwei ·erwandte
Grundworte bezeichnet: |vio und ´,vtbe.i., · die Grundworte platonischer
1radition und Kantischen Denkens. Nur so ist auch zu ·erstehen, wie
aus den unbeholíenen írühen lrankíurter 1exten legels, die den
Kantianismus scheinbar ins empíindsame Reden preisgeben, das System
her·orging, das dann zur \eltphilosophie seiner Zeit geworden ist.
14

lolderlin konnte lichtes Argumente nun aber nur übernehmen, indem er
ihre Bedeutung modiíizierte. Ist Liebe Vielíalt und Linheit der
Strebensrichtungen des Menschen, so kann ihr Grund nicht in seiner
Ichheit liegen. Ohnehin ist die Rede ·om ·Ich· sinn·oll nur, wenn sie auí
Selbstbewu|tsein bezogen wird. Das aber ist einzig als Korrelat ·on
Objektbewu|tsein zu denken, - somit niemals als der gesuchte Lin-
heitsgrund vber allem Gegensatz. Auí diesem \ege kam lolderlin dazu,
Bewu|tsein und Ichheit ·oraus eine Linigkeit anzunehmen, die er mit
Spinoza als Sein in allem Dasein, mit lichte als Grund der Lntgegensetzung
dachte. \ieso dies Sein durch 1eilung Gegensätze produzieren kann,
·ermochte lolderlin zunächst nicht zu sagen. Lr konnte sich der lrage
danach auch entziehen: Die Ureinigkeit ist íür ihn wohl hochste
Gewi|heit, aber nicht Gegenstand einer deskripti·en Lrkenntnis. lolderlin
meinte, da| diese Art des Uberstiegs über das Bewu|tsein nun auch ·or
seinem Kantischen Gewissen gerechtíertigt sei, - war er doch der
Bewu|tseinslehre lichtes abgenotigt worden, die sich ihrerseits als
Konsequenz Kants empíohlen hatte.
So konnte lolderlin eine einíache, aber in ihren Moglichkei-

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13 lichtes Ligene Meditationen über Llementarphilosophie, aus denen sich die Lntstehung seiner
\issenschaítslehre ·ollständig rekonstruieren lä|t, wurden inzwischen ,19¯1, in Bd. II,3 der lichte-
Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der \issenschaíten ·eroííentlicht.

14 So nennt es Karl Marx i m Bri eí an den Vater ·om 10. No·ember 183¯.
20
en bedeutsame philosophische 1heorie erwerben, in der die Situation des
Menschen etwa so gedeutet wird: Lr geht her·or aus einem einigen
Grund, auí den er bezogen bleibt in der Gewi|heit ·on den
Voraussetzungen seines Daseins und der Idee ·on der Moglichkeit neuer
Linigkeit. Zugleich ist er gebunden in eine \elt, die ebenso wie er dem
Gegensatz entstammt. Um der Linigkeit willen strebt er tätig hinaus
über jede ihrer Grenzen. Doch es begegnet ihm in ihr zugleich das Schone,
- eine Antizipation der Linigkeit, die er ·erloren hat und die er wieder
herstellen soll. Indem er es liebend umíängt, ·erwirklicht sich ihm in
Grenzen, was als ganze \ahrheit in unendlicher lerne liegt. So wird er
mit Recht ·on ihm beíangen. Doch darí er auch nicht ·ergessen, da|
sein tätiges \esen zum überstieg über das Lndliche auígeruíen ist. Im
\iderstreit ·on Liebe und Selbstheit läuít er, beirrt oder über sich
·erständigt, seine Bahn.
heitsgeist durch theologische Auíklärung zu ·erbreiten. So ·ersuchte er,
Linrichtungen einer oííentlichen Religion auszu- denken, die - anders als die
bestehende - wahre Bürgerreligion sein und die Vernunít und lreiheit
íordern statt niederschlagen würde. 1¯93, kaum in Bern angekommen,
eríuhr er ·on dem Angriíí seiner theologischen Lehrer gegen die Kantische
Religionsphilosophie. Um ihn abzuwehren, mu|te er seinen kritischen
Schriíten gegen Kirche und traditionelles Christentum eine grundsätzlichere
\endung geben. Die bestand darin, die Kantische Lehre ·on einer Beziehung
auí einen transzendenten Gott ganz abzulosen. Das Bewu|tsein der
lreiheit war ihm nun absolut, selbstgenügsam und über alle loíínung
auí Glück und Gunst des \eltlauíes erhoben. In glücklichen Zeiten der
lreiheit kann es sich zu einem harmonischen oííentlichen Leben entíalten.
Ls mu| sich aber auch in sich zurückziehen konnen, die natürliche
Lxistenz des Menschen dem Schicksal seines Lebens und seiner Zeit
preisgeben und ·on ihm sich abhängig wissen, ohne in sich selbst
abhängig zu sein. Stoische 1ugend und Rousseauisehe Politie sind also
komplementäre Gestalten einer aus der Macht der lreiheit kommenden
lumanität.
lolderlin hatte diese Philosophie noch im Jahre 1¯95 íertig ausgearbeitet.
über sie mu| er sich mit Schelling in zwei Gesprächen, über die ·iel
gerätselt worden ist, ausgesprochen haben. Isaak Sinclair, sein
lomburger Jünger und Protektor, eignete sie sich an. Noch 1¯96 schrieb
er ausíührlich philosophische Raisonnements nieder.
15
Aus ihnen kennen
wir besser als aus lolderlins eigenen 1exten Gang und lohenlage seines
Denkens. Von diesem Denken mu|te sich legel im lrühjahr 1¯9¯
herausíordern lassen, moglicherweise schon auí dem \ege nach lrankíurt,
auí dem lolderlin ihm entgegenkommen wollte.
Man sieht leicht, da| in der philosophischen 1heorie die Grenzen dieser
Ideen eng gezogen sind: Sie ruhen ganz auí Kants Begründung und
Limitierung der Lrkenntnis. legel wu|te das. Lr sah sich nicht
imstande, sah auch keinen zwingenden Grund, mehr zu leisten, - trotz der
Berichte, die ihm Schelling über seinen \eg zu lichte und weiter zu
Spinoza gegeben hatte, und obwohl er längst ·ertraut war mit den


3. legels Selbst·erständigung mit lolderlin
legel erschien in lrankíurt als dezidierter Kantianer. Schon in
1übingen hatte er dazu beitragen wollen, Kantischen lrei-


23
dissertation ·on lannelore legel ·eroííentlicht ;í.aa/ rov ´ivctair ¸ri.cbev íicbte, íötaertiv vva íeget,
lrankíurt 19¯1,. Nachdem die Originale in Krakau wieder zugänglich geworden sind, konnte
íestgestellt werden, da| die Abschriíten durch Kirchner, nach denen diese Publikation ·on l.
legel eríolgte, in allem \esentlichen korrekt sind. Auch die Datierung, die seinerzeit indirekt und
aus wenigen Indizien zu erschlie|en war, hat sich nun bestätigen lassen.
15 Diese Raisonnements sind interpretiert in D. lenrich, íötaertiv vber |rteit vva ´eiv, in:
íötaertiv ]abrbvcb 1·ó:,ó, S. ¯3 íí. Sie sind in der
22
en bedeutsame philosophische 1heorie erwerben, in der die Situation des
Menschen etwa so gedeutet wird: Lr geht her·or aus einem einigen
Grund, auí den er bezogen bleibt in der Gewi|heit ·on den
Voraussetzungen seines Daseins und der Idee ·on der Moglichkeit neuer
Linigkeit. Zugleich ist er gebunden in eine \elt, die ebenso wie er dem
Gegensatz entstammt. Um der Linigkeit willen strebt er tätig hinaus
über jede ihrer Grenzen. Doch es begegnet ihm in ihr zugleich das Schone,
- eine Antizipation der Linigkeit, die er ·erloren hat und die er wieder
herstellen soll. Indem er es liebend umíängt, ·erwirklicht sich ihm in
Grenzen, was als ganze \ahrheit in unendlicher lerne liegt. So wird er
mit Recht ·on ihm beíangen. Doch darí er auch nicht ·ergessen, da|
sein tätiges \esen zum überstieg über das Lndliche auígeruíen ist. Im
\iderstreit ·on Liebe und Selbstheit läuít er, beirrt oder über sich
·erständigt, seine Bahn.
heitsgeist durch theologische Auíklärung zu ·erbreiten. So ·ersuchte er,
Linrichtungen einer oííentlichen Religion auszu- denken, die - anders als die
bestehende - wahre Bürgerreligion sein und die Vernunít und lreiheit
íordern statt niederschlagen würde. 1¯93, kaum in Bern angekommen,
eríuhr er ·on dem Angriíí seiner theologischen Lehrer gegen die Kantische
Religionsphilosophie. Um ihn abzuwehren, mu|te er seinen kritischen
Schriíten gegen Kirche und traditionelles Christentum eine grundsätzlichere
\endung geben. Die bestand darin, die Kantische Lehre ·on einer Beziehung
auí einen transzendenten Gott ganz abzulosen. Das Bewu|tsein der
lreiheit war ihm nun absolut, selbstgenügsam und über alle loíínung
auí Glück und Gunst des \eltlauíes erhoben. In glücklichen Zeiten der
lreiheit kann es sich zu einem harmonischen oííentlichen Leben entíalten.
Ls mu| sich aber auch in sich zurückziehen konnen, die natürliche
Lxistenz des Menschen dem Schicksal seines Lebens und seiner Zeit
preisgeben und ·on ihm sich abhängig wissen, ohne in sich selbst
abhängig zu sein. Stoische 1ugend und Rousseauisehe Politie sind also
komplementäre Gestalten einer aus der Macht der lreiheit kommenden
lumanität.
lolderlin hatte diese Philosophie noch im Jahre 1¯95 íertig ausgearbeitet.
über sie mu| er sich mit Schelling in zwei Gesprächen, über die ·iel
gerätselt worden ist, ausgesprochen haben. Isaak Sinclair, sein
lomburger Jünger und Protektor, eignete sie sich an. Noch 1¯96 schrieb
er ausíührlich philosophische Raisonnements nieder.
15
Aus ihnen kennen
wir besser als aus lolderlins eigenen 1exten Gang und lohenlage seines
Denkens. Von diesem Denken mu|te sich legel im lrühjahr 1¯9¯
herausíordern lassen, moglicherweise schon auí dem \ege nach lrankíurt,
auí dem lolderlin ihm entgegenkommen wollte.
Man sieht leicht, da| in der philosophischen 1heorie die Grenzen dieser
Ideen eng gezogen sind: Sie ruhen ganz auí Kants Begründung und
Limitierung der Lrkenntnis. legel wu|te das. Lr sah sich nicht
imstande, sah auch keinen zwingenden Grund, mehr zu leisten, - trotz der
Berichte, die ihm Schelling über seinen \eg zu lichte und weiter zu
Spinoza gegeben hatte, und obwohl er längst ·ertraut war mit den


3. legels Selbst·erständigung mit lolderlin
legel erschien in lrankíurt als dezidierter Kantianer. Schon in
1übingen hatte er dazu beitragen wollen, Kantischen lrei-


23
dissertation ·on lannelore legel ·eroííentlicht ;í.aa/ rov ´ivctair ¸ri.cbev íicbte, íötaertiv vva íeget,
lrankíurt 19¯1,. Nachdem die Originale in Krakau wieder zugänglich geworden sind, konnte
íestgestellt werden, da| die Abschriíten durch Kirchner, nach denen diese Publikation ·on l.
legel eríolgte, in allem \esentlichen korrekt sind. Auch die Datierung, die seinerzeit indirekt und
aus wenigen Indizien zu erschlie|en war, hat sich nun bestätigen lassen.
15 Diese Raisonnements sind interpretiert in D. lenrich, íötaertiv vber |rteit vva ´eiv, in:
íötaertiv ]abrbvcb 1·ó:,ó, S. ¯3 íí. Sie sind in der
22
da| er letzte Gewi|heit auí einen - gleich ob kantischen oder christlichen -
Akt des Glaubens gegründet sah.

Gedanken ·on Spinoza, so wie sie in die Lehren ·on lerder und ·or allem
·on Jacobi eingegangen waren. In lrankíurt aber konnte er sein 1un nicht
länger so eingrenzen. lolder- lin rückte ihm ·or Augen, da| seine kantische
Begriííswelt ungeeignet war, gemeinsame Lríahrungen und Uberzeugungen
írüherer Jahre íestzuhalten, - da| die griechische Politie Jereinigung, nicht nur
Verbindung der lreien gewesen sei, da| lreiheit nicht nur als Selbstheit, da|
sie ebenso als lingabe müsse gedacht werden, da| in der Lríahrung des
Schonen mehr auígehe als die Achtung íürs Vernunítgesetz.
Der Gast betritt zusammen mit dem ·ertrauten lreund Sinclairs Zimmer, der
ungeduldig und ein wenig ängstlich, ob er werde bestehen konnen, auí den
Alteren, Gerühmten wartet. Man spricht ·on der Reise, kommt zu
allgemeineren Beobachtungen auí írüheren Reisen, zu den sittlichen Ver-
hältnissen der Stämme und Geschichtsepochen, - auch zum Glauben der
Väter. Sinclair ,der ·om Kantianismus legels wissen konnte, nutzt die
Gelegenheit dieses 1hemas, um auí die Grundírage zu kommen, die lolderlin
über den Kantianismus hinaus gebracht hatte: Ob nämlich der Glaube der
Volker der letzte Bezugspunkt sei íür die Verständigung über ihre Geschichte,
oder ob es ·ielmehr eine Moglichkeit gebe, wissend über den Standpunkt der
Subjekti·ität der Glaubenden und ihrer lreiheit hinauszukommen. \as
Sinclair dem Gast entgegenhält, ist nur eine Variation über die 1hemen ·on
lolderlins írüher Philosophie:
Dies alles konnen wir nur aus der abrupten \andlung ·on legels Position
erschlie|en, die in lrankíurt alsbald geschah. \ir wissen aber, da| die
Gespräche zwischen den lreunden sehr intensi· und da| sie Streitgespräche
waren. So berichtet der Bruder lolderlins ·on einem Besuch in lrankíurt im
lrühjahr 1¯9¯, da| auch legel ihn mit gro|er lerzlichkeit empíangen habe.
Bald aber sei er ·ergessen gewesen, als die beiden Kollegen über eine
philosophische lrage in heítige Diskussion gerieten.
16

legel war nicht nur lolderlins Argumenten ausgesetzt, der ja in einem
Kreis ·on lreunden lebte, die ihm alle in der einen oder anderen \eise
íolgten. Auch die Gespräche mit ihnen müssen íür legel Bedeutung
gehabt haben, - besonders die mit Sinclair, der sich lolderlins Ideen
ganz zu eigen gemacht und in eigener 1erminologie und näher an lichte
angelehnten Schlu|íolgerungen ausgeíührt hatte. Sinclair hat zu späterer
Zeit ein Gedicht über eine philosophische Begegnung ·eroííentlicht.
Obwohl es nicht als direktes Zeugnis ·on legels Lintritt in den
lomburger Kreis gelten darí, wird in ihm doch deutlich, wie Sinclair
aus der ihm durch lolderlin ·ermittelten metaphysischen Linsicht
einem gerühmten Gast entgegenzutreten pílegte, ·on dem er wu|te,

»Und ich stieg mit ihm zur Quelle
\o der Lauí sie noch nicht trübet
\ies ihm da des Geistes Liníalt
|...|
Schwindet sie nicht da die Schranke,
Die ·on Gott den Menschen scheidet·


25

1¯ Otto Pöggeler hat in sogar zwei AuIsätzen gegen die Annahme argumentiert, die H. Hegel
(a.a.O.) und ich selbst in dem Vortrag vor dem Hegelkongreß 1970 gemacht haben, Sinclairs
Gedicht lasse sich als Dokument von Hegels Eintritt in den Homburger Kreis lesen (in: Hegel-
Studien 8, 1973, i. 9 II. und in: Frankfurt aber ist der Nabel dieser Erde, hrsg. von C. Jamme u. O.
Pöggeler, Stuttgart 1983, S. 3z5 II.). Pöggeler hat wahrscheinlich gemacht, daß Sinclair eine
Begegnung mit F. Schlegel im Gedicht Iesthalten wollte, dabei aber auch verdeckt, daß Sinclairs
Argumentationsweise der Grundüberzeugung des Homburger Kreises zu Beginn des Jahres 1797
entspricht und daß das Gedicht so ein Bild von der Weise gibt, in der sie von sinclair gegenüber
einer Glaubensphilosophie spontan geltend gemacht werden konnte. 16 StA VI, 2, S.833.
24
da| er letzte Gewi|heit auí einen - gleich ob kantischen oder christlichen -
Akt des Glaubens gegründet sah.

Gedanken ·on Spinoza, so wie sie in die Lehren ·on lerder und ·or allem
·on Jacobi eingegangen waren. In lrankíurt aber konnte er sein 1un nicht
länger so eingrenzen. lolder- lin rückte ihm ·or Augen, da| seine kantische
Begriííswelt ungeeignet war, gemeinsame Lríahrungen und Uberzeugungen
írüherer Jahre íestzuhalten, - da| die griechische Politie Jereinigungnicht nur
Verbindung der lreien gewesen sei, da| lreiheit nicht nur als Selbstheit, da|
sie ebenso als lingabe müsse gedacht werden, da| in der Lríahrung des
Schonen mehr auígehe als die Achtung íürs Vernunítgesetz.
Der Gast betritt zusammen mit dem ·ertrauten lreund Sinclairs Zimmer, der
ungeduldig und ein wenig ängstlich, ob er werde bestehen konnen, auí den
Alteren, Gerühmten wartet. Man spricht ·on der Reise, kommt zu
allgemeineren Beobachtungen auí írüheren Reisen, zu den sittlichen Ver-
hältnissen der Stämme und Geschichtsepochen, - auch zum Glauben der
Väter. Sinclair ,der ·om Kantianismus legels wissen konnte, nutzt die
Gelegenheit dieses 1hemas, um auí die Grundírage zu kommen, die lolderlin
über den Kantianismus hinaus gebracht hatte: Ob nämlich der Glaube der
Volker der letzte Bezugspunkt sei íür die Verständigung über ihre Geschichte,
oder ob es ·ielmehr eine Moglichkeit gebe, wissend über den Standpunkt der
Subjekti·ität der Glaubenden und ihrer lreiheit hinauszukommen. \as
Sinclair dem Gast entgegenhält, ist nur eine Variation über die 1hemen ·on
lolderlins írüher Philosophie:
Dies alles konnen wir nur aus der abrupten \andlung ·on legels Position
erschlie|en, die in lrankíurt alsbald geschah. \ir wissen aber, da| die
Gespräche zwischen den lreunden sehr intensi· und da| sie Streitgespräche
waren. So berichtet der Bruder lolderlins ·on einem Besuch in lrankíurt im
lrühjahr 1¯9¯, da| auch legel ihn mit gro|er lerzlichkeit empíangen habe.
Bald aber sei er ·ergessen gewesen, als die beiden Kollegen über eine
philosophische lrage in heítige Diskussion gerieten.
16

legel war nicht nur lolderlins Argumenten ausgesetzt, der ja in einem
Kreis ·on lreunden lebte, die ihm alle in der einen oder anderen \eise
íolgten. Auch die Gespräche mit ihnen müssen íür legel Bedeutung
gehabt haben, - besonders die mit Sinclair, der sich lolderlins Ideen
ganz zu eigen gemacht und in eigener 1erminologie und näher an lichte
angelehnten Schlu|íolgerungen ausgeíührt hatte. Sinclair hat zu späterer
Zeit ein Gedicht über eine philosophische Begegnung ·eroííentlicht.
Obwohl es nicht als direktes Zeugnis ·on legels Lintritt in den
lomburger Kreis gelten darí, wird in ihm doch deutlich, wie Sinclair
aus der ihm durch lolderlin ·ermittelten metaphysischen Linsicht
einem gerühmten Gast entgegenzutreten pílegte, ·on dem er wu|te,

»Und ich stieg mit ihm zur Quelle
\o der Lauí sie noch nicht trübet
\ies ihm da des Geistes Liníalt
|...|
Schwindet sie nicht da die Schranke,
Die ·on Gott den Menschen scheidet·


25

1¯ Otto Pöggeler hat in sogar zwei AuIsätzen gegen die Annahme argumentiert, die H. Hegel
(a.a.O.) und ich selbst in dem Vortrag vor dem Hegelkongreß 1970 gemacht haben, Sinclairs
Gedicht lasse sich als Dokument von Hegels Eintritt in den Homburger Kreis lesen (in: Hegel-
Studien 8, 1973, i. 9 II. und in: Frankfurt aber ist der Nabel dieser Erde, hrsg. von C. Jamme u. O.
Pöggeler, Stuttgart 1983, S. 3z5 II.). Pöggeler hat wahrscheinlich gemacht, daß Sinclair eine
Begegnung mit F. Schlegel im Gedicht Iesthalten wollte, dabei aber auch verdeckt, daß Sinclairs
Argumentationsweise der Grundüberzeugung des Homburger Kreises zu Beginn des Jahres 1797
entspricht und daß das Gedicht so ein Bild von der Weise gibt, in der sie von sinclair gegenüber
einer Glaubensphilosophie spontan geltend gemacht werden konnte. 16 StA VI, 2, S.833.
24
Lebt da Liebe nicht in \ahrheit, welche auch legel in seinen eigenen \eg getrieben haben, oder, wie
angemessener zu sagen ist, ihn in ihm auí nunmehr ·eränderter 1heoriebasis
hielten. Doch hatte er auí lolderlins Spekulation zunächst kaum etwas
zu erwidern. Sie bestimmte ihn jedeníalls dazu, ·om eigenen Kantianismus
kritische Distanz zu nehmen, in den Begriíísraum der
Vereinigungsphilosophie einzutreten und ·Liebe· als ·Vereinigung· zum
hochsten Gedanken ·on einem íreien Leben zu machen.
\o die \esen eint ein Leben·
Darí man Glauben es noch nennen,
\o das hellste \issen strahlet·
|...|«
Sinclair sagt, da| der Gast nicht widersprochen habe. Aber da seine
philosophische Uberzeugung in lrage gestellt ist, stimmt er doch auch
nicht zu. Statt dessen legt er Sinclair ein Problem ·or, das, lolderlins
Gesichtspunkt einmal als richtig angenommen, gelost werden mu|: \ie es
nämlich ·on jenem Ursprung zur Lntwicklung hat kommen konnen, in der
sich die ursprüngliche \ahrheit in Schein ·erlor, so da| uns nur der
Rückweg ins Verlorene oííen zu stehen scheint. Sinclair räumte ein, da|
wir diesen Aníang nicht ·erstehen konnen. \ohl aber sei zu ·erstehen,
da| das ganze Geschlecht der Menschen in einen historischen
Lebenszusammenhang gebunden sei, in den auch alle Abweichungen und
lehler einbezogen sind, - lolderlins exzentrische Lebensbahn als Gang der
Geschichte der Menschheit ·erstanden. Der Gast hielt mit neuer
Lrwiderung zurück und schlug ·or, weiterer Arbeit und Lríahrung und
neuem Gespräch die Lntscheidung zwischen Glauben und Begrenzung auí
der einen, Liebe und Gewi|heit auí der anderen Seite zu überantworten:
Zunächst hat er diese Liebe noch Kantisch als eine Art ·on Verhalten
zur \elt, also analog zur Imagination gedacht.
18
Aber bald schon ist sie
auch ihm zur ·ereinigenden Macht geworden, die Natur und lreiheit,
Subjekt und Objekt so miteinander ·erbindet, da| jedes ·on ihnen bleibt was
es ist und doch mit dem anderen zu untrennbarer Linheit zusammentritt.
Diese Linheit nennt er nun wie lolderlin ·Sein·, und er meint damit wie er
·innige Vereinigung·. Daran, da| sie dem Verstande unía|bar sei, hält er
íest. So wahrt er ein Rechtsmoment der Kantischen Glaubenslehre, jedoch
so, da| kaum ein Unterschied zu lolderlins Gewi|heit ·om Sein sich
íinden lä|t.
Aus legels Auínahme ·on ·Liebe· als Grundwort seines Nachdenkens
ging ohne Bruch das System her·or. Das 1hema ·Liebe· ist nur aus
Gründen, die sich angeben lassen, durch die reichere Struktur des ·Lebens·
und später durch die des ·Geistes· ersetzt worden, die noch mehr als ·Leben·
impliziert. Dennoch ist es íalsch zu sagen, legel habe Ideen, die er nicht
aus Ligenem nehmen konnte, gleichsam nur ausgebrütet und allgemein
gemacht. So lä|t sich nur denken, so lange in der Art, in der legel
lolderlins Ansto| auínahm, nicht der charakteristische Unterschied
zwischen beiden deutlich gemacht ist, - im Konzept der 1heorie, nicht nur
in der
»Lieber, la| uns hier ·erweilen
In dem Lauí des raschen Streites,
\eiser die Lntscheidung lassend
Selbst der \ahrheit unserer Zukunít.
Ob dem Geiste das gebühret,
\as du kühn íür ihn ·erlangest,
Ob nicht besser ihm Beschränkung,
Die zu loherem ihn weihet.«
In diesem Gesprächs·erlauí zeichnen sich Konstellationen ·on
Gedanken und Problemen ab, die denen entsprechen,



18 Im zweiten 1eil des 1extes, dem Nohl die Uberschriít Morat itat, íiebe, Retigiov gab, i n:
1beotogi.cbe ]vgeva.cbriftev S. 3¯6.
26
Lebt da Liebe nicht in \ahrheit, welche auch legel in seinen eigenen \eg getrieben haben, oder, wie
angemessener zu sagen ist, ihn in ihm auí nunmehr ·eränderter 1heoriebasis
hielten. Doch hatte er auí lolderlins Spekulation zunächst kaum etwas
zu erwidern. Sie bestimmte ihn jedeníalls dazu, ·om eigenen Kantianismus
kritische Distanz zu nehmen, in den Begriíísraum der
Vereinigungsphilosophie einzutreten und ·Liebe· als ·Vereinigung· zum
hochsten Gedanken ·on einem íreien Leben zu machen.
\o die \esen eint ein Leben·
Darí man Glauben es noch nennen,
\o das hellste \issen strahlet·
|...|«
Sinclair sagt, da| der Gast nicht widersprochen habe. Aber da seine
philosophische Uberzeugung in lrage gestellt ist, stimmt er doch auch
nicht zu. Statt dessen legt er Sinclair ein Problem ·or, das, lolderlins
Gesichtspunkt einmal als richtig angenommen, gelost werden mu|: \ie es
nämlich ·on jenem Ursprung zur Lntwicklung hat kommen konnen, in der
sich die ursprüngliche \ahrheit in Schein ·erlor, so da| uns nur der
Rückweg ins Verlorene oííen zu stehen scheint. Sinclair räumte ein, da|
wir diesen Aníang nicht ·erstehen konnen. \ohl aber sei zu ·erstehen,
da| das ganze Geschlecht der Menschen in einen historischen
Lebenszusammenhang gebunden sei, in den auch alle Abweichungen und
lehler einbezogen sind, - lolderlins exzentrische Lebensbahn als Gang der
Geschichte der Menschheit ·erstanden. Der Gast hielt mit neuer
Lrwiderung zurück und schlug ·or, weiterer Arbeit und Lríahrung und
neuem Gespräch die Lntscheidung zwischen Glauben und Begrenzung auí
der einen, Liebe und Gewi|heit auí der anderen Seite zu überantworten:
Zunächst hat er diese Liebe noch Kantisch als eine Art ·on Verhalten
zur \elt, also analog zur Imagination gedacht.
18
Aber bald schon ist sie
auch ihm zur ·ereinigenden Macht geworden, die Natur und lreiheit,
Subjekt und Objekt so miteinander ·erbindet, da| jedes ·on ihnen bleibt was
es ist und doch mit dem anderen zu untrennbarer Linheit zusammentritt.
Diese Linheit nennt er nun wie lolderlin ·Sein·, und er meint damit wie er
·innige Vereinigung·. Daran, da| sie dem Verstande unía|bar sei, hält er
íest. So wahrt er ein Rechtsmoment der Kantischen Glaubenslehre, jedoch
so, da| kaum ein Unterschied zu lolderlins Gewi|heit ·om Sein sich
íinden lä|t.
Aus legels Auínahme ·on ·Liebe· als Grundwort seines Nachdenkens
ging ohne Bruch das System her·or. Das 1hema ·Liebe· ist nur aus
Gründen, die sich angeben lassen, durch die reichere Struktur des ·Lebens·
und später durch die des ·Geistes· ersetzt worden, die noch mehr als ·Leben·
impliziert. Dennoch ist es íalsch zu sagen, legel habe Ideen, die er nicht
aus Ligenem nehmen konnte, gleichsam nur ausgebrütet und allgemein
gemacht. So lä|t sich nur denken, so lange in der Art, in der legel
lolderlins Ansto| auínahm, nicht der charakteristische Unterschied
zwischen beiden deutlich gemacht ist, - im Konzept der 1heorie, nicht nur
in der
»Lieber, la| uns hier ·erweilen
In dem Lauí des raschen Streites,
\eiser die Lntscheidung lassend
Selbst der \ahrheit unserer Zukunít.
Ob dem Geiste das gebühret,
\as du kühn íür ihn ·erlangest,
Ob nicht besser ihm Beschränkung,
Die zu loherem ihn weihet.«
In diesem Gesprächs·erlauí zeichnen sich Konstellationen ·on
Gedanken und Problemen ab, die denen entsprechen,



18 Im zweiten 1eil des 1extes, dem Nohl die Uberschriít Morat itat, íiebe, Retigiov gab, i n:
1beotogi.cbe ]vgeva.cbriftev S. 3¯6.
26
Bestimmtheit der Personen. Dieser Unterschied liegt durchaus nicht oííen
zu 1age. Ls mu| aber gelingen, ihn zu benennen, denn das \erk beider soll
ja nicht nur aus Impressionen und impressi·em Lnthusiasmus, sondern
als artikulierte Struktur ·on Gedanken und Lríahrungen erinnert und
erwogen werden.
schritt über Kant und lichte mi|kannte. Ligentümlicherweise war aber
gerade diese Verkürzung die Bedingung der Moglichkeit ·on legels
Lntwicklung zum Ligenen. Man kann ganz abstrakt sagen wieso: legel
mu|te auí die Dauer alle die Strukturen, die lolderlin aus dem
ursprünglichen Sein ·erstand, als \eisen des Bezogenseins derer
auííassen, die sich ·ereinigen. Das Geschehen der Vereinigung selber, nicht
ein Grund, aus dem es herzuleiten ist, ist das wahre Absolute, das ·Alles
in Allem·. \ir werden sehen, da| legel gerade darum zu der
Uberzeugung kam, es müsse ·Geist· und nicht ·Seyn· genannt werden.
Den Aníang dazu mu| die Beobachtung machen, da| legel lolderlins
Denken nur ·erkürzt übernahm. lür lolderlin war ·Liebe· Vereinigung
·on Strebensrichtungen, deren eine auís Unendliche, deren andere auí
lingabe ging. Die eine ·erstand er aus der Beziehung zum Ursprung, die
andere aus der Beziehung zu dem, das gleich uns die Linigkeit des Seins
·erlor. In legels Liebesbegriíí ist ·on dieser Doppelung nichts zu íinden.
·Liebe· ist geradezu als Vereinigung ·on Subjekt und Objekt gedacht. In
dieser Selbstgenügsamkeit hat sie íormaliter einen Charakter Kantischer
Autonomie des \illens übernommen: Sie geht auí nichts, was ihr
·orausliegt, und sie treibt nicht, etwas her·orzubringen, was sich ·on
der Vereinigungsmacht noch unterscheiden lä|t.
legel hatte schon in Bern das unabhängige Bewu|tsein, das dem Schicksal
trotzt, indem es ihm alles Natürliche preisgibt, als den Beweis der lreiheit
unter Bedingungen gerühmt, in denen die Gemeinschaít der lreien
unerreichbar bleibt. Von ihm ist die schlechte Unendlichkeit eines Glaubens
zu unterscheiden, die sich in solcher Lage zur Unterweríung unter Mächte
und unendliche Objekte bereitíindet. Auch nach dem Ansto| durch
lolderlin konnte und wollte legel an diesem Schema íesthalten. Ls war
nun nur nicht mehr der Sinn íür lreiheit, sondern íür wahre Vereinigung,
der uns zwingt, in \eltlagen, die Vereinigung gar nicht zulassen, auí der
Unendlichkeit in uns zu beharren.
Sie lä|t sich allerdings auch nicht als das ·Alles in Allem· selber
denken. Setzt sie doch ·oraus, da| eine Mannigíaltigkeit ·on Getrenntem
besteht, in Beziehung auí die sie wirksam werden kann. legel hat auí
diesen Aspekt seiner theoretischen Lage, den lolderlin durch die
Annahme einer 1rennung im Sein beachtet hatte, zunächst gar keine
Rücksicht genommen. Lrst bei der Redaktion seiner Manuskripte über
·Liebe· im \inter 1¯98,99 ist er mit einíachen Argumenten auí ihn
eingegangen, die er in den 1ext einíügte
19
: Die Liebe mu| suchen, sich zu
·er·ielíältigen, um ein moglichst gro|es Ganzes der Vereinigung
herzustellen. So zeigt sich also legels Unselbständigkeit gegen lolderlin
darin, da| er eine seiner wichtigsten Absichten beim Uber


29
So nahm also legel lolderlins Liebestheorem mit gutem Grund nur
·erkürzt auí, - nicht aus Ignoranz, sondern weil es allein in dieser
lorm geeignet war, auch noch seine Berner Linsicht neu zu
íormulieren. Damit war aber eine Lntscheidung geíallen, die legels
weiteren Gang beherrschte: Der Gegensatz zwischen Unendlichkeit
des Selbstseins und lingabe konnte ·on ihm nicht mehr als zwei
Strebensrichtungen der Liebe ·erstanden werden, ·on denen jede auí
eine andere Lxistenzíorm der Vereinigung geht, auí ·ollendete
unendliche oder auí im Gegenwärtigen mogliche, aber beschränkte
Vereinigung. \enn das Ich auís Unendliche geht, so hält es damit
nur an sich, weil es die Moglichkeit der gegenwärtigen

19 Dem lragment mit Nohls 1itel Die íiebe liegen zwei lassungen zugrunde. Lrst in der zweiten
wird das Problem der lerkunít des Mannigíaltigen gestellt.

28
Bestimmtheit der Personen. Dieser Unterschied liegt durchaus nicht oííen
zu 1age. Ls mu| aber gelingen, ihn zu benennen, denn das \erk beider soll
ja nicht nur aus Impressionen und impressi·em Lnthusiasmus, sondern
als artikulierte Struktur ·on Gedanken und Lríahrungen erinnert und
erwogen werden.
schritt über Kant und lichte mi|kannte. Ligentümlicherweise war aber
gerade diese Verkürzung die Bedingung der Moglichkeit ·on legels
Lntwicklung zum Ligenen. Man kann ganz abstrakt sagen wieso: legel
mu|te auí die Dauer alle die Strukturen, die lolderlin aus dem
ursprünglichen Sein ·erstand, als \eisen des Bezogenseins derer
auííassen, die sich ·ereinigen. Das Geschehen der Vereinigung selber, nicht
ein Grund, aus dem es herzuleiten ist, ist das wahre Absolute, das ·Alles
in Allem·. \ir werden sehen, da| legel gerade darum zu der
Uberzeugung kam, es müsse ·Geist· und nicht ·Seyn· genannt werden.
Den Aníang dazu mu| die Beobachtung machen, da| legel lolderlins
Denken nur ·erkürzt übernahm. lür lolderlin war ·Liebe· Vereinigung
·on Strebensrichtungen, deren eine auís Unendliche, deren andere auí
lingabe ging. Die eine ·erstand er aus der Beziehung zum Ursprung, die
andere aus der Beziehung zu dem, das gleich uns die Linigkeit des Seins
·erlor. In legels Liebesbegriíí ist ·on dieser Doppelung nichts zu íinden.
·Liebe· ist geradezu als Vereinigung ·on Subjekt und Objekt gedacht. In
dieser Selbstgenügsamkeit hat sie íormaliter einen Charakter Kantischer
Autonomie des \illens übernommen: Sie geht auí nichts, was ihr
·orausliegt, und sie treibt nicht, etwas her·orzubringen, was sich ·on
der Vereinigungsmacht noch unterscheiden lä|t.
legel hatte schon in Bern das unabhängige Bewu|tsein, das dem Schicksal
trotzt, indem es ihm alles Natürliche preisgibt, als den Beweis der lreiheit
unter Bedingungen gerühmt, in denen die Gemeinschaít der lreien
unerreichbar bleibt. Von ihm ist die schlechte Unendlichkeit eines Glaubens
zu unterscheiden, die sich in solcher Lage zur Unterweríung unter Mächte
und unendliche Objekte bereitíindet. Auch nach dem Ansto| durch
lolderlin konnte und wollte legel an diesem Schema íesthalten. Ls war
nun nur nicht mehr der Sinn íür lreiheit, sondern íür wahre Vereinigung,
der uns zwingt, in \eltlagen, die Vereinigung gar nicht zulassen, auí der
Unendlichkeit in uns zu beharren.
Sie lä|t sich allerdings auch nicht als das ·Alles in Allem· selber
denken. Setzt sie doch ·oraus, da| eine Mannigíaltigkeit ·on Getrenntem
besteht, in Beziehung auí die sie wirksam werden kann. legel hat auí
diesen Aspekt seiner theoretischen Lage, den lolderlin durch die
Annahme einer 1rennung im Sein beachtet hatte, zunächst gar keine
Rücksicht genommen. Lrst bei der Redaktion seiner Manuskripte über
·Liebe· im \inter 1¯98,99 ist er mit einíachen Argumenten auí ihn
eingegangen, die er in den 1ext einíügte
19
: Die Liebe mu| suchen, sich zu
·er·ielíältigen, um ein moglichst gro|es Ganzes der Vereinigung
herzustellen. So zeigt sich also legels Unselbständigkeit gegen lolderlin
darin, da| er eine seiner wichtigsten Absichten beim Uber


29
So nahm also legel lolderlins Liebestheorem mit gutem Grund nur
·erkürzt auí, - nicht aus Ignoranz, sondern weil es allein in dieser
lorm geeignet war, auch noch seine Berner Linsicht neu zu
íormulieren. Damit war aber eine Lntscheidung geíallen, die legels
weiteren Gang beherrschte: Der Gegensatz zwischen Unendlichkeit
des Selbstseins und lingabe konnte ·on ihm nicht mehr als zwei
Strebensrichtungen der Liebe ·erstanden werden, ·on denen jede auí
eine andere Lxistenzíorm der Vereinigung geht, auí ·ollendete
unendliche oder auí im Gegenwärtigen mogliche, aber beschränkte
Vereinigung. \enn das Ich auís Unendliche geht, so hält es damit
nur an sich, weil es die Moglichkeit der gegenwärtigen

19Dem lragment mit Nohls 1itel liegen zwei lassungen zugrunde. Lrst in der zweiten
wird das Problem der lerkunít des Mannigíaltigen gestellt.

28
Vereinigung mit seiner \elt nicht sieht. Sehnsucht ist schlechte, ist abstrakte
Unendlichkeit, die ihren besseren Ausdruck in der 1apíerkeit íindet.
ästhetischem Sensorium. Ls lä|t sich nicht ·erstehen, wie solche Integration
des Lebens wirklich geschehen kann.
lür den lall, da| legels Denken zum System reiíen sollte, waren damit zwei
Probleme ·orbereitet, die auch íormal behandelt und gelost werden
mu|ten: Die Relation zwischen Lndlichkeit und Unendlichkeit ist so zu
denken, da| sich ihre Relata nicht aus einem Dritten herleiten, sondern
nur aus den internen Bedingungen ihres Bezogenseins. Und weiter mu|
die Mannigíaltigkeit derer, die ·ereinigt werden, aus dem \esen der
Vereinigung selber einleuchten, - also wiederum nicht aus einem ihr
·orausgedachten ersten Beginn und Grundprinzip. Diese zweite lrage ist in
legels Skepsis gegenüber Sinclair ·orweggenommen, mit der er sich danach
erkundigte, wie denn, die Ureinheit einmal angenommen, der Proze| der
1eilung und Lntwicklung überhaupt zu begreiíen sei.
\ir wissen, da| lolderlin erst wieder zu philosophieren begann, als er sich
·on Susette Gontard getrennt hatte und nach lomburg umgezogen war.
Lr bearbeitete nun nicht mehr philosophische Grundlegungsprobleme. Die
1heorie der Dichtung, der Unterschied zwischen griechischer und moderner
Poesie, das rechte Verhältnis beider zueinander und der Charakter
poetischer Sprache wurden seine 1hemen. Da| er dabei ·on dem im
írüheren ·spekulati·en Pro und Contra· Lrreichten und im Bund der
lreunde Bewährten ausging, ist leicht zu sehen. Zu sehen ist auch, da| er,
was íür ihn ehedem die Bahn des indi·iduellen Lebens durch die
Gegensätze seiner 1endenzen war, immer mehr auch als einen Begriíí ·on
der Geschichte der Menschheit gebraucht hat. Doch hat er zumindest zwei
wichtige Anderungen in seinen írühen Lntwurí eingesetzt, die ihn
zusammengenommen dazu beíähigten, den Begriíí der Schonheit tieíer und
angemessener zu íassen.

4. Strukturen in lolderlins späterem Denken
So ging lolderlin zunächst da·on ab, Schonheit als simultane
Integration der Lebenstendenzen einzuíühren. Zumindest die hochste
Schonheit der Poesie beruht auí einem geregelten !ecb.et ·on Akten, in
denen jede dieser Lebenstendenzen íür einen Augenblick íreigesetzt wird.
Daraus íolgt ,las \ichtige, da| weder im gegenwärtigen Lndlichen noch in
der erwarteten \ieder·ereinigung statische larmonie eintreten kann.
Die Kunst wird ebenso wie das ·ollendete Leben nur die 1ertavfe des
\irklichen harmonisch wiederholen und seine Gegensätze durch
Vollständigkeit und Ordnung aus ihrem Konílikt erlosen.
Noch ein weiterer Gang ist notig, ehe sich das Proíil ·on legels Denken
in aller Deutlichkeit ·on dem lolderlins abhebt. Ls mu| auí einige
Modiíikationen eingegangen werden, die lolderlins spätere Philosophie
·on seiner írühen unterscheiden. In der spekulati·en Skizze, mit der er
legel überzeugte, íungierte neben ·Liebe· ·Schonheit· als
Schlüsselbegriíí. Denn die ·ereinigten Strebensrichtungen des Menschen
treten im Schonen zusammen: Gottlich ist es, ·om Gro|ten ungezwun-
gen, ·om Kleinsten aber beíangen zu sein. So sehr es einleuchtet, das
Vollendete schon zu nennen und in ihm die strenge Schonheit des Ideals
zu íinden, die Spannung nicht aus sich ausschlie|t, - dieser Begriíí der
Schonheit ist dennoch ganz unbestimmt. Ligentlich ist er nur das Postulat
der Integration ·on \esensrichtungen des Lebens, ·erbunden mit

Geht aber der \eg des Lebens nicht in den Ursprung zurück, so mu| man
auch in seinem Verlauí das Verhalten zum Ursprung ·on dem Verhalten
zur Zukunít unterscheiden. Darum íolgt aus der ersten Anderung
zwingend eine weitere, - ob sie nun wirklich um der Konsequenz willen
geschah oder aus unabhängigen anderen Gründen: lolderlin hat die Dyas


30 31
Vereinigung mit seiner \elt nicht sieht. Sehnsucht ist schlechte, ist abstrakte
Unendlichkeit, die ihren besseren Ausdruck in der 1apíerkeit íindet.
ästhetischem Sensorium. Ls lä|t sich nicht ·erstehen, wie solche Integration
des Lebens wirklich geschehen kann.
lür den lall, da| legels Denken zum System reiíen sollte, waren damit zwei
Probleme ·orbereitet, die auch íormal behandelt und gelost werden
mu|ten: Die Relation zwischen Lndlichkeit und Unendlichkeit ist so zu
denken, da| sich ihre Relata nicht aus einem Dritten herleiten, sondern
nur aus den internen Bedingungen ihres Bezogenseins. Und weiter mu|
die Mannigíaltigkeit derer, die ·ereinigt werden, aus dem \esen der
Vereinigung selber einleuchten, - also wiederum nicht aus einem ihr
·orausgedachten ersten Beginn und Grundprinzip. Diese zweite lrage ist in
legels Skepsis gegenüber Sinclair ·orweggenommen, mit der er sich danach
erkundigte, wie denn, die Ureinheit einmal angenommen, der Proze| der
1eilung und Lntwicklung überhaupt zu begreiíen sei.
\ir wissen, da| lolderlin erst wieder zu philosophieren begann, als er sich
·on Susette Gontard getrennt hatte und nach lomburg umgezogen war.
Lr bearbeitete nun nicht mehr philosophische Grundlegungsprobleme. Die
1heorie der Dichtung, der Unterschied zwischen griechischer und moderner
Poesie, das rechte Verhältnis beider zueinander und der Charakter
poetischer Sprache wurden seine 1hemen. Da| er dabei ·on dem im
írüheren ·spekulati·en Pro und Contra· Lrreichten und im Bund der
lreunde Bewährten ausging, ist leicht zu sehen. Zu sehen ist auch, da| er,
was íür ihn ehedem die Bahn des indi·iduellen Lebens durch die
Gegensätze seiner 1endenzen war, immer mehr auch als einen Begriíí ·on
der Geschichte der Menschheit gebraucht hat. Doch hat er zumindest zwei
wichtige Anderungen in seinen írühen Lntwurí eingesetzt, die ihn
zusammengenommen dazu beíähigten, den Begriíí der Schonheit tieíer und
angemessener zu íassen.

4. Strukturen in lolderlins späterem Denken
So ging lolderlin zunächst da·on ab, Schonheit als simultane
Integration der Lebenstendenzen einzuíühren. Zumindest die hochste
Schonheit der Poesie beruht auí einem geregelten !ecb.et ·on Akten, in
denen jede dieser Lebenstendenzen íür einen Augenblick íreigesetzt wird.
Daraus íolgt ,las \ichtige, da| weder im gegenwärtigen Lndlichen noch in
der erwarteten \ieder·ereinigung statische larmonie eintreten kann.
Die Kunst wird ebenso wie das ·ollendete Leben nur die 1ertavfe des
\irklichen harmonisch wiederholen und seine Gegensätze durch
Vollständigkeit und Ordnung aus ihrem Konílikt erlosen.
Noch ein weiterer Gang ist notig, ehe sich das Proíil ·on legels Denken
in aller Deutlichkeit ·on dem lolderlins abhebt. Ls mu| auí einige
Modiíikationen eingegangen werden, die lolderlins spätere Philosophie
·on seiner írühen unterscheiden. In der spekulati·en Skizze, mit der er
legel überzeugte, íungierte neben ·Liebe· ·Schonheit· als
Schlüsselbegriíí. Denn die ·ereinigten Strebensrichtungen des Menschen
treten im Schonen zusammen: Gottlich ist es, ·om Gro|ten ungezwun-
gen, ·om Kleinsten aber beíangen zu sein. So sehr es einleuchtet, das
Vollendete schon zu nennen und in ihm die strenge Schonheit des Ideals
zu íinden, die Spannung nicht aus sich ausschlie|t, - dieser Begriíí der
Schonheit ist dennoch ganz unbestimmt. Ligentlich ist er nur das Postulat
der Integration ·on \esensrichtungen des Lebens, ·erbunden mit

Geht aber der \eg des Lebens nicht in den Ursprung zurück, so mu| man
auch in seinem Verlauí das Verhalten zum Ursprung ·on dem Verhalten
zur Zukunít unterscheiden. Darum íolgt aus der ersten Anderung
zwingend eine weitere, - ob sie nun wirklich um der Konsequenz willen
geschah oder aus unabhängigen anderen Gründen: lolderlin hat die Dyas


30 31
der beiden Lebenstendenzen durch eine 1rias ersetzt: Der Mensch strebt
einerseits über alles Lndliche hinaus, um das Vollkommene tätig
her·orzubringen. Lr mu| sich aber auch in der Anschauung des Lndlichen
beíangen lassen. Schlie|lich mu| er im Bewu|tsein ·om unía|lichen
Ursprung alles \irkliche idealisierend überíliegen und írei zwischen seinen
Antrieben schweben. Idealisierung und Bestrebung sind einander am
schärísten entgegengesetzt und nur durch ihre gemeinsame Beziehung auí
das Nai·e einer Anschauung, die sich im Lndlichen beíriedigt,
miteinander zu ·ereinen. Mit diesen Gedanken hat nun auch lolderlin -
ebenso wie legel - die Lntíaltung der Gegensätze über die Idee der \ie-
derholung der Linheit des Ursprungs gestellt. Und es scheint daher, da|
er schlie|lich doch dem nahekam, was legel írüh und alle Zeit
íesthalten wollte: Die \ahrheit ist der \eg. Bei genauerem Zusehen
scheint also auch wieder zu schwinden, was beide ·oneinander zu trennen
schien. Man konnte gar ·ersucht sein, dies einem Linílu| ·on legels
Schicksalslehre auí lolderlin zuzurechnen, den man auch wirklich an-
nehmen darí, obwohl wir ihn aus Dokumenten nicht belegen konnen.
Strukturen in Kategorienlehre, Charakterologie und Gattungspoetik
orientiert, jedeníalls wu|te er sich nicht durch sie legitimiert. Legitimiert íand
er sich ·ielmehr noch einmal durch lichte.
Dabei hatte er nun im Sinn das Lnde ·on lichtes Darstellung der im
Begriíí des Ich liegenden \idersprüche. lier hatte lichte gezeigt, da|
Bewu|tsein als moglich zu denken drei Unterscheidungen ·erlangt: Das
Ich, soíern es eingeschränkt und auí Objekte bezogen ist, diese Objekte,
soíern sie íür das Ich bestimmte und somit eingeschränkte sind, und diese
beiden in \echselbestimmung, dazu aber noch ein Drittes, nämlich das
Unbedingte, das den einigen Charakter der 1ätigkeit in beiden
Beschränkungen zusammenhält und das auch seinerseits im \echsel mit der
Beschränkung beider als das Unbedingte zu íassen ist. Man sieht leicht, da|
es diese triadische Struktur ist, an der lolderlin sich orientiert, - nur so,
da| er die Linigkeit gegenüber den Gegensätzlichen ·erselbständigt und
somit jedes der drei - entgegen lichtes Intention - als Lebenstendenz auí
sich selber stellt.
An diesem Bezug auí lichte wird deutlich, was auch lolderlins lomburger
Schonheitslehre noch mit der lrankíurter einigt: Zunächst war ihm
Schonheit unbegreiíliche Integration. Dann war sie ihm zum \echsel ihrer
Momente geworden. Aber auch in diesem \echsel bleibt Schonheit etwas
Un·ordenkliches. Denn sie beruht nur darauí, da| Llemente trotz ihres
Gegensatzes regelmä|ig auíeinander bezogen sind. Der Linheitssinn, der in
dieser Beziehung her·orscheint, lä|t sich ihnen rein als Momenten nicht
abgewinnen. Dies allein, da| sie aus einem gemeinsamen Grund kommen,
weist sie als Angehorige eines Ganzen aus. Nur darum müssen wir nicht nur
Unterschiedliches ·ariieren, sondern konnen »im Urgrunde aller \erke und
1aten der Menschen uns gleich und einig íühlen mit allem«
20
.
Von diesem Schein darí man sich aber nicht täuschen lassen. Die
Diííerenz besteht auch in lolderlins lomburger Schriíten íort, wo sie
nur noch ein wenig schwerer als in den lrankíurter 1exten zu entdecken
ist. Um sie zu íassen, sei zunächst darauí auímerksam gemacht, da| auch
die Lehre ·om harmonischen \echsel lichtes \issenschaítslehre
abgewonnen worden ist. Schon in lolderlins írüher \endung gegen
lichte war es überraschend, da| sie durch nur geringe Korrekturen am
Auíbau ·on dessen \erk erreicht worden war. Sie bezogen sich auí
seinen Lingangsparagraphen, - auí das Verhältnis des Unbedingten im
Ich zu dem Gegensatz in ihm, soíern es Bewu|tsein wird. Als lolderlin
die 1rias des \echsels an die Stelle der beiden Strebensrichtungen der
exzentrischen Bahn setzte, war er nicht nur an allerlei triadischen

33

20 StA IV, S.222
32
der beiden Lebenstendenzen durch eine 1rias ersetzt: Der Mensch strebt
einerseits über alles Lndliche hinaus, um das Vollkommene tätig
her·orzubringen. Lr mu| sich aber auch in der Anschauung des Lndlichen
beíangen lassen. Schlie|lich mu| er im Bewu|tsein ·om unía|lichen
Ursprung alles \irkliche idealisierend überíliegen und írei zwischen seinen
Antrieben schweben. Idealisierung und Bestrebung sind einander am
schärísten entgegengesetzt und nur durch ihre gemeinsame Beziehung auí
das Nai·e einer Anschauung, die sich im Lndlichen beíriedigt,
miteinander zu ·ereinen. Mit diesen Gedanken hat nun auch lolderlin -
ebenso wie legel - die Lntíaltung der Gegensätze über die Idee der \ie-
derholung der Linheit des Ursprungs gestellt. Und es scheint daher, da|
er schlie|lich doch dem nahekam, was legel írüh und alle Zeit
íesthalten wollte: Die \ahrheit ist der \eg. Bei genauerem Zusehen
scheint also auch wieder zu schwinden, was beide ·oneinander zu trennen
schien. Man konnte gar ·ersucht sein, dies einem Linílu| ·on legels
Schicksalslehre auí lolderlin zuzurechnen, den man auch wirklich an-
nehmen darí, obwohl wir ihn aus Dokumenten nicht belegen konnen.
Strukturen in Kategorienlehre, Charakterologie und Gattungspoetik
orientiert, jedeníalls wu|te er sich nicht durch sie legitimiert. Legitimiert íand
er sich ·ielmehr noch einmal durch lichte.
Dabei hatte er nun im Sinn das Lnde ·on lichtes Darstellung der im
Begriíí des Ich liegenden \idersprüche. lier hatte lichte gezeigt, da|
Bewu|tsein als moglich zu denken drei Unterscheidungen ·erlangt: Das
Ich, soíern es eingeschränkt und auí Objekte bezogen ist, diese Objekte,
soíern sie íür das Ich bestimmte und somit eingeschränkte sind, und diese
beiden in \echselbestimmung, dazu aber noch ein Drittes, nämlich das
Unbedingte, das den einigen Charakter der 1ätigkeit in beiden
Beschränkungen zusammenhält und das auch seinerseits im \echsel mit der
Beschränkung beider als das Unbedingte zu íassen ist. Man sieht leicht, da|
es diese triadische Struktur ist, an der lolderlin sich orientiert, - nur so,
da| er die Linigkeit gegenüber den Gegensätzlichen ·erselbständigt und
somit jedes der drei - entgegen lichtes Intention - als Lebenstendenz auí
sich selber stellt.
An diesem Bezug auí lichte wird deutlich, was auch lolderlins lomburger
Schonheitslehre noch mit der lrankíurter einigt: Zunächst war ihm
Schonheit unbegreiíliche Integration. Dann war sie ihm zum \echsel ihrer
Momente geworden. Aber auch in diesem \echsel bleibt Schonheit etwas
Un·ordenkliches. Denn sie beruht nur darauí, da| Llemente trotz ihres
Gegensatzes regelmä|ig auíeinander bezogen sind. Der Linheitssinn, der in
dieser Beziehung her·orscheint, lä|t sich ihnen rein als Momenten nicht
abgewinnen. Dies allein, da| sie aus einem gemeinsamen Grund kommen,
weist sie als Angehorige eines Ganzen aus. Nur darum müssen wir nicht nur
Unterschiedliches ·ariieren, sondern konnen »im Urgrunde aller \erke und
1aten der Menschen uns gleich und einig íühlen mit allem«
20
.
Von diesem Schein darí man sich aber nicht täuschen lassen. Die
Diííerenz besteht auch in lolderlins lomburger Schriíten íort, wo sie
nur noch ein wenig schwerer als in den lrankíurter 1exten zu entdecken
ist. Um sie zu íassen, sei zunächst darauí auímerksam gemacht, da| auch
die Lehre ·om harmonischen \echsel lichtes \issenschaítslehre
abgewonnen worden ist. Schon in lolderlins írüher \endung gegen
lichte war es überraschend, da| sie durch nur geringe Korrekturen am
Auíbau ·on dessen \erk erreicht worden war. Sie bezogen sich auí
seinen Lingangsparagraphen, - auí das Verhältnis des Unbedingten im
Ich zu dem Gegensatz in ihm, soíern es Bewu|tsein wird. Als lolderlin
die 1rias des \echsels an die Stelle der beiden Strebensrichtungen der
exzentrischen Bahn setzte, war er nicht nur an allerlei triadischen

33

20 StA IV, S.222
32
Auch im steten Bezug des \echsels kann lolderlin also die gründende
Linheit nicht entbehren, wenn er auch den \eg in die 1rennung als
endgültig und die innige Ursprungseinheit als ·erloren, und zwar
glücklich ·erloren anerkennt. Die Gottersprache des \echsels spricht
harmonisch aus der Linheit der lerkunít, deren Stille auch dort noch
zu horen ist, wo der \echsel rapide und zur geschichtlichen Notzeit ge-
worden ist.
21

Dichter mu| ihn zu berechnen und zu produzieren wissen. |in Leben aber tritt
er je nach dessen Schicksal ein. \ir konnen ihn nur íesthalten und aus dem
Verstehen, das er erschlie|t, besonnener unsere künítige Bahn gehen.
Auch in legels Denken ist das Moti· der Lrinnerung wesentlich, - jedoch als
die Versammlung der Gestalten aus ihrer äu|erlichen Lxistenz in das Innere
des begreiíenden Geistes. Ihm ist Lrinnern immer ein Verwandeln, - Lr-
Innerung als Uberholen des An-sich-seins des Vergangenen, - eine neue
\eise, es zu setzen als zugehorig dem erinnernden Ich
23
oder dem
Allgemeinen der Intelligenz.
24
lolderlin ist das Lrinnern dagegen ein
Bewahren, das unter der lorderung der 1reue steht, also das Vergangene in
seinem Ligenen sucht und hält. lür ihn gibt es keinen íreien Ausgriíí in die
Zukunít, der das ·ergangene Leben nur ·on sich sto|t, statt es - und die,
deren Schicksal es war, - als den Gegensatz zum Ligenen erinnernd íortleben
und -wirken zu lassen.
\enn lolderlin an einem Verbindenden íesthält, das nicht aus den
\echselnden selbst her·ortritt, so konnte er sich wieder durch lichte dazu
berechtigt íinden. Man kann sogar mit einem Satz aus lichte zu dem
schonsten Gedanken überleiten, den lolderlins lomburger Lntwüríe über
Gedicht und Geschichte enthalten: »Das setzende Ich, durch das
wunderbarste seiner Vermogen |...| hält das schwindende Akzidenz so lange
íest, bis es dasjenige, wodurch dasselbe ·erdrängt wird, ·erglichen hat.
Dieses íast immer ·erkannte Vermogen ist es, was aus steten Gegensätzen
Linheit zusammenknüpít, was zwischen Momenten, die sich gegenseitig
auíheben mü|ten, eintritt und dadurch beide erhält, es ist dasjenige was
allein Leben und Bewu|tsein moglich macht.«
22

5. legel und lolderlin in Diííerenz
1810 schrieb legel an Sinclair, er erwarte dessen philosophisches lauptwerk:
er sei gespannt, ob Sinclair »noch der hartnäckige lichteaner« sei, »und was
der Progress ins Unendliche íür eine Rolle darin spielt«
25
. Dieser Satz íührt
leicht zu schwerwiegenden Mi|·erständnissen. Scheint er doch zu beweisen,
da| legel im lrankíurter Kreis ungeíähr so zu argumentieren hatte, wie in
der Diííerenzschriít gegen lichte aus dem Jahre 1801. Doch aus Sinclairs
1exten und allen Dokumenten ergibt sich mit Sicherheit, da| er in durchaus
anderer Lage war.
Nicht nur, damit der \echsel harmonisch sei, sondern auch, damit er
als Ganzes her·ortrete, mu| mehr in ihm gesetzt sein, als die
\echselglieder selber. lolderlin zeigt, da| Leben und Gedicht eines
werden in der írivvervvg. Der \echsel der 1endenzen und ihrer 1one
íührt ja nur zum jeweils Neuen. So mu|, um das Ganze selbst zu
oííenbaren, im \echsel ein Linhalten geschehen. In ihm wird die
ganze lolge des Vergangenen zusammengenommen und überblickt
und zugleich mit dem Neuen ·erglichen, das schon gespürt werden
kann und das sich als das Andere des Vollendeten anzeigt. Dies ist der
gottliche Moment, der transzendentale Augenblick. Der




35

23 ]evaer Reat¡bito.o¡bie II, S. 182.
24 ívc,cto¡aaie, ¸¸ 452 íí
21 Der .rcbi¡etagv., Schlu|strophe.
22 lichtes !er/e, i v der Ausgabe des ´obve., í, ´. 204,5.
25 legel, ßriefe I, S. 332
34
Auch im steten Bezug des \echsels kann lolderlin also die gründende
Linheit nicht entbehren, wenn er auch den \eg in die 1rennung als
endgültig und die innige Ursprungseinheit als ·erloren, und zwar
glücklich ·erloren anerkennt. Die Gottersprache des \echsels spricht
harmonisch aus der Linheit der lerkunít, deren Stille auch dort noch
zu horen ist, wo der \echsel rapide und zur geschichtlichen Notzeit ge-
worden ist.
21

Dichter mu| ihn zu berechnen und zu produzieren wissen. |in Leben aber tritt
er je nach dessen Schicksal ein. \ir konnen ihn nur íesthalten und aus dem
Verstehen, das er erschlie|t, besonnener unsere künítige Bahn gehen.
Auch in legels Denken ist das Moti· der Lrinnerung wesentlich, - jedoch als
die Versammlung der Gestalten aus ihrer äu|erlichen Lxistenz in das Innere
des begreiíenden Geistes. Ihm ist Lrinnern immer ein Verwandeln, - Lr-
Innerung als Uberholen des An-sich-seins des Vergangenen, - eine neue
\eise, es zu setzen als zugehorig dem erinnernden Ich
23
oder dem
Allgemeinen der Intelligenz.
24
lolderlin ist das Lrinnern dagegen ein
Bewahren, das unter der lorderung der 1reue steht, also das Vergangene in
seinem Ligenen sucht und hält. lür ihn gibt es keinen íreien Ausgriíí in die
Zukunít, der das ·ergangene Leben nur ·on sich sto|t, statt es - und die,
deren Schicksal es war, - als den Gegensatz zum Ligenen erinnernd íortleben
und -wirken zu lassen.
\enn lolderlin an einem Verbindenden íesthält, das nicht aus den
\echselnden selbst her·ortritt, so konnte er sich wieder durch lichte dazu
berechtigt íinden. Man kann sogar mit einem Satz aus lichte zu dem
schonsten Gedanken überleiten, den lolderlins lomburger Lntwüríe über
Gedicht und Geschichte enthalten: »Das setzende Ich, durch das
wunderbarste seiner Vermogen |...| hält das schwindende Akzidenz so lange
íest, bis es dasjenige, wodurch dasselbe ·erdrängt wird, ·erglichen hat.
Dieses íast immer ·erkannte Vermogen ist es, was aus steten Gegensätzen
Linheit zusammenknüpít, was zwischen Momenten, die sich gegenseitig
auíheben mü|ten, eintritt und dadurch beide erhält, es ist dasjenige was
allein Leben und Bewu|tsein moglich macht.«
22

5. legel und lolderlin in Diííerenz
1810 schrieb legel an Sinclair, er erwarte dessen philosophisches lauptwerk:
er sei gespannt, ob Sinclair »noch der hartnäckige lichteaner« sei, »und was
der Progress ins Unendliche íür eine Rolle darin spielt«
25
. Dieser Satz íührt
leicht zu schwerwiegenden Mi|·erständnissen. Scheint er doch zu beweisen,
da| legel im lrankíurter Kreis ungeíähr so zu argumentieren hatte, wie in
der Diííerenzschriít gegen lichte aus dem Jahre 1801. Doch aus Sinclairs
1exten und allen Dokumenten ergibt sich mit Sicherheit, da| er in durchaus
anderer Lage war.
Nicht nur, damit der \echsel harmonisch sei, sondern auch, damit er
als Ganzes her·ortrete, mu| mehr in ihm gesetzt sein, als die
\echselglieder selber. lolderlin zeigt, da| Leben und Gedicht eines
werden in der írivvervvg. Der \echsel der 1endenzen und ihrer 1one
íührt ja nur zum jeweils Neuen. So mu|, um das Ganze selbst zu
oííenbaren, im \echsel ein Linhalten geschehen. In ihm wird die
ganze lolge des Vergangenen zusammengenommen und überblickt
und zugleich mit dem Neuen ·erglichen, das schon gespürt werden
kann und das sich als das Andere des Vollendeten anzeigt. Dies ist der
gottliche Moment, der transzendentale Augenblick. Der




35

23 ]evaer Reat¡bito.o¡bie II, S. 182.
24 ívc,cto¡aaie, ¸¸ 452 íí
21 Der .rcbi¡etagv., Schlu|strophe.
22 lichtes !er/e, i v der Ausgabe des ´obve., í, ´. 204,5.
25 legel, ßriefe I, S. 332
34
Dann gewinnt aber auch der Satz an Sinclair eine andere, eine wirklich
auíschlu|reiche Bedeutung: Strittig war zwischen ihm und lolderlins
lreunden im Bund gewi| nicht, da| über das Ich als Prinzip
hinauszugehen sei. Das hatte legel ja gerade ·on ihnen lernen müssen.
Strittig konnte nur sein, ob auch vacb diesem Ubergang Llemente aus lichte
íestzuhalten seien. In diesem Sinne, als Llement ·on lolderlins Lehre ·om
Sein, 1rennung und \echsel, bestand Sinclair auí dem unendlichen
Progress. Und so eríahren wir in jener Brieístelle ·on legel selber, da| er
seine eigene Linsicht nicht unmittelbar gegen lichte, sondern gegen den
íortdauernden lichteanismus seiner antiíichteschen lreunde auszubilden
hatte.
·on wahrer Unendlichkeit: Sie ist einzig die \eise der Beziehung ·on
Lndlichem zu seinem Negat, der leeren Unendlichkeit, - also gerade nicht,
wie lolderlin wollte, gemeinsamer Ursprung und Zielpunkt zweier
1endenzen. Nicht anders ·erhält es sich beim Gegensatz des \esens, etwa
zwischen dem Positi·en und Negati·en, ·on denen jedes, trotz ihrer
Lntgegensetzung, den Begriíí der ganzen Relation und damit auch sein
Gegenteil einschlie|t. Somit ist der \echsel zwischen ihnen zugleich auch
der \echsel zwischen Identischem - nicht ein \echsel im Urgrunde oder in
Beziehung auí ihn. Jede Kategorie in legels Logik ist ein anderes Beispiel
íür diesen Sach·erhalt, da eben das ganze \erk aus der Linsicht in diese eine
Struktur geschrieben wurde. So ist auch legels Aníang mit der Kategorie
Sein als direkte Opposition zu dem anderen Aníang lolderlins zu
horen. Nicht Sein im einzigen Sinn des \ortes, aus dem alles kommt und in
dessen Anschauung alle Linigkeit steht, gibt den Ausgang. Sein ist das
schlechthin Unmittelbare, Uneríüllte, die Antizipation konkreter
Bedeutsamkeit und vvr diese. Deshalb wird auch der \eg des lortschritts
nicht 1rennung, sondern ße.tivvvvg sein. Das Leere bestimmt sich zum
Ganzen, - eben avfgrvva seiner Leere, - dadurch, da| sein Unbestimmtsein
her·ortritt, - somit durch Gegensatz. Daher íührt der Gegensatz auch
nicht zum \echsel, sondern zu dem, was legel ·Lntwickelung· nennt: Zur
Ausíührung des Bestimmteren aus dem Unbestimmten, - zu seiner
Produktion. In lolderlins Denken gibt es keinen Platz íür solches
Produzieren. Alles ist 1rennung, \echsel, und 1ausch sowie Ma| oder
Uberma| und Linigkeit. Lr hätte im ·Gegensatz· nicht die »unendliche
Macht des Negati·en« rühmen konnen, da doch die Macht der
Linigung zwar durch ihn, aber nicht aus ihm kommt, sie aber allein ist
unendlich.
Daraus mu| man nun aber íolgern, da| die Mängel ·on lolderlins
Standpunkt L·idenzquelle auch aller späteren lormulierungen ·on
legels System gewesen sind. Im System ist ihre Applikation wohl ·iel
allgemeiner und sie geht auch ·or allem auí Ideen, die wirkungsmächtiger
waren als die lolderlins. Aber der kritische Ausgang bleibt doch ge-
genwärtig. legel hätte Schellings Lehre gegenüber nicht so sicher
standhalten konnen, wenn er diesen Stand nicht zu·or schon in den
Gesprächen des lrankíurter Bundes gewonnen hätte.
Und dies ist nun legels eigentümlicher Gedanke: da| die Relata in der
Lntgegensetzung zwar aus einem Ganzen ·erstanden werden müssen,
da| dieses Ganze ihnen aber nicht ·orausgeht als Sein oder als
intellektuale Anschauung, - sondern da| es nur der entwickelte Begriíí der
Relation selber ist. Ausgearbeitet hat er ihn zuerst in der Analyse des Begriíís
·om Leben: Leben, kann man nur ·erstehen, wenn der Gegensatz der
lebenden \esen untereinander und die organische Linheit in jedem ·on
ihnen aus dem Allgemeinen einer Organisation begriííen wird, die
dennoch keine Lxistenz ·or und au|erhalb des Prozesses der lebendigen
\esen hat. Dieselbe Struktur íindet sich wieder in dem Gedanken

Auch íür legel bl ei bt írei l i ch Produkti on der Sel bst·ol l zug des
ei nen Lebens, das ohne Ausgang i st und ohne Zi el , aus dem und
zu dem es käme. Sei ne Vol l endung geschi eht i n


36 3¯
Dann gewinnt aber auch der Satz an Sinclair eine andere, eine wirklich
auíschlu|reiche Bedeutung: Strittig war zwischen ihm und lolderlins
lreunden im Bund gewi| nicht, da| über das Ich als Prinzip
hinauszugehen sei. Das hatte legel ja gerade ·on ihnen lernen müssen.
Strittig konnte nur sein, ob auch vacb diesem Ubergang Llemente aus lichte
íestzuhalten seien. In diesem Sinne, als Llement ·on lolderlins Lehre ·om
Sein, 1rennung und \echsel, bestand Sinclair auí dem unendlichen
Progress. Und so eríahren wir in jener Brieístelle ·on legel selber, da| er
seine eigene Linsicht nicht unmittelbar gegen lichte, sondern gegen den
íortdauernden lichteanismus seiner antiíichteschen lreunde auszubilden
hatte.
·on wahrer Unendlichkeit: Sie ist einzig die \eise der Beziehung ·on
Lndlichem zu seinem Negat, der leeren Unendlichkeit, - also gerade nicht,
wie lolderlin wollte, gemeinsamer Ursprung und Zielpunkt zweier
1endenzen. Nicht anders ·erhält es sich beim Gegensatz des \esens, etwa
zwischen dem Positi·en und Negati·en, ·on denen jedes, trotz ihrer
Lntgegensetzung, den Begriíí der ganzen Relation und damit auch sein
Gegenteil einschlie|t. Somit ist der \echsel zwischen ihnen zugleich auch
der \echsel zwischen Identischem - nicht ein \echsel im Urgrunde oder in
Beziehung auí ihn. Jede Kategorie in legels Logik ist ein anderes Beispiel
íür diesen Sach·erhalt, da eben das ganze \erk aus der Linsicht in diese eine
Struktur geschrieben wurde. So ist auch legels Aníang mit der Kategorie
Sein als direkte Opposition zu dem anderen Aníang lolderlins zu
horen. Nicht Sein im einzigen Sinn des \ortes, aus dem alles kommt und in
dessen Anschauung alle Linigkeit steht, gibt den Ausgang. Sein ist das
schlechthin Unmittelbare, Uneríüllte, die Antizipation konkreter
Bedeutsamkeit und vvr diese. Deshalb wird auch der \eg des lortschritts
nicht 1rennung, sondern ße.tivvvvg sein. Das Leere bestimmt sich zum
Ganzen, - eben avfgrvva seiner Leere, - dadurch, da| sein Unbestimmtsein
her·ortritt, - somit durch Gegensatz. Daher íührt der Gegensatz auch
nicht zum \echsel, sondern zu dem, was legel ·Lntwickelung· nennt: Zur
Ausíührung des Bestimmteren aus dem Unbestimmten, - zu seiner
Produktion. In lolderlins Denken gibt es keinen Platz íür solches
Produzieren. Alles ist 1rennung, \echsel, und 1ausch sowie Ma| oder
Uberma| und Linigkeit. Lr hätte im ·Gegensatz· nicht die »unendliche
Macht des Negati·en« rühmen konnen, da doch die Macht der
Linigung zwar durch ihn, aber nicht aus ihm kommt, sie aber allein ist
unendlich.
Daraus mu| man nun aber íolgern, da| die Mängel ·on lolderlins
Standpunkt L·idenzquelle auch aller späteren lormulierungen ·on
legels System gewesen sind. Im System ist ihre Applikation wohl ·iel
allgemeiner und sie geht auch ·or allem auí Ideen, die wirkungsmächtiger
waren als die lolderlins. Aber der kritische Ausgang bleibt doch ge-
genwärtig. legel hätte Schellings Lehre gegenüber nicht so sicher
standhalten konnen, wenn er diesen Stand nicht zu·or schon in den
Gesprächen des lrankíurter Bundes gewonnen hätte.
Und dies ist nun legels eigentümlicher Gedanke: da| die Relata in der
Lntgegensetzung zwar aus einem Ganzen ·erstanden werden müssen,
da| dieses Ganze ihnen aber nicht ·orausgeht als Sein oder als
intellektuale Anschauung, - sondern da| es nur der entwickelte Begriíí der
Relation selber ist. Ausgearbeitet hat er ihn zuerst in der Analyse des Begriíís
·om Leben: Leben, kann man nur ·erstehen, wenn der Gegensatz der
lebenden \esen untereinander und die organische Linheit in jedem ·on
ihnen aus dem Allgemeinen einer Organisation begriííen wird, die
dennoch keine Lxistenz ·or und au|erhalb des Prozesses der lebendigen
\esen hat. Dieselbe Struktur íindet sich wieder in dem Gedanken

Auch íür legel bl ei bt írei l i ch Produkti on der Sel bst·ol l zug des
ei nen Lebens, das ohne Ausgang i st und ohne Zi el , aus dem und
zu dem es käme. Sei ne Vol l endung geschi eht i n


36 3¯
einem reílexi·en Akte, in dem es íür sich ganz geworden ist. Darin liegt ein
Bezug auí seinen Beginn mit dem Sein und ein Zusammennehmen seines
\eges im Verstehen, aber wiederum nur als der Proze| zu sich, der in
nichts als sich selber begründet ist.
legels wohl berühmtestes \ort lautet: »Das \ahre ,ist, nicht als Substanz,
sondern ebensosehr als Subjekt«
26
auízuíassen. Ls hat sich nun gezeigt,
da| seine Bedeutung plastischer und ·oller her·ortritt, wenn man in
ihm den Absto| ·on lolderlin hort: Denn es sagt, da| das \ahre der
Proze| sei und nur der Proze|, der an seinem Lnde sich selber hat, als der
Begriíí seines \eges zur Maniíestation. Das gerade ist aber auch der
Rechtsgrund daíür, das \ahre als Subjekt zu beschreiben. legel ·ersteht
nämlich das \esen des bewu|ten Selbst so, da| es ein tätiges
Zusichkommen ist, das nichts ·oraussetzt als dieses zu sich und íür sich. In
diesem Sinne konnen wir ja auch wirklich da·on reden, einer komme zu
sich, und dabei doch wissen, da| der, der er als Bewu|ter ist, be·or er zu
sich kam, nirgends zu íinden war. Denn das Lrwachen zum Bewu|tsein
macht erst den Menschen zum Menschen.
In diesem Sinne ist ein Leben, das nicht indi·iduell ist und doch die
Veríassung des Subjektes hat, rechtens ·Geist· zu nennen, da es nur auí sich
selber ruht, und durch sich \issen ·on sich her·orbringt. Und so ist
·Geist· das \ort, mit dem legel lolderlins ·Seyn· ersetzte, ·on dem er
selbst noch in lrankíurt Gebrauch machte. Auch Substanz ist dieser
Geist, aber nur insoíern er als Proze| ein Kontinuum ist. Substantialität
ist also nur ein Moment seiner eigentlichen Struktur, bedingungsírei sich
produzierende Selbstbeziehung zu sein.
lolderlins Denken hatte lichtes hochstes Prinzip durch
ei n anderes ersetzt und legel da·on überzeugt, da| es noti g sei ,
nicht mehr ·om Bewu|tsein auszugehen. \ohl aber hatte sich lolderlin
auch weiterhin der methodischen Mittel bedient, die lichtes
\issenschaítslehre anbot. Und so war sein Denken íür legel immer
noch zu sehr íichteanisch, um ganz sein zu konnen, wonach es strebte.
legel entwickelte es in einer Richtung, die späteren Absichten
lolderlins durchaus entsprach, aber doch auí eine \eise, die ihn
schlie|lich dazu brachte, nun auch lichtes ersten Gedanken, ·on dem
lolderlin írüh abgelassen hatte, auís neue berechtigt zu íinden, - nur in ganz
anderem Sinne, als lichte selber ihn gemeint hatte. Zwar ist das Ganze,
in Beziehung auí das alle Lntgegensetzung geschieht, nicht unser
Bewu|tsein und auch kein Ich ·or allem Proze| der Lntíaltung. Statt
dessen ist aber dies Ganze, das einzig als Proze| existiert, also der
Proze| selber, nur als Ichheit und nach der Struktur ·on Subjekti·ität zu
begreiíen. \er den lichteanismus in der Methode tilgt, der gerade ·ersteht,
was lichtes Lehre bedeutet. An seiner Seite wollte legel begraben sein.
lolderlin gab legel als Philosophen den wichtigsten, den letzten
prägenden Ansto|. Deshalb kann man sagen, da| legel ganz ·on
lolderlin dependiert, - ·on dessen írüher Anstrengung, die Lebensbahn
des Menschen und die Linheit in ihren Konílikten spekulati· zu begreiíen,
·on der Lindringlichkeit, mit der lolderlins lreunde seine Linsicht
überzeugend machten, sicher auch ·on der Integrität, mit der lolderlin sein
zerrissenes Leben in ihr zu bewahren suchte. Dem Mythos ·on legel als
dem autochthonen \eltphilosophen ist also zu widersprechen.

39
Das konnte die ermutigen, die legel unterstellen, er habe das 1ieíste in
lolderlin mi|kannt und eben nur auí Begriííe gebracht, was auí sie zu
bringen war. Ihnen mu| aber ebenso widersprochen werden. Denn
legels System ist durchaus keine abstrahierende Ausdorrung ·on
lolderlins Denken, sondern ein Gegenzug zu ihm, wenngleich in ihm
gemeinsame Uberzeugungen gewahrt bleiben. Ls ist gar nicht zu sehen,
26 Phànomenologie, Jorrede, ed. HoIImeister, S. 19.
38
einem reílexi·en Akte, in dem es íür sich ganz geworden ist. Darin liegt ein
Bezug auí seinen Beginn mit dem Sein und ein Zusammennehmen seines
\eges im Verstehen, aber wiederum nur als der Proze| zu sich, der in
nichts als sich selber begründet ist.
legels wohl berühmtestes \ort lautet: »Das \ahre ,ist, nicht als Substanz,
sondern ebensosehr als Subjekt«
26
auízuíassen. Ls hat sich nun gezeigt,
da| seine Bedeutung plastischer und ·oller her·ortritt, wenn man in
ihm den Absto| ·on lolderlin hort: Denn es sagt, da| das \ahre der
Proze| sei und nur der Proze|, der an seinem Lnde sich selber hat, als der
Begriíí seines \eges zur Maniíestation. Das gerade ist aber auch der
Rechtsgrund daíür, das \ahre als Subjekt zu beschreiben. legel ·ersteht
nämlich das \esen des bewu|ten Selbst so, da| es ein tätiges
Zusichkommen ist, das nichts ·oraussetzt als dieses zu sich und íür sich. In
diesem Sinne konnen wir ja auch wirklich da·on reden, einer komme zu
sich, und dabei doch wissen, da| der, der er als Bewu|ter ist, be·or er zu
sich kam, nirgends zu íinden war. Denn das Lrwachen zum Bewu|tsein
macht erst den Menschen zum Menschen.
In diesem Sinne ist ein Leben, das nicht indi·iduell ist und doch die
Veríassung des Subjektes hat, rechtens ·Geist· zu nennen, da es nur auí sich
selber ruht, und durch sich \issen ·on sich her·orbringt. Und so ist
·Geist· das \ort, mit dem legel lolderlins ·Seyn· ersetzte, ·on dem er
selbst noch in lrankíurt Gebrauch machte. Auch Substanz ist dieser
Geist, aber nur insoíern er als Proze| ein Kontinuum ist. Substantialität
ist also nur ein Moment seiner eigentlichen Struktur, bedingungsírei sich
produzierende Selbstbeziehung zu sein.
lolderlins Denken hatte lichtes hochstes Prinzip durch
ei n anderes ersetzt und legel da·on überzeugt, da| es noti g sei ,
nicht mehr ·om Bewu|tsein auszugehen. \ohl aber hatte sich lolderlin
auch weiterhin der methodischen Mittel bedient, die lichtes
\issenschaítslehre anbot. Und so war sein Denken íür legel immer
noch zu sehr íichteanisch, um ganz sein zu konnen, wonach es strebte.
legel entwickelte es in einer Richtung, die späteren Absichten
lolderlins durchaus entsprach, aber doch auí eine \eise, die ihn
schlie|lich dazu brachte, nun auch lichtes ersten Gedanken, ·on dem
lolderlin írüh abgelassen hatte, auís neue berechtigt zu íinden, - nur in ganz
anderem Sinne, als lichte selber ihn gemeint hatte. Zwar ist das Ganze,
in Beziehung auí das alle Lntgegensetzung geschieht, nicht unser
Bewu|tsein und auch kein Ich ·or allem Proze| der Lntíaltung. Statt
dessen ist aber dies Ganze, das einzig als Proze| existiert, also der
Proze| selber, nur als Ichheit und nach der Struktur ·on Subjekti·ität zu
begreiíen. \er den lichteanismus in der Methode tilgt, der gerade ·ersteht,
was lichtes Lehre bedeutet. An seiner Seite wollte legel begraben sein.
lolderlin gab legel als Philosophen den wichtigsten, den letzten
prägenden Ansto|. Deshalb kann man sagen, da| legel ganz ·on
lolderlin dependiert, - ·on dessen írüher Anstrengung, die Lebensbahn
des Menschen und die Linheit in ihren Konílikten spekulati· zu begreiíen,
·on der Lindringlichkeit, mit der lolderlins lreunde seine Linsicht
überzeugend machten, sicher auch ·on der Integrität, mit der lolderlin sein
zerrissenes Leben in ihr zu bewahren suchte. Dem Mythos ·on legel als
dem autochthonen \eltphilosophen ist also zu widersprechen.

39
Das konnte die ermutigen, die legel unterstellen, er habe das 1ieíste in
lolderlin mi|kannt und eben nur auí Begriííe gebracht, was auí sie zu
bringen war. Ihnen mu| aber ebenso widersprochen werden. Denn
legels System ist durchaus keine abstrahierende Ausdorrung ·on
lolderlins Denken, sondern ein Gegenzug zu ihm, wenngleich in ihm
gemeinsame Uberzeugungen gewahrt bleiben. Ls ist gar nicht zu sehen,
26 Phànomenologie, Jorrede, ed. HoIImeister, S. 19.
38
listorische Voraussetzungen
·on legels System
wie auch nur legels allgemeinste Aussagen klar und ·erständlich bleiben
konnen, wenn dieser Zusammenhang ·erschüttet wird. Vor der
lrankíurter Begegnung mit lolderlin war legel ein Kritiker der Kirche
und ein Analytiker historischer und politischer Verhältnisse im Bund mit
der Gironde. Im Anschlu| an lolderlin vva im Absto| ·on ihm ist er zum
Philosophen seiner Lpoche geworden.
Seit Rosenkranz seine Biographie
1
·eroííentlicht hatte, ist legels Philosophie
Gegenstand ·on historischen Untersuchungen gewesen. Diltheys
monumentales \erk
2
über legels Leben, das dem Interesse an legel am
Lnde des Neukantianismus neue Impulse gab, machte auch den Aníang
einer langen Reihe ·on entwicklungsgeschichtlichen Arbeiten.
3
Sie alle haben
es sich zur Auígabe gestellt, das ·Secret oí legel·, das die systematische
Interpretation der 1exte nicht hatte auílosen konnen, durch das
Verständnis ihrer lerkunít zu enträtseln. \ir ·erdanken dieser
lorschungsarbeit, die bald nur noch ·on Spezialisten zu übersehen sein
wird, gro|e lortschritte auí dem \eg zum angestrebten Ziel. Doch sind
wir noch weit entíernt da·on, es erreicht zu haben.
Damit ist nach \ahrheit íreilich noch gar nicht geíragt, - nicht einmal
in den Grenzen, die beide umschlossen und die sich aus dem Programm
eines Spinozismus der lreiheit ergeben. Ich denke es lie|e sich zeigen,
da| selbst legels Begriíí ·om Subjekt noch aporetisch ausíällt und da| sich
mit lolderlins Gedanken ·om \echsel besserer, nur ihm selbst nicht
zugänglicher Sinn ·erbinden lä|t. \ill man aber nur auíklären, was
legel und lolderlin ·erband und trennte, so mu| die Sache eben selbst
dahingestellt sein, - ob nämlich legel die Macht des Geistes, in einem
Ganzen zu sich zu kommen, so rühmen duríte, wie er es beim Antritt in
Berlin tat, oder ob die Philosophie nur tun kann, was lolderlin in
seinem spätesten theoretischen 1ext der Sprache des Sophokles zutraute:
»Des Menschen Verstand, als unter Undenkbarem wandelnd, zu
objekti·ieren«.

Noch immer ist dem Geist die Mühe nicht erspart, die
legel wie lolderlin íür sein \esen hielten, und der sie sich, Vorbild
gebend durch Lrnst und Inspiration, unterzogen:
Philosophische Lntwicklungsgeschichte hat im Unterschied zur
archi·arischen die Absicht, íür eine historisch gewordene Philosophie
eigentümliche L·idenzen und Kriterien der Kritik zu lieíern: Sie will
die Uberlegungen und die Moti·e rekonstruieren, die einen
Philosophen ·eranla|t haben, seine 1heorie zu entwickeln. Auí diese
\eise will sie uns íähig machen, sein Denken nicht nur wie ein íertig
·orliegendes System ·on Aussagen zu sehen, das der Analyse bedarí,
sondern als eine Antwort auí bestimmte lragestellungen in einer
meist sehr komplexen Konstellation ·on Problemen. In den
wichtigsten klassischen lällen, denen ·on Platon, Aristoteles
SL IPSAM COGNOSCLRL.
28

41

1 Karl Rosenkranz, Ceorg !i t bet v íri eari c b íeget . íebev, 1º1², Neudruck Darmstadt 1963.
2¯ StA V, S. 266. 2 \ilhelm Dilthey, Die ]vgevage.cbicbte íeget., 1906, in: Gesammel t e \erke, Band IV.
28 ´avt t . !e r/e , ed. l. Glockner, Bd. 1g, S. 685, St ut tgart 1959. 3 Die beste Ubersicht über die Literatur íindet man bei Carmelo Lacorte, ít ¡rivo íeget, lirenze 1961.
40
listorische Voraussetzungen
·on legels System
wie auch nur legels allgemeinste Aussagen klar und ·erständlich bleiben
konnen, wenn dieser Zusammenhang ·erschüttet wird. Vor der
lrankíurter Begegnung mit lolderlin war legel ein Kritiker der Kirche
und ein Analytiker historischer und politischer Verhältnisse im Bund mit
der Gironde. Im Anschlu| an lolderlin vva im Absto| ·on ihm ist er zum
Philosophen seiner Lpoche geworden.
Seit Rosenkranz seine Biographie
1
·eroííentlicht hatte, ist legels Philosophie
Gegenstand ·on historischen Untersuchungen gewesen. Diltheys
monumentales \erk
2
über legels Leben, das dem Interesse an legel am
Lnde des Neukantianismus neue Impulse gab, machte auch den Aníang
einer langen Reihe ·on entwicklungsgeschichtlichen Arbeiten.
3
Sie alle haben
es sich zur Auígabe gestellt, das ·Secret oí legel·, das die systematische
Interpretation der 1exte nicht hatte auílosen konnen, durch das
Verständnis ihrer lerkunít zu enträtseln. \ir ·erdanken dieser
lorschungsarbeit, die bald nur noch ·on Spezialisten zu übersehen sein
wird, gro|e lortschritte auí dem \eg zum angestrebten Ziel. Doch sind
wir noch weit entíernt da·on, es erreicht zu haben.
Damit ist nach \ahrheit íreilich noch gar nicht geíragt, - nicht einmal
in den Grenzen, die beide umschlossen und die sich aus dem Programm
eines Spinozismus der lreiheit ergeben. Ich denke es lie|e sich zeigen,
da| selbst legels Begriíí ·om Subjekt noch aporetisch ausíällt und da| sich
mit lolderlins Gedanken ·om \echsel besserer, nur ihm selbst nicht
zugänglicher Sinn ·erbinden lä|t. \ill man aber nur auíklären, was
legel und lolderlin ·erband und trennte, so mu| die Sache eben selbst
dahingestellt sein, - ob nämlich legel die Macht des Geistes, in einem
Ganzen zu sich zu kommen, so rühmen duríte, wie er es beim Antritt in
Berlin tat, oder ob die Philosophie nur tun kann, was lolderlin in
seinem spätesten theoretischen 1ext der Sprache des Sophokles zutraute:
»Des Menschen Verstand, als unter Undenkbarem wandelnd, zu
objekti·ieren«.

Noch immer ist dem Geist die Mühe nicht erspart, die
legel wie lolderlin íür sein \esen hielten, und der sie sich, Vorbild
gebend durch Lrnst und Inspiration, unterzogen:
Philosophische Lntwicklungsgeschichte hat im Unterschied zur
archi·arischen die Absicht, íür eine historisch gewordene Philosophie
eigentümliche L·idenzen und Kriterien der Kritik zu lieíern: Sie will
die Uberlegungen und die Moti·e rekonstruieren, die einen
Philosophen ·eranla|t haben, seine 1heorie zu entwickeln. Auí diese
\eise will sie uns íähig machen, sein Denken nicht nur wie ein íertig
·orliegendes System ·on Aussagen zu sehen, das der Analyse bedarí,
sondern als eine Antwort auí bestimmte lragestellungen in einer
meist sehr komplexen Konstellation ·on Problemen. In den
wichtigsten klassischen lällen, denen ·on Platon, Aristoteles
SL IPSAM COGNOSCLRL.
28

41

1 Karl Rosenkranz, Ceorg !i t bet v íri eari c b íeget . íebev, 1º1², Neudruck Darmstadt 1963.
2¯ StA V, S. 266. 2 \ilhelm Dilthey, Die ]vgevage.cbicbte íeget., 1906, in: Gesammel t e \erke, Band IV.
28 ´avt t . !e r/e , ed. l. Glockner, Bd. 1g, S. 685, St ut tgart 1959. 3 Die beste Ubersicht über die Literatur íindet man bei Carmelo Lacorte, ít ¡rivo íeget, lirenze 1961.
40
und Kant, hat es sich erwiesen, da| nur auí diesem \ege der
eigentümliche Sinn ihrer wichtigsten Lehren sicher íestgestellt und diesseits
·on Kontro·ersen der Deutung zur Diskussion gebracht werden kann.
Die Kritik der reinen Vernunít erschien 1¯81. Als legel die Uni·ersität
bezog, war die Diskussion über die neue kritische Philosophie beinahe auí
ihrem lohepunkt angelangt. lichtes \issenschaítslehre wurde 1¯94
publiziert. Aber schon wenige Monate später ·eroííentlichte Schelling eine
Schriít, in der er íichtes Position überbieten wollte. Und 1¯9¯ schrieb
legel 1exte nieder, die Kant und lichte gleicherma|en einer ·orläuíigen
und ungenügenden 1heorie der lreiheit ziehen. Man hat sich wohl zu wenig
darüber gewundert, wie es moglich war, da| nach nur íünízehn Jahren
eine Gruppe junger íreunde sich anschicken konnte, die ganze
Auímerksamkeit einer philosophischen Schule auí sich zu ziehen, die Kant ge-
gründet hatte, - während wichtige \erke Kants noch nicht einmal
erschienen waren. Dieser Umstand bedarí einer Lrklärung, die nur aus
den Moti·en der 1exte und aus den Zusammenhängen gegeben
werden kann, in denen sie entstanden. Ihre Gedanken würden zwar
·erständlich machen, ,la| sie überhaupt geschrieben wurden, nicht aber,
da| dies so schnell und selbstsicher und in dem Bewu|tsein geschah,
un·ermeidlich im Sinne der ·on Kant gelegten Grundlagen zu sein.
Lríolgreich kann dieses Veríahren nur sein, wenn es gelingt, Grundbegriííe
und Grundpositionen eines Autors nicht als gegeben hinzunehmen,
sondern mit ihm selbst als Lntdeckungen nachzu·ollziehen. Die meisten
entwicklungsgeschichtlichen Arbeiten, zum Beispiel zu Kant, ·eríehlen ihr
Ziel, weil sie ·on dem, was sie ·erständlich machen wollen, implizit
ausgehen und sich somit im Zirkel und in 1autologien bewegen.
Schwerer, als es scheint, lä|t sich dieser lehler ·ermeiden. Ist es doch ein
allgemeines Gesetz der Lrinnerung, das Vergangene nur noch im
Zusammenhang mit den lolgen ·orstellen zu konnen, die es gehabt
hat. Da·on mu| sich die Lntwicklungsgeschichte gerade in den lällen
beíreien, in denen die lolgen die bedeutendsten gewesen sind.
Im lalle ·on legels Lntwicklungsgeschichte ergeben sich weitere,
besondere Schwierigkeiten. Sein Denken ist nicht das Resultat einer
ruhigen, akademischen Arbeit, das - wie im lalle Kants - nach ·ielen
Jahrzehnten einsamer Anstrengung erreicht wurde. Seine Lntstehung lä|t
sich gar nicht isoliert betrachten, da sie sich in der Nähe bedeutender
lreunde und im täglichen Umgang mit ihnen ·ollzog. Ohne deren \eg
genau zu kennen, lä|t sich der \eg legels nicht angemessen ·erstehen.
Sie alle gehorten zudem einer Zeit re·olutionärer Lreignisse an, in Politik
und Gesellschaít ebenso wie im Bewu|tsein und im Denken. Und sie
·erstanden sich selbst als Seismographen dieses Geschehens und ihre Arbeit
als Beiträge zu seiner Vollendung. lür ihre Lntwicklungsgeschichte ist
deshalb die Kenntnis einer historischen Konstellation ·on Lreignissen und
Problemen in hoherem Ma| und in gro|erem Umíang ·on Bedeutung als
im lalle Kants, - ·ergleichbar der, die wir im lalle Platons eigentlich
benotigen würden, ohne sie noch erlangen zu konnen.
Im lolgenden mochte ich einige Zusammenhänge bekannt machen, die íür
ein solches Verständnis der Lntstehungsgeschichte ·on legels Denken
wesentlich sind. Als sich legel zusammen mit seinen lreunden dem
Kantianismus anschlo|, geschah das unter den besonderen
Voraussetzungen ihrer Studien in 1übingen und der Diskussionen ihrer
älteren Kollegen im 1übinger Stiít. Die Lage in der 1heologie ihrer Zeit
und ihrer Uni·ersität hat ihre Aníänge zu einem wesentlichen 1eil
bestimmt. Die ursprüngliche Richtung und die ersten Veränderungen ·on
legels kritischer 1heorie der Religion, die wir in seinen Jugendschriíten
kennenlernen, auch der Grad der Originalität seiner Analysen, lä|t sich
nur aus diesen Zusammenhängen beurteilen.
Ls ·ersteht sich, da| sie hier nur in der lorm einer Skizze

42 43
und Kant, hat es sich erwiesen, da| nur auí diesem \ege der
eigentümliche Sinn ihrer wichtigsten Lehren sicher íestgestellt und diesseits
·on Kontro·ersen der Deutung zur Diskussion gebracht werden kann.
Die Kritik der reinen Vernunít erschien 1¯81. Als legel die Uni·ersität
bezog, war die Diskussion über die neue kritische Philosophie beinahe auí
ihrem lohepunkt angelangt. lichtes \issenschaítslehre wurde 1¯94
publiziert. Aber schon wenige Monate später ·eroííentlichte Schelling eine
Schriít, in der er íichtes Position überbieten wollte. Und 1¯9¯ schrieb
legel 1exte nieder, die Kant und lichte gleicherma|en einer ·orläuíigen
und ungenügenden 1heorie der lreiheit ziehen. Man hat sich wohl zu wenig
darüber gewundert, wie es moglich war, da| nach nur íünízehn Jahren
eine Gruppe junger íreunde sich anschicken konnte, die ganze
Auímerksamkeit einer philosophischen Schule auí sich zu ziehen, die Kant ge-
gründet hatte, - während wichtige \erke Kants noch nicht einmal
erschienen waren. Dieser Umstand bedarí einer Lrklärung, die nur aus
den Moti·en der 1exte und aus den Zusammenhängen gegeben
werden kann, in denen sie entstanden. Ihre Gedanken würden zwar
·erständlich machen, ,la| sie überhaupt geschrieben wurden, nicht aber,
da| dies so schnell und selbstsicher und in dem Bewu|tsein geschah,
un·ermeidlich im Sinne der ·on Kant gelegten Grundlagen zu sein.
Lríolgreich kann dieses Veríahren nur sein, wenn es gelingt, Grundbegriííe
und Grundpositionen eines Autors nicht als gegeben hinzunehmen,
sondern mit ihm selbst als Lntdeckungen nachzu·ollziehen. Die meisten
entwicklungsgeschichtlichen Arbeiten, zum Beispiel zu Kant, ·eríehlen ihr
Ziel, weil sie ·on dem, was sie ·erständlich machen wollen, implizit
ausgehen und sich somit im Zirkel und in 1autologien bewegen.
Schwerer, als es scheint, lä|t sich dieser lehler ·ermeiden. Ist es doch ein
allgemeines Gesetz der Lrinnerung, das Vergangene nur noch im
Zusammenhang mit den lolgen ·orstellen zu konnen, die es gehabt
hat. Da·on mu| sich die Lntwicklungsgeschichte gerade in den lällen
beíreien, in denen die lolgen die bedeutendsten gewesen sind.
Im lalle ·on legels Lntwicklungsgeschichte ergeben sich weitere,
besondere Schwierigkeiten. Sein Denken ist nicht das Resultat einer
ruhigen, akademischen Arbeit, das - wie im lalle Kants - nach ·ielen
Jahrzehnten einsamer Anstrengung erreicht wurde. Seine Lntstehung lä|t
sich gar nicht isoliert betrachten, da sie sich in der Nähe bedeutender
lreunde und im täglichen Umgang mit ihnen ·ollzog. Ohne deren \eg
genau zu kennen, lä|t sich der \eg legels nicht angemessen ·erstehen.
Sie alle gehorten zudem einer Zeit re·olutionärer Lreignisse an, in Politik
und Gesellschaít ebenso wie im Bewu|tsein und im Denken. Und sie
·erstanden sich selbst als Seismographen dieses Geschehens und ihre Arbeit
als Beiträge zu seiner Vollendung. lür ihre Lntwicklungsgeschichte ist
deshalb die Kenntnis einer historischen Konstellation ·on Lreignissen und
Problemen in hoherem Ma| und in gro|erem Umíang ·on Bedeutung als
im lalle Kants, - ·ergleichbar der, die wir im lalle Platons eigentlich
benotigen würden, ohne sie noch erlangen zu konnen.
Im lolgenden mochte ich einige Zusammenhänge bekannt machen, die íür
ein solches Verständnis der Lntstehungsgeschichte ·on legels Denken
wesentlich sind. Als sich legel zusammen mit seinen lreunden dem
Kantianismus anschlo|, geschah das unter den besonderen
Voraussetzungen ihrer Studien in 1übingen und der Diskussionen ihrer
älteren Kollegen im 1übinger Stiít. Die Lage in der 1heologie ihrer Zeit
und ihrer Uni·ersität hat ihre Aníänge zu einem wesentlichen 1eil
bestimmt. Die ursprüngliche Richtung und die ersten Veränderungen ·on
legels kritischer 1heorie der Religion, die wir in seinen Jugendschriíten
kennenlernen, auch der Grad der Originalität seiner Analysen, lä|t sich
nur aus diesen Zusammenhängen beurteilen.
Ls ·ersteht sich, da| sie hier nur in der lorm einer Skizze

42 43
·orgetragen werden konnen. Deren Ausíührung mu| gro|eren Arbeiten
überlassen bleiben, in denen auch die Quellen mitgeteilt werden sollen,
welche der Skizze zugrunde liegen. Die wichtigsten dieser Quellen, die
bisher unbekannt waren, sind i. Manuskripte und Brieíe des Repetenten
Immanuel Diez ,1¯89-92,, 2. Schellings ungedruckte theologische und
philosophische lrühschriíten ; 1¯92,3,, 3. ein systematisches Manuskript ·on
lolderlins und legels lreund Sinclair ,1¯95,6,.

1. Rousseau und Kants Moraltheologie
Jean Jacques Rousseaus 1heorie der Religion ist sowohl íür Kants, wie auch
íür legels philosophische Lntwicklung ·on gro|er Bedeutung gewesen.
Kant hat seine Moraltheologie, die zum \erkzeug einer umíassenden
Kritik der 1heologie geworden ist, unter dem Lindruck ·on Rousseau
entwickelt. Und die \eise, in der legel diese Moraltheologie rezipierte,
war wiederum unmittelbar durch Rousseau bestimmt. legel ·erehrte
dessen \erke ebensosehr wie den philosophischen Lehrmeister Kant.
Neben Kant ist Rousseaus Linílu| auí legels írühe 1exte bei weitem der
bedeutendste.
Rousseau hatte Descartes' Kriterium der L·idenz ins Subjekti·e gewendet:
Alles das mu| als unmittelbar einleuchtend gelten, dem wir in ·der
Auírichtigkeit des lerzens· unsere Zustimmung nicht ·ersagen konnen.
So kann auch religiose Gewi|heit nur durch eine Vergewisserung über das
erlangt werden, was in unserem Bewu|tsein ·on uns selbst gegeben und
·on ihm unabtrennbar ist. Religion, die sich auí äu|ere Zeugnisse stützt,
ist also ebenso bodenlos wie die Religionskritik der Lnzyklopädisten, die
nur solche äu|eren Beweise angreiít und meint, damit die Uberzeugungen
des menschlichen lerzens ,conscience, entkräíten zu konnen. Nun
gehort zu unserer Selbsteríahrung, da| wir Schuldgeíühle und Ge-
wissensbisse über unrechtes 1un empíinden. Sie schlie|en die Uberzeugung
ein, da| wir íreie \esen sind und unter Geboten stehen, die wir eríüllen
konnen. Selbstgewi|heit und lreiheitsbewu|tsein sind also ·oneinander
untrennbar.
45

4

Ls erheben sich aber Linreden gegen die Uberzeugung ·on der Realität
dieser lreiheit, die sich auí Beobachtungen und Uberlegungen stützen,
welche jedermanns Vernunít anstellen kann und mu|. Zum einen: In der
Selbstgewi|heit ·on Gewissen und lreiheit ·erbindet sich mit dem
Auíruí zu sittlichem Verhalten auch eine Verhei|ung: ·Sei gerecht und du
wirst glücklich sein·. Rousseau hort sie mit der gleichen Klarheit in sich
selbst, mit der er die Gewissensbisse über getanes Unrecht empíindet.
Lrwägt man aber den gegenwärtigen Zustand der Dinge, so wird man
nichts íinden, was diese Verhei|ung eríüllt. Der Gute hat nicht mit
Lohn, sondern mit Opíern zu rechnen. Aus dieser Beobachtung kann der
Zweiíel entstehen, ob jene Verhei|ung täuscht. Ist das aber der lall, so
mu| auch ·ermutet werden, das Ideal der 1ugend, mit dem die
Verhei|ung ·erbunden ist, sei ein íalsches Ideal. Zum anderen: Die
Lríahrung des Guten im Gewissen steht im \iderstreit zu den Prinzipien
der Vernunít, welche unser Verhalten in der \elt nach Regeln der Klugheit
lenkt. Unser Gewissen íordert uns auí, allgemeine Interessen unter
Zurückstellung der eigenen zu íordern. Unsere Vernunít lehrt uns, wie
wir am besten unsere eigenen Interessen wahrnehmen konnen. Jenseits des
Gewissens gibt es keine L·idenz íür die Lxistenz einer Ordnung, íür die
das allgemeine Interesse letzter Zweck ist. Die Ordnung der Vernunít íür
sich allein íührt alles auí den jeweils Linzelnen zurück.
Rousseau tritt beiden Zweiíelsgründen mit dem L·idenzprinzip
entgegen, demzuíolge Selbstgewi|heit oberste Quelle aller
Gewi|heit ist: Da ich mich sicher als írei wei|, kann ich auch
sicher sein, da| alles das wirklich ist, was die Zweiíels-

4 In dieser Skizze ·erzichte ich auí die Angabe der Quellen, die sich ·or allem im ívite
íinden.

44
·orgetragen werden konnen. Deren Ausíührung mu| gro|eren Arbeiten
überlassen bleiben, in denen auch die Quellen mitgeteilt werden sollen,
welche der Skizze zugrunde liegen. Die wichtigsten dieser Quellen, die
bisher unbekannt waren, sind i. Manuskripte und Brieíe des Repetenten
Immanuel Diez ,1¯89-92,, 2.  Schellings ungedruckte theologische und
philosophische lrühschriíten  1¯92,3,, 3. ein systematisches Manuskript ·on
lolderlins und legels lreund Sinclair ,1¯95,6,.

1. Rousseau und Kants Moraltheologie
Jean Jacques Rousseaus 1heorie der Religion ist sowohl íür Kants, wie auch
íür legels philosophische Lntwicklung ·on gro|er Bedeutung gewesen.
Kant hat seine Moraltheologie, die zum \erkzeug einer umíassenden
Kritik der 1heologie geworden ist, unter dem Lindruck ·on Rousseau
entwickelt. Und die \eise, in der legel diese Moraltheologie rezipierte,
war wiederum unmittelbar durch Rousseau bestimmt. legel ·erehrte
dessen \erke ebensosehr wie den philosophischen Lehrmeister Kant.
Neben Kant ist Rousseaus Linílu| auí legels írühe 1exte bei weitem der
bedeutendste.
Rousseau hatte Descartes' Kriterium der L·idenz ins Subjekti·e gewendet:
Alles das mu| als unmittelbar einleuchtend gelten, dem wir in ·der
Auírichtigkeit des lerzens· unsere Zustimmung nicht ·ersagen konnen.
So kann auch religiose Gewi|heit nur durch eine Vergewisserung über das
erlangt werden, was in unserem Bewu|tsein ·on uns selbst gegeben und
·on ihm unabtrennbar ist. Religion, die sich auí äu|ere Zeugnisse stützt,
ist also ebenso bodenlos wie die Religionskritik der Lnzyklopädisten, die
nur solche äu|eren Beweise angreiít und meint, damit die Uberzeugungen
des menschlichen lerzens ,conscience, entkräíten zu konnen. Nun
gehort zu unserer Selbsteríahrung, da| wir Schuldgeíühle und Ge-
wissensbisse über unrechtes 1un empíinden. Sie schlie|en die Uberzeugung
ein, da| wir íreie \esen sind und unter Geboten stehen, die wir eríüllen
konnen. Selbstgewi|heit und lreiheitsbewu|tsein sind also ·oneinander
untrennbar.
45

4

Ls erheben sich aber Linreden gegen die Uberzeugung ·on der Realität
dieser lreiheit, die sich auí Beobachtungen und Uberlegungen stützen,
welche jedermanns Vernunít anstellen kann und mu|. Zum einen: In der
Selbstgewi|heit ·on Gewissen und lreiheit ·erbindet sich mit dem
Auíruí zu sittlichem Verhalten auch eine Verhei|ung: ·Sei gerecht und du
wirst glücklich sein·. Rousseau hort sie mit der gleichen Klarheit in sich
selbst, mit der er die Gewissensbisse über getanes Unrecht empíindet.
Lrwägt man aber den gegenwärtigen Zustand der Dinge, so wird man
nichts íinden, was diese Verhei|ung eríüllt. Der Gute hat nicht mit
Lohn, sondern mit Opíern zu rechnen. Aus dieser Beobachtung kann der
Zweiíel entstehen, ob jene Verhei|ung täuscht. Ist das aber der lall, so
mu| auch ·ermutet werden, das Ideal der 1ugend, mit dem die
Verhei|ung ·erbunden ist, sei ein íalsches Ideal. Zum anderen: Die
Lríahrung des Guten im Gewissen steht im \iderstreit zu den Prinzipien
der Vernunít, welche unser Verhalten in der \elt nach Regeln der Klugheit
lenkt. Unser Gewissen íordert uns auí, allgemeine Interessen unter
Zurückstellung der eigenen zu íordern. Unsere Vernunít lehrt uns, wie
wir am besten unsere eigenen Interessen wahrnehmen konnen. Jenseits des
Gewissens gibt es keine L·idenz íür die Lxistenz einer Ordnung, íür die
das allgemeine Interesse letzter Zweck ist. Die Ordnung der Vernunít íür
sich allein íührt alles auí den jeweils Linzelnen zurück.
Rousseau tritt beiden Zweiíelsgründen mit dem L·idenzprinzip
entgegen, demzuíolge Selbstgewi|heit oberste Quelle aller
Gewi|heit ist: Da ich mich sicher als írei wei|, kann ich auch
sicher sein, da| alles das wirklich ist, was die Zweiíels-

4 In dieser Skizze ·erzichte ich auí die Angabe der Quellen, die sich ·or allem im 
íinden.

44
gründe der \eltklugheit und der berechnenden Vernunít hiníällig macht.
\ird die Verhei|ung des Glücks in diesem Leben nicht eríüllt, so mu| es
ein anderes Leben geben, in dem eríüllt wird, was ·ersprochen ward. Und
wenn die Vernunít ·on sich aus nur die Ordnung kennt, in der jeder seinem
Interesse íolgt, so kann ich kraít meines Gewissens an den Garanten
einer anderen Ordnung glauben, in der das allgemeine Interesse hochster
Zweck ist. Sie wird garantiert durch ein \esen, das seit jeher ·Gott·
genannt wird. Lin Zweiíel an der Gottheit würde eine ·ernünítige
Oberzeugung ·on der Lxistenz des Guten unmoglich machen. Ist sie
wirklich, so sind aber Vernunít und Gewissen in Obereinstimmung. Also
konnen wir an Gottes Dasein nicht zweiíeln. \ir konnen es ebensowenig,
wie uns unser eigenes Dasein als íreier \esen zweiíelhaít sein kann. So
setzt die Selbstgewi|heit den Zweiíeln aus \elteríahrung und
berechnender Vernunít solche Sätze entgegen, welche die Annahme
erlauben, da| sittliche Ideale keine Illusionen sind. Sie ist zugleich der
Grund ·on der Gewi|heit der \ahrheit dieser Sätze.
46

Kant ist ·on dieser 1heorie tieí beeindruckt worden. Mehrmals hat er
Rousseaus Dictum zitiert: »\enn die Gottheit nicht existiert, so hat nur
der Bose ein Vernunítrecht, der Gute ist ein Verrückter«.
5
Lr hat ihn
·on der Moglichkeit überzeugt, eine philosophische 1heologie allein
auí der Grundlage der Lthik auízubauen. Lr konnte diesen Auíbau selbst
allerdings nicht ·on Rousseau übernehmen. \o Rousseau sich auí
L·idenzen des Gewissens berieí, mu|te der 1heoretiker der praktischen
Vernunít die lolgerungen explizieren, aus denen sich solche L·idenzen
herstellen: da| der Gute Glück ·erdient und da| nur Gott die
Realität einer sittlichen Ordnung garantieren kann.
Kants Moraltheologie erweckt den Anschein einer konsequenten,
einheitlichen 1heorie. So ist sie insbesondere ·on den
Zeitgenossen gesehen worden, die dazu neigten, sich ihrer
als \aííe der Kritik gegen die überlieíerte 1heologie zu bedienen. In
\ahrheit ist sie aber selbst nur historisch zu betrachten, - als eine lange
lolge zuletzt ·ergeblicher Versuche, Rousseaus Lehren ein sicheres
theoretisches lundament und einen íolgerichtigen Ausdruck zu geben.
Als Kants Schüler begannen, die Moraltheologie in der Kritik anzuwenden,
war Kant mit ihr selbst noch keineswegs ins Reine gekommen. In den
\erken, die er bereits publiziert hatte, war sie in zumindest zwei ganz
und gar ·oneinander ·erschiedenen lormen zu íinden. 1¯93 bot er in seiner
Schriít über aie Retigiov ivverbatb aer Crev¸ev aer bto;ev 1ervvvft eine neue Version an, diesmal
sogar mit dem beiläuíigen Lingeständnis der Unsicherheit.
6
Dieser Umstand
hat die Auínahme seiner Moraltheologie zunächst keineswegs behindert. So
wie Rousseau ehedem Kant schon durch seine allgemeine, noch nicht
explizierte Idee überzeugt hatte, so überzeugte nun Kant mehr durch die
Idee, alle Religion ganz und gar der lreiheit zu subordinieren, als durch
die Argumente, mit denen er die Grundartikel der ·ernünítigen Religion
aus dem lreiheitsbewu|tsein herleitete. Aber solche Unklarheit enthielt íür
die Zukunít Moglichkeiten zu einer Kritik der 1heorie und auch
Moglichkeiten, sie in einer \eise anzuwenden, die den Absichten Rousseaus
und Kants gleicherma|en entgegenlieí. Mit ihnen sahen sich die jungen
1übinger Kantianer zu ihrer Uberraschung konírontiert.
Rousseau hatte die Gewi|heit ·on Gott und Unsterblichkeit einzig aus der
Notwendigkeit gewonnen, die Gewi|heit ·on der Realität sittlicher Ideale
gegen Zweiíelsgründe zu ·erteidigen. Die Kraít der Uberzeugung, da|
Gutes getan werden soll, ist stark genug, auch die Uberzeugung ·on der
Lxistenz der Voraussetzungen zu bewirken, die gegeben sein müssen, wenn
das Sittlich-Gute keine Illusion ist.



6 Retigiov ivverbatb aer Crev¸ev aer bto;ev 1ervvvft, gro;e .vver/vvg ¸vr 1orreae aer er.tev .vftage: »Den
Schlüssel zur Auílosung dieser Auígabe, so·iel ich da·on einzusehen glaube |. . . |. «
5 Refte·iov 4256, 43¯5
gründe der \eltklugheit und der berechnenden Vernunít hiníällig macht.
\ird die Verhei|ung des Glücks in diesem Leben nicht eríüllt, so mu| es
ein anderes Leben geben, in dem eríüllt wird, was ·ersprochen ward. Und
wenn die Vernunít ·on sich aus nur die Ordnung kennt, in der jeder seinem
Interesse íolgt, so kann ich kraít meines Gewissens an den Garanten
einer anderen Ordnung glauben, in der das allgemeine Interesse hochster
Zweck ist. Sie wird garantiert durch ein \esen, das seit jeher ·Gott·
genannt wird. Lin Zweiíel an der Gottheit würde eine ·ernünítige
Oberzeugung ·on der Lxistenz des Guten unmoglich machen. Ist sie
wirklich, so sind aber Vernunít und Gewissen in Obereinstimmung. Also
konnen wir an Gottes Dasein nicht zweiíeln. \ir konnen es ebensowenig,
wie uns unser eigenes Dasein als íreier \esen zweiíelhaít sein kann. So
setzt die Selbstgewi|heit den Zweiíeln aus \elteríahrung und
berechnender Vernunít solche Sätze entgegen, welche die Annahme
erlauben, da| sittliche Ideale keine Illusionen sind. Sie ist zugleich der
Grund ·on der Gewi|heit der \ahrheit dieser Sätze.
46

Kant ist ·on dieser 1heorie tieí beeindruckt worden. Mehrmals hat er
Rousseaus Dictum zitiert: »\enn die Gottheit nicht existiert, so hat nur
der Bose ein Vernunítrecht, der Gute ist ein Verrückter«.
5
Lr hat ihn
·on der Moglichkeit überzeugt, eine philosophische 1heologie allein
auí der Grundlage der Lthik auízubauen. Lr konnte diesen Auíbau selbst
allerdings nicht ·on Rousseau übernehmen. \o Rousseau sich auí
L·idenzen des Gewissens berieí, mu|te der 1heoretiker der praktischen
Vernunít die lolgerungen explizieren, aus denen sich solche L·idenzen
herstellen: da| der Gute Glück ·erdient und da| nur Gott die
Realität einer sittlichen Ordnung garantieren kann.
Kants Moraltheologie erweckt den Anschein einer konsequenten,
einheitlichen 1heorie. So ist sie insbesondere ·on den
Zeitgenossen gesehen worden, die dazu neigten, sich ihrer
als \aííe der Kritik gegen die überlieíerte 1heologie zu bedienen. In
\ahrheit ist sie aber selbst nur historisch zu betrachten, - als eine lange
lolge zuletzt ·ergeblicher Versuche, Rousseaus Lehren ein sicheres
theoretisches lundament und einen íolgerichtigen Ausdruck zu geben.
Als Kants Schüler begannen, die Moraltheologie in der Kritik anzuwenden,
war Kant mit ihr selbst noch keineswegs ins Reine gekommen. In den
\erken, die er bereits publiziert hatte, war sie in zumindest zwei ganz
und gar ·oneinander ·erschiedenen lormen zu íinden. 1¯93 bot er in seiner
Schriít über aie Retigiov ivverbatb aer Crev¸ev aer bto;ev 1ervvvft eine neue Version an, diesmal
sogar mit dem beiläuíigen Lingeständnis der Unsicherheit.
6
Dieser Umstand
hat die Auínahme seiner Moraltheologie zunächst keineswegs behindert. So
wie Rousseau ehedem Kant schon durch seine allgemeine, noch nicht
explizierte Idee überzeugt hatte, so überzeugte nun Kant mehr durch die
Idee, alle Religion ganz und gar der lreiheit zu subordinieren, als durch
die Argumente, mit denen er die Grundartikel der ·ernünítigen Religion
aus dem lreiheitsbewu|tsein herleitete. Aber solche Unklarheit enthielt íür
die Zukunít Moglichkeiten zu einer Kritik der 1heorie und auch
Moglichkeiten, sie in einer \eise anzuwenden, die den Absichten Rousseaus
und Kants gleicherma|en entgegenlieí. Mit ihnen sahen sich die jungen
1übinger Kantianer zu ihrer Uberraschung konírontiert.
Rousseau hatte die Gewi|heit ·on Gott und Unsterblichkeit einzig aus der
Notwendigkeit gewonnen, die Gewi|heit ·on der Realität sittlicher Ideale
gegen Zweiíelsgründe zu ·erteidigen. Die Kraít der Uberzeugung, da|
Gutes getan werden soll, ist stark genug, auch die Uberzeugung ·on der
Lxistenz der Voraussetzungen zu bewirken, die gegeben sein müssen, wenn
das Sittlich-Gute keine Illusion ist.



6 Retigiov ivverbatb aer Crev¸ev aer bto;ev 1ervvvft, gro;e .vver/vvg ¸vr 1orreae aer er.tev .vftage: »Den
Schlüssel zur Auílosung dieser Auígabe, so·iel ich da·on einzusehen glaube |. . . |. «
5 Refte·iov 4256, 43¯5
Kants írühe Moraltheologie hat nun gerade an diesem Gedanken
Rousseaus nicht íesthalten konnen. Sie beruht auí íolgender Uberlegung:
Nicht ein Geíühl, sondern eine allgemeine Regel der Vernunít liegt unserem
sittlichen Bewu|tsein zugrunde. Sie bewirkt, da| in unser sinnlich moti·iertes
Streben eine Ordnung kommt, die ihm selbst niemals innewohnen kann.
Denn unsere Neigungen orientieren uns auí ganz heterogene Ziele, die
gar nicht zugleich erreicht oder in eine einleuchtende Vorzugsordnung
gebracht werden konnen. Sie sind nur äu|erlich unter dem
widersprüchlichen Ideal der Glückseligkeit zusammengeía|t. Jeder setzt
jederzeit sein Glück in jeweils etwas anderes. - Ist nun die Vernunít Ord-
nungstnacht íür das Glücksstreben, so hat sie auch eine Beziehung auí
Glückseligkeit. Sie ist die Bedingung íür einen sinn·ollen Begriíí ·om
Glück. Als solche sollte sie aber auch, íür den lall der Lríüllung der
Bedingung, künítiges Glück ·erhei|en konnen. Mit diesem Gedanken
leitet die Grundlegung der Lthik über in die Moraltheologie.
Kant ist zunächst der Meinung gewesen, da| sich nur so ·erstehen lä|t,
wieso wir mit unserer Vernunít allen unseren sinnlichen Moti·ationen
\iderstand leisten konnen: Obgleich sie unser Glücks·erlangen zunächst
einschränkt, gibt sie uns doch zugleich die einzig begründete loíínung auí
wahres Glück. Und ohne diese loíínung würde das Sittengesetz zwar ein
Gegenstand des Beiíalls und der Bewunderung sein, niemals aber die
Grundlage zu wirklichem landeln werden.
¯

Die Schwächen dieser 1heorie, die sich noch in der Kriti/ aer reivev 1ervvvft
auííinden lä|t, sind leicht nachzuweisen: Sie erlaubt keineswegs das íür die
Moraltheologie charakteristische Pathos einer reinen Autonomie. Ist doch
die Vernunít, soíern sie wirken soll, abhängig ·on der loíínung des Men-
schen auí eigenes Glück. Diese loíínung kann zudem aus der Beziehung des
Sittengesetzes auí das Glücks·erlangen, welches es ordnet, nicht
·ollständig abgeleitet werden. Die Lríüllung einer Vorbedingung, die so
oííenbar nicht hinreichend ist, ist weder eine Verhei|ung noch gar ein
Grund íür die Gewi|heit ·on deren Lríüllung. So mu| also die prak-
tische Vernunít, auí der Suche nach hinreichender Moti·ationskraít íür ihr
Gesetz, zu Strategien der Uberredung Zuílucht nehmen. Die ·age Aussicht
auí Glück nach Lríüllung seiner ·ernünítigen Vorbedingungen soll dazu
bewegen, sich der Vorbedingung zu unterweríen. \er diesen Zusammen-
hang durchschaut, konnte gut daran tun, auí ·ernünítig geordnetes
Glück zu ·erzichten. Damit würde er auch der unbequemen sittlichen
lorderung entkommen und konsequent dabeibleiben konnen, irdische
lragmente ·on Genu| und reichem Leben zu erkämpíen. Kant hat später
selbst bekannt, da| sich seine írühe 1heorie in \idersprüchen ·eríängt
und die Autonomie der Vernunít mit 1echniken der Selbstüberredung
kompromittiert.
8

Seine reiíe 1heorie, die man in der Kriti/ aer ¡ra/ti.cbev 1ervvvft und der
Kriti/ aer |rteit./raft íindet, hat eine einleuchtendere lorm: Das
Sittengesetz gebietet uns, unseren Mitmenschen nach Ma|gabe ihrer
\ürdigkeit zu helíen und dazu beizutragen da| ein Zustand in der \elt
entsteht in dem es nicht mehr dem Guten schlecht ergeht, während der
Lasterhaíte alle Glücksgüter erntet. \ir konnen aber nicht meinen,
einen solchen Zustand allein aus eigener Kraít schaííen zu konnen.
\äre der \eltlauí ·on einer Art, da| in ihm Naturgesetze zugunsten
des Bosen wirken, so würden wir unseren sittlichen \illen umsonst
anstrengen. Das Ziel, das zu ·eríolgen uns geboten ist, wäre imaginär.
Die Vermutung, da| es sich wirklich so ·erhält, kann durch Beo-
bachtungen gestützt werden. Niemand kann aber konsequent bei einem

49

¯ Kriti/ aer reivev 1ervvvft ß 841, weitere Nachweise in Ví. Der ßegriff aer .ittticbev íiv.icbt vva
Kavt. íebre rov ía/tvv aer 1ervvvft, in: Die Cegevrart aer Criecbev iv veverev Dev/ev, 1übingen
1960.


8 Ref te·iov 6432, Crvvategvvg ¸vr Meta¡b,.i/ aer ´ittev AA. S. 450
48
Kants írühe Moraltheologie hat nun gerade an diesem Gedanken
Rousseaus nicht íesthalten konnen. Sie beruht auí íolgender Uberlegung:
Nicht ein Geíühl, sondern eine allgemeine Regel der Vernunít liegt unserem
sittlichen Bewu|tsein zugrunde. Sie bewirkt, da| in unser sinnlich moti·iertes
Streben eine Ordnung kommt, die ihm selbst niemals innewohnen kann.
Denn unsere Neigungen orientieren uns auí ganz heterogene Ziele, die
gar nicht zugleich erreicht oder in eine einleuchtende Vorzugsordnung
gebracht werden konnen. Sie sind nur äu|erlich unter dem
widersprüchlichen Ideal der Glückseligkeit zusammengeía|t. Jeder setzt
jederzeit sein Glück in jeweils etwas anderes. - Ist nun die Vernunít Ord-
nungstnacht íür das Glücksstreben, so hat sie auch eine Beziehung auí
Glückseligkeit. Sie ist die Bedingung íür einen sinn·ollen Begriíí ·om
Glück. Als solche sollte sie aber auch, íür den lall der Lríüllung der
Bedingung, künítiges Glück ·erhei|en konnen. Mit diesem Gedanken
leitet die Grundlegung der Lthik über in die Moraltheologie.
Kant ist zunächst der Meinung gewesen, da| sich nur so ·erstehen lä|t,
wieso wir mit unserer Vernunít allen unseren sinnlichen Moti·ationen
\iderstand leisten konnen: Obgleich sie unser Glücks·erlangen zunächst
einschränkt, gibt sie uns doch zugleich die einzig begründete loíínung auí
wahres Glück. Und ohne diese loíínung würde das Sittengesetz zwar ein
Gegenstand des Beiíalls und der Bewunderung sein, niemals aber die
Grundlage zu wirklichem landeln werden.
¯

Die Schwächen dieser 1heorie, die sich noch in der Kriti/ aer reivev 1ervvvft
auííinden lä|t, sind leicht nachzuweisen: Sie erlaubt keineswegs das íür die
Moraltheologie charakteristische Pathos einer reinen Autonomie. Ist doch
die Vernunít, soíern sie wirken soll, abhängig ·on der loíínung des Men-
schen auí eigenes Glück. Diese loíínung kann zudem aus der Beziehung des
Sittengesetzes auí das Glücks·erlangen, welches es ordnet, nicht
·ollständig abgeleitet werden. Die Lríüllung einer Vorbedingung, die so
oííenbar nicht hinreichend ist, ist weder eine Verhei|ung noch gar ein
Grund íür die Gewi|heit ·on deren Lríüllung. So mu| also die prak-
tische Vernunít, auí der Suche nach hinreichender Moti·ationskraít íür ihr
Gesetz, zu Strategien der Uberredung Zuílucht nehmen. Die ·age Aussicht
auí Glück nach Lríüllung seiner ·ernünítigen Vorbedingungen soll dazu
bewegen, sich der Vorbedingung zu unterweríen. \er diesen Zusammen-
hang durchschaut, konnte gut daran tun, auí ·ernünítig geordnetes
Glück zu ·erzichten. Damit würde er auch der unbequemen sittlichen
lorderung entkommen und konsequent dabeibleiben konnen, irdische
lragmente ·on Genu| und reichem Leben zu erkämpíen. Kant hat später
selbst bekannt, da| sich seine írühe 1heorie in \idersprüchen ·eríängt
und die Autonomie der Vernunít mit 1echniken der Selbstüberredung
kompromittiert.
8

Seine reiíe 1heorie, die man in der Kriti/ aer ¡ra/ti.cbev 1ervvvft und der
Kriti/ aer |rteit./raft íindet, hat eine einleuchtendere lorm: Das
Sittengesetz gebietet uns, unseren Mitmenschen nach Ma|gabe ihrer
\ürdigkeit zu helíen und dazu beizutragen da| ein Zustand in der \elt
entsteht in dem es nicht mehr dem Guten schlecht ergeht, während der
Lasterhaíte alle Glücksgüter erntet. \ir konnen aber nicht meinen,
einen solchen Zustand allein aus eigener Kraít schaííen zu konnen.
\äre der \eltlauí ·on einer Art, da| in ihm Naturgesetze zugunsten
des Bosen wirken, so würden wir unseren sittlichen \illen umsonst
anstrengen. Das Ziel, das zu ·eríolgen uns geboten ist, wäre imaginär.
Die Vermutung, da| es sich wirklich so ·erhält, kann durch Beo-
bachtungen gestützt werden. Niemand kann aber konsequent bei einem

49

¯ Kriti/ aer reivev 1ervvvft ß 841, weitere Nachweise in Ví. Der ßegriff aer .ittticbev íiv.icbt vva
Kavt. íebre rov ía/tvv aer 1ervvvft, in: Die Cegevrart aer Criecbev iv veverev Dev/ev, 1übingen
1960.


8 Ref te·iov 6432, Crvvategvvg ¸vr Meta¡b,.i/ aer ´ittev AA. S. 450
48
landeln bleiben, dessen Ziel er íür imaginär hält. Solche \eise zu handeln
mu| ihm bald selbst als illusionär erscheinen. Nun sind wir aber kraít
unserer Vernunít ·erbunden, den lorderungen der Sittlichkeit stets zu
íolgen. Im Bewu|tsein, da| wir dabei einem notwendigen Gesetz unserer
eigenen Vernunítnatur gehorchen, ist also auch die Gewi|heit
eingeschlossen, da| unser landlungsziel nicht imaginär ist. Voraussetzung
íür einen ·ernünítigen Begriíí ·on der Realität dieses Zieles ist aber die
Annahme der Lxistenz Gottes und eines künítigen Lebens.
Mit dieser 1heorie greiít Kant oííensichtlich über seine eigenen Aníänge
hinweg auí Rousseaus Lehre zurück. Sie ist gegen die Linwände und gegen
den Mi|brauch geschützt, zu der seine erste 1heorie Anla| gab. Daíür
bringt sie aber Sittlichkeit und Glück in einen weit äu|erlicheren
Zusammenhang. \ährend dort das Sittengesetz die lorm jeder moglichen
Glückseligkeit war, ist diese jetzt nur noch, soíern sie mit Sittlichkeit
übereinstimmt, ein Llement in dem letzten Zweck, auí den wir bei allem
sittlichen landeln aus sind. \arum wir überhaupt eines solchen letzten
Zweckes bedüríen, warum es unmoglich sein soll, Gutes zu tun, ohne
dessen jeweiligen Zweck in einen Inbegriíí ·on einem Zweck zu-
sammenzuíassen, hat Kant zunächst nicht ausíührlich untersucht. 1¯93 hat
er zugegeben, da| zwischen beidem kein durchaus notwendiger
Zusammenhang besteht. Ist das aber der lall, so wird die Moraltheologie zu
einem am Lnde gar entbehrlichen Anhang einer Lthik der Autonomie.
\as als das Dilemma ·on Kants Moraltheologie in dem ·on ihm selbst
·erborgenem \iderspiel ihrer beiden Versionen angelegt ist, kam zum
oííenen Austrag zwischen den jungen Kantianern der 1übinger
Uni·ersität und ihren theologischen Lehrern, welche die Orthodoxie
gegen den Angriíí des Kantianismus ·erteidigen mu|ten. \ährend die
1heologen ·or allem mit lilíe ·on Kants erster Version die Ver-
einbarkeit ·on Moraltheologie und Orthodoxie nachzuweisen suchten,
·erzichteten Schelling und legel im Namen der Autonomie bald ganz auí
die lorm einer 1heorie des sittlichen Gottesglaubens, die Kant ihr gegeben
hatte. Die einen wollten mit Kants írüher Lehre zeigen, da| die
Autonomie des \illens ohne loíínung auí Glück zu schwach sei, um den
\illen zu bestimmen, - da| also Moralität ohne Religion vicbt. sei. Dem
stellten die jungen Kantianer die 1hese entgegen, da| die Autonomie
·ollständig sei, ohne da| die herkommlichen Begriííe ·on Gott und
Unsterblichkeit eingeíührt werden, Moralität ist atte. nur ohne diese Art ·on
Religion.

2. Kantianismus und Bibelkritik
Seit 1¯60 war auch die 1heologie in einen Proze| der Verwandlung
eingetreten. Vor allem Jacob Salomo Semler hatte das historische \erkzeug
der Bibelkritik erarbeitet. Gemä| dem Prinzip des Protestantismus, allein
·om Sinn der Schriít auszugehen, hatte er wichtige Belegstellen íür die
orthodoxe Dogmatik philologisch behandelt. lür einige ·on ihnen
glaubte er nachweisen zu konnen, da| sie im Proze| ihrer Uberlieíerung
entstellt worden sind. Auch den Zusammenhang, in dem dies geschah,
konnte er häuíig rekonstruieren. Insbesondere die ·on der griechischen
Philosophie beeinílu|ten Kirchen·äter hatten solchen Belegstellen oítmals
einen Sinn gegeben, der mit dem ursprünglichen nicht übereinkam und der
die herkommliche Dogmatik erst moglich gemacht hatte.
Ls ist leicht zu sehen, welche lolgen diese kritische Bibelexegese in einer
Zeit haben mu|te, die ohnehin dabei war, die Linsichten der Vernunít
als Kriterien des Glaubwürdigen aller moglichen Dogmatik ·oraus-
zuschicken: Sie bot die Moglichkeit, besonders ansto|igen Dogmen,
etwa in der 1rinitäts- und Satisíaktionslehre, ihre Grundlagen in der
leiligen Schriít zu entziehen. Ls schien ein Verständnis des ur-
50 51
landeln bleiben, dessen Ziel er íür imaginär hält. Solche \eise zu handeln
mu| ihm bald selbst als illusionär erscheinen. Nun sind wir aber kraít
unserer Vernunít ·erbunden, den lorderungen der Sittlichkeit stets zu
íolgen. Im Bewu|tsein, da| wir dabei einem notwendigen Gesetz unserer
eigenen Vernunítnatur gehorchen, ist also auch die Gewi|heit
eingeschlossen, da| unser landlungsziel nicht imaginär ist. Voraussetzung
íür einen ·ernünítigen Begriíí ·on der Realität dieses Zieles ist aber die
Annahme der Lxistenz Gottes und eines künítigen Lebens.
Mit dieser 1heorie greiít Kant oííensichtlich über seine eigenen Aníänge
hinweg auí Rousseaus Lehre zurück. Sie ist gegen die Linwände und gegen
den Mi|brauch geschützt, zu der seine erste 1heorie Anla| gab. Daíür
bringt sie aber Sittlichkeit und Glück in einen weit äu|erlicheren
Zusammenhang. \ährend dort das Sittengesetz die lorm jeder moglichen
Glückseligkeit war, ist diese jetzt nur noch, soíern sie mit Sittlichkeit
übereinstimmt, ein Llement in dem letzten Zweck, auí den wir bei allem
sittlichen landeln aus sind. \arum wir überhaupt eines solchen letzten
Zweckes bedüríen, warum es unmoglich sein soll, Gutes zu tun, ohne
dessen jeweiligen Zweck in einen Inbegriíí ·on einem Zweck zu-
sammenzuíassen, hat Kant zunächst nicht ausíührlich untersucht. 1¯93 hat
er zugegeben, da| zwischen beidem kein durchaus notwendiger
Zusammenhang besteht. Ist das aber der lall, so wird die Moraltheologie zu
einem am Lnde gar entbehrlichen Anhang einer Lthik der Autonomie.
\as als das Dilemma ·on Kants Moraltheologie in dem ·on ihm selbst
·erborgenem \iderspiel ihrer beiden Versionen angelegt ist, kam zum
oííenen Austrag zwischen den jungen Kantianern der 1übinger
Uni·ersität und ihren theologischen Lehrern, welche die Orthodoxie
gegen den Angriíí des Kantianismus ·erteidigen mu|ten. \ährend die
1heologen ·or allem mit lilíe ·on Kants erster Version die Ver-
einbarkeit ·on Moraltheologie und Orthodoxie nachzuweisen suchten,
·erzichteten Schelling und legel im Namen der Autonomie bald ganz auí
die lorm einer 1heorie des sittlichen Gottesglaubens, die Kant ihr gegeben
hatte. Die einen wollten mit Kants írüher Lehre zeigen, da| die
Autonomie des \illens ohne loíínung auí Glück zu schwach sei, um den
\illen zu bestimmen, - da| also Moralität ohne Religion vicbt. sei. Dem
stellten die jungen Kantianer die 1hese entgegen, da| die Autonomie
·ollständig sei, ohne da| die herkommlichen Begriííe ·on Gott und
Unsterblichkeit eingeíührt werden, Moralität ist atte. nur ohne diese Art ·on
Religion.

2. Kantianismus und Bibelkritik
Seit 1¯60 war auch die 1heologie in einen Proze| der Verwandlung
eingetreten. Vor allem Jacob Salomo Semler hatte das historische \erkzeug
der Bibelkritik erarbeitet. Gemä| dem Prinzip des Protestantismus, allein
·om Sinn der Schriít auszugehen, hatte er wichtige Belegstellen íür die
orthodoxe Dogmatik philologisch behandelt. lür einige ·on ihnen
glaubte er nachweisen zu konnen, da| sie im Proze| ihrer Uberlieíerung
entstellt worden sind. Auch den Zusammenhang, in dem dies geschah,
konnte er häuíig rekonstruieren. Insbesondere die ·on der griechischen
Philosophie beeinílu|ten Kirchen·äter hatten solchen Belegstellen oítmals
einen Sinn gegeben, der mit dem ursprünglichen nicht übereinkam und der
die herkommliche Dogmatik erst moglich gemacht hatte.
Ls ist leicht zu sehen, welche lolgen diese kritische Bibelexegese in einer
Zeit haben mu|te, die ohnehin dabei war, die Linsichten der Vernunít
als Kriterien des Glaubwürdigen aller moglichen Dogmatik ·oraus-
zuschicken: Sie bot die Moglichkeit, besonders ansto|igen Dogmen,
etwa in der 1rinitäts- und Satisíaktionslehre, ihre Grundlagen in der
leiligen Schriít zu entziehen. Ls schien ein Verständnis des ur-
50 51
sprünglichen Christentums moglich zu werden, das mit den Linsichten der
Philosophie in Ubereinstimmung war. Lin neuer Versuch der
larmonisierung ·on Vernunít und Oííenbarung in protestantischem Geiste
·ersprach besseren Lríolg als jeder ·orhergehende.
Der letzten Position kam der ehemalige 1übinger Student, der Jenenser
Proíessor Lberhard Gottlob Paulus nahe. In der Vorrede zu seiner Zeitschriít
Mevorabitiev hat er das Programm einer solchen historisch auígeklärten
1heologie prägnant zusammengeía|t.
10
Und die jungen 1übinger Kantianer
strebten danach, in seiner Zeitschriít zu publizieren. Schellings Schriít über
Mythen ist 1¯93 hier erschienen.
Die neue kritische 1heologie hat nicht nur die philologischen Mittel zur
Untersuchung der 1exte bereitgestellt, sie hat auch die Notwendigkeit
klargemacht, ihren ursprünglichen Sinn ebenso wie die Moglichkeiten ihrer
Verderbnis aus den historischen Umständen zu ·erstehen, in denen sie
geschahen. Line dogmatische Analyse ·on \ortbedeutungen der 1exte
mu| notwendig in unauílosbare Kontro·ersen geraten. Nur aus der
Situation, in der die 1exte geschrieben wurden, kann ihr Sinn klar
werden. Dabei ist der Geist der Zeit und der orientalischen Volker in
Rechnung zu stellen. So wurden durch die neue 1heologie philologische
Kritik, Kenntnis der orientalischen Sprachen und historisch-
psychologischer Sinn in gleicher \eise Voraussetzung íür die Arbeit der
\issenschaít, welche den wahren Sinn der Lehre Christi gegen ihre
späteren Verstellungen wiedergewinnen will. Untersuchungen wie die ·on
Schelling über M,tbev, bi.tori.cbe ´agev vva Pbito.o¡beve aer atte.tev !ett
·
und ·on
legel über den Cei.t ae. Cbri.tevtvv. sind nur in diesem Zusammenhang
moglich geworden.
Paulus selbst hatte seinen Standpunkt schon ·or Kants \irksamkeit
erreicht. Auígeklärte Religion war ihm nicht mit Kantischer Moraltheologie
identisch. Dies aber war durchaus der lall íür die besten der kritischen
Studenten in 1übingen um 1¯90. legel schrieb am \eihnachtsabend 1¯94
an Schelling, er habe ihn in jenem Auísatz in Paulus' Memorabilien wieder
auí seinem alten \ege angetroííen, »wichtige theologische Begriííe
auízuklären und nach und nach den alten Sauerteig auí die Seite schaííen
zu helíen«
11
. Auí welche \eise das geschah, konnen wir aus íortlauíenden
Kommentaren zum Romer- und zum Galaterbrieí sehen, die Schelling im
\inter 1¯92 und im Sommer 1¯93 niedergeschrieben hat, - noch ·or dem
lortgang legels nach Bern. Sie sind nichts weiter als der Versuch, mit den
philologischen Mitteln der neuen, kritischen 1heologie den Nachweis zu
íühren, da| Christi ursprüngliche Lehre nach Paulus mit Kants reiner
Vernunítmoral identisch ist. \o der 1ext diese Ubereinstimmung nicht
plausibel macht, argumentiert Schelling mit Gründen aus dem Geiste
der Zeit: Christus konnte seine Lehre ·on einem rein geistigen Gesetze
seinen lorern nur anschaulich machen, indem er sie in gewissen
Bildern und Ubertragungen auí seine Person ·erdeutlichte.
12
Dabei ·er-
säumt Schelling es nicht, Christi Verkündigung eines ·Reiches Gottes·
so zu erklären, da| es eine kommende politische Re-

Der Grad jedoch, in dem Semlers Methode zur Auílosung der Uberlieíerung
íührte, war nicht allein ·on philologischer Meisterschaít und ·om wirklichen
Bestand der 1exte abhängig. Lr wurde auch ·on den Lrkenntnisinteressen
und philosophischen Uberzeugungen des 1heologen mitbestimmt. Neben
Semlers eigener, weitgehend der herkommlichen Kirchenlehre ·erpílichteten
Position traten alle Schattierungen einer Re·ision der Dogmatik her·or, - ·on
der Verteidigung der Orthodoxie bis zur 1hese ·on der Ubereinstimmung der
Lehre der Bibel mit der Religion der Vernunít.

53

10 Mevorabitiev, eive ¡bito.o¡bi.cb·tbeotogi.cbe Zeit.cbrift aer Ce.cbicbte vva Pbito.o¡bie aer Retigiovev
... er.te. ´tvc/, Jena 1¯91.
11 Brieíe ·on und an legel, I, 11.
9 !!, ed. Schroter I, 1
-
43
12 Cataterbrief/ovvevtar S. 2.
52
sprünglichen Christentums moglich zu werden, das mit den Linsichten der
Philosophie in Ubereinstimmung war. Lin neuer Versuch der
larmonisierung ·on Vernunít und Oííenbarung in protestantischem Geiste
·ersprach besseren Lríolg als jeder ·orhergehende.
Der letzten Position kam der ehemalige 1übinger Student, der Jenenser
Proíessor Lberhard Gottlob Paulus nahe. In der Vorrede zu seiner Zeitschriít
Mevorabitiev hat er das Programm einer solchen historisch auígeklärten
1heologie prägnant zusammengeía|t.
10
Und die jungen 1übinger Kantianer
strebten danach, in seiner Zeitschriít zu publizieren. Schellings Schriít über
Mythen ist 1¯93 hier erschienen.
Die neue kritische 1heologie hat nicht nur die philologischen Mittel zur
Untersuchung der 1exte bereitgestellt, sie hat auch die Notwendigkeit
klargemacht, ihren ursprünglichen Sinn ebenso wie die Moglichkeiten ihrer
Verderbnis aus den historischen Umständen zu ·erstehen, in denen sie
geschahen. Line dogmatische Analyse ·on \ortbedeutungen der 1exte
mu| notwendig in unauílosbare Kontro·ersen geraten. Nur aus der
Situation, in der die 1exte geschrieben wurden, kann ihr Sinn klar
werden. Dabei ist der Geist der Zeit und der orientalischen Volker in
Rechnung zu stellen. So wurden durch die neue 1heologie philologische
Kritik, Kenntnis der orientalischen Sprachen und historisch-
psychologischer Sinn in gleicher \eise Voraussetzung íür die Arbeit der
\issenschaít, welche den wahren Sinn der Lehre Christi gegen ihre
späteren Verstellungen wiedergewinnen will. Untersuchungen wie die ·on
Schelling über M,tbev, bi.tori.cbe ´agev vva Pbito.o¡beve aer atte.tev !ett
·
und ·on
legel über den Cei.t ae. Cbri.tevtvv. sind nur in diesem Zusammenhang
moglich geworden.
Paulus selbst hatte seinen Standpunkt schon ·or Kants \irksamkeit
erreicht. Auígeklärte Religion war ihm nicht mit Kantischer Moraltheologie
identisch. Dies aber war durchaus der lall íür die besten der kritischen
Studenten in 1übingen um 1¯90. legel schrieb am \eihnachtsabend 1¯94
an Schelling, er habe ihn in jenem Auísatz in Paulus' Memorabilien wieder
auí seinem alten \ege angetroííen, »wichtige theologische Begriííe
auízuklären und nach und nach den alten Sauerteig auí die Seite schaííen
zu helíen«
11
. Auí welche \eise das geschah, konnen wir aus íortlauíenden
Kommentaren zum Romer- und zum Galaterbrieí sehen, die Schelling im
\inter 1¯92 und im Sommer 1¯93 niedergeschrieben hat, - noch ·or dem
lortgang legels nach Bern. Sie sind nichts weiter als der Versuch, mit den
philologischen Mitteln der neuen, kritischen 1heologie den Nachweis zu
íühren, da| Christi ursprüngliche Lehre nach Paulus mit Kants reiner
Vernunítmoral identisch ist. \o der 1ext diese Ubereinstimmung nicht
plausibel macht, argumentiert Schelling mit Gründen aus dem Geiste
der Zeit: Christus konnte seine Lehre ·on einem rein geistigen Gesetze
seinen lorern nur anschaulich machen, indem er sie in gewissen
Bildern und Ubertragungen auí seine Person ·erdeutlichte.
12
Dabei ·er-
säumt Schelling es nicht, Christi Verkündigung eines ·Reiches Gottes·
so zu erklären, da| es eine kommende politische Re-

Der Grad jedoch, in dem Semlers Methode zur Auílosung der Uberlieíerung
íührte, war nicht allein ·on philologischer Meisterschaít und ·om wirklichen
Bestand der 1exte abhängig. Lr wurde auch ·on den Lrkenntnisinteressen
und philosophischen Uberzeugungen des 1heologen mitbestimmt. Neben
Semlers eigener, weitgehend der herkommlichen Kirchenlehre ·erpílichteten
Position traten alle Schattierungen einer Re·ision der Dogmatik her·or, - ·on
der Verteidigung der Orthodoxie bis zur 1hese ·on der Ubereinstimmung der
Lehre der Bibel mit der Religion der Vernunít.

53

10 Mevorabitiev, eive ¡bito.o¡bi.cb·tbeotogi.cbe Zeit.cbrift aer Ce.cbicbte vva Pbito.o¡bie aer Retigiovev
... er.te. ´tvc/, Jena 1¯91.
11 Brieíe ·on und an legel, I, 11.
9 !!, ed. Schroter I, 1
-
43
12 Cataterbrief/ovvevtar S. 2.
52
·olution auí Lrden einschlie|t, welche das Vernunítgesetz zu allgemeiner
\irkung bringen soll.
13
Diese Manuskripte Schellings - seine 1beotogi.cbev
]vgeva.cbriftev ·, die schwer zu entziííern sind, hat man bisher nicht
benutzt und wahrscheinlich íür Nachschriíten ·on Vorlesungen gehalten.
\er aber sollte in 1übingen solche 1hesen auí dem Katheder ·ertreten
haben· Diese Uni·ersität war im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts die
letzte Bastion einer wissenschaítlichen Orthodoxie.
Gottlob Christian Storr, der Inhaber des ersten theologischen Lehrstuhls,
ein weithin berühmter Gelehrter, beherrschte die Mittel Semlers
meisterhaít. Lr benutzte sie aber, um das kirchliche Lehrsystem gegen die
Angriííe der Auíklärung zu ·erteidigen. Dies geschah zunächst in
exegetischen \erken, zur Studienzeit legels auch in einem Lehrbuch íür
Systematik und in kritischen Schriíten zur Religionsphilosophie. Nach
Storr ·erkennt man das \esen des Christentums, wenn man meint, es
wolle nur die Vernunít erwecken und zur Bestätigung ihrer Linsichten
beitragen. Vielmehr mu| seine Oííenbarung ein Bestimmungsgrund
unserer Urteile sein. Diese Lehre hat Autorität. Und sie ·erlangt, da|
wir Zutrauen zu ihren Verkündigungen haben. Solcher Glaube setzt
íreilich ·oraus, da| die Uberlieíerung, der er gilt, glaubwürdig ist. Nur in
diesem Sinne mu| sie durch Vernunít bestätigt sein. Sie wird es mit den
Mitteln der 1extkritik. Diese 1extkritik íührt nach Storr bei weitem nicht
zu den radikalen Reduktionen, welche ·on den Nachíolgern Semlers ·orge-
schlagen worden sind. Verworíene Bücher, wie die Oííenbarung Johannis,
und ·erworíene Lehren, wie die ·on 1rinität und Satisíaktion sind in
die Autorität der Lehre einzuschlie|en.
Dieser 1heologie mu|ten junge Studenten, die sich in Uber-
einstimmung mit der Beíreiungsbewegung ihrer Zeit wu|ten,
leidenschaítliche Opposition entgegensetzen. Lrwirkt wurde sie auch durch
die Lebensordnung des 1übinger Stiíts, der sie sich zu unterweríen hatten. Sie
beruhte auí strengen Reglements, wurde ·on lriedrich Nicolai und einem
Preu|ischen Beamten, der zur Besichtigung der Uni·ersitäten des Auslandes
ausgeschickt war
14
, als einzig in ihrer Zeit beurteilt. Die ihnen unterworíen
waren, empíanden sie als Unterdrückung des lreiheitsgeistes und mit ihm
aller besseren 1endenzen des modernen Lebens. Storrs 1heologie, die
Satzung des Stiítes und die Veríassung des Staates, der beiden seinen Schutz
lieh, schienen den meisten ·on ihnen einer Re·olution wert, - gleich der,
die in íreierem Glauben, in Kants Philosophie und im politischen
lrankreich begonnen hatte.
Die írühen Schriíten ·on Schelling und legel haben es sich zum Ziel
gesetzt, Storr und den mit ihm ·erbündeten Kräíten entgegenzuwirken.
Schelling, der die Klosterschulen durchlauíen hatte und dessen Kenntnis der
orientalischen Sprachen ihm trotz seiner Jugend überall Respekt ·erschaííte,
bediente sich dabei mehr der philologischen Mittel Semlers. legel kam ·om
Stuttgarter Gymnasium und war schlechter auí die 1heologie ·orbereitet,
jedoch mit Geschichtsíorschung und Psychologie besser als Schelling ·ertraut.
So erklärt sich einer der Unterschiede zwischen Schellings und legels
írühesten Manuskripten.
legels 1exte sind bereits ·on Interessen geleitet, die sich auch in seiner
späteren Arbeit niemals ·erloren: Sie wollen zeigen, wie die
lreiheitsideale der Menschen im Zusammenhang ihres gesellschaítlichen
Lebens und den komplexen Moti·ationen ihres psychologischen
Lebenshaushalts íungieren. Zeigen wollen sie insbesondere, da| die Kraít
der lreiheitsidee durch oííentliche Linrichtungen gestärkt werden kann
und da|, umgekehrt, Institutionen Ausdruck und Verhärtung eines
Zustandes sein konnen, der durch einen Verlust der lreiheit


55

14 Vgl. ed. R. lester, íriearicb Ceai/e vva .eiv ßericbt av íriearicb !itbetv íí 1. Lrg.-leít des
Archi·s íür Kulturgeschichte Berlin 1905.
13 Röverbrief/ovvevtar S. 61.
54
·olution auí Lrden einschlie|t, welche das Vernunítgesetz zu allgemeiner
\irkung bringen soll.
13
Diese Manuskripte Schellings - seine 1beotogi.cbev
]vgeva.cbriftev ·, die schwer zu entziííern sind, hat man bisher nicht
benutzt und wahrscheinlich íür Nachschriíten ·on Vorlesungen gehalten.
\er aber sollte in 1übingen solche 1hesen auí dem Katheder ·ertreten
haben· Diese Uni·ersität war im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts die
letzte Bastion einer wissenschaítlichen Orthodoxie.
Gottlob Christian Storr, der Inhaber des ersten theologischen Lehrstuhls,
ein weithin berühmter Gelehrter, beherrschte die Mittel Semlers
meisterhaít. Lr benutzte sie aber, um das kirchliche Lehrsystem gegen die
Angriííe der Auíklärung zu ·erteidigen. Dies geschah zunächst in
exegetischen \erken, zur Studienzeit legels auch in einem Lehrbuch íür
Systematik und in kritischen Schriíten zur Religionsphilosophie. Nach
Storr ·erkennt man das \esen des Christentums, wenn man meint, es
wolle nur die Vernunít erwecken und zur Bestätigung ihrer Linsichten
beitragen. Vielmehr mu| seine Oííenbarung ein Bestimmungsgrund
unserer Urteile sein. Diese Lehre hat Autorität. Und sie ·erlangt, da|
wir Zutrauen zu ihren Verkündigungen haben. Solcher Glaube setzt
íreilich ·oraus, da| die Uberlieíerung, der er gilt, glaubwürdig ist. Nur in
diesem Sinne mu| sie durch Vernunít bestätigt sein. Sie wird es mit den
Mitteln der 1extkritik. Diese 1extkritik íührt nach Storr bei weitem nicht
zu den radikalen Reduktionen, welche ·on den Nachíolgern Semlers ·orge-
schlagen worden sind. Verworíene Bücher, wie die Oííenbarung Johannis,
und ·erworíene Lehren, wie die ·on 1rinität und Satisíaktion sind in
die Autorität der Lehre einzuschlie|en.
Dieser 1heologie mu|ten junge Studenten, die sich in Uber-
einstimmung mit der Beíreiungsbewegung ihrer Zeit wu|ten,
leidenschaítliche Opposition entgegensetzen. Lrwirkt wurde sie auch durch
die Lebensordnung des 1übinger Stiíts, der sie sich zu unterweríen hatten. Sie
beruhte auí strengen Reglements, wurde ·on lriedrich Nicolai und einem
Preu|ischen Beamten, der zur Besichtigung der Uni·ersitäten des Auslandes
ausgeschickt war
14
, als einzig in ihrer Zeit beurteilt. Die ihnen unterworíen
waren, empíanden sie als Unterdrückung des lreiheitsgeistes und mit ihm
aller besseren 1endenzen des modernen Lebens. Storrs 1heologie, die
Satzung des Stiítes und die Veríassung des Staates, der beiden seinen Schutz
lieh, schienen den meisten ·on ihnen einer Re·olution wert, - gleich der,
die in íreierem Glauben, in Kants Philosophie und im politischen
lrankreich begonnen hatte.
Die írühen Schriíten ·on Schelling und legel haben es sich zum Ziel
gesetzt, Storr und den mit ihm ·erbündeten Kräíten entgegenzuwirken.
Schelling, der die Klosterschulen durchlauíen hatte und dessen Kenntnis der
orientalischen Sprachen ihm trotz seiner Jugend überall Respekt ·erschaííte,
bediente sich dabei mehr der philologischen Mittel Semlers. legel kam ·om
Stuttgarter Gymnasium und war schlechter auí die 1heologie ·orbereitet,
jedoch mit Geschichtsíorschung und Psychologie besser als Schelling ·ertraut.
So erklärt sich einer der Unterschiede zwischen Schellings und legels
írühesten Manuskripten.
legels 1exte sind bereits ·on Interessen geleitet, die sich auch in seiner
späteren Arbeit niemals ·erloren: Sie wollen zeigen, wie die
lreiheitsideale der Menschen im Zusammenhang ihres gesellschaítlichen
Lebens und den komplexen Moti·ationen ihres psychologischen
Lebenshaushalts íungieren. Zeigen wollen sie insbesondere, da| die Kraít
der lreiheitsidee durch oííentliche Linrichtungen gestärkt werden kann
und da|, umgekehrt, Institutionen Ausdruck und Verhärtung eines
Zustandes sein konnen, der durch einen Verlust der lreiheit


55

14 Vgl. ed. R. lester, íriearicb Ceai/e vva .eiv ßericbt av íriearicb !itbetv íí 1. Lrg.-leít des
Archi·s íür Kulturgeschichte Berlin 1905.
13 Röverbrief/ovvevtar S. 61.
54
charakterisiert und auch erklärt werden mu|. Obgleich ungelenk und nur
manchmal ·on luciden Aphorismen auígehellt, sind diese 1exte nicht ohne
Originalität. Sie ·erbinden eine Grundposition der Reíormtheologie, die
Unterscheidung ·on pri·ater und oííentlicher Religion, mit der da·on
durchaus ·erschiedenen Idee Rousseaus ·om Unterschied zwischen der
Religion des Linzelnen und der der Bürgerschaít. Koordiniert werden
beide in Beziehung auí Kants Begriíí der sittlichen lreiheit, die den
Schlüssel zur Losung aller Probleme der Religion anbietet: Pri·ate und
bürgerliche Religion konkurrieren als Mittel zur Beíorderung der
Autonomie, und legel ·ersucht darzulegen, da| auí die bürgerliche nicht
·erzichtet werden kann, weil mit ihr zugleich die wichtigsten Moti·ationen
zur lreiheit preisgegeben würden.
Bemühungen, die 1übinger Orthodoxie, im Jahre 1¯93 genommen hat.
16
Um
sie zu ·erstehen, mu| man ihre Vorgeschichte kennen.
Storr war oííenbar lange Zeit der Meinung, da| seine exegetische 1heologie
gegenüber der kantianisierenden Bibelinterpretation als \issenschaít sich
würde behaupten konnen. Als írommer Mann und guter Philologe glaubte
er sich im Besitz unaníechtbarer Linsicht. Die zunehmende Radikalität der
Angriííe gegen die Autorität einer Oííenbarung, welche die Vernunít
übersteigt, mu| ihn aber besorgt gemacht haben. \eiterer und wichtigerer
Grund zur Besorgnis ergab sich aus der \irkung des Repetenten Carl
Immanuel Diez, den ein Jugendíreund legels als ·Kantischen enrage·
bezeichnet hat.

Bis ·or kurzem wu|ten wir ·on ihm nicht mehr als eben
diesen Namen. Nun aber ist zu sagen, da| Diez in der 1at der radikalste
Kantianer gewesen ist, der jemals an einer Uni·ersität wirken konnte. Mit
Leidenschaít hat er gegen den Lid polemisiert, den jeder protestantische
Píarrer ·or seinem Amtsantritt auí die Bekenntnisschriíten der Kirche zu
schworen hatte. Später wandte er sich der Kritik der Dogmatik zu. Nach
den Lrgebnissen der Kantischen Philosophie schien sie ihm ein einziges
Blendwerk und ein Versuch zu sein, im Interesse einer Zwangsherrschaít
schlechthin uneinsichtigen Sätzen Zustimmung zu ·erschaííen. Diese Kritik
leistete er mit den Mitteln ·on Kants theoretischer Philosophie. Kant hatte
gezeigt, da| alle unsere Begriííe ohne Realität sind, welche die Grenzen
unserer Lríahrung übersteigen, - mit der einzigen Ausnahme des
lreiheitsbegriííes. Die Dogmatik aber spricht ·on Gottes landlungen, ·on
übernatürlichen Lreignissen und einem himmlischen Reich wie ·on
einsehbaren Sach·erhalten. So ist sie »ein torichter Versuch, auí einem

Schellings írüheste Schriíten sind ebenso wie legels erste Manuskripte
Dokumente gro|er Begabung, deren je besondere Struktur bereits deutlich
zu erkennen ist. Sie sind aber durchaus noch keine Nuclei zu einer
kommenden philosophischen Systematik. Sie gehoren ·ielmehr ganz in den
Zusammenhang einer religiosen Auíklärung, die sich des Kantianismus als
des íortgeschrittensten Systems der Linsicht bedient. So schreibt auch
Schelling Aníang 1¯95, da| ·bis ·or einem Jahr historische Un-
tersuchungen über das alte und neue 1estament und den Geist der ersten
christlichen Jahrhunderte das einzige waren, was ,ihn, interessierte·
15
,
Damit sind gewi| seine kritischen Arbeiten auí kantischer Basis gemeint.
Zu dieser Auígabe will auch legel in Bern beitragen. Und er gesteht, da|
er anders als Schelling mit den neueren Spekulationen der theoretischen
Philosophie nicht bekannt sei. Sie scheinen ihm auí die Angelegenheit der
Religionskritik im Interesse der Menschheit kaum anwendbar zu sein. Die
\endung Schellings zur philosophischen 1heorie war oííenbar ·on einer
\endung moti·iert, welche der eigentliche leind seiner




16 Lbd. »\er mag sich im Staub des Altertums begraben, wenn ihn der Geist .eiver Zeit alle
Augenblicke wieder auí- und mit sich íortrei|t.«
1¯ Vgl . D. lenrich, íevtreiv vber íeget, in: íeget.tvaiev III, 1965. S. 5¯. ¯2.
15 ßriefe rov vva av íeget I, 14.
56
charakterisiert und auch erklärt werden mu|. Obgleich ungelenk und nur
manchmal ·on luciden Aphorismen auígehellt, sind diese 1exte nicht ohne
Originalität. Sie ·erbinden eine Grundposition der Reíormtheologie, die
Unterscheidung ·on pri·ater und oííentlicher Religion, mit der da·on
durchaus ·erschiedenen Idee Rousseaus ·om Unterschied zwischen der
Religion des Linzelnen und der der Bürgerschaít. Koordiniert werden
beide in Beziehung auí Kants Begriíí der sittlichen lreiheit, die den
Schlüssel zur Losung aller Probleme der Religion anbietet: Pri·ate und
bürgerliche Religion konkurrieren als Mittel zur Beíorderung der
Autonomie, und legel ·ersucht darzulegen, da| auí die bürgerliche nicht
·erzichtet werden kann, weil mit ihr zugleich die wichtigsten Moti·ationen
zur lreiheit preisgegeben würden.
Bemühungen, die 1übinger Orthodoxie, im Jahre 1¯93 genommen hat.
16
Um
sie zu ·erstehen, mu| man ihre Vorgeschichte kennen.
Storr war oííenbar lange Zeit der Meinung, da| seine exegetische 1heologie
gegenüber der kantianisierenden Bibelinterpretation als \issenschaít sich
würde behaupten konnen. Als írommer Mann und guter Philologe glaubte
er sich im Besitz unaníechtbarer Linsicht. Die zunehmende Radikalität der
Angriííe gegen die Autorität einer Oííenbarung, welche die Vernunít
übersteigt, mu| ihn aber besorgt gemacht haben. \eiterer und wichtigerer
Grund zur Besorgnis ergab sich aus der \irkung des Repetenten Carl
Immanuel Diez, den ein Jugendíreund legels als ·Kantischen enrage·
bezeichnet hat.

Bis ·or kurzem wu|ten wir ·on ihm nicht mehr als eben
diesen Namen. Nun aber ist zu sagen, da| Diez in der 1at der radikalste
Kantianer gewesen ist, der jemals an einer Uni·ersität wirken konnte. Mit
Leidenschaít hat er gegen den Lid polemisiert, den jeder protestantische
Píarrer ·or seinem Amtsantritt auí die Bekenntnisschriíten der Kirche zu
schworen hatte. Später wandte er sich der Kritik der Dogmatik zu. Nach
den Lrgebnissen der Kantischen Philosophie schien sie ihm ein einziges
Blendwerk und ein Versuch zu sein, im Interesse einer Zwangsherrschaít
schlechthin uneinsichtigen Sätzen Zustimmung zu ·erschaííen. Diese Kritik
leistete er mit den Mitteln ·on Kants theoretischer Philosophie. Kant hatte
gezeigt, da| alle unsere Begriííe ohne Realität sind, welche die Grenzen
unserer Lríahrung übersteigen, - mit der einzigen Ausnahme des
lreiheitsbegriííes. Die Dogmatik aber spricht ·on Gottes landlungen, ·on
übernatürlichen Lreignissen und einem himmlischen Reich wie ·on
einsehbaren Sach·erhalten. So ist sie »ein torichter Versuch, auí einem

Schellings írüheste Schriíten sind ebenso wie legels erste Manuskripte
Dokumente gro|er Begabung, deren je besondere Struktur bereits deutlich
zu erkennen ist. Sie sind aber durchaus noch keine Nuclei zu einer
kommenden philosophischen Systematik. Sie gehoren ·ielmehr ganz in den
Zusammenhang einer religiosen Auíklärung, die sich des Kantianismus als
des íortgeschrittensten Systems der Linsicht bedient. So schreibt auch
Schelling Aníang 1¯95, da| ·bis ·or einem Jahr historische Un-
tersuchungen über das alte und neue 1estament und den Geist der ersten
christlichen Jahrhunderte das einzige waren, was ,ihn, interessierte·
15
,
Damit sind gewi| seine kritischen Arbeiten auí kantischer Basis gemeint.
Zu dieser Auígabe will auch legel in Bern beitragen. Und er gesteht, da|
er anders als Schelling mit den neueren Spekulationen der theoretischen
Philosophie nicht bekannt sei. Sie scheinen ihm auí die Angelegenheit der
Religionskritik im Interesse der Menschheit kaum anwendbar zu sein. Die
\endung Schellings zur philosophischen 1heorie war oííenbar ·on einer
\endung moti·iert, welche der eigentliche leind seiner




16 Lbd. »\er mag sich im Staub des Altertums begraben, wenn ihn der Geist .eiver Zeit alle
Augenblicke wieder auí- und mit sich íortrei|t.«
1¯ Vgl . D. lenrich, íevtreiv vber íeget, in: íeget.tvaiev III, 1965. S. 5¯. ¯2.
15 ßriefe rov vva av íeget I, 14.
56
zutreten, auí das sichere und bequeme Píarramt zu ·erzichten und Medizin
zu studieren. 1¯96 hat er sich bei der Pílege ·on 1hyphuskranken
angesteckt und ist, drei|igjährig, gestorben. Sein Lntschlu| zur sittlichen
Praxis und schlie|lich auch sein 1od sind die Verwirklichung seiner Kritik
der 1heologie und seines ganz und gar praktizistischen Kantianismus
gewesen.
grundlosen 1errain anzubauen«
18
. \er seine Augen, ·gewaíínet mit den
Kantischen 1eleskopen·, auí die christliche Religion wendet, der »sieht nichts
als transzendentalen Schein und statt objekti·er Lrkenntnis leere
lirngespinste«.
Diez, der junge 1heologen in ihren Studien anleiten sollte, wurde auí
diesem \ege konsequent dazu geíührt, das Christentum insgesamt zu
·erweríen. Christus und seine Apostel, die Blicke in ein Geisterreich zu tun
glauben, sind lantasten, - die ihnen Glauben beimessen, alle 1heologen und
die ganze Christenherde Abergläubige. In diesem Sinne ist Diez bereit
gewesen, Christus mit einer bekannten polemischen Schriít des írühen 1º.
Jahrhunderts als Betrüger zu bezeichnen. Dieser Kantianer kannte zwar
Kants Moraltheologie. Lr hat sie aber durchaus unter den Restriktionen
der theoretischen Philosophie gelesen: Nur als Annahme, die wir im
Interesse unseres sittlichen Lebens machen, niemals als Gegebenheit kann
Gottes Dasein ·orausgesetzt werden. Christus und seine 1heologen sind
aber an anderer Gewi|heit interessiert.
lätte Storr nicht aus ·ielen Anzeichen die Radikalisierung seiner Schüler
erkennen konnen, so hätten die Berichte Sü|kinds, genügt. Dieser junge
1heologe war nicht nur Diez' lreund, sondern auch einer ·on Storrs
näheren Verwandten. So entschlo| er sich, den radikalen Versionen der
Kantischen Philosophie entgegenzutreten und den Versuch zu machen, die
Vereinbarkeit der Orthodoxie mit Kants Lehre zu demonstrieren.
Dabei leistete ihm Sü|kind lilíe. Oííenbar lieíerte er ihm wichtige
Argumente. Und seinem Buch ßever/vvgev vber Kavt. ¡bito.o¡bi.cbe
Retigiov.tebre gab er einen Anhang bei, der gegen lichtes eben erschienene
Kriti/ atter Offevbarvvg gerichtet war.
19
Storr machte sich in Kants Mo-
raltheologie gerade die Llemente zunutze, durch die sie sich zu ihrem
Nachteile ·on Rousseaus Idee unterschieden hat: In ihrer írüheren lorm
war sie da·on ausgegangen, da| dem Sittengesetz ohne Glauben an Gott
und Unsterblichkeit hinreichende Moti·e íehlen, sich im landeln
durchzusetzen. \enn dies aber der lall ist, wenn wir ohne Religion
nicht konsequent gut handeln konnen, so ist es unsere er.te Pílicht,
religiose Gesinnungen in uns zu gründen und zu beíordern. Nun trägt aber
der historische 1eil der christlichen Religion
Die radikale Polemik ·on Diez stie| zwar bei den meisten seiner lreunde
auí \iderstand. Dennoch war sie ·on gro|er \irkung. Sein engster
lreund Sü|kind, später Storrs Nachíolger in 1übingen, wandte sich unter
dem Lindruck seiner leidenschaítlichen Zweiíel zunächst ·on der
1heologie zur Kirchengeschichte. Andere lreunde entschlossen sich, den
schwäbischen Kirchendienst zu meiden und Lehrämter in anderen
deutschen Ländern zu suchen. Zwar war Diez ein ·orsichtiger Mensch,
dessen Radikalität nur nach langen Leiden der Unterdrückung
her·orbrach. Lr hat mehr unter seinen lreunden agitiert und gegenüber
seinen Studenten nicht ganz oííen gesprochen. Aber er war es doch, der
der jungen 1übinger Kritik die Schäríe ihrer 1one gegeben hat. Und er
wirkte wohl auch durch sein Beispiel, als Repetent schlie|lich zurück-


59

19 Sü|kinds Brieíe an Diez ,landschriítenabteilung der Uni·ersitätsbibliothek 1übingen,, D. Cotttob
Cbri.tiav ´torr. ßever/vvgev vber Kavt. ¡bito.o¡bi.cbe Retigiov.tebre, av. aev íateivi.cbev, veb.t eivigev ßever·
/vvgev ae. |ber.et¸er. vber aev av. Priv¸i¡iev aer ¡ra/ti.cbev 1ervvvft bergeteitetev |ber¸evgvvg.grvva rov aer
Mögticb/eit vva !ir/ticb/eit eiver Offevbarvvg iv ße¸iebvvg avf íicbte. 1er.vcb eiver Kriti/ atter Offevbarvvg,
1übingen 1¯84.
18 Alle Zitate aus Brieíen an Niethammer 1¯90,1 ,in Pri·atbesitz, - Vgl. D. lenrich und Johann
Ludwig Doderlein, Cart ívvavvet Die¸, i n: íeget .tvai ev ííí, 1965 S. 2¯6
-
28¯

58
zutreten, auí das sichere und bequeme Píarramt zu ·erzichten und Medizin
zu studieren. 1¯96 hat er sich bei der Pílege ·on 1hyphuskranken
angesteckt und ist, drei|igjährig, gestorben. Sein Lntschlu| zur sittlichen
Praxis und schlie|lich auch sein 1od sind die Verwirklichung seiner Kritik
der 1heologie und seines ganz und gar praktizistischen Kantianismus
gewesen.
grundlosen 1errain anzubauen«
18
. \er seine Augen, ·gewaíínet mit den
Kantischen 1eleskopen·, auí die christliche Religion wendet, der »sieht nichts
als transzendentalen Schein und statt objekti·er Lrkenntnis leere
lirngespinste«.
Diez, der junge 1heologen in ihren Studien anleiten sollte, wurde auí
diesem \ege konsequent dazu geíührt, das Christentum insgesamt zu
·erweríen. Christus und seine Apostel, die Blicke in ein Geisterreich zu tun
glauben, sind lantasten, - die ihnen Glauben beimessen, alle 1heologen und
die ganze Christenherde Abergläubige. In diesem Sinne ist Diez bereit
gewesen, Christus mit einer bekannten polemischen Schriít des írühen 1º.
Jahrhunderts als Betrüger zu bezeichnen. Dieser Kantianer kannte zwar
Kants Moraltheologie. Lr hat sie aber durchaus unter den Restriktionen
der theoretischen Philosophie gelesen: Nur als Annahme, die wir im
Interesse unseres sittlichen Lebens machen, niemals als Gegebenheit kann
Gottes Dasein ·orausgesetzt werden. Christus und seine 1heologen sind
aber an anderer Gewi|heit interessiert.
lätte Storr nicht aus ·ielen Anzeichen die Radikalisierung seiner Schüler
erkennen konnen, so hätten die Berichte Sü|kinds, genügt. Dieser junge
1heologe war nicht nur Diez' lreund, sondern auch einer ·on Storrs
näheren Verwandten. So entschlo| er sich, den radikalen Versionen der
Kantischen Philosophie entgegenzutreten und den Versuch zu machen, die
Vereinbarkeit der Orthodoxie mit Kants Lehre zu demonstrieren.
Dabei leistete ihm Sü|kind lilíe. Oííenbar lieíerte er ihm wichtige
Argumente. Und seinem Buch ßever/vvgev vber Kavt. ¡bito.o¡bi.cbe
Retigiov.tebre gab er einen Anhang bei, der gegen lichtes eben erschienene
Kriti/ atter Offevbarvvg gerichtet war.
19
Storr machte sich in Kants Mo-
raltheologie gerade die Llemente zunutze, durch die sie sich zu ihrem
Nachteile ·on Rousseaus Idee unterschieden hat: In ihrer írüheren lorm
war sie da·on ausgegangen, da| dem Sittengesetz ohne Glauben an Gott
und Unsterblichkeit hinreichende Moti·e íehlen, sich im landeln
durchzusetzen. \enn dies aber der lall ist, wenn wir ohne Religion
nicht konsequent gut handeln konnen, so ist es unsere er.te Pílicht,
religiose Gesinnungen in uns zu gründen und zu beíordern. Nun trägt aber
der historische 1eil der christlichen Religion
Die radikale Polemik ·on Diez stie| zwar bei den meisten seiner lreunde
auí \iderstand. Dennoch war sie ·on gro|er \irkung. Sein engster
lreund Sü|kind, später Storrs Nachíolger in 1übingen, wandte sich unter
dem Lindruck seiner leidenschaítlichen Zweiíel zunächst ·on der
1heologie zur Kirchengeschichte. Andere lreunde entschlossen sich, den
schwäbischen Kirchendienst zu meiden und Lehrämter in anderen
deutschen Ländern zu suchen. Zwar war Diez ein ·orsichtiger Mensch,
dessen Radikalität nur nach langen Leiden der Unterdrückung
her·orbrach. Lr hat mehr unter seinen lreunden agitiert und gegenüber
seinen Studenten nicht ganz oííen gesprochen. Aber er war es doch, der
der jungen 1übinger Kritik die Schäríe ihrer 1one gegeben hat. Und er
wirkte wohl auch durch sein Beispiel, als Repetent schlie|lich zurück-


59

19 Sü|kinds Brieíe an Diez ,landschriítenabteilung der Uni·ersitätsbibliothek 1übingen,, D. Cotttob
Cbri.tiav ´torr. ßever/vvgev vber Kavt. ¡bito.o¡bi.cbe Retigiov.tebre, av. aev íateivi.cbev, veb.t eivigev ßever·
/vvgev ae. |ber.et¸er. vber aev av. Priv¸i¡iev aer ¡ra/ti.cbev 1ervvvft bergeteitetev |ber¸evgvvg.grvva rov aer
Mögticb/eit vva !ir/ticb/eit eiver Offevbarvvg iv ße¸iebvvg avf íicbte. 1er.vcb eiver Kriti/ atter Offevbarvvg,
1übingen 1¯84.
18Alle Zitate aus Brieíen an Niethammer 1¯90,1 ,in Pri·atbesitz, - Vgl. D. lenrich und Johann
Ludwig Doderlein, Cart ívvavvet Die¸, i n: íeget .tvai ev ííí, 1965 S. 2¯6
-
28¯

58
sehr ·iel dazu bei, den moralischen Glauben zu bestätigen, zu
unterstützen und zu beleben. Also ist es ein Postulat der praktischen
Vernunít, ihm Gehor zu schenken, soíern er glaubwürdig ist. Da| er es ist,
beweist die historische 1extkritik. Und so ist un·ersehens die Orthodoxie
zum einzigen Mittel geworden, die Vernunítmoral íest zu begründen. Die
1heorie der Autonomie wurde zum Mittel, eine 1heologie der Autorität
zu ·erteidigen.
erlangen. Das aber ist schlechthin ohne Grund. Nur wo knechtischer
Sinn herrscht, kann man sagen, derjenige, der íür eine gerechte Sache
gestorben ist, sei eines besseren Schicksals würdig gewesen .
21


3. lolderlins Systementwurí und legels írüheste Probleme
In dem Augenblick als legel auí die kantische Moraltheologie ·erzichtete,
ohne die kantischen Grundlagen seines Denkens zu ·erändern, war er im
strengen Sinne zu einem blo|en Kritiker jedes moglichen Sinnes ·on
Religion geworden. Denn es íehlte ihm nun die Basis zur Liníührung eines
·on unserem sittlichen Bewu|tsein unterschiedenen ·ernünítigen \esens, -
die Basis zur Liníührung eines Begriííes ·on Gott. Religion war íür ihn
nunmehr allein die \eise, in der Menschen, die in Gemeinschaít leben, das
reine Ideal der Autonomie kennen lernen und zur einzigen 1riebkraít ihres
landelns werden lassen konnen. Die 1radition der Lehre und der Kultus
des Staates bewirken das. Uberschreiten sie dabei aber die Grenzen der 1ra-
dierung des lreiheitssinnes, so geraten sie notwendig ins Imaginäre, und der
Vorwurí, den schon Rousseau der bürgerlichen Religion gemacht hatte,
kann nicht ·ermieden werden: Sie ist begründet auí Irrtum und 1rug und
täuscht die Menschen. Daraus kann auí die Dauer nur eine Verkehrung des
lreiheitssinnes in sein Gegenteil íolgen. Und so mu|te legel den Versuch
preisgeben, die Idee einer bürgerlichen Religion der lreiheit zu entíalten,
um überhaupt noch imstande zu sein, den Gegensatz zwischen Orthodoxie
und lreiheitsbewu|tsein deutlich zu machen. Denn Volksreligion wird nicht
darauí ·erzichten konnen, ·on einem übersinnlichen \esen und seiner Ver-
hei|ung zu sprechen, da| unser Verlangen nach Glück dereinst gestillt wer-

Schelling und legel konnten in Storrs Gedankengang nur eine
Verkehrung des eigentlichen Sinnes der Kantischen Lehre sehen. Aber
obgleich sie deren Geist ganz zuwiderlieí, konnte sie sich doch auch auí
Kantische 1exte beruíen. Ls erwies sich somit als notwendig, Kant gegen die
Schwächen seiner eigenen Darstellung in Schutz zu nehmen. Das hätte
gewi| durch sorgíältige Auslegung geschehen konnen. Ls stimmte aber
nicht zu Kants Rolle als Apostel der lreiheit, ihn lediglich mit
philologischen Mitteln zu ·erteidigen. Und die besten seiner Schüler,
Reinhold und lichte, hatten ohnehin soeben gezeigt, da| man auí dem
\ege Kants noch weiterschreiten müsse, um seinen Geist ·ollständig zu
eríassen. So gab Schelling die historische Bibelkritik auí und schrieb
alsbald ein Buch, in dem er im Anschlu| an lichte zeigte, da| Storrs
Kant·erständnis nicht nur eine Abweichung ·on dessen Sinn, sondern das
genaue Gegenteil wahrer kritischer Philosophie der lreiheit sei.
20

legel standen solche Mittel zunächst nicht zur Veríügung. Lr mu|te
sich an Kant selbst halten, wendete sich aber gegen Storr, indem er die
Grundlagen der gesamten Kantischen Moraltheologie in Zweiíel zog, an
die Storr sich doch hatte anschlie|en konnen: Der Linbruch der
Orthodoxie war nur moglich, wenn man das Bewu|tsein sittlicher lreiheit
mit der loíínung in Verbindung brachte, Glück íür sich selbst zu


61

21 íeget. tbeotogi.cbe ]vgeva.cbriftev, ed. Nohl, S. 238.
20 1ov ícb at. Priv¸i¡ aer Pbito.o¡bie, !!, ed. Schroter I, ¯5 íí. Seite 120-126 sind in direkter
Beziehung auí die 1übinger Orthodoxie geschrieben.

60
sehr ·iel dazu bei, den moralischen Glauben zu bestätigen, zu
unterstützen und zu beleben. Also ist es ein Postulat der praktischen
Vernunít, ihm Gehor zu schenken, soíern er glaubwürdig ist. Da| er es ist,
beweist die historische 1extkritik. Und so ist un·ersehens die Orthodoxie
zum einzigen Mittel geworden, die Vernunítmoral íest zu begründen. Die
1heorie der Autonomie wurde zum Mittel, eine 1heologie der Autorität
zu ·erteidigen.
erlangen. Das aber ist schlechthin ohne Grund. Nur wo knechtischer
Sinn herrscht, kann man sagen, derjenige, der íür eine gerechte Sache
gestorben ist, sei eines besseren Schicksals würdig gewesen .
21


3. lolderlins Systementwurí und legels írüheste Probleme
In dem Augenblick als legel auí die kantische Moraltheologie ·erzichtete,
ohne die kantischen Grundlagen seines Denkens zu ·erändern, war er im
strengen Sinne zu einem blo|en Kritiker jedes moglichen Sinnes ·on
Religion geworden. Denn es íehlte ihm nun die Basis zur Liníührung eines
·on unserem sittlichen Bewu|tsein unterschiedenen ·ernünítigen \esens, -
die Basis zur Liníührung eines Begriííes ·on Gott. Religion war íür ihn
nunmehr allein die \eise, in der Menschen, die in Gemeinschaít leben, das
reine Ideal der Autonomie kennen lernen und zur einzigen 1riebkraít ihres
landelns werden lassen konnen. Die 1radition der Lehre und der Kultus
des Staates bewirken das. Uberschreiten sie dabei aber die Grenzen der 1ra-
dierung des lreiheitssinnes, so geraten sie notwendig ins Imaginäre, und der
Vorwurí, den schon Rousseau der bürgerlichen Religion gemacht hatte,
kann nicht ·ermieden werden: Sie ist begründet auí Irrtum und 1rug und
täuscht die Menschen. Daraus kann auí die Dauer nur eine Verkehrung des
lreiheitssinnes in sein Gegenteil íolgen. Und so mu|te legel den Versuch
preisgeben, die Idee einer bürgerlichen Religion der lreiheit zu entíalten,
um überhaupt noch imstande zu sein, den Gegensatz zwischen Orthodoxie
und lreiheitsbewu|tsein deutlich zu machen. Denn Volksreligion wird nicht
darauí ·erzichten konnen, ·on einem übersinnlichen \esen und seiner Ver-
hei|ung zu sprechen, da| unser Verlangen nach Glück dereinst gestillt wer-

Schelling und legel konnten in Storrs Gedankengang nur eine
Verkehrung des eigentlichen Sinnes der Kantischen Lehre sehen. Aber
obgleich sie deren Geist ganz zuwiderlieí, konnte sie sich doch auch auí
Kantische 1exte beruíen. Ls erwies sich somit als notwendig, Kant gegen die
Schwächen seiner eigenen Darstellung in Schutz zu nehmen. Das hätte
gewi| durch sorgíältige Auslegung geschehen konnen. Ls stimmte aber
nicht zu Kants Rolle als Apostel der lreiheit, ihn lediglich mit
philologischen Mitteln zu ·erteidigen. Und die besten seiner Schüler,
Reinhold und lichte, hatten ohnehin soeben gezeigt, da| man auí dem
\ege Kants noch weiterschreiten müsse, um seinen Geist ·ollständig zu
eríassen. So gab Schelling die historische Bibelkritik auí und schrieb
alsbald ein Buch, in dem er im Anschlu| an lichte zeigte, da| Storrs
Kant·erständnis nicht nur eine Abweichung ·on dessen Sinn, sondern das
genaue Gegenteil wahrer kritischer Philosophie der lreiheit sei.
20

legel standen solche Mittel zunächst nicht zur Veríügung. Lr mu|te
sich an Kant selbst halten, wendete sich aber gegen Storr, indem er die
Grundlagen der gesamten Kantischen Moraltheologie in Zweiíel zog, an
die Storr sich doch hatte anschlie|en konnen: Der Linbruch der
Orthodoxie war nur moglich, wenn man das Bewu|tsein sittlicher lreiheit
mit der loíínung in Verbindung brachte, Glück íür sich selbst zu


61

21 íeget. tbeotogi.cbe ]vgeva.cbriftev, ed. Nohl, S. 238.
20 1ov ícb at. Priv¸i¡ aer Pbito.o¡bie, !!, ed. Schroter I, ¯5 íí. Seite 120-126 sind in direkter
Beziehung auí die 1übinger Orthodoxie geschrieben.

60
nur die Vernunít, die ·absolut· und ·in sich ·ollendet· ist. Insoíern sie aber
über unserem, des Glaubenden, Bewu|tsein steht, dessen Grund sie ist,
ist der Vernunítglaube mehr als eine lorm der Vergewisserung des
endlichen Ich über den allgemeinen Charakter der Grundbestimmung seines
\esens: Lr ist der wissende Rückgang des endlichen Bewu|tseins in
seinen Ursprung, der seinen weltbezogenen \issensweisen ·erschlossen
bleibt und der der Diííerenz zwischen Bewu|tsein und Gegenstand
enthoben ist. Nur in solchem Rückgang kann das endliche Bewu|tsein
seiner lerkunít, seiner Bestimmung und des Grundes seiner \illensenergie
gewi| werden: Ls ía|t sich als Verwirklichung einer anonymen, absoluten
lreiheit, die mit dem ausgezeichneten Charakter der Ichheit identisch ist.
den wird. Solcher Glaube ist aber nach legels neuer Uberzeugung nur
Ausdruck des Mangels »des Bewu|tseins, da| die Vernunít absolut, in sich
selbst ·ollendet ist - da| ihre unendliche Idee nur ·on sich selbst rein
·on íremder Beimischung geschaííen werden mu|«
22
.
In dieser lormulierung spricht legel eine Sprache, die nicht die Kants ist.
Sie enthält einen \iderhall des Bekenntnisses, das Schelling im lebruar
1¯95 ihm gegeben hatte.
23
In ihm eríuhr legel, da| sich Schelling mit
lilíe ·on lichte und zugleich in der Lrinnerung an Spinoza eine
lreiheitslehre erarbeitet hatte, die gegen Storrs Argumentationsstrategien
im mun ist
24
. So wie íür Spinoza die \elt alles war, so ist es nun íür
Schelling das Ich, - das Ich, das nicht durch Objekte bedingt, sondern
schlechthin in lreiheit gesetzt ist. »Ls gibt keine übersinnliche \elt íür uns
als die des absoluten Ichs. - Gott ist nichts als das absolute Ich.«
25
Im
Zusammenhang ·on lichtes \issenschaítslehre und besonders der neuen
Gestalt, die Schelling ihr gegeben hat, haben solche lormulierungen aber
eine andere Bedeutung als in legels noch ganz an Kants Buchstaben
gebundenen Kontext. lür lichte und besonders íür Schelling ist jenes Ich
eine überindi·iduelle, allem Bewu|tsein ·orausliegende 1atkraít, aus der
unser endliches Bewu|tsein zusammen mit seinem Sittengesetz begriííen
werden mu|. So ist es also keineswegs mit dem identisch, was Kant und
mit ihm legel unter ·unserer reinen praktischen Vernunít· ·erstehen
konnte.
Schelling glaubte sich überzeugt, nur auí seinem neuen \ege konne man eine
kompromi|lose 1heorie der lreiheit gewinnen und zugleich Storrs
Orthodoxie dauerhaít disqualiíizieren. legel aber war zunächst durchaus
nicht darauí ·orbereitet, ihm zu íolgen. Bisher hatte er sich darauí
·erlassen, da| die theoretischen Mittel der Kritik der reinen Vernunít
íür eine ·ollständige Lehre ·on der lreiheit ausreichen. Auí ihre
Anwendung dachte er sich zu beschränken. So konnte er Llemente der
neuen Sprache Schellings nur in einer \eise ·erwenden, die ·on deren
Sinn beträchtlich abwich und sie auí seinen eigenen Kantianismus
zurückbrachte, der nur inzwischen religionslos geworden war.
Zwar ist auch íür Schelling Gegenstand eines íreien Glaubens


63
In dieser Situation hielt sich legels Denken immerhin íür einige Jahre.
Lr selbst sah, da| ihre theoretischen Grenzen eng gezogen waren.
Doch íand er weder Anla| noch Aussicht, aus ihr herauszutreten. Um
so überraschender ist es, da| sich seine Uberzeugungen mit der
Ubersiedlung nach lrankíurt in ihren Grundlagen ·eränderten, - trotz
mancher Vorbereitung plotzlich und beinahe wie durch einen unbe-
greiílichen Bruch. Auí einem einzigen Blatt dokumentiert sich dieser
\andel: \ährend die erste lälíte des 1extes, der den
22 Ebd. S. 238
23 ßriefe rov vva av íeget I, 22..
24 Selbständige Vorbereitungen íür diesen Ubergang zu einem spino-zistisch gelesenen lichte lassen
sich in Schellings Kommentar zu den platonischen Dialogen 1imaios und Philebos erkennen, obwohl
sie ganz unter dem Linílu| Kants und ,in weit geringerem Ma|e, Reinholds stehen. ,Vgl. dazu meinen
Auísatz ·Der \eg des spekulati·en Idealismus· in: Jacob Zwillings Nachla|, hrsg. ·on D. lenrich
und C. Jamme, legel-Studien Beiheít 28, 1986, S. 8 5 íí.,
25 \\, ed. Schroter I, 22.
62
nur die Vernunít, die ·absolut· und ·in sich ·ollendet· ist. Insoíern sie aber
über unserem, des Glaubenden, Bewu|tsein steht, dessen Grund sie ist,
ist der Vernunítglaube mehr als eine lorm der Vergewisserung des
endlichen Ich über den allgemeinen Charakter der Grundbestimmung seines
\esens: Lr ist der wissende Rückgang des endlichen Bewu|tseins in
seinen Ursprung, der seinen weltbezogenen \issensweisen ·erschlossen
bleibt und der der Diííerenz zwischen Bewu|tsein und Gegenstand
enthoben ist. Nur in solchem Rückgang kann das endliche Bewu|tsein
seiner lerkunít, seiner Bestimmung und des Grundes seiner \illensenergie
gewi| werden: Ls ía|t sich als Verwirklichung einer anonymen, absoluten
lreiheit, die mit dem ausgezeichneten Charakter der Ichheit identisch ist.
den wird. Solcher Glaube ist aber nach legels neuer Uberzeugung nur
Ausdruck des Mangels »des Bewu|tseins, da| die Vernunít absolut, in sich
selbst ·ollendet ist - da| ihre unendliche Idee nur ·on sich selbst rein
·on íremder Beimischung geschaííen werden mu|«
22
.
In dieser lormulierung spricht legel eine Sprache, die nicht die Kants ist.
Sie enthält einen \iderhall des Bekenntnisses, das Schelling im lebruar
1¯95 ihm gegeben hatte.
23
In ihm eríuhr legel, da| sich Schelling mit
lilíe ·on lichte und zugleich in der Lrinnerung an Spinoza eine
lreiheitslehre erarbeitet hatte, die gegen Storrs Argumentationsstrategien
im mun ist
24
. So wie íür Spinoza die \elt alles war, so ist es nun íür
Schelling das Ich, - das Ich, das nicht durch Objekte bedingt, sondern
schlechthin in lreiheit gesetzt ist. »Ls gibt keine übersinnliche \elt íür uns
als die des absoluten Ichs. - Gott ist nichts als das absolute Ich.«
25
Im
Zusammenhang ·on lichtes \issenschaítslehre und besonders der neuen
Gestalt, die Schelling ihr gegeben hat, haben solche lormulierungen aber
eine andere Bedeutung als in legels noch ganz an Kants Buchstaben
gebundenen Kontext. lür lichte und besonders íür Schelling ist jenes Ich
eine überindi·iduelle, allem Bewu|tsein ·orausliegende 1atkraít, aus der
unser endliches Bewu|tsein zusammen mit seinem Sittengesetz begriííen
werden mu|. So ist es also keineswegs mit dem identisch, was Kant und
mit ihm legel unter ·unserer reinen praktischen Vernunít· ·erstehen
konnte.
Schelling glaubte sich überzeugt, nur auí seinem neuen \ege konne man eine
kompromi|lose 1heorie der lreiheit gewinnen und zugleich Storrs
Orthodoxie dauerhaít disqualiíizieren. legel aber war zunächst durchaus
nicht darauí ·orbereitet, ihm zu íolgen. Bisher hatte er sich darauí
·erlassen, da| die theoretischen Mittel der Kritik der reinen Vernunít
íür eine ·ollständige Lehre ·on der lreiheit ausreichen. Auí ihre
Anwendung dachte er sich zu beschränken. So konnte er Llemente der
neuen Sprache Schellings nur in einer \eise ·erwenden, die ·on deren
Sinn beträchtlich abwich und sie auí seinen eigenen Kantianismus
zurückbrachte, der nur inzwischen religionslos geworden war.
Zwar ist auch íür Schelling Gegenstand eines íreien Glaubens


63
In dieser Situation hielt sich legels Denken immerhin íür einige Jahre.
Lr selbst sah, da| ihre theoretischen Grenzen eng gezogen waren.
Doch íand er weder Anla| noch Aussicht, aus ihr herauszutreten. Um
so überraschender ist es, da| sich seine Uberzeugungen mit der
Ubersiedlung nach lrankíurt in ihren Grundlagen ·eränderten, - trotz
mancher Vorbereitung plotzlich und beinahe wie durch einen unbe-
greiílichen Bruch. Auí einem einzigen Blatt dokumentiert sich dieser
\andel: \ährend die erste lälíte des 1extes, der den
22 Ebd. S. 238
23 ßriefe rov vva av íeget I, 22..
24 Selbständige Vorbereitungen íür diesen Ubergang zu einem spino-zistisch gelesenen lichte lassen
sich in Schellings Kommentar zu den platonischen Dialogen 1imaios und Philebos erkennen, obwohl
sie ganz unter dem Linílu| Kants und ,in weit geringerem Ma|e, Reinholds stehen. ,Vgl. dazu meinen
Auísatz ·Der \eg des spekulati·en Idealismus· in: Jacob Zwillings Nachla|, hrsg. ·on D. lenrich
und C. Jamme, legel-Studien Beiheít 28, 1986, S. 8 5 íí.,
25 \\, ed. Schroter I, 22.
62
1itel Moratitat, íiebe, Retigiov erhielt, noch auí der kantischen Grundlage
argumentiert, ist in seiner zweiten lälíte eine ganz andere theoretische
Orientierung eingetreten.
26
Alleníalls einige \ochen konnen zwischen den
beiden Niederschriíten ·ergangen sein, die der lerausgeber als einen kon-
tinuierlichen 1ext hat mi|·erstehen konnen.
In diesem lragment stellt legel der subjekti·en lreiheit der praktischen
Vernunít ·Liebe· entgegen, welche die ganz andere und hohere lreiheit
hat, sich mit ihrem Gegenstand zu ··ereinigen·. Solche Vereinigung lä|t es
geschehen, da| »Natur lreiheit ist, da| Subjekt und Objekt nicht zu
trennen sind«

legel nennt sie noch immer, mit einem kantischen
Begriíí, ein ·Ideal·. Damit meint er aber nun nicht mehr einen Zweck, den
die praktische Vernunít wirklich werden lassen soll. Setzt doch gerade
dies Ideal der Vereinigung, das die Gegenwart eines Anderen ·on
gleichem Rechte und gleicher Bereitschaít ·oraussetzt, allem was praktische
Vernunít tätig wollen kann, unübersteigbare Grenzen.
Mit dieser Lehre ·on der anderen lreiheit der Liebe stellte sich legel in
einen 1raditionszusammenhang, der ·on Kant entweder ignoriert oder mit
leítigkeit bekämpít worden war. Seinen Ursprung hat er ebenso in
Platon wie im L·angelium des Johannes. Aus ihnen war er den jungen
Stiítlern ebenso ·ertraut wie aus den 1exten der Vereinigungsphilosophie
in der populären philosophischen Literatur ihres eigenen Jahrhunderts.
Aber selbst Schelling gewann Sukkurs íür seinen \eg über Kant hinaus
allein aus lichte und Spinoza, - nicht aus solchen Quellen. Line blo|e
Lrinnerung an diese 1radition kann also legels plotzlichen Abgang ·on
der kantischen Grundlage seiner Arbeit keineswegs erklären. Sie er-
klärt sich aus der Veränderung der Lebensumstände legels. Aus der Berner
Linsamkeit kam er in lrankíurt in einen neuen Kreis philo-
sophierender lreunde, der sich um lriedrich lolderlin gebildet hatte.
Sie waren legel in der Beziehung überlegen, die ihm selbst schon deutlich
als seine Schwäche ·or Augen stand: Sie hatten die neueste Lntwicklung der
philosophischen Spekulation mit·ollzogen. Linige ·on ihnen waren, wie
lolderlin selbst, in Jena gewesen, hatten bei lichte studiert und an den
Diskussionen in seinem Umkreis teilgenommen.
In der legelíorschung geht seit langem ein Streit über den Grad des
Linílusses, den lolderlin auí legel gehabt haben mag. Doch erst seit
kurzem kann er íür entschieden gelten: Ls sind Dokumente geíunden
worden, die beweisen, da| lolderlin zur Zeit seiner neuen Begegnung mit
legel über eine eigene philosophische Konzeption ·eríügte, - eine Kon-
zeption ·on Bedeutung und Originalität
28
Lr ist wirklich der erste
gewesen, der sich, nachdem er lichtes Schüler gewesen war, in
grundsätzlicher Kritik gegen ihn wandte und leugnete, da| sich das
absolute Ich als Prinzip der Philosophie gebrauchen lasse. Noch be·or
Schelling dies Ich über alle endliche Subjekti·ität hinausgehoben und in
Analogie zu Spinozas Substanz gebracht hatte, bestand lolderlin,
grundsätzlicher noch als er, darauí, da| Ichheit ebensowenig wie Selbstheit
den Aníang des Denkens mache. Denn die Bedeutungen ·on ·Ich· und ·on
·Subjekt· sind nicht ·oneinander abzutrennen. Da aber ·Subjekt· nur in der
Relation zu einem Gegenstand und somit niemals als absolut gedacht werden
kann, ist auch die Vorstellung ·on einem absoluten Ich sinnlos. So
kommt alles darauí an, beide, Subjekt wie Objekt, in ihrer Beschränkung zu
erkennen und Ursprung und Charakter dieser Beschränkung auszumachen.
lolderlin meint, da| beide nur aus einer Voraussetzung ·erständlich zu


65

26 íeget. tbeotogi.cbe ]vgeva.cbriftev, ´. 3¯4-3¯¯.

Ich schlage ·or, Seite 3¯6,¯¯ als selbständigen 1ext zu betrachten. Vgl. Gisela Schüler, Zvr
Cbrovotogie rov íeget. ]vgeva.cbriftev, in: íeget.tvaiev II, 1963 S, 131
28 Alle Nachweise íinden sich in D. lenrich, íötaertiv vber |rteit vva ´ei v, i n: íötaertiv;abrbvcb
1965,6, S. ¯3-96.
2¯ Lbd. , S. 3¯6.
64
1itel Moratitat, íiebe, Retigiov erhielt, noch auí der kantischen Grundlage
argumentiert, ist in seiner zweiten lälíte eine ganz andere theoretische
Orientierung eingetreten.
26
Alleníalls einige \ochen konnen zwischen den
beiden Niederschriíten ·ergangen sein, die der lerausgeber als einen kon-
tinuierlichen 1ext hat mi|·erstehen konnen.
In diesem lragment stellt legel der subjekti·en lreiheit der praktischen
Vernunít ·Liebe· entgegen, welche die ganz andere und hohere lreiheit
hat, sich mit ihrem Gegenstand zu ··ereinigen·. Solche Vereinigung lä|t es
geschehen, da| »Natur lreiheit ist, da| Subjekt und Objekt nicht zu
trennen sind«

legel nennt sie noch immer, mit einem kantischen
Begriíí, ein ·Ideal·. Damit meint er aber nun nicht mehr einen Zweck, den
die praktische Vernunít wirklich werden lassen soll. Setzt doch gerade
dies Ideal der Vereinigung, das die Gegenwart eines Anderen ·on
gleichem Rechte und gleicher Bereitschaít ·oraussetzt, allem was praktische
Vernunít tätig wollen kann, unübersteigbare Grenzen.
Mit dieser Lehre ·on der anderen lreiheit der Liebe stellte sich legel in
einen 1raditionszusammenhang, der ·on Kant entweder ignoriert oder mit
leítigkeit bekämpít worden war. Seinen Ursprung hat er ebenso in
Platon wie im L·angelium des Johannes. Aus ihnen war er den jungen
Stiítlern ebenso ·ertraut wie aus den 1exten der Vereinigungsphilosophie
in der populären philosophischen Literatur ihres eigenen Jahrhunderts.
Aber selbst Schelling gewann Sukkurs íür seinen \eg über Kant hinaus
allein aus lichte und Spinoza, - nicht aus solchen Quellen. Line blo|e
Lrinnerung an diese 1radition kann also legels plotzlichen Abgang ·on
der kantischen Grundlage seiner Arbeit keineswegs erklären. Sie er-
klärt sich aus der Veränderung der Lebensumstände legels. Aus der Berner
Linsamkeit kam er in lrankíurt in einen neuen Kreis philo-
sophierender lreunde, der sich um lriedrich lolderlin gebildet hatte.
Sie waren legel in der Beziehung überlegen, die ihm selbst schon deutlich
als seine Schwäche ·or Augen stand: Sie hatten die neueste Lntwicklung der
philosophischen Spekulation mit·ollzogen. Linige ·on ihnen waren, wie
lolderlin selbst, in Jena gewesen, hatten bei lichte studiert und an den
Diskussionen in seinem Umkreis teilgenommen.
In der legelíorschung geht seit langem ein Streit über den Grad des
Linílusses, den lolderlin auí legel gehabt haben mag. Doch erst seit
kurzem kann er íür entschieden gelten: Ls sind Dokumente geíunden
worden, die beweisen, da| lolderlin zur Zeit seiner neuen Begegnung mit
legel über eine eigene philosophische Konzeption ·eríügte, - eine Kon-
zeption ·on Bedeutung und Originalität
28
Lr ist wirklich der erste
gewesen, der sich, nachdem er lichtes Schüler gewesen war, in
grundsätzlicher Kritik gegen ihn wandte und leugnete, da| sich das
absolute Ich als Prinzip der Philosophie gebrauchen lasse. Noch be·or
Schelling dies Ich über alle endliche Subjekti·ität hinausgehoben und in
Analogie zu Spinozas Substanz gebracht hatte, bestand lolderlin,
grundsätzlicher noch als er, darauí, da| Ichheit ebensowenig wie Selbstheit
den Aníang des Denkens mache. Denn die Bedeutungen ·on ·Ich· und ·on
·Subjekt· sind nicht ·oneinander abzutrennen. Da aber ·Subjekt· nur in der
Relation zu einem Gegenstand und somit niemals als absolut gedacht werden
kann, ist auch die Vorstellung ·on einem absoluten Ich sinnlos. So
kommt alles darauí an, beide, Subjekt wie Objekt, in ihrer Beschränkung zu
erkennen und Ursprung und Charakter dieser Beschränkung auszumachen.
lolderlin meint, da| beide nur aus einer Voraussetzung ·erständlich zu


65

26 íeget. tbeotogi.cbe ]vgeva.cbriftev, ´. 3¯4-3¯¯.

Ich schlage ·or, Seite 3¯6,¯¯ als selbständigen 1ext zu betrachten. Vgl. Gisela Schüler, Zvr
Cbrovotogie rov íeget. ]vgeva.cbriftev, in: íeget.tvaiev II, 1963 S, 131
28 Alle Nachweise íinden sich in D. lenrich, íötaertiv vber |rteit vva ´ei v, i n: íötaertiv;abrbvcb
1965,6, S. ¯3-96.
2¯ Lbd. , S. 3¯6.
64
machen sind, die weder als Ich noch auch als Gegenstand íungiert.
lolderlin nennt sie ·Sein·. Dieses Sein ist, ähnlich wie lichte hinsichtlich
des absoluten Ich angenommen hatte, durch einen Akt der Reílexion in
einen Gegensatz auseinander gegangen. Und nun ist es Ziel alles \issens
und 1uns, zur Linheit zurückzukehren. Unser sittliches Bewu|tsein ist die
lorderung, sie wieder herzustellen. Da es aber, als Bewu|tsein, nur in
einem unendlichen Proze| dazu imstande wäre, mu| uns Ideal und
Gewi|heit der Linheit auí anderem \ege einleuchtend werden. Sie
spiegeln sich in der Natur, die nicht ganz in die 1rennung ·erloren ist,
treten als solche her·or in der Schonheit und werden ergriííen in Liebe.
das nunmehr gemeinsame Konzept zu seiner eigenen Philosophie und über
lolderlins Linsatz hinaus entwickelte, genug zu tun, die kantischen Linílüsse
in lolderlins írüher Vereinigungslehre wegzuarbeiten. Lin solcher Bruch, wie
er nach der Ankunít in lrankíurt eintrat, ist aber in legels phi-
losophischer Biographie nicht noch einmal zu konstatieren. Aus dem Begriíí
der Liebe geht durch den Begriíí des Lebens der des Geistes kontinuierlich
her·or.
Da| legels zweite, nach der Annahme der lerausíorderung durch Storr
wichtigste \endung unter dem Linílu| seiner lreunde geschah, hei|t
nicht, da| er sich nur íremder Linsicht akkommodierte. Vielmehr
entdeckte er im Denken ·on lolderlin und Sinclair ein Mittel, die beiden
Probleme seiner bisherigen Produkti·ität, die einander auszuschlie|en schie-
nen, in einem Gang zu losen: Die Orthodoxie lie| sich weiterhin als
Gegenbild der lreiheit ·erstehen, die nun zur Vereinigung
ungezwungener \esen gleichen Rechts geworden war. Diese Vereinigung
lie| sich aber auch beschreiben als das innere Band eines bürgerlichen
Zustandes, in dem eine Volksreligion moglich und zugleich legitimiert ist:
Der Macht der Vereinigung, die über allem endlichen Bewu|tsein ist, inne
zu werden und sie zu íeiern, kann und mu| Inhalt dieser Religion sein. Ihr
würde Rousseau nicht mehr ·orzuweríen haben, da| sie die Bürger täusche
und betrüge.
\eil lolderlins Stärke nicht in der Analyse ·on Begriííen und im
Auíbau ·on schlüssigen Argumenten lag, hat man írüher nicht leicht
zugeben konnen, da| er imstande war, den begriíísstarken legel zu
überzeugen. leute konnen wir aber besser sehen, wieso er dies dennoch
sehr wohl ·ermochte. lolderlins jüngerer lreund Sinclair hatte nämlich
dessen Ideen zu einem ausíührlichen Systementwurí ausgearbeitet. So
wurde legel im neuen lreundeskreis mit einem philosophischen System
konírontiert, das schon durch lichtes \issenschaítslehre hindurchgegangen
war und das sich somit auí der lohe der wissenschaítlichen Lntwicklung
der Zeit präsentieren konnte. \as Schellings Schriíten und der Brieíwechsel
mit ihm nur ·on lerne ·orbereiten konnten, hat der Umgang mit solchen
lreunden schnell zustandegebracht: legels Ubergang ·om
Kantianismus zu einer Position, die mit lichtes Mitteln über lichtes
Grundlegung hinausstrebte.
Dazu kommt, da| legel nun ein weiteres Moti· wieder auínehmen
'konnte, das in seinen írühesten Manuskripten am \erke gewesen war,
ohne da| es sich hätte ·on Kant herleiten lassen. In ihnen hatte legel
das Autonomieprinzip auí eine ihm eigentümliche \eise auígeía|t. lür Kant
war der kategorische Imperati· sowohl Prinzip der lreiheit als auch Grund ei-
ner Gesetzgebung, welche unser Leben unter strenge Regeln bringen soll.
Im Unterschied zu Kant, der auch personlich auí solche Lebensregulierung
gro|e Stücke hielt, nahm legel aus der Vernunítmoral weniger die Ge-
setzesethik als den Appell zur lreiheit und Spontaneität des landelns auí.

\ie sich zeigen lä|t, konnte legel da·on überzeugt werden, da| diese neue
Philosophie, die er im übrigen zunächst in reduzierter lorm übernahm,
auch den wichtigsten Argumenten Kants gerecht wurde. lolderlin selbst
hat in stetiger, bis in die \ahnsinnszeit andauernder Rücksicht auí Kant
gedacht. Und so hatte legel selbst in späteren Jahren, in denen er


66 6¯
machen sind, die weder als Ich noch auch als Gegenstand íungiert.
lolderlin nennt sie ·Sein·. Dieses Sein ist, ähnlich wie lichte hinsichtlich
des absoluten Ich angenommen hatte, durch einen Akt der Reílexion in
einen Gegensatz auseinander gegangen. Und nun ist es Ziel alles \issens
und 1uns, zur Linheit zurückzukehren. Unser sittliches Bewu|tsein ist die
lorderung, sie wieder herzustellen. Da es aber, als Bewu|tsein, nur in
einem unendlichen Proze| dazu imstande wäre, mu| uns Ideal und
Gewi|heit der Linheit auí anderem \ege einleuchtend werden. Sie
spiegeln sich in der Natur, die nicht ganz in die 1rennung ·erloren ist,
treten als solche her·or in der Schonheit und werden ergriííen in Liebe.
das nunmehr gemeinsame Konzept zu seiner eigenen Philosophie und über
lolderlins Linsatz hinaus entwickelte, genug zu tun, die kantischen Linílüsse
in lolderlins írüher Vereinigungslehre wegzuarbeiten. Lin solcher Bruch, wie
er nach der Ankunít in lrankíurt eintrat, ist aber in legels phi-
losophischer Biographie nicht noch einmal zu konstatieren. Aus dem Begriíí
der Liebe geht durch den Begriíí des Lebens der des Geistes kontinuierlich
her·or.
Da| legels zweite, nach der Annahme der lerausíorderung durch Storr
wichtigste \endung unter dem Linílu| seiner lreunde geschah, hei|t
nicht, da| er sich nur íremder Linsicht akkommodierte. Vielmehr
entdeckte er im Denken ·on lolderlin und Sinclair ein Mittel, die beiden
Probleme seiner bisherigen Produkti·ität, die einander auszuschlie|en schie-
nen, in einem Gang zu losen: Die Orthodoxie lie| sich weiterhin als
Gegenbild der lreiheit ·erstehen, die nun zur Vereinigung
ungezwungener \esen gleichen Rechts geworden war. Diese Vereinigung
lie| sich aber auch beschreiben als das innere Band eines bürgerlichen
Zustandes, in dem eine Volksreligion moglich und zugleich legitimiert ist:
Der Macht der Vereinigung, die über allem endlichen Bewu|tsein ist, inne
zu werden und sie zu íeiern, kann und mu| Inhalt dieser Religion sein. Ihr
würde Rousseau nicht mehr ·orzuweríen haben, da| sie die Bürger täusche
und betrüge.
\eil lolderlins Stärke nicht in der Analyse ·on Begriííen und im
Auíbau ·on schlüssigen Argumenten lag, hat man írüher nicht leicht
zugeben konnen, da| er imstande war, den begriíísstarken legel zu
überzeugen. leute konnen wir aber besser sehen, wieso er dies dennoch
sehr wohl ·ermochte. lolderlins jüngerer lreund Sinclair hatte nämlich
dessen Ideen zu einem ausíührlichen Systementwurí ausgearbeitet. So
wurde legel im neuen lreundeskreis mit einem philosophischen System
konírontiert, das schon durch lichtes \issenschaítslehre hindurchgegangen
war und das sich somit auí der lohe der wissenschaítlichen Lntwicklung
der Zeit präsentieren konnte. \as Schellings Schriíten und der Brieíwechsel
mit ihm nur ·on lerne ·orbereiten konnten, hat der Umgang mit solchen
lreunden schnell zustandegebracht: legels Ubergang ·om
Kantianismus zu einer Position, die mit lichtes Mitteln über lichtes
Grundlegung hinausstrebte.
Dazu kommt, da| legel nun ein weiteres Moti· wieder auínehmen
'konnte, das in seinen írühesten Manuskripten am \erke gewesen war,
ohne da| es sich hätte ·on Kant herleiten lassen. In ihnen hatte legel
das Autonomieprinzip auí eine ihm eigentümliche \eise auígeía|t. lür Kant
war der kategorische Imperati· sowohl Prinzip der lreiheit als auch Grund ei-
ner Gesetzgebung, welche unser Leben unter strenge Regeln bringen soll.
Im Unterschied zu Kant, der auch personlich auí solche Lebensregulierung
gro|e Stücke hielt, nahm legel aus der Vernunítmoral weniger die Ge-
setzesethik als den Appell zur lreiheit und Spontaneität des landelns auí.

\ie sich zeigen lä|t, konnte legel da·on überzeugt werden, da| diese neue
Philosophie, die er im übrigen zunächst in reduzierter lorm übernahm,
auch den wichtigsten Argumenten Kants gerecht wurde. lolderlin selbst
hat in stetiger, bis in die \ahnsinnszeit andauernder Rücksicht auí Kant
gedacht. Und so hatte legel selbst in späteren Jahren, in denen er


66 6¯
Seine Absicht war es überhaupt, dein eigentlich menschlichen Leben íreie
Lntíaltung zu ·erschaííen und allen Ordnungen, die es unter einen Zwang
stellen, ihren Rechtsgrund zu entziehen. Und der Sinn seines
lreundschaítsbundes mit Schelling und lolderlin war ihm, »lrieden mit der
Satzung, die Meinung und Lmpíindung regelt, nie nie einzugehen«
29
. In
diesem Auístand gegen alle ·lesseln·
30
war ihm wiederum Rousseau die
wirksamste Lrmutigung. So hat er sich ihm auch dort angeschlossen, wo Kant
mit ihm nicht übereinstimmen konnte. Rousseau war bekanntlich in der Lthik
der Moral Sense-Philosophy geíolgt und hatte, anders als Kant, zwischen
unserem Bewu|tsein der lreiheit und ursprünglichen Regungen und
Lmpíindungen unseres lerzens keinen Unterschied gemacht. Der junge
legel war darin ganz mit ihm ein·erstanden. Und er nahm sich das Recht, die
kantische Autonomie auch als Spontaneität unseres Lmpíindens und als
urbane, írohe lreiheit des Umgangs in einem republikanischen Staate zu
interpretieren. Im kirchlichen Lehrsystem íand er am ansto|igsten dessen
Asketik, - die Lehrdisziplin, die über Moti·e des Glaubens und des gott-
geíälligen Lebens handelt und über die \eise, wie sie zur \irksamkeit ge-
bracht werden konnen. So erklärt sich auch sein Interesse íür die Psychologie.
Denn »nichts hat der Monchsasketik |...| so sehr geschadet als die gro|ere
Ausbildung des moralischen Sinnes unter den Menschen und die bessere
Kenntnis der Natur der menschlichen Seele«
31
. Mit dem orthodoxen System
ist eine bestimmte lorm der Asketik notwendig ·erbunden, welche es aus-
schlie|t, da| der Mensch spontan und aus sich selbst tätig ist. Um Schriít und
Gesetz ihre Autorität zu wahren, mu| er ·eranla|t werden, alle seine spon-
tanen Moti·e zu ·erdächtigen und in künstliche Regulierungen zu pressen.
Kein íreies Verhältnis, weder zu sich noch zur Gottheit, wird ihm
zugestanden.
So hatte legel írüh schon in die kantische 1heorie Sach·erhalte
hineingedacht, die sie nicht widerstandslos rezipiert und um derentwillen er
doch Kants Philosophie der Spontaneität überzeugend geíunden hatte. Alles,
was Zwangssystemen sich entzieht, schien ihm auch durch Kant ·erteidigt zu
sein, - nicht nur ungezwungene Lmpíindungen, auch der Sinn íür die
Schonheiten der Natur, jedes Verlangen nach ungebotener Vereinigung und
lingabe, der Geist griechischer leste in einem íreien Staat. Deshalb sah er
auch, wie die meisten seiner Generation, keinen ausschlie|enden Gegensatz
zwischen Spinozas 1heorie einer der \elt immanenten Vernunít-
notwendigkeit und Kants Vernunítmoral. \ährend Kant nur erklären konnte,
keinerlei Verständnis íür den Versuch zu haben, seine Kritik mit Spinoza in
Verbindung zu bringen
32
, waren beide in gleicher \eise íür die jungen
1übinger Opponenten gegen Asketik und Regulationsmoral. Ob das Absolute
in der \elt gegenwärtig ist und sich somit auch in meinem Leben entíaltet
oder ob absolut nur das Gesetz meines \illens ist: íür die Orthodoxie
bedeutet beides gleich·iel: - die Vernichtung aller ihrer Ansprüche auí die
Autorität einer \ahrheit, die ·on au|en an uns herangebracht werden mu|.
So ist es ·erständlich, da| legel aus eigener Uberzeugung die theoretischen
Mittel akzeptierte, die lolderlin mit Sinclair im Anschlu| an lichte erarbeitet
hatte. Dienten sie doch dem gemeinsamen Zweck, lreiheit der Lmpíindung
und Schonheit des Lebens in Gedanken zu sichern. lolderlin hatte
eingesehen, da| dazu auch eine Re·ision ·on lichtes lreiheitsphilosophie
notwendig war, die zwar alles auí Spontaneität gestellt hatte, lreiheit ·on
Regulation aber nicht konsequent hatte scheiden konnen.

69

29 ßriefe rov vva av íeget, 1 38.

30 Leutwein über legel, a.a.O. S. 56. Vgl. íeget. tbeotogi.cbe ]vgeva· .cbriftev, S. 6 u. a.
32 Vgl. Kants Abhandlung !a. bei;t .icb iv Dev/ev orievtierev. aus dem Jahre 1¯86. 31 Lbd. S. 208.
68
Seine Absicht war es überhaupt, dein eigentlich menschlichen Leben íreie
Lntíaltung zu ·erschaííen und allen Ordnungen, die es unter einen Zwang
stellen, ihren Rechtsgrund zu entziehen. Und der Sinn seines
lreundschaítsbundes mit Schelling und lolderlin war ihm, »lrieden mit der
Satzung, die Meinung und Lmpíindung regelt, nie nie einzugehen«
29
. In
diesem Auístand gegen alle ·lesseln·
30
war ihm wiederum Rousseau die
wirksamste Lrmutigung. So hat er sich ihm auch dort angeschlossen, wo Kant
mit ihm nicht übereinstimmen konnte. Rousseau war bekanntlich in der Lthik
der Moral Sense-Philosophy geíolgt und hatte, anders als Kant, zwischen
unserem Bewu|tsein der lreiheit und ursprünglichen Regungen und
Lmpíindungen unseres lerzens keinen Unterschied gemacht. Der junge
legel war darin ganz mit ihm ein·erstanden. Und er nahm sich das Recht, die
kantische Autonomie auch als Spontaneität unseres Lmpíindens und als
urbane, írohe lreiheit des Umgangs in einem republikanischen Staate zu
interpretieren. Im kirchlichen Lehrsystem íand er am ansto|igsten dessen
Asketik, - die Lehrdisziplin, die über Moti·e des Glaubens und des gott-
geíälligen Lebens handelt und über die \eise, wie sie zur \irksamkeit ge-
bracht werden konnen. So erklärt sich auch sein Interesse íür die Psychologie.
Denn »nichts hat der Monchsasketik |...| so sehr geschadet als die gro|ere
Ausbildung des moralischen Sinnes unter den Menschen und die bessere
Kenntnis der Natur der menschlichen Seele«
31
. Mit dem orthodoxen System
ist eine bestimmte lorm der Asketik notwendig ·erbunden, welche es aus-
schlie|t, da| der Mensch spontan und aus sich selbst tätig ist. Um Schriít und
Gesetz ihre Autorität zu wahren, mu| er ·eranla|t werden, alle seine spon-
tanen Moti·e zu ·erdächtigen und in künstliche Regulierungen zu pressen.
Kein íreies Verhältnis, weder zu sich noch zur Gottheit, wird ihm
zugestanden.
So hatte legel írüh schon in die kantische 1heorie Sach·erhalte
hineingedacht, die sie nicht widerstandslos rezipiert und um derentwillen er
doch Kants Philosophie der Spontaneität überzeugend geíunden hatte. Alles,
was Zwangssystemen sich entzieht, schien ihm auch durch Kant ·erteidigt zu
sein, - nicht nur ungezwungene Lmpíindungen, auch der Sinn íür die
Schonheiten der Natur, jedes Verlangen nach ungebotener Vereinigung und
lingabe, der Geist griechischer leste in einem íreien Staat. Deshalb sah er
auch, wie die meisten seiner Generation, keinen ausschlie|enden Gegensatz
zwischen Spinozas 1heorie einer der \elt immanenten Vernunít-
notwendigkeit und Kants Vernunítmoral. \ährend Kant nur erklären konnte,
keinerlei Verständnis íür den Versuch zu haben, seine Kritik mit Spinoza in
Verbindung zu bringen
32
, waren beide in gleicher \eise íür die jungen
1übinger Opponenten gegen Asketik und Regulationsmoral. Ob das Absolute
in der \elt gegenwärtig ist und sich somit auch in meinem Leben entíaltet
oder ob absolut nur das Gesetz meines \illens ist: íür die Orthodoxie
bedeutet beides gleich·iel: - die Vernichtung aller ihrer Ansprüche auí die
Autorität einer \ahrheit, die ·on au|en an uns herangebracht werden mu|.
So ist es ·erständlich, da| legel aus eigener Uberzeugung die theoretischen
Mittel akzeptierte, die lolderlin mit Sinclair im Anschlu| an lichte erarbeitet
hatte. Dienten sie doch dem gemeinsamen Zweck, lreiheit der Lmpíindung
und Schonheit des Lebens in Gedanken zu sichern. lolderlin hatte
eingesehen, da| dazu auch eine Re·ision ·on lichtes lreiheitsphilosophie
notwendig war, die zwar alles auí Spontaneität gestellt hatte, lreiheit ·on
Regulation aber nicht konsequent hatte scheiden konnen.

69

29 ßriefe rov vva av íeget, 1 38.

30 Leutwein über legel, a.a.O. S. 56. Vgl. íeget. tbeotogi.cbe ]vgeva· .cbriftev, S. 6 u. a.
32 Vgl. Kants Abhandlung !a. bei;t .icb iv Dev/ev orievtierev. aus dem Jahre 1¯86. 31 Lbd. S. 208.
68
Mit der Umwendung zu lolderlin war legel wieder in den Besitz einer
Philosophie der Religion gekommen: In der Religion wird die Macht der
íreien Vereinigung, die selbst aller Gegenständlichkeit ·orausliegt, ins
Bewu|tsein erhoben und zur beständigen, nie in der Lndlichkeit und Prosa
des Alltags ·erlorenen Grundlage eines Lebens gemacht. \as uns ·or aller
Lntgegensetzung und in den Lntgegensetzungen, in die wir geraten, eigentlich
bestimmt, tritt in der Religion als solches her·or.
Doch diese Philosophie des Uberstiegs über das endliche Bewu|tsein auí sein
\esen hin und auí seinen Grund, der doch ohne Preisgabe des Bewu|tseins
eríolgt, ist noch weit entíernt ·on legels reiíer 1heorie der Religion.
Insbesondere ist sie noch immer orientiert auí griechisches Leben und
griechischen Gottesdienst. Sie íolgt Rousseaus 1raum ·on der \iedergeburt
der Politie und ·ersteht selbst Christus noch als den unglücklichen und
unkonsequenten Restaurator griechischer Schonheit unter Bedingungen, die
solchem Unteríangen schlechthin íeindlich waren.
So bliebe zu erklären, wieso legels reiíes Denken zur Apologie des
christlichen Gottes und der modernen \elt geworden ist. Line solche
Lrklärung mü|te nicht ein weiteres Mal den inneren Zusammenhang seiner
Arbeit ·erlassen, um historische Voraussetzungen zu ·erdeutlichen, die
\en-dungen in ihr ebenso ·eranla|t hätten wie Storrs Angriíí auí Kant und
lolderlins neues Denken. In einsichtiger lolge, obgleich in angespannter
Konsequenz, die nichts mit ruhiger Schreib- tischkontinuität gemein hat,
ergab sich ihm aus dem Gedanken ·om Uberstieg des Bewu|tseins in ihm
selber die Struktur des Systems und die Linsicht in die Vernunít der Mo-
derne. Mit beidem kam er, obgleich hinter den lreunden zunächst weit zu-
rück, zuletzt doch über deren \ahrheit in mehr als einer Beziehung hinaus.
Zur Antwort auí die lrage, wieso dies moglich war, mag eine letzte Uber-
legung beitragen: legel hat mit einem Nachdruck, den man bei lolderlin
so wenig wie bei Schelling íinden wird, ein Grundproblem aller Philosophie
der Vereinigung auígenommen: \ie es sich denn ·erstehen lasse, da|
Lndliches entsteht, das doch ·on aller Vereinigung ·orausgesetzt werden
mu|, - und wie es als solches in der Vereinigung Bestand hat. Ist doch ohne
dies Bestehen ·on Vereinigung gar nicht zu reden, statt dessen besser ·om
Schlund des Orkus und der Nacht der Vernichtung in leerer Unendlichkeit.
lragt man, wie gerade legel dazu kam, an dieser lrage be- harrlich
íestzuhalten, so wird man in írüheste Moti·e aller seiner Arbeit
zurückgewiesen. In ihnen haben somit die Strukturen seines reiíen logischen
Systems einen unwegdenkbaren Grund. Solche Strukturen begannen bereits
her·orzutreten, als legel sich noch ganz in den Grenzen ·on Kants Kritik
halten wollte, - in 1übingen und ·or dem Angriíí Storrs, der auch legel in die
Philosophie trieb. Ohne spätere Lreignisse auí legels \eg wären sie
womoglich íolgenlos geblieben. So aber stehen sie mit daíür, da| wir uns
seiner zu erinnern haben.
legel hat schon als Student eine Methode der Kritik der Kirchenlehre ins
Auge geía|t, die sich ·on der Schellings un- terschied und die auch in seinem
weiteren Umkreis ohne Vorbild war, obgleich sie nur die in der Generation
·or ihm entwickelten Veríahren der Kritik, - eigentümlich miteinander
·erbunden - ins Spiel brachte: Die írühen Manuskripte aus 1übingen und
Bern bemühen sich zwar ·or allem darum, den rechten Sinn spontanen
Lebens und íreier Sittlichkeit gegen die íalsche Asketik der Orthodoxie zu
sichern. Sie haben aber noch eine weitere Absicht: begreiílich zu machen, rie
e. aa¸v /ovvev /ovvte, da| aus der christlichen lreiheitslehre das
Zwangssystem der Kirche wurde. Um dieses Programm durchzuíühren,
·erwendete legel seine historischen Studien, die Staats- und
Gesellschaítstheorie seiner Zeit und insbesondere die pragmatisch-moralische
Psychologie, die schon Gottlob Paulus als Mittel theologischer Auíklärung
¯0 ¯1
Mit der Umwendung zu lolderlin war legel wieder in den Besitz einer
Philosophie der Religion gekommen: In der Religion wird die Macht der
íreien Vereinigung, die selbst aller Gegenständlichkeit ·orausliegt, ins
Bewu|tsein erhoben und zur beständigen, nie in der Lndlichkeit und Prosa
des Alltags ·erlorenen Grundlage eines Lebens gemacht. \as uns ·or aller
Lntgegensetzung und in den Lntgegensetzungen, in die wir geraten, eigentlich
bestimmt, tritt in der Religion als solches her·or.
Doch diese Philosophie des Uberstiegs über das endliche Bewu|tsein auí sein
\esen hin und auí seinen Grund, der doch ohne Preisgabe des Bewu|tseins
eríolgt, ist noch weit entíernt ·on legels reiíer 1heorie der Religion.
Insbesondere ist sie noch immer orientiert auí griechisches Leben und
griechischen Gottesdienst. Sie íolgt Rousseaus 1raum ·on der \iedergeburt
der Politie und ·ersteht selbst Christus noch als den unglücklichen und
unkonsequenten Restaurator griechischer Schonheit unter Bedingungen, die
solchem Unteríangen schlechthin íeindlich waren.
So bliebe zu erklären, wieso legels reiíes Denken zur Apologie des
christlichen Gottes und der modernen \elt geworden ist. Line solche
Lrklärung mü|te nicht ein weiteres Mal den inneren Zusammenhang seiner
Arbeit ·erlassen, um historische Voraussetzungen zu ·erdeutlichen, die
\en-dungen in ihr ebenso ·eranla|t hätten wie Storrs Angriíí auí Kant und
lolderlins neues Denken. In einsichtiger lolge, obgleich in angespannter
Konsequenz, die nichts mit ruhiger Schreib- tischkontinuität gemein hat,
ergab sich ihm aus dem Gedanken ·om Uberstieg des Bewu|tseins in ihm
selber die Struktur des Systems und die Linsicht in die Vernunít der Mo-
derne. Mit beidem kam er, obgleich hinter den lreunden zunächst weit zu-
rück, zuletzt doch über deren \ahrheit in mehr als einer Beziehung hinaus.
Zur Antwort auí die lrage, wieso dies moglich war, mag eine letzte Uber-
legung beitragen: legel hat mit einem Nachdruck, den man bei lolderlin
so wenig wie bei Schelling íinden wird, ein Grundproblem aller Philosophie
der Vereinigung auígenommen: \ie es sich denn ·erstehen lasse, da|
Lndliches entsteht, das doch ·on aller Vereinigung ·orausgesetzt werden
mu|, - und wie es als solches in der Vereinigung Bestand hat. Ist doch ohne
dies Bestehen ·on Vereinigung gar nicht zu reden, statt dessen besser ·om
Schlund des Orkus und der Nacht der Vernichtung in leerer Unendlichkeit.
lragt man, wie gerade legel dazu kam, an dieser lrage be- harrlich
íestzuhalten, so wird man in írüheste Moti·e aller seiner Arbeit
zurückgewiesen. In ihnen haben somit die Strukturen seines reiíen logischen
Systems einen unwegdenkbaren Grund. Solche Strukturen begannen bereits
her·orzutreten, als legel sich noch ganz in den Grenzen ·on Kants Kritik
halten wollte, - in 1übingen und ·or dem Angriíí Storrs, der auch legel in die
Philosophie trieb. Ohne spätere Lreignisse auí legels \eg wären sie
womoglich íolgenlos geblieben. So aber stehen sie mit daíür, da| wir uns
seiner zu erinnern haben.
legel hat schon als Student eine Methode der Kritik der Kirchenlehre ins
Auge geía|t, die sich ·on der Schellings un- terschied und die auch in seinem
weiteren Umkreis ohne Vorbild war, obgleich sie nur die in der Generation
·or ihm entwickelten Veríahren der Kritik, - eigentümlich miteinander
·erbunden - ins Spiel brachte: Die írühen Manuskripte aus 1übingen und
Bern bemühen sich zwar ·or allem darum, den rechten Sinn spontanen
Lebens und íreier Sittlichkeit gegen die íalsche Asketik der Orthodoxie zu
sichern. Sie haben aber noch eine weitere Absicht: begreiílich zu machen, rie
e. aa¸v /ovvev /ovvte, da| aus der christlichen lreiheitslehre das
Zwangssystem der Kirche wurde. Um dieses Programm durchzuíühren,
·erwendete legel seine historischen Studien, die Staats- und
Gesellschaítstheorie seiner Zeit und insbesondere die pragmatisch-moralische
Psychologie, die schon Gottlob Paulus als Mittel theologischer Auíklärung
¯0 ¯1
Aníang und Methode der Logik
empíohlen hatte. In diesem Medium entíaltete sich, wie in einem Modell, die
Vorstellung ·on einem Proze|, in dem íreie Selbstbeziehung aus sich heraus
zu einer Beziehung zu lremdem wird, unter dessen lerrschaít sie gerät, - um
sich schlie|lich wiederum aus ihr zurückzuholen und íortan nur in sich selber
zu ruhen.
Lin Kommentar zu legels íogi/, der mit den \erken ·on Corníord, Ross,
Vaihinger und Paton zu ·ergleichen wäre, ist bisher nicht geschrieben worden.
Selbst legels eigene Schule hat keinen Versuch unternommen, die
Ableitungen ·on spekulati·en Gedankenbestimmungen in diesem \erk im
Linzelnen zu analysieren. In einer \eise, die auch heute durchaus noch
·orherrscht, hat sie sich darauí beschränkt, den Gang des Ganzen ins Auge zu
íassen, legels 1hesen zu ·ariieren und sie durch Rück·erweise und Vorblicke
einleuchtender zu machen. Alternati·en íür die Interpretation schwieriger
1extstücke, unter denen mit Gründen entschieden werden konnte, wurden
nirgends entwickelt. Daraus ergibt sich zum einen, da| der Spielraum, der mit
einem solchen Veríahren der Impression des Verstehenden eingeräumt wird,
sehr gro| ist, zum anderen, da| die Argumente der Kritiker keinen
hinreichend bestimmten Ansatzpunkt íinden und deshalb gezwungen sind,
sich ebenso wie die Interpretation allein dem Ganzen des Systems
zuzuwenden. legelinterpretation und legelkritik konnen auí diese \eise
kaum in ein íruchtbares Verhältnis zueinander kommen.
legels Logik hat später diesen Proze| als den Zusammen- hang ·on
Reílexion in sich und äu|erer Reílexion zu einem Begriíí des ·\esens· und
damit des geschichtlichen Geistes selber gemacht. Zu·or aber moti·ierte der
Gedanke an diesen Proze| legel dazu, an lolderlin die lrage nach der
lerkunít un·ereinigter Mannigíaltigkeit zu richten. Keinen Begriíí ·on
Linheitsgrund und Vereinigung konnte er zulassen, die es unmoglich machen,
auí diese lrage Antwort zu geben. Zuletzt ist sie eive lrage mit der nach dem
Ursprung ·on Lntíremdung und Vereinzelung, íür die in christlicher Sprache
das \ort ·Sünde· steht, - die Voraussetzung dessen, was die Vereinigung zur
Versohnung werden lä|t. So wuchs in legels írühestem Kampí gegen die
Orthodoxie, den er, zurückgeblieben hinter seinen lreunden, in der Berner
Linsamkeit weiteríührte, zugleich die \urzel zum bedeutendsten Denken der
kommenden Lpoche.
Die einzige Ausnahme in dieser Bilanz ist die Diskussion über den Aníang der
!i..ev.cbaft aer íogi/ und über die Lntwicklung ihrer drei ersten Kategorien.
Schon zu legels Lebzeiten gerieten seine Schüler mit seinen Gegnern in einen
Streit über die lrage, welches der Sinn der beíremdlichen Rede sei, da| das
Sein, als unbestimmte Unmittelbarkeit, ebenso als Nichts gedacht werden
müsse und da| beide, insoíern sie jeweils in ihrem Gegenteil ·erschwinden,
ihre \ahrheit im Gedanken des \erdens haben.
Nun schei nt es zunächst, da| die Schwierigkeiten, diesen Aníang
zu ·erstehen, gering sind im Vergleich mit jenen, die

¯2 ¯3
Aníang und Methode der Logik
empíohlen hatte. In diesem Medium entíaltete sich, wie in einem Modell, die
Vorstellung ·on einem Proze|, in dem íreie Selbstbeziehung aus sich heraus
zu einer Beziehung zu lremdem wird, unter dessen lerrschaít sie gerät, - um
sich schlie|lich wiederum aus ihr zurückzuholen und íortan nur in sich selber
zu ruhen.
Lin Kommentar zu legels íogi/, der mit den \erken ·on Corníord, Ross,
Vaihinger und Paton zu ·ergleichen wäre, ist bisher nicht geschrieben worden.
Selbst legels eigene Schule hat keinen Versuch unternommen, die
Ableitungen ·on spekulati·en Gedankenbestimmungen in diesem \erk im
Linzelnen zu analysieren. In einer \eise, die auch heute durchaus noch
·orherrscht, hat sie sich darauí beschränkt, den Gang des Ganzen ins Auge zu
íassen, legels 1hesen zu ·ariieren und sie durch Rück·erweise und Vorblicke
einleuchtender zu machen. Alternati·en íür die Interpretation schwieriger
1extstücke, unter denen mit Gründen entschieden werden konnte, wurden
nirgends entwickelt. Daraus ergibt sich zum einen, da| der Spielraum, der mit
einem solchen Veríahren der Impression des Verstehenden eingeräumt wird,
sehr gro| ist, zum anderen, da| die Argumente der Kritiker keinen
hinreichend bestimmten Ansatzpunkt íinden und deshalb gezwungen sind,
sich ebenso wie die Interpretation allein dem Ganzen des Systems
zuzuwenden. legelinterpretation und legelkritik konnen auí diese \eise
kaum in ein íruchtbares Verhältnis zueinander kommen.
legels Logik hat später diesen Proze| als den Zusammen- hang ·on
Reílexion in sich und äu|erer Reílexion zu einem Begriíí des ·\esens· und
damit des geschichtlichen Geistes selber gemacht. Zu·or aber moti·ierte der
Gedanke an diesen Proze| legel dazu, an lolderlin die lrage nach der
lerkunít un·ereinigter Mannigíaltigkeit zu richten. Keinen Begriíí ·on
Linheitsgrund und Vereinigung konnte er zulassen, die es unmoglich machen,
auí diese lrage Antwort zu geben. Zuletzt ist sie eive lrage mit der nach dem
Ursprung ·on Lntíremdung und Vereinzelung, íür die in christlicher Sprache
das \ort ·Sünde· steht, - die Voraussetzung dessen, was die Vereinigung zur
Versohnung werden lä|t. So wuchs in legels írühestem Kampí gegen die
Orthodoxie, den er, zurückgeblieben hinter seinen lreunden, in der Berner
Linsamkeit weiteríührte, zugleich die \urzel zum bedeutendsten Denken der
kommenden Lpoche.
Die einzige Ausnahme in dieser Bilanz ist die Diskussion über den Aníang der
!i..ev.cbaft aer íogi/ und über die Lntwicklung ihrer drei ersten Kategorien.
Schon zu legels Lebzeiten gerieten seine Schüler mit seinen Gegnern in einen
Streit über die lrage, welches der Sinn der beíremdlichen Rede sei, da| das
Sein, als unbestimmte Unmittelbarkeit, ebenso als Nichts gedacht werden
müsse und da| beide, insoíern sie jeweils in ihrem Gegenteil ·erschwinden,
ihre \ahrheit im Gedanken des \erdens haben.
Nun schei nt es zunächst, da| die Schwierigkeiten, diesen Aníang
zu ·erstehen, gering sind im Vergleich mit jenen, die

¯2 ¯3
sich aus späteren Deduktionen ergeben, ·or allem aus denen der Logik der
Reílexionsbestimmungen. Sie scheint des Kommentars ungleich bedürítiger
zu sein, weil sie sehr ·iel hohere Aníorderungen an das
Abstraktions·ermogen stellt. \er sie ·erstanden hat, konnte wohl zu der
Meinung neigen, die Logik des Aníangs sei elementar und im lormalen
wenig problematisch. Das besondere Interesse gerade íür diesen Aníang
wird ihm dann als ein Anzeichen mangelnder Vertrautheit mit legels
Logik und einer archaischen Lntwicklungsstuíe ihrer Interpretation
erscheinen.
wenn man auí mehrere Lehrstücke eingeht, die in ganz anderem
Zusammenhang ihre Stelle haben. Die Interpretation nies Aníangs kann
deshalb auch nur gelingen, wenn man den Gesamtzusammenhang und die
Methode der Lntwicklung reiner Gedankenbestimmungen überschaut und
sich nicht auí die bekannte 1hese ·on der rückläuíigen Begründung des An-
íangs aus dem Schlu| der Logik beschränkt. Im lolgenden soll gezeigt
werden, in welchem Sinne dies der lall ist.
Das soll in zwei Gängen geschehen. Der erste ·on ihnen behandelt die
·erschiedenen lormen ·on Kritik, die an legels Lehre ·on der Linheit
·on Sein und Nichts geübt worden ist. Lr bereitet den zweiten ·or, der
·ersucht, den Sinn jener Lehre und der Argumente, die legel zu ihrer
Begründung gegeben hat, genauer zu bestimme.
2

Dieser Anschein besteht nicht zu Unrecht. Lr entspricht aber doch nicht der
Problematik der Logik in ihrem ganzen Umíang. Ls triíít zu, da| die
Logik der Reílexion wegen der eigentümlichen Verschränkung aller ihrer
Bestimmungen nur sehr schwer losbare Interpretationsauígaben stellt.
legel selbst hat sie den schwersten 1eil der Logik genannt.
1
Der
Aníang der Logik enthält aber Schwierigkeiten ·on ganz anderer und in
gewissem Sinne ·on entgegengesetzter Art. Sie ergeben sich gerade aus
dem un·ermittelten Ubergang ·on Sein zu Nichts und aus der lapidaren
Kürze, in der er ·ollzogen wird. Ls ist nicht leicht, die Natur dieses
Ubergangs richtig zu íassen und die Mittel zu ·erstehen, mit denen le-
gel ihn begründet hat. Nur deshalb war es auch moglich, gerade gegen
ihn eine bemerkenswerte Anzahl scheinbar plausibler Linwände
·orzubringen, durch die legels konser·ati·e Schüler in keine geringere
Verlegenheit gesetzt worden sind.
1. Die Kritik am Aníang
Man mu| zwei Grundgestalten der Kritik am Aníang der Logik
unterscheiden. Die eine will sich auí den Standpunkt legels stellen
und zeigen, da| ·on ihm aus kein lortschritt des Gedankens moglich
ist, im besonderen nicht zur Linheit ·on Sein und Nichts. Sie hat
zuletzt den Nachweis zum Ziel, da| die spekulati·e Dialektik keine
haltbare Methode ist. Die andere meint, um der Konsequenz des
Systems willen müsse man die Dialektik des Aníangs in der Gestalt,
die sie ·on legel erhielt, preisgeben. Sie wird ·on nahezu allen
Schülern und Nachíolgern legels geteilt, wenn auch mit ·er-
Aber nicht nur die besondere Struktur, sondern auch die ausgezeichnete
methodische Bedeutung des ersten Kapitels der íogi/ rechtíertigen das
Interesse, das die Schule legels - aus welchen Gründen immer - gerade íür
es gezeigt hat. Die Reílexionslogik ist nämlich einer immanenten Deutung
íähig. Die Logik des reinen Seins kann aber nur ·erstanden werden,


¯5

2 In dem íolgenden ersten Beitrag zu einem Logikkommentar, der noch geschrieben werden mu|,
ist nur die Literatur des i9. Jahrhunderts berücksichtigt. Nicht nur der Umstand, da| sie in
Vergessenheit geraten ist, rechtíertigen diese Beschränkung. Sie hat auch die elementaren lormen
der Gründe gegen legel so ·ollständig entwickelt, da| seither nichts wirklich Neues zu ihnen
hinzugetreten ist. 1 legel, ív¸,/to¡aaie aer ¡bito.o¡bi.cbev !i..ev.cbaftev iv Crvvari..e, ¸ 114
¯4
sich aus späteren Deduktionen ergeben, ·or allem aus denen der Logik der
Reílexionsbestimmungen. Sie scheint des Kommentars ungleich bedürítiger
zu sein, weil sie sehr ·iel hohere Aníorderungen an das
Abstraktions·ermogen stellt. \er sie ·erstanden hat, konnte wohl zu der
Meinung neigen, die Logik des Aníangs sei elementar und im lormalen
wenig problematisch. Das besondere Interesse gerade íür diesen Aníang
wird ihm dann als ein Anzeichen mangelnder Vertrautheit mit legels
Logik und einer archaischen Lntwicklungsstuíe ihrer Interpretation
erscheinen.
wenn man auí mehrere Lehrstücke eingeht, die in ganz anderem
Zusammenhang ihre Stelle haben. Die Interpretation nies Aníangs kann
deshalb auch nur gelingen, wenn man den Gesamtzusammenhang und die
Methode der Lntwicklung reiner Gedankenbestimmungen überschaut und
sich nicht auí die bekannte 1hese ·on der rückläuíigen Begründung des An-
íangs aus dem Schlu| der Logik beschränkt. Im lolgenden soll gezeigt
werden, in welchem Sinne dies der lall ist.
Das soll in zwei Gängen geschehen. Der erste ·on ihnen behandelt die
·erschiedenen lormen ·on Kritik, die an legels Lehre ·on der Linheit
·on Sein und Nichts geübt worden ist. Lr bereitet den zweiten ·or, der
·ersucht, den Sinn jener Lehre und der Argumente, die legel zu ihrer
Begründung gegeben hat, genauer zu bestimme.
2

Dieser Anschein besteht nicht zu Unrecht. Lr entspricht aber doch nicht der
Problematik der Logik in ihrem ganzen Umíang. Ls triíít zu, da| die
Logik der Reílexion wegen der eigentümlichen Verschränkung aller ihrer
Bestimmungen nur sehr schwer losbare Interpretationsauígaben stellt.
legel selbst hat sie den schwersten 1eil der Logik genannt.
1
Der
Aníang der Logik enthält aber Schwierigkeiten ·on ganz anderer und in
gewissem Sinne ·on entgegengesetzter Art. Sie ergeben sich gerade aus
dem un·ermittelten Ubergang ·on Sein zu Nichts und aus der lapidaren
Kürze, in der er ·ollzogen wird. Ls ist nicht leicht, die Natur dieses
Ubergangs richtig zu íassen und die Mittel zu ·erstehen, mit denen le-
gel ihn begründet hat. Nur deshalb war es auch moglich, gerade gegen
ihn eine bemerkenswerte Anzahl scheinbar plausibler Linwände
·orzubringen, durch die legels konser·ati·e Schüler in keine geringere
Verlegenheit gesetzt worden sind.
1. Die Kritik am Aníang
Man mu| zwei Grundgestalten der Kritik am Aníang der Logik
unterscheiden. Die eine will sich auí den Standpunkt legels stellen
und zeigen, da| ·on ihm aus kein lortschritt des Gedankens moglich
ist, im besonderen nicht zur Linheit ·on Sein und Nichts. Sie hat
zuletzt den Nachweis zum Ziel, da| die spekulati·e Dialektik keine
haltbare Methode ist. Die andere meint, um der Konsequenz des
Systems willen müsse man die Dialektik des Aníangs in der Gestalt,
die sie ·on legel erhielt, preisgeben. Sie wird ·on nahezu allen
Schülern und Nachíolgern legels geteilt, wenn auch mit ·er-
Aber nicht nur die besondere Struktur, sondern auch die ausgezeichnete
methodische Bedeutung des ersten Kapitels der íogi/ rechtíertigen das
Interesse, das die Schule legels - aus welchen Gründen immer - gerade íür
es gezeigt hat. Die Reílexionslogik ist nämlich einer immanenten Deutung
íähig. Die Logik des reinen Seins kann aber nur ·erstanden werden,


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2 In dem íolgenden ersten Beitrag zu einem Logikkommentar, der noch geschrieben werden mu|,
ist nur die Literatur des i9. Jahrhunderts berücksichtigt. Nicht nur der Umstand, da| sie in
Vergessenheit geraten ist, rechtíertigen diese Beschränkung. Sie hat auch die elementaren lormen
der Gründe gegen legel so ·ollständig entwickelt, da| seither nichts wirklich Neues zu ihnen
hinzugetreten ist. 1 legel, ív¸,/to¡aaie aer ¡bito.o¡bi.cbev !i..ev.cbaftev iv Crvvari..e, ¸ 114
¯4
schiedenen, oítmals einander entgegengesetzten Gründen. \ir
unterscheiden sie als die Kritik in positi·er Absicht ,B, ·on der der Gegner
der spekulati·en Methode, die in negati·er Absicht eríolgt ,A,.
die näher als unbestimmte Unmittelbarkeit zu íassen ist. - In keinem der drei
lälle kann ein Ubergang ·on Sein in Nichts oder ·on Nichts in Sein
behauptet werden.
Diesen Argumenten kann im Sinne legels nur mit dem Zugeständnis
begegnet werden, das sie selbst machen: da| nämlich im Zusammenhang
einer spekulati·en Logik ein Gedanke der erste und einíachste und da|
dieser der der unbestimmten Unmittelbarkeit sein mu|.
A. Die Kritik in negati·er Absicht ist ·or allem ·on 1rendelenburg und
Lduard ·on lartmann ausgearbeitet worden.
3
Die íogi.cbev |vter.vcbvvgev
·on 1rendelenburg, die bereits 1840 erschienen, sind trotz ihrer wenig
präzisen Argumente ·on bedeutender \irksamkeit gewesen. Oííen oder
·erschwiegen werden sie ·on den meisten Schülern legels berücksichtigt
und, was die Kritik der Seinslogik betriíít, mit der einzigen Ausnahme
Michelets auch anerkannt. 1rendelenburg hat aber nur einen der drei
Linwände entwickelt, die gegen legels Lehre ·on Sein und Nichts ·on
ihrem Standpunkt aus ·orgebracht werden konnen. In sachlicher lolge
ergeben sie sich auí diese \eise:
1. Der erste Linwand besagt, da| Sein und Nichts einander
entgegengesetzte Aspekte der unbestimmten Unmittelbarkeit sind. Sie ist,
insoíern sie überhaupt gesetzt ist, sie ist Nichts, i insoíern sie gesetzt ist
ohne jede weitere Bestimmung. \äre das aber der lall, so konnte die
unbestimmte Unmittelbarkeit nicht sein, was sie doch sein soll: Aníang. Sie
wäre nicht unmittelbar, sondern gesetzt, nämlich als lorm, aber ohne
Gehalt, oder als Ding, aber ohne Ligenschaít. Unbestimmte Unmittelbarkeit
wäre dann eine reílektierte Bestimmung und somit nicht als aníängliche zu
deíinieren. Sein und Nichts sind aber gerade nicht als Momente einer
bestimmenden Reílexion zu denken. Meinen wir Nichts, so meinen wir nicht
Leersein ·on Gehalt, so da| lorm noch wäre und somit gerade nicht
Nichts. Meinen wir Sein, so meinen wir nicht ein Nichtwegdenkbares ·or
jedem Inhalt, der auígehoben werden kann, so da| Sein nur dort wäre, wo
avcb das Nichts seiner Leere ·on Gehalt gedacht wird.
Setzt man mit legel ·oraus, da| der Begriíí der unbestimmten
Unmittelbarkeit in der Logik den Aníang machen mu|, so ist doch nicht
einzusehen, da| er als der Ubergang ·on Sein und Nichts ineinander
gedacht werden mu|. Denn nehmen wir an, da| Sein und Nichts wirklich
·oneinander unterscheidbar sind, dann sind sie 1. entweder ¸rei ..¡e/te
in ein und derselben Gedankenbestimmung ·unbestimmte Un-
mittelbarkeit·, in der sie unterschieden werden konnen und ·on der sie
deshalb zugleich ·erschieden sein müssen. Oder sie sind 2. ¸rei
·oneinander ·erschiedene Ceaav/ev, denen gemeinsam der Charakter
zukommt, unbestimmt und unmittelbar zu sein, die aber im übrigen
·oneinander zu unterscheiden sind. Nehmen wir aber umgekehrt an, da|
Sein und Nichts nicht ·oneinander unterschieden werden konnen, so sind
beide 3. nur ·erschiedene ^avev íür eine Sache,


¯¯
Deshalb ist legel der Meinung, da| Sein und Nichts nicht wie
Momente der Reílexion ihr Gegenteil an ihnen selbst haben. Sie
müssen ·ielmehr substanzlos ineinander übergehen. Sein soll die gav¸e
unbestimmte Unmittelbarkeit denken. Und soíern sie als Nichts
gedacht wird, ist sie ebenso als gav¸e gedacht. Deshalb kann man
nicht sagen, da| Sein sich näher als Nichts bestimme oder da| Sein in
seinen Cegev.at¸ übergehe, welcher das Nichts ist. Sein und Nichts
sind nicht einander entgegengesetzt. Sie sind dasselbe, und sie sind
ebensosehr ·erschieden, aber absolut ·erschieden, das meint: ohne

3 A. 1rendelenburg, íogi.cbe |vter.vcbvvgev, Berlin 1840. Bd. a, S. 31 íí. - L. ·. lartmann, Die aiate/ti.cbe
Metboae, Berlin 1ºóº, z. Auíl. Sachsa 1910. Vor allem S. ¯8.

¯6
schiedenen, oítmals einander entgegengesetzten Gründen. \ir
unterscheiden sie als die Kritik in positi·er Absicht ,B, ·on der der Gegner
der spekulati·en Methode, die in negati·er Absicht eríolgt ,A,.
die näher als unbestimmte Unmittelbarkeit zu íassen ist. - In keinem der drei
lälle kann ein Ubergang ·on Sein in Nichts oder ·on Nichts in Sein
behauptet werden.
Diesen Argumenten kann im Sinne legels nur mit dem Zugeständnis
begegnet werden, das sie selbst machen: da| nämlich im Zusammenhang
einer spekulati·en Logik ein Gedanke der erste und einíachste und da|
dieser der der unbestimmten Unmittelbarkeit sein mu|.
A. Die Kritik in negati·er Absicht ist ·or allem ·on 1rendelenburg und
Lduard ·on lartmann ausgearbeitet worden.
3
Die íogi.cbev |vter.vcbvvgev
·on 1rendelenburg, die bereits 1840 erschienen, sind trotz ihrer wenig
präzisen Argumente ·on bedeutender \irksamkeit gewesen. Oííen oder
·erschwiegen werden sie ·on den meisten Schülern legels berücksichtigt
und, was die Kritik der Seinslogik betriíít, mit der einzigen Ausnahme
Michelets auch anerkannt. 1rendelenburg hat aber nur einen der drei
Linwände entwickelt, die gegen legels Lehre ·on Sein und Nichts ·on
ihrem Standpunkt aus ·orgebracht werden konnen. In sachlicher lolge
ergeben sie sich auí diese \eise:
1. Der erste Linwand besagt, da| Sein und Nichts einander
entgegengesetzte Aspekte der unbestimmten Unmittelbarkeit sind. Sie ist,
insoíern sie überhaupt gesetzt ist, sie ist Nichts, i insoíern sie gesetzt ist
ohne jede weitere Bestimmung. \äre das aber der lall, so konnte die
unbestimmte Unmittelbarkeit nicht sein, was sie doch sein soll: Aníang. Sie
wäre nicht unmittelbar, sondern gesetzt, nämlich als lorm, aber ohne
Gehalt, oder als Ding, aber ohne Ligenschaít. Unbestimmte Unmittelbarkeit
wäre dann eine reílektierte Bestimmung und somit nicht als aníängliche zu
deíinieren. Sein und Nichts sind aber gerade nicht als Momente einer
bestimmenden Reílexion zu denken. Meinen wir Nichts, so meinen wir nicht
Leersein ·on Gehalt, so da| lorm noch wäre und somit gerade nicht
Nichts. Meinen wir Sein, so meinen wir nicht ein Nichtwegdenkbares ·or
jedem Inhalt, der auígehoben werden kann, so da| Sein nur dort wäre, wo
avcb das Nichts seiner Leere ·on Gehalt gedacht wird.
Setzt man mit legel ·oraus, da| der Begriíí der unbestimmten
Unmittelbarkeit in der Logik den Aníang machen mu|, so ist doch nicht
einzusehen, da| er als der Ubergang ·on Sein und Nichts ineinander
gedacht werden mu|. Denn nehmen wir an, da| Sein und Nichts wirklich
·oneinander unterscheidbar sind, dann sind sie 1. entweder ¸rei ..¡e/te
in ein und derselben Gedankenbestimmung ·unbestimmte Un-
mittelbarkeit·, in der sie unterschieden werden konnen und ·on der sie
deshalb zugleich ·erschieden sein müssen. Oder sie sind 2. ¸rei
·oneinander ·erschiedene Ceaav/ev, denen gemeinsam der Charakter
zukommt, unbestimmt und unmittelbar zu sein, die aber im übrigen
·oneinander zu unterscheiden sind. Nehmen wir aber umgekehrt an, da|
Sein und Nichts nicht ·oneinander unterschieden werden konnen, so sind
beide 3. nur ·erschiedene ^avev íür eine Sache,


¯¯
Deshalb ist legel der Meinung, da| Sein und Nichts nicht wie
Momente der Reílexion ihr Gegenteil an ihnen selbst haben. Sie
müssen ·ielmehr substanzlos ineinander übergehen. Sein soll die gav¸e
unbestimmte Unmittelbarkeit denken. Und soíern sie als Nichts
gedacht wird, ist sie ebenso als gav¸e gedacht. Deshalb kann man
nicht sagen, da| Sein sich näher als Nichts bestimme oder da| Sein in
seinen Cegev.at¸ übergehe, welcher das Nichts ist. Sein und Nichts
sind nicht einander entgegengesetzt. Sie sind dasselbe, und sie sind
ebensosehr ·erschieden, aber absolut ·erschieden, das meint: ohne

3 A. 1rendelenburg, íogi.cbe |vter.vcbvvgev, Berlin 1840. Bd. a, S. 31 íí. - L. ·. lartmann, Die aiate/ti.cbe
Metboae, Berlin 1ºóº, z. Auíl. Sachsa 1910. Vor allem S. ¯8.

¯6
eine Beziehung auíeinander. \äre an ihnen eine solche Beziehung
auízuweisen, so wären sie nicht nur keine Bestimmungen der unbestimmten
Unmittelbarkeit, sondern selbst gar keine unmittelbaren Bestimmungen.
Jedes ·on ihnen wäre ·ielmehr durch sein Anderes ·ermittelt. Lntweder
sind also Sein und Nichts anderes als Aspekte der unbestimmten
Unmittelbarkeit, oder diese Unmittelbarkeit kann nicht den Aníang der
Logik machen und ist als unbestimmte ebensowenig zu denken, wie es Sein
und Nichts als unmittelbare sind.
2. Der zweite Linwand behauptet, da| ·unbestimmte Unmittelbarkeit·
der Oberbegriíí ·on Sein und ·on Nichts ist, die im übrigen ·oneinander
unterschieden werden konnen. Aber auch er ist gezwungen, sowohl jenem
Oberbegriíí als auch Sein und Nichts je íür sich den Charakter der
Unmittelbarkeit zu nehmen, sie im Gegensatz zu Anderem zu bestimmen
und damit zu Vermittelten zu machen. Dieser Linwand lä|t sich also mit
denselben Mitteln entkräíten, die legel gegen den ersten auízubieten
·ermag. Ls kann deshalb darauí ·erzichtet werden, näher auí ihn
einzugehen.
3. Der dritte Linwand wendet sich gegen den Gedanken, mit dessen lilíe
die beiden ersten kritisiert werden müssen. Diesem Gedanken zuíolge
sind am Aníang der Logik eine beziehungslose Bejahung und eine
beziehungslose Verneinung ohne Gegensatz ·oneinander ·erschieden. Der
Linwand gegen ihn besagt, ihre Diííerenz sei nur eine solche zwischen
blo|en !ortev, deren Bedeutung ein und dieselbe ist, nämlich unbestimmte
Unmittelbarkeit. Sein und Nichts unterschieden sich wohl als ílatüs ·ocis,
seien aber in dem, was sie meinen, miteinander zu identiíizieren. Der
Aníang der Logik leiste nicht mehr als diese Identiíikation und ergebe
deshalb keinen lortschritt im Gedanken.
Diese Kritik hätte legel gegen die Kritiker selbst zurückwenden
konnen. Denn sie kommt auí die petitio principii heraus, da| sich
jene ·unbestimmte Unmittelbarkeit· ihrer-
seits überhaupt denken lä|t, ohne da| dabei solche Gedan-
kenbestimmungen gebraucht werden, die wie Sein und Nichts beziehungslose
Gegenteile sind. Schon die \ortbedeutung ·on ·unbestimmte
Unmittelbarkeit· ·erweist darauí, da| dieser Begriíí durch ein
aííirmati·es und zugleich durch ein negati·es Moment deíiniert werden
mu|. Die Logik hat zeigen wollen, da| dies nur ·ermittels der Gedanken
»Sein« und ·Nichts· geschehen kann. \er gar nicht ·ersucht auízuweisen, auí
welch avaere \eise die Rede ·on der unbestimmten Unmittelbarkeit einen
wohlbestimmten Sinn erhält, der gebraucht seinerseits ein blo|es \ort, das
nur die Ahnung eines Gedankens her·orruít, ohne ihn selbst gedacht zu
haben. Lr benennt nur ein \ort mit den \orten ·Sein· und ·Nichts·. Ls ist
deshalb nicht ·erwunderlich, wenn auch sie íür ihn nichts als blo|e
\orte sind.
Ls lie|e sich zeigen, da| diese Linwände und ihre \iderlegung die einzig
moglichen sind, die auí eine grundsätzliche \eise gegeben werden konnen.
lier kommt es aber nur darauí an, sich das Prinzip zu ·ergegenwärtigen,
das ihnen zugrunde liegt. Die Linwände wollen allesamt einen Unterschied
íinden zwischen dem Gedanken der unbestimmten Unmittelbarkeit und
der Opposition Sein-Nichts und deshalb beide zunächst ·oneinander
trennen, um sie dann auíeinander zu beziehen, - als Aspekt der Sache und
als Sache selbst, als Begriíí und als lall seiner Anwendung, als \ort und
als Bedeutung. Sie sind alle zugleich widerlegt, wenn gezeigt ist, da| damit
jener Gedanke den Charakter der Unmittelbarkeit und somit jeden
wohlbestimmten Charakter ·erliert. Die Rechtíertigung der Logik des
Seins kann also nur im linblick auí ihren Ort in der !i..ev.cbaft aer íogi/
eríolgen: \er die Struktur ihrer Dialektik ·erändert, der nimmt ihr mit
Notwendigkeit auch ihre Stellung am Aníang.
Die \iderlegung der Linwände kann somit als der erste Schritt im
Beweis eines Satzes genommen werden, der den íolgen-
den Uberlegungen als 1be.e ·orausgehen soll: Die Lo-

¯8 ¯9
eine Beziehung auíeinander. \äre an ihnen eine solche Beziehung
auízuweisen, so wären sie nicht nur keine Bestimmungen der unbestimmten
Unmittelbarkeit, sondern selbst gar keine unmittelbaren Bestimmungen.
Jedes ·on ihnen wäre ·ielmehr durch sein Anderes ·ermittelt. Lntweder
sind also Sein und Nichts anderes als Aspekte der unbestimmten
Unmittelbarkeit, oder diese Unmittelbarkeit kann nicht den Aníang der
Logik machen und ist als unbestimmte ebensowenig zu denken, wie es Sein
und Nichts als unmittelbare sind.
2. Der zweite Linwand behauptet, da| ·unbestimmte Unmittelbarkeit·
der Oberbegriíí ·on Sein und ·on Nichts ist, die im übrigen ·oneinander
unterschieden werden konnen. Aber auch er ist gezwungen, sowohl jenem
Oberbegriíí als auch Sein und Nichts je íür sich den Charakter der
Unmittelbarkeit zu nehmen, sie im Gegensatz zu Anderem zu bestimmen
und damit zu Vermittelten zu machen. Dieser Linwand lä|t sich also mit
denselben Mitteln entkräíten, die legel gegen den ersten auízubieten
·ermag. Ls kann deshalb darauí ·erzichtet werden, näher auí ihn
einzugehen.
3. Der dritte Linwand wendet sich gegen den Gedanken, mit dessen lilíe
die beiden ersten kritisiert werden müssen. Diesem Gedanken zuíolge
sind am Aníang der Logik eine beziehungslose Bejahung und eine
beziehungslose Verneinung ohne Gegensatz ·oneinander ·erschieden. Der
Linwand gegen ihn besagt, ihre Diííerenz sei nur eine solche zwischen
blo|en !ortev, deren Bedeutung ein und dieselbe ist, nämlich unbestimmte
Unmittelbarkeit. Sein und Nichts unterschieden sich wohl als ílatüs ·ocis,
seien aber in dem, was sie meinen, miteinander zu identiíizieren. Der
Aníang der Logik leiste nicht mehr als diese Identiíikation und ergebe
deshalb keinen lortschritt im Gedanken.
Diese Kritik hätte legel gegen die Kritiker selbst zurückwenden
konnen. Denn sie kommt auí die petitio principii heraus, da| sich
jene ·unbestimmte Unmittelbarkeit· ihrer-
seits überhaupt denken lä|t, ohne da| dabei solche Gedan-
kenbestimmungen gebraucht werden, die wie Sein und Nichts beziehungslose
Gegenteile sind. Schon die \ortbedeutung ·on ·unbestimmte
Unmittelbarkeit· ·erweist darauí, da| dieser Begriíí durch ein
aííirmati·es und zugleich durch ein negati·es Moment deíiniert werden
mu|. Die Logik hat zeigen wollen, da| dies nur ·ermittels der Gedanken
»Sein« und ·Nichts· geschehen kann. \er gar nicht ·ersucht auízuweisen, auí
welch avaere \eise die Rede ·on der unbestimmten Unmittelbarkeit einen
wohlbestimmten Sinn erhält, der gebraucht seinerseits ein blo|es \ort, das
nur die Ahnung eines Gedankens her·orruít, ohne ihn selbst gedacht zu
haben. Lr benennt nur ein \ort mit den \orten ·Sein· und ·Nichts·. Ls ist
deshalb nicht ·erwunderlich, wenn auch sie íür ihn nichts als blo|e
\orte sind.
Ls lie|e sich zeigen, da| diese Linwände und ihre \iderlegung die einzig
moglichen sind, die auí eine grundsätzliche \eise gegeben werden konnen.
lier kommt es aber nur darauí an, sich das Prinzip zu ·ergegenwärtigen,
das ihnen zugrunde liegt. Die Linwände wollen allesamt einen Unterschied
íinden zwischen dem Gedanken der unbestimmten Unmittelbarkeit und
der Opposition Sein-Nichts und deshalb beide zunächst ·oneinander
trennen, um sie dann auíeinander zu beziehen, - als Aspekt der Sache und
als Sache selbst, als Begriíí und als lall seiner Anwendung, als \ort und
als Bedeutung. Sie sind alle zugleich widerlegt, wenn gezeigt ist, da| damit
jener Gedanke den Charakter der Unmittelbarkeit und somit jeden
wohlbestimmten Charakter ·erliert. Die Rechtíertigung der Logik des
Seins kann also nur im linblick auí ihren Ort in der !i..ev.cbaft aer íogi/
eríolgen: \er die Struktur ihrer Dialektik ·erändert, der nimmt ihr mit
Notwendigkeit auch ihre Stellung am Aníang.
Die \iderlegung der Linwände kann somit als der erste Schritt im
Beweis eines Satzes genommen werden, der den íolgen-
den Uberlegungen als 1be.e ·orausgehen soll: Die Lo-

¯8 ¯9
gik des reinen Seins lä|t sich überhaupt nur ·ia negationis explizieren, in der
Unterscheidung ·on der Logik der Reílexion.
chen. Sieht man ·on ihren Besonderheiten ab und achtet man nur auí ihr
Veríahren, so ergeben sich in der Schule legels ·ier \eisen ·on
Umdeutungen der Seinslogik.
B. Von diesem Begründungs·eríahren hatten die Schüler legels keine
angemessene Vorstellung. Ls ist deshalb nicht ·erwunderlich, da| sie jene
Linwände entweder selbst íanden oder da| sie sie íür unwiderlegbar
hielten, nachdem sie ·on den Gegnern ·orgebracht worden waren. Alle
spekulati·en Logiken, deren erste 1826 und deren letzte 18¯6 erschien, haben
in ihrer Stellung zu legels Logik des Seins zweierlei miteinander gemein: Sie
sind ohne Ausnahme da·on überzeugt, da| mit dem Gedanken ·Sein· der
Aníang gemacht werden müsse. Lbenso ausnahmslos weichen sie aber ·on
legel ab in der \eise, in der sie die Dialektik des Aníangs entíalten. In
den meisten lällen geschieht das bewu|t und mit Rücksicht auí zu·or
geübte Kritik. Die Veränderung in der Logik des Seins wird dann oítmals
zugleich begründet aus der Notwendigkeit, der logischen \issenschaít
insgesamt eine ·on legel abweichende Bedeutung zu geben und ihr den
Charakter abzuerkennen, \issenschaít des Absoluten selbst zu sein. Das ist
der lall im spekulati·en 1heismus und in den auí ihn íolgenden 1heorien
·on Ulrici und Rosenkranz, die bereits den Neukantianismus ·orbereiteten.
Aber auch Apologeten legels wie Michelet sahen sich genotigt, die Seins-
logik umzudeuten. Da sie es stillschweigend taten und oítmals in der
Meinung beíangen blieben, nur den 1ext legels auszulegen, sind ihre
Argumente ·on besonders geringer Uberzeugungskraít gewesen.
1. Die erste ·on ihnen íindet sich bei \erder, Ulrici und Karl Philipp
lischer.
4
Ubereinstimmend erklären sie, der Aníang der Logik konne nicht
eine arme Bestimmung, sondern nur das Prinzip des Ganzen sein. Dieses
Prinzip habe legel im Auge, wenn er ·on der Linheit ·on Sein und Nichts
spricht. So meint Ulrici, Sein als Aníang sei das »Unwegdenkbare«, -
dies aber nicht als abstraktes Sein, sondern nur ·ermittels seiner Linheit mit
Nichts. Denn der Gedanke des Nichts zeige allererst auí, da| im Sein
»Bestimmung durch sich« und somit Notwendigkeit gelegen ist. Denn der
Gedanke des Nichts ist die Negation auch seiner selbst. \enn Nichts ist, so
ist auch nicht jene Bestimmtheit, die wir denken, wenn wir Nichts meinen.
Also ist schlechthin nicht Nichts, sondern Sein, ·on dem sich somit erweist,
da| es causa sui ist.
\erder will auí ähnliche \eise das Sein als Ponieren seiner selbst, d. h. als
Negieren ·on allem, was nicht Sein ist, íassen. Und Karl Philipp lischer
ist der Ansicht, nur ·om Sein als absolutem Sein/övvev ergebe sich der
Ubergang zum \erden, während der Ubergang des abstrakten Seins in
Nichts unwiederbringliches Vergehen sei.
Ls ist klar, da| in dieser Konzeption legels eigene Idee ·on der Logik
als einer 1heorie, die ihr Prinzip erst an ihrem Lnde erreicht, in ihr
Gegenteil ·erkehrt ist. Mit dem 1ext der Logik lä|t sie sich nicht belegen.
Sie kann auch den Aníang und den ersten Ubergang nicht als unmittelbare
nehmen. Sie mu| behaupten, da| am Sein das Gegenteil seiner selbst

Alle diese Versuche - die der Reíormer und die der Orthodoxen - sind dem
gleichen Linwand ausgesetzt, der gegen die Kritik der Gegner
·orzubringen war: Sie bewirken, da| die erste Kategorie der Logik den
Charakter der Unmittelbarkeit ·erliert. Sie unterscheiden sich ·oneinander
allein durch die Art und \eise, in der sie sie zu einem Vermittelten ma-

81

4 K. \erder, íogi/. .t. Kommentar und Lrgänzung zu legels \issenschaít der Logik, Berlin
1841, S. 4t. - l. Ulrici, Ober Priv¸i¡ vva Metboae aer íeget.cbev Pbito.o¡bie, lalle 1841, S. 83 íí. - K.
Ph. lischer, ´¡e/vtatire Cbara/teri.ti/ vva Kriti/ ae. íeget.cbev ´,.tev., Lrlangen 1845, S. sot íí. - K. Ph.
lischer, Crvva¸vge ae. ´,.tev. aer Pbito.o¡bie, Bd. i, Lrlangen 1848, S. 59.
80
gik des reinen Seins lä|t sich überhaupt nur ·ia negationis explizieren, in der
Unterscheidung ·on der Logik der Reílexion.
chen. Sieht man ·on ihren Besonderheiten ab und achtet man nur auí ihr
Veríahren, so ergeben sich in der Schule legels ·ier \eisen ·on
Umdeutungen der Seinslogik.
B. Von diesem Begründungs·eríahren hatten die Schüler legels keine
angemessene Vorstellung. Ls ist deshalb nicht ·erwunderlich, da| sie jene
Linwände entweder selbst íanden oder da| sie sie íür unwiderlegbar
hielten, nachdem sie ·on den Gegnern ·orgebracht worden waren. Alle
spekulati·en Logiken, deren erste 1826 und deren letzte 18¯6 erschien, haben
in ihrer Stellung zu legels Logik des Seins zweierlei miteinander gemein: Sie
sind ohne Ausnahme da·on überzeugt, da| mit dem Gedanken ·Sein· der
Aníang gemacht werden müsse. Lbenso ausnahmslos weichen sie aber ·on
legel ab in der \eise, in der sie die Dialektik des Aníangs entíalten. In
den meisten lällen geschieht das bewu|t und mit Rücksicht auí zu·or
geübte Kritik. Die Veränderung in der Logik des Seins wird dann oítmals
zugleich begründet aus der Notwendigkeit, der logischen \issenschaít
insgesamt eine ·on legel abweichende Bedeutung zu geben und ihr den
Charakter abzuerkennen, \issenschaít des Absoluten selbst zu sein. Das ist
der lall im spekulati·en 1heismus und in den auí ihn íolgenden 1heorien
·on Ulrici und Rosenkranz, die bereits den Neukantianismus ·orbereiteten.
Aber auch Apologeten legels wie Michelet sahen sich genotigt, die Seins-
logik umzudeuten. Da sie es stillschweigend taten und oítmals in der
Meinung beíangen blieben, nur den 1ext legels auszulegen, sind ihre
Argumente ·on besonders geringer Uberzeugungskraít gewesen.
1. Die erste ·on ihnen íindet sich bei \erder, Ulrici und Karl Philipp
lischer.
4
Ubereinstimmend erklären sie, der Aníang der Logik konne nicht
eine arme Bestimmung, sondern nur das Prinzip des Ganzen sein. Dieses
Prinzip habe legel im Auge, wenn er ·on der Linheit ·on Sein und Nichts
spricht. So meint Ulrici, Sein als Aníang sei das »Unwegdenkbare«, -
dies aber nicht als abstraktes Sein, sondern nur ·ermittels seiner Linheit mit
Nichts. Denn der Gedanke des Nichts zeige allererst auí, da| im Sein
»Bestimmung durch sich« und somit Notwendigkeit gelegen ist. Denn der
Gedanke des Nichts ist die Negation auch seiner selbst. \enn Nichts ist, so
ist auch nicht jene Bestimmtheit, die wir denken, wenn wir Nichts meinen.
Also ist schlechthin nicht Nichts, sondern Sein, ·on dem sich somit erweist,
da| es causa sui ist.
\erder will auí ähnliche \eise das Sein als Ponieren seiner selbst, d. h. als
Negieren ·on allem, was nicht Sein ist, íassen. Und Karl Philipp lischer
ist der Ansicht, nur ·om Sein als absolutem Sein/övvev ergebe sich der
Ubergang zum \erden, während der Ubergang des abstrakten Seins in
Nichts unwiederbringliches Vergehen sei.
Ls ist klar, da| in dieser Konzeption legels eigene Idee ·on der Logik
als einer 1heorie, die ihr Prinzip erst an ihrem Lnde erreicht, in ihr
Gegenteil ·erkehrt ist. Mit dem 1ext der Logik lä|t sie sich nicht belegen.
Sie kann auch den Aníang und den ersten Ubergang nicht als unmittelbare
nehmen. Sie mu| behaupten, da| am Sein das Gegenteil seiner selbst

Alle diese Versuche - die der Reíormer und die der Orthodoxen - sind dem
gleichen Linwand ausgesetzt, der gegen die Kritik der Gegner
·orzubringen war: Sie bewirken, da| die erste Kategorie der Logik den
Charakter der Unmittelbarkeit ·erliert. Sie unterscheiden sich ·oneinander
allein durch die Art und \eise, in der sie sie zu einem Vermittelten ma-

81

4 K. \erder, íogi/. .t. Kommentar und Lrgänzung zu legels \issenschaít der Logik, Berlin
1841, S. 4t. - l. Ulrici, Ober Priv¸i¡ vva Metboae aer íeget.cbev Pbito.o¡bie, lalle 1841, S. 83 íí. - K.
Ph. lischer, ´¡e/vtatire Cbara/teri.ti/ vva Kriti/ ae. íeget.cbev ´,.tev., Lrlangen 1845, S. sot íí. - K. Ph.
lischer, Crvva¸vge ae. ´,.tev. aer Pbito.o¡bie, Bd. i, Lrlangen 1848, S. 59.
80
3.., 4.. Die beiden noch ·erbleibenden Interpretationsweisen unterliegen den
Linwänden, die gegen die erste, wie auch denen, die gegen die zweite
·orgebracht worden sind. Der dritten ·on ihnen íolgen die logischen
Systeme ·on Immanuel lermann lichte, Rosenkranz und Michelet.
¯
Sie
íassen den Begriíí des Seins als eine Abstraktion ·on allem Seienden,



gesetzt sei. Lben dies ist aber die ·ollständige Deíinition des Vermitteltseins
einer Bestimmung.
2. Die zweite Interpretationsíorm wurde ·on linrichs und ·on Kuno
lischer entwickelt.
5
Ihr zuíolge ergibt sich die Dialektik des Seins aus der
Diííerenz, da| eine Gedankenbestimmung gedacht werden soll, in der
zugleich nichts gedacht wird. Nach Kuno lischer setzt Sein, das doch ein
Gedanke sein soll, die Diííerenz ·on Gedachtsein und Denken ·oraus. Aber
zugleich soll es schlechthin unbestimmter, diííerenzloser Gedanke sein. Somit
schlie|t es auch die Auíhebung eben der Diííerenz ein, welche die
Voraussetzung seiner Denkbarkeit ist. Sein mu| demnach sowohl bejaht als
auch ·erneint werden.

Auch diese Interpretation lä|t sich so wenig wie die erste durchíühren,
ohne da| Bedeutung und systematische Stellung der Logik ·on Grund auí
·erändert werden. \enn die Logik die Gedankenbestimmungen íür sich
und auseinander entwickeln will, so kann die Reílexion auí ihr Gedachtsein
nicht als Mo·ens ihres lortschrittes gelten. Dies ist ·ielmehr der
Gesichtspunkt der ¡bavovevotogi.cbev Dialektik. \ird sie auch in die
1heorie der Gedankenbestimmungen eingeíührt, so ist der wichtigste
Schritt auí dem \ege zum Neukantianismus bereits getan. Ls konnte
wohl sein, da| er un·ermeidlich ist. Lr kann aber gewi| nicht die
Interpretation des Aníangs einer Logik geben, die sich selbst noch immer
spekulati· nennt.
6


83

5 l. l. \. linrichs, Crvvativiev aer Pbito.o¡bie aer íogi/, lal l e 1826, S. is í. - K. lischer, íogi/ vva
Meta¡b,.i/ oaer !i..ev.cbaft.tebre, St ut t gart 1852 ,2. Auíl . 186 s,, S. 211 íí.
6 lier ist der Ort, die Interpretation ·on Bertrando Spa·enta zu erwähnen, die aus einer
Verbindung der Gedanken ·on K. lischer mit denen ·on \erder her·orgegangen ist und
auí die sich der italienische Aktualismus ·or allem ·on Gentile unmittelbar zurückleitet.
Spa·enta erkennt mit K. lischer an, da| 1rendelenburgs Argumente nur entkräítet
werden konnen, wenn man den Aníang der Logik aus dem Begriíí des Denkens ·ersteht.
;íe ¡rive categorie aetta togica ai íeget, in: .t t i aet t a R. .c aae·
via aette .ciev¸e vorate ... ai ^a¡ot i . Bd. i |18641, dies und anderes in: ´critti fito.ofici, ed. Gentil e,
Napol i 1900. - lür den linweis auí Spa·enta bin ich J. ·. d. Meulen sehr dankbar., Spa·enta
wendet gegen K. lischer ei n, das Denken düríe i n der Logi k des Sei ns ni cht nur al s der
Akt ·erstanden werden, in dem Sein gedacht wird. Ls sei ·ielmehr sein eigener Gegenstand. Deshalb
ergebe sich das Nichts als die Macht des Negati·en, zu ·erdoppeln und zu ·erkehren
,pre·aricare e geminare,, die allem Denken innewohnt. - Spa·enta rechtíertigt diese
Deutung mit linweisen auí die Pbavovevotogie ae. Cei.te.. Nur mit den Begriííen, die an ihrem
Schlu| erreicht sind, konne die íogi/ interpretiert werden.
Spa·entas Versuch einer »Reíorm der legelschen Dialektik« ,s. o. 215, u. a., ·ermeidet den \eg
in den Neukantianismus, auí den K. lischer mit Notwendigkeit gedrängt wird. Lr hält am
absoluten Charakter der logischen Bestimmungen íest und ·ersteht mit \erder den
Aníang der Logi k als Auslegung der ·originalita· der reinen Idee, die er im Unterschied zu
ihm zugleich als Proze| des Denkens ía|t. Soweit damit implizit auch behauptet ist, die Linheit
·on Sein und Nichts bilde die Linheit ·on Unmittelbarkeit und Vermittlung im
Gedanken der absoluten Negati·ität ab, mu| man Spa·enta zustimmen ,·gl. unten,.
Dennoch hat er zu einer ívter¡retatiov des Aníangs der Logik eigentlich gar keinen Beitrag
gegeben. Denn er ·erlangt, da| die Dialektik des Seins unmittelbar aus dem Begriíí des
absoluten \issens ausgelegt werden soll. Damit wird die Logik ganz auí eine Lxplikation
des Resultats der Phänomenologie reduziert unter Auígabe ihrer Selbständigkeit als der
ersten \issenschaít ·om Absoluten und im direkten \iderspruch zu legels Lrklärungen, denen
zuíolge die Phänomenologie zwar die Bedingung der Moglichkeit der Logik als !i..ev.cbaft
ist, nicht aber in den sachlichen Gang der Lntwicklung des Cegev.tavae. dieser \issenschaít
eingeht. Spa·entas 1hesen stellen den ersten einer langen Reihe ·on Versuchen dar, die
Pbavovevotogie ae. Cei.te. als den Kern des Systems auízuíassen. Line Interpretation der íogi/
konnte aus ihnen nicht her·orgehen.
¯ I. l. lichte, Crvva¸vge ¸vv ´,.tev aer Pbito.o¡bie, Bd. 2, leidelberg 1836 S. 58 íí. - K.
Rosenkranz, Die !i..ev.cbaft aer togi.cbev íaee, Konigsberg 18 s8, Bd. 1, S. 121. - C. L.
Michelet, Da. ´,.tev aer Pbito.o¡bie, Berlin 18¯6, Bd. 1, S. 45 íí.
82
3.., 4.. Die beiden noch ·erbleibenden Interpretationsweisen unterliegen den
Linwänden, die gegen die erste, wie auch denen, die gegen die zweite
·orgebracht worden sind. Der dritten ·on ihnen íolgen die logischen
Systeme ·on Immanuel lermann lichte, Rosenkranz und Michelet.
¯
Sie
íassen den Begriíí des Seins als eine Abstraktion ·on allem Seienden,



gesetzt sei. Lben dies ist aber die ·ollständige Deíinition des Vermitteltseins
einer Bestimmung.
2. Die zweite Interpretationsíorm wurde ·on linrichs und ·on Kuno
lischer entwickelt.
5
Ihr zuíolge ergibt sich die Dialektik des Seins aus der
Diííerenz, da| eine Gedankenbestimmung gedacht werden soll, in der
zugleich nichts gedacht wird. Nach Kuno lischer setzt Sein, das doch ein
Gedanke sein soll, die Diííerenz ·on Gedachtsein und Denken ·oraus. Aber
zugleich soll es schlechthin unbestimmter, diííerenzloser Gedanke sein. Somit
schlie|t es auch die Auíhebung eben der Diííerenz ein, welche die
Voraussetzung seiner Denkbarkeit ist. Sein mu| demnach sowohl bejaht als
auch ·erneint werden.

Auch diese Interpretation lä|t sich so wenig wie die erste durchíühren,
ohne da| Bedeutung und systematische Stellung der Logik ·on Grund auí
·erändert werden. \enn die Logik die Gedankenbestimmungen íür sich
und auseinander entwickeln will, so kann die Reílexion auí ihr Gedachtsein
nicht als Mo·ens ihres lortschrittes gelten. Dies ist ·ielmehr der
Gesichtspunkt der ¡bavovevotogi.cbev Dialektik. \ird sie auch in die
1heorie der Gedankenbestimmungen eingeíührt, so ist der wichtigste
Schritt auí dem \ege zum Neukantianismus bereits getan. Ls konnte
wohl sein, da| er un·ermeidlich ist. Lr kann aber gewi| nicht die
Interpretation des Aníangs einer Logik geben, die sich selbst noch immer
spekulati· nennt.
6


83

5 l. l. \. linrichs, Crvvativiev aer Pbito.o¡bie aer íogi/, lal l e 1826, S. is í. - K. lischer, íogi/ vva
Meta¡b,.i/ oaer !i..ev.cbaft.tebre, St ut t gart 1852 ,2. Auíl . 186 s,, S. 211 íí.
6 lier ist der Ort, die Interpretation ·on Bertrando Spa·enta zu erwähnen, die aus einer
Verbindung der Gedanken ·on K. lischer mit denen ·on \erder her·orgegangen ist und
auí die sich der italienische Aktualismus ·or allem ·on Gentile unmittelbar zurückleitet.
Spa·enta erkennt mit K. lischer an, da| 1rendelenburgs Argumente nur entkräítet
werden konnen, wenn man den Aníang der Logik aus dem Begriíí des Denkens ·ersteht.
;íe ¡rive categorie aetta togica ai íeget, in: .t t i aet t a R. .c aae·
via aette .ciev¸e vorate ... ai ^a¡ot i . Bd. i |18641, dies und anderes in: ´critti fito.ofici, ed. Gentil e,
Napol i 1900. - lür den linweis auí Spa·enta bin ich J. ·. d. Meulen sehr dankbar., Spa·enta
wendet gegen K. lischer ei n, das Denken düríe i n der Logi k des Sei ns ni cht nur al s der
Akt ·erstanden werden, in dem Sein gedacht wird. Ls sei ·ielmehr sein eigener Gegenstand. Deshalb
ergebe sich das Nichts als die Macht des Negati·en, zu ·erdoppeln und zu ·erkehren
,pre·aricare e geminare,, die allem Denken innewohnt. - Spa·enta rechtíertigt diese
Deutung mit linweisen auí die Pbavovevotogie ae. Cei.te.. Nur mit den Begriííen, die an ihrem
Schlu| erreicht sind, konne die íogi/ interpretiert werden.
Spa·entas Versuch einer »Reíorm der legelschen Dialektik« ,s. o. 215, u. a., ·ermeidet den \eg
in den Neukantianismus, auí den K. lischer mit Notwendigkeit gedrängt wird. Lr hält am
absoluten Charakter der logischen Bestimmungen íest und ·ersteht mit \erder den
Aníang der Logi k als Auslegung der ·originalita· der reinen Idee, die er im Unterschied zu
ihm zugleich als Proze| des Denkens ía|t. Soweit damit implizit auch behauptet ist, die Linheit
·on Sein und Nichts bilde die Linheit ·on Unmittelbarkeit und Vermittlung im
Gedanken der absoluten Negati·ität ab, mu| man Spa·enta zustimmen ,·gl. unten,.
Dennoch hat er zu einer ívter¡retatiov des Aníangs der Logik eigentlich gar keinen Beitrag
gegeben. Denn er ·erlangt, da| die Dialektik des Seins unmittelbar aus dem Begriíí des
absoluten \issens ausgelegt werden soll. Damit wird die Logik ganz auí eine Lxplikation
des Resultats der Phänomenologie reduziert unter Auígabe ihrer Selbständigkeit als der
ersten \issenschaít ·om Absoluten und im direkten \iderspruch zu legels Lrklärungen, denen
zuíolge die Phänomenologie zwar die Bedingung der Moglichkeit der Logik als !i..ev.cbaft
ist, nicht aber in den sachlichen Gang der Lntwicklung des Cegev.tavae. dieser \issenschaít
eingeht. Spa·entas 1hesen stellen den ersten einer langen Reihe ·on Versuchen dar, die
Pbavovevotogie ae. Cei.te. als den Kern des Systems auízuíassen. Line Interpretation der íogi/
konnte aus ihnen nicht her·orgehen.
¯ I. l. lichte, Crvva¸vge ¸vv ´,.tev aer Pbito.o¡bie, Bd. 2, leidelberg 1836 S. 58 íí. - K.
Rosenkranz, Die !i..ev.cbaft aer togi.cbev íaee, Konigsberg 18 s8, Bd. 1, S. 121. - C. L.
Michelet, Da. ´,.tev aer Pbito.o¡bie, Berlin 18¯6, Bd. 1, S. 45 íí.
82
denken ihn also mit lilíe der ontologischen Diííerenz. Von einer ·ierten
Moglichkeit der Auslegung machen Johann Lduard Lrdmann und
Christian lermann \ei|e Gebrauch.
8
Sie nehmen das Sein des Aníangs als
die Copula im Urteil.
2. Die Struktur des Aníangs
Zu Beginn des Abschnittes Sein im ersten Kapital der Seinslogik wird das
·reine Sein· in einer Reihe ·on \endungen näher charakterisiert, ehe seine
Linheit mit Nichts behauptet wird. Linige ·on ihnen haben un·erkennbar
negati·en Charakter und oííenbar nur die Auígabe, jede weitere Bestim-
mung ·on der Reinheit des Seins íernzuhalten. Sieht man ·on ihnen ab,
so bleiben zwei Ausdrücke, durch die der Begriíí ·Sein· als solcher gedacht zu
sein scheint: ·unbestimmte Unmittelbarkeit· und ·Gleichheit nur mit sich·. Sie
sind es auch, die in der gesamten Logik das bezeichnen, was mit ·Sein·
gemeint sein soll. \enn es irgendeine Moglichkeit gibt, ·reines Sein· in andere
Begriíísbestimmungen zu übersetzen, so mü|te sie in diesen \endungen
zu suchen sein. Analysiert man sie aber, so erweist es sich, da| beiden
die Struktur der ·ia negationis gemeinsam ist: In ihnen wird eine
Kategorie der Reílexion durch eine Bestimmung qualiíiziert, die den
Reílexionscharakter jener Kategorie gerade auíheben soll.
Ls ist nicht schwer zu zeigen, da| auch in diesen lällen der Begriíí, der
·orgeblich unbestimmte Unmittelbarkeit denken soll, als reílektierte
Bestimmung genommen wird, nämlich als bestimmt im Gegensatz zu
bestimmtem Sein oder als konkrete Linheit ·on Subjekt und Prädikat.
Darüber hinaus kann er beidemal nur aus einer weiteren Beziehung auí den
subjekti·en Akt des Denkens ·ollständig deíiniert werden. lichte, \ei|e und
Rosenkranz erweisen sich dadurch als die bedeutenderen der Nachíolger, da|
sie diesen Sach·erhalt oííen bekennen und seine Konsequenz nicht scheuen:
eine Veränderung auch der Idee der Logik selbst. Die Ubersicht über die
Kritik und die Interpretation des Aníangs der Logik hat somit ein
Lrgebnis, das sich in der lorm einer Alternati·e aussprechen lä|t:
Lntweder es gelingt, die Struktur des Aníangs der Logik im Unterschied zu
der Logik reílektierter Gedankenbestimmungen zu interpretieren und ihr
gemä| den Begriíí der unbestimmten Unmittelbarkeit zu entwickeln. Oder
es müssen auch schon ihrem Aníang reílektierte Momente unterstellt
werden. In diesem lall ist es unmoglich, an der Idee der Logik als einer
\issenschaít reiner Gedanken íestzuhalten. Denn in ihr mü|te es
notwendig eine erste und schlechthin einíache Grundbestimmung geben.
So ist |vvittetbar/eit die Negation ·on Vermittlung und als solche selbst
·ermittelt und bestimmt durch diesen Begriíí.
9
Unbestimmte Unmittelbarkeit
ist also ein Ausdruck, der den Ursprung des Gedankens der
Unmittelbarkeit in der Logik der Reílexion ·erstellt und in sein Gegenteil
·erkehrt. legel kann mit ihm nur zeigen wollen, da| ·Sein· anders zu den-
ken ist als die Unmittelbarkeit des \esens. Und er erklärt auch
ausdrücklich: »Die einíache Unmittelbarkeit ist selbst ein Reílexionsausdruck
und bezieht sich auí den Unterschied ·on dem Vermittelten. In ihrem rabrev
Ausdrucke ist daher diese einíache Unmittelbarkeit das reine Sein.«
10

Nachdem erwiesen ist, da| Nachíolger und Kritiker legels - íaktisch oder
erklärterma|en - den Standpunkt des zweiten Glieds dieser Alternati·e
einnehmen, mu| es unsere nächste Auígabe sein, den Aníang der Logik
mit lilíe des Leitíadens zu interpretieren, der in unserer 1hese und im
ersten Glied der Alternati·e angegeben ist.
Dasselbe gilt íür den Ausdruck Cteicbbeit vit .icb. Auch


85

9 legel , !i..ev.cbaft aer íogi/, hrsg. ·. G. Lasson, Leipzig 19 S1, 1eil 2, S. 3 íí. 8 J. L. Lrdmann, Crvvari; aer íogi/ vva Meta¡b,.i/, lal l e 1841
S.
Uíí. - C. l. \ei |e,
Crvva¸vge aer Meta¡b,.i/, lamburg 1835, S. 111. 10 !i..ev.cbaft aer íogi/, 1eil 1, S. S4 ,ler·orhebung ·om Verí.,.
84
denken ihn also mit lilíe der ontologischen Diííerenz. Von einer ·ierten
Moglichkeit der Auslegung machen Johann Lduard Lrdmann und
Christian lermann \ei|e Gebrauch.
8
Sie nehmen das Sein des Aníangs als
die Copula im Urteil.
2. Die Struktur des Aníangs
Zu Beginn des Abschnittes Sein im ersten Kapital der Seinslogik wird das
·reine Sein· in einer Reihe ·on \endungen näher charakterisiert, ehe seine
Linheit mit Nichts behauptet wird. Linige ·on ihnen haben un·erkennbar
negati·en Charakter und oííenbar nur die Auígabe, jede weitere Bestim-
mung ·on der Reinheit des Seins íernzuhalten. Sieht man ·on ihnen ab,
so bleiben zwei Ausdrücke, durch die der Begriíí ·Sein· als solcher gedacht zu
sein scheint: ·unbestimmte Unmittelbarkeit· und ·Gleichheit nur mit sich·. Sie
sind es auch, die in der gesamten Logik das bezeichnen, was mit ·Sein·
gemeint sein soll. \enn es irgendeine Moglichkeit gibt, ·reines Sein· in andere
Begriíísbestimmungen zu übersetzen, so mü|te sie in diesen \endungen
zu suchen sein. Analysiert man sie aber, so erweist es sich, da| beiden
die Struktur der ·ia negationis gemeinsam ist: In ihnen wird eine
Kategorie der Reílexion durch eine Bestimmung qualiíiziert, die den
Reílexionscharakter jener Kategorie gerade auíheben soll.
Ls ist nicht schwer zu zeigen, da| auch in diesen lällen der Begriíí, der
·orgeblich unbestimmte Unmittelbarkeit denken soll, als reílektierte
Bestimmung genommen wird, nämlich als bestimmt im Gegensatz zu
bestimmtem Sein oder als konkrete Linheit ·on Subjekt und Prädikat.
Darüber hinaus kann er beidemal nur aus einer weiteren Beziehung auí den
subjekti·en Akt des Denkens ·ollständig deíiniert werden. lichte, \ei|e und
Rosenkranz erweisen sich dadurch als die bedeutenderen der Nachíolger, da|
sie diesen Sach·erhalt oííen bekennen und seine Konsequenz nicht scheuen:
eine Veränderung auch der Idee der Logik selbst. Die Ubersicht über die
Kritik und die Interpretation des Aníangs der Logik hat somit ein
Lrgebnis, das sich in der lorm einer Alternati·e aussprechen lä|t:
Lntweder es gelingt, die Struktur des Aníangs der Logik im Unterschied zu
der Logik reílektierter Gedankenbestimmungen zu interpretieren und ihr
gemä| den Begriíí der unbestimmten Unmittelbarkeit zu entwickeln. Oder
es müssen auch schon ihrem Aníang reílektierte Momente unterstellt
werden. In diesem lall ist es unmoglich, an der Idee der Logik als einer
\issenschaít reiner Gedanken íestzuhalten. Denn in ihr mü|te es
notwendig eine erste und schlechthin einíache Grundbestimmung geben.
So ist |vvittetbar/eit die Negation ·on Vermittlung und als solche selbst
·ermittelt und bestimmt durch diesen Begriíí.
9
Unbestimmte Unmittelbarkeit
ist also ein Ausdruck, der den Ursprung des Gedankens der
Unmittelbarkeit in der Logik der Reílexion ·erstellt und in sein Gegenteil
·erkehrt. legel kann mit ihm nur zeigen wollen, da| ·Sein· anders zu den-
ken ist als die Unmittelbarkeit des \esens. Und er erklärt auch
ausdrücklich: »Die einíache Unmittelbarkeit ist selbst ein Reílexionsausdruck
und bezieht sich auí den Unterschied ·on dem Vermittelten. In ihrem rabrev
Ausdrucke ist daher diese einíache Unmittelbarkeit das reine Sein.«
10

Nachdem erwiesen ist, da| Nachíolger und Kritiker legels - íaktisch oder
erklärterma|en - den Standpunkt des zweiten Glieds dieser Alternati·e
einnehmen, mu| es unsere nächste Auígabe sein, den Aníang der Logik
mit lilíe des Leitíadens zu interpretieren, der in unserer 1hese und im
ersten Glied der Alternati·e angegeben ist.
Dasselbe gilt íür den Ausdruck Cteicbbeit vit .icb. Auch


85

9 legel , !i..ev.cbaft aer íogi/, hrsg. ·. G. Lasson, Leipzig 19 S1, 1eil 2, S. 3 íí. 8 J. L. Lrdmann, Crvvari; aer íogi/ vva Meta¡b,.i/, lal l e 1841
S.
Uíí. - C. l. \ei |e,
Crvva¸vge aer Meta¡b,.i/, lamburg 1835, S. 111. 10 !i..ev.cbaft aer íogi/, 1eil 1, S. S4 ,ler·orhebung ·om Verí.,.
84
Gleichheit ist eine Reílexionsbestimmung, die als einer der Modi ·on
Verschiedenheit in der \esenslogik entwickelt wird.
11
lier erscheinen
Gleichheit und Ungleichheit als Gesichtspunkte der Beziehung ·on
Verschiedenem auíeinander. Gleichheit kann also nur ausgesagt werden mit
Beziehung auí Anderes, das zudem Verschiedenes ist. In dem zweiten Aus-
druck am Lingang der Seinslogik wird diese wesentliche Bestimmung der
Gleichheit aber gerade negiert, eine Negation, die legel selbst dadurch
andeutet, da| er ·on einer Gleichheit vvr mit sich selbst spricht.
die, welche am ergiebigsten an dergleichen Linwüríen sind, íallen sogleich
über die ersten Sätze mit ihren Reílexionen her, ohne durch das weitere
Studium der Logik sich zum Bewu|tsein über die Natur dieser kruden
Reílexionen zu ·erhelíen oder ·erholíen zu haben.«
12
»Diese Beschränkung
auí das Liníache lä|t der \illkür des Denkens, das íür sich nicht einíach
bleiben will, sondern seine Reílexionen darüber anbringt, íreien Spielraum.
Mit dem guten Rechte, sich zuerst vvr mit dem Prinzip zu beschäítigen und
damit sich auí das \eitere nicht einzulassen, tut diese Gründlichkeit in
ihrem Geschäíte selbst das Gegenteil hier·on, ·ielmehr das \eitere, d. i.
andere Kategorien, als nur das Prinzip ist, |...| herbeizubringen.«
13

Die beiden einzigen Bestimmungen, durch die der Gedanke ·Sein· in
anderer \eise ausgedrückt werden soll, sind also negierte
Reílexionsbestimmungen. Sie taugen nur dazu, auí den Gedanken, der mit
·Sein· gemeint ist, dadurch zu ·erweisen, da| sie ihn als gänzlich írei ·on
Strukturen der Reílexion erklären. Das geschieht dadurch, da| sich in diesem
Verweis der Sinn der Kategorien des \esens ·erkehrt und auíhebt.
Line andere Methode, den Gedanken des Seins zu explizieren, steht
legel nicht zur Veríügung.
Ls ist besonders wichtig, gerade den Aníang ·or solchen Reílexionen zu
schützen. Denn einerseits mu| er zwar durch Reílexionsausdrücke
charakterisiert werden, andererseits ist er aber doch - nach legels eigenen
\orten - in seiner »einíachen, uneríüllten Unmittelbarkeit ein ^icbt·
avat,.ierbare..·
11

Damit ist zugleich zugegeben, da| auch der Ubergang ·on Sein in
Nichts und ·on Nichts in Sein keiner weiteren Analyse zugänglich ist und
in reiner Unmittelbarkeit hingenommen werden mu|. »Die Art der
Beziehung kann nicht weiter bestimmt sein, ohne da| zugleich die
bezogenen Seiten weiter bestimmt würden.«
15
legel beschreibt diesen
Sach·erhalt mit Bildern: Das Nichts bricht am Sein her·or, es geht nicht in
es über, sondern ist schon in es übergegangen.
\enn aber die Natur des ·reinen Seins· nur ·ia negationis in den Blick
gebracht werden kann, so lä|t sich der Aníang der Logik nicht
zureichend aus ihm selbst ·erstehen. Beschränkt man sich auí ihn allein,
so íordert er mit Notwendigkeit zu einer näheren Bestimmung heraus. Sie
kann auí ·iele \eisen ·ersucht werden, wenn auch immer innerhalb der
Grenzen, die sich aus der Systematik der Linwände in unserem ersten
Gang ergeben. legel ist sich über diesen Zusammenhang selbst ·ollig im
Klaren gewesen. Kaum ·erhüllt erklärt er selbst, der Aníang sei gegen
íalsche Deutungen und Linwände erst nach dem Studium zumindest der
Logik der Reílexion gesichert: »Die Gedankenbildung, die dazu gehort,
die Nichtigkeit jener \iderlegungen einzusehen, |...| wird nur durch
die kritische Lrkenntnis der Verstandesíormen bewirkt, aber

Di eser Ubergang wäre al so durchaus ni cht i m Si nne ·on legel
·erstanden, wenn man ·ersuchen wol l te, i hn auí íol gende \ei se
zu deuten: \i r denken zunächst di e unbesti mmte Un-
mi ttel barkei t des rei nen Sei ns. Sodann bemerken wi r, da|



12 !i..ev.cbaft aer íogi/, 1eil 1, S. 80.
13 Lbd. , S. 21.
11 !i..ev.cbaf t aer íogi /, 1ei l 2, S. 34 íí. 14 Lbd., S. 60. ,ler·orhebung ·om Verl.,
15 Lbd., S. 90.
86
Gleichheit ist eine Reílexionsbestimmung, die als einer der Modi ·on
Verschiedenheit in der \esenslogik entwickelt wird.
11
lier erscheinen
Gleichheit und Ungleichheit als Gesichtspunkte der Beziehung ·on
Verschiedenem auíeinander. Gleichheit kann also nur ausgesagt werden mit
Beziehung auí Anderes, das zudem Verschiedenes ist. In dem zweiten Aus-
druck am Lingang der Seinslogik wird diese wesentliche Bestimmung der
Gleichheit aber gerade negiert, eine Negation, die legel selbst dadurch
andeutet, da| er ·on einer Gleichheit vvr mit sich selbst spricht.
die, welche am ergiebigsten an dergleichen Linwüríen sind, íallen sogleich
über die ersten Sätze mit ihren Reílexionen her, ohne durch das weitere
Studium der Logik sich zum Bewu|tsein über die Natur dieser kruden
Reílexionen zu ·erhelíen oder ·erholíen zu haben.«
12
»Diese Beschränkung
auí das Liníache lä|t der \illkür des Denkens, das íür sich nicht einíach
bleiben will, sondern seine Reílexionen darüber anbringt, íreien Spielraum.
Mit dem guten Rechte, sich zuerst vvr mit dem Prinzip zu beschäítigen und
damit sich auí das \eitere nicht einzulassen, tut diese Gründlichkeit in
ihrem Geschäíte selbst das Gegenteil hier·on, ·ielmehr das \eitere, d. i.
andere Kategorien, als nur das Prinzip ist, |...| herbeizubringen.«
13

Die beiden einzigen Bestimmungen, durch die der Gedanke ·Sein· in
anderer \eise ausgedrückt werden soll, sind also negierte
Reílexionsbestimmungen. Sie taugen nur dazu, auí den Gedanken, der mit
·Sein· gemeint ist, dadurch zu ·erweisen, da| sie ihn als gänzlich írei ·on
Strukturen der Reílexion erklären. Das geschieht dadurch, da| sich in diesem
Verweis der Sinn der Kategorien des \esens ·erkehrt und auíhebt.
Line andere Methode, den Gedanken des Seins zu explizieren, steht
legel nicht zur Veríügung.
Ls ist besonders wichtig, gerade den Aníang ·or solchen Reílexionen zu
schützen. Denn einerseits mu| er zwar durch Reílexionsausdrücke
charakterisiert werden, andererseits ist er aber doch - nach legels eigenen
\orten - in seiner »einíachen, uneríüllten Unmittelbarkeit ein ^icbt·
avat,.ierbare..·
11

Damit ist zugleich zugegeben, da| auch der Ubergang ·on Sein in
Nichts und ·on Nichts in Sein keiner weiteren Analyse zugänglich ist und
in reiner Unmittelbarkeit hingenommen werden mu|. »Die Art der
Beziehung kann nicht weiter bestimmt sein, ohne da| zugleich die
bezogenen Seiten weiter bestimmt würden.«
15
legel beschreibt diesen
Sach·erhalt mit Bildern: Das Nichts bricht am Sein her·or, es geht nicht in
es über, sondern ist schon in es übergegangen.
\enn aber die Natur des ·reinen Seins· nur ·ia negationis in den Blick
gebracht werden kann, so lä|t sich der Aníang der Logik nicht
zureichend aus ihm selbst ·erstehen. Beschränkt man sich auí ihn allein,
so íordert er mit Notwendigkeit zu einer näheren Bestimmung heraus. Sie
kann auí ·iele \eisen ·ersucht werden, wenn auch immer innerhalb der
Grenzen, die sich aus der Systematik der Linwände in unserem ersten
Gang ergeben. legel ist sich über diesen Zusammenhang selbst ·ollig im
Klaren gewesen. Kaum ·erhüllt erklärt er selbst, der Aníang sei gegen
íalsche Deutungen und Linwände erst nach dem Studium zumindest der
Logik der Reílexion gesichert: »Die Gedankenbildung, die dazu gehort,
die Nichtigkeit jener \iderlegungen einzusehen, |...| wird nur durch
die kritische Lrkenntnis der Verstandesíormen bewirkt, aber

Di eser Ubergang wäre al so durchaus ni cht i m Si nne ·on legel
·erstanden, wenn man ·ersuchen wol l te, i hn auí íol gende \ei se
zu deuten: \i r denken zunächst di e unbesti mmte Un-
mi ttel barkei t des rei nen Sei ns. Sodann bemerken wi r, da|



12 !i..ev.cbaft aer íogi/, 1eil 1, S. 80.
13 Lbd. , S. 21.
11!i..ev.cbaf t aer íogi /, 1ei l 2, S. 34 íí. 14 Lbd., S. 60. ,ler·orhebung ·om Verl.,
15 Lbd., S. 90.
86
wir eine ganz leere Unmittelbarkeit gedacht haben, und nun bezeichnen wir
sie im linblick auí ihre Leere als Nichts. Das Modell dieser Interpretation ist
das Verhältnis ·on lorm und Inhalt, somit wiederum eine
Reílexionsstruktur. \ill man ·om Aníang der Logik überhaupt ein solches
Modell entweríen, so ist gerade dies das am wenigsten geeignete. Denn in
der Gestalt reiner Unmittelbarkeit will legel ·ielmehr die Linheit ·on
Position und Negation denken, ·on Beziehung auí sich und Beziehung auí
Anderes, - also die Idee der absoluten Negati·ität. Nichts ist nicht die
leere lorm in Unmittelbarkeit und Sein nicht die lorm der Leere.
Nichts darí auch keinesíalls als die Negation ·on Sein auígeía|t werden.
Ls ist vvvittetbare Negation, so wie Sein unmittelbares Gesetztsein. In der
Sprache der Reílexion íormuliert bedeutet der Aníang der Logik, da|
zunächst überhaupt etwas gesetzt ist, aber die einíache Unbestimmtheit
des Unmittelbaren, und da| sich dies Gesetzte sodann als die Negation
erweist, aber die reine, unbestimmte Negation in der Gestalt des Nichts.
Nur mit der lilíe dieses Gedankens darí man die Ordnung begründen,
in der Sein eine erste und Nichts die zweite \eise ist, unbestimmte
Unmittelbarkeit zu denken. Ihr Ubergang ineinander mu| in der
gleichen Unmittelbarkeit eríolgen, die ihnen selbst eigentümlich ist, also
ohne jede Reílexion auí lorm und Inhalt oder einen Gegensatz ·on Sein
und Nichts gegeneinander.
Die Lrkenntnis, da| nur dies Modell den Zugang zur Beweisabsicht in
legels Seinslogik ·ermittelt, ersetzt noch nicht einen Beweis, durch den
es etwa einsichtig werden konnte, da| jener unmittelbare Ubergang
zweier zunächst Unterscheidbarer ineinander wirklich eríolgt. Aber auch
diesen Beweis kann legel nur ·ia negationis geben. Lr hat dabei zwei
Veríahren gebraucht.
Das erste ·on ihnen gibt zu neuen Mi|·erständnissen Anla|.
\ährend im Kapitel über das Sein kein Grund íür seinen Uber-
gang in Nichts angegeben wird, ist dieser Ubergang in
der ·orbereitenden Ubersicht
89

16
mit Reílektionskategorien begründet worden:
Sein sei zunächst qualitätslos und unbestimmt. Dieser Charakter der
Unbestimmtheit komme ihm aber nur im Gegensatz gegen das
Bestimmte zu, so da| es selbst als bestimmt auízuíassen sei.
Dies Veríahren hat aber den gleichen Sinn, der auch den Ausdrücken
zukommt, die dem Begriíí des reinen Seins zugeordnet sind: Ls ·erweist
auí eine Notwendigkeit, die in unmittelbarer Gestalt einen Ubergang
·orwegnimmt, der selbst reílektiert ist und dem deshalb Unmittelbarkeit
gerade nicht zukommt. Im einleitenden Abschnitt über den Aníang der
Logik lä|t legel erkennen, da| die Rücksicht auí das Lrgebnis der
Pbavovevotogie einen weiteren Grund daíür abgibt, so zu ·eríahren.

Die
logische Dialektik selbst kann aber nur ·erstanden werden, wenn ihr
Aníang ganz unmittelbar genommen wird.
Das zweite Veríahren besteht in einer Auííorderung, den Versuch zu
machen, Sein und Nichts auí andere \eise ·oneinander zu unterscheiden.
legel beruít sich wie auí ein laktum darauí, da| wir den Gedanken ·on
Nichts ebenso wie den ·on Sein íassen konnen. Lr will zeigen, da|
jeder Versuch, sie anders zu denken, als es der Aníang der Logik ·erlangt,
reílektierte Bestimmungen in sie einmischt und damit gerade ihre Natur
·eríehlt. Am besten entwickelt íindet sich dieses Veríahren in legels
Rezension in den Berliner Jahrbüchern ·on 1829.
18

Die Methode legels am Aníang der Logik ist also das Gegenteil einer
Konstruktion. In ihm ist ganz und gar nur die eine Absicht leitend: Linen.
Zusammenhang ·on Gedanken e·ident zu machen, der sich jeder Konstruktion
entzieht, obgleich er spekulati·er Natur ist. \ürde die Logik ihn an-

16 Lbd., S. 66, ·gl. auch S. 85.
1¯ Lbd. S. 53, Abs. I.
18 legel, ßertiver ´cbriftev, hrsg. ·. J. loíímeister, lamburg 1956, S. 330 íí.
88
wir eine ganz leere Unmittelbarkeit gedacht haben, und nun bezeichnen wir
sie im linblick auí ihre Leere als Nichts. Das Modell dieser Interpretation ist
das Verhältnis ·on lorm und Inhalt, somit wiederum eine
Reílexionsstruktur. \ill man ·om Aníang der Logik überhaupt ein solches
Modell entweríen, so ist gerade dies das am wenigsten geeignete. Denn in
der Gestalt reiner Unmittelbarkeit will legel ·ielmehr die Linheit ·on
Position und Negation denken, ·on Beziehung auí sich und Beziehung auí
Anderes, - also die Idee der absoluten Negati·ität. Nichts ist nicht die
leere lorm in Unmittelbarkeit und Sein nicht die lorm der Leere.
Nichts darí auch keinesíalls als die Negation ·on Sein auígeía|t werden.
Ls ist vvvittetbare Negation, so wie Sein unmittelbares Gesetztsein. In der
Sprache der Reílexion íormuliert bedeutet der Aníang der Logik, da|
zunächst überhaupt etwas gesetzt ist, aber die einíache Unbestimmtheit
des Unmittelbaren, und da| sich dies Gesetzte sodann als die Negation
erweist, aber die reine, unbestimmte Negation in der Gestalt des Nichts.
Nur mit der lilíe dieses Gedankens darí man die Ordnung begründen,
in der Sein eine erste und Nichts die zweite \eise ist, unbestimmte
Unmittelbarkeit zu denken. Ihr Ubergang ineinander mu| in der
gleichen Unmittelbarkeit eríolgen, die ihnen selbst eigentümlich ist, also
ohne jede Reílexion auí lorm und Inhalt oder einen Gegensatz ·on Sein
und Nichts gegeneinander.
Die Lrkenntnis, da| nur dies Modell den Zugang zur Beweisabsicht in
legels Seinslogik ·ermittelt, ersetzt noch nicht einen Beweis, durch den
es etwa einsichtig werden konnte, da| jener unmittelbare Ubergang
zweier zunächst Unterscheidbarer ineinander wirklich eríolgt. Aber auch
diesen Beweis kann legel nur ·ia negationis geben. Lr hat dabei zwei
Veríahren gebraucht.
Das erste ·on ihnen gibt zu neuen Mi|·erständnissen Anla|.
\ährend im Kapitel über das Sein kein Grund íür seinen Uber-
gang in Nichts angegeben wird, ist dieser Ubergang in
der ·orbereitenden Ubersicht
89

16
mit Reílektionskategorien begründet worden:
Sein sei zunächst qualitätslos und unbestimmt. Dieser Charakter der
Unbestimmtheit komme ihm aber nur im Gegensatz gegen das
Bestimmte zu, so da| es selbst als bestimmt auízuíassen sei.
Dies Veríahren hat aber den gleichen Sinn, der auch den Ausdrücken
zukommt, die dem Begriíí des reinen Seins zugeordnet sind: Ls ·erweist
auí eine Notwendigkeit, die in unmittelbarer Gestalt einen Ubergang
·orwegnimmt, der selbst reílektiert ist und dem deshalb Unmittelbarkeit
gerade nicht zukommt. Im einleitenden Abschnitt über den Aníang der
Logik lä|t legel erkennen, da| die Rücksicht auí das Lrgebnis der
Pbavovevotogie einen weiteren Grund daíür abgibt, so zu ·eríahren.

Die
logische Dialektik selbst kann aber nur ·erstanden werden, wenn ihr
Aníang ganz unmittelbar genommen wird.
Das zweite Veríahren besteht in einer Auííorderung, den Versuch zu
machen, Sein und Nichts auí andere \eise ·oneinander zu unterscheiden.
legel beruít sich wie auí ein laktum darauí, da| wir den Gedanken ·on
Nichts ebenso wie den ·on Sein íassen konnen. Lr will zeigen, da|
jeder Versuch, sie anders zu denken, als es der Aníang der Logik ·erlangt,
reílektierte Bestimmungen in sie einmischt und damit gerade ihre Natur
·eríehlt. Am besten entwickelt íindet sich dieses Veríahren in legels
Rezension in den Berliner Jahrbüchern ·on 1829.
18

Die Methode legels am Aníang der Logik ist also das Gegenteil einer
Konstruktion. In ihm ist ganz und gar nur die eine Absicht leitend: Linen.
Zusammenhang ·on Gedanken e·ident zu machen, der sich jeder Konstruktion
entzieht, obgleich er spekulati·er Natur ist. \ürde die Logik ihn an-

16 Lbd., S. 66, ·gl. auch S. 85.
1¯ Lbd. S. 53, Abs. I.
18 legel, ßertiver ´cbriftev, hrsg. ·. J. loíímeister, lamburg 1956, S. 330 íí.
88
geben, ohne auí die Schwierigkeiten des Verstehens Rücksicht zu nehmen, so
konnte dies nur im einíachen Aussprechen der \orter Sein und Nichts
geschehen. legel hat selbst einmal erwogen, ob man ein Veríahren in der
Logik gebrauchen konne, bei dem jeder Vorgriíí auí noch nicht abgeleitete
Bestimmungen unterbleibt. Mit Rücksicht auí die Leere und Liníachheit des
Aníanges hat er es aber doch íür zu abstrakt und somit íür unbrauchbar
erkannt.
19
\as aber die Logik als eine Disziplin der \issenschaít über das
einíache Sagen des Aníangs hinaus zu tun ·ermag, ist nicht mehr, als die
Linwüríe zu entkräíten, die dem einíachen Vollzug dieses ·un-
analysierbaren· Gedankens entgegenstehen. Nirgends ist die Auííorderung
zum reinen Denken, das die Natur des Zusehens hat, so
unentbehrlich wie hier. legel hat stets das deutlichste Bewu|tsein
da·on gehabt, da| eine Schwierigkeit darin gelegen ist, am Aníang der
Logik nur die L·idenz eines reinen Gedankens beanspruchen zu konnen -
eine L·idenz, die zudem nur der íestzuhalten ·ermag, der den Zusammen-
hang des Systems im Ganzen übersieht. Diese Schwierigkeit macht es
unmoglich, Linwände durch direkte Gegengründe zu entkräíten und ist
deshalb eine Quelle unauíhebbarer Zweideutigkeit. Dennoch kann sie auí
keine \eise ·ermieden werden. Sie hat legel deshalb auch niemals an der
Richtigkeit seiner Darstellung der Logik des Seins ·ia negationis
zweiíeln lassen.
Ls ist bekannt, da| die Neuauílage des ersten Bandes der íogi/ legels
letztes \erk war und da| die letzte Notiz ·on seiner land ihrer
lerausgabe galt. legel sah sich ·eranla|t, íast zwanzig Jahre nach
ihrem ersten Lrscheinen die Seinslogik in nahezu allen ihren
wesentlichen Partien umzuarbeiten. Ls ist interessant íestzustellen, da|
in ihrem ersten Abschnitt gerade die Logik des reinen Seins als eiv¸ige
ohne jede Veränderung übernommen worden ist. \ir wissen mit Si-
cherheit, dass legel einige der Linwüríe gerade gegen diese Lehrstück
bekannt geworden sind.
20
Lr hat sie nicht nur nicht anerkannt, sondern auch
keine Moglichkeit gesehen, den 1ext der ersten Auílage mit Rücksicht auí
sie zu ·erbessern.
Die Anmerkungen zum 1ext hat er jedoch gründlich umgearbeitet.
Vergleicht man ihre beiden lassungen miteinander, so wird deutlich, da|
legel durch jene Linwüríe nur ·on der Unmoglichkeit überzeugt worden
ist, den 1ext selbst hinreichend gegen sie abzusichern. Im Unterschied
zur ersten Auílage hat er darauí ·erzichtet, Gegengründe im einzelnen zu
entkräíten. Statt dessen hat er mehr und entschiedener als zu·or den
Unterschied ·on Seinslogik und Reílexionsbestimmung betont.
Besonders auíschlu|reich ist in diesem Zusammenhang eine Anderung, die
den Ubergang ·on Sein zu Nichts betriíít. In der ersten Auílage
21
hatte
legel bemerkt, der Gang des Gedankens ·on Parmenides zu leraklit sei
durch die Reílexion zustande gekommen, da| dessen reines Sein gleich
Nichts ist. Damit hatte er den lortschritt in der Ce.cbicbte aer Pbito.o¡bie
unter ein anderes Gesetz gestellt als das der aníänglichen
Gedankenbestimmungen und war auch in einen \iderspruch mit seiner
eigenen Interpretation der ·orsokratischen Philosophie gekommen.
22

Deshalb hat er in die zweite Auílage zwar die Bemerkungen über die
Reílexion auí den bestimmten Charakter der Unmittelbarkeit über-
nommen, ihre Beziehung auí Parmenides hat er jedoch getilgt.
23
An seine
Stelle ist nun der Reílexionsphilosoph Jacobi getreten, der gegen die
Kantische Synthesis reine Unmittelbarkeit zur Geltung bringen wollte, aber
nicht jene aníängliche Unmittelbarkeit, sondern eine solche, die nur als
Produkt der abstrahierenden Reílexion auígeía|t werden kann. Ihm will


91

20 Vgl . di e i n Anm. 18 erwähnten Rezensionen aus dem Jahre 1829.
21 !i..ev.cbaft aer íogi/, Nürnberg 1812, S. 33.
22 legel, !e r /e , hrsg. ·. l. Glockner, Bd. 1¯, ´. 306 íí. v. 343 íí.
19 !i..ev.cbaft aer íogi/, 1ei l I. , S. 19. 23 !i..ev.cbaft aer íogi/, hrsg. ·. G. Lasson, 1eil 1, S. 81 íí.
90
geben, ohne auí die Schwierigkeiten des Verstehens Rücksicht zu nehmen, so
konnte dies nur im einíachen Aussprechen der \orter Sein und Nichts
geschehen. legel hat selbst einmal erwogen, ob man ein Veríahren in der
Logik gebrauchen konne, bei dem jeder Vorgriíí auí noch nicht abgeleitete
Bestimmungen unterbleibt. Mit Rücksicht auí die Leere und Liníachheit des
Aníanges hat er es aber doch íür zu abstrakt und somit íür unbrauchbar
erkannt.
19
\as aber die Logik als eine Disziplin der \issenschaít über das
einíache Sagen des Aníangs hinaus zu tun ·ermag, ist nicht mehr, als die
Linwüríe zu entkräíten, die dem einíachen Vollzug dieses ·un-
analysierbaren· Gedankens entgegenstehen. Nirgends ist die Auííorderung
zum reinen Denken, das die Natur des Zusehens hat, so
unentbehrlich wie hier. legel hat stets das deutlichste Bewu|tsein
da·on gehabt, da| eine Schwierigkeit darin gelegen ist, am Aníang der
Logik nur die L·idenz eines reinen Gedankens beanspruchen zu konnen -
eine L·idenz, die zudem nur der íestzuhalten ·ermag, der den Zusammen-
hang des Systems im Ganzen übersieht. Diese Schwierigkeit macht es
unmoglich, Linwände durch direkte Gegengründe zu entkräíten und ist
deshalb eine Quelle unauíhebbarer Zweideutigkeit. Dennoch kann sie auí
keine \eise ·ermieden werden. Sie hat legel deshalb auch niemals an der
Richtigkeit seiner Darstellung der Logik des Seins ·ia negationis
zweiíeln lassen.
Ls ist bekannt, da| die Neuauílage des ersten Bandes der íogi/ legels
letztes \erk war und da| die letzte Notiz ·on seiner land ihrer
lerausgabe galt. legel sah sich ·eranla|t, íast zwanzig Jahre nach
ihrem ersten Lrscheinen die Seinslogik in nahezu allen ihren
wesentlichen Partien umzuarbeiten. Ls ist interessant íestzustellen, da|
in ihrem ersten Abschnitt gerade die Logik des reinen Seins als eiv¸ige
ohne jede Veränderung übernommen worden ist. \ir wissen mit Si-
cherheit, dass legel einige der Linwüríe gerade gegen diese Lehrstück
bekannt geworden sind.
20
Lr hat sie nicht nur nicht anerkannt, sondern auch
keine Moglichkeit gesehen, den 1ext der ersten Auílage mit Rücksicht auí
sie zu ·erbessern.
Die Anmerkungen zum 1ext hat er jedoch gründlich umgearbeitet.
Vergleicht man ihre beiden lassungen miteinander, so wird deutlich, da|
legel durch jene Linwüríe nur ·on der Unmoglichkeit überzeugt worden
ist, den 1ext selbst hinreichend gegen sie abzusichern. Im Unterschied
zur ersten Auílage hat er darauí ·erzichtet, Gegengründe im einzelnen zu
entkräíten. Statt dessen hat er mehr und entschiedener als zu·or den
Unterschied ·on Seinslogik und Reílexionsbestimmung betont.
Besonders auíschlu|reich ist in diesem Zusammenhang eine Anderung, die
den Ubergang ·on Sein zu Nichts betriíít. In der ersten Auílage
21
hatte
legel bemerkt, der Gang des Gedankens ·on Parmenides zu leraklit sei
durch die Reílexion zustande gekommen, da| dessen reines Sein gleich
Nichts ist. Damit hatte er den lortschritt in der Ce.cbicbte aer Pbito.o¡bie
unter ein anderes Gesetz gestellt als das der aníänglichen
Gedankenbestimmungen und war auch in einen \iderspruch mit seiner
eigenen Interpretation der ·orsokratischen Philosophie gekommen.
22

Deshalb hat er in die zweite Auílage zwar die Bemerkungen über die
Reílexion auí den bestimmten Charakter der Unmittelbarkeit über-
nommen, ihre Beziehung auí Parmenides hat er jedoch getilgt.
23
An seine
Stelle ist nun der Reílexionsphilosoph Jacobi getreten, der gegen die
Kantische Synthesis reine Unmittelbarkeit zur Geltung bringen wollte, aber
nicht jene aníängliche Unmittelbarkeit, sondern eine solche, die nur als
Produkt der abstrahierenden Reílexion auígeía|t werden kann. Ihm will


91

20 Vgl . di e i n Anm. 18 erwähnten Rezensionen aus dem Jahre 1829.
21 !i..ev.cbaft aer íogi/, Nürnberg 1812, S. 33.
22 legel, !e r /e , hrsg. ·. l. Glockner, Bd. 1¯, ´. 306 íí. v. 343 íí.
19 !i..ev.cbaft aer íogi/, 1ei l I. , S. 19. 23 !i..ev.cbaft aer íogi/, hrsg. ·. G. Lasson, 1eil 1, S. 81 íí.
90
legel nachweisen, da| das Lrgebnis seiner Abstraktionen keine
unbestimmte Unmittelbarkeit, sondern durch die Negation dessen
bestimmt ist, ·on dem abstrahiert wird. Sein abstraktes Unmittelbares ist
somit ebenso ein Negati·es.
Dieser Nachweis, der mit den Mitteln der Reílexionsdialektik geíührt werden
kann, ist ·on der Dialektik des reinen Seins selbst zu unterscheiden, ·on
der der \eg der ·orsokratischen Philosophie bestimmt war. In legels
Ce.cbicbte aer Pbito.o¡bie íolgt leraklit nicht deshalb auí Parmenides, weil er
auí die Bestimmtheit und Leere des reinen Seins der Lleaten reílektiert hat.
leraklit hat ·ielmehr gesehen, da| ihr reines Sein und der Ungedanke des
Nichts, den sie schlechthin aus allem Denken ·erbannen wollten, gar
nicht ·oneinander unterschieden werden konnen.
24

Damit hat er den ersten konkreten Gedanken gedacht, und das in jener
Unmittelbarkeit, die legel auch am Aníang der eigenen Logik íür den
Ubergang des reinen Seins zu Nichts in Anspruch nimmt: Der Gedanke
der unbestimmten Unmittelbarkeit, zunächst als reines Sein genommen,
kann als reílexionslose Gleichheit mit sich nur gedacht werden, wenn er
statt dessen ebenso sehr als Nichts geía|t wird. Die Natur dieser
Beziehung weiter bestimmen wollen, íührt mit Notwendigkeit dahin,
da| ihr aníänglicher Charakter zerstort wird.
Das Lrgebnis der Analyse des Aníangs in unseren beiden Gängen hat eine
Reihe ·on Konsequenzen íür die Interpretation der Logik in ihrem
ganzen Zusammenhang. Sie konnen nur noch in der lorm ·on 1hesen
genannt werden.

1. Die !i..ev.cbaft der Logik mu| ·on dem Proze| der logischen Ge-
dankenbestimmungen unterschieden werden. Dieser Proze| ·ollzieht sich als
einsinnige Lntwicklung. Die \issenschaít ·on ihm ist aber eine \eise der
\irklichkeit des Geistes. Sie lä|t sich ·ielíach nur in rückläuíiger Begründung
und mit dem Blick auí das Ganze entíalten. \ir bedüríen einer
Methodenlehre dieser Begründungen, die den Charakter einer ·Metalogik·
haben würde. Zu ihren wichtigsten Leistungen würde auch ein Vergleich der
zweiten mit der ersten Auílage der íogi/ gehoren, die längst wieder hätte
auígelegt werden müssen.

2. Die Unmittelbarkeit der aníänglichen Bestimmungen wird zwar in
reichere Strukturen übergeíührt, die íür die Reílexion einsichtiger sind.
Sie wird aber als der Aníang des Ganzen niemals auígehoben und kann
durch jene Strukturen niemals zureichend interpretiert werden. Der Schlu|
des Systems soll ·ielmehr die Linsicht in die Notwendigkeit eines
Aníangs ·on unauíhebbarer Unmittelbarkeit begründen.
3. Ls ist deshalb auch nicht zulässig, in irgendeinem späteren Kapitel der
íogi/ ihr ·eigentliches· Zentrum und den Motor ihres Prozesses zu suchen,
weder in der Lehre ·on der Reílexion noch in der ·om Urteil oder der ·om
Schlu|.

4. Der Versuch einer lormalisierung der Logik düríte in diesen
Zusammenhängen besonders gro|e, wenn nicht unüberwindbare
Schwierigkeiten íinden.

5. Ls besteht keine Moglichkeit, den linweis auí die L·idenz, da| Sein
und Nichts denkbar und doch ununterscheidbar sind, in der Logik durch ein
anderes Argument zu ersetzen, das zu seiner Begründung nicht der ·ia
negationis bedüríte. In dieser L·idenz wird die grundlose, ursprüngliche
Linheit des Negati·en mit sich geía|t. Sie ist deshalb eine der Grundlagen
jeder etwa moglichen Gewi|heit ·on der Absolutheit des Geistes.
25


93

25 Aus dieser 1hese ergeben sich zwei Konsequenzen íür jede mogliche legelinterpretation, die
angemerkt sein sollen: 1. legels Denken lä|t sich weder aus der Unüberholharkeit des Aníangs
noch aus der Bewegung, die ·on ihm ausgeht, íür sich allein hinreichend interpretieren,
sondern nur mit dem Blick auí beides zugleich. Ls ist weder Ursprungs- noch Lmanzi-
pationsphilosophie. - 2. Auí jeder Stuíe der Lntíaltung des Systems bleibt di e
Unmi ttel barkei t des Aníangs gegenwärti g, und zwar i nsoíern, al s nicht nur das in ihnen
Vermittelte, sondern auch die \eisen der Ver-
24 O.ö:. µ-``o. ·o o. ·o¨ µ_ o.·oç ::.-: .. Vgl. legel , !er/e, hrsg. ·. l. Glockner, Bd. 1¯,
S. 348 · ßertiver ´cbriftev, S. 359.
92
legel nachweisen, da| das Lrgebnis seiner Abstraktionen keine
unbestimmte Unmittelbarkeit, sondern durch die Negation dessen
bestimmt ist, ·on dem abstrahiert wird. Sein abstraktes Unmittelbares ist
somit ebenso ein Negati·es.
Dieser Nachweis, der mit den Mitteln der Reílexionsdialektik geíührt werden
kann, ist ·on der Dialektik des reinen Seins selbst zu unterscheiden, ·on
der der \eg der ·orsokratischen Philosophie bestimmt war. In legels
Ce.cbicbte aer Pbito.o¡bie íolgt leraklit nicht deshalb auí Parmenides, weil er
auí die Bestimmtheit und Leere des reinen Seins der Lleaten reílektiert hat.
leraklit hat ·ielmehr gesehen, da| ihr reines Sein und der Ungedanke des
Nichts, den sie schlechthin aus allem Denken ·erbannen wollten, gar
nicht ·oneinander unterschieden werden konnen.
24

Damit hat er den ersten konkreten Gedanken gedacht, und das in jener
Unmittelbarkeit, die legel auch am Aníang der eigenen Logik íür den
Ubergang des reinen Seins zu Nichts in Anspruch nimmt: Der Gedanke
der unbestimmten Unmittelbarkeit, zunächst als reines Sein genommen,
kann als reílexionslose Gleichheit mit sich nur gedacht werden, wenn er
statt dessen ebenso sehr als Nichts geía|t wird. Die Natur dieser
Beziehung weiter bestimmen wollen, íührt mit Notwendigkeit dahin,
da| ihr aníänglicher Charakter zerstort wird.
Das Lrgebnis der Analyse des Aníangs in unseren beiden Gängen hat eine
Reihe ·on Konsequenzen íür die Interpretation der Logik in ihrem
ganzen Zusammenhang. Sie konnen nur noch in der lorm ·on 1hesen
genannt werden.

1. Die !i..ev.cbaft der Logik mu| ·on dem Proze| der logischen Ge-
dankenbestimmungen unterschieden werden. Dieser Proze| ·ollzieht sich als
einsinnige Lntwicklung. Die \issenschaít ·on ihm ist aber eine \eise der
\irklichkeit des Geistes. Sie lä|t sich ·ielíach nur in rückläuíiger Begründung
und mit dem Blick auí das Ganze entíalten. \ir bedüríen einer
Methodenlehre dieser Begründungen, die den Charakter einer ·Metalogik·
haben würde. Zu ihren wichtigsten Leistungen würde auch ein Vergleich der
zweiten mit der ersten Auílage der íogi/ gehoren, die längst wieder hätte
auígelegt werden müssen.

2. Die Unmittelbarkeit der aníänglichen Bestimmungen wird zwar in
reichere Strukturen übergeíührt, die íür die Reílexion einsichtiger sind.
Sie wird aber als der Aníang des Ganzen niemals auígehoben und kann
durch jene Strukturen niemals zureichend interpretiert werden. Der Schlu|
des Systems soll ·ielmehr die Linsicht in die Notwendigkeit eines
Aníangs ·on unauíhebbarer Unmittelbarkeit begründen.
3. Ls ist deshalb auch nicht zulässig, in irgendeinem späteren Kapitel der
íogi/ ihr ·eigentliches· Zentrum und den Motor ihres Prozesses zu suchen,
weder in der Lehre ·on der Reílexion noch in der ·om Urteil oder der ·om
Schlu|.

4. Der Versuch einer lormalisierung der Logik düríte in diesen
Zusammenhängen besonders gro|e, wenn nicht unüberwindbare
Schwierigkeiten íinden.

5. Ls besteht keine Moglichkeit, den linweis auí die L·idenz, da| Sein
und Nichts denkbar und doch ununterscheidbar sind, in der Logik durch ein
anderes Argument zu ersetzen, das zu seiner Begründung nicht der ·ia
negationis bedüríte. In dieser L·idenz wird die grundlose, ursprüngliche
Linheit des Negati·en mit sich geía|t. Sie ist deshalb eine der Grundlagen
jeder etwa moglichen Gewi|heit ·on der Absolutheit des Geistes.
25


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25 Aus dieser 1hese ergeben sich zwei Konsequenzen íür jede mogliche legelinterpretation, die
angemerkt sein sollen: 1. legels Denken lä|t sich weder aus der Unüberholharkeit des Aníangs
noch aus der Bewegung, die ·on ihm ausgeht, íür sich allein hinreichend interpretieren,
sondern nur mit dem Blick auí beides zugleich. Ls ist weder Ursprungs- noch Lmanzi-
pationsphilosophie. - 2. Auí jeder Stuíe der Lntíaltung des Systems bleibt di e
Unmi ttel barkei t des Aníangs gegenwärti g, und zwar i nsoíern, al s nicht nur das in ihnen
Vermittelte, sondern auch die \eisen der Ver-
24 O.ö:. µ-``o. ·o o. ·o¨ µ_ o.·oç ::.-: .. Vgl. legel , !er/e, hrsg. ·. l. Glockner, Bd. 1¯,
S. 348 · ßertiver ´cbriftev, S. 359.
92
\er aber Sein und Nichts in ihrer Unmittelbarkeit und doch anders als in
jener ununterscheidbaren Linheit zu denken ·ermag, der ist damit nur einer
Auííorderung geíolgt, die legel selbst immer wieder auís Neue
ausgesprochen hat. Ihm wäre es gelungen, in einen Grund der Logik
zurückzudenken, ohne sich über sie selbst hinwegsetzen zu müssen. Die
Schüler legels machten diesen Versuch. Ls mu| anerkannt werden, da| er
berechtigt ist, wenn er auch in jeder \eise scheiterte. Von den Gründen
dieses Scheiterns haben auch wir noch zu lernen.
legels Logik der Reílexion
I. Ziel und Methode der Logik

»Die Substanz ist als Subjekt zu bestimmen.« Dieser Grundsatz legels
íormuliert sein philosophisches Programm ·ollständig und proíiliert es gegen
seine wichtigsten Alternati·en. Lr sagt zunächst, da| die singuläre
\irklichkeit über allem Bewu|tsein nichts anderes ist als der Proze| ihrer
Selbstrealisation. Diese Gleichung zwischen Prinzip und Proze| hat, soíern
sie streng genommen wird, wichtige Implikationen íür die Natur des
Prozesses selber: Lr kann nicht Lntíaltung sein und nicht Diííerenzierung.
Denn Prozesse solcher Art haben Voraussetzungen in einem ·on ihnen
selbst unabhängigen Bestand, der zu entwickeln und zu ·er·ielíältigen ist.
Ist solcher Bestand einmal angenommen, so mu| man auch zugeben, da|
er, nicht der Proze|, in die Begriíísbestimmung eines Absoluten primär
eingeht. Die Substanz soll aber nicht nur die weitere Ligenschaít haben,
als Subjekt sich zu ·erhalten. Sie ist ·ielmehr durchaus als Subjekt zu
begreiíen. Daraus íolgt: \as immer besteht, ist Moment oder Produkt
eines Prozesses, der ebenso aus sich selber ·erständlich und ·on nichts in
ihm Vorausgesetzten herzuleiten ist wie die íreie Selbstbeziehung der sich
wissenden und im Sichwissen einzig überhaupt wirklichen Ichheit. Darum
hei|t der Proze| Subjekt.








95
In diesem Sinne schied sich legel durch seine Programmíormel auch ·on
den subtilsten 1heorien über \eltgründe und Ursprungsprinzipien, denen er
nahe genug und ·erpílichtet gewesen war, und sicherte damit zugleich die
ihm eigentümliche Methode eines spekulati·en Rationalismus. Denn er
hatte sich da·on überzeugt, da| das Veríahren der Philosophie nur die
begriííliche Artikulation des Prozesses sein kann. Dann aber schien ihm
nicht absehbar wie der Zugang zu einer
mittlung selbst jeweils bestimmte und ·oneinander ·erschiedene sind. Die Unmittelbarkeit des
Ubergangs im Aníang und der Begriíí des Systems unterscheiden sich nicht nur nach dem Grad der
Vermittlung, sondern auch der Art nach ·oneinander. Line Interpretation der Logik und ·ollends
der Realphilosophie mu| ·or allem eine Interpretation ihrer Vermittlungsweisen sein. Die letzte
und schwierigste Auígabe ist es, den Zu sammenhang dieser Vermittlungsweisen untereinander
·erständlich zu machen.

94
\er aber Sein und Nichts in ihrer Unmittelbarkeit und doch anders als in
jener ununterscheidbaren Linheit zu denken ·ermag, der ist damit nur einer
Auííorderung geíolgt, die legel selbst immer wieder auís Neue
ausgesprochen hat. Ihm wäre es gelungen, in einen Grund der Logik
zurückzudenken, ohne sich über sie selbst hinwegsetzen zu müssen. Die
Schüler legels machten diesen Versuch. Ls mu| anerkannt werden, da| er
berechtigt ist, wenn er auch in jeder \eise scheiterte. Von den Gründen
dieses Scheiterns haben auch wir noch zu lernen.
legels Logik der Reílexion
I. Ziel und Methode der Logik

»Die Substanz ist als Subjekt zu bestimmen.« Dieser Grundsatz legels
íormuliert sein philosophisches Programm ·ollständig und proíiliert es gegen
seine wichtigsten Alternati·en. Lr sagt zunächst, da| die singuläre
\irklichkeit über allem Bewu|tsein nichts anderes ist als der Proze| ihrer
Selbstrealisation. Diese Gleichung zwischen Prinzip und Proze| hat, soíern
sie streng genommen wird, wichtige Implikationen íür die Natur des
Prozesses selber: Lr kann nicht Lntíaltung sein und nicht Diííerenzierung.
Denn Prozesse solcher Art haben Voraussetzungen in einem ·on ihnen
selbst unabhängigen Bestand, der zu entwickeln und zu ·er·ielíältigen ist.
Ist solcher Bestand einmal angenommen, so mu| man auch zugeben, da|
er, nicht der Proze|, in die Begriíísbestimmung eines Absoluten primär
eingeht. Die Substanz soll aber nicht nur die weitere Ligenschaít haben,
als Subjekt sich zu ·erhalten. Sie ist ·ielmehr durchaus als Subjekt zu
begreiíen. Daraus íolgt: \as immer besteht, ist Moment oder Produkt
eines Prozesses, der ebenso aus sich selber ·erständlich und ·on nichts in
ihm Vorausgesetzten herzuleiten ist wie die íreie Selbstbeziehung der sich
wissenden und im Sichwissen einzig überhaupt wirklichen Ichheit. Darum
hei|t der Proze| Subjekt.








95
In diesem Sinne schied sich legel durch seine Programmíormel auch ·on
den subtilsten 1heorien über \eltgründe und Ursprungsprinzipien, denen er
nahe genug und ·erpílichtet gewesen war, und sicherte damit zugleich die
ihm eigentümliche Methode eines spekulati·en Rationalismus. Denn er
hatte sich da·on überzeugt, da| das Veríahren der Philosophie nur die
begriííliche Artikulation des Prozesses sein kann. Dann aber schien ihm
nicht absehbar wie der Zugang zu einer
mittlung selbst jeweils bestimmte und ·oneinander ·erschiedene sind. Die Unmittelbarkeit des
Ubergangs im Aníang und der Begriíí des Systems unterscheiden sich nicht nur nach dem Grad der
Vermittlung, sondern auch der Art nach ·oneinander. Line Interpretation der Logik und ·ollends
der Realphilosophie mu| ·or allem eine Interpretation ihrer Vermittlungsweisen sein. Die letzte
und schwierigste Auígabe ist es, den Zu sammenhang dieser Vermittlungsweisen untereinander
·erständlich zu machen.

94
dem Proze| ·orausgehenden und ihn überragenden Bedingung anders als
im Sprung oder in einer Anschauung über aller explizierenden Vernunít
moglich sein sollte. Die Substanz, die Subjekt ist, ist kraít der Dynamik
ihrer Subjekti·ität ·erständlich.
Die Programmíormel impliziert aber noch eine zweite 1hese. Schreibt die
erste die Immanenz der Lntwicklung des Systems ·or, so orientiert die
zweite ganz allgemein über die Struktur, die auí jeder Stuíe der
Lntwicklung in der einen oder andern \eise erreicht und gewahrt zu
werden hat. Sie gibt deshalb auch Problem und Charakter der spekulati·en
Logik konkreter an als die 1hese ·orn Subjektcharakter der Substanz. Man
kann sie, in Umkehrung und ·orläuíig, die 1hese ·om Substanzcharakter
des Subjektes nennen.
·Subjekt· als Proze|, war als der íormale Charakter akti·er
Selbstbeziehung geía|t. Seinetwegen war das Subjekt zum Prinzip der
Lrkenntnis a·anciert, und seinetwegen lie| es sich auch noch gegen ein
Denken geltend machen, das schon über Lríahrungsbegründung und
landlungslehre hinausgekommen war und dabei legels Zustimmung
gewonnen hatte. Beschränkt man aber den Begriíí des Subjektes auí die
Charaktere Akti·ität, Suisuííizienz und Selbstbeziehung, so ist nicht zu
sehen, wie sich der Begriíí der Substanz in ihn sollte übersetzen lassen,
ohne da| \esentliches seiner Ausgangsbedeutung ·erloren wird. Denn
mit ·Substanz· meinen wir nicht nur eines, das ·on keinem weiteren
dependiert, das also íür sich zu bestehen ·ermag. \ir meinen zugleich
eines, das nach allerlei Charakteren, Ligenschaíten, Verhaltensweisen und
Lokalisationen bezeichnet und durch sie auch grundsätzlich ·on anderem
unterschieden werden kann. Substanz ist Suisuííizienz im Dasein, - aber
bestimmte. Das erste lä|t sich alleníalls durch die íormale Selbstbeziehung
der Subjekti·ität ·erständlich machen, und es ist eine 1hese legels, da|
es sich so ·erhält. Das zweite aber kann durch den blo|en íormalen
Subjektbegriíí nicht ausgedrückt werden. Darum impliziert
die Gleichung, die Substanz durch Subjekti·ität deíiniert, auch das Postulat,
da| der Subjektbegriíí über den íormaler Selbstbeziehung hinaus entwickelt
werde.
Diesem Postulat entsprechen bekanntlich Uberzeugungen, zu denen legel
írüh gelangt ist: Da| es zum \esen des in sich írei gewordenen Selbst
gehore, auí leerer Allgemeinheit nicht zu bestehen, sondern sich auí
besondere Verhältnisse einzulassen und sich an sie zu binden, da| die
Allgemeinheit des Lebens nirgends als im Lebensproze| einzelner
Lebewesen zu íinden sei, da| sich die Vernunítnatur des Staates nur
zugleich mit dem indi·iduellen Geist geschichtlicher Volker ·erwirkliche. Sie
blieben gegenwärtig in der \eise, in der legel später das Problem der
Subjekti·ität ganz allgemein geía|t hat: Das Subjekt mu| als Linheit ·on
Allgemeinheit und Besonderung gedacht werden: Kein Subjekt, das nicht in
·olliger Abstraktion ·on allen Gegebenheiten der \elt zu sich selber käme,
aber auch keines, das sich nicht durch solche Abstraktion als ein
bestimmtes, ·on allen anderen schlechthin ·erschiedenes einzelnes
\esen ería|t und konstituiert. Niemand sagt zu sich ·Ich· und ·ersteht sich
darin als Subjekt, ohne zu einem gegev alle und zugleich zu einem rie jeder
andere zu werden. Zu íragen ist, wie diese Linheit ·erständlich gemacht
werden kann.
Die Antwort auí diese lrage wird nicht gegeben werden konnen, ohne
da| zugleich auch gesagt würde, in welchem Sinne die Substanz es ist, die
durch den Begriíí des Subjektes gedacht werden mu|. Denn in ·Sub-
stanz· als der Linheit eines gründenden, unabhängigen Bestandes und der
Summe seiner Charaktere, seiner Bestimmtheiten, ist schon jener Zusam-
menhang ·on Allgemeinheit und Bestimmtheit gedacht, der das Problem
des Begriííes ·om Subjekt in seiner nur legel eigentümlichen lassung
ausmacht. Nur wenn Subjekt als Linheit ·on Allgemeinheit und Beson-
derung, ·on blo|er Beziehung auí sich und Bestimmtheit gegen anderes
begriííen werden kann, wird die im Subjekt zunächst gemeinte akti·e
96 9¯
dem Proze| ·orausgehenden und ihn überragenden Bedingung anders als
im Sprung oder in einer Anschauung über aller explizierenden Vernunít
moglich sein sollte. Die Substanz, die Subjekt ist, ist kraít der Dynamik
ihrer Subjekti·ität ·erständlich.
Die Programmíormel impliziert aber noch eine zweite 1hese. Schreibt die
erste die Immanenz der Lntwicklung des Systems ·or, so orientiert die
zweite ganz allgemein über die Struktur, die auí jeder Stuíe der
Lntwicklung in der einen oder andern \eise erreicht und gewahrt zu
werden hat. Sie gibt deshalb auch Problem und Charakter der spekulati·en
Logik konkreter an als die 1hese ·orn Subjektcharakter der Substanz. Man
kann sie, in Umkehrung und ·orläuíig, die 1hese ·om Substanzcharakter
des Subjektes nennen.
·Subjekt· als Proze|, war als der íormale Charakter akti·er
Selbstbeziehung geía|t. Seinetwegen war das Subjekt zum Prinzip der
Lrkenntnis a·anciert, und seinetwegen lie| es sich auch noch gegen ein
Denken geltend machen, das schon über Lríahrungsbegründung und
landlungslehre hinausgekommen war und dabei legels Zustimmung
gewonnen hatte. Beschränkt man aber den Begriíí des Subjektes auí die
Charaktere Akti·ität, Suisuííizienz und Selbstbeziehung, so ist nicht zu
sehen, wie sich der Begriíí der Substanz in ihn sollte übersetzen lassen,
ohne da| \esentliches seiner Ausgangsbedeutung ·erloren wird. Denn
mit ·Substanz· meinen wir nicht nur eines, das ·on keinem weiteren
dependiert, das also íür sich zu bestehen ·ermag. \ir meinen zugleich
eines, das nach allerlei Charakteren, Ligenschaíten, Verhaltensweisen und
Lokalisationen bezeichnet und durch sie auch grundsätzlich ·on anderem
unterschieden werden kann. Substanz ist Suisuííizienz im Dasein, - aber
bestimmte. Das erste lä|t sich alleníalls durch die íormale Selbstbeziehung
der Subjekti·ität ·erständlich machen, und es ist eine 1hese legels, da|
es sich so ·erhält. Das zweite aber kann durch den blo|en íormalen
Subjektbegriíí nicht ausgedrückt werden. Darum impliziert
die Gleichung, die Substanz durch Subjekti·ität deíiniert, auch das Postulat,
da| der Subjektbegriíí über den íormaler Selbstbeziehung hinaus entwickelt
werde.
Diesem Postulat entsprechen bekanntlich Uberzeugungen, zu denen legel
írüh gelangt ist: Da| es zum \esen des in sich írei gewordenen Selbst
gehore, auí leerer Allgemeinheit nicht zu bestehen, sondern sich auí
besondere Verhältnisse einzulassen und sich an sie zu binden, da| die
Allgemeinheit des Lebens nirgends als im Lebensproze| einzelner
Lebewesen zu íinden sei, da| sich die Vernunítnatur des Staates nur
zugleich mit dem indi·iduellen Geist geschichtlicher Volker ·erwirkliche. Sie
blieben gegenwärtig in der \eise, in der legel später das Problem der
Subjekti·ität ganz allgemein geía|t hat: Das Subjekt mu| als Linheit ·on
Allgemeinheit und Besonderung gedacht werden: Kein Subjekt, das nicht in
·olliger Abstraktion ·on allen Gegebenheiten der \elt zu sich selber käme,
aber auch keines, das sich nicht durch solche Abstraktion als ein
bestimmtes, ·on allen anderen schlechthin ·erschiedenes einzelnes
\esen ería|t und konstituiert. Niemand sagt zu sich ·Ich· und ·ersteht sich
darin als Subjekt, ohne zu einem  alle und zugleich zu einem  jeder
andere zu werden. Zu íragen ist, wie diese Linheit ·erständlich gemacht
werden kann.
Die Antwort auí diese lrage wird nicht gegeben werden konnen, ohne
da| zugleich auch gesagt würde, in welchem Sinne die Substanz es ist, die
durch den Begriíí des Subjektes gedacht werden mu|. Denn in ·Sub-
stanz· als der Linheit eines gründenden, unabhängigen Bestandes und der
Summe seiner Charaktere, seiner Bestimmtheiten, ist schon jener Zusam-
menhang ·on Allgemeinheit und Bestimmtheit gedacht, der das Problem
des Begriííes ·om Subjekt in seiner nur legel eigentümlichen lassung
ausmacht. Nur wenn Subjekt als Linheit ·on Allgemeinheit und Beson-
derung, ·on blo|er Beziehung auí sich und Bestimmtheit gegen anderes
begriííen werden kann, wird die im Subjekt zunächst gemeinte akti·e
96 9¯
Selbstbeziehung eines Prozesses geeignet sein, den Begriíí der Substanz ohne
Bedeutungs·erlust auszudrücken.
Ls ist die Auígabe der \issenschaít der Logik, den Zusammenhang ·on
diííerenzloser Allgemeinheit und Bestimmtheit in Gegensätzen als
Ausdruck ein und derselben Selbstbeziehung denkbar zu machen. Damit
sichert sie, da| Substanz nur durch Subjekt und Subjekt nur im Blick auí
Substanz in Begriííen artikuliert werden kann. Leistung und Grenze aller
Kapitel der Logik waren íür legel durch ihren Platz auí dem \ege dahin
bemessen, die ·ollständige Darstellung dieser Linheit zu erreichen.
Daraus lä|t sich leicht eine Ligentümlichkeit ·on legels sogenannter
Dialektik herleiten, die selbst denen, die ihm íolgen wollten, schnell aus
dem Blick und dem Griíí kam: Sie will nicht nur die Linheit
Lntgegengesetzter auízeigen, sondern die Linheit ihrer Linheit und ihrer
Diííerenz. Der Begriíí des Subjektes lie|e sich mit der Rede gar nicht íassen,
in ihm seien Allgemeines und Besonderes ihres Gegensatzes enthoben.
Damit wäre nämlich der Umstand geradezu geleugnet, da| im Subjekt
allgemeine Selbstaneignung und zugleich Vereinzelung geschieht. Zu
begreiíen, wie beides in einem wirklich eríolgen kann, ist aber die Auígabe.
Jede mogliche Losung mu| also einer lormel entsprechen, die besagt, da|
im Subjekt die Allgemeinheit der Bestimmtheit entgegen und zugleich in
deren eigenen Begriíí gesetzt sei, wie auch das Umgekehrte gelte. Statt dessen
lä|t sich auch sagen, da| jedes der Momente das ganze Verhältnis ebenso sei
wie es selber in einer Bestimmung gegen das Verhältnis.
Sieht man auí die Schlu|disziplin der Logik, die Logik des Begriíís, so
wird es oííensichtlich, da| legel einzig an einer solchen Struktur
Interesse hat und da| er meint, die logische Dynamik insgesamt setze sie
aus sich heraus und beruhe zugleich immer schon auí ihr. Denn die
Relation der legelschen Begriííe des Allgemeinen und des Besonderen
lä|t sich gar nicht als Gegensatz íassen, der dann etwa in der Linsicht in
die Ununterscheidbarkeit und Vertauschbarkeit seiner Relata als Gegensatz
·erschwände und somit Anla| gäbe, einen neuen Begriíí einzuíühren, an dem
sich ein anderer Gegensatz ,auítut. Sie sind beide ·on ·ornherein so
bestimmt, da| ihre Unabtrennbarkeit ·oneinander íeststeht. Das
Allgemeine impliziert den Gedanken seiner Speziíikation. Im Unterschied
zum Besonderen ist es der Gedanke der ganzen Relation, geía|t unter dem
Gesichtspunkt der Beziehung auí sich, die in aller Besonderung erhalten
bleibt. Dagegen ist das Besondere derselbe Gedanke, aber geía|t unter dem
Gesichtspunkt dessen, da| in jenem lürsichsein der Gegensatz eines
bestimmten Besonderen zu anderem ,nicht zum Allgemeinen, eingeschlossen
ist. Absicht der weiteren Lntwicklung kann also gar nicht mehr der Nachweis
sein, da| die Relata ·erschiedene Begriíísbestimmungen des Ganzen sind.
Das ist gerade ihre Voraussetzung. \as noch erreicht werden mu|, ist der
·ollständige Begriíí ·on derjenigen Struktur, in der ein und dieselbe Relation
notwendig unter ·erschiedenen Perspekti·en zur Darstellung zu kommen
hat.
Man kann das am Beispiel der Rechtsphilosophie erläutern. lür sie ist es gar
nicht zweiíelhaít, da| der Begriíí des \illens die beiden Momente ,a, des
Lntschlusses und ,b, der dem \ollen korrespondierenden \irklichkeit
einschlie|t. Der \ille, soíern er sich entschlie|t, ist selber schon
Speziíikation. Die Allgemeinheit seiner als praktischer Vernunít und seine
Lnergie werden auí ein besonderes Ziel bezogen. Lbenso ist die ·ernünítige
\irklichkeit, zu der sich der \ille nur um seiner selber willen
entschlie|en kann, eine Allgemeinheit, die der seinen entspricht und die sich
in besondere Aktionsbereiche gliedert. Dieser komplexe Sach·erhalt íungiert
in der Rechtsphilosophie als Prämisse. Linzig die lrage nach Natur und
Vollständigkeit der in ihm gedachten Korrespondenz hält die Dynamik ihrer
Lntwicklung in Gang.
In der Logik der Idee ·erhält es sich aber nicht anders. Der Be-
griíí der Idee eríüllt sich in der Integration der Allgemein-
98 99
Selbstbeziehung eines Prozesses geeignet sein, den Begriíí der Substanz ohne
Bedeutungs·erlust auszudrücken.
Ls ist die Auígabe der \issenschaít der Logik, den Zusammenhang ·on
diííerenzloser Allgemeinheit und Bestimmtheit in Gegensätzen als
Ausdruck ein und derselben Selbstbeziehung denkbar zu machen. Damit
sichert sie, da| Substanz nur durch Subjekt und Subjekt nur im Blick auí
Substanz in Begriííen artikuliert werden kann. Leistung und Grenze aller
Kapitel der Logik waren íür legel durch ihren Platz auí dem \ege dahin
bemessen, die ·ollständige Darstellung dieser Linheit zu erreichen.
Daraus lä|t sich leicht eine Ligentümlichkeit ·on legels sogenannter
Dialektik herleiten, die selbst denen, die ihm íolgen wollten, schnell aus
dem Blick und dem Griíí kam: Sie will nicht nur die Linheit
Lntgegengesetzter auízeigen, sondern die Linheit ihrer Linheit und ihrer
Diííerenz. Der Begriíí des Subjektes lie|e sich mit der Rede gar nicht íassen,
in ihm seien Allgemeines und Besonderes ihres Gegensatzes enthoben.
Damit wäre nämlich der Umstand geradezu geleugnet, da| im Subjekt
allgemeine Selbstaneignung und zugleich Vereinzelung geschieht. Zu
begreiíen, wie beides in einem wirklich eríolgen kann, ist aber die Auígabe.
Jede mogliche Losung mu| also einer lormel entsprechen, die besagt, da|
im Subjekt die Allgemeinheit der Bestimmtheit entgegen und zugleich in
deren eigenen Begriíí gesetzt sei, wie auch das Umgekehrte gelte. Statt dessen
lä|t sich auch sagen, da| jedes der Momente das ganze Verhältnis ebenso sei
wie es selber in einer Bestimmung gegen das Verhältnis.
Sieht man auí die Schlu|disziplin der Logik, die Logik des Begriíís, so
wird es oííensichtlich, da| legel einzig an einer solchen Struktur
Interesse hat und da| er meint, die logische Dynamik insgesamt setze sie
aus sich heraus und beruhe zugleich immer schon auí ihr. Denn die
Relation der legelschen Begriííe des Allgemeinen und des Besonderen
lä|t sich gar nicht als Gegensatz íassen, der dann etwa in der Linsicht in
die Ununterscheidbarkeit und Vertauschbarkeit seiner Relata als Gegensatz
·erschwände und somit Anla| gäbe, einen neuen Begriíí einzuíühren, an dem
sich ein anderer Gegensatz ,auítut. Sie sind beide ·on ·ornherein so
bestimmt, da| ihre Unabtrennbarkeit ·oneinander íeststeht. Das
Allgemeine impliziert den Gedanken seiner Speziíikation. Im Unterschied
zum Besonderen ist es der Gedanke der ganzen Relation, geía|t unter dem
Gesichtspunkt der Beziehung auí sich, die in aller Besonderung erhalten
bleibt. Dagegen ist das Besondere derselbe Gedanke, aber geía|t unter dem
Gesichtspunkt dessen, da| in jenem lürsichsein der Gegensatz eines
bestimmten Besonderen zu anderem ,nicht zum Allgemeinen, eingeschlossen
ist. Absicht der weiteren Lntwicklung kann also gar nicht mehr der Nachweis
sein, da| die Relata ·erschiedene Begriíísbestimmungen des Ganzen sind.
Das ist gerade ihre Voraussetzung. \as noch erreicht werden mu|, ist der
·ollständige Begriíí ·on derjenigen Struktur, in der ein und dieselbe Relation
notwendig unter ·erschiedenen Perspekti·en zur Darstellung zu kommen
hat.
Man kann das am Beispiel der Rechtsphilosophie erläutern. lür sie ist es gar
nicht zweiíelhaít, da| der Begriíí des \illens die beiden Momente ,a, des
Lntschlusses und ,b, der dem \ollen korrespondierenden \irklichkeit
einschlie|t. Der \ille, soíern er sich entschlie|t, ist selber schon
Speziíikation. Die Allgemeinheit seiner als praktischer Vernunít und seine
Lnergie werden auí ein besonderes Ziel bezogen. Lbenso ist die ·ernünítige
\irklichkeit, zu der sich der \ille nur um seiner selber willen
entschlie|en kann, eine Allgemeinheit, die der seinen entspricht und die sich
in besondere Aktionsbereiche gliedert. Dieser komplexe Sach·erhalt íungiert
in der Rechtsphilosophie als Prämisse. Linzig die lrage nach Natur und
Vollständigkeit der in ihm gedachten Korrespondenz hält die Dynamik ihrer
Lntwicklung in Gang.
In der Logik der Idee ·erhält es sich aber nicht anders. Der Be-
griíí der Idee eríüllt sich in der Integration der Allgemein-
98 99
heit der Methode mit den Besonderungen der einzelnen Begriíís-
bestimmungen. So ist es die Idee des Systems selber, in der ein Begriíí ·om
·ollständigen Ausgleich zwischen dem Allgemeinen und seinen
Besonderungen erreicht ist. Nur in diesem Begriíí ist nach legels Meinung
der Gedanke eines Gedankens, dessen Momente selber der ganze Gedanke
und doch diííerent ·on ihm sind, zu ·ollständiger Bestimmtheit gekommen.
Beigetragen hat dazu íreilich auch der Umstand, da| legel selber an keiner
Stelle seines \erkes anders als beiläuíig über das ·on ihm ·erwendete
Veríahren gehandelt hat. Das System gibt sich den Anschein der
Linsichtigkeit íür alle, die sich nur überhaupt auí es einlassen, und
kommentiert sich selber gleichsam nur exoterisch, - in Abwehr und
·orläuíiger Belehrung der \iderspenstigen. Zwar hat legel Schwierigkeiten
bei der angemessenen Lntwicklung der Gedankenbestimmungen der íogi/
zugegeben, die ihn sogar wünschen lie|en, sie siebenundsiebzigmal
durcharbeiten zu konnen. Ls besteht aber kein Grund zu der Vermutung,
da| er sie aus Schwierigkeiten bei der Verständigung über die Methode er-
klärte. Der immanenten Konsequenz der Sache írei zu íolgen und sie
·ollständig zu artikulieren schien ihm das einzige methodische Postulat ·on
Rele·anz íür Gang und Schicksal der neuen Disziplin zu sein.
Ls mu| zunächst oííenbleiben, in welchem Umíang dieselbe Struktur auch
die der Logik des Begriíís ·orausgehenden logischen Kapitel prägt. Da| sie
es tut, indem sie deren Mangel und Vorläuíigkeit kennzeichnet, bedeutet
noch nicht, da| sie auch geeignet ist, Licht auí ihre interne Veríassung zu
weríen. lür die Logik des Begriííes selber gilt jedeníalls, da| sich ihr
lortgang nicht ·ollständig mit jenen lormeln íassen lä|t, die legel zur
Deutung seines ganzen logischen Systems mit so gro|em Lríolg angeboten
hat: Sie wird nicht ·om einzelnen Gedanken ausgehen konnen, um
zunächst seine Bestimmtheit durch seinen Gegensatz zu íassen und dann -
durch Nachweise der Bestimmtheit des Lntgegengesetzten durch sein
Korrelat - die Selbstbeziehung des Gedankens in seinem Gegenteil zu
behaupten. So wird sie also nicht über die bestimmte Negation zur
Negation der Negation íortschreiten konnen und damit zum
Anundíürsichsein der Beziehung selber als nunmehr unbezogenem
Gedanken.
An einer Stelle der \erkes wird sein Veríahren íreilich doch zum primären
1hema, - an seinem Lnde. Denn die Logik schlie|t mit einer
Lrorterung über die Methode, deren Begriíí den noch ·erbleibenden
Inhalt der absoluten Idee bildet, der sich ·om Ganzen des Systems selber
abheben lä|t. Man hatte also Anla| zu erwarten, da| legel in diesem Ka-
pitel seinem \erk methodische 1ransparenz gegeben hat. In ihm íinden sich
denn auch die klassischen Belege íür jede Darstellung ·on dessen Dialektik,
insbesondere die lormel ·on der ersten und der zweiten Negation und der
aus beiden sich ergebenden neuen Unmittelbarkeit ,II, 495 íí.,.
1
Diese lormel ·om spekulati·en lortschritt hat in legels Nachgeschichte
sei es Aura sei es Geruch der Zauberíormel gehabt, je nachdem, ob man sich
·on ihr die Lntschlüsselung des \eltzusammenhanges ·ersprach oder in ihr
die Absurdität einer wissenschaítlichen Rekonstruktion der \elt mit mi-
nimalem und zudem nur logischem Instrumentarium sah. In beiden
Auííassungen hat sie den wichtigsten zu den ·ielerlei Gründen beigetragen,
die einem Verständnis dessen noch heute entgegenstehen, was in legels
\issenschaít der Logik wirklich ·or sich geht.
Nun hat sich aber schon gezei gt, da| diese lormel zumi ndest den
Strukturen der Begriííslogik alleníalls nur annäherungs-
101

1 In den íolgenden Zitaten ·erweist die romische Ziííer ,in Klammern, auí den Band der Ausgabe der
íogi/ ·on Lasson, die erste arabische Ziííer auí die Seite, die zweite auí den Abschnitt und die dritte
auí die Zeile des Abschnittes in dieser Ausgabe. Unterbrochene Abschnitte am Aníang der Zeile sind
als Abschnitte mitgezählt, einzelne Sätze nach Absatz ·om ·origen und ·or Absatz ·om íolgenden
gleichíalls. lehlt die romische Ziííer, so ist Band II zitiert.

100
heit der Methode mit den Besonderungen der einzelnen Begriíís-
bestimmungen. So ist es die Idee des Systems selber, in der ein Begriíí ·om
·ollständigen Ausgleich zwischen dem Allgemeinen und seinen
Besonderungen erreicht ist. Nur in diesem Begriíí ist nach legels Meinung
der Gedanke eines Gedankens, dessen Momente selber der ganze Gedanke
und doch diííerent ·on ihm sind, zu ·ollständiger Bestimmtheit gekommen.
Beigetragen hat dazu íreilich auch der Umstand, da| legel selber an keiner
Stelle seines \erkes anders als beiläuíig über das ·on ihm ·erwendete
Veríahren gehandelt hat. Das System gibt sich den Anschein der
Linsichtigkeit íür alle, die sich nur überhaupt auí es einlassen, und
kommentiert sich selber gleichsam nur exoterisch, - in Abwehr und
·orläuíiger Belehrung der \iderspenstigen. Zwar hat legel Schwierigkeiten
bei der angemessenen Lntwicklung der Gedankenbestimmungen der 
zugegeben, die ihn sogar wünschen lie|en, sie siebenundsiebzigmal
durcharbeiten zu konnen. Ls besteht aber kein Grund zu der Vermutung,
da| er sie aus Schwierigkeiten bei der Verständigung über die Methode er-
klärte. Der immanenten Konsequenz der Sache írei zu íolgen und sie
·ollständig zu artikulieren schien ihm das einzige methodische Postulat ·on
Rele·anz íür Gang und Schicksal der neuen Disziplin zu sein.
Ls mu| zunächst oííenbleiben, in welchem Umíang dieselbe Struktur auch
die der Logik des Begriíís ·orausgehenden logischen Kapitel prägt. Da| sie
es tut, indem sie deren Mangel und Vorläuíigkeit kennzeichnet, bedeutet
noch nicht, da| sie auch geeignet ist, Licht auí ihre interne Veríassung zu
weríen. lür die Logik des Begriííes selber gilt jedeníalls, da| sich ihr
lortgang nicht ·ollständig mit jenen lormeln íassen lä|t, die legel zur
Deutung seines ganzen logischen Systems mit so gro|em Lríolg angeboten
hat: Sie wird nicht ·om einzelnen Gedanken ausgehen konnen, um
zunächst seine Bestimmtheit durch seinen Gegensatz zu íassen und dann -
durch Nachweise der Bestimmtheit des Lntgegengesetzten durch sein
Korrelat - die Selbstbeziehung des Gedankens in seinem Gegenteil zu
behaupten. So wird sie also nicht über die bestimmte Negation zur
Negation der Negation íortschreiten konnen und damit zum
Anundíürsichsein der Beziehung selber als nunmehr unbezogenem
Gedanken.
An einer Stelle der \erkes wird sein Veríahren íreilich doch zum primären
1hema, - an seinem Lnde. Denn die Logik schlie|t mit einer
Lrorterung über die Methode, deren Begriíí den noch ·erbleibenden
Inhalt der absoluten Idee bildet, der sich ·om Ganzen des Systems selber
abheben lä|t. Man hatte also Anla| zu erwarten, da| legel in diesem Ka-
pitel seinem \erk methodische 1ransparenz gegeben hat. In ihm íinden sich
denn auch die klassischen Belege íür jede Darstellung ·on dessen Dialektik,
insbesondere die lormel ·on der ersten und der zweiten Negation und der
aus beiden sich ergebenden neuen Unmittelbarkeit ,II, 495 íí.,.
1
Diese lormel ·om spekulati·en lortschritt hat in legels Nachgeschichte
sei es Aura sei es Geruch der Zauberíormel gehabt, je nachdem, ob man sich
·on ihr die Lntschlüsselung des \eltzusammenhanges ·ersprach oder in ihr
die Absurdität einer wissenschaítlichen Rekonstruktion der \elt mit mi-
nimalem und zudem nur logischem Instrumentarium sah. In beiden
Auííassungen hat sie den wichtigsten zu den ·ielerlei Gründen beigetragen,
die einem Verständnis dessen noch heute entgegenstehen, was in legels
\issenschaít der Logik wirklich ·or sich geht.
Nun hat sich aber schon gezei gt, da| diese lormel zumi ndest den
Strukturen der Begriííslogik alleníalls nur annäherungs-
101

1 In den íolgenden Zitaten ·erweist die romische Ziííer ,in Klammern, auí den Band der Ausgabe der
·on Lasson, die erste arabische Ziííer auí die Seite, die zweite auí den Abschnitt und die dritte
auí die Zeile des Abschnittes in dieser Ausgabe. Unterbrochene Abschnitte am Aníang der Zeile sind
als Abschnitte mitgezählt, einzelne Sätze nach Absatz ·om ·origen und ·or Absatz ·om íolgenden
gleichíalls. lehlt die romische Ziííer, so ist Band II zitiert.

100
weise gerecht wird, - und unter Preisgabe ihrer speziíischen Prinzipien.
Dasselbe gilt íür ihre Darstellung des Aníangs. legel erinnert an ihn mit
lilíe derjenigen Argumente, die er, als der Aníang wirklich gemacht wurde,
allein im das Kapitel ·Sein· eivteitevaev Abschnitt gebraucht hatte, in der
Ankündigung seines Gedankenganges also. Sie dienen dort nur dazu, eine
Obersicht über Gedankenschritte zu geben, die nur an ihrem Ort aus
Argumenten ·erständlich sind. Schon beim Beginn näheren Zusehens zeigt
sich nämlich, da| der lortschritt ·om leeren Sein zu einem weiter bestimmten
Gedanken nicht durch eine Uberlegung erreicht wird, die ·on der
Unbestimmtheit des Seins ausgeht und auí die im Gedanken der
Unbestimmtheit gelegene Bestimmung reílektiert. legel strengt sich
oííenkundig an, im eigentlichen 1ext ·on dieser einíachen Uberlegung keinen
Gebrauch zu machen. Und es lä|t sich auch leicht zeigen, da| sie mit der Idee
eines reinen Aníangs ganz un·ereinbar ist.
2
Greiít aber die Lrorterung über
die Methode nur auí die Liníührung in das Argument des Aníangs, nicht
auí dieses Argument selber zurück, so ·eríehlt sie in diesem lalle ebenso wie
im lalle der ganzen Dimension der Begriííslogik die eigentliche Dynamik des
logischen Prozesses.
Dies Veríehlen ist keineswegs Zuíall, im Ganzen sogar un·ermeidlich.
Denn die Idee, als hochster Ausdruck ·on Selbstbestimmung, kann keine
Methode kennen, die ihrer Selbstentíaltung abstrakt gegenüberstünde, so
da| sich ihr Proze| kraít einer Art ·on ·Anwendung· der Methode ·oll-
zoge. Lben darum läuít die \issenschaít der Logik in sich selber zurück
und ergibt die ·Notwendigkeit· des Prozesses, seine lolgerichtigkeit und
Vernünítigkeit, indem sie seinen Begriíí erreicht: Die ·ollständige An-
gleichung ·on Allgemeinheit und Besonderung in der Selbstbewegung der
Substanz, die zugleich Subjekt ist. Jede Lrorterung der Methode des Pro-
zesses mu| deshalb etwas ·on einer Zusammeníassung haben. Zwar kann
der Proze| nicht dargestellt werden, ohne da| auch Mittel zur
Lxplikation zur Veríügung stehen. Diese Mittel konnen im Lauíe des
Prozesses selber noch untersucht werden. Die Stelle, an der dies geschieht,
hat gewi| ausgezeichnete Bedeutung. Doch die Lxplikationsmittel erlauben es
nicht, den Proze| als ganzen zu rekonstruieren. Die Bedingungen, unter
denen sie in den einzelnen Kapiteln zur Geltung kommen, sind
·erschieden. \ürden auch diese Bedingungen noch in die Lrorterung der
Methode einbezogen, so würde das bedeuten, da| die ganze Logik im
Blick auí ihre Darstellung wiederholt werden mü|te.
An ihrem Lnde will legel aber nicht ihre Darstellung, sondern das, was in
ihr zur Darstellung kommt, in dem ihm eigenen Zusammenhang
überblicken, - aber nicht so, als ob sich dessen Geheimnis nun erst enthüllte.
Indem lormeln wiederholt werden, wird das Ganze in der \eise, in der
es bereits durchlauíen ist, erinnert und in seine endgültige Stelle gerückt,
die ihm zukommt als Abschlu| seiner selber. Der Schlu| der íogi/ hat
darum mit ihrem Aníang gemein, da| er eigentlich nichts zu artikulieren
erlaubt, was nicht, indem es artikuliert wird, auch schon dazu tendiert,
den Kontext des Gedankens zu ·erdunkeln, der sein 1hema ist.
legel hat diesen Zusammenhang nicht geradezu ·erstellt. Lr erklärt, da| am
Lnde die Methode nur als etwas zu betrachten sei, was eigentlich in den
Gang der Lntwicklung der lorm selber gehore ,II,48¯,. Lr ist dann aber doch
wieder in die Linstellung der Lrläuterung zurückgeraten, in der er - in
der Regel in Linleitungen - schon lormelles zur Dialektik gesagt hatte und
wie sie eigentlich, nämlich spekulati· auízuíassen sei. Am Schlu| der Logik
kann so gesprochen werden. Denn die Logik benotigt die
Lxplikationsmittel, die allgemein, wenn auch unter ·ariierenden
Umständen, gebraucht werden konnen. Am Schlu| der Logik sollte aber
nicht nur so gesprochen werden. Sonst gibt sie sich íälschlich so, als sei


103
2 Vgl. den Unterschied zwischen 1,85,3 und 1,85,4.
102
weise gerecht wird, - und unter Preisgabe ihrer speziíischen Prinzipien.
Dasselbe gilt íür ihre Darstellung des Aníangs. legel erinnert an ihn mit
lilíe derjenigen Argumente, die er, als der Aníang wirklich gemacht wurde,
allein im das Kapitel ·Sein· eivteitevaev Abschnitt gebraucht hatte, in der
Ankündigung seines Gedankenganges also. Sie dienen dort nur dazu, eine
Obersicht über Gedankenschritte zu geben, die nur an ihrem Ort aus
Argumenten ·erständlich sind. Schon beim Beginn näheren Zusehens zeigt
sich nämlich, da| der lortschritt ·om leeren Sein zu einem weiter bestimmten
Gedanken nicht durch eine Uberlegung erreicht wird, die ·on der
Unbestimmtheit des Seins ausgeht und auí die im Gedanken der
Unbestimmtheit gelegene Bestimmung reílektiert. legel strengt sich
oííenkundig an, im eigentlichen 1ext ·on dieser einíachen Uberlegung keinen
Gebrauch zu machen. Und es lä|t sich auch leicht zeigen, da| sie mit der Idee
eines reinen Aníangs ganz un·ereinbar ist.
2
Greiít aber die Lrorterung über
die Methode nur auí die Liníührung in das Argument des Aníangs, nicht
auí dieses Argument selber zurück, so ·eríehlt sie in diesem lalle ebenso wie
im lalle der ganzen Dimension der Begriííslogik die eigentliche Dynamik des
logischen Prozesses.
Dies Veríehlen ist keineswegs Zuíall, im Ganzen sogar un·ermeidlich.
Denn die Idee, als hochster Ausdruck ·on Selbstbestimmung, kann keine
Methode kennen, die ihrer Selbstentíaltung abstrakt gegenüberstünde, so
da| sich ihr Proze| kraít einer Art ·on ·Anwendung· der Methode ·oll-
zoge. Lben darum läuít die \issenschaít der Logik in sich selber zurück
und ergibt die ·Notwendigkeit· des Prozesses, seine lolgerichtigkeit und
Vernünítigkeit, indem sie seinen Begriíí erreicht: Die ·ollständige An-
gleichung ·on Allgemeinheit und Besonderung in der Selbstbewegung der
Substanz, die zugleich Subjekt ist. Jede Lrorterung der Methode des Pro-
zesses mu| deshalb etwas ·on einer Zusammeníassung haben. Zwar kann
der Proze| nicht dargestellt werden, ohne da| auch Mittel zur
Lxplikation zur Veríügung stehen. Diese Mittel konnen im Lauíe des
Prozesses selber noch untersucht werden. Die Stelle, an der dies geschieht,
hat gewi| ausgezeichnete Bedeutung. Doch die Lxplikationsmittel erlauben es
nicht, den Proze| als ganzen zu rekonstruieren. Die Bedingungen, unter
denen sie in den einzelnen Kapiteln zur Geltung kommen, sind
·erschieden. \ürden auch diese Bedingungen noch in die Lrorterung der
Methode einbezogen, so würde das bedeuten, da| die ganze Logik im
Blick auí ihre Darstellung wiederholt werden mü|te.
An ihrem Lnde will legel aber nicht ihre Darstellung, sondern das, was in
ihr zur Darstellung kommt, in dem ihm eigenen Zusammenhang
überblicken, - aber nicht so, als ob sich dessen Geheimnis nun erst enthüllte.
Indem lormeln wiederholt werden, wird das Ganze in der \eise, in der
es bereits durchlauíen ist, erinnert und in seine endgültige Stelle gerückt,
die ihm zukommt als Abschlu| seiner selber. Der Schlu| der íogi/ hat
darum mit ihrem Aníang gemein, da| er eigentlich nichts zu artikulieren
erlaubt, was nicht, indem es artikuliert wird, auch schon dazu tendiert,
den Kontext des Gedankens zu ·erdunkeln, der sein 1hema ist.
legel hat diesen Zusammenhang nicht geradezu ·erstellt. Lr erklärt, da| am
Lnde die Methode nur als etwas zu betrachten sei, was eigentlich in den
Gang der Lntwicklung der lorm selber gehore ,II,48¯,. Lr ist dann aber doch
wieder in die Linstellung der Lrläuterung zurückgeraten, in der er - in
der Regel in Linleitungen - schon lormelles zur Dialektik gesagt hatte und
wie sie eigentlich, nämlich spekulati· auízuíassen sei. Am Schlu| der Logik
kann so gesprochen werden. Denn die Logik benotigt die
Lxplikationsmittel, die allgemein, wenn auch unter ·ariierenden
Umständen, gebraucht werden konnen. Am Schlu| der Logik sollte aber
nicht nur so gesprochen werden. Sonst gibt sie sich íälschlich so, als sei


103
2 Vgl. den Unterschied zwischen 1,85,3 und 1,85,4.
102
sie nichts als ein Produkt methodisch angewendeten Denkens. guthinter dem zurückbleiben düríen, was eine Analyse diesesKapitels ergibt.
Sollte sich erweisen, da| legels gelegentliche methodologische
Selbstdarstellungen sogar wichtige Llemente der Logik der Reílexion
unbeachtet lassen, so müssen s durch sie erweitert oder gar korrigiert
werden.
Da| legel wirklich diesen Lindruck erweckt, wird man nicht íür einen
blo|en Zuíall gelten lassen wollen. Denn nirgends, wo die Gelegenheit
dazu gegeben war, hat legel einen besonderen Gedankeníortschritt auch
nur in der lorm einer Skizze ·ollständig charakterisiert. Und die nicht
seltenen linweise auí Speziíikationen der Methode in 1eilbereichen des
\erkes sind in der Generalität der Schlu|erorterungen über Methode
ganz ·erlorengegangen. Man wird deshalb ·ermuten müssen, da| legel
zwar ein Veríahren, das selber eigentlich eine Sequenz ·on Veríahren ist,
gebrauchte und beherrschte, da| er aber keinen ausgearbeiteten Begriíí ·on
ihnen und dem Gesetz ihrer Abíolge und den besonderen Bedingungen ihrer
Anwendung besa|. Das mag darum so sein, weil er sich - wie nahezu alle
historisch wirksam gewordenen Denker - mehr um die Ausarbeitung als um
die Beschreibung seiner Methode bemühte. Vieles spricht aber auch daíür,
da| er selbst bei gro|er methodischer Anstrengung die Mittel nicht geíunden
hätte, sich über die logische Praxis seines Grundwerkes zu ·erständigen. Am
signiíikanten lall, an der Logik der Reílexionsbestimmungen, soll dies im
lolgenden gezeigt werden.
Nach allem, was gesagt wurde, liegt die Vermutung nahe, da| die logik der
Reílexion einen solchen Uberschu| gegenüber der abstrakten Darlegung der
Methode auíweist. Sie mu| es, wenn legels Programm, die Substanz als
Subjekt denken zu wollen, mit der Versicherung, Unmittelbarkeit und
Negation grien die Schlüsselbegriííe der Methode, überhaupt in irgendeiner
\eise ·ereinbar bleiben soll. Denn es erwies sich, da| dieses Programm auí
die Begriííslogik zielt, da| aber die Begriííslogik mit den Generalitäten der
Rede ·on der doppelten Negation nicht einmal íormal beschrieben werden
kann. Die Logik der Reílexionsbestimmungen kann also eine Analyse ·on
generell anwendbaren Begriííen nur dann sein, wenn sie Llemente enthält,
die es erlauben, die Logik des Begriíís an sie anzuschlie|en und sie als
einen, wie auch immer besonderen, lall ihrer Lntwicklung und
Anwendung zu ·erstehen.
Signiíikant ist dieses Kapitel aus mehreren Gründen, ·or allem aber wegen
seiner Beziehung zum Methodenproblem der Logik. Denn die Begriííe, die in
der Schlu|erorterung über die Methode im Zentrum stehen, haben nicht
dort, sondern im Kapitel über die Reílexionsbestimmungen ihren
eigentlichen Ort: Die Dialektik expliziert sich durch die Begriíísreihe Un-
mittelbarkeit - erste Negation - zweite Negation - wiederhergestellte
Unmittelbarkeit. Im Kommentar zu einzelnen logischen Argumenten
konnen sie überall gebraucht werden. In der Logik der Reílexion sind sie
aber ihrerseits 1hema und eríahren ihre eigene spekulati·e Lntwicklung.
Auch ein abstraktes Verständnis ·on legels Methode wird deshalb nicht

II. Analytischer Kommentar zur Logik der Reílexion
.. ße ae vt vvg. re r . c bi e bvvg ¸vv !e . e v
Die Logik des \esens beginnt mit zwei Abschnitten, in denen
Bestimmungen des \esens gegeben werden, die oííensichtlich hinter
dem zurückbleiben, was sich bereits am Lnde der Seinslogik ergeben
hatte. legel wollte schon dort gezeigt haben, da| sich die Diííerenz
einer ansichseienden Grundlage ·on Bestimmungen auí der einen Seite
und ihrem \echsel·erhältnis zueinander auí der anderen als unhaltbar
erwiesen habe. Die Grundlage ist aus sich selbst zugleich Be-
104 105
sie nichts als ein Produkt methodisch angewendeten Denkens. guthinter dem zurückbleiben düríen, was eine Analyse diesesKapitels ergibt.
Sollte sich erweisen, da| legels gelegentliche methodologische
Selbstdarstellungen sogar wichtige Llemente der Logik der Reílexion
unbeachtet lassen, so müssen s durch sie erweitert oder gar korrigiert
werden.
Da| legel wirklich diesen Lindruck erweckt, wird man nicht íür einen
blo|en Zuíall gelten lassen wollen. Denn nirgends, wo die Gelegenheit
dazu gegeben war, hat legel einen besonderen Gedankeníortschritt auch
nur in der lorm einer Skizze ·ollständig charakterisiert. Und die nicht
seltenen linweise auí Speziíikationen der Methode in 1eilbereichen des
\erkes sind in der Generalität der Schlu|erorterungen über Methode
ganz ·erlorengegangen. Man wird deshalb ·ermuten müssen, da| legel
zwar ein Veríahren, das selber eigentlich eine Sequenz ·on Veríahren ist,
gebrauchte und beherrschte, da| er aber keinen ausgearbeiteten Begriíí ·on
ihnen und dem Gesetz ihrer Abíolge und den besonderen Bedingungen ihrer
Anwendung besa|. Das mag darum so sein, weil er sich - wie nahezu alle
historisch wirksam gewordenen Denker - mehr um die Ausarbeitung als um
die Beschreibung seiner Methode bemühte. Vieles spricht aber auch daíür,
da| er selbst bei gro|er methodischer Anstrengung die Mittel nicht geíunden
hätte, sich über die logische Praxis seines Grundwerkes zu ·erständigen. Am
signiíikanten lall, an der Logik der Reílexionsbestimmungen, soll dies im
lolgenden gezeigt werden.
Nach allem, was gesagt wurde, liegt die Vermutung nahe, da| die logik der
Reílexion einen solchen Uberschu| gegenüber der abstrakten Darlegung der
Methode auíweist. Sie mu| es, wenn legels Programm, die Substanz als
Subjekt denken zu wollen, mit der Versicherung, Unmittelbarkeit und
Negation grien die Schlüsselbegriííe der Methode, überhaupt in irgendeiner
\eise ·ereinbar bleiben soll. Denn es erwies sich, da| dieses Programm auí
die Begriííslogik zielt, da| aber die Begriííslogik mit den Generalitäten der
Rede ·on der doppelten Negation nicht einmal íormal beschrieben werden
kann. Die Logik der Reílexionsbestimmungen kann also eine Analyse ·on
generell anwendbaren Begriííen nur dann sein, wenn sie Llemente enthält,
die es erlauben, die Logik des Begriíís an sie anzuschlie|en und sie als
einen, wie auch immer besonderen, lall ihrer Lntwicklung und
Anwendung zu ·erstehen.
Signiíikant ist dieses Kapitel aus mehreren Gründen, ·or allem aber wegen
seiner Beziehung zum Methodenproblem der Logik. Denn die Begriííe, die in
der Schlu|erorterung über die Methode im Zentrum stehen, haben nicht
dort, sondern im Kapitel über die Reílexionsbestimmungen ihren
eigentlichen Ort: Die Dialektik expliziert sich durch die Begriíísreihe Un-
mittelbarkeit - erste Negation - zweite Negation - wiederhergestellte
Unmittelbarkeit. Im Kommentar zu einzelnen logischen Argumenten
konnen sie überall gebraucht werden. In der Logik der Reílexion sind sie
aber ihrerseits 1hema und eríahren ihre eigene spekulati·e Lntwicklung.
Auch ein abstraktes Verständnis ·on legels Methode wird deshalb nicht

II. Analytischer Kommentar zur Logik der Reílexion
.. ße ae vt vvg. re r . c bi e bvvg ¸vv !e . e v
Die Logik des \esens beginnt mit zwei Abschnitten, in denen
Bestimmungen des \esens gegeben werden, die oííensichtlich hinter
dem zurückbleiben, was sich bereits am Lnde der Seinslogik ergeben
hatte. legel wollte schon dort gezeigt haben, da| sich die Diííerenz
einer ansichseienden Grundlage ·on Bestimmungen auí der einen Seite
und ihrem \echsel·erhältnis zueinander auí der anderen als unhaltbar
erwiesen habe. Die Grundlage ist aus sich selbst zugleich Be-
104 105
stimmtheit und die Bestimmtheit deshalb ihr gegenüber nicht äu|erlich und
selbständig, sondern nur das eigene lürsichsein der Grundlage und somit
wesentliches, internes Moment. Diese Struktur ist auch bereits als »einíache
unendliche Beziehung auí sich, die Un·erträglichkeit ihrer mit sich selbst, Ab-
sto|en ihrer ·on sich« beschrieben. ,I, 39¯ 3, 15 íí.,.
\as unter dem 1itel ·\esentliches· und ·Schein· am Aníang des íolgenden
Buches auítritt, eríüllt aber diese Struktur durchaus nicht. \esentlich wird
etwas unter ihm externen Gesichtspunkten. Und der Schein, obgleich er
keinen ·om \esen abhebbaren Bestand hat, ·erhüllt er es doch nur und
ist eine, wenn auch nichtige, Bestimmtheit gegen es, - nicht seine eigene
Selbstbestimmung. Mc1aggart hat deshalb ·orgeschlagen, in der \eise, wie
die ív¸,/to¡aaie es tut, die \esenslogik mit der Kategorie der Identität
beginnen zu lassen.
3

Nun ist aber die ív¸,/to¡aaie nur der Grundri| íür eine Darstellung, die
·ollständige Argumente zu geben hat, und nur die gro|e Logik
argumentiert. Unter Absehen ·on der lrage, ob es zu ihrem
Argumentationsgang Alternati·en gab, soll hier gezeigt werden, da| in dem
·on ihr erstellten Rahmen ein Schritt direkt ·on der Indiííerenz zur
Identität unmoglich gewesen wäre. In ihr ist die Behandlung ·on Gedanken,
die oííenkundig hinter den íormal schon angegebenen Begriíí des \esens
zurückíallen, die votrevaige Vorbedingung daíür, da| der Begriíí des
\esens überhaupt als bestimmter Gedanke entwickelt werden kann.
Der Gedanke ·om \esen mu| nämlich so geía|t sein, da| er nicht nur
auí den der Indiííerenz íolgt, in einem stärkeren Sinne mu| er dessen
Nachíolge antreten: Lr mu| alle Charaktere einschlie|en, die zur letzten
Seinsbestimmung zählten, und er mu| sie so miteinander ·erbinden,
da| seine Analyse nicht wieder in die Seinslogik zurücktreibt. In diesem
lalle wäre, was Nachíolge sollte, blo|e Vertretung, sein und
es hätte sich erwiesen, da| die Begriíísstruktur des Seins unüberbietbar ist,
auch wenn sie nicht kohärent gemacht werden kann. Damit wäre das
Programm der Logik gescheitert.
legel íührt den Nachweis, da| es sich anders ·erhält, indem er mit
Gedanken experimentiert, in denen das Verhältnis ·on Sein und \esen
noch als eine externe Relation gedeutet wird, zugleich aber die Priorität des
\esens grundsätzlich anerkannt ist. Man kann sie als Gedanken der
Vernunít im Stadium des Versuches beschreiben, einen bestimmten Begriíí
·orn \esen zu gewinnen. Lr wird erreicht, indem gezeigt wird, da| die
Merkmale, welche das ·om \esen suspendierte, ·on ihm aber noch immer
unterschiedene Sein kennzeichnen, als eigene Bestimmungen des \esens zu
denken sind.
Man konnte sich íragen, warum diese umständliche Prozedur notig sei, da es
doch ebenso moglich wäre, ·om Gedanken der negierten Negation
auszugehen. Nachdem er am Lnde des Kapitels über Indiííerenz als dessen
Conclusion, also nicht nur als Ankündigung ·on Kommendem, bereits
genannt werden konnte, sei es leicht, aus ihm direkt den Zusammenhang ·on
\esen und Sein herzuleiten. Denn nach den Gesetzen legelscher
Dialektik ergibt das Negieren eines Relats einer Korrelation die Behauptung
des anderen Korrelats.
4
Nun ist aber das Korrelat der Negation, als der
Bestimmung und somit Beziehung auí anderes, die Unmittelbarkeit, als
Unbestimmtheit oder Beziehung nur auí sich selber. Der Begriíí der
Unmittelbarkeit ist aber durch das \ort ·Sein· gemeint. Also hat die
Negation der Negation Unmittelbarkeit zur lolge. Sein kann als Resultat
des \esens, als durch es gesetzt, also als ·Gesetztsein· gelten, das ganz ohne
Umstand aus dem Gedanken der doppelten Negation gewonnen ist.
Gesetztsein aber hei|t auígehobenes Sein, - Sein, welches das \esen zu
seinem Grund hat, und zwar so, da| \esen seinerseits im Setzen ·on
Unmittelbarkeit besteht.

10¯

4 VgL 11,493,2 und \erner Becker, legels Begriíí der Dialektik und das Prinzip des Idealismus,
Stuttgart 1969, S. 55 u. a.
3 . Covvevtar, to íeget. íogic, 1·10, ´. ··
106
stimmtheit und die Bestimmtheit deshalb ihr gegenüber nicht äu|erlich und
selbständig, sondern nur das eigene lürsichsein der Grundlage und somit
wesentliches, internes Moment. Diese Struktur ist auch bereits als »einíache
unendliche Beziehung auí sich, die Un·erträglichkeit ihrer mit sich selbst, Ab-
sto|en ihrer ·on sich« beschrieben. ,I, 39¯ 3, 15 íí.,.
\as unter dem 1itel ·\esentliches· und ·Schein· am Aníang des íolgenden
Buches auítritt, eríüllt aber diese Struktur durchaus nicht. \esentlich wird
etwas unter ihm externen Gesichtspunkten. Und der Schein, obgleich er
keinen ·om \esen abhebbaren Bestand hat, ·erhüllt er es doch nur und
ist eine, wenn auch nichtige, Bestimmtheit gegen es, - nicht seine eigene
Selbstbestimmung. Mc1aggart hat deshalb ·orgeschlagen, in der \eise, wie
die ív¸,/to¡aaie es tut, die \esenslogik mit der Kategorie der Identität
beginnen zu lassen.
3

Nun ist aber die ív¸,/to¡aaie nur der Grundri| íür eine Darstellung, die
·ollständige Argumente zu geben hat, und nur die gro|e Logik
argumentiert. Unter Absehen ·on der lrage, ob es zu ihrem
Argumentationsgang Alternati·en gab, soll hier gezeigt werden, da| in dem
·on ihr erstellten Rahmen ein Schritt direkt ·on der Indiííerenz zur
Identität unmoglich gewesen wäre. In ihr ist die Behandlung ·on Gedanken,
die oííenkundig hinter den íormal schon angegebenen Begriíí des \esens
zurückíallen, die votrevaige Vorbedingung daíür, da| der Begriíí des
\esens überhaupt als bestimmter Gedanke entwickelt werden kann.
Der Gedanke ·om \esen mu| nämlich so geía|t sein, da| er nicht nur
auí den der Indiííerenz íolgt, in einem stärkeren Sinne mu| er dessen
Nachíolge antreten: Lr mu| alle Charaktere einschlie|en, die zur letzten
Seinsbestimmung zählten, und er mu| sie so miteinander ·erbinden,
da| seine Analyse nicht wieder in die Seinslogik zurücktreibt. In diesem
lalle wäre, was Nachíolge sollte, blo|e Vertretung, sein und
es hätte sich erwiesen, da| die Begriíísstruktur des Seins unüberbietbar ist,
auch wenn sie nicht kohärent gemacht werden kann. Damit wäre das
Programm der Logik gescheitert.
legel íührt den Nachweis, da| es sich anders ·erhält, indem er mit
Gedanken experimentiert, in denen das Verhältnis ·on Sein und \esen
noch als eine externe Relation gedeutet wird, zugleich aber die Priorität des
\esens grundsätzlich anerkannt ist. Man kann sie als Gedanken der
Vernunít im Stadium des Versuches beschreiben, einen bestimmten Begriíí
·orn \esen zu gewinnen. Lr wird erreicht, indem gezeigt wird, da| die
Merkmale, welche das ·om \esen suspendierte, ·on ihm aber noch immer
unterschiedene Sein kennzeichnen, als eigene Bestimmungen des \esens zu
denken sind.
Man konnte sich íragen, warum diese umständliche Prozedur notig sei, da es
doch ebenso moglich wäre, ·om Gedanken der negierten Negation
auszugehen. Nachdem er am Lnde des Kapitels über Indiííerenz als dessen
Conclusion, also nicht nur als Ankündigung ·on Kommendem, bereits
genannt werden konnte, sei es leicht, aus ihm direkt den Zusammenhang ·on
\esen und Sein herzuleiten. Denn nach den Gesetzen legelscher
Dialektik ergibt das Negieren eines Relats einer Korrelation die Behauptung
des anderen Korrelats.
4
Nun ist aber das Korrelat der Negation, als der
Bestimmung und somit Beziehung auí anderes, die Unmittelbarkeit, als
Unbestimmtheit oder Beziehung nur auí sich selber. Der Begriíí der
Unmittelbarkeit ist aber durch das \ort ·Sein· gemeint. Also hat die
Negation der Negation Unmittelbarkeit zur lolge. Sein kann als Resultat
des \esens, als durch es gesetzt, also als ·Gesetztsein· gelten, das ganz ohne
Umstand aus dem Gedanken der doppelten Negation gewonnen ist.
Gesetztsein aber hei|t auígehobenes Sein, - Sein, welches das \esen zu
seinem Grund hat, und zwar so, da| \esen seinerseits im Setzen ·on
Unmittelbarkeit besteht.

10¯

4 VgL 11,493,2 und \erner Becker, legels Begriíí der Dialektik und das Prinzip des Idealismus,
Stuttgart 1969, S. 55 u. a.
3 . Covvevtar, to íeget. íogic, 1·10, ´. ··
106
\äre aber \esen nicht mehr, so wäre es gerade nur jene Struktur der
Vertretung, nicht der Nachíolge, die zu in sich selber begründetem lorschritt
keine Moglichkeit bote, zu dem lortschritt also, den legel durch das \esen
zum Begriíí anstrebt. Denn Sein wäre nun Resultat des \esens - zwar zum
Gesetztsein ·erwandelt -, aber doch dem \esen nicht gleich, sondern - so
wäre zu sagen - eigentlich nur wesentlich. \eitere Lntwicklung würde sich
also auch in irgendeiner Art ·on blo|er Beziehung zwischen beiden
abspielen, und zwar deshalb, weil es Resultat des \esens wäre, da| es
zwar über Sein hinaus, nicht aber ·on ihm unabhängig geworden ist.
lalle gesichert sein mu|: Sein war im Schein als Moment des \esens selber
·erstanden. So kann man also zum selbständigen \esen kommen, wenn
sich zeigen lä|t, da| die Charaktere, die Schein immer noch zu etwas
machten, das ·om \eenunterscheidbar ist, dem \esen selber zugesprochen
werden müssen. Dann ist der Schein nicht mehr der Schein gegen das
\esen oder an ihm, sondern er ist das \esen als Schein, oder das Sein
als Schein im \esen.
lür das Verständnis des Veríahrens der Logik ist es nun entscheidend, sich
ganz klar zu machen, was eigentlich in dieem Nachweis geschieht.
Oííensichtlich wird in ihm keine logische Ableitung des \esens aus dem
Schein gegeben. legel selbst sagt, es werde avfge¸eigt, da| das \esen den
Schein in sich enthält ,13,1,4,. Damit konnte allerdings eine 1ätigkeit
gemeint sein, ohne die komplexe logische Deduktionen gleichíalls nicht in
Gang kommen konnen, die also doch zum Proze| des Deduzierens
gehort: Um ableiten zu konnen, mu| man sicherstellen, da| in den
Prämissen dieselben Konstanten, Variablen und Operatoren auítreten, in
Beziehung auí die die Deduktion allein eríolgen kann. \ie nähere Prüíung
zeigt, geht aber legels Veríahren nicht in einer 1ätigkeit dieser Art auí:
Die Charaktere des Scheins sind Nichtigkeit und Unmittelbarkeit, und
zwar so, da| die Unmittelbarkeit wieder durch ihre Nichtigkeit
charakterisiert ist. Ls ist nun nicht schwer, die Nichtigkeit des Scheins im
\esen wiederzuíinden, denn es ist negati·e Beziehung auí sich, also
Auíhebung seiner selber - damit aber eben jene Unmittelbarkeit des
Negiertseins, die den Schein ausmachte. In diesem Charakter stimmt also,
was Schein sein soll, mit dem \esen überein. Ls lä|t sich sogar sagen, da|
die Unmittelbarkeit des Negiertseins, die im Schein eigentlich nur ·orgestellt,
nicht gedacht werden konnte, im \esen allererst einsichtig wird.
Der Gedanke der sich negierenden Negation kann also so simpel nicht
genommen werden, wenn legel ihn auch gelegentlich in dieser
abgekürtzen lorm ·orstellt. Gewi| gehort zu ihm die Unmittelbarkeit als
Resultat. Aber sie macht ihn nicht aus, insoíern er mehr als Aníang eines
Ubergangs, - insoíern er suisuííizient sein soll.
Ls ist nun näher darzulegen, wie legel ·eríährt, um den Begriíí des \esens
als Anundíürsichsein, also als autonome Struktur zu erreichen. Das
Gedankenexperiment des Scheines bietet ihm dazu die Mittel. Schein war
geía|t als eine Unmittelbarkeit, die am \esen nur besteht, indem sie
zugleich auígehoben ist. Sie ist ein Anderes gegen das \esen, aber nicht das
Andere des Daseins, das eigenen Bestand hat. legel beschreibt es, in
Abhebung ·om Dasein, als unmittelbares Nichtdasein, - bestimmt gegen das
\esen, doch so, da| es zugleich auch auígehoben ist.
Von diesem Gedanken braucht gar nicht gezeigt zu werden, da| er nicht der
angemessene Begriíí des \esens ist, ·on dem am Lnde der Seinslogik schon
die Rede war. Soíern er noch irgendeine Bestimmung enthält, die ihn
·om \esen unterscheidet, mu| er als schon entíallen gelten. Doch es war
auch ·erständlich, \esen zunächst als \esen im Gegensatz zum Schein
zu íassen. Denn im Schein schien berücksichtigt, was im \esen
als selbständigem Nachíolger des Seins in jedem

Aber der Charakter der Unmittelbarkeit macht gro|ere Schwierig-
keiten. Denn es war ja die Unmittelbarkeit, durch die der Schein
in eine, wenngleich jeweils auch schon negierte

108 109
\äre aber \esen nicht mehr, so wäre es gerade nur jene Struktur der
Vertretung, nicht der Nachíolge, die zu in sich selber begründetem lorschritt
keine Moglichkeit bote, zu dem lortschritt also, den legel durch das \esen
zum Begriíí anstrebt. Denn Sein wäre nun Resultat des \esens - zwar zum
Gesetztsein ·erwandelt -, aber doch dem \esen nicht gleich, sondern - so
wäre zu sagen - eigentlich nur wesentlich. \eitere Lntwicklung würde sich
also auch in irgendeiner Art ·on blo|er Beziehung zwischen beiden
abspielen, und zwar deshalb, weil es Resultat des \esens wäre, da| es
zwar über Sein hinaus, nicht aber ·on ihm unabhängig geworden ist.
lalle gesichert sein mu|: Sein war im Schein als Moment des \esens selber
·erstanden. So kann man also zum selbständigen \esen kommen, wenn
sich zeigen lä|t, da| die Charaktere, die Schein immer noch zu etwas
machten, das ·om \eenunterscheidbar ist, dem \esen selber zugesprochen
werden müssen. Dann ist der Schein nicht mehr der Schein gegen das
\esen oder an ihm, sondern er ist das \esen als Schein, oder das Sein
als Schein im \esen.
lür das Verständnis des Veríahrens der Logik ist es nun entscheidend, sich
ganz klar zu machen, was eigentlich in dieem Nachweis geschieht.
Oííensichtlich wird in ihm keine logische Ableitung des \esens aus dem
Schein gegeben. legel selbst sagt, es werde avfge¸eigt, da| das \esen den
Schein in sich enthält ,13,1,4,. Damit konnte allerdings eine 1ätigkeit
gemeint sein, ohne die komplexe logische Deduktionen gleichíalls nicht in
Gang kommen konnen, die also doch zum Proze| des Deduzierens
gehort: Um ableiten zu konnen, mu| man sicherstellen, da| in den
Prämissen dieselben Konstanten, Variablen und Operatoren auítreten, in
Beziehung auí die die Deduktion allein eríolgen kann. \ie nähere Prüíung
zeigt, geht aber legels Veríahren nicht in einer 1ätigkeit dieser Art auí:
Die Charaktere des Scheins sind Nichtigkeit und Unmittelbarkeit, und
zwar so, da| die Unmittelbarkeit wieder durch ihre Nichtigkeit
charakterisiert ist. Ls ist nun nicht schwer, die Nichtigkeit des Scheins im
\esen wiederzuíinden, denn es ist negati·e Beziehung auí sich, also
Auíhebung seiner selber - damit aber eben jene Unmittelbarkeit des
Negiertseins, die den Schein ausmachte. In diesem Charakter stimmt also,
was Schein sein soll, mit dem \esen überein. Ls lä|t sich sogar sagen, da|
die Unmittelbarkeit des Negiertseins, die im Schein eigentlich nur ·orgestellt,
nicht gedacht werden konnte, im \esen allererst einsichtig wird.
Der Gedanke der sich negierenden Negation kann also so simpel nicht
genommen werden, wenn legel ihn auch gelegentlich in dieser
abgekürtzen lorm ·orstellt. Gewi| gehort zu ihm die Unmittelbarkeit als
Resultat. Aber sie macht ihn nicht aus, insoíern er mehr als Aníang eines
Ubergangs, - insoíern er suisuííizient sein soll.
Ls ist nun näher darzulegen, wie legel ·eríährt, um den Begriíí des \esens
als Anundíürsichsein, also als autonome Struktur zu erreichen. Das
Gedankenexperiment des Scheines bietet ihm dazu die Mittel. Schein war
geía|t als eine Unmittelbarkeit, die am \esen nur besteht, indem sie
zugleich auígehoben ist. Sie ist ein Anderes gegen das \esen, aber nicht das
Andere des Daseins, das eigenen Bestand hat. legel beschreibt es, in
Abhebung ·om Dasein, als unmittelbares Nichtdasein, - bestimmt gegen das
\esen, doch so, da| es zugleich auch auígehoben ist.
Von diesem Gedanken braucht gar nicht gezeigt zu werden, da| er nicht der
angemessene Begriíí des \esens ist, ·on dem am Lnde der Seinslogik schon
die Rede war. Soíern er noch irgendeine Bestimmung enthält, die ihn
·om \esen unterscheidet, mu| er als schon entíallen gelten. Doch es war
auch ·erständlich, \esen zunächst als \esen im Gegensatz zum Schein
zu íassen. Denn im Schein schien berücksichtigt, was im \esen
als selbständigem Nachíolger des Seins in jedem

Aber der Charakter der Unmittelbarkeit macht gro|ere Schwierig-
keiten. Denn es war ja die Unmittelbarkeit, durch die der Schein
in eine, wenngleich jeweils auch schon negierte

108 109
schien Unmittelbarkeit zu meinen. Nun zeigt sich, da| auch an der
Vermittlung Beziehung auí sich auítritt, als die Selbstbeziehung der
Negation. legel stellt deshalb auch diese Struktur unter den 1itel der
Unmittelbarkeit.

Diííerenz zum \esen kam. Das Negiertsein der Unmittelbarkeit
unterscheidet den Schein ·om Sein. Da| er aber negierte Unmittelbarkeit ist,
macht ihn zu einem Anderen gegen das \esen. \ie kann Unmittelbarkeit
als Charakter des \esens selber auígeía|t werden·
Davit rer.cbiebt .icb aber aie ßeaevtvvg aie.e. ßegriffe.. Aus der ursprünglichen
Bedeutung scheidet aus, da| Unmittelbarkeit stets der Vermittlung
indiííerent entgegengesetzt ist. Ls wird durch eine andere Bestimmung
ersetzt: Unmittelbarkeit ist ein Charakter suisuííizienter Vermittlung, ein
Charakter der Selbstbeziehung. Diese Bedeutungs·erschiebung geschieht
wohl moti·iert. Sie geschieht aber nicht mit derZwangsläuíigkeit dedukti·er
Logik und auch nicht auígrund der blo|en Suche nach Anwendungsíällen
eines Begriííes. Beide Bedeutungen sind gar nicht identisch im Sinne
íormallogischer Identität. Ls wäre moglich, sie wohl unter-schieden zu
halten, etwa dadurch, da| man den einen Begriíí als ·Beziehungslosigkeit·
·on dem anderen als ·Selbstbeziehung· abhebt.
legel zeigt es auí diese \eise: \esen ist negati·e Beziehung auí sich. Somit
schlie|t es in seinem Negieren Jede Beziehung auí ein anderes aus - eine
Beziehung, welche zur bestimmten Negation gehort, die stets negati·e
Beziehung auí ein Anderes ist. Der Begriíí der Unmittelbarkeit war aber als
Gegensatz zu einer Beziehung auí Anderes eingeíührt. Unmittelbares ist
gleich nur mit sich, írei ·on Gleichheit mit oder Ungleichheit gegen Anderes.
Und in diesem Sinne hatte die Rede ·on der Unmittelbarkeit den 1erminus
·Sein· einíühren helíen ,1,66,5,2,. \enn nun also die Negation durch ihre
Selbstbeziehung in eine Stellung kommt, die sie írei ·om Sichbeziehen auí
Anderes macht, so kann ihr deshalb die Ligenschaít, unmittelbar zu sein,
zugesprochen werden. »Die Negati·ität des \esens«, als doppelte
Negation, »ist seine Gleichheit mit sich selbst oder seine einíache
Unmittelbarkeit und Gleichgültigkeit« ,I 1,2,8,.
In das Arsenal einíacher \aííen der legelkritik gehort seit jeher der
Vorwurí, da| seine Beweise auí lomonymien beruhten und somit
erschlichen seien. lür diese Kritik wäre der Aníang der \esenslogik ein
noch nicht genutzter Musteríall. Man konnte ·ersuchen, ihn als Prozedur
zu entlar·en, die I lomonymie im Begriíí der Unmittelbarkeit des \esens
zu ·erschleiern. Aber der 1ext des Aníangs der \esenslogik legt eine
Strategie näher, die dieser gerade entgegengesetzt ist: legel hätte nicht selber
die Charaktere des Scheines im \esen nur auísuchen und auízeigen konnen,
wenn ihm nicht klar gewesen wäre, da| seine Untersuchung ·om íormalen

Da| diese \endung eine genuin legelsche Pointe ist, kann man leicht
sehen. lührt sie doch zur 1hese, da| Lntgegengesetzte in \ahrheit
eines seien. Die Unmittelbarkeit, die in Opposition zum \esen stand,
erweist sich, die Unmittelbarkeit des \esens selber zu sein. Man mu|
aber íragen, auí welche \eise die Pointe zustande kommt. Denn die
Unmittelbarkeit des Seins wird nicht auch im \esen entdeckt wie etwa Uran
in einer Gesteinsprobe. \as im \esen ·Unmittelbarkeit· hei|t, entspricht in
zwei wichtigen linsichten nicht der ursprünglich gegebenen Deíinition
dieses Begriííes: Ls hat eine Diííerenz in sich, und es ist nicht
Unmittelbarkeit gegev die Vermittlung. So nur schien Beziehung auí sich
bisher geía|t werden zu konnen
5
, Vermittlungslosigkeit schlechthin




111

gati·en auí sich dasselbe sei wie Sein. Aus diesem Grund kann man auch lürsichsein· mit einem
Nebenakzent auí ·-sein· lesen ,1,140,2,11, ·gl. Auíl. 8¯,. In der Seinslogik hat diese
Bemerkung jedoch nirgends den SteIlenwert eines Argumentes. Noch weniger ist die
Bedeutungsidentiíikation selber Moment in der Gedanken-bestimmung, die entwickelt
wird. Vgl. Anm. 14 unten.
5 Schon in der Seinslogik hat legel erklärt, da| die Beziehung des Ne-
110
schien Unmittelbarkeit zu meinen. Nun zeigt sich, da| auch an der
Vermittlung Beziehung auí sich auítritt, als die Selbstbeziehung der
Negation. legel stellt deshalb auch diese Struktur unter den 1itel der
Unmittelbarkeit.

Diííerenz zum \esen kam. Das Negiertsein der Unmittelbarkeit
unterscheidet den Schein ·om Sein. Da| er aber negierte Unmittelbarkeit ist,
macht ihn zu einem Anderen gegen das \esen. \ie kann Unmittelbarkeit
als Charakter des \esens selber auígeía|t werden·
Davit rer.cbiebt .icb aber aie ßeaevtvvg aie.e. ßegriffe.. Aus der ursprünglichen
Bedeutung scheidet aus, da| Unmittelbarkeit stets der Vermittlung
indiííerent entgegengesetzt ist. Ls wird durch eine andere Bestimmung
ersetzt: Unmittelbarkeit ist ein Charakter suisuííizienter Vermittlung, ein
Charakter der Selbstbeziehung. Diese Bedeutungs·erschiebung geschieht
wohl moti·iert. Sie geschieht aber nicht mit derZwangsläuíigkeit dedukti·er
Logik und auch nicht auígrund der blo|en Suche nach Anwendungsíällen
eines Begriííes. Beide Bedeutungen sind gar nicht identisch im Sinne
íormallogischer Identität. Ls wäre moglich, sie wohl unter-schieden zu
halten, etwa dadurch, da| man den einen Begriíí als ·Beziehungslosigkeit·
·on dem anderen als ·Selbstbeziehung· abhebt.
legel zeigt es auí diese \eise: \esen ist negati·e Beziehung auí sich. Somit
schlie|t es in seinem Negieren Jede Beziehung auí ein anderes aus - eine
Beziehung, welche zur bestimmten Negation gehort, die stets negati·e
Beziehung auí ein Anderes ist. Der Begriíí der Unmittelbarkeit war aber als
Gegensatz zu einer Beziehung auí Anderes eingeíührt. Unmittelbares ist
gleich nur mit sich, írei ·on Gleichheit mit oder Ungleichheit gegen Anderes.
Und in diesem Sinne hatte die Rede ·on der Unmittelbarkeit den 1erminus
·Sein· einíühren helíen ,1,66,5,2,. \enn nun also die Negation durch ihre
Selbstbeziehung in eine Stellung kommt, die sie írei ·om Sichbeziehen auí
Anderes macht, so kann ihr deshalb die Ligenschaít, unmittelbar zu sein,
zugesprochen werden. »Die Negati·ität des \esens«, als doppelte
Negation, »ist seine Gleichheit mit sich selbst oder seine einíache
Unmittelbarkeit und Gleichgültigkeit« ,I 1,2,8,.
In das Arsenal einíacher \aííen der legelkritik gehort seit jeher der
Vorwurí, da| seine Beweise auí lomonymien beruhten und somit
erschlichen seien. lür diese Kritik wäre der Aníang der \esenslogik ein
noch nicht genutzter Musteríall. Man konnte ·ersuchen, ihn als Prozedur
zu entlar·en, die I lomonymie im Begriíí der Unmittelbarkeit des \esens
zu ·erschleiern. Aber der 1ext des Aníangs der \esenslogik legt eine
Strategie näher, die dieser gerade entgegengesetzt ist: legel hätte nicht selber
die Charaktere des Scheines im \esen nur auísuchen und auízeigen konnen,
wenn ihm nicht klar gewesen wäre, da| seine Untersuchung ·om íormalen

Da| diese \endung eine genuin legelsche Pointe ist, kann man leicht
sehen. lührt sie doch zur 1hese, da| Lntgegengesetzte in \ahrheit
eines seien. Die Unmittelbarkeit, die in Opposition zum \esen stand,
erweist sich, die Unmittelbarkeit des \esens selber zu sein. Man mu|
aber íragen, auí welche \eise die Pointe zustande kommt. Denn die
Unmittelbarkeit des Seins wird nicht auch im \esen entdeckt wie etwa Uran
in einer Gesteinsprobe. \as im \esen ·Unmittelbarkeit· hei|t, entspricht in
zwei wichtigen linsichten nicht der ursprünglich gegebenen Deíinition
dieses Begriííes: Ls hat eine Diííerenz in sich, und es ist nicht
Unmittelbarkeit gegev die Vermittlung. So nur schien Beziehung auí sich
bisher geía|t werden zu konnen
5
, Vermittlungslosigkeit schlechthin




111

gati·en auí sich dasselbe sei wie Sein. Aus diesem Grund kann man auch lürsichsein· mit einem
Nebenakzent auí ·-sein· lesen ,1,140,2,11, ·gl. Auíl. 8¯,. In der Seinslogik hat diese
Bemerkung jedoch nirgends den SteIlenwert eines Argumentes. Noch weniger ist die
Bedeutungsidentiíikation selber Moment in der Gedanken-bestimmung, die entwickelt
wird. Vgl. Anm. 14 unten.
5 Schon in der Seinslogik hat legel erklärt, da| die Beziehung des Ne-
110
Beweis ganz ·erschieden ist und da| sie zumindest das einschlie|t, was
·lortbestimmung einer Bedeutung· genannt werden mu|. Der Gedanke des
\esens kann dem des Seins nur dann nachíolgen, wenn zugleich die
Bedeutung ·on Sein, als Unmittelbarkeit, eine Lrweiterung eríährt. lreilich
ist diese Lrweiterung nicht irgendeine. Sie bestimmt Unmittelbarkeit in
einer \eise, die bisher in ihrem Begriíí nicht nur nicht ·orgesehen, die ·on
ihm sogar notwendig ausgeschlossen schien. Mit einem simplen lall ·on
Bedeutungs·erschiebung hat man es also nicht zu tun. Auí ihre
besonderen Ligenschaíten ist deshalb später zurückzukommen.
Negati·en auígehobene Bestimmtheit ,11,2,. In diesem Ar-gument bewegt
sich legel ·om Schein und seiner Unmittelbarkeit zur Selbstbeziehung der
Negati·ität, die bereits ·orausgesetzt war, als die Unmittelbarkeit des Scheins
mit der Struktur der Selbstbeziehung im \esen identiíiziert worden war.
Lin zu diesem analoges Argument operiert mit dem Begriíí des \esens:
Auch es mu| als Bestimmtheit in sich und zugleich als auígehobene
Bestimmtheit gedacht werden. Der Grund daíür ist einíach der, da| die
Negation es ist, deren Selbstbeziehung den Begriíí des \esens ausmacht.
Um sich auí sich zu beziehen, mu| die Negation negiert werden. Das aber
hei|t, da| dem ersten Relatum im \esen die Negation entgegengesetzt
wird, - nur ein anderes \ort daíür, da| es bestimmt wird. Allerdings ist
sogleich hinzuzuíügen, da| diese Bestimmtheit Bestimmung durch sich,
Selbstbestimmung und somit auígehobene Bestimmtheit ist ,II,3,.

Auch die
Bestimmtheit des Scheines gegen das \esen ist also im \esen u íinden,
jedoch so, da| sie zugleich auígehoben ist. Die Lntwicklung ·om Schein
zum \esen ist damit zu Lnde gekommen.
Durch den Nachweis, da| die Charaktere des Scheins im \esen zu íinden
sind, ist der Schein noch immer nicht ·ollständig zum eigenen Charakter
des \esens geworden. Und da das Sein Schein geworden war, Sein aber zu
\esen werden sollte, ist der Schritt ·om Sein zum \esen noch immer
nicht getan. Denn der Schein hatte ja eine Bestimmtheit gegev das \esen.
Ubernimmt das \esen nur seine Charaktere, nicht aber auch diese
Bestimmtheit, so ist der Schein nur ·erschwunden, nicht transponiert.
Allerdings kann die Bestimmtheit des Scheines im \esen nicht im gleichen
Sinne Bestimmtheit gegen es sein wie im lalle des dem \esen noch
äu|erlichen Scheines. Deshalb mu| gezeigt werden, da| die Bestimmtheit
des Scheines im \esen auígehoben ,11,1,6,3,5,, also transponiert und
zugleich suspendiert ist.
DieProblematik dieser Identiíikation ist aber noch nicht allständig entíaltet.
Sie wird zu weiteren Diííerenzierungen Uhren und den Begriíí des \esens
ohne Verkürzung erst mit dem Begriíí der bestimmenden Reílexion
her·ortreten lassen. Die Gliederung, die auch noch die Reílexion zu einem
Kapitel zieht das den 1itel ·Schein· hat, ist also nicht äu|erlich und
unerheblich. Sie sagt etwas zur Sache und etwas, das in legels Kontext
notwendig zu sagen ist. Denn das \esen war m dem Schein in zwei
Schritten identiíiziert worden: Zu-nächst wurden die Charaktere des
Scheins im \esen geíun-den,dann wurde ·on der Bestimmtheit des Scheins
gegen das \escn gezeigt, da| sie im \esen auígehoben wird. Diese
Doppelung ist bedeutsam.
legel gibt zunächst eine allgemeine Darlegung eines solchen Beweises
,11,3,12,1, und íührt ihn dann unter zwei Aspekten konkreter aus:
Vom Schein selber zeigt er, da| er seine Bestimmtheit nur als die
Beziehung eines Negati·en auí ein Negati·es hat, also in einer
Relation, die mit der des \esens identisch ist. \eil der Schein immer
schon als auígehoben gedachte Unmittelbarkeit ist, ist er das Negati·e
·on einem, das, da es auígehobenes Sein ist, seinerseits das Negati·e
genannt werden mu|. Der Schein ist das gegen das Negati·e be-
stimmte Negati·e, also zugleich in der Selbstbeziehung des

Die neue Bedeutung ·on ·Unmittelbarkeit· war dadurch
112 113
Beweis ganz ·erschieden ist und da| sie zumindest das einschlie|t, was
·lortbestimmung einer Bedeutung· genannt werden mu|. Der Gedanke des
\esens kann dem des Seins nur dann nachíolgen, wenn zugleich die
Bedeutung ·on Sein, als Unmittelbarkeit, eine Lrweiterung eríährt. lreilich
ist diese Lrweiterung nicht irgendeine. Sie bestimmt Unmittelbarkeit in
einer \eise, die bisher in ihrem Begriíí nicht nur nicht ·orgesehen, die ·on
ihm sogar notwendig ausgeschlossen schien. Mit einem simplen lall ·on
Bedeutungs·erschiebung hat man es also nicht zu tun. Auí ihre
besonderen Ligenschaíten ist deshalb später zurückzukommen.
Negati·en auígehobene Bestimmtheit ,11,2,. In diesem Ar-gument bewegt
sich legel ·om Schein und seiner Unmittelbarkeit zur Selbstbeziehung der
Negati·ität, die bereits ·orausgesetzt war, als die Unmittelbarkeit des Scheins
mit der Struktur der Selbstbeziehung im \esen identiíiziert worden war.
Lin zu diesem analoges Argument operiert mit dem Begriíí des \esens:
Auch es mu| als Bestimmtheit in sich und zugleich als auígehobene
Bestimmtheit gedacht werden. Der Grund daíür ist einíach der, da| die
Negation es ist, deren Selbstbeziehung den Begriíí des \esens ausmacht.
Um sich auí sich zu beziehen, mu| die Negation negiert werden. Das aber
hei|t, da| dem ersten Relatum im \esen die Negation entgegengesetzt
wird, - nur ein anderes \ort daíür, da| es bestimmt wird. Allerdings ist
sogleich hinzuzuíügen, da| diese Bestimmtheit Bestimmung durch sich,
Selbstbestimmung und somit auígehobene Bestimmtheit ist ,II,3,

Auch die
Bestimmtheit des Scheines gegen das \esen ist also im \esen u íinden,
jedoch so, da| sie zugleich auígehoben ist. Die Lntwicklung ·om Schein
zum \esen ist damit zu Lnde gekommen.
Durch den Nachweis, da| die Charaktere des Scheins im \esen zu íinden
sind, ist der Schein noch immer nicht ·ollständig zum eigenen Charakter
des \esens geworden. Und da das Sein Schein geworden war, Sein aber zu
\esen werden sollte, ist der Schritt ·om Sein zum \esen noch immer
nicht getan. Denn der Schein hatte ja eine Bestimmtheit das \esen.
Ubernimmt das \esen nur seine Charaktere, nicht aber auch diese
Bestimmtheit, so ist der Schein nur ·erschwunden, nicht transponiert.
Allerdings kann die Bestimmtheit des Scheines im \esen nicht im gleichen
Sinne Bestimmtheit gegen es sein wie im lalle des dem \esen noch
äu|erlichen Scheines. Deshalb mu| gezeigt werden, da| die Bestimmtheit
des Scheines im \esen auígehoben ,11,1,6,3,5,, also transponiert und
zugleich suspendiert ist.
DieProblematik dieser Identiíikation ist aber noch nicht allständig entíaltet.
Sie wird zu weiteren Diííerenzierungen Uhren und den Begriíí des \esens
ohne Verkürzung erst mit dem Begriíí der bestimmenden Reílexion
her·ortreten lassen. Die Gliederung, die auch noch die Reílexion zu einem
Kapitel zieht das den 1itel ·Schein· hat, ist also nicht äu|erlich und
unerheblich. Sie sagt etwas zur Sache und etwas, das in legels Kontext
notwendig zu sagen ist. Denn das \esen war m dem Schein in zwei
Schritten identiíiziert worden: Zu-nächst wurden die Charaktere des
Scheins im \esen geíun-den,dann wurde ·on der Bestimmtheit des Scheins
gegen das \escn gezeigt, da| sie im \esen auígehoben wird. Diese
Doppelung ist bedeutsam.
legel gibt zunächst eine allgemeine Darlegung eines solchen Beweises
,11,3,12,1, und íührt ihn dann unter zwei Aspekten konkreter aus:
Vom Schein selber zeigt er, da| er seine Bestimmtheit nur als die
Beziehung eines Negati·en auí ein Negati·es hat, also in einer
Relation, die mit der des \esens identisch ist. \eil der Schein immer
schon als auígehoben gedachte Unmittelbarkeit ist, ist er das Negati·e
·on einem, das, da es auígehobenes Sein ist, seinerseits das Negati·e
genannt werden mu|. Der Schein ist das gegen das Negati·e be-
stimmte Negati·e, also zugleich in der Selbstbeziehung des

Die neue Bedeutung ·on ·Unmittelbarkeit· war dadurch
112 113
gewonnen worden, da| die Selbstbeziehung in der negierten Negation, in
ihrer Gleichheit mit sich in den Blick kam. Auí der anderen Seite konnte die
Bestimmtheit des Scheines gegen das \esen nur dadurch im \esen selber
wiedergeíunden werden, da| im Blick blieb, da| die Selbstbeziehung des
\esens eine Selbstnegation ist. Auí diese \eise war es moglich, den
Gegensatz des Scheines gegen das \esen im Gegensatz zwischen der
negierenden und der negierten Negation im \esen wiederzuerkennen.
Dem entspricht, da| auch das Nichtigsein des Scheines gegenüber dem
\esen als die dem \esen eigene negati·e Natur wiedererkannt worden
war, denn es ist eben dieselbe Negati·ität, die impliziert, da| im
genteils. Unmittelbarkeit ist, was gesetzt ist, soíern die Negation sich auíhebt.
3. Diese gesetzte Unmittelbarkeit entsteht aber nur insoíern, als die Negation
negiert wird. Sie ist in diesem Sinne nicht wirklich Gleichheit mit sich,
sondern ·on ihrem Gegenteil abhängige Unmittelbarkeit. Sie ist somit
dasselbe, was der Schein war. Darum tritt zwischen ihr und dem \esen
wieder die Beziehung ein, die schon im Scheine bestanden hatte: Die
Reílexion ·erhält sich als Auíheben, als Negieren gegen die Unmittelbarkeit.
Man kann diese drei Strukturen durch íolgende Abkürzungen ausdrücken:
1. N - N ~ U, Unmittelbarkeit als Beziehung der Negation auí sich.
2.. N - N - U, Unmittelbarkeit als Resultat der negierten Negation.
3. U - N, die Beziehung dieser Unmittelbarkeit auí die Negation durch die sie,
und zwar wegen 2., immer schon auígehoben ist.
\esen auch eine Bestimmung gegen sich selbst stattíindet. Noch ist die
Beziehung dieser beiden Charaktere im Gedanken der negierten Negation
nicht hinreichend bestimmt worden. Sie ist oííenbar die Grundlage der
weiteren Lntwicklung der 1heorie ·om \esen. Indem er das in ihr
gelegene Argumentationspotential ausnutzte, hat legel einige der dichte-
sten spekulati·en Passagen seines \erkes schreiben konnen. Leider gehoren
sie auch zu denen, deren lermetik die Interpreten am schnellsten
resignieren lä|t. legel selbst hat nahezu nichts dazu beigetragen, die
logischen Verhältnisse durchsichtig zu machen, in denen er sich mit
unreílektierter Virtuosität bewegt.
Zwischen den drei Auítrittsweisen ·on Unmittelbarkeit im \esen besteht
eine geordnete lolge. 1. Zuerst wird dem \esen selber Unmittelbarkeit ,in
der ·erschobenen Bedeutung, zugesprochen. 2. Sodann zeigt sich, da| das
nur auí sich bezogene \esen die Unmittelbarkeit in der Bedeutung wieder
herstellt, die 3. ror der Verschiebung in Geltung war. Daraus ergibt sich,
da| diese Unmittelbarkeit, als Schein, ·om \esen zugleich auch auígehoben
ist. Damit ist die Situation wieder hergestellt, in der 1. auígewiesen
werden konnte.
In dieser lolge ergibt sich Unmittelbarkeit einmal in der neuen, der
gegenüber der Seinslogik ·erschobenen Bedeutung, zweimal im Sinne einer
der Vermittlung entgegengesetzten Unmittelbarkeit. So ist also zu sagen,
da| Unmittelbarkeit auch in der aus der Logik des Seins bekannten Bedeu-
tung im \esen erhalten bleibt, wenngleich immer so, da| avcb gesagt werden
mu|, sie sei im \esen auígehoben.
Um sie zu ·erstehen, mu| man sehen, da| der Begriíí der
Unmittelbarkeit in dreiíacher \eise in der entwickelten Struktur des
\esens auítritt. 1. Lr ist der Gedanke ·on der Selbstbeziehung der
Negation, ihrer Gleichheit mit sich. Dies ist die Bedeutung ·on
Unmittelbarkeit, die sich aus einer Verschiebung aus der ursprünglichen
Bedeutung ergab. 2. Der zweite Auítritt ·on Unmittelbarkeit in der
\esensstruktur ergibt sich aus der Uberlegung, die als ein Vorschlag zur
·ollständigen Deutung der \esenslogik ausgeschieden werden mu|te:
Die Negation der Negation hat ein Resultat, ist nicht
nur Durchstreichung der Negation, sondern Setzen ihres Ge-

Dieser Beíund macht deutlich, da| die 1hese, die Logik des
114 115
gewonnen worden, da| die Selbstbeziehung in der negierten Negation, in
ihrer Gleichheit mit sich in den Blick kam. Auí der anderen Seite konnte die
Bestimmtheit des Scheines gegen das \esen nur dadurch im \esen selber
wiedergeíunden werden, da| im Blick blieb, da| die Selbstbeziehung des
\esens eine Selbstnegation ist. Auí diese \eise war es moglich, den
Gegensatz des Scheines gegen das \esen im Gegensatz zwischen der
negierenden und der negierten Negation im \esen wiederzuerkennen.
Dem entspricht, da| auch das Nichtigsein des Scheines gegenüber dem
\esen als die dem \esen eigene negati·e Natur wiedererkannt worden
war, denn es ist eben dieselbe Negati·ität, die impliziert, da| im
genteils. Unmittelbarkeit ist, was gesetzt ist, soíern die Negation sich auíhebt.
3. Diese gesetzte Unmittelbarkeit entsteht aber nur insoíern, als die Negation
negiert wird. Sie ist in diesem Sinne nicht wirklich Gleichheit mit sich,
sondern ·on ihrem Gegenteil abhängige Unmittelbarkeit. Sie ist somit
dasselbe, was der Schein war. Darum tritt zwischen ihr und dem \esen
wieder die Beziehung ein, die schon im Scheine bestanden hatte: Die
Reílexion ·erhält sich als Auíheben, als Negieren gegen die Unmittelbarkeit.
Man kann diese drei Strukturen durch íolgende Abkürzungen ausdrücken:
1. N - N ~ U, Unmittelbarkeit als Beziehung der Negation auí sich.
2.. N - N - U, Unmittelbarkeit als Resultat der negierten Negation.
3. U - N, die Beziehung dieser Unmittelbarkeit auí die Negation durch die sie,
und zwar wegen 2., immer schon auígehoben ist.
\esen auch eine Bestimmung gegen sich selbst stattíindet. Noch ist die
Beziehung dieser beiden Charaktere im Gedanken der negierten Negation
nicht hinreichend bestimmt worden. Sie ist oííenbar die Grundlage der
weiteren Lntwicklung der 1heorie ·om \esen. Indem er das in ihr
gelegene Argumentationspotential ausnutzte, hat legel einige der dichte-
sten spekulati·en Passagen seines \erkes schreiben konnen. Leider gehoren
sie auch zu denen, deren lermetik die Interpreten am schnellsten
resignieren lä|t. legel selbst hat nahezu nichts dazu beigetragen, die
logischen Verhältnisse durchsichtig zu machen, in denen er sich mit
unreílektierter Virtuosität bewegt.
Zwischen den drei Auítrittsweisen ·on Unmittelbarkeit im \esen besteht
eine geordnete lolge. 1. Zuerst wird dem \esen selber Unmittelbarkeit ,in
der ·erschobenen Bedeutung, zugesprochen. 2. Sodann zeigt sich, da| das
nur auí sich bezogene \esen die Unmittelbarkeit in der Bedeutung wieder
herstellt, die 3.   der Verschiebung in Geltung war. Daraus ergibt sich,
da| diese Unmittelbarkeit, als Schein, ·om \esen zugleich auch auígehoben
ist. Damit ist die Situation wieder hergestellt, in der 1. auígewiesen
werden konnte.
In dieser lolge ergibt sich Unmittelbarkeit einmal in der neuen, der
gegenüber der Seinslogik ·erschobenen Bedeutung, zweimal im Sinne einer
der Vermittlung entgegengesetzten Unmittelbarkeit. So ist also zu sagen,
da| Unmittelbarkeit auch in der aus der Logik des Seins bekannten Bedeu-
tung im \esen erhalten bleibt, wenngleich immer so, da| gesagt werden
mu|, sie sei im \esen auígehoben.
Um sie zu ·erstehen, mu| man sehen, da| der Begriíí der
Unmittelbarkeit in dreiíacher \eise in der entwickelten Struktur des
\esens auítritt. 1. Lr ist der Gedanke ·on der Selbstbeziehung der
Negation, ihrer Gleichheit mit sich. Dies ist die Bedeutung ·on
Unmittelbarkeit, die sich aus einer Verschiebung aus der ursprünglichen
Bedeutung ergab. 2. Der zweite Auítritt ·on Unmittelbarkeit in der
\esensstruktur ergibt sich aus der Uberlegung, die als ein Vorschlag zur
·ollständigen Deutung der \esenslogik ausgeschieden werden mu|te:
Die Negation der Negation hat ein Resultat, ist nicht
nur Durchstreichung der Negation, sondern Setzen ihres Ge-

Dieser Beíund macht deutlich, da| die 1hese, die Logik des
114 115
\esens beruhe auí einer Bedeutungs·erschiebung im Begriíí der
Unmittelbarkeit, erweitert werden mu|. Diese 1hese bezog sich zunächst
nur auí den Obergang ·on Schein zur Reílexion. Man hätte also meinen
konnen, der Gedanke der Unmittelbarkeit sei wieder eindeutig bestimmt,
sobald mit der Analyse der Reílexion begonnen worden ist. Nun stellt sich
aber heraus, da| die Verschiebend der Bedeutung im Gedanken der
Unmittelbarkeit zu einem Llement im Begriíí der Reílexion selber werden
mu|. Da nämlich die lolge, in der die Unmittelbarkeit dreimal im
Gedanken des \esens auítritt, in sich selber zurückläuít, konnte sich
herausstellen, da| die Bedeutungs·erschiebung ·on geringem Netzen war.
Das \esen, als unbestimmte Unmittelbarkeit gedacht, würde doch
wieder ins Sein zusammensinken, um als Negation erneut gegen es
auízustehen, - und so íort ohne Lnde. Die Diííerenz zwischen ihm und
seiner Negation wäre eine Relation ·on der Art der Seinskategorien. Sie
bildete das Lnde der Logik, - aber nicht ihren Abschlu| in dem ·on legel
intendierten Sinne. Sie mündete in eine Beziehend, die selber en·ermittelt
ist und dennoch unüberholbar bleibt. Nach den Kriterien íür den Lríolg
des spekulati·en Programmes wäre dies sein Kollaps.
Um ihn zu ·ermeiden, braucht nur zu einem Inhalt des Begriíís ·om
\esen gemacht zu werden, was zu·or nur als Mittel gedient hatte, ihn
einzuíühren: Die Bedeutungs·erschiebung im Begriíí der Unmittel-
barkeit. Diese Prozedur schein legitim zu sein, wenn a. die Verschiebend als
solche akzeptiert - werden kann und wenn b. der Begriíí in der Bedeutung,
·on, der her die Verschiebend eríolgt, in der Lntwicklung des Begriííes
wieder auítaucht, der Resultat der Verschiebend gewesen war. Line
Bedeutungs·erschiebung, die in die Bedeutung eines Begriííes oder einer
1heorie eingeht, die wesentlich auí ihm beruht, erscheint in ihr als
Bedeutungsidentiíikation So haben wir also die beiden Bedeutungen ·on
Unmittelbarkeit auch íormal als U
1
,Unmittelbarkeit des Seins, und
U
11¯
2
,Unmittelbarkeit im \esen, zu unterscheiden und ihre identiíikation als
U
1
~ U
2
auszudrücken.
Von ihr hängt ab, da| die \esenslogik überhaupt in Gang kommt und
nicht schon im ersten Schritt in ihren Ausgang zurückläuít, - ebenso die
Mechanik aller ihrer íolgenden Kapitel. Schon in der Ubersicht über die
Argumente zur Auíhebung der Bestimmtheit des Scheins im \esen hat legel
diese Mechanik oííengelegt: »Die Negati·ität ist ihre Beziehend auí sich, so
ist sie an sich Unmittelbarkeit« ,N - N ~ U,, -aber sie ist negati·e
Beziehend auí sich, absto|endes Negieren ihrer selbst, so ist die an sich
seiende Unmittelbarkeit das Negati·e oder Bestimmte gegen sie« ,N - N -
· U
1
,. »Aber diese Bestimmtheit ist selbst die absolute Negati·ität« ,U
1
~
U
2
, ,12,1,.
ß. ´e t ¸e v vva 1or av. . e t ¸e v
Im Abschnitt über die setzende Reílexion ist diese Identiíikation überall
·orausgesetzt. Sie wird aber noch nicht im Argument, sondern nur im
Kommentar benetzt. legels Programm in diesem Abschnitt ist immer
noch auí die Relation orientiert, die unter dem 1itel ·Schein· analysiert
worden war. Nachdem nunmehr die Llemente des Scheines im \esen auí-
geíunden sind und die lolgeordnend seiner Lntwicklung angegeben
werde, will legel auch noch zeigen, da| sich die Relation, die die
Grundlage íür den Gedanken ·om Schein war, aus dem \esen selbst ergibt.
Zu·or war der Begriíí des \esens aus der 1ransponierung der Llemente des
Scheines in es gewonnen worden. Nun sollen sich rückläuíig aus dem \esen
die L·idenzen genetisch auíhellen lassen, die bei der Beschreibend des
Scheines leitend gewesen sind. Der Schein soll als Vollzugsíorm des \esens
·erständlich werden, und zwar einschlie|lich dessen, was ihm seinen Namen
gab: Dem Anschein der Unabhängigkeit seiner ·on der Selbstbeziehung

116
\esens beruhe auí einer Bedeutungs·erschiebung im Begriíí der
Unmittelbarkeit, erweitert werden mu|. Diese 1hese bezog sich zunächst
nur auí den Obergang ·on Schein zur Reílexion. Man hätte also meinen
konnen, der Gedanke der Unmittelbarkeit sei wieder eindeutig bestimmt,
sobald mit der Analyse der Reílexion begonnen worden ist. Nun stellt sich
aber heraus, da| die Verschiebend der Bedeutung im Gedanken der
Unmittelbarkeit zu einem Llement im Begriíí der Reílexion selber werden
mu|. Da nämlich die lolge, in der die Unmittelbarkeit dreimal im
Gedanken des \esens auítritt, in sich selber zurückläuít, konnte sich
herausstellen, da| die Bedeutungs·erschiebung ·on geringem Netzen war.
Das \esen, als unbestimmte Unmittelbarkeit gedacht, würde doch
wieder ins Sein zusammensinken, um als Negation erneut gegen es
auízustehen, - und so íort ohne Lnde. Die Diííerenz zwischen ihm und
seiner Negation wäre eine Relation ·on der Art der Seinskategorien. Sie
bildete das Lnde der Logik, - aber nicht ihren Abschlu| in dem ·on legel
intendierten Sinne. Sie mündete in eine Beziehend, die selber en·ermittelt
ist und dennoch unüberholbar bleibt. Nach den Kriterien íür den Lríolg
des spekulati·en Programmes wäre dies sein Kollaps.
Um ihn zu ·ermeiden, braucht nur zu einem Inhalt des Begriíís ·om
\esen gemacht zu werden, was zu·or nur als Mittel gedient hatte, ihn
einzuíühren: Die Bedeutungs·erschiebung im Begriíí der Unmittel-
barkeit. Diese Prozedur schein legitim zu sein, wenn a. die Verschiebend als
solche akzeptiert - werden kann und wenn b. der Begriíí in der Bedeutung,
·on, der her die Verschiebend eríolgt, in der Lntwicklung des Begriííes
wieder auítaucht, der Resultat der Verschiebend gewesen war. Line
Bedeutungs·erschiebung, die in die Bedeutung eines Begriííes oder einer
1heorie eingeht, die wesentlich auí ihm beruht, erscheint in ihr als
Bedeutungsidentiíikation So haben wir also die beiden Bedeutungen ·on
Unmittelbarkeit auch íormal als U
1
,Unmittelbarkeit des Seins, und
U
11¯
2
,Unmittelbarkeit im \esen, zu unterscheiden und ihre identiíikation als
U
1
~ U
2
auszudrücken.
Von ihr hängt ab, da| die \esenslogik überhaupt in Gang kommt und
nicht schon im ersten Schritt in ihren Ausgang zurückläuít, - ebenso die
Mechanik aller ihrer íolgenden Kapitel. Schon in der Ubersicht über die
Argumente zur Auíhebung der Bestimmtheit des Scheins im \esen hat legel
diese Mechanik oííengelegt: »Die Negati·ität ist ihre Beziehend auí sich, so
ist sie an sich Unmittelbarkeit« ,N - N ~ U,, -aber sie ist negati·e
Beziehend auí sich, absto|endes Negieren ihrer selbst, so ist die an sich
seiende Unmittelbarkeit das Negati·e oder Bestimmte gegen sie« ,N - N -
· U
1
,. »Aber diese Bestimmtheit ist selbst die absolute Negati·ität« ,U
1
~
U
2
, ,12,1,.
ß. ´e t ¸e v vva 1or av. . e t ¸e v
Im Abschnitt über die setzende Reílexion ist diese Identiíikation überall
·orausgesetzt. Sie wird aber noch nicht im Argument, sondern nur im
Kommentar benetzt. legels Programm in diesem Abschnitt ist immer
noch auí die Relation orientiert, die unter dem 1itel ·Schein· analysiert
worden war. Nachdem nunmehr die Llemente des Scheines im \esen auí-
geíunden sind und die lolgeordnend seiner Lntwicklung angegeben
werde, will legel auch noch zeigen, da| sich die Relation, die die
Grundlage íür den Gedanken ·om Schein war, aus dem \esen selbst ergibt.
Zu·or war der Begriíí des \esens aus der 1ransponierung der Llemente des
Scheines in es gewonnen worden. Nun sollen sich rückläuíig aus dem \esen
die L·idenzen genetisch auíhellen lassen, die bei der Beschreibend des
Scheines leitend gewesen sind. Der Schein soll als Vollzugsíorm des \esens
·erständlich werden, und zwar einschlie|lich dessen, was ihm seinen Namen
gab: Dem Anschein der Unabhängigkeit seiner ·on der Selbstbeziehung

116
der Negation. Indem dies geschieht, kommt die immanente Lntwicklung des
\esens in Gang.
diese Lntgegensetzung ist ,15,2,5-8,. Diese Unmittelbarkeit mu| diejenige
sein, die im Scheine den Aníang zu machen schien. Die Reílexion
bezieht sich aber gar nicht auí sie als das, ·on dem ihre 1ätigkeit
anzuíangen hätte. Denn sie entsteht überhaupt erst in der
Selbstbeziehung des Negati·en ,15,2,10 íí.,.
Der Schein, das Nichtige, ist nicht dadurch, da| ein Anderes ist, in dem es
negiert ist. Sein Sein ist seine eigene Gleichheit mit sich. Das hei|t aber,
da| er die Gleichheit eines Nichtigen mit sich ist: die sich auí sich
beziehende Negation. Ist nu da·on die Rede, da| das Nichtige gleich
mit sich ist, so wird wiederum da·on abstrahiert, da| es sich um die
Gleichheit der Negation handelt, die doch dem entgegengesetzt ist, was
Unmittelbarkeit hei|t.
An dieser Stelle wiederholt legel die Identiíikation ·on U
2
mit U
1

,15,2,11,12,, aber nicht als Argument, sondern nur als Kommentar.
Noch ist nämlich nicht gezeigt, wie es ·om \esen aus zu der Vorstellung
·on einem Aníang kommen konnte, auí den die Reílexion sich blo|
bezieht, zum Schein also, der sich inzwischen als unhaltbar erwies. Diesen
Nachweis zu geben, ist zunächst legels Auígabe. Lr íührt ihn, indem
er den abstrakten 1itel ·Gesetztsein· durch die beiden Reílexionsprozesse
·Setzen· und ·Voraussetzen· speziíiziert. ·Setzen· bezeichnet nur das schon
Lrläuterte, da| sich die Unmittelbarkeit nur als die Selbstbeziehung der Ne-
gation ergibt, womit sie also ·on ihr abhängig ist und in diesem Sinne
zugleich auch suspendiert wird.
Ls ist deutlich, da| in dieser Uberlegung die Identiíikation der beiden
Bedeutungen ·on Unmittelbarkeit íür gerechtíertigt gilt. In der Analyse der
setzenden Reílexion wird ·on ihr aber zunächst gar kein Gebrauch
gemacht. legel nutzt zunächst nur den einíacheren, einleuchtenderen
Gegensatz zwischen der Bestimmung der Gleichheit mit sich und der
Selbstnegation aus: Die zweite scheint die erste auszuschlie|en. Denn
Selbstnegation ist Lntgegensetzung, also nicht Gleichheit. Aber als
Negation der Negation eríüllt sie doch auch wiederum die Bedingung, unter
der ·on Gleichheit geredet werden kann.
Der Proze| des ·Voraussetzens· bringt aber Neues in die Analyse. Lr
ermoglicht den Ubergang zur Auíklärung des Scheines aus dem \esen.
\enn nämlich im Setzen die Unmittelbarkeit dadurch her·orkam, da|
die Negation selbstbezüglich wurde, so ist doch zugleich íestzuhalten,
da| sich das Negati·e in seiner Selbstbeziehung eben vegierte, also
auíhob. Damit hebt aber die Negation auch sich selber als die
Bedingung daíür auí, da| ,kraít ihrer Selbstbeziehung, Unmittelbarkeit
her·ortritt. Unmittelbarkeit scheint somit ganz zu entíallen. Doch
legel meint, was in \ahrheit entíalle, sei nur die Abhängigkeit der
Unmittelbarkeit ·on der Reílexion. Denn íestzuhalten ist auch, da| die
Auíhebung der Negation gar nicht anders als durch ihre
Selbstbeziehung zustande kommen kann. Durch die Selbstbeziehung,
in der die Negation sich auíhebt, wird also die Unmittelbarkeit, welche
ihre Selbstbeziehung ist, ·on ihr unabhängig gemacht. Sie ist nicht
So lä|t sich ·on der Unmittelbarkeit des \esens sagen, da| sie einerseits
als die Gleichheit des Negati·en mit sich bestehe, da| sie aber als solche
auch immer schon auígehoben sei. Grund daíür ist zunächst gar nicht der
einíache Umstand, da| die Unmittelbarkeit ·om Negati·en abhängig und
darum in gewissem Sinne auch wieder nicht unmittelbar ist. legels Grund
ist ·ielmehr der, da| das Negati·e als sich selber negierende Negation die
Gleichheit, in der die Unmittelbarkeit besteht, immer auch schon
zerstort. Ist das Negati·e negiert und somit eliminiert, so ist damit auch
seine Gleichheit mit sich entíallen ,15,2,1-5,.
Das genügt, um den 1erminus ·Gesetztsein· abstrakt einzuíühren.
Lr meint die Unmittelbarkeit, die in sich selbst Lntgegen-
setzung, somit Bestimmtheit hat, die überhaupt nur al s

118 119
der Negation. Indem dies geschieht, kommt die immanente Lntwicklung des
\esens in Gang.
diese Lntgegensetzung ist ,15,2,5-8,. Diese Unmittelbarkeit mu| diejenige
sein, die im Scheine den Aníang zu machen schien. Die Reílexion
bezieht sich aber gar nicht auí sie als das, ·on dem ihre 1ätigkeit
anzuíangen hätte. Denn sie entsteht überhaupt erst in der
Selbstbeziehung des Negati·en ,15,2,10 íí.,.
Der Schein, das Nichtige, ist nicht dadurch, da| ein Anderes ist, in dem es
negiert ist. Sein Sein ist seine eigene Gleichheit mit sich. Das hei|t aber,
da| er die Gleichheit eines Nichtigen mit sich ist: die sich auí sich
beziehende Negation. Ist nu da·on die Rede, da| das Nichtige gleich
mit sich ist, so wird wiederum da·on abstrahiert, da| es sich um die
Gleichheit der Negation handelt, die doch dem entgegengesetzt ist, was
Unmittelbarkeit hei|t.
An dieser Stelle wiederholt legel die Identiíikation ·on U
2
mit U
1

,15,2,11,12,, aber nicht als Argument, sondern nur als Kommentar.
Noch ist nämlich nicht gezeigt, wie es ·om \esen aus zu der Vorstellung
·on einem Aníang kommen konnte, auí den die Reílexion sich blo|
bezieht, zum Schein also, der sich inzwischen als unhaltbar erwies. Diesen
Nachweis zu geben, ist zunächst legels Auígabe. Lr íührt ihn, indem
er den abstrakten 1itel ·Gesetztsein· durch die beiden Reílexionsprozesse
·Setzen· und ·Voraussetzen· speziíiziert. ·Setzen· bezeichnet nur das schon
Lrläuterte, da| sich die Unmittelbarkeit nur als die Selbstbeziehung der Ne-
gation ergibt, womit sie also ·on ihr abhängig ist und in diesem Sinne
zugleich auch suspendiert wird.
Ls ist deutlich, da| in dieser Uberlegung die Identiíikation der beiden
Bedeutungen ·on Unmittelbarkeit íür gerechtíertigt gilt. In der Analyse der
setzenden Reílexion wird ·on ihr aber zunächst gar kein Gebrauch
gemacht. legel nutzt zunächst nur den einíacheren, einleuchtenderen
Gegensatz zwischen der Bestimmung der Gleichheit mit sich und der
Selbstnegation aus: Die zweite scheint die erste auszuschlie|en. Denn
Selbstnegation ist Lntgegensetzung, also nicht Gleichheit. Aber als
Negation der Negation eríüllt sie doch auch wiederum die Bedingung, unter
der ·on Gleichheit geredet werden kann.
Der Proze| des ·Voraussetzens· bringt aber Neues in die Analyse. Lr
ermoglicht den Ubergang zur Auíklärung des Scheines aus dem \esen.
\enn nämlich im Setzen die Unmittelbarkeit dadurch her·orkam, da|
die Negation selbstbezüglich wurde, so ist doch zugleich íestzuhalten,
da| sich das Negati·e in seiner Selbstbeziehung eben  also
auíhob. Damit hebt aber die Negation auch sich selber als die
Bedingung daíür auí, da| ,kraít ihrer Selbstbeziehung, Unmittelbarkeit
her·ortritt. Unmittelbarkeit scheint somit ganz zu entíallen. Doch
legel meint, was in \ahrheit entíalle, sei nur die Abhängigkeit der
Unmittelbarkeit ·on der Reílexion. Denn íestzuhalten ist auch, da| die
Auíhebung der Negation gar nicht anders als durch ihre
Selbstbeziehung zustande kommen kann. Durch die Selbstbeziehung,
in der die Negation sich auíhebt, wird also die Unmittelbarkeit, welche
ihre Selbstbeziehung ist, ·on ihr unabhängig gemacht. Sie ist nicht
So lä|t sich ·on der Unmittelbarkeit des \esens sagen, da| sie einerseits
als die Gleichheit des Negati·en mit sich bestehe, da| sie aber als solche
auch immer schon auígehoben sei. Grund daíür ist zunächst gar nicht der
einíache Umstand, da| die Unmittelbarkeit ·om Negati·en abhängig und
darum in gewissem Sinne auch wieder nicht unmittelbar ist. legels Grund
ist ·ielmehr der, da| das Negati·e als sich selber negierende Negation die
Gleichheit, in der die Unmittelbarkeit besteht, immer auch schon
zerstort. Ist das Negati·e negiert und somit eliminiert, so ist damit auch
seine Gleichheit mit sich entíallen ,15,2,1-5,.
Das genügt, um den 1erminus ·Gesetztsein· abstrakt einzuíühren.
Lr meint die Unmittelbarkeit, die in sich selbst Lntgegen-
setzung, somit Bestimmtheit hat, die überhaupt nur al s

118 119
Produkt, denn, so betrachtet, ist das Produkt null. Sie ist dem Produzieren
·on Null ·orausgesetzt.
Dieser Gedankengang macht klar, da| ·Setzen· und ·Voraussetzen· nicht
blo|e Arten einer 1ätigkeit sind, die zum Gesetztsein íührt. Die zweite lä|t
sich nur durch die erste einíühren: Auch das Voraussetzen ist ein Setzen,
aber ein Setzen, das das Setzen zugleich als auígehoben setzt ,1 5,3,16,.
Mit dieser komplizierten Uberlegung ist legels 1ext und Gedankengang
aber noch immer nicht ·ollständig transparent gemacht. Man kann das
auch daran sehen, da| sie bisher ein Llement in der Analyse der Bedeutung
·on ·Voraussetzen· noch nicht erreicht hat. \ill. legel den Grund des Schei-
nes im \esen selber auííinden, mu| er auí dieses Llement besonderen
\ert legen: Voraussetzung ist zwar ·erstanden als das Setzen ·on etwas,
das gesetzt ist als unabhängig ·on dem, das es setzt, - das also ist, wenn
auch das Setzen auígehoben ist oder, wie in diesem lalle, sich selber
auíhebt. Damit ist aber noch nicht gesagt, da| das Vorausgesetzte auch
in Beziehung auí die Reílexion gesetzt ist, so da| die Reílexion nunmehr
auí es als auí ihre Voraussetzung reílektiert. Das Vorausgesetzte ist
unabhängig ·on dem, was es ·oraussetzt, - zudem ist es aber auch dessen
Bedingung.
In diesem zweiten Sinne ist Unmittelbarkeit im \esen ·orausgesetzt,
soíern es Schein ist, - Unmittelbarkeit, die zu negieren ist und die immer
schon negiert wurde. Sie will legel wieder erreichen. Lr tut es, indem er
alle hier ausgearbeiteten Uberlegungen in eine einzige \endung
zusammendrängt und dazu noch eine weitere Konsequenz zieht: »Aber
íerner ist diese Unmittelbarkeit die auígehobene Negation und die
auígehobene Rückkehr in sich. Die Reílexion ist als Auíheben des
Negati·en Auíheben ihres Anderen, der Unmittelbarkeit« ,15,3,6 íí.,.
Die neue lolgerung ist im Ubergang ·om ersten zum zweiten Satz
·ersteckt und so zu explizieren: In der Selbstbeziehung hebt sich die
Negation auí und setzt Unmittelbarkeit als ·on sich unabhängig. Damit
ist aber etwas entstanden, auí das sich die Reílexion wiederum als ihr Anderes
zu beziehen hat. Die Selbstbeziehung der Negation hebt die Negation at.
Unmittelbarkeit auí, schaíít aber eine Unmittelbarkeit, die ihr als
auígehobener gegenübertritt. Indem diese nunmehr ihre Voraussetzung ist,
kann die Negation, jetzt als Negation eines Anderen, erneut eintreten. Ls
erweist sich dann íreilich, da| sie auch in dieser Beziehung auí ihr Anderes
wieder nur als Beziehung auí sich ·erstanden werden kann. So setzt die
Reílexion, indem sie sich auíhebt, ein Unmittelbares ·oraus und erneuert,
indem sie es als ihr Anderes negiert, ihre Beziehung auí sich. Sie ist somit
Schein, aber ein Schein, der in der Reílexion entsteht und in ihr bleibt.
Man mu| nur sehen, da| auch die Selbstauíhebung in ihrem Selbstbezug
impliziert ist. Ihre Selbstnegation ·ernichtet die Reílexion nicht, sondern
entwickelt sie nur.
Diese letzte Uberlegung legels, die zu der Pointe seiner Analyse der Be-
deutung ·on ·Voraussetzung· íührt, soll dazu noch den besonderen Vorteil
haben, die Identiíikation der Bedeutung ·on U
1
und U
2
mehr als nur ein-
leuchtend und wohl moti·iert zu machen. \enn man nämlich sagen kann,
da| sich die Unmittelbarkeit der Selbstbeziehung ,U
2
, wegen der Auílosung
der Bezogenen, die in der negierenden Selbstbeziehung geschieht, ·on dieser
Beziehung ablost und der Negation insgesamt als U
1
entgegentritt, -
zunächst als ·on ihr unabhängig, dann als ·on ihr auch zu negierendes Ge-
genteil -, so hat man dem Vorgang der Verschiebung der Bedeutung ·on U
2

und U
1
gleichsam mit den Augen íolgen konnen. So wäre man also auch
berechtigt, umgekehrt U
1
mit U
2
zu. identiíizieren, wie es am Lingang der
Analyse geschah. Da| legel dies im Sinne hat, geht daraus her·or, da| er es
íür eine Konsequenz seiner Analyse hält, wenn die Reílexion ihre eigene
Selbstbeziehung als das setzt, was ihr entgegengesetzt ist. »In der Voraus-
setzung bestimmt die Reílexion die Rückkehr in sich als das Negati·e ihrer
120 121
Produkt, denn, so betrachtet, ist das Produkt null. Sie ist dem Produzieren
·on Null ·orausgesetzt.
Dieser Gedankengang macht klar, da| ·Setzen· und ·Voraussetzen· nicht
blo|e Arten einer 1ätigkeit sind, die zum Gesetztsein íührt. Die zweite lä|t
sich nur durch die erste einíühren: Auch das Voraussetzen ist ein Setzen,
aber ein Setzen, das das Setzen zugleich als auígehoben setzt ,1 5,3,16,.
Mit dieser komplizierten Uberlegung ist legels 1ext und Gedankengang
aber noch immer nicht ·ollständig transparent gemacht. Man kann das
auch daran sehen, da| sie bisher ein Llement in der Analyse der Bedeutung
·on ·Voraussetzen· noch nicht erreicht hat. \ill. legel den Grund des Schei-
nes im \esen selber auííinden, mu| er auí dieses Llement besonderen
\ert legen: Voraussetzung ist zwar ·erstanden als das Setzen ·on etwas,
das gesetzt ist als unabhängig ·on dem, das es setzt, - das also ist, wenn
auch das Setzen auígehoben ist oder, wie in diesem lalle, sich selber
auíhebt. Damit ist aber noch nicht gesagt, da| das Vorausgesetzte auch
in Beziehung auí die Reílexion gesetzt ist, so da| die Reílexion nunmehr
auí es als auí ihre Voraussetzung reílektiert. Das Vorausgesetzte ist
unabhängig ·on dem, was es ·oraussetzt, - zudem ist es aber auch dessen
Bedingung.
In diesem zweiten Sinne ist Unmittelbarkeit im \esen ·orausgesetzt,
soíern es Schein ist, - Unmittelbarkeit, die zu negieren ist und die immer
schon negiert wurde. Sie will legel wieder erreichen. Lr tut es, indem er
alle hier ausgearbeiteten Uberlegungen in eine einzige \endung
zusammendrängt und dazu noch eine weitere Konsequenz zieht: »Aber
íerner ist diese Unmittelbarkeit die auígehobene Negation und die
auígehobene Rückkehr in sich. Die Reílexion ist als Auíheben des
Negati·en Auíheben ihres Anderen, der Unmittelbarkeit« ,15,3,6 íí.,.
Die neue lolgerung ist im Ubergang ·om ersten zum zweiten Satz
·ersteckt und so zu explizieren: In der Selbstbeziehung hebt sich die
Negation auí und setzt Unmittelbarkeit als ·on sich unabhängig. Damit
ist aber etwas entstanden, auí das sich die Reílexion wiederum als ihr Anderes
zu beziehen hat. Die Selbstbeziehung der Negation hebt die Negation 
Unmittelbarkeit auí, schaíít aber eine Unmittelbarkeit, die ihr als
auígehobener gegenübertritt. Indem diese nunmehr ihre Voraussetzung ist,
kann die Negation, jetzt als Negation eines Anderen, erneut eintreten. Ls
erweist sich dann íreilich, da| sie auch in dieser Beziehung auí ihr Anderes
wieder nur als Beziehung auí sich ·erstanden werden kann. So setzt die
Reílexion, indem sie sich auíhebt, ein Unmittelbares ·oraus und erneuert,
indem sie es als ihr Anderes negiert, ihre Beziehung auí sich. Sie ist somit
Schein, aber ein Schein, der in der Reílexion entsteht und in ihr bleibt.
Man mu| nur sehen, da| auch die Selbstauíhebung in ihrem Selbstbezug
impliziert ist. Ihre Selbstnegation ·ernichtet die Reílexion nicht, sondern
entwickelt sie nur.
Diese letzte Uberlegung legels, die zu der Pointe seiner Analyse der Be-
deutung ·on ·Voraussetzung· íührt, soll dazu noch den besonderen Vorteil
haben, die Identiíikation der Bedeutung ·on U
1
und U
2
mehr als nur ein-
leuchtend und wohl moti·iert zu machen. \enn man nämlich sagen kann,
da| sich die Unmittelbarkeit der Selbstbeziehung ,U
2
, wegen der Auílosung
der Bezogenen, die in der negierenden Selbstbeziehung geschieht, ·on dieser
Beziehung ablost und der Negation insgesamt als U
1
entgegentritt, -
zunächst als ·on ihr unabhängig, dann als ·on ihr auch zu negierendes Ge-
genteil -, so hat man dem Vorgang der Verschiebung der Bedeutung ·on U
2

und U
1
gleichsam mit den Augen íolgen konnen. So wäre man also auch
berechtigt, umgekehrt U
1
mit U
2
zu. identiíizieren, wie es am Lingang der
Analyse geschah. Da| legel dies im Sinne hat, geht daraus her·or, da| er es
íür eine Konsequenz seiner Analyse hält, wenn die Reílexion ihre eigene
Selbstbeziehung als das setzt, was ihr entgegengesetzt ist. »In der Voraus-
setzung bestimmt die Reílexion die Rückkehr in sich als das Negati·e ihrer
120 121
selbst, als dasjenige, dessen Auíheben das \esen ist« ,1 5,3,16,. In \ahrheit
ist aber gar kein neues Argument íür die Identiíikation ·orgeíührt. Denn
man hätte denselben Sach·erhalt ebensogut ausdrücken konnen, wenn man
sagte, im Voraussetzen ·erschwände die Selbstbeziehung der Negation
,U
2
,, und es trete U
1
als die gegen die Negation bestimmte Un-
mittelbarkeit ein. Dieser \echsel ist weder die Lrsetzung einer Bedeutung
durch eine andere, noch zwingt er dazu, zu einer solchen Identiíikation
íortzuschreiten, wenn sie nicht schon in den Prämissen ·orgesehen ist.
Ohne die Voraussetzung der Identiíikation würde nur der Anwendungsíall
des einen Begriííes entíallen und sich statt dessen der Anwendungsíall
des anderen ergeben.
legels 1ext bedarí also der Verbesserung. Lr konnte weniger komprimiert
geschrieben sein. Nur so würde er sein kompliziertes, aber einleuchtendes
Argument aus dem unerwünschten Schleier spekulati·er Lsoterik und
Lnigmatik íreigeben. Lr konnte aber auch besser auígebaut sein, und
zwar so, da| die Bedeutungsidentiíizierung ausdrücklich auí die Analyse
des Voraussetzens íolgte. Mit ihr wäre die weitere, die interne Analyse
der Reílexionsstruktur eingeleitet.
legel íand nicht die Zeit, auch den zweiten Band der Logik neu zu
íassen. Und niemand kann íür den 1oten zur leder greiíen. Ls ist aber
erlaubt und sogar notig, die lolge der Argumente im Klartext ·on legels
Gedanken anzugeben Das soll hier noch geschehen und zugleich zur
Zusammeníassung dienen: a. Die Selbstbeziehung der Negation bedeute
Setzen der Unmittelbarkeit. Denn Auíheben der Negation bedeutet
Setzen ihres Gegenteiles. b. Da aber im Negieren der Negation die
Negation insgesamt ·erschwindet, wird di gesetzte Unmittelbarkeit als
unabhängig ·on der Negation gesetzt. So wird sie ihr ·orausgesetzt. c.
Aber auch das Voraussetzen ist ein Setzen. Die als unabhängig gesetzte
Unmittelbarkeit ist somit nicht schlechthin Anundíürsichsein, son-
dern das, was ·on der Negation in Beziehung auí sie, als ihr
Anderes, ·orausgesetzt ist. Damit ist die Beziehung zwischen Unmittelbarkeit
und Vermittlung wieder hergestellt, welche der Schein war, - nunmehr als
der Schein im \esen.
Dieser Nachweis kommt noch zustande, ohne da| die Be-
deutungsidentiíikation benutzt wird. Lr gibt aber Anla|, alsbald auí sie
zurückzukommen. Denn die Beziehung des Negati·en auí sich, welche den
ersten Begriíí des \esens ausmacht, ist längst als U
2
bestimmt. Und nun
hat sich auch noch gezeigt, da| U
1
im \esen selber sowohl her·ortritt
als auch in ihm ·on ihm selber als seine Voraussetzung an den Aníang
seiner Bewegung gesetzt wird. Setzt man in diese Struktur die
Bedeutungsidentiíikation ein, so kann man sagen, da| das \esen .icb .etber als
sein Anderes ·oraussetze. Denn damit ist mehr gesagt als nur, da| das
\esen sein Anderes setze und auíhebe.
Vom ·absoluten Gegensto|· ,16,3,2, konnte íreilich auch ohne die
Identiíikation die Rede sein. Lr meint nur, da| die Unmittelbarkeit,
gegen die das \esen als seine Voraussetzung bestimmt ist, ·on ihm
selber erzeugt wurde, so da| es sich also im Absto|en ·on sich erst jenes
Unmittelbare setzt, ·on dem es sich als das Negati·e wiederum absto|t.
All dies ist das \esen. Aber das hei|t nicht, da| das Unmittelbare, das
durch und in ihm ist und ·on dem es sich absto|t, es selber .ei. Zwar
gehort es ihm zu, ist Moment seiner, aber es i.t e. nicht ohne
qualiíizierende Linschränkung. Da| die Unmittelbarkeit, die ·om \esen
·erschieden ist, mit ihm identiíiziert werden kann, ergab sich beim Ubergang
ins \esen. Nur hier kann es sich auch ergeben. Denn hier ist zu zeigen, da|
\esen als Nachíolgerbegriíí ·on Sein zu denken ist. Ls wird gezeigt, indem
Schein mit \esen identiíiziert wird. Damit ist klar, was die lolge wäre,
wenn man Mc1aggarts Vorschlag annähme: Nichts weniger als die
Zerstorung des Begriíís ·om \esen als einem Gedanken, der
suisuííizient, - der ·om Sein unabhängig gewordenes Prinzip der Lntwick-
lung ist.
122 123
selbst, als dasjenige, dessen Auíheben das \esen ist« ,1 5,3,16,. In \ahrheit
ist aber gar kein neues Argument íür die Identiíikation ·orgeíührt. Denn
man hätte denselben Sach·erhalt ebensogut ausdrücken konnen, wenn man
sagte, im Voraussetzen ·erschwände die Selbstbeziehung der Negation
,U
2
,, und es trete U
1
als die gegen die Negation bestimmte Un-
mittelbarkeit ein. Dieser \echsel ist weder die Lrsetzung einer Bedeutung
durch eine andere, noch zwingt er dazu, zu einer solchen Identiíikation
íortzuschreiten, wenn sie nicht schon in den Prämissen ·orgesehen ist.
Ohne die Voraussetzung der Identiíikation würde nur der Anwendungsíall
des einen Begriííes entíallen und sich statt dessen der Anwendungsíall
des anderen ergeben.
legels 1ext bedarí also der Verbesserung. Lr konnte weniger komprimiert
geschrieben sein. Nur so würde er sein kompliziertes, aber einleuchtendes
Argument aus dem unerwünschten Schleier spekulati·er Lsoterik und
Lnigmatik íreigeben. Lr konnte aber auch besser auígebaut sein, und
zwar so, da| die Bedeutungsidentiíizierung ausdrücklich auí die Analyse
des Voraussetzens íolgte. Mit ihr wäre die weitere, die interne Analyse
der Reílexionsstruktur eingeleitet.
legel íand nicht die Zeit, auch den zweiten Band der Logik neu zu
íassen. Und niemand kann íür den 1oten zur leder greiíen. Ls ist aber
erlaubt und sogar notig, die lolge der Argumente im Klartext ·on legels
Gedanken anzugeben Das soll hier noch geschehen und zugleich zur
Zusammeníassung dienen: a. Die Selbstbeziehung der Negation bedeute
Setzen der Unmittelbarkeit. Denn Auíheben der Negation bedeutet
Setzen ihres Gegenteiles. b. Da aber im Negieren der Negation die
Negation insgesamt ·erschwindet, wird di gesetzte Unmittelbarkeit als
unabhängig ·on der Negation gesetzt. So wird sie ihr ·orausgesetzt. c.
Aber auch das Voraussetzen ist ein Setzen. Die als unabhängig gesetzte
Unmittelbarkeit ist somit nicht schlechthin Anundíürsichsein, son-
dern das, was ·on der Negation in Beziehung auí sie, als ihr
Anderes, ·orausgesetzt ist. Damit ist die Beziehung zwischen Unmittelbarkeit
und Vermittlung wieder hergestellt, welche der Schein war, - nunmehr als
der Schein im \esen.
Dieser Nachweis kommt noch zustande, ohne da| die Be-
deutungsidentiíikation benutzt wird. Lr gibt aber Anla|, alsbald auí sie
zurückzukommen. Denn die Beziehung des Negati·en auí sich, welche den
ersten Begriíí des \esens ausmacht, ist längst als U
2
bestimmt. Und nun
hat sich auch noch gezeigt, da| U
1
im \esen selber sowohl her·ortritt
als auch in ihm ·on ihm selber als seine Voraussetzung an den Aníang
seiner Bewegung gesetzt wird. Setzt man in diese Struktur die
Bedeutungsidentiíikation ein, so kann man sagen, da| das \esen .icb .etber als
sein Anderes ·oraussetze. Denn damit ist mehr gesagt als nur, da| das
\esen sein Anderes setze und auíhebe.
Vom ·absoluten Gegensto|· ,16,3,2, konnte íreilich auch ohne die
Identiíikation die Rede sein. Lr meint nur, da| die Unmittelbarkeit,
gegen die das \esen als seine Voraussetzung bestimmt ist, ·on ihm
selber erzeugt wurde, so da| es sich also im Absto|en ·on sich erst jenes
Unmittelbare setzt, ·on dem es sich als das Negati·e wiederum absto|t.
All dies ist das \esen. Aber das hei|t nicht, da| das Unmittelbare, das
durch und in ihm ist und ·on dem es sich absto|t, es selber .ei. Zwar
gehort es ihm zu, ist Moment seiner, aber es i.t e. nicht ohne
qualiíizierende Linschränkung. Da| die Unmittelbarkeit, die ·om \esen
·erschieden ist, mit ihm identiíiziert werden kann, ergab sich beim Ubergang
ins \esen. Nur hier kann es sich auch ergeben. Denn hier ist zu zeigen, da|
\esen als Nachíolgerbegriíí ·on Sein zu denken ist. Ls wird gezeigt, indem
Schein mit \esen identiíiziert wird. Damit ist klar, was die lolge wäre,
wenn man Mc1aggarts Vorschlag annähme: Nichts weniger als die
Zerstorung des Begriíís ·om \esen als einem Gedanken, der
suisuííizient, - der ·om Sein unabhängig gewordenes Prinzip der Lntwick-
lung ist.
122 123
Man konnte dieser Konsequenz zu entgehen ·ersuchen, indem man auí den
Argumentschritt c. ·erweist. \enn das \esen sich Unmittelbarkeit
·oraussetzt und sie zugleich auch wieder auíhebt, so stellt es in sich die
Relation des Scheines, die nichtige Unmittelbarkeit, wieder her. Da sie nun
im \esen auítritt, kann auch gesagt werden, da| die Unmittelbarkeit des
Scheines lediglich ein Negati·es gegen das Negati·e ist, das ihn auíhebt.
Dann aber ist die Beziehung des \esens auí die ·orausgesetzte
Unmittelbarkeit seine eigene Selbstbeziehung. Denn \esen ist Beziehung
eines Negati·en auí seine Negation.
Mit dieser Strategie wäre aber nicht ·iel gewonnen. Denn sie mu| die
1atsache anerkennen, da| der Schein im \esen ganz als das auítritt, was
er zu·or gewesen ist, - Unmittelbarkeit, gegen die das \esen immer
schon ihre Negation ist. Da| das \esen sein Anderes produziert, kann
immer auch hei|en, da| es in die Struktur zurückgerät, aus der es gewon-
nen worden war. \äre das \esen nur die Negation dessen, was sich aus
seiner Selbstauíhebung herstellte, so mü|te seine Beziehung auí dies
Produkt seines Lntíallens immer als Vorgestalt des \esens im Ubergang
·om Sein zu ihm gedeutet werden. Man hätte immer noch zu sagen, da|
das \esen seine ·orausgesetzte Unmittelbarkeit negiert, indem es erneut
aus dem Sein zu sich kommt. Das Sein bliebe ihm anhaíten, wie immer
auch als sein Produkt. Lrst wenn es moglich ist, die Unmittelbarkeit, die
aus der Selbstauíhebung her·orgeht, als eben die Unmittelbarkeit zu
deuten, die dem \esen als solchem eignet, kann des \esens Beziehung
auí seine eigene Negation als eine Beziehung seiner zu sich gedeutet
werden. Dann erst darí auch gesagt werden, da| die Lntgegensetzung
eines Bestimmten gegen ein Bestimmtes ,U - N,, die eigentlich in die
Sphäre des Seins gehort, zu einer Selbst beziehung des \esens geworden
ist. Denn sie ist nun eine Beziehung des \esens zu sich. Diese Beziehung
ist gedacht im Gedanken der bestimmenden Reílexion. In ihr ist das
\esen iv .icb ein bestimmtes. Das, wogegen es bestimmt ist, ist es selber. Der
Gedanke der bestimmenden Reílexion macht deshalb auch den Aníang der
\esenslogik im Stadium der ·ollständigen Lntwicklung ihrer
Grundbegriííe.
C. .v;e r e vva be . t i vve vae Re f t e ·i ov
Im Abschnitt über die bestimmende Reílexion hat legel selber deutlich
gemacht, da| die Identiíikation desjenigen Unmittelbaren, das dem \esen
als sein Anderes ·orausgesetzt Ist, mit diesem \esen selber, noch nicht der
setzenden Reílexion zugehort. Damit hat er im Nachtrag gesichert, wie der
Abschnitt über die setzende Reílexion, der in dieser linsieht irreíührt,
gelesen werden mu|: »Die Bestimmung, die ,das Setzen, setzt, ist |...| vvr ein
Gesetztes, es ist Unmittelbares, aber nicht als sich selbst gleich, sondern als
sich negierend, es hat absolute Beziehung auí die Rückkehr in sich, es ist nur in
dieser Reílexion in sich, aber es ist nicht diese Reílexion selbst« ,20,3,¯ íí.,.
Anzumerken ist, da| diese Lins: schränkung der ganzen Struktur des
Setzens gilt, also der setzenden wie der ·oraussetzenden Reílexion.
Zum Schritt ·on der setzenden zur bestimmenden Reílexion ist nichts
weiter notig als die Bedeutungsidentiíikation U
1 ~
U
2,
- die Unmittelbarkeit
im \esen gegen das \esen ist , das \esen selber. Das wurde schon gezeigt
und kann durch eine einíache Uberlegung bestätigt werden: Das Gesetztsein
ist nämlich der im \esen wiederhergestellte Schein. Ls war aber die
Bedeutungsidentiíikation, durch die sich ergab, da| der Schein dasselbe ist
wie das \esen. Darum kann nun, nachdem der Schein im \esen wieder
her·orkam, noch einmal gesagt werden, da| der Schein das \esen sei, -
nun aber als das \esen, das sich selber entgegengesetzt ist. Der Schein
ist das \esen. Aber das \esen erzeugt den Schein als den
124 125
Man konnte dieser Konsequenz zu entgehen ·ersuchen, indem man auí den
Argumentschritt c. ·erweist. \enn das \esen sich Unmittelbarkeit
·oraussetzt und sie zugleich auch wieder auíhebt, so stellt es in sich die
Relation des Scheines, die nichtige Unmittelbarkeit, wieder her. Da sie nun
im \esen auítritt, kann auch gesagt werden, da| die Unmittelbarkeit des
Scheines lediglich ein Negati·es gegen das Negati·e ist, das ihn auíhebt.
Dann aber ist die Beziehung des \esens auí die ·orausgesetzte
Unmittelbarkeit seine eigene Selbstbeziehung. Denn \esen ist Beziehung
eines Negati·en auí seine Negation.
Mit dieser Strategie wäre aber nicht ·iel gewonnen. Denn sie mu| die
1atsache anerkennen, da| der Schein im \esen ganz als das auítritt, was
er zu·or gewesen ist, - Unmittelbarkeit, gegen die das \esen immer
schon ihre Negation ist. Da| das \esen sein Anderes produziert, kann
immer auch hei|en, da| es in die Struktur zurückgerät, aus der es gewon-
nen worden war. \äre das \esen nur die Negation dessen, was sich aus
seiner Selbstauíhebung herstellte, so mü|te seine Beziehung auí dies
Produkt seines Lntíallens immer als Vorgestalt des \esens im Ubergang
·om Sein zu ihm gedeutet werden. Man hätte immer noch zu sagen, da|
das \esen seine ·orausgesetzte Unmittelbarkeit negiert, indem es erneut
aus dem Sein zu sich kommt. Das Sein bliebe ihm anhaíten, wie immer
auch als sein Produkt. Lrst wenn es moglich ist, die Unmittelbarkeit, die
aus der Selbstauíhebung her·orgeht, als eben die Unmittelbarkeit zu
deuten, die dem \esen als solchem eignet, kann des \esens Beziehung
auí seine eigene Negation als eine Beziehung seiner zu sich gedeutet
werden. Dann erst darí auch gesagt werden, da| die Lntgegensetzung
eines Bestimmten gegen ein Bestimmtes ,U - N,, die eigentlich in die
Sphäre des Seins gehort, zu einer Selbst beziehung des \esens geworden
ist. Denn sie ist nun eine Beziehung des \esens zu sich. Diese Beziehung
ist gedacht im Gedanken der bestimmenden Reílexion. In ihr ist das
\esen iv .icb ein bestimmtes. Das, wogegen es bestimmt ist, ist es selber. Der
Gedanke der bestimmenden Reílexion macht deshalb auch den Aníang der
\esenslogik im Stadium der ·ollständigen Lntwicklung ihrer
Grundbegriííe.
C. .v;e r e vva be . t i vve vae Re f t e ·i ov
Im Abschnitt über die bestimmende Reílexion hat legel selber deutlich
gemacht, da| die Identiíikation desjenigen Unmittelbaren, das dem \esen
als sein Anderes ·orausgesetzt Ist, mit diesem \esen selber, noch nicht der
setzenden Reílexion zugehort. Damit hat er im Nachtrag gesichert, wie der
Abschnitt über die setzende Reílexion, der in dieser linsieht irreíührt,
gelesen werden mu|: »Die Bestimmung, die ,das Setzen, setzt, ist |...| vvr ein
Gesetztes, es ist Unmittelbares, aber nicht als sich selbst gleich, sondern als
sich negierend, es hat absolute Beziehung auí die Rückkehr in sich, es ist nur in
dieser Reílexion in sich, aber es ist nicht diese Reílexion selbst« ,20,3,¯ íí.,.
Anzumerken ist, da| diese Lins: schränkung der ganzen Struktur des
Setzens gilt, also der setzenden wie der ·oraussetzenden Reílexion.
Zum Schritt ·on der setzenden zur bestimmenden Reílexion ist nichts
weiter notig als die Bedeutungsidentiíikation U
1 ~
U
2,
- die Unmittelbarkeit
im \esen gegen das \esen ist , das \esen selber. Das wurde schon gezeigt
und kann durch eine einíache Uberlegung bestätigt werden: Das Gesetztsein
ist nämlich der im \esen wiederhergestellte Schein. Ls war aber die
Bedeutungsidentiíikation, durch die sich ergab, da| der Schein dasselbe ist
wie das \esen. Darum kann nun, nachdem der Schein im \esen wieder
her·orkam, noch einmal gesagt werden, da| der Schein das \esen sei, -
nun aber als das \esen, das sich selber entgegengesetzt ist. Der Schein
ist das \esen. Aber das \esen erzeugt den Schein als den
124 125
Schein des \esens. Der Schein des \esens ist ,U
1
~ U
2
!, das \esen, welches
sich sich selber negati· entgegensetzt.
nach der Bedeutungs·erschiebung kann man aber so sprechen. Denn nur
nach ihr lä|t sich sagen, die Reílexion sei ·erdoppelt, als das Unmittelbare
und als die Vermittlung, und sie sei in deren Beziehung auíeinander auí
sich selber bezogen.
Da| dieser Ubergang so einíach zustande gebracht werden, kann, ist ·on
legel ·erborgen worden. Lr erklärt, da| die bestimmende Reílexion die
Linheit der setzenden und der äu|eren sei ,20,2,2,. Der Analyse der äu|eren
Reílexion räumt er einen eigenen Abschnitt ein. \er die Absicht hat, die
1riplizität auch in der äu|eren Linteilung seines \erkes streng zu wahren,
hat Grund, so zu ·eríahren. Gibt es bessere Gründe·
\ieso ist aber diese Reílexion ·äu|erlich· zu nennen, wo sie doch gerade den
Begriíí der bestimmenden ausmachen soll· Das eigentliche Problem ist nicht
das ihrer Diííerenz zur ·orausetzenden, sondern zur bestimmenden
Reílexion. legel kann diese Diííerenz nur in einen Mangel setzen, einen
Mangel in der Art und \eise, in der in der äu|eren Reíle xion die schon
geschehene Identiíikation ·on U
1
mit U
2
·erstanden wird. Die äu|ere
Reílexion ist diejenige Reílexion, die das Unmittelbare als ein solches
·orausgesetzt hat, das nicht ebenso unmittelbar auígehoben werden kann.
So hat sie eine Distanz zwischen sich und dem Unmittelbaren eingerichtet.-
Gleichwohl erlaubt sie noch nicht, es explizit zu machen, dass diese
Selbständigkeit des Unmittelbaren das Gegenstück zu ihrer eigenen
Selbständigkeit ist, so da| in \ahrheit dieselbe Selbständigkeit zweimal
auítritt und damit auch in der äusseren Reílexion in Beziehung zu sich
steht. Die äu|ere Reílexion ist deshalb äu|ere, weil dieser Sach·erhalt in ihr
ebenso wie das Unmittelbare nur ·orausgesetzt, nicht gesetzt ist. Zur
bestimmenden wird sie, wenn ihre Linschränkung gehoben wird.
\enn die Analyse der Rolle der Bedeutungsidentiíikation richtig ist, so
kann die äu|ere Reílexion nur interpretiert werden, wenn man sie als noch
un·ollkommene Verständigung über diese Identiíikation beschreibt. Der
1ext gibt hinreichend Anla| daíür. Zunächst scheint es zwar, als betone die
äu|ere Reílexion ganz einseitig den Aspekt der setzenden, demzuíolge das
\esen sich in sich selber ein Negati·es entgegensetze, also das Moment des
·Voraus· in der ·oraussetzenden Reílexion ,16,5,6,¯,. Von diesem Moment
war aber längst gezeigt, da| es nur im Setzen zustande kommt. \ird also
zum Gedankengang der ·setzenden Reílexion· nichts hinzugeíügt, so kann
auch die ·äu|ere Reílexion· nicht mehr als eine Anmerkung sein. In ihr
würde dargelegt, was sich ergibt, wenn die Reílexion beim Voraussetzen ihre
eigene setzende 1ätigkeit ·ergessen macht.
Am Lingang der ·äu|eren Reílexion· steht aber zumindest ein Satz, der,
wenn auch unklar, mehr sagt: »Aber die äu|erliche oder reale Reílexion
setzt sich als auígehoben, als das Negati·e ihrer ·oraus« ,1¯,1,4,5,. Da|
dieser Satz Neues ankündigt, liegt einzig an dem reílexi·en »sich« und der
Beziehung des erläuternden »als« auí es. So sagt er nicht nur, da|
die Reílexion, indem sie sich auíhebt, sich ein Unmittelbares
·oraussetzt und zur äu|eren wird, wenn sie darauí besteht und ihr Setzen
·orgibt. Lr sagt, da| die äu|ere Reílexion .icb .etber als
Unmittelbares zur Voraussetzung hat.

legelselbst sieht nun aber einen anderen Ubergang ,18,1,12 íí.,: \enn
die äu|ere Reílexion, die ein Unmittelbares ·oraussetzt, auch berücksichtigt,
da| ihr Voraussetzen ein Setzen ist, wird die Unabhängigkeit des
Unmittelbaren gegenüber der Reílexion wieder zurückgenommen. Das Un-
mittelbare war nur als das Andere der Reílexion bestimmt. \ird diese
Diííerenz auígehoben, so wird damit auch das Anderssein des Anderen
auígehoben. Darin geht die Reílexion mit dem Unmittelbaren, zusammen,
und es zeigt sich, dass das Unmittelbare selber Reílexion ist.
126 12¯
Schein des \esens. Der Schein des \esens ist ,U
1
~ U
2
!, das \esen, welches
sich sich selber negati· entgegensetzt.
nach der Bedeutungs·erschiebung kann man aber so sprechen. Denn nur
nach ihr lä|t sich sagen, die Reílexion sei ·erdoppelt, als das Unmittelbare
und als die Vermittlung, und sie sei in deren Beziehung auíeinander auí
sich selber bezogen.
Da| dieser Ubergang so einíach zustande gebracht werden, kann, ist ·on
legel ·erborgen worden. Lr erklärt, da| die bestimmende Reílexion die
Linheit der setzenden und der äu|eren sei ,20,2,2,. Der Analyse der äu|eren
Reílexion räumt er einen eigenen Abschnitt ein. \er die Absicht hat, die
1riplizität auch in der äu|eren Linteilung seines \erkes streng zu wahren,
hat Grund, so zu ·eríahren. Gibt es bessere Gründe·
\ieso ist aber diese Reílexion ·äu|erlich· zu nennen, wo sie doch gerade den
Begriíí der bestimmenden ausmachen soll· Das eigentliche Problem ist nicht
das ihrer Diííerenz zur ·orausetzenden, sondern zur bestimmenden
Reílexion. legel kann diese Diííerenz nur in einen Mangel setzen, einen
Mangel in der Art und \eise, in der in der äu|eren Reíle xion die schon
geschehene Identiíikation ·on U
1
mit U
2
·erstanden wird. Die äu|ere
Reílexion ist diejenige Reílexion, die das Unmittelbare als ein solches
·orausgesetzt hat, das nicht ebenso unmittelbar auígehoben werden kann.
So hat sie eine Distanz zwischen sich und dem Unmittelbaren eingerichtet.-
Gleichwohl erlaubt sie noch nicht, es explizit zu machen, dass diese
Selbständigkeit des Unmittelbaren das Gegenstück zu ihrer eigenen
Selbständigkeit ist, so da| in \ahrheit dieselbe Selbständigkeit zweimal
auítritt und damit auch in der äusseren Reílexion in Beziehung zu sich
steht. Die äu|ere Reílexion ist deshalb äu|ere, weil dieser Sach·erhalt in ihr
ebenso wie das Unmittelbare nur ·orausgesetzt, nicht gesetzt ist. Zur
bestimmenden wird sie, wenn ihre Linschränkung gehoben wird.
\enn die Analyse der Rolle der Bedeutungsidentiíikation richtig ist, so
kann die äu|ere Reílexion nur interpretiert werden, wenn man sie als noch
un·ollkommene Verständigung über diese Identiíikation beschreibt. Der
1ext gibt hinreichend Anla| daíür. Zunächst scheint es zwar, als betone die
äu|ere Reílexion ganz einseitig den Aspekt der setzenden, demzuíolge das
\esen sich in sich selber ein Negati·es entgegensetze, also das Moment des
·Voraus· in der ·oraussetzenden Reílexion ,16,5,6,¯,. Von diesem Moment
war aber längst gezeigt, da| es nur im Setzen zustande kommt. \ird also
zum Gedankengang der ·setzenden Reílexion· nichts hinzugeíügt, so kann
auch die ·äu|ere Reílexion· nicht mehr als eine Anmerkung sein. In ihr
würde dargelegt, was sich ergibt, wenn die Reílexion beim Voraussetzen ihre
eigene setzende 1ätigkeit ·ergessen macht.
Am Lingang der ·äu|eren Reílexion· steht aber zumindest ein Satz, der,
wenn auch unklar, mehr sagt: »Aber die äu|erliche oder reale Reílexion
setzt sich als auígehoben, als das Negati·e ihrer ·oraus« ,1¯,1,4,5,. Da|
dieser Satz Neues ankündigt, liegt einzig an dem reílexi·en »sich« und der
Beziehung des erläuternden »als« auí es. So sagt er nicht nur, da|
die Reílexion, indem sie sich auíhebt, sich ein Unmittelbares
·oraussetzt und zur äu|eren wird, wenn sie darauí besteht und ihr Setzen
·orgibt. Lr sagt, da| die äu|ere Reílexion .icb .etber als
Unmittelbares zur Voraussetzung hat.

legelselbst sieht nun aber einen anderen Ubergang ,18,1,12 íí.,: \enn
die äu|ere Reílexion, die ein Unmittelbares ·oraussetzt, auch berücksichtigt,
da| ihr Voraussetzen ein Setzen ist, wird die Unabhängigkeit des
Unmittelbaren gegenüber der Reílexion wieder zurückgenommen. Das Un-
mittelbare war nur als das Andere der Reílexion bestimmt. \ird diese
Diííerenz auígehoben, so wird damit auch das Anderssein des Anderen
auígehoben. Darin geht die Reílexion mit dem Unmittelbaren, zusammen,
und es zeigt sich, dass das Unmittelbare selber Reílexion ist.
126 12¯
Dieses Argument ist nicht überzeugend, - es sei denn, da| die Identiíikation
der beiden Bedeutungen ·on Unmittelbarkeit zu·or schon geschehen und in
ihm ·orausgesetzt ist. Ls sagt nicht mehr, als was schon im Nachweis der
\echselimplikation ·on Setzen und Voraussetzen erreicht war. Deshalb
kann es auch nicht mehr bewirken als die Unmittelbarkeit, die in der
äu|eren Reílexion nur ·orausgesetzt war, der Reílexion als ihr Proav/t
zusprechen. Nur wenn Unmittelbarkeit grundsätzlich schon als
Selbstbeziehung geía|t ist, kann der Nachweis, da| zwischen Voraussetzung
und Reílexion kein äu|eres Verhältnis besteht, dazu ·eranlassen, in Voraus-
setzung und in Reílexion dieselbe Selbstbeziehung anzunehmen. Ohne diese
Prämisse kann legel nicht durch einen lortschritt im Gedanken ·on der
setzenden zur äu|eren Reílexion kommen. Sein 1ext benutzt sie auch
gleich am Aníang, wie gezeigt worden ist.
in seinem eigenen Zusammenhang gelassen wird und gleichwohl der
Reílexion, die sich selber ·erstanden hat, nicht mehr íremd entgegenkommt.
Damit ist die Selbständigkeit der äu|eren Reílexion sowohl gegenüber der
setzenden als auch gegenüber der bestimmenden gesichert. Ohne Antwort
ist aber noch die lrage, wie die äu|ere Reílexion im systematischen Gang
eingeíührt werden kann. Setzt sie nämlich die Bedeutungsidentiíikation
·oraus, so mü|te gesagt werden, wieso sie deren Verständnis zugleich
ermä|igen und in wichtigen Zügen ·eríehlen kann. llegel bietet dazu keine
Mittel an. Doch als Gerüst íür den Auíbau des Ubergangs ·on der
setzenden über die äu|ere zur bestimmenden Reílexion kann nun
íolgende Gedankensequenz ·orgeschlagen werden: a. Die Reílexion negiert
sich und setzt Unmittelbares sowohl als ihr Produkt als auch als ihre
Voraussetzung, - Unmittelbares, das ebensowohl negiert ist ,setzende
Reílexion,. b. Dieses Unmittelbare ist die Reílexion selber, als sich
entgegengesetzt ,Bedeutungsidentiíikation,. c. In einseitiger Auííassung, die
nur die nunmehr íix gewordene Lntgegensetzung beachtet, íührt dieser
Gedanke zum Begriíí der äu|eren Reílexion. d. Aber dieser Begriíí íührt
selber zurück zur Linsicht a, da| das Vorausgesetzte ebensowohl
Gesetztsein ist. Dies Gesetztsein ist nun aber Insich-Reílektiertsein. Damit
hat sich die bestimmende Reílexion ergeben. In ihr sind die
Lntgegensetzung gegen das Unmittelbare und dessen Reílexion in sich
gleicherma|en gedacht.
Mit Rücksicht auí die Sache, die als ·äu|ere Reílexion· bekannt ist, wäre es
sinn·oll, diese Prämisse zu akzeptieren. Die setzende Reílexion mag
man sich als eine endlose Reílexionsbewegung ·orstellen, in der jeder
Gedanke, ehe er sich konsolidiert und in seinem eigenen Kontext geprüít
ist, im Bewu|tsein seiner Voraussetzungen zerschmilzt. \endet man die
Struktur ·om Spekulati·en ins Phänomenale, so erlaubt sie es, die
L·idenzen zu ·erstehen, die im Dauerzwang zu absoluter Rechtíertigung
herrschen. Zu diesem Zwang ·erdirbt die lorderung nach ·kritischer
Reílexion·, wenn sie übersieht, da| kritisieren auch hei|t, sich auí
Sachzusammenhänge einzulassen. Solchem Reílektieren ist die Reílexion, die
äu|erlich bleibt, in \ahrheit überlegen. Sie räumt dem Vorausgesetzten
eigenes Recht ein und beíreit damit auí der anderen Seite auch die
Reílexion aus der Ambi·alenz, sich ständig zugleich ·on sich und ·om
Unmittelbaren absto|en zu müssen, - eine Ambi·alenz, in der es nirgends
zur Bestimmtheit kommen kann. Aber sie ist doch nicht die ·ollendete
Reílexion. Vollendet ist sie, wo das Unmittelbare

In der bestimmenden Reílexion tritt die Reílexion in sich zweimal auí.
Beide Auítritte stehen in der Diííerenz ·on unmittelbar und ·ermittelt,
später ·on positi· und negati· zueinander. Dieser Unterschied entspricht
dem Unterschied der Seinskategorie, der sich also in gewisser \eise im
\esen wiederhergestellt hat ,U-N,. Zugleich ist er aber wesentlich
modiíiziert. Denn die Relata jeder Beziehung enthalten auch den Begriíí der
ganzen Beziehung in sich, und zwar nicht nur

128 129
Dieses Argument ist nicht überzeugend, - es sei denn, da| die Identiíikation
der beiden Bedeutungen ·on Unmittelbarkeit zu·or schon geschehen und in
ihm ·orausgesetzt ist. Ls sagt nicht mehr, als was schon im Nachweis der
\echselimplikation ·on Setzen und Voraussetzen erreicht war. Deshalb
kann es auch nicht mehr bewirken als die Unmittelbarkeit, die in der
äu|eren Reílexion nur ·orausgesetzt war, der Reílexion als ihr 
zusprechen. Nur wenn Unmittelbarkeit grundsätzlich schon als
Selbstbeziehung geía|t ist, kann der Nachweis, da| zwischen Voraussetzung
und Reílexion kein äu|eres Verhältnis besteht, dazu ·eranlassen, in Voraus-
setzung und in Reílexion dieselbe Selbstbeziehung anzunehmen. Ohne diese
Prämisse kann legel nicht durch einen lortschritt im Gedanken ·on der
setzenden zur äu|eren Reílexion kommen. Sein 1ext benutzt sie auch
gleich am Aníang, wie gezeigt worden ist.
in seinem eigenen Zusammenhang gelassen wird und gleichwohl der
Reílexion, die sich selber ·erstanden hat, nicht mehr íremd entgegenkommt.
Damit ist die Selbständigkeit der äu|eren Reílexion sowohl gegenüber der
setzenden als auch gegenüber der bestimmenden gesichert. Ohne Antwort
ist aber noch die lrage, wie die äu|ere Reílexion im systematischen Gang
eingeíührt werden kann. Setzt sie nämlich die Bedeutungsidentiíikation
·oraus, so mü|te gesagt werden, wieso sie deren Verständnis zugleich
ermä|igen und in wichtigen Zügen ·eríehlen kann. llegel bietet dazu keine
Mittel an. Doch als Gerüst íür den Auíbau des Ubergangs ·on der
setzenden über die äu|ere zur bestimmenden Reílexion kann nun
íolgende Gedankensequenz ·orgeschlagen werden: a. Die Reílexion negiert
sich und setzt Unmittelbares sowohl als ihr Produkt als auch als ihre
Voraussetzung, - Unmittelbares, das ebensowohl negiert ist ,setzende
Reílexion,. b. Dieses Unmittelbare ist die Reílexion selber, als sich
entgegengesetzt ,Bedeutungsidentiíikation,. c. In einseitiger Auííassung, die
nur die nunmehr íix gewordene Lntgegensetzung beachtet, íührt dieser
Gedanke zum Begriíí der äu|eren Reílexion. d. Aber dieser Begriíí íührt
selber zurück zur Linsicht a, da| das Vorausgesetzte ebensowohl
Gesetztsein ist. Dies Gesetztsein ist nun aber Insich-Reílektiertsein. Damit
hat sich die bestimmende Reílexion ergeben. In ihr sind die
Lntgegensetzung gegen das Unmittelbare und dessen Reílexion in sich
gleicherma|en gedacht.
Mit Rücksicht auí die Sache, die als ·äu|ere Reílexion· bekannt ist, wäre es
sinn·oll, diese Prämisse zu akzeptieren. Die setzende Reílexion mag
man sich als eine endlose Reílexionsbewegung ·orstellen, in der jeder
Gedanke, ehe er sich konsolidiert und in seinem eigenen Kontext geprüít
ist, im Bewu|tsein seiner Voraussetzungen zerschmilzt. \endet man die
Struktur ·om Spekulati·en ins Phänomenale, so erlaubt sie es, die
L·idenzen zu ·erstehen, die im Dauerzwang zu absoluter Rechtíertigung
herrschen. Zu diesem Zwang ·erdirbt die lorderung nach ·kritischer
Reílexion·, wenn sie übersieht, da| kritisieren auch hei|t, sich auí
Sachzusammenhänge einzulassen. Solchem Reílektieren ist die Reílexion, die
äu|erlich bleibt, in \ahrheit überlegen. Sie räumt dem Vorausgesetzten
eigenes Recht ein und beíreit damit auí der anderen Seite auch die
Reílexion aus der Ambi·alenz, sich ständig zugleich ·on sich und ·om
Unmittelbaren absto|en zu müssen, - eine Ambi·alenz, in der es nirgends
zur Bestimmtheit kommen kann. Aber sie ist doch nicht die ·ollendete
Reílexion. Vollendet ist sie, wo das Unmittelbare

In der bestimmenden Reílexion tritt die Reílexion in sich zweimal auí.
Beide Auítritte stehen in der Diííerenz ·on unmittelbar und ·ermittelt,
später ·on positi· und negati· zueinander. Dieser Unterschied entspricht
dem Unterschied der Seinskategorie, der sich also in gewisser \eise im
\esen wiederhergestellt hat ,U-N,. Zugleich ist er aber wesentlich
modiíiziert. Denn die Relata jeder Beziehung enthalten auch den Begriíí der
ganzen Beziehung in sich, und zwar nicht nur

128 129
als ihre Voraussetzung, sondern als ihre eigene Struktur. Ls kann deshalb
gesagt werden, da| die Relata die Relation ebenso zu reproduzieren
erlauben, wie sie selbst nur durch die Relation bestehen.
Relation abhängig ist, sondern hinreichende Moglichkeit bietet, die ganze
Relation aus seiner eigenen Bedeutung zu rekonstruieren. Die Relata der
Reílexionsbestimmungen haben eigentlich gar keine Bedeutung, die sich ·on
der Relation als ganzer konsequent unterscheiden lie|e. Andererseits ist die
Relation gewi| auch nicht ohne Relata zu denken. Beides erklärt sich daraus,
da| die Relation samt ihren Relata nichts anderes ist als der ·oll
bestimmte Begriíí der Reílexion selber. -
Ihre Beziehung zueinander ist nicht ·ollständig gleichgewichtig. Denn
immer mu| ausgegangen werden ·on der sich negierenden Negation. Sie
setzt das Unmittelbare, und sie setzt es sich ·oraus. Aber es mu| selber
ebenso als Reílexion gesetzt werden. Als in sich reílektiert ist das Unmittelbare
aber nicht nur das Negati·e der Reílexion. Ls ist gesetzt als unabhängig ·on
seinem Gesetztsein, als bto; auí sich selber bezogen. Nun ist aber auch seine
eigene Selbstbeziehung negierende Selbstbeziehung. Denn sie ist
ebendieselbe Selbstbeziehung, die die Reílexion ist. Somit hebt es sich in
sich selber auí und setzt sein Gegenteil, die Reílexion, - bestätigt also deren
Beziehung auí sie, welche die Reílexion selber zunächst negiert hatte.
Auíheben kann es sich aber auch wieder nur, insoíern es zugleich als
lürsichsein gesetzt ist.
Der Gedanke ·on der bestimmenden Reílexion bedarí nicht im gleichen
Ma|e der Kommentierung wie die Schritte, aus denen er íolgt. Denn legel
hat ihn in klaren Sätzen erläutert und entwickelt. Dieser Abschnitt seiner
Logik gehort zum Lindrucks·ollsten, was er geschrieben hat. In ihm erreicht
die Logik einen lohepunkt, der die íolgenden Kapitel der \esenslogik
durchaus beherrscht.
Ls konnte gezeigt werden, da| die Argumente dieser Kapitel nicht
autonom sind. Die Logik der Reílexion lä|t sich aus einíachen
Llementen entíalten, im Grunde allein aus a. dem Gedanken der negierten
Negation, b. der zusätzlichen Prämisse, da| die Auíhebung der
Negation ein positi·es Resultat hat, und c. der Bedeutungs·erschiebung im
Begriíí der Unmittelbarkeit. In der lolge kann aber nicht mehr so ·eríah-
ren werden. Die Struktur des Argumentes mu| sich ·erändern. \ährend
bisher der Begriíí des \esens eigentlich erst eingeíührt und ·ollständig
gemacht wurde, stellt sich nun die andere Auígabe, seine di·ergierenden
Momente kohärent zu machen. Nun mu| die Linheit des \esens in der
Lntgegensetzung zwischen ihm selbst und dem Unmittelbaren gedacht
werden, das doch ebenso es selber ist. Solche Versuche werden andere
Argumente ·erwenden müssen, als die es sind, die zum ·ollständigen
Begriíí des \esens als bestimmende Reílexion íührten. Ls wäre wichtig,
sie zu analysieren, ihr Verhältnis zu denen anzugeben, durch die der
Gedanke der negierten Negation zum ·ollständigen Begriíí des \esens

Ls macht die Reílexion zu einem Bestimmten. Denn sie ist nun das
Gegenteil der Reílexion in sich im Moment ihrer Unmittelbarkeit, - man
kann auch sagen deren Nichtsein, soíern sie nämlich sich negierende
Negation ist. Dadurch wird auch das Unmittelbare ein Bestimmtes, - was es
aber auch ohnedies wäre. Denn es war zu·or schon Bestimmtes, jene
Unmittelbarkeit, welche die Reílexion setzte, als sie sich selber auíhob,
somit auch wieder ihr entgegensetzte, soíern sie im Sichauíheben zugleich
setzende war.
So erscheint die bestimmende Reílexion schlie|lich als Reíle-
xionsbestimmtheit, nämlich als Relation zweier, deren Beziehung
auíeinander aussieht wie ein elementares laktum der Vernunít selber.
Der Ursprung der Relation in der Selbstbeziehung der Reílexion ist
·erborgen. So scheint die Relation unhintergehbarer Aníang aller 1heorie
zu sein. Doch nur, wenn man ihren Ursprung in der Reílexion im Auge
hat, kann man ·erstehen, wieso jedes der Relata nicht nur ·on der

130 131
als ihre Voraussetzung, sondern als ihre eigene Struktur. Ls kann deshalb
gesagt werden, da| die Relata die Relation ebenso zu reproduzieren
erlauben, wie sie selbst nur durch die Relation bestehen.
Relation abhängig ist, sondern hinreichende Moglichkeit bietet, die ganze
Relation aus seiner eigenen Bedeutung zu rekonstruieren. Die Relata der
Reílexionsbestimmungen haben eigentlich gar keine Bedeutung, die sich ·on
der Relation als ganzer konsequent unterscheiden lie|e. Andererseits ist die
Relation gewi| auch nicht ohne Relata zu denken. Beides erklärt sich daraus,
da| die Relation samt ihren Relata nichts anderes ist als der ·oll
bestimmte Begriíí der Reílexion selber. -
Ihre Beziehung zueinander ist nicht ·ollständig gleichgewichtig. Denn
immer mu| ausgegangen werden ·on der sich negierenden Negation. Sie
setzt das Unmittelbare, und sie setzt es sich ·oraus. Aber es mu| selber
ebenso als Reílexion gesetzt werden. Als in sich reílektiert ist das Unmittelbare
aber nicht nur das Negati·e der Reílexion. Ls ist gesetzt als unabhängig ·on
seinem Gesetztsein, als auí sich selber bezogen. Nun ist aber auch seine
eigene Selbstbeziehung negierende Selbstbeziehung. Denn sie ist
ebendieselbe Selbstbeziehung, die die Reílexion ist. Somit hebt es sich in
sich selber auí und setzt sein Gegenteil, die Reílexion, - bestätigt also deren
Beziehung auí sie, welche die Reílexion selber zunächst negiert hatte.
Auíheben kann es sich aber auch wieder nur, insoíern es zugleich als
lürsichsein gesetzt ist.
Der Gedanke ·on der bestimmenden Reílexion bedarí nicht im gleichen
Ma|e der Kommentierung wie die Schritte, aus denen er íolgt. Denn legel
hat ihn in klaren Sätzen erläutert und entwickelt. Dieser Abschnitt seiner
Logik gehort zum Lindrucks·ollsten, was er geschrieben hat. In ihm erreicht
die Logik einen lohepunkt, der die íolgenden Kapitel der \esenslogik
durchaus beherrscht.
Ls konnte gezeigt werden, da| die Argumente dieser Kapitel nicht
autonom sind. Die Logik der Reílexion lä|t sich aus einíachen
Llementen entíalten, im Grunde allein aus a. dem Gedanken der negierten
Negation, b. der zusätzlichen Prämisse, da| die Auíhebung der
Negation ein positi·es Resultat hat, und c. der Bedeutungs·erschiebung im
Begriíí der Unmittelbarkeit. In der lolge kann aber nicht mehr so ·eríah-
ren werden. Die Struktur des Argumentes mu| sich ·erändern. \ährend
bisher der Begriíí des \esens eigentlich erst eingeíührt und ·ollständig
gemacht wurde, stellt sich nun die andere Auígabe, seine di·ergierenden
Momente kohärent zu machen. Nun mu| die Linheit des \esens in der
Lntgegensetzung zwischen ihm selbst und dem Unmittelbaren gedacht
werden, das doch ebenso es selber ist. Solche Versuche werden andere
Argumente ·erwenden müssen, als die es sind, die zum ·ollständigen
Begriíí des \esens als bestimmende Reílexion íührten. Ls wäre wichtig,
sie zu analysieren, ihr Verhältnis zu denen anzugeben, durch die der
Gedanke der negierten Negation zum ·ollständigen Begriíí des \esens

Ls macht die Reílexion zu einem Bestimmten. Denn sie ist nun das
Gegenteil der Reílexion in sich im Moment ihrer Unmittelbarkeit, - man
kann auch sagen deren Nichtsein, soíern sie nämlich sich negierende
Negation ist. Dadurch wird auch das Unmittelbare ein Bestimmtes, - was es
aber auch ohnedies wäre. Denn es war zu·or schon Bestimmtes, jene
Unmittelbarkeit, welche die Reílexion setzte, als sie sich selber auíhob,
somit auch wieder ihr entgegensetzte, soíern sie im Sichauíheben zugleich
setzende war.
So erscheint die bestimmende Reílexion schlie|lich als Reíle-
xionsbestimmtheit, nämlich als Relation zweier, deren Beziehung
auíeinander aussieht wie ein elementares laktum der Vernunít selber.
Der Ursprung der Relation in der Selbstbeziehung der Reílexion ist
·erborgen. So scheint die Relation unhintergehbarer Aníang aller 1heorie
zu sein. Doch nur, wenn man ihren Ursprung in der Reílexion im Auge
hat, kann man ·erstehen, wieso jedes der Relata nicht nur ·on der

130 131
wurde, und die Stellen zu markieren, an denen neue Bedeu-
tungs·erschiebungen stattíinden. Der analytische Kommentar zur Logik der
Reílexion soll hier aber nicht weitergeíührt werden.
nicht kommen und íühren konnen, wenn er auch weitere Jahrzehnte an
sie gewendet hätte. Auch dann hätte er den Vorgang der
Bedeutungs·erschiebung und der Bedeutungsidentiíikation nicht ausreichend
beschrieben, - wenigstens nicht, ohne sich noch ein weiteres methodisches
Instrumentarium neu zu erarbeiten. Lrst ein halbes Jahrhundert später
hat man begonnen, es auszubilden, stets ohne merkliche Beziehung zu
legel und in der Regel seiner Nachwirkung entgegen. Die
Bedeutungstheorie hatte jedem direkten Zugriíí zur metaphysischen
\ahrheit als Kritik entgegenzutreten. Dennoch bietet legels Logik
genügend Anla|, als Begriíískritik und 1heorie der Auíeinanderíolge ·on
Bedeutungssystemen gewürdigt zu werden. Auí die lrage, in welchem
besonderen Sinne sie es ist, wird später noch eingegangen.
Als methodischer Beitrag zur legelinterpretation hat dieser Kommentar
ergeben, da| der 1ext der Logik durchaus mit legels eigenen Ideen
und Ansprüchen ·erglichen werden kann. Der Zustand, in den legel
sein lauptwerk bringen konnte, weicht nicht wenig ·on dem idealen
ab. legel hat selbst gemeint, da| er weit ·om Ziel entíernt sei. Man kann
sich da·on überzeugen, da| diese Selbstkritik nicht in den Verdacht
kommen darí, nur Ausrede und Camouílage des wahren Sach·erhalts zu
sein, da| nämlich die Sache selbst notwendigerweise undeutlich sei und
moglich überhaupt nur als Dichtung mit \orten und Begriíísrudimenten.
Lin solches Gebilde lasse sich gar nicht kritisieren. Dieser Verdacht ·ergi|t
sogar, da| man seit geraumer Zeit auch die Struktur ·on Dichtungen so
gut ·erstehen kann, da| immanente Kritik moglich wird. Im übrigen
hat sich aber gezigt, da| die Sequenz der Gedanken und Argumente in der
Logik weder blo|e Assoziation noch Resultat einer personlichen Di·ination
ist, auí die der nicht Initiierte nur durch Unterweríung, durch Abkehr oder
mit überanstrengter Imitation antworten kann. Bisher ist allerdings kaum
·ersucht worden, in die leinstruktur der Logik einzudringen, und das
hei|t, im Kommentar Alternati·en íür das Verständnis des 1extsinnes zu
entwickeln und zwischen ihnen mit Argumenten zu entscheiden.
6
Die
Geschichte des legelianismus, der keine kleine Zahl bedeutender Kopíe íür
sich gewann, aber niemandem die Logik ·erständlich machen konnte, ist ein
überzeugender Beweis íür die extreme Schwierigkeit dieser Auígabe.
Zu einem 1eil lassen sich die Mängel im 1ext, der die Logik der
Reílexion darstellt, aus dem Umstand erklären, da| legel ·ersuchte, weil
er über Ligenart und Gewicht der Bedeutungsidentiíikation nicht im klaren
war, ihre Rolle im Argument moglichst zu reduzieren. So erwies sich, da|
sie in der Analyse der äu|eren Reílexion íaktisch ·orausgesetzt ist. Implizit
ist sie auch ·on legel als Voraussetzung anerkannt. Dennoch ·ersuchte
er, die Identiíikation erst aus der äu|eren Reílexion im Ubergang zur
bestimmten zu gewinnen. Man mu| Mängel dieser Art ·on anderen wie
etwa denen in der Darstellung der setzenden Reílexion unterscheiden, die
eher aus übermä|iger Komprimierung des Arguments im Interesse
rhythmischer Darstellung eines spekulati·en Gedankens herkommen.
Die Substanz mu| als Subjekt bestimmt werden. Dieser Satz und die
beiden Postulate, die er impliziert, íormulieren ·ollständig das Programm
der Logik: Subjekti·ität mu| so gedacht werden, da| die Bedeutung ·on
Substanz in ihr wiedergeíunden werden kann. Zweierlei mu| also geleistet
werden:
Zu ·olliger Klarheit über sein Veríahren hätte legel selber


133
1. Zum einen ist zu zeigen, da| in der Selbstbeziehung der

6 Der erste ,wichtige, Kommentar zu einem 1eil der íogi/ ist nicht analytisch im Sinne ·on
argumentierend, sondern erläuternd. Vgl. Peter Rohs, íorv vva Crvva, in: íeget.tvaiev, Beiheít 6,
1969.
132
wurde, und die Stellen zu markieren, an denen neue Bedeu-
tungs·erschiebungen stattíinden. Der analytische Kommentar zur Logik der
Reílexion soll hier aber nicht weitergeíührt werden.
nicht kommen und íühren konnen, wenn er auch weitere Jahrzehnte an
sie gewendet hätte. Auch dann hätte er den Vorgang der
Bedeutungs·erschiebung und der Bedeutungsidentiíikation nicht ausreichend
beschrieben, - wenigstens nicht, ohne sich noch ein weiteres methodisches
Instrumentarium neu zu erarbeiten. Lrst ein halbes Jahrhundert später
hat man begonnen, es auszubilden, stets ohne merkliche Beziehung zu
legel und in der Regel seiner Nachwirkung entgegen. Die
Bedeutungstheorie hatte jedem direkten Zugriíí zur metaphysischen
\ahrheit als Kritik entgegenzutreten. Dennoch bietet legels Logik
genügend Anla|, als Begriíískritik und 1heorie der Auíeinanderíolge ·on
Bedeutungssystemen gewürdigt zu werden. Auí die lrage, in welchem
besonderen Sinne sie es ist, wird später noch eingegangen.
Als methodischer Beitrag zur legelinterpretation hat dieser Kommentar
ergeben, da| der 1ext der Logik durchaus mit legels eigenen Ideen
und Ansprüchen ·erglichen werden kann. Der Zustand, in den legel
sein lauptwerk bringen konnte, weicht nicht wenig ·on dem idealen
ab. legel hat selbst gemeint, da| er weit ·om Ziel entíernt sei. Man kann
sich da·on überzeugen, da| diese Selbstkritik nicht in den Verdacht
kommen darí, nur Ausrede und Camouílage des wahren Sach·erhalts zu
sein, da| nämlich die Sache selbst notwendigerweise undeutlich sei und
moglich überhaupt nur als Dichtung mit \orten und Begriíísrudimenten.
Lin solches Gebilde lasse sich gar nicht kritisieren. Dieser Verdacht ·ergi|t
sogar, da| man seit geraumer Zeit auch die Struktur ·on Dichtungen so
gut ·erstehen kann, da| immanente Kritik moglich wird. Im übrigen
hat sich aber gezigt, da| die Sequenz der Gedanken und Argumente in der
Logik weder blo|e Assoziation noch Resultat einer personlichen Di·ination
ist, auí die der nicht Initiierte nur durch Unterweríung, durch Abkehr oder
mit überanstrengter Imitation antworten kann. Bisher ist allerdings kaum
·ersucht worden, in die leinstruktur der Logik einzudringen, und das
hei|t, im Kommentar Alternati·en íür das Verständnis des 1extsinnes zu
entwickeln und zwischen ihnen mit Argumenten zu entscheiden.
6
Die
Geschichte des legelianismus, der keine kleine Zahl bedeutender Kopíe íür
sich gewann, aber niemandem die Logik ·erständlich machen konnte, ist ein
überzeugender Beweis íür die extreme Schwierigkeit dieser Auígabe.
Zu einem 1eil lassen sich die Mängel im 1ext, der die Logik der
Reílexion darstellt, aus dem Umstand erklären, da| legel ·ersuchte, weil
er über Ligenart und Gewicht der Bedeutungsidentiíikation nicht im klaren
war, ihre Rolle im Argument moglichst zu reduzieren. So erwies sich, da|
sie in der Analyse der äu|eren Reílexion íaktisch ·orausgesetzt ist. Implizit
ist sie auch ·on legel als Voraussetzung anerkannt. Dennoch ·ersuchte
er, die Identiíikation erst aus der äu|eren Reílexion im Ubergang zur
bestimmten zu gewinnen. Man mu| Mängel dieser Art ·on anderen wie
etwa denen in der Darstellung der setzenden Reílexion unterscheiden, die
eher aus übermä|iger Komprimierung des Arguments im Interesse
rhythmischer Darstellung eines spekulati·en Gedankens herkommen.
Die Substanz mu| als Subjekt bestimmt werden. Dieser Satz und die
beiden Postulate, die er impliziert, íormulieren ·ollständig das Programm
der Logik: Subjekti·ität mu| so gedacht werden, da| die Bedeutung ·on
Substanz in ihr wiedergeíunden werden kann. Zweierlei mu| also geleistet
werden:
Zu ·olliger Klarheit über sein Veríahren hätte legel selber


133
1. Zum einen ist zu zeigen, da| in der Selbstbeziehung der

6 Der erste ,wichtige, Kommentar zu einem 1eil der íogi/ ist nicht analytisch im Sinne ·on
argumentierend, sondern erläuternd. Vgl. Peter Rohs, íorv vva Crvva, in: íeget.tvaiev, Beiheít 6,
1969.
132
Subjekti·ität jedes der beiden Relata die ganze Beziehung einschlie|t, und
zwar so, da| man auch sagen kann, da| diese Beziehung den Begriíí eines
jeden der Relata ·ollständig ausmacht. Im Subjekt, dem ·Ich·, stehen nicht
zwei Verschiedene in Beziehung zu sich. Dasjenige, welches in Beziehung
steht, und das, zu dem es in Beziehung steht, sind beide die ganze
Beziehung. Ich ist gleich Ich, ía|t sich als mit sich identisch und ist auch gar
nichts als dasjenige, was mit sich identisch ist.
Dieser Nachweis ist mit der Lntwicklung des Begriíís der Reílexion gegeben,
sobald die Bedeutungsidentiíikation eríolgt ist. Iníolge ihrer kann gesagt
werden, da| eines sich ·on sich unterscheidet und in der Lntgegensetzung
gegen sich sich nur zu sich selber ·erhält. Ls und das Andere seiner sind
gleicherma|en es selber. Damit ist zugleich auch der eigentliche Charakter
dessen bestimmt, was absolute Negati·ität hei|t. Alles Reden über
Dialektik, bestimmte Negation und Linheit der Gegensätze, das diese
Struktur nicht im ·ollen Bewu|tsein ihrer Bedeutung erreicht und zu
handhaben wei|, hat mit dem wenig zu tun, was legel eigentümlich ist und
was ihm selber das \esentliche war. »Der Unterschied ist das Ganze und sein
eigenes Moment |...| Dies ist als die wesentliche Natur der Reílexion und
als bestimmter Urgrund aller 1ätigkeit und Selbstbewegung zu betrachten«
,33,2,12 íí.,.
2. Nun soll aber, zum anderen, durch die Logik auch gezeigt werden, da| in
dieser Subjekti·ität das íestgehalten werden kann, was íür die Rede ·on
·Substanz· charakteristisch ist. Das Subjekt, das sich zu sich als zu einem
Anderen ·erhält, mu| auch eines sein, das sich als Bestimmtes unter an-
deren und somit als ein Besonderes, ·on der Allgemeinheit seiner Selbst-
beziehung Unterschiedenes kennt. Gesetzt, da| es sinn·oll ist, ·om Subjekt
als Singular zu reden, seinen Begriíí also als Prinzip einer monistischen
Ontologie zu ·erwenden, dann kann auch dieses Subjekt nicht alle
Besonderheit in seiner Selbstbeziehung auílosen. Ls mu| ihr Moglichkeit zu
eigener Lntwicklung geben und gerade so in ihr sein eigenes Selbst·erhältnis
herstellen und bewahren. Nur dann ist das Subjekt in seiner
Selbstbeziehung immer noch, was zunächst die Substanz war: letzte
Grundlage ·on Attributen.
Diesen Gedanken ·om sich selber speziíizierenden Subjekt hat die Logik
der Reílexion nur ·orbereitet, nicht schon erreicht. Lr ist ·orbereitet,
weil sich in der Selbstbeziehung ein Unterschied ergab, der als
Bestimmtheit der Reílexion durch ein ihr Anderes gedeutet werden kann,
das doch auch wiederum nur sie selber ist. Doch dieser Unterschied lä|t sich
noch nicht zu einer Speziíikation ausarbeiten. Denn im \esen bleibt er,
was das \esen selber war: Schein. Ist das Unmittelbare als Beziehung auí
sich gesetzt, so ist seine Beziehung zur Reílexion als dem, das ihr noch
immer entgegengesetzt ist, ·erschwunden. Ist aber das Unmittelbare als
das Andere der Reílexion bestimmt, so kann es seinen Unterschied gegen sie
erst gar nicht beíestigen. So wie die Reílexion in ihrer Bestimmtheit
sowohl die ganze Beziehung und damit selbstgenügsam als auch nur das
Andere des Setzens ist, so ist auch dies Setzen entweder in seinem Produkt
·erschwunden, oder es hält dies Produkt als bto;e. Gesetztsein in
·ollständiger Abhängigkeit ·on sich. Alle íolgenden Stuíen, zu denen sich
der Begriíí des \esens entwickeln lä|t, sind nur ebenso ·iele Versuche, ·on
der Instabilität im Gleichgewicht dieser beiden Momente, ·on ihrem blo|en
·sowohl als auch· loszukommen. Ls ist legels Meinung, da| dies nur in der
Logik des Begriíís gelingen kann. Man mu| also íragen, ob dieses Buch der
Logik einen originären Gang hat, der ebenso elementar beginnt wie die
Logik des \esens in der Lntíaltung des Begriíís der negierten Negation
zur bestimmenden Reílexion. Die Alternati·e dazu wäre, da| alle
íolgenden Analysen, samt ihren Lrweiterungen und Verschiebungen der
Bedeutungen ihrer 1erme, ·om Begriíí des \esens als ·on einer Voraus-
setzung dependieren, die ausgezeichnet und basal ist und auí die stets -
implizit oder explizit - zurückgegangen werden

134 135
Subjekti·ität jedes der beiden Relata die ganze Beziehung einschlie|t, und
zwar so, da| man auch sagen kann, da| diese Beziehung den Begriíí eines
jeden der Relata ·ollständig ausmacht. Im Subjekt, dem ·Ich·, stehen nicht
zwei Verschiedene in Beziehung zu sich. Dasjenige, welches in Beziehung
steht, und das, zu dem es in Beziehung steht, sind beide die ganze
Beziehung. Ich ist gleich Ich, ía|t sich als mit sich identisch und ist auch gar
nichts als dasjenige, was mit sich identisch ist.
Dieser Nachweis ist mit der Lntwicklung des Begriíís der Reílexion gegeben,
sobald die Bedeutungsidentiíikation eríolgt ist. Iníolge ihrer kann gesagt
werden, da| eines sich ·on sich unterscheidet und in der Lntgegensetzung
gegen sich sich nur zu sich selber ·erhält. Ls und das Andere seiner sind
gleicherma|en es selber. Damit ist zugleich auch der eigentliche Charakter
dessen bestimmt, was absolute Negati·ität hei|t. Alles Reden über
Dialektik, bestimmte Negation und Linheit der Gegensätze, das diese
Struktur nicht im ·ollen Bewu|tsein ihrer Bedeutung erreicht und zu
handhaben wei|, hat mit dem wenig zu tun, was legel eigentümlich ist und
was ihm selber das \esentliche war. »Der Unterschied ist das Ganze und sein
eigenes Moment |...| Dies ist als die wesentliche Natur der Reílexion und
als bestimmter Urgrund aller 1ätigkeit und Selbstbewegung zu betrachten«
,33,2,12 íí.,.
2. Nun soll aber, zum anderen, durch die Logik auch gezeigt werden, da| in
dieser Subjekti·ität das íestgehalten werden kann, was íür die Rede ·on
·Substanz· charakteristisch ist. Das Subjekt, das sich zu sich als zu einem
Anderen ·erhält, mu| auch eines sein, das sich als Bestimmtes unter an-
deren und somit als ein Besonderes, ·on der Allgemeinheit seiner Selbst-
beziehung Unterschiedenes kennt. Gesetzt, da| es sinn·oll ist, ·om Subjekt
als Singular zu reden, seinen Begriíí also als Prinzip einer monistischen
Ontologie zu ·erwenden, dann kann auch dieses Subjekt nicht alle
Besonderheit in seiner Selbstbeziehung auílosen. Ls mu| ihr Moglichkeit zu
eigener Lntwicklung geben und gerade so in ihr sein eigenes Selbst·erhältnis
herstellen und bewahren. Nur dann ist das Subjekt in seiner
Selbstbeziehung immer noch, was zunächst die Substanz war: letzte
Grundlage ·on Attributen.
Diesen Gedanken ·om sich selber speziíizierenden Subjekt hat die Logik
der Reílexion nur ·orbereitet, nicht schon erreicht. Lr ist ·orbereitet,
weil sich in der Selbstbeziehung ein Unterschied ergab, der als
Bestimmtheit der Reílexion durch ein ihr Anderes gedeutet werden kann,
das doch auch wiederum nur sie selber ist. Doch dieser Unterschied lä|t sich
noch nicht zu einer Speziíikation ausarbeiten. Denn im \esen bleibt er,
was das \esen selber war: Schein. Ist das Unmittelbare als Beziehung auí
sich gesetzt, so ist seine Beziehung zur Reílexion als dem, das ihr noch
immer entgegengesetzt ist, ·erschwunden. Ist aber das Unmittelbare als
das Andere der Reílexion bestimmt, so kann es seinen Unterschied gegen sie
erst gar nicht beíestigen. So wie die Reílexion in ihrer Bestimmtheit
sowohl die ganze Beziehung und damit selbstgenügsam als auch nur das
Andere des Setzens ist, so ist auch dies Setzen entweder in seinem Produkt
·erschwunden, oder es hält dies Produkt als  Gesetztsein in
·ollständiger Abhängigkeit ·on sich. Alle íolgenden Stuíen, zu denen sich
der Begriíí des \esens entwickeln lä|t, sind nur ebenso ·iele Versuche, ·on
der Instabilität im Gleichgewicht dieser beiden Momente, ·on ihrem blo|en
·sowohl als auch· loszukommen. Ls ist legels Meinung, da| dies nur in der
Logik des Begriíís gelingen kann. Man mu| also íragen, ob dieses Buch der
Logik einen originären Gang hat, der ebenso elementar beginnt wie die
Logik des \esens in der Lntíaltung des Begriíís der negierten Negation
zur bestimmenden Reílexion. Die Alternati·e dazu wäre, da| alle
íolgenden Analysen, samt ihren Lrweiterungen und Verschiebungen der
Bedeutungen ihrer 1erme, ·om Begriíí des \esens als ·on einer Voraus-
setzung dependieren, die ausgezeichnet und basal ist und auí die stets -
implizit oder explizit - zurückgegangen werden

134 135
mu|. Diese lrage beantworten hie|e die Logik insgesamt zu rekonstruieren
und die Stelle zu bestimmen, welche die Analyse der Reílexion in ihr hat.
Das kann hier nur in 1hesen geschehen. Zu·or ist aber noch über
methodische Aspekte der Reílexionslogik selber zu sprechen.
nennen. Bedeutungs·erschiebung liegt dann ·or, wenn ein Begriíí nicht mehr
in genau der gleichen \eise gebraucht werden kann wie zu·or. Das ist auch
der lall, wenn eine Bedeutung sich blo| in Relation zu anderen
íortbestimmt. Ls lassen sich dann nämlich lälle denken, in denen der
Begriíí in einer \eise gebraucht werden konnte, die mit den Bedeutungsele-
menten un·ereinbar gewesen wäre, die durch die lortbestimmung zu den
bisherigen hinzukamen. Gold etwa konnte ·or der lortbestimmung als
schwerstes Metall in nächster Nachbarschaít zum Silber beschrieben werden, -
nicht so nach der lortbestimmung.
III. Methode und Auíbau der Logik
Der Begriíí des \esens war nur über eine Bedeutungs·erschiebung zu
erreichen. Sie ist ·on besonderer Art. Bedeutungen haben Grade ·on
Bestimmtheit. Auí mindestens zweier lei \eise konnen sie zu gro|erer
Bestimmtheit kommen.
In der Lntwicklung ·on \issen und Sprache geschehen solche
Bedeutungs·erschiebungen unablässig und in gro|er Zahl. Ls gibt aber auch
seltenere Bedeutungs·eränderungen, und sie sind Verschiebungen in einem
anderen Sinne. In ihnen werden Gegebenheiten, die zu·or aus dem
Anwendungsbereich eines Begriííes kraít seiner Bedeutung ausgeschlossen
waren, zu Anwendungsíällen ·on ihm, moglicherweise sogar zu
ausgezeichneten. So sind zum Beispiel ·\olke· und ·Menge sehr kleiner
\assertropíen· im alltäglichen \issen ·oneinander ·erschieden. Ls hat sich
aber gezeigt, da| \olken eben solche Mengen sind. Darum ist es auch
sinn·oll, die Bedeutung ·on ·\olke·, in der \olken als kontinuierliche
Gebilde, nicht als Menge, ·orgestellt sind, durch die Bedeutung ·Menge ·on
sehr kleinen \assertropíen· zu ersetzen.
1. Ihr Verhältnis zu immer mehr anderen Bedeutungen kann nach Nähe
und lerne, Vereinbarkeit und Un·ereinbarkeit und anderen
Gesichtspunkten auígeklärt werden. 2. Man kann bisher unbekannte
Charaktere auííinden, die der Bedeutung als solcher zugesprochen werden
müssen. \as ·Gold· meint, zum Beispiel, wurde bestimmter, als es ·om
benachharten Platin zu unterscheiden war, aber auch, als die Ligenschaít,
auch in extremen Verhältnissesn nicht zu oxydieren, interessant und Llement
in seiner Begriíísbestimmung wurde. In beiden lällen kann der \eg ·on
Unbestimmtheit zur Bestimmtheit nicht als \eg ·om Vagen zum
Lindeutigen beschrieben werden. Denn ·age ist ein Begriíí nur dann, wenn
es unmoglich ist, in signiíikanten lällen, in denen sein Gebrauch in lrage
steht, zu sagen, ob er angewendet werden kann oder ob nicht. Seitdem
es Prüísteine íür Gold gab, war der Begriíí ·Gold· nicht mehr ·age, -
zumindest nicht in seiner wichtigsten Verwendungsweise.
¯

Lin anderes Beispiel ist die Bedeutungs·erschiebung im Begriíí ·Lrde·, der
einmal wesentlich durch seinen Gegensatz zum Begriíí ·Stern· bestimmt war,
nun aber etwas meint, das zur Klasse der Sterne gehort. In beiden
Beispielen wird ein Begriíí durch Bedeutungs·erschiebung in die Klasse
derer einbezogen, deren Begriíí er zunächst entgegengesetzt war.
In einem ersten und einíachen Sinne kann man jede Bestim-
mung einer Bedeutung schon eine ·Bedeutungs·erschiebung·


13¯
¯ Vgl. Max Black, Vagueness, i n: Language and Philosophy, Ithaca 1952, S. 23 íí., \illiam Alston,
Philosophy oí Language, Lnglewood Cliíís 1964, R. Swinburne, Vagueness, Inexactness and
Imprecision, in: British Journal íor the Philosophy oí Science 19, 1969, 281 íí., l. l. lulda hat in
einem interessanten Vortrag auí einer 1agung im Juli 19¯1 unter anderem zu zeigen ·ersucht, da|
man aus der Bestimmung ·ager Gedanken die Lntstehung der allgemeinen Linteilungen der Logik
·erständlich machen kann.
136
mu|. Diese lrage beantworten hie|e die Logik insgesamt zu rekonstruieren
und die Stelle zu bestimmen, welche die Analyse der Reílexion in ihr hat.
Das kann hier nur in 1hesen geschehen. Zu·or ist aber noch über
methodische Aspekte der Reílexionslogik selber zu sprechen.
nennen. Bedeutungs·erschiebung liegt dann ·or, wenn ein Begriíí nicht mehr
in genau der gleichen \eise gebraucht werden kann wie zu·or. Das ist auch
der lall, wenn eine Bedeutung sich blo| in Relation zu anderen
íortbestimmt. Ls lassen sich dann nämlich lälle denken, in denen der
Begriíí in einer \eise gebraucht werden konnte, die mit den Bedeutungsele-
menten un·ereinbar gewesen wäre, die durch die lortbestimmung zu den
bisherigen hinzukamen. Gold etwa konnte ·or der lortbestimmung als
schwerstes Metall in nächster Nachbarschaít zum Silber beschrieben werden, -
nicht so nach der lortbestimmung.
III. Methode und Auíbau der Logik
Der Begriíí des \esens war nur über eine Bedeutungs·erschiebung zu
erreichen. Sie ist ·on besonderer Art. Bedeutungen haben Grade ·on
Bestimmtheit. Auí mindestens zweier lei \eise konnen sie zu gro|erer
Bestimmtheit kommen.
In der Lntwicklung ·on \issen und Sprache geschehen solche
Bedeutungs·erschiebungen unablässig und in gro|er Zahl. Ls gibt aber auch
seltenere Bedeutungs·eränderungen, und sie sind Verschiebungen in einem
anderen Sinne. In ihnen werden Gegebenheiten, die zu·or aus dem
Anwendungsbereich eines Begriííes kraít seiner Bedeutung ausgeschlossen
waren, zu Anwendungsíällen ·on ihm, moglicherweise sogar zu
ausgezeichneten. So sind zum Beispiel ·\olke· und ·Menge sehr kleiner
\assertropíen· im alltäglichen \issen ·oneinander ·erschieden. Ls hat sich
aber gezeigt, da| \olken eben solche Mengen sind. Darum ist es auch
sinn·oll, die Bedeutung ·on ·\olke·, in der \olken als kontinuierliche
Gebilde, nicht als Menge, ·orgestellt sind, durch die Bedeutung ·Menge ·on
sehr kleinen \assertropíen· zu ersetzen.
1. Ihr Verhältnis zu immer mehr anderen Bedeutungen kann nach Nähe
und lerne, Vereinbarkeit und Un·ereinbarkeit und anderen
Gesichtspunkten auígeklärt werden. 2. Man kann bisher unbekannte
Charaktere auííinden, die der Bedeutung als solcher zugesprochen werden
müssen. \as ·Gold· meint, zum Beispiel, wurde bestimmter, als es ·om
benachharten Platin zu unterscheiden war, aber auch, als die Ligenschaít,
auch in extremen Verhältnissesn nicht zu oxydieren, interessant und Llement
in seiner Begriíísbestimmung wurde. In beiden lällen kann der \eg ·on
Unbestimmtheit zur Bestimmtheit nicht als \eg ·om Vagen zum
Lindeutigen beschrieben werden. Denn ·age ist ein Begriíí nur dann, wenn
es unmoglich ist, in signiíikanten lällen, in denen sein Gebrauch in lrage
steht, zu sagen, ob er angewendet werden kann oder ob nicht. Seitdem
es Prüísteine íür Gold gab, war der Begriíí ·Gold· nicht mehr ·age, -
zumindest nicht in seiner wichtigsten Verwendungsweise.
¯

Lin anderes Beispiel ist die Bedeutungs·erschiebung im Begriíí ·Lrde·, der
einmal wesentlich durch seinen Gegensatz zum Begriíí ·Stern· bestimmt war,
nun aber etwas meint, das zur Klasse der Sterne gehort. In beiden
Beispielen wird ein Begriíí durch Bedeutungs·erschiebung in die Klasse
derer einbezogen, deren Begriíí er zunächst entgegengesetzt war.
In einem ersten und einíachen Sinne kann man jede Bestim-
mung einer Bedeutung schon eine ·Bedeutungs·erschiebung·


13¯
¯ Vgl. Max Black, Vagueness, i n: Language and Philosophy, Ithaca 1952, S. 23 íí., \illiam Alston,
Philosophy oí Language, Lnglewood Cliíís 1964, R. Swinburne, Vagueness, Inexactness and
Imprecision, in: British Journal íor the Philosophy oí Science 19, 1969, 281 íí., l. l. lulda hat in
einem interessanten Vortrag auí einer 1agung im Juli 19¯1 unter anderem zu zeigen ·ersucht, da|
man aus der Bestimmung ·ager Gedanken die Lntstehung der allgemeinen Linteilungen der Logik
·erständlich machen kann.
136
aus, lälle ·on Bedeutungs·erschiebungen in 1heorien ·on der Verwandlung
·on blo|en \ortbedeutungen zu unterscheiden. Im Sinne der
theoretischen Bedeutungs·erschiebung íolgt etwa der relati·istische Begriíí
der Materie auí den Materiebegriíí Newtons. Im selben Sinne ·erspricht die
Neurologie, den philosophisch-psychologischen Begriíí der \ahrnehmung
durch einen Begriíí ·on Lrregungszuständen ·on Zellen zu ersetzen. Man hat
solche Begriííe, die theoretischen Bedeutungs·erschiebungen entstammen,
Nachíolgerbegriííe genannt.
10

Unter seltenen Umständen kann es auch geschehen, da| die Reíerenten
eines Begriííes, die einer Klasse ·on Objekten entgegengesetzt worden waren,
durch Bedeutungs·erschiebungen zu den eiv¸igev Reíerenten dieser Klasse
werden. Beispiele daíür sind einige Bedeutungswandlungen im Begriíí der
lreiheit. \enn zunächst die lreien die sind, die nicht ·om \illen anderer
abhängig und somit die, die keine Skla·en sind, so kann sich in
·eränderter Perspekti·e zeigen, da| allein den Skla·en das Prädikat, írei zu
sein, wirklich zukommt. Line solche Bedeutungs·erschiebung kann man eine
·radikale· nennen.
\ill man nun den Charakter der Bedeutungs·erschiebung am Aníang der
Reílexionslogik íassen, so ist zunächst zu sagen, da| sie sowohl die
Ligenschaíten der theoretischen als auch die der radikalen Verschiebung
hat. Denn sie spricht Unmittelbarkeit dem zu, was ihr zu·or entgegengesetzt
war, und sie gewinnt auch die Negation der Negation als den zunächst eiv¸igev
lall ·on Unmittelbarkeit. Ls ist weiter auch klar, da| die Begriííe der
Reílexionslogik weder ostensi· noch deskripti· gewonnen werden und da| sie
somit theoretische Begriííe sind, wenn auch in einem Sinne, der ·on
dem einer eríahrungswissenschaítlichen 1heorie abweicht. Man kann die
Begriííe, die legel auí jeweils einer Stuíe der Lntwicklung seiner Logik
analysiert, als Kern einer moglichen Ontologie auííassen. Sie sind nicht in
Beziehung auí Lríahrungsgegebenheiten eingeíührt. Sie konnen aber in der
Beschreibung ·on Lríahrungen angewendet werden. Und es ist
Alle diese Beispiele sind lälle ·on Bedeutungswandel in empirischen
Begriííen. Bei 1heorien, in denen Begriííe durch implizite Deíinitionen
eingeíührt werden konnen, íindet sich noch ein anderer lall ·on
Bedeutungs·erschiebung. Seine Ligenart ist schwerer zu kennzeichnen.
Man wird aber sagen konnen, da| ganze 1heorien ebenso auíeinander
íolgen konnen wie Bedeutungen, die schon in einzelnen Sätzen ohne
1heorielast zu gebrauchen sind. Lin Begriíí in einer 1heorie 1
2
ersetzt
dann die Bedeutung eines Begriííes C in der 1heorie 1
1
, die ihm ·orausgeht,
wenn er a. in 1
2
íormale Ligenschaíten hat, die denen, die C in 1
1
hat,
ähnlich sind, und wenn er b. die lälle, in denen C in 1
1
gebraucht
wurde, innerhalb ·on 1
2
zu beschreiben erlaubt. Diese Kriterien konnen
sehr ·iel genauer entwickelt werden.
8
Sie geben dann auch Anla| zu
Kontro·ersen, welche die gegenwärtige Situation in der \issenschaítstheorie
weitgehend beherrschen.
9
Auch in rudimentärer lassung reichen sie aber


139

8 Ich ·erweise auí die Diskussion, die sich im Anschlu| an einen Auísatz ·on Arthur line im ]ovrvat
of Pbito.o¡b,, 1ot . 64, S. 231 íí., ·or allem im ßri ti .b ]ovrvat for tbe Pbi t o.o¡b, of ´ci evc e
entwickelt hat. Vgl. aber auch Mary lesse, íive´. Criteria of Meavivg Cbavge, iv; ]ovrvat of
Pbito.o¡b,, Januar 1968.
Kritik. ,Literatur bei Jerzy Giedymin, 1he Paradox oí Meaning Variance, in: British Journal íor
the Philosophy oí Science 21, 19¯0,.
10 Der Begriíí wurde ·on Sellars eingeíührt und ·on leigl akzeptiert. Vgl. leigl, 1he Mental and the
Physical, Postscript 196¯, S. 141,2. Die Diskussion über die Moglichkeit, Bewu|tseinszustände mit
Gehirnzuständen zu identiíizieren, ist beinahe nichts anderes als eine Diskussion über die Verwendung
des Begriíís der Identität unter nicht-analytischen Bedingungen. Sie íindet also im selben
Zusammenhang wie die in Anm. 8 genannte Diskussion statt. Line Verbindung zwischen beiden ist
aber bisher nicht zustande gekommen.
9 Im Zusammenhang mit der Kritik an den radikalen 1heorien ·om Bedeutungswandel theoretischer
Begriííe, die ·or allem ·on 1homas Kuhn und leyerabend ·ertreten werden, und deren Verteidigung
gegen diese

138
aus, lälle ·on Bedeutungs·erschiebungen in 1heorien ·on der Verwandlung
·on blo|en \ortbedeutungen zu unterscheiden. Im Sinne der
theoretischen Bedeutungs·erschiebung íolgt etwa der relati·istische Begriíí
der Materie auí den Materiebegriíí Newtons. Im selben Sinne ·erspricht die
Neurologie, den philosophisch-psychologischen Begriíí der \ahrnehmung
durch einen Begriíí ·on Lrregungszuständen ·on Zellen zu ersetzen. Man hat
solche Begriííe, die theoretischen Bedeutungs·erschiebungen entstammen,
Nachíolgerbegriííe genannt.
10

Unter seltenen Umständen kann es auch geschehen, da| die Reíerenten
eines Begriííes, die einer Klasse ·on Objekten entgegengesetzt worden waren,
durch Bedeutungs·erschiebungen zu den eiv¸igev Reíerenten dieser Klasse
werden. Beispiele daíür sind einige Bedeutungswandlungen im Begriíí der
lreiheit. \enn zunächst die lreien die sind, die nicht ·om \illen anderer
abhängig und somit die, die keine Skla·en sind, so kann sich in
·eränderter Perspekti·e zeigen, da| allein den Skla·en das Prädikat, írei zu
sein, wirklich zukommt. Line solche Bedeutungs·erschiebung kann man eine
·radikale· nennen.
\ill man nun den Charakter der Bedeutungs·erschiebung am Aníang der
Reílexionslogik íassen, so ist zunächst zu sagen, da| sie sowohl die
Ligenschaíten der theoretischen als auch die der radikalen Verschiebung
hat. Denn sie spricht Unmittelbarkeit dem zu, was ihr zu·or entgegengesetzt
war, und sie gewinnt auch die Negation der Negation als den zunächst eiv¸igev
lall ·on Unmittelbarkeit. Ls ist weiter auch klar, da| die Begriííe der
Reílexionslogik weder ostensi· noch deskripti· gewonnen werden und da| sie
somit theoretische Begriííe sind, wenn auch in einem Sinne, der ·on
dem einer eríahrungswissenschaítlichen 1heorie abweicht. Man kann die
Begriííe, die legel auí jeweils einer Stuíe der Lntwicklung seiner Logik
analysiert, als Kern einer moglichen Ontologie auííassen. Sie sind nicht in
Beziehung auí Lríahrungsgegebenheiten eingeíührt. Sie konnen aber in der
Beschreibung ·on Lríahrungen angewendet werden. Und es ist
Alle diese Beispiele sind lälle ·on Bedeutungswandel in empirischen
Begriííen. Bei 1heorien, in denen Begriííe durch implizite Deíinitionen
eingeíührt werden konnen, íindet sich noch ein anderer lall ·on
Bedeutungs·erschiebung. Seine Ligenart ist schwerer zu kennzeichnen.
Man wird aber sagen konnen, da| ganze 1heorien ebenso auíeinander
íolgen konnen wie Bedeutungen, die schon in einzelnen Sätzen ohne
1heorielast zu gebrauchen sind. Lin Begriíí in einer 1heorie 1
2
ersetzt
dann die Bedeutung eines Begriííes C in der 1heorie 1
1
, die ihm ·orausgeht,
wenn er a. in 1
2
íormale Ligenschaíten hat, die denen, die C in 1
1
hat,
ähnlich sind, und wenn er b. die lälle, in denen C in 1
1
gebraucht
wurde, innerhalb ·on 1
2
zu beschreiben erlaubt. Diese Kriterien konnen
sehr ·iel genauer entwickelt werden.
8
Sie geben dann auch Anla| zu
Kontro·ersen, welche die gegenwärtige Situation in der \issenschaítstheorie
weitgehend beherrschen.
9
Auch in rudimentärer lassung reichen sie aber


139

8 Ich ·erweise auí die Diskussion, die sich im Anschlu| an einen Auísatz ·on Arthur line im ]ovrvat
of Pbito.o¡b,, 1ot . 64, S. 231 íí., ·or allem im ßri ti .b ]ovrvat for tbe Pbi t o.o¡b, of ´ci evc e
entwickelt hat. Vgl. aber auch Mary lesse, íive´. Criteria of Meavivg Cbavge, iv; ]ovrvat of
Pbito.o¡b,, Januar 1968.
Kritik. ,Literatur bei Jerzy Giedymin, 1he Paradox oí Meaning Variance, in: British Journal íor
the Philosophy oí Science 21, 19¯0,.
10 Der Begriíí wurde ·on Sellars eingeíührt und ·on leigl akzeptiert. Vgl. leigl, 1he Mental and the
Physical, Postscript 196¯, S. 141,2. Die Diskussion über die Moglichkeit, Bewu|tseinszustände mit
Gehirnzuständen zu identiíizieren, ist beinahe nichts anderes als eine Diskussion über die Verwendung
des Begriíís der Identität unter nicht-analytischen Bedingungen. Sie íindet also im selben
Zusammenhang wie die in Anm. 8 genannte Diskussion statt. Line Verbindung zwischen beiden ist
aber bisher nicht zustande gekommen.
9 Im Zusammenhang mit der Kritik an den radikalen 1heorien ·om Bedeutungswandel theoretischer
Begriííe, die ·or allem ·on 1homas Kuhn und leyerabend ·ertreten werden, und deren Verteidigung
gegen diese

138
dann moglich, die in der Logik behandelten Grundzüge durch
Modiíikationen und durch Kombination mit anderen Begriííen zu
erweitern.
11
\enn die Methode der Logik überhaupt sinn·oll zu
machen und wenn ihr Programm auszuarbeiten wäre, so konnte sie
garantieren, da| eine solche Ontologie in sich homogen und in Beziehung
auí ihre Alternati·en richtig geortet ist. Und sie konnte angeben, was jeweils
zum in·ariablen Kern einer Ontologie zu gehoren hat und wann eine
Ontologie nicht nur ergänzt und ·eríeinert, sondern durch eine ganz
andere ersetzt worden ist. legel selbst meinte, da| die Logik der Reílexion
den Kern jener Ontologie untersucht, die Leibniz im Auge hatte.
mittlung entgegengesetzt worden war. So tritt also Unmittelbarkeit im
\esensbegriíí zweimal auí, - einmal in der Bedeutung, die sich durch die
Verschiebung ergab, zum anderen in der ursprünglichen Bedeutung ·on
·Unmittelbarkeit· ·or der Verschiebung, - nur so, da| der Auítritt dieser
Bedeutung im \esensbegriíí ·om Auítritt der ·Unmittelbarkeit· in der
·erschobenen Bedeutung abhängig ist. Denn der lall ·on U
1
ist gegeben,
reit die Negation negiert und somit der lall ·on U
2
gegeben ist.
Diese Abhängigkeit besteht nur insoíern, als die Reílexionslogik als
Nachíolgertheorie der Seinslogik auítritt. Geht man einíach nur ·on der
negierten Negation aus, dann ergibt sich zwar Unmittelbarkeit, die ebenso
auígehoben und ·ermittelt ist. \ie gezeigt wurde, ergibt sich aber nicht, da|
diese Unmittelbarkeit identisch mit der Reílexionsstruktur ist und da|
aus diesem Grunde der negierten Negation selbst das Prädikat,
unmittelbar zu sein, zugesprochen werden mu|. Dann allerdings ergäbe
sich auch gar nicht der ·olle und autonome Begriíí des \esens. Da| U
1
~ U
2
,
ist nicht ein Resultat der blo|en Analyse der negierten Negation und ihres
Setzens. Ls gehort zu den 1orav..et¸vvgev dieser Analyse, wenn anders sie
den Begriíí der bestimmenden Reílexion ergeben soll. In der Regel gibt
legel zwar seinem Argument einen anderen Anschein. Untersucht man
aber seinen 1ext genauer, besonders die Rolle der Linleitung in die
\esenslogik mittels der Analyse des Scheines, so stellt sich der wahre
Sach·erhalt heraus. Die Bedeutungs·erschiebung ist also nicht etwa deshalb
ein 1eil der \esenslogik, weil sie in einem ihrer 1heoreme begründet ist,
sondern deshalb, weil sie als ein Postulat íungiert, auígrund dessen allein
diese Logik in eine selbständige Lntwicklung kommt.
Die Besonderheit der Bedeutungs·erschiebung, aus der sie sich ergibt, ist als
·radikal· und ·theoretisch· noch nicht ·ollständig ermittelt. 1heoretische
Nachíolgerbegriííe ersetzen ihre Vorgänger komplett und haben innerhalb
1
2
durchaus Lxklusi·recht. Sie schlie|en den Gebrauch der Prädikate aus, die
im Vorgängerbegriíí gedacht waren, der 1
1
angehorte. Gerade das triíít
nicht zu íür den lall der Bedeutungs·erschiebung zur Reílexionslogik.
Denn hier ist die Bedeutungs·erschiebung nicht nur die Voraussetzung
daíür, da| der Begriíí. des \esens als Nachíolger ·on ·Sein· eingeíührt
werden kann. ´ie rira ¸vgteicb ¸v eivev ße.tavateit rov ae..ev eigever ßeaevtvvg.
Denn im ·oll entwickelten Begriíí des \esens wird ·Unmittelbarkeit· eben
nicht nur der Selbstbeziehung der Negation zugesprochen. Auch ihr
Produkt ist Unmittelbarkeit, und zwar in genau demselben Sinne, in dem
Unmittelbarkeit in der Vorgängertheorie der \esenslogik der Ver-


141
Auch i n di eser lunkti on geht si e aber der Reíl exi onsl ogi k ni cht
nur ·oraus, gl ei chsam wi e ei ne i hrer hi stori schen Bedi ngun-
gen i m Proze| der 1heori egeschi chte. Si e gehort zu i hr. An-
ders konnte auch gar ni cht ·Unmi ttel barkei t· i vverbat b der

11 Das Problem der Kombinierbarkeit der in der Logik entwickelten Begriííe ist ·on legel nirgends
behandelt worden. Dennoch setzt er in den Realphilosophien ständig ·oraus, da| sie, und zwar in
geregelter lorm, kombiniert werden konnen. Dies Problem ist übrigens nur das ·ielleicht
wichtigste unter ·ielen, die sich noch stellen, wenn die Probleme des logischen Progresses
auígeklärt sind. Im Unterschied zur Logik als Grundtheorie und der Metatheorie, die ihre
Methodenprobleme erortert, lassen sie sich als Probleme logischer Sekundärtheorie
klassiíizieren.
140
dann moglich, die in der Logik behandelten Grundzüge durch
Modiíikationen und durch Kombination mit anderen Begriííen zu
erweitern.
11
\enn die Methode der Logik überhaupt sinn·oll zu
machen und wenn ihr Programm auszuarbeiten wäre, so konnte sie
garantieren, da| eine solche Ontologie in sich homogen und in Beziehung
auí ihre Alternati·en richtig geortet ist. Und sie konnte angeben, was jeweils
zum in·ariablen Kern einer Ontologie zu gehoren hat und wann eine
Ontologie nicht nur ergänzt und ·eríeinert, sondern durch eine ganz
andere ersetzt worden ist. legel selbst meinte, da| die Logik der Reílexion
den Kern jener Ontologie untersucht, die Leibniz im Auge hatte.
mittlung entgegengesetzt worden war. So tritt also Unmittelbarkeit im
\esensbegriíí zweimal auí, - einmal in der Bedeutung, die sich durch die
Verschiebung ergab, zum anderen in der ursprünglichen Bedeutung ·on
·Unmittelbarkeit· ·or der Verschiebung, - nur so, da| der Auítritt dieser
Bedeutung im \esensbegriíí ·om Auítritt der ·Unmittelbarkeit· in der
·erschobenen Bedeutung abhängig ist. Denn der lall ·on U
1
ist gegeben,
reit die Negation negiert und somit der lall ·on U
2
gegeben ist.
Diese Abhängigkeit besteht nur insoíern, als die Reílexionslogik als
Nachíolgertheorie der Seinslogik auítritt. Geht man einíach nur ·on der
negierten Negation aus, dann ergibt sich zwar Unmittelbarkeit, die ebenso
auígehoben und ·ermittelt ist. \ie gezeigt wurde, ergibt sich aber nicht, da|
diese Unmittelbarkeit identisch mit der Reílexionsstruktur ist und da|
aus diesem Grunde der negierten Negation selbst das Prädikat,
unmittelbar zu sein, zugesprochen werden mu|. Dann allerdings ergäbe
sich auch gar nicht der ·olle und autonome Begriíí des \esens. Da| U
1
~ U
2
,
ist nicht ein Resultat der blo|en Analyse der negierten Negation und ihres
Setzens. Ls gehort zu den 1orav..et¸vvgev dieser Analyse, wenn anders sie
den Begriíí der bestimmenden Reílexion ergeben soll. In der Regel gibt
legel zwar seinem Argument einen anderen Anschein. Untersucht man
aber seinen 1ext genauer, besonders die Rolle der Linleitung in die
\esenslogik mittels der Analyse des Scheines, so stellt sich der wahre
Sach·erhalt heraus. Die Bedeutungs·erschiebung ist also nicht etwa deshalb
ein 1eil der \esenslogik, weil sie in einem ihrer 1heoreme begründet ist,
sondern deshalb, weil sie als ein Postulat íungiert, auígrund dessen allein
diese Logik in eine selbständige Lntwicklung kommt.
Die Besonderheit der Bedeutungs·erschiebung, aus der sie sich ergibt, ist als
·radikal· und ·theoretisch· noch nicht ·ollständig ermittelt. 1heoretische
Nachíolgerbegriííe ersetzen ihre Vorgänger komplett und haben innerhalb
1
2
durchaus Lxklusi·recht. Sie schlie|en den Gebrauch der Prädikate aus, die
im Vorgängerbegriíí gedacht waren, der 1
1
angehorte. Gerade das triíít
nicht zu íür den lall der Bedeutungs·erschiebung zur Reílexionslogik.
Denn hier ist die Bedeutungs·erschiebung nicht nur die Voraussetzung
daíür, da| der Begriíí. des \esens als Nachíolger ·on ·Sein· eingeíührt
werden kann. ´ie rira ¸vgteicb ¸v eivev ße.tavateit rov ae..ev eigever ßeaevtvvg.
Denn im ·oll entwickelten Begriíí des \esens wird ·Unmittelbarkeit· eben
nicht nur der Selbstbeziehung der Negation zugesprochen. Auch ihr
Produkt ist Unmittelbarkeit, und zwar in genau demselben Sinne, in dem
Unmittelbarkeit in der Vorgängertheorie der \esenslogik der Ver-


141
Auch i n di eser lunkti on geht si e aber der Reíl exi onsl ogi k ni cht
nur ·oraus, gl ei chsam wi e ei ne i hrer hi stori schen Bedi ngun-
gen i m Proze| der 1heori egeschi chte. Si e gehort zu i hr. An-
ders konnte auch gar ni cht ·Unmi ttel barkei t· i vverbat b der

11 Das Problem der Kombinierbarkeit der in der Logik entwickelten Begriííe ist ·on legel nirgends
behandelt worden. Dennoch setzt er in den Realphilosophien ständig ·oraus, da| sie, und zwar in
geregelter lorm, kombiniert werden konnen. Dies Problem ist übrigens nur das ·ielleicht
wichtigste unter ·ielen, die sich noch stellen, wenn die Probleme des logischen Progresses
auígeklärt sind. Im Unterschied zur Logik als Grundtheorie und der Metatheorie, die ihre
Methodenprobleme erortert, lassen sie sich als Probleme logischer Sekundärtheorie
klassiíizieren.
140
\esensstruktur in zweierlei Bedeutung und doch als Bezeichnung desselben
\esens, als Gesetztsein und als Reílektiertsein, auítreten.
Gleichwohl mu| die Untersuchung in einen weiteren Zusammenhang
gebracht werden. Denn es bleibt weiter auízuklären, unter welchen
Bedingungen jene Bedeutungsidentiíikation eríolgt, die aus der negierten
Negation allererst jene spekulati·e Grundstruktur macht, die legel auí
dem \eg zum Gedanken der Subjekti·ität der Substanz ·oranbringt. Ist
einmal erkannt, da| sie einer Bedeutungsidentiíikation zu ·erdanken ist, so ist
damit auch schon gesichert, da| sie sich nicht mit der Konsequenz einer
logischen Deduktion aus irgendwelchen Prämissen ergeben kann. Denn die
Art und \eise, in der eine Bedeutungs·erschiebung eríolgt, kann niemals
durch Deduktion erzwungen werden. Zwar konnen die Umstände, unter
denen eine Bedeutungs·erschiebung zu ·eranlassen ist, durch eine Regel
íestgelegt werden. Diese Regel hat aber nicht den Status einer Prämisse
oder einer Deduktionsregel. Lher ist sie einem methodischen
Konstruktionsprinzip beim Auíbau ·on 1heorien zu ·ergleichen.
Die íür legels Dialektik typischen Inkonsistenzen ergeben sich nicht erst
dadurch, da| Unmittelbarkeit in der \esensstruktur zweimal ·orkommt, -
mit der Selbstbeziehung identisch und ihr entgegengesezt. Auch schon darin,
da| die Unmittelbarkeit zur selben Zeit als nur gesetzt und als durchaus
·orausgesetzt gedacht werden mu|, ist eine solche Inkonsistenz gelegen.
\ohl aber ergibt sich die Inkonsistenz, die íür die \esenslogik eigentümlich
ist, durch die Bedeutungs·erschiebung, die in sie integriert wurde.
Ist eine 1heorie oder ein 1heoriekern schlechtweg inkonsistent, so ·erliert
er schon dadurch jede bestimmte Bedeutung. Denn aus Inkonsistenzen
ergeben sich widersprüchliche Sätze mit gleichem \ahrheitsanspruch, aus
denen sich dann Beliebiges íolgern lä|t. Ls mu| deshalb ·ersucht
werden, die Inkonsistenz zu beherrschen. Das kann dadurch geschehen, da|
sie eigenen Regeln unterworíen wird, die es ausschlie|en, da| ·on den
inkonsistenten Begriííen innerhalb der 1heorie betiebig Gebrauch gemacht
wird. Line solche Regel wird anzugeben haben, unter welchen Bedingungen
·on der Ununterschiedenheit der beiden Bedeutungen und unter welchen ·on
ihrem Unterschied auszugehen ist. Dann ergeben sich zwar immer noch
widersprüchliche Sätze. Sie ergeben sich aber so, da| es sinn·oll ist, sich in
ihrem Kontext nach Regeln zu bewegen, und zu weiteren Sätzen
íortzuschreiten. Sollte sich erweisen, da| es un·ermeidbar ist, in der
Dimension einer 1heorie moglicher Ontologien so zu ·eríahren, so wäre
damit auch das Veríahren legels gerechtíertigt, das er spekulati·e Logik
nennt. Die allgemeinen Probleme, die sich bei der Analyse dieses Veríahrens
- zahlreich und komplex - ergeben, sind hier nicht abzuhandeln.
12

Die Bedeutungs·erschiebung zum \esensbegriíí ist moti·iert durch die
Situation, die sich am Ausgang der Seinslogik ergeben hatte. legel meint, er
habe dort gezeigt, die Voraussetzungen, auígrund deren der Begriíí der
absoluten Indiííerenz eingeíührt worden war, seien in dessen Analyse ent-
íallen, - damit aber auch die Voraussetzung der Logik des Seins
insgesamt: Die Indiííerenz und die in ihr indiííerent gesetzten
Bestimmtheiten lassen sich nicht mehr weiter als äu|erlich gegeneinander
íesthalten, - so als habe jede auch noch ein Sein íür sich. Somit mu| die
Indiííerenz nicht nur als indiííerent gegen ihre Bestimmtheiten, sondern
ebenso als indiííerent gegen sich selbst gedacht werden. Diese \endung
zeigt an, in welcher Richtung man eine Begriíísstruktur suchen mu|, welche
den Zusammenhang stabil zu machen erlaubt, der unter dem 1itel
·Indiííerenz· geía|t werden sollte, sich unter ihm aber nicht stabilisieren
lie|: Gesucht ist nach einem Begriíí, der als Indiííerenz gegen sich
beschrieben werden kann, - in dem aber auch die in die Diííerenz schon


143
12 Vgl. zuletzt Andries Sarlemijn, íeget.cbe Diate/ti/, Berlin 19¯1.
142
\esensstruktur in zweierlei Bedeutung und doch als Bezeichnung desselben
\esens, als Gesetztsein und als Reílektiertsein, auítreten.
Gleichwohl mu| die Untersuchung in einen weiteren Zusammenhang
gebracht werden. Denn es bleibt weiter auízuklären, unter welchen
Bedingungen jene Bedeutungsidentiíikation eríolgt, die aus der negierten
Negation allererst jene spekulati·e Grundstruktur macht, die legel auí
dem \eg zum Gedanken der Subjekti·ität der Substanz ·oranbringt. Ist
einmal erkannt, da| sie einer Bedeutungsidentiíikation zu ·erdanken ist, so ist
damit auch schon gesichert, da| sie sich nicht mit der Konsequenz einer
logischen Deduktion aus irgendwelchen Prämissen ergeben kann. Denn die
Art und \eise, in der eine Bedeutungs·erschiebung eríolgt, kann niemals
durch Deduktion erzwungen werden. Zwar konnen die Umstände, unter
denen eine Bedeutungs·erschiebung zu ·eranlassen ist, durch eine Regel
íestgelegt werden. Diese Regel hat aber nicht den Status einer Prämisse
oder einer Deduktionsregel. Lher ist sie einem methodischen
Konstruktionsprinzip beim Auíbau ·on 1heorien zu ·ergleichen.
Die íür legels Dialektik typischen Inkonsistenzen ergeben sich nicht erst
dadurch, da| Unmittelbarkeit in der \esensstruktur zweimal ·orkommt, -
mit der Selbstbeziehung identisch und ihr entgegengesezt. Auch schon darin,
da| die Unmittelbarkeit zur selben Zeit als nur gesetzt und als durchaus
·orausgesetzt gedacht werden mu|, ist eine solche Inkonsistenz gelegen.
\ohl aber ergibt sich die Inkonsistenz, die íür die \esenslogik eigentümlich
ist, durch die Bedeutungs·erschiebung, die in sie integriert wurde.
Ist eine 1heorie oder ein 1heoriekern schlechtweg inkonsistent, so ·erliert
er schon dadurch jede bestimmte Bedeutung. Denn aus Inkonsistenzen
ergeben sich widersprüchliche Sätze mit gleichem \ahrheitsanspruch, aus
denen sich dann Beliebiges íolgern lä|t. Ls mu| deshalb ·ersucht
werden, die Inkonsistenz zu beherrschen. Das kann dadurch geschehen, da|
sie eigenen Regeln unterworíen wird, die es ausschlie|en, da| ·on den
inkonsistenten Begriííen innerhalb der 1heorie betiebig Gebrauch gemacht
wird. Line solche Regel wird anzugeben haben, unter welchen Bedingungen
·on der Ununterschiedenheit der beiden Bedeutungen und unter welchen ·on
ihrem Unterschied auszugehen ist. Dann ergeben sich zwar immer noch
widersprüchliche Sätze. Sie ergeben sich aber so, da| es sinn·oll ist, sich in
ihrem Kontext nach Regeln zu bewegen, und zu weiteren Sätzen
íortzuschreiten. Sollte sich erweisen, da| es un·ermeidbar ist, in der
Dimension einer 1heorie moglicher Ontologien so zu ·eríahren, so wäre
damit auch das Veríahren legels gerechtíertigt, das er spekulati·e Logik
nennt. Die allgemeinen Probleme, die sich bei der Analyse dieses Veríahrens
- zahlreich und komplex - ergeben, sind hier nicht abzuhandeln.
12

Die Bedeutungs·erschiebung zum \esensbegriíí ist moti·iert durch die
Situation, die sich am Ausgang der Seinslogik ergeben hatte. legel meint, er
habe dort gezeigt, die Voraussetzungen, auígrund deren der Begriíí der
absoluten Indiííerenz eingeíührt worden war, seien in dessen Analyse ent-
íallen, - damit aber auch die Voraussetzung der Logik des Seins
insgesamt: Die Indiííerenz und die in ihr indiííerent gesetzten
Bestimmtheiten lassen sich nicht mehr weiter als äu|erlich gegeneinander
íesthalten, - so als habe jede auch noch ein Sein íür sich. Somit mu| die
Indiííerenz nicht nur als indiííerent gegen ihre Bestimmtheiten, sondern
ebenso als indiííerent gegen sich selbst gedacht werden. Diese \endung
zeigt an, in welcher Richtung man eine Begriíísstruktur suchen mu|, welche
den Zusammenhang stabil zu machen erlaubt, der unter dem 1itel
·Indiííerenz· geía|t werden sollte, sich unter ihm aber nicht stabilisieren
lie|: Gesucht ist nach einem Begriíí, der als Indiííerenz gegen sich
beschrieben werden kann, - in dem aber auch die in die Diííerenz schon


143
12 Vgl. zuletzt Andries Sarlemijn, íeget.cbe Diate/ti/, Berlin 19¯1.
142
ein gebrachten Momente wieder erreicht und in dem sie interpretiert werden. Dieser Umstand lä|t sich aus legels íormuliertem Grundsatz erklären,
demzuíolge die Negation stets ein Resultat hat. Besser ist aber die
Lrklärung mittels der Struktur, die in der Logik der Reílexion
bekanntgemacht wurde: Die negierte Negation produziert sich eine
Voraussetzung, und in dieser Voraussetzung setzt sie sich íerner auch sich
selber ·oraus. Sieht man ·om Gesichtspunkt dieser Analyse aus auí die Logik
des Seins zurück, so wird ·erständlich, wieso die Lxplikationsmittel einerseits
wirklich geeignet waren, einen Gedankeníortschritt begriíílich zu
artikulieren, - aber auch, wieso sie ihn nicht ·ollständig íassen konnten.
\as in der ·erstandenen Reílexion die Voraussetzung ihrer durch sich
selber ist, mu| in der Seinslogik als Korrespondenz zwischen den
Lxplikationsmitteln und der Begriíískorrelation erscheinen, die nicht restlos
in der Begriíísstruktur der Lxplikationsmittel auígeht.
Irrig wäre es zu meinen, da| ·Indiííerenz gegen sich selber· schlechtweg
derselbe Gedanke sei wie ·negierte Negation·. Denn im Gedanken der
Indiííerenz ist immer auch Bestimmtheit mitgemeint. Nur in Beziehung
auí sie kann ·on Indiííerenz die Rede sein, nämlich als Nichtbestand ·on
Diííerenz, somit ·on Bestimmtheit. Auch die Indiííerenz, die sich selbst
entgegengesetzt wird, mu| also als eine bestimmte gedacht werden,
solange ·Indiííerenz gegen sich· noch nicht in den Gedanken der
negierten Negation übersetzt ist. Im Unterschied zu ihr ist nämlich die
negierte Negation, ganz abstrakt genommen, gar nichts als das Auíheben
jeglicher Bestimmtheit, als die Beseitigung jeglichen Denkens, - jeder
Behauptung und jeder Bestreitung. Darum kann aber auch die negierte
Negation nur in einer Perspekti·e, die schon die der bestimmenden
Reílexion ist, als Nachíolgerbegriíí der Indiííerenz auítreten. Die ·ollständige Analyse der Lxplikationsmittel hat aber Voraussetzungen
in der Lntwicklung dieser Korrespondenz im Sein bis zur Linsicht in die
Mängel, die innerhalb ihrer grundsätzlich nicht behoben werden konnen.
Lrst nachdem die Indiííerenz erreicht und in die Aporie entwickelt wurde,
sieht legel die Moglichkeit, die negierte Negation als Nachíolgerbegriíí
einer seinslogischen Kategorie einzuíühren, somit als 1hema, nicht als
Operationsregel seiner Logik.
Dieser Begriíí mu| íreilich nicht erst ·on weit her geholt oder ganz neu
entwickelt werden. Im Gange der Seinslogik wurde er stets benutzt und
oííenbar benotigt. Ls ist aber wichtig, sich klarzumachen, da| er dort
nicht Gegenstand der Analyse war. Lr diente lediglich dazu, die Relationen
her·orzuheben und zu bezeichnen, die sich in den einzelnen Kategorien des
Seins intern ergeben hatten. Keine dieser Relationen war atteiv durch die
Negation der Negation konstruiert worden. Stets gab es besondere
Voraussetzungen. Deren Lxistenz lä|t sich daran erkennen, da| die
Negation eines Negati·en niemals nur das Korrelat der Negation ergab,
sondern stets ein in einem speziíischeren Sinne unmittelbar Bestimmtes, -
etwa Qualität unter Qualitäten, ein anderes Lins, bestimmte Quantität.
13

Aus ihrer Vorgeschichte als methodisches Instrument haben sich aber doch
zwei Kriterien ergeben, unter denen die negierte Negation nunmehr zu
entwickeln ist:
1. Sie mu| erstens als eine Operation genommen werden, die ein
Resultat hat. Unter dieser Bedingung íungiert sie schon in der ganzen
Logik des Seins als Lxplikationsmittel. Dort wurde dies Postulat aber
auch noch dadurch gerechtíertigt, da| es die interne Veríassung ·on
Bedeutungen auízuhellen ·ermochte, die in allgemeinem Gebrauch sind.
Auch entsprach es nur der Lntwicklungsgeschichte dieser Bedeutung, die
sich nach legels Meinung jedem Denkenden unwiderstehlich auí-


145
13 Vgl. Reiner \iehl, Platos Ontologie in legels Logik des Seins, in: legelstudien 3, 1965, S. 1¯8.
144
ein gebrachten Momente wieder erreicht und in dem sie interpretiert werden. Dieser Umstand lä|t sich aus legels íormuliertem Grundsatz erklären,
demzuíolge die Negation stets ein Resultat hat. Besser ist aber die
Lrklärung mittels der Struktur, die in der Logik der Reílexion
bekanntgemacht wurde: Die negierte Negation produziert sich eine
Voraussetzung, und in dieser Voraussetzung setzt sie sich íerner auch sich
selber ·oraus. Sieht man ·om Gesichtspunkt dieser Analyse aus auí die Logik
des Seins zurück, so wird ·erständlich, wieso die Lxplikationsmittel einerseits
wirklich geeignet waren, einen Gedankeníortschritt begriíílich zu
artikulieren, - aber auch, wieso sie ihn nicht ·ollständig íassen konnten.
\as in der ·erstandenen Reílexion die Voraussetzung ihrer durch sich
selber ist, mu| in der Seinslogik als Korrespondenz zwischen den
Lxplikationsmitteln und der Begriíískorrelation erscheinen, die nicht restlos
in der Begriíísstruktur der Lxplikationsmittel auígeht.
Irrig wäre es zu meinen, da| ·Indiííerenz gegen sich selber· schlechtweg
derselbe Gedanke sei wie ·negierte Negation·. Denn im Gedanken der
Indiííerenz ist immer auch Bestimmtheit mitgemeint. Nur in Beziehung
auí sie kann ·on Indiííerenz die Rede sein, nämlich als Nichtbestand ·on
Diííerenz, somit ·on Bestimmtheit. Auch die Indiííerenz, die sich selbst
entgegengesetzt wird, mu| also als eine bestimmte gedacht werden,
solange ·Indiííerenz gegen sich· noch nicht in den Gedanken der
negierten Negation übersetzt ist. Im Unterschied zu ihr ist nämlich die
negierte Negation, ganz abstrakt genommen, gar nichts als das Auíheben
jeglicher Bestimmtheit, als die Beseitigung jeglichen Denkens, - jeder
Behauptung und jeder Bestreitung. Darum kann aber auch die negierte
Negation nur in einer Perspekti·e, die schon die der bestimmenden
Reílexion ist, als Nachíolgerbegriíí der Indiííerenz auítreten. Die ·ollständige Analyse der Lxplikationsmittel hat aber Voraussetzungen
in der Lntwicklung dieser Korrespondenz im Sein bis zur Linsicht in die
Mängel, die innerhalb ihrer grundsätzlich nicht behoben werden konnen.
Lrst nachdem die Indiííerenz erreicht und in die Aporie entwickelt wurde,
sieht legel die Moglichkeit, die negierte Negation als Nachíolgerbegriíí
einer seinslogischen Kategorie einzuíühren, somit als 1hema, nicht als
Operationsregel seiner Logik.
Dieser Begriíí mu| íreilich nicht erst ·on weit her geholt oder ganz neu
entwickelt werden. Im Gange der Seinslogik wurde er stets benutzt und
oííenbar benotigt. Ls ist aber wichtig, sich klarzumachen, da| er dort
nicht Gegenstand der Analyse war. Lr diente lediglich dazu, die Relationen
her·orzuheben und zu bezeichnen, die sich in den einzelnen Kategorien des
Seins intern ergeben hatten. Keine dieser Relationen war  durch die
Negation der Negation konstruiert worden. Stets gab es besondere
Voraussetzungen. Deren Lxistenz lä|t sich daran erkennen, da| die
Negation eines Negati·en niemals nur das Korrelat der Negation ergab,
sondern stets ein in einem speziíischeren Sinne unmittelbar Bestimmtes, -
etwa Qualität unter Qualitäten, ein anderes Lins, bestimmte Quantität.
13

Aus ihrer Vorgeschichte als methodisches Instrument haben sich aber doch
zwei Kriterien ergeben, unter denen die negierte Negation nunmehr zu
entwickeln ist:
1. Sie mu| erstens als eine Operation genommen werden, die ein
Resultat hat. Unter dieser Bedingung íungiert sie schon in der ganzen
Logik des Seins als Lxplikationsmittel. Dort wurde dies Postulat aber
auch noch dadurch gerechtíertigt, da| es die interne Veríassung ·on
Bedeutungen auízuhellen ·ermochte, die in allgemeinem Gebrauch sind.
Auch entsprach es nur der Lntwicklungsgeschichte dieser Bedeutung, die
sich nach legels Meinung jedem Denkenden unwiderstehlich auí-


145
13 Vgl. Reiner \iehl, Platos Ontologie in legels Logik des Seins, in: legelstudien 3, 1965, S. 1¯8.
144
drängt, der Llemente einer Bedeutung in stabile Beziehung zueinander zu
bringen ·ersucht.
Ls soll auch kohärenter sein und die Lücken íüllen, die sein Vorgänger bei
der Beschreibung und Lrklärung ·on \irklichem oííenlie|. Die zweite
lorderung ist íür legels 1heorie der Sequenz ·on Ontologiekernen
unerheblich, - auígrund der Annahme, da| diese Sequenz ·on Beobachtung
grundsätzlich unabhängig ist. Im übrigen íolgt sie den gleichen Regeln.
14

2. Die negierte Negation mu| nicht nur irgendein Resultat haben. Sie mu| es
iv eiver !ei.e haben, die sie zum Nachíolger des Begriíís der Indiííerenz
macht. Nun wird aber die gesamte Situation der Bedeutungsanalyse dadurch
·erändert, da| eine Operationsregel zum 1hema der Untersuchung wird.
Ls ist deshalb sinn·oll, die negierte Negation nicht nur als Nachíolger der
Indiííerenz anzusehen. Sie ist zugleich eine Struktur, welche die ganze bis-
herige Bedeutungssequenz ablost und eine neue lolge ·on Bedeutungs-
strukturen einleitet, deren Lntwicklungsrichtung ·orerst noch unabsehbar
ist. Deshalb ist es erlaubt, sie zugleich als Nachíolger der Struktur des
Seins im allgemeinen einzuíühren. Auch dies hat legel im Sinn, wenn er die
\esenslogik mit der Maxime beginnt, das \esen müsse zunächst
unmittelbar genommen werden, so da| es den Gegensatz des Seins noch an
ihm hat.
Da| dem der äu|ere Anschei n und zum guten 1eil auch legels
Selbst·erständnis entgegenstehen, hat seinen Grund aber doch in
der Besonderheit der Bedeutungssequenz seiner Logik, ·on
empirischen Gegebenheiten ganz unabhängig sein und nur in-
terne Relationen ·on Begriííen untersuchen zu
14¯

14 In dieser Konírontation habe ich ·on der 1heorie ·on \ilíried Sellars gelernt.
In diesem Kontext eríolgt die Bedeutungs·erschiebung. Sie ist die
Voraussetzung daíür, da| die negierte Negation überhaupt zum
Nachíolger ·on Sein und Indiííerenz werden kann. Ohne die
Identiíikation U
1
~ U
2
würde sie keine Bestimmtheit ergeben, ohne sie
würde sie auch nicht aus ihrer eigenen Struktur heraus weiterzuentwickeln
sein. Im besten lalle würde sie der Inkonsistenz, die legel in der
Indiííerenz íand, einen anderen Ausdruck geben. Sie bliebe abhängig ·on
dem, dem sie nachíolgen sollte, und íiele bald in es zurück.
Das Kapitel ·lürsichsein· in der Seinslogik enthält Passagen, die durchaus mit lilíe der
Begriííe ·Setzen· und ·Voraussetzen· auígebaut sind ,1,159,2, 162,2,4 íí., auch 16¯,8,.
legel leitet in dieses Kapitel auch so ein, da| es schwierig wird, die Dynamik seiner
Lntwicklung ·on der des \esens zu unterscheiden ,1,14¯,1,16 íí.,.
Daraus ergibt sich die Interpretationsauígabe, das Verhältnis des lürsichseins zum \esen
auízuklären. Durch íolgende Beobachtung wird diese Auígabe noch kompliziert: íeget bat
aie 1ervivotogie aer be.tivvevaev Refte·iov er.t iv aer ¸reitev .vftage iv aa. Ka¡itet
>ívr.icb.eiv· eivgearbeitet. Alle Abschnitte, die Reílexionsterme enthalten, íehlen in der
ersten Auílage entweder gänzlich, oder sie sind umgeschrieben worden, ·ornehmlich um der
Liníührung dieser 1erme willen.
So hat also die Identiíikation U
1
~ U
2
zwar keine logische, wohl aber
diejenige Notwendigkeit, die sich aus der Veríassung eines jeden
Prozesses der lortbestimmung ·on Bedeutungen ergibt, - in der
Sprachgeschichte ebenso wie in der Geschichte der Lntwicklung
wissenschaítlicher 1heorien, wenn diese nur ihrem eigenen Gesetz
gehorchen und nicht, wie zumeist, ·on externen laktoren beeinílu|t
oder sogar gesteuert sind: Das nachíolgende Bedeutungssystem mu|
ebenso gehalt·oll und applikabel sein wie das, das es ersetzt.

Das konnte zu der Vermutung íühren, legel habe zur Zeit der Neuíassung der Logik die
Strukturen der Reílexion in das lürsichsein übertragen wollen, wir wü|ten nicht, welche
lolgerungen er daraus bei der Analyse der Reílexion ziehen wollte, íür die es eine zweite
Auílage nicht gibt. Lie|e sich diese Vermutung erhärten, so wäre sie todlich íür die hier
·ertretenen 1hesen.
Doch lä|t sich zeigen, da| legel selber darauí bedacht war, den Unterschied zum \esen
íestzuhalten. In der Ubersicht der zweiten Auílage über seinen Gedankengang ,154,2,9 íí., sagt
er, da| im lürsichsein die Momente auseinandertreten, weil am lürsichsein die lorm der
Unmittelbarkeit insoíern gewahrt wird, als jedes Moment als eine eigene, seiende Bestimmung
zu setzen ist.
In welcher Beziehung aber logische Lxplikationsíorm und Unmittelbarkeit der Momente im
rekonstruierten ·lürsichsein· zu einander stehen, das
146
drängt, der Llemente einer Bedeutung in stabile Beziehung zueinander zu
bringen ·ersucht.
Ls soll auch kohärenter sein und die Lücken íüllen, die sein Vorgänger bei
der Beschreibung und Lrklärung ·on \irklichem oííenlie|. Die zweite
lorderung ist íür legels 1heorie der Sequenz ·on Ontologiekernen
unerheblich, - auígrund der Annahme, da| diese Sequenz ·on Beobachtung
grundsätzlich unabhängig ist. Im übrigen íolgt sie den gleichen Regeln.
14

2. Die negierte Negation mu| nicht nur irgendein Resultat haben. Sie mu| es
iv eiver !ei.e haben, die sie zum Nachíolger des Begriíís der Indiííerenz
macht. Nun wird aber die gesamte Situation der Bedeutungsanalyse dadurch
·erändert, da| eine Operationsregel zum 1hema der Untersuchung wird.
Ls ist deshalb sinn·oll, die negierte Negation nicht nur als Nachíolger der
Indiííerenz anzusehen. Sie ist zugleich eine Struktur, welche die ganze bis-
herige Bedeutungssequenz ablost und eine neue lolge ·on Bedeutungs-
strukturen einleitet, deren Lntwicklungsrichtung ·orerst noch unabsehbar
ist. Deshalb ist es erlaubt, sie zugleich als Nachíolger der Struktur des
Seins im allgemeinen einzuíühren. Auch dies hat legel im Sinn, wenn er die
\esenslogik mit der Maxime beginnt, das \esen müsse zunächst
unmittelbar genommen werden, so da| es den Gegensatz des Seins noch an
ihm hat.
Da| dem der äu|ere Anschei n und zum guten 1eil auch legels
Selbst·erständnis entgegenstehen, hat seinen Grund aber doch in
der Besonderheit der Bedeutungssequenz seiner Logik, ·on
empirischen Gegebenheiten ganz unabhängig sein und nur in-
terne Relationen ·on Begriííen untersuchen zu
14¯

14 In dieser Konírontation habe ich ·on der 1heorie ·on \ilíried Sellars gelernt.
In diesem Kontext eríolgt die Bedeutungs·erschiebung. Sie ist die
Voraussetzung daíür, da| die negierte Negation überhaupt zum
Nachíolger ·on Sein und Indiííerenz werden kann. Ohne die
Identiíikation U
1
~ U
2
würde sie keine Bestimmtheit ergeben, ohne sie
würde sie auch nicht aus ihrer eigenen Struktur heraus weiterzuentwickeln
sein. Im besten lalle würde sie der Inkonsistenz, die legel in der
Indiííerenz íand, einen anderen Ausdruck geben. Sie bliebe abhängig ·on
dem, dem sie nachíolgen sollte, und íiele bald in es zurück.
Das Kapitel ·lürsichsein· in der Seinslogik enthält Passagen, die durchaus mit lilíe der
Begriííe ·Setzen· und ·Voraussetzen· auígebaut sind ,1,159,2, 162,2,4 íí., auch 16¯,8,.
legel leitet in dieses Kapitel auch so ein, da| es schwierig wird, die Dynamik seiner
Lntwicklung ·on der des \esens zu unterscheiden ,1,14¯,1,16 íí.,.
Daraus ergibt sich die Interpretationsauígabe, das Verhältnis des lürsichseins zum \esen
auízuklären. Durch íolgende Beobachtung wird diese Auígabe noch kompliziert: íeget bat
aie 1ervivotogie aer be.tivvevaev Refte·iov er.t iv aer ¸reitev .vftage iv aa. Ka¡itet
>ívr.icb.eiv· eivgearbeitet. Alle Abschnitte, die Reílexionsterme enthalten, íehlen in der
ersten Auílage entweder gänzlich, oder sie sind umgeschrieben worden, ·ornehmlich um der
Liníührung dieser 1erme willen.
So hat also die Identiíikation U
1
~ U
2
zwar keine logische, wohl aber
diejenige Notwendigkeit, die sich aus der Veríassung eines jeden
Prozesses der lortbestimmung ·on Bedeutungen ergibt, - in der
Sprachgeschichte ebenso wie in der Geschichte der Lntwicklung
wissenschaítlicher 1heorien, wenn diese nur ihrem eigenen Gesetz
gehorchen und nicht, wie zumeist, ·on externen laktoren beeinílu|t
oder sogar gesteuert sind: Das nachíolgende Bedeutungssystem mu|
ebenso gehalt·oll und applikabel sein wie das, das es ersetzt.

Das konnte zu der Vermutung íühren, legel habe zur Zeit der Neuíassung der Logik die
Strukturen der Reílexion in das lürsichsein übertragen wollen, wir wü|ten nicht, welche
lolgerungen er daraus bei der Analyse der Reílexion ziehen wollte, íür die es eine zweite
Auílage nicht gibt. Lie|e sich diese Vermutung erhärten, so wäre sie todlich íür die hier
·ertretenen 1hesen.
Doch lä|t sich zeigen, da| legel selber darauí bedacht war, den Unterschied zum \esen
íestzuhalten. In der Ubersicht der zweiten Auílage über seinen Gedankengang ,154,2,9 íí., sagt
er, da| im lürsichsein die Momente auseinandertreten, weil am lürsichsein die lorm der
Unmittelbarkeit insoíern gewahrt wird, als jedes Moment als eine eigene, seiende Bestimmung
zu setzen ist.
In welcher Beziehung aber logische Lxplikationsíorm und Unmittelbarkeit der Momente im
rekonstruierten ·lürsichsein· zu einander stehen, das
146
sollen. In solchem lalle ist die Beziehung des Nachíolgers zum
Vorgänger extrem eng. Neue Gegebenheiten sind nicht zu integrieren. So
bleiben als Auígaben nur hohere Bestimmtheit der Begriííe und die
Beseitigung ·on Inkonsistenzen. Deshalb wird auch bei radikalen
Verschiebungen ·on Bedeutungen und bei der Produktion ·on Ideen, die
ihren Vorgängern ganz entgegengesetzt zu sein scheinen, in den internen
Relationen der Bedeutungselemente zueinander eine Grundstruktur
gewahrt bleiben. Diese Grundstruktur ist íür legel die der bestimmten
Negation. Sie wird sich - mit mancherlei Linschränkungen oder
Lrweiterungen -- anwenden lassen, welcher Ontologiekern auch immer
analysiert wird. In der Logik der Reílexion ist sie selber Gegenstand der
Analyse.
Logikinterpretationen im linblick auí Schlüssel bestätigen aber legels
Bekundungen gegen die Interpreten: Ls ist niemandem gelungen, mit lilíe
eines Schlüssels eine Mechanik zu erschlie|en, sie dem 1ext der Logik zu
unterstellen und so zu einleuchtenden Interpretationen zu kommen. Die
Logik hat kein Geheimnis, das es notig machte, den Sinn des gedruckten
1extes auí einen ·erborgenen Sinn in seiner 1ieíe hin zu dechiíírieren.
Das hei|t nicht, sie gebe keine Methodenprobleme auí. Das tut sie
oííenbar in hohem Ma|e. Nur sind sie ·on anderer Art.
Dieses Kapitel der Logik ist also nicht eines unter ·ielen. Sollte man darum
·ermuten, da| es der eigentliche Schlüssel íür die ganze Logik ist· In den
letzten Jahren wurde ·on Zeit zu Zeit nach solchen Schlüsseln gesucht
15
, -
nach einer g einíachen logischen Operation, die den Abschnitten der Logik
supponiert werden konnte, um so den lortschritt ·er ständlich zu machen,
der nach legels Versicherung in ihnen stattíindet, der aber íür den Leser
oít nur schwer zu identiíizieren ist.
\er ei nen Schl üssel íi nden wi l l , mu| si ch al l erdi ngs über legel s
häuíi ge Bekundungen hi nwegsetzen, di e Logi k wechsel e i hre
Methode i n i hren drei Di szi pl i nen. Di e Lrgebni sse der




149

Die negierte Negation kann aus zwei Gründen kein Schlüssel zur
Rekonstruktion der ganzen Logik sein: Nimmt man sie rein nur als
íormale Operation, so hat sie überhaupt kein Lrgebnis. lügt man das
Postulat hinzu, ihr Lrgebnis solle nicht gleich Null sein, so erlaubt sie
nur dann, etwas zu setzen, wenn man schon wei|, was das Gegenteil
dessen ist, das negiert wurde. Man kann es nicht durch Anwendung der
Negation ermitteln. Ls mu| sich im Proze| der Bedeutungsent-
wicklung ergeben.
16
\ird nun die Negation der Negation im Sinne des
Begriíís ·om \esen geía|t, so hat sie allerdings als solche schon ein
Resultat, - den abstrakten Begriíí dessen, was ganz ohne negati·e
Beziehung zu denken ist: Unmittelbarkeit ,U
1
,. Damit die negierte
Negation eine selbstgenügsame Struktur bleibt, mu| auch noch die
Bedeutungsidentiíikation ·ollzogen werden. In ihrer ·ollständigen lorm
kann die doppelte Negation aber gewi| nicht der ganzen Logik
supponiert werden. í. ¸eigt .icb, aa; .ie .etber rietvebr aie ´eiv.togi/
rorav..et¸t, die alternati·elos dazu moti·iert, die Bedeutungsidentiíikation
zu ·ollziehen, und die sie in diesem Sinne notwendig macht. So ergibt
sich ein interessantes Resultat, das die eigentümliche Stellung der
Reílexionslogik bezeichnet: Die Struktur, die in der ganzen Logik als
methodische Operationsregel íungiert, lä|t sich selber nur analysieren,

auszumachen, bleibt eine der erheblichsten Schwierigkeiten íür das Verständnis der Seinslogik. Man
mu| íragen, ob es legel gelungen ist, die Lxplikationsmittel der ersten Auílage ·ollständig durch
Reílexionsterme zu ersetzen, obgleich er nicht alle Passagen umgeschrieben hat. Gelang es ihm nicht,
so wird man die Reílexionsterminologie als eine Lrläuterung írüherer Lxplikationsmittel
·erstehen müssen, also als eine Art ·on Lxplikation zweiter Stuíe, oder íestzustellen
haben, da| in dem Kapitel eine ambi·alente Situation herrscht. Sie würde den \unsch
legels noch ·erständlicher machen, die Zeit zu ·ielen weiteren Umarbeitungen zu haben.

15 Insbesondere in den legelarbeiten ·on Gotthard Günther und bei \olígang
Albrecht, íeget. Cotte.berei., Berlin 1958.
16 Nicht aus Anla| der Negation, sondern in der Regel ihr ·oraus bei der Ltablierung der
Korrelation.
148
sollen. In solchem lalle ist die Beziehung des Nachíolgers zum
Vorgänger extrem eng. Neue Gegebenheiten sind nicht zu integrieren. So
bleiben als Auígaben nur hohere Bestimmtheit der Begriííe und die
Beseitigung ·on Inkonsistenzen. Deshalb wird auch bei radikalen
Verschiebungen ·on Bedeutungen und bei der Produktion ·on Ideen, die
ihren Vorgängern ganz entgegengesetzt zu sein scheinen, in den internen
Relationen der Bedeutungselemente zueinander eine Grundstruktur
gewahrt bleiben. Diese Grundstruktur ist íür legel die der bestimmten
Negation. Sie wird sich - mit mancherlei Linschränkungen oder
Lrweiterungen -- anwenden lassen, welcher Ontologiekern auch immer
analysiert wird. In der Logik der Reílexion ist sie selber Gegenstand der
Analyse.
Logikinterpretationen im linblick auí Schlüssel bestätigen aber legels
Bekundungen gegen die Interpreten: Ls ist niemandem gelungen, mit lilíe
eines Schlüssels eine Mechanik zu erschlie|en, sie dem 1ext der Logik zu
unterstellen und so zu einleuchtenden Interpretationen zu kommen. Die
Logik hat kein Geheimnis, das es notig machte, den Sinn des gedruckten
1extes auí einen ·erborgenen Sinn in seiner 1ieíe hin zu dechiíírieren.
Das hei|t nicht, sie gebe keine Methodenprobleme auí. Das tut sie
oííenbar in hohem Ma|e. Nur sind sie ·on anderer Art.
Dieses Kapitel der Logik ist also nicht eines unter ·ielen. Sollte man darum
·ermuten, da| es der eigentliche Schlüssel íür die ganze Logik ist· In den
letzten Jahren wurde ·on Zeit zu Zeit nach solchen Schlüsseln gesucht
15
, -
nach einer g einíachen logischen Operation, die den Abschnitten der Logik
supponiert werden konnte, um so den lortschritt ·er ständlich zu machen,
der nach legels Versicherung in ihnen stattíindet, der aber íür den Leser
oít nur schwer zu identiíizieren ist.
\er ei nen Schl üssel íi nden wi l l , mu| si ch al l erdi ngs über legel s
häuíi ge Bekundungen hi nwegsetzen, di e Logi k wechsel e i hre
Methode i n i hren drei Di szi pl i nen. Di e Lrgebni sse der




149

Die negierte Negation kann aus zwei Gründen kein Schlüssel zur
Rekonstruktion der ganzen Logik sein: Nimmt man sie rein nur als
íormale Operation, so hat sie überhaupt kein Lrgebnis. lügt man das
Postulat hinzu, ihr Lrgebnis solle nicht gleich Null sein, so erlaubt sie
nur dann, etwas zu setzen, wenn man schon wei|, was das Gegenteil
dessen ist, das negiert wurde. Man kann es nicht durch Anwendung der
Negation ermitteln. Ls mu| sich im Proze| der Bedeutungsent-
wicklung ergeben.
16
\ird nun die Negation der Negation im Sinne des
Begriíís ·om \esen geía|t, so hat sie allerdings als solche schon ein
Resultat, - den abstrakten Begriíí dessen, was ganz ohne negati·e
Beziehung zu denken ist: Unmittelbarkeit ,U
1
,. Damit die negierte
Negation eine selbstgenügsame Struktur bleibt, mu| auch noch die
Bedeutungsidentiíikation ·ollzogen werden. In ihrer ·ollständigen lorm
kann die doppelte Negation aber gewi| nicht der ganzen Logik
supponiert werden. í. ¸eigt .icb, aa; .ie .etber rietvebr aie ´eiv.togi/
rorav..et¸t, die alternati·elos dazu moti·iert, die Bedeutungsidentiíikation
zu ·ollziehen, und die sie in diesem Sinne notwendig macht. So ergibt
sich ein interessantes Resultat, das die eigentümliche Stellung der
Reílexionslogik bezeichnet: Die Struktur, die in der ganzen Logik als
methodische Operationsregel íungiert, lä|t sich selber nur analysieren,

auszumachen, bleibt eine der erheblichsten Schwierigkeiten íür das Verständnis der Seinslogik. Man
mu| íragen, ob es legel gelungen ist, die Lxplikationsmittel der ersten Auílage ·ollständig durch
Reílexionsterme zu ersetzen, obgleich er nicht alle Passagen umgeschrieben hat. Gelang es ihm nicht,
so wird man die Reílexionsterminologie als eine Lrläuterung írüherer Lxplikationsmittel
·erstehen müssen, also als eine Art ·on Lxplikation zweiter Stuíe, oder íestzustellen
haben, da| in dem Kapitel eine ambi·alente Situation herrscht. Sie würde den \unsch
legels noch ·erständlicher machen, die Zeit zu ·ielen weiteren Umarbeitungen zu haben.

15 Insbesondere in den legelarbeiten ·on Gotthard Günther und bei \olígang
Albrecht, íeget. Cotte.berei., Berlin 1958.
16 Nicht aus Anla| der Negation, sondern in der Regel ihr ·oraus bei der Ltablierung der
Korrelation.
148
wenn sie im Zusammenhang der Logik durch moti·ierte Be-
deutungsidentiíikation eingeíührt worden ist. Die Voraussetzung der
ganzen Logik hat selber deren ersten 1eil zur Voraussetzung.
Moglichkeit einer solchen 1heorie sichern lä|t, gehort zu den Problemen,
·on denen hier abzusehen ist. -
Aber hier kann noch - in einer íormalen Skizze - angegeben werden, welche
Stellung die Reílexionslogik im Ganzen ihres Kontextes _einnimmt. legel
meint, der Aníang der Bedeutungssequenz der Logik mache ein Begriííspaar,
das sich noch gar nicht explizieren lä|t, über das also auch nur negati·, als
über eines gesprochen werden kann, das nicht zu charakterisieren ist. In der
Sache hat er es schon als unbezogene Zweiheit ·on Negation und
Unmittelbarkeit konzipiert. \eil sie unbezogen sind, sollen sie auch
ununterscheidbar sein. Sie ergeben sich, wenn man nach dem Liníachsten
in der Bedeutungsíolge, dem gänzlich Unbestimmten sucht. In der 1heorie
sind sie aber nur íestzuhalten, wenn die Methode des lesthaltens und die
íestgehaltene Sache ·on ganz ·erschiedener Struktur sind.
Dieser Satz ist nicht billiger 1ieísinn oder eine íür legels Programm
·ernichtende Absurdität, - dann jedeníalls nicht, wenn sich in der Logik
Bedeutungen íortbestimmen, nicht nur Implikationen ·on Prämissen zeigen.
Geht man ·on einem elementaren, noch hochst unbestimmten
Bedeutungssystem aus, so werden sich in ihm interne Relationen íinden
lassen, die mit den Mitteln, die das Bedeutungssystem selbst anbietet, nicht
werden beschrieben werden konnen. In einer 1heorie der Sequenz ·on
Ontologiekernen sollen sie aber beschrieben werden. Dabei wird man
Mittel benutzen müssen, die zunächst ganz unanalysiert bleiben. Ls ist
nicht sinnlos anzunehmen, da| im lortgang der Sequenz eine Stuíe
erreicht wird, auí der nunmehr auch diese Mittel zu beschreiben sind. Da|
die Mittel, die nun beschrieben werden, allgemein ·erwendet werden
konnten, wird wenigstens zum 1eil dadurch ·erständlich, da| sie nun als
Nachíolger der ganzen Struktur der Seinslogik zum 1hema werden, die
zu·or Gegenstand der Beschreibung war. Da| sie nicht írüher beschrieben
werden konnten, ergibt sich daraus, da| sie als Nachíolger erst auítreten
konnen, wenn sie um weitere Llemente ergänzt und somit zu einer
autonomen, nicht nur einer methodischen Struktur gemacht wurden.
Auch in den íolgenden Schritten bleibt die Methode der Sache gegenüber
in Diííerenz, und zwar in dreiíachem Sinne: 1. Als 1heorie der
Bedeutungswandlung kann die Methode ohnehin nicht in ihrer Sache
auígehen. z. Aber auch die logischen Strukturen, auí die hin die behandelte
Sache beschrieben wird und die den Ubergang ·on Lxtrem zu Lxtrem
in einem Ontologiekern leiten, íassen den beschriebenen Sach·erhalt nicht
·ollständig. Stets bleibt ein Bedeutungsüberschu|, der nur realisiert, aber
nicht durch íormales Operieren erzwungen werden kann. 3. Der Methode
bleibt auch ein Spielraum, die Richtung zu bestimmen, in der Versuche ge-
macht werden sollen, die jeweils ·erbliebenen Inkonsistenzen zu stabilisieren
und einen Ontologiekern ·on hoherer Bestimmtheit als Nachíolger zu
gewinnen. Diese Versuche geschehen zwar nicht beliebig, sondern sind ·on
der analysierten Sache moti·iert. Analytisch erzwungen sind sie aber
nicht.
In der Logik der Reílexion ist ein Ontologiekern zum ersten Mal zugleich
Methodenbegriíí der 1heorie jener Bedeutungssequenz, innerhalb deren er
sich ergeben hat. Man wei|, da| legel gerade an dieser Selbstbeziehung
seiner 1heorie interessiert war. Ls ist auch gar nicht zu bestreiten, da|
eine tet¸te 1heorie nur unter Linschlu| solcher Selbstbeziehung deíiniert
und konzipiert werden kann.

Die lrage, wie sich die reale


151
1¯ Vgl. lrederic B. litch, ´,vbotic íog i c , New \ork 1952, S. 21¯ íí., ders., |vi rer.at Met at avgvage.
f or Pbi t o.o¡b,, i n: Rerier of Me t a¡b,.ic., 1964, S. 396 íí., sowie die Beiträge in R. L. Martin ,ed.,,
1be Paraao· of tbe íiar, New la·en 19¯0.
150
wenn sie im Zusammenhang der Logik durch moti·ierte Be-
deutungsidentiíikation eingeíührt worden ist. Die Voraussetzung der
ganzen Logik hat selber deren ersten 1eil zur Voraussetzung.
Moglichkeit einer solchen 1heorie sichern lä|t, gehort zu den Problemen,
·on denen hier abzusehen ist. -
Aber hier kann noch - in einer íormalen Skizze - angegeben werden, welche
Stellung die Reílexionslogik im Ganzen ihres Kontextes _einnimmt. legel
meint, der Aníang der Bedeutungssequenz der Logik mache ein Begriííspaar,
das sich noch gar nicht explizieren lä|t, über das also auch nur negati·, als
über eines gesprochen werden kann, das nicht zu charakterisieren ist. In der
Sache hat er es schon als unbezogene Zweiheit ·on Negation und
Unmittelbarkeit konzipiert. \eil sie unbezogen sind, sollen sie auch
ununterscheidbar sein. Sie ergeben sich, wenn man nach dem Liníachsten
in der Bedeutungsíolge, dem gänzlich Unbestimmten sucht. In der 1heorie
sind sie aber nur íestzuhalten, wenn die Methode des lesthaltens und die
íestgehaltene Sache ·on ganz ·erschiedener Struktur sind.
Dieser Satz ist nicht billiger 1ieísinn oder eine íür legels Programm
·ernichtende Absurdität, - dann jedeníalls nicht, wenn sich in der Logik
Bedeutungen íortbestimmen, nicht nur Implikationen ·on Prämissen zeigen.
Geht man ·on einem elementaren, noch hochst unbestimmten
Bedeutungssystem aus, so werden sich in ihm interne Relationen íinden
lassen, die mit den Mitteln, die das Bedeutungssystem selbst anbietet, nicht
werden beschrieben werden konnen. In einer 1heorie der Sequenz ·on
Ontologiekernen sollen sie aber beschrieben werden. Dabei wird man
Mittel benutzen müssen, die zunächst ganz unanalysiert bleiben. Ls ist
nicht sinnlos anzunehmen, da| im lortgang der Sequenz eine Stuíe
erreicht wird, auí der nunmehr auch diese Mittel zu beschreiben sind. Da|
die Mittel, die nun beschrieben werden, allgemein ·erwendet werden
konnten, wird wenigstens zum 1eil dadurch ·erständlich, da| sie nun als
Nachíolger der ganzen Struktur der Seinslogik zum 1hema werden, die
zu·or Gegenstand der Beschreibung war. Da| sie nicht írüher beschrieben
werden konnten, ergibt sich daraus, da| sie als Nachíolger erst auítreten
konnen, wenn sie um weitere Llemente ergänzt und somit zu einer
autonomen, nicht nur einer methodischen Struktur gemacht wurden.
Auch in den íolgenden Schritten bleibt die Methode der Sache gegenüber
in Diííerenz, und zwar in dreiíachem Sinne: 1. Als 1heorie der
Bedeutungswandlung kann die Methode ohnehin nicht in ihrer Sache
auígehen. z. Aber auch die logischen Strukturen, auí die hin die behandelte
Sache beschrieben wird und die den Ubergang ·on Lxtrem zu Lxtrem
in einem Ontologiekern leiten, íassen den beschriebenen Sach·erhalt nicht
·ollständig. Stets bleibt ein Bedeutungsüberschu|, der nur realisiert, aber
nicht durch íormales Operieren erzwungen werden kann. 3. Der Methode
bleibt auch ein Spielraum, die Richtung zu bestimmen, in der Versuche ge-
macht werden sollen, die jeweils ·erbliebenen Inkonsistenzen zu stabilisieren
und einen Ontologiekern ·on hoherer Bestimmtheit als Nachíolger zu
gewinnen. Diese Versuche geschehen zwar nicht beliebig, sondern sind ·on
der analysierten Sache moti·iert. Analytisch erzwungen sind sie aber
nicht.
In der Logik der Reílexion ist ein Ontologiekern zum ersten Mal zugleich
Methodenbegriíí der 1heorie jener Bedeutungssequenz, innerhalb deren er
sich ergeben hat. Man wei|, da| legel gerade an dieser Selbstbeziehung
seiner 1heorie interessiert war. Ls ist auch gar nicht zu bestreiten, da|
eine tet¸te 1heorie nur unter Linschlu| solcher Selbstbeziehung deíiniert
und konzipiert werden kann.

Die lrage, wie sich die reale


151
1¯ Vgl. lrederic B. litch, ´,vbotic íog i c , New \ork 1952, S. 21¯ íí., ders., |vi rer.at Met at avgvage.
f or Pbi t o.o¡b,, i n: Rerier of Me t a¡b,.ic., 1964, S. 396 íí., sowie die Beiträge in R. L. Martin ,ed.,,
1be Paraao· of tbe íiar, New la·en 19¯0.
150
Im Gang der Seinslogik wird der Spielraum íür solche Versuche immer
weiter eingeengt. Darüber hinaus ist im lürsichsein eine Struktur erreicht,
die es notwendig zu machen scheint, den ganzen logischen Bestand, der in
der Reílexion entwickelt werden wird, zu ihrer Beschreibung auízubieten.
Da| sie dennoch nicht mit ihm identisch ist, zeigt ·or allem das Lrgebnis.
In ihm lä|t sich nicht íesthalten, was allein durch die
Bedeutungsidentiíikation im \esen gesichert werden konnte. Die
Unmittelbarkeit tritt in der Diííerenz zur Vermittlung erneut her·or, der
Gebrauch der Methode in der Diííerenz zur Sache ist íortzusetzen.
rakter dessen bezeichnet, was in der Logik der Reílexion geschah. Das
bedeutet aber, da| sich nach dem Abschlu| der Reílexionslogik auch die
Diííerenz zwischen Methode und 1hema in einem ·eränderten Sinne
wiederherstellt. Die ívaaaeqvav¸ ¸ri.cbev 1beva vva í·¡ti/atiov.vittet be¸eicb·
vet rov vvv av ivver avcb eivev Mavget iv aer 1er.tavaigvvg vber aa.
í·¡ti/atiov.vittet .etber. Der ·ollständige Begriíí ·on dem Zusammenhang
steht noch aus, in dem die doppelte Negation Resultate haben kann.
Lrst nachdem sie die Reílexion untersucht hat, kann die Logik deshalb
Aussicht darauí machen, auch die Grundzüge ihrer selbst als \issenschaít
noch in ihrem eigenen Gange zu erreichen und íestzustellen. Denn daíür
ist natürlich ·orauszusetzen, da| sie ihre Lxplikationsmittel schon zum
1hema hat, auch da| sie sie in einen Zusammenhang bringen kann, der die
Mittel noch umgreiít und der sie auch kontinuierlich als 1hema weiterer
Bestimmung íesthält. Vom ·ariablen Gebrauch ·on Regeln kann nur
gesprochen werden, wenn die Regeln selbst bereits bekannt und íestgehalten
sind.
Der Ubergang zum \esen wurde ausíührlich untersucht. \äre im
Ubergang die Methode nicht ·on der Sache ·erschieden, so wäre er niemals
zuwege zu bringen. Die Bedeutungsidentiíikation lä|t sich nur als lortgang
im Sinne dessen ·erstehen und begründen, was zu·or schon zustande
gekommen war. Im Sinne der Deduktion gibt es íür sie keinen Beweis. Ist
aber die Identiíikation eríolgt und das Axiom der \esenslogik etabliert, das
sich aus ihr ergibt, so wird der lortschritt der Logik immanent. Der
Unterschied zwischen der Logik als 1heorie und ihrem 1hema bleibt zwar
bestehen, doch die Diííerenz zwischen dem 1hema und den
Lxplikationsmitteln der 1heorie ·erschwindet. Zur Lxplikation steht
nunmehr nur die Relation zwischen Vermittlung und Unmittelbarkeit an,
die reine Struktur der negierten Negation. Sie ist 1hema der Logik in
dem 1eil, der hier analysiert wurde.
Selbst die Logik des Begriíís bleibt in diesem Sinne insgesamt auí die
Reílexionslogik bezogen. Im Urteil hat sie zwar einen neuen Anhalt íür
eine Lntwicklung nach eigenen Regeln. legel ·ersteht bekanntlich die
Copula grundsätzlich als Behauptung der Identität. Darum ist er imstande,
sie als lorderung der Angleichung der Modi des Begriíís auízuíassen, die
im Urteil in geordneter lolge die Stelle der Bedingung und die des
Bedingten besetzen. \eil sie ein eigenes Kriterium der spekulati·en
Lntwicklung besitzt, konnte die Urteilslogik als geheimer Motor des
ganzen logischen Prozesses angesehen werden.
18
Dann mu| man aber
ignorieren, da| schon die \eise, in der legel ·Allgemeinheit· und
·Besonderheit· deíiniert, ganz un·erständlich ist, wenn man in diesen
Gedanken nicht mitdächte, da| sie die Instabilität der blo|en

Aber auch der Begriíí der negierten Negation treibt bald in eine Lage, in
der er sich einer stabilen Auííassung entzieht und in der Inkonsistenzen
entstehen. Ls erweist sich also als notwendig, die Diííerenz zwischen
1heorie und Sache wieder eintreten zu lassen. Neue Gedanken müssen
sich ergeben. In ihnen mü|te das ·Zugleich· ·on Vermittlung und
Unmittelbarkeit im \esen durch eine bestimmte Relation ersetzt wer-
den. So ist etwa das Verhältnis des Grundes ein Begriíí ·om \esen,
insoíern es Scheinen ist, also ein Begriíí, der den Cha-

153

18 Vgl. die Arbeit ·on \. Albrecht, zit. Anm. 15.
152
Im Gang der Seinslogik wird der Spielraum íür solche Versuche immer
weiter eingeengt. Darüber hinaus ist im lürsichsein eine Struktur erreicht,
die es notwendig zu machen scheint, den ganzen logischen Bestand, der in
der Reílexion entwickelt werden wird, zu ihrer Beschreibung auízubieten.
Da| sie dennoch nicht mit ihm identisch ist, zeigt ·or allem das Lrgebnis.
In ihm lä|t sich nicht íesthalten, was allein durch die
Bedeutungsidentiíikation im \esen gesichert werden konnte. Die
Unmittelbarkeit tritt in der Diííerenz zur Vermittlung erneut her·or, der
Gebrauch der Methode in der Diííerenz zur Sache ist íortzusetzen.
rakter dessen bezeichnet, was in der Logik der Reílexion geschah. Das
bedeutet aber, da| sich nach dem Abschlu| der Reílexionslogik auch die
Diííerenz zwischen Methode und 1hema in einem ·eränderten Sinne
wiederherstellt. Die ívaaaeqvav¸ ¸ri.cbev 1beva vva í·¡ti/atiov.vittet be¸eicb·
vet rov vvv av ivver avcb eivev Mavget iv aer 1er.tavaigvvg vber aa.
í·¡ti/atiov.vittet .etber. Der ·ollständige Begriíí ·on dem Zusammenhang
steht noch aus, in dem die doppelte Negation Resultate haben kann.
Lrst nachdem sie die Reílexion untersucht hat, kann die Logik deshalb
Aussicht darauí machen, auch die Grundzüge ihrer selbst als \issenschaít
noch in ihrem eigenen Gange zu erreichen und íestzustellen. Denn daíür
ist natürlich ·orauszusetzen, da| sie ihre Lxplikationsmittel schon zum
1hema hat, auch da| sie sie in einen Zusammenhang bringen kann, der die
Mittel noch umgreiít und der sie auch kontinuierlich als 1hema weiterer
Bestimmung íesthält. Vom ·ariablen Gebrauch ·on Regeln kann nur
gesprochen werden, wenn die Regeln selbst bereits bekannt und íestgehalten
sind.
Der Ubergang zum \esen wurde ausíührlich untersucht. \äre im
Ubergang die Methode nicht ·on der Sache ·erschieden, so wäre er niemals
zuwege zu bringen. Die Bedeutungsidentiíikation lä|t sich nur als lortgang
im Sinne dessen ·erstehen und begründen, was zu·or schon zustande
gekommen war. Im Sinne der Deduktion gibt es íür sie keinen Beweis. Ist
aber die Identiíikation eríolgt und das Axiom der \esenslogik etabliert, das
sich aus ihr ergibt, so wird der lortschritt der Logik immanent. Der
Unterschied zwischen der Logik als 1heorie und ihrem 1hema bleibt zwar
bestehen, doch die Diííerenz zwischen dem 1hema und den
Lxplikationsmitteln der 1heorie ·erschwindet. Zur Lxplikation steht
nunmehr nur die Relation zwischen Vermittlung und Unmittelbarkeit an,
die reine Struktur der negierten Negation. Sie ist 1hema der Logik in
dem 1eil, der hier analysiert wurde.
Selbst die Logik des Begriíís bleibt in diesem Sinne insgesamt auí die
Reílexionslogik bezogen. Im Urteil hat sie zwar einen neuen Anhalt íür
eine Lntwicklung nach eigenen Regeln. legel ·ersteht bekanntlich die
Copula grundsätzlich als Behauptung der Identität. Darum ist er imstande,
sie als lorderung der Angleichung der Modi des Begriíís auízuíassen, die
im Urteil in geordneter lolge die Stelle der Bedingung und die des
Bedingten besetzen. \eil sie ein eigenes Kriterium der spekulati·en
Lntwicklung besitzt, konnte die Urteilslogik als geheimer Motor des
ganzen logischen Prozesses angesehen werden.
18
Dann mu| man aber
ignorieren, da| schon die \eise, in der legel ·Allgemeinheit· und
·Besonderheit· deíiniert, ganz un·erständlich ist, wenn man in diesen
Gedanken nicht mitdächte, da| sie die Instabilität der blo|en

Aber auch der Begriíí der negierten Negation treibt bald in eine Lage, in
der er sich einer stabilen Auííassung entzieht und in der Inkonsistenzen
entstehen. Ls erweist sich also als notwendig, die Diííerenz zwischen
1heorie und Sache wieder eintreten zu lassen. Neue Gedanken müssen
sich ergeben. In ihnen mü|te das ·Zugleich· ·on Vermittlung und
Unmittelbarkeit im \esen durch eine bestimmte Relation ersetzt wer-
den. So ist etwa das Verhältnis des Grundes ein Begriíí ·om \esen,
insoíern es Scheinen ist, also ein Begriíí, der den Cha-

153

18 Vgl. die Arbeit ·on \. Albrecht, zit. Anm. 15.
152
Reílexionsstruktur korrigieren. legel hatte sich írüh da·on überzeugt, da|
Phänomene des Lebens und des Geistes den Gebrauch solcher Gedanken
·erlangen. lür die Bedeutungsentwicklung der Logik ist das aber ohne
Belang. In ihr erscheinen Allgemeinheit und Besonderheit lediglich als Ge-
danken ·on einem Zusammenhang ·on Vermittlung und Unmittelbarkeit,
der ·om ·zugleich· ·on Setzen und Voraussetzen im \esen íreigekommen
ist. So nur geben sie dann auch eine Moglichkeit her, die Methode der Logik
als 1heorie zu beschreiben. Denn diese \issenschaít soll ja gewi| nicht sein,
woíür die Phänomenologie noch ·das \ahre· selber hält: ein 1aumel, in
dem kein Glied nicht trunken ist. Sie ist Kenntnisnahme der
Bedeutungsentwicklung ·on Grundgedanken über das, was der lall ist,
und sie íolgt dieser Lntwicklung, indem sie ·on Grundregeln ·ariablen
Gebrauch
Dennoch ist er schon mit der methodischen Veríassung seiner
lundamentaltheorie gegeben.
Daraus konnte man die Konsequenz ziehen, da| das laktum des Aníangs
seinerseits zum Prinzip gesteigert werden mu|. Dann wäre zu sagen, da|
der logische Proze| ·on einer ihm un·eríügbaren Voraussetzung
dependiert, die sich in der Unmittelbarkeit des Aníangs geltend macht und
die nie wieder eingeholt werden kann. lür einen solchen Versuch spricht
·iel.
20
Gegen ihn mu| sich aber schlie|lich doch legels Grundprinzip
durchsetzen, - das Prinzip ·on der Subjekti·ität in der Gestalt der 1hese,
da| der Proze| selbst das Absolute sei, Denn ein un·eríügbarer Grund
des Aníanges konnte in gar keiner \eise die lolge ·erständlich machen, die
aus ihm her·orgeht. Ist sie Bedeutungsentwicklung, so kann man sie nur in
Beziehung auí einen Aníang denken, der schon eríolgt ist, - nicht aber aus
dem, was etwa in diesem Aníang sich aussprechen oder ausdrücken mag.
Gibt es einen Grund, so ist er im Aníang nicht mehr als in der Sequenz
selber zu íinden, somit auch in jenen Regeln, die zunächst nur Methode,
schlie|lich selber 1hema in der Lntwicklung der Sequenz sind. Ist das
Subjekt bedingt, so sind seine Bedingungen nicht in seiner Genese, sondern
in seinem Proze| zu suchen.
21

macht, der im Begriíí der Methode grundsätzlich ·erstanden werden sollte.
Dieser Begriíí der Logik ist noch nicht der Begriíí der Philosophie, aber er
ist der Grundri| zu ihm. So lä|t sich die Logik als eine
Bedeutungsentwicklung ·erstehen, die am Lnde noch ·erständlich macht,
wieso sie ·erstanden werden kann. Ist das der lall, so kann man ihr Lnde
nicht als die Maniíestation eines Prinzips ·erstehen, ·or dem alles
Vorhergehende zu einem Vorläuíigen und in \ahrheit ·on ihm Abhängigen
würde. Denn wenn das Lnde der Begriíí des lortgangs zu Bestimmtheit
ist, so bestätigt es ja auch die Unbestimmtheit des Aníanges. Von ihm ist
auszugehen. Und es gibt keine Bestimmtheit, in welcher der Aníang einíach
wegíiele. Denn auch das Lnde, der am besten bestimmte Gedanke, leitet
sich ·on dem laktum her, da| der Aníang gemacht wurde. In der
Sequenz der Ontologiekerne ist er daher sogar ein ab.otvte. laktum. Aus
dem Interesse, als letzte Ontologie die des Subjektes, des substantialen
Subjektes zu erreichen, hat legel diesen Sach·erhalt gern ·erdeckt.
19


In legels Bewu|tsein war der Gedanke des Subjektes gleich dem einer
selbstgenügsamen Selbstbeziehung aus eigenem Grund. lür ihn waren
Vorstellungen ·on internen Bedingungen dieser Selbstbeziehung a
priori abwegig. Als Problem galt ihm nur, wie solche Subjekti·ität dem
Begriíí der Substanz abgewonnen werden konne oder wie - umgekehrt
- in diese Selbstbeziehung Bestimmtheit zu bringen sei. Die 1heorie
der Ontologiekerne hat er in der Absicht ausgearbeitet, dieses
Problem zu losen. lrüh schon war er überzeugt da·on, das
Bewu|tsein seiner Zeitgenossen werde notwendig beirrt blei-


155

20 1ext III dieses Bandes hat sich noch nicht konsequent genug aus dieser Perspekti·e beíreit.
19 Vgl. die Untersuchungen über die L·idenz, auígrund deren legels Denken in Gang kam, in
Beitrag 1. 21 Vgl. Dieter lenrich, íicbte. vr.¡rvvgticbe íiv.icbt, lrankíurt 1966.
154
Reílexionsstruktur korrigieren. legel hatte sich írüh da·on überzeugt, da|
Phänomene des Lebens und des Geistes den Gebrauch solcher Gedanken
·erlangen. lür die Bedeutungsentwicklung der Logik ist das aber ohne
Belang. In ihr erscheinen Allgemeinheit und Besonderheit lediglich als Ge-
danken ·on einem Zusammenhang ·on Vermittlung und Unmittelbarkeit,
der ·om ·zugleich· ·on Setzen und Voraussetzen im \esen íreigekommen
ist. So nur geben sie dann auch eine Moglichkeit her, die Methode der Logik
als 1heorie zu beschreiben. Denn diese \issenschaít soll ja gewi| nicht sein,
woíür die Phänomenologie noch ·das \ahre· selber hält: ein 1aumel, in
dem kein Glied nicht trunken ist. Sie ist Kenntnisnahme der
Bedeutungsentwicklung ·on Grundgedanken über das, was der lall ist,
und sie íolgt dieser Lntwicklung, indem sie ·on Grundregeln ·ariablen
Gebrauch
Dennoch ist er schon mit der methodischen Veríassung seiner
lundamentaltheorie gegeben.
Daraus konnte man die Konsequenz ziehen, da| das laktum des Aníangs
seinerseits zum Prinzip gesteigert werden mu|. Dann wäre zu sagen, da|
der logische Proze| ·on einer ihm un·eríügbaren Voraussetzung
dependiert, die sich in der Unmittelbarkeit des Aníangs geltend macht und
die nie wieder eingeholt werden kann. lür einen solchen Versuch spricht
·iel.
20
Gegen ihn mu| sich aber schlie|lich doch legels Grundprinzip
durchsetzen, - das Prinzip ·on der Subjekti·ität in der Gestalt der 1hese,
da| der Proze| selbst das Absolute sei, Denn ein un·eríügbarer Grund
des Aníanges konnte in gar keiner \eise die lolge ·erständlich machen, die
aus ihm her·orgeht. Ist sie Bedeutungsentwicklung, so kann man sie nur in
Beziehung auí einen Aníang denken, der schon eríolgt ist, - nicht aber aus
dem, was etwa in diesem Aníang sich aussprechen oder ausdrücken mag.
Gibt es einen Grund, so ist er im Aníang nicht mehr als in der Sequenz
selber zu íinden, somit auch in jenen Regeln, die zunächst nur Methode,
schlie|lich selber 1hema in der Lntwicklung der Sequenz sind. Ist das
Subjekt bedingt, so sind seine Bedingungen nicht in seiner Genese, sondern
in seinem Proze| zu suchen.
21

macht, der im Begriíí der Methode grundsätzlich ·erstanden werden sollte.
Dieser Begriíí der Logik ist noch nicht der Begriíí der Philosophie, aber er
ist der Grundri| zu ihm. So lä|t sich die Logik als eine
Bedeutungsentwicklung ·erstehen, die am Lnde noch ·erständlich macht,
wieso sie ·erstanden werden kann. Ist das der lall, so kann man ihr Lnde
nicht als die Maniíestation eines Prinzips ·erstehen, ·or dem alles
Vorhergehende zu einem Vorläuíigen und in \ahrheit ·on ihm Abhängigen
würde. Denn wenn das Lnde der Begriíí des lortgangs zu Bestimmtheit
ist, so bestätigt es ja auch die Unbestimmtheit des Aníanges. Von ihm ist
auszugehen. Und es gibt keine Bestimmtheit, in welcher der Aníang einíach
wegíiele. Denn auch das Lnde, der am besten bestimmte Gedanke, leitet
sich ·on dem laktum her, da| der Aníang gemacht wurde. In der
Sequenz der Ontologiekerne ist er daher sogar ein ab.otvte. laktum. Aus
dem Interesse, als letzte Ontologie die des Subjektes, des substantialen
Subjektes zu erreichen, hat legel diesen Sach·erhalt gern ·erdeckt.
19


In legels Bewu|tsein war der Gedanke des Subjektes gleich dem einer
selbstgenügsamen Selbstbeziehung aus eigenem Grund. lür ihn waren
Vorstellungen ·on internen Bedingungen dieser Selbstbeziehung a
priori abwegig. Als Problem galt ihm nur, wie solche Subjekti·ität dem
Begriíí der Substanz abgewonnen werden konne oder wie - umgekehrt
- in diese Selbstbeziehung Bestimmtheit zu bringen sei. Die 1heorie
der Ontologiekerne hat er in der Absicht ausgearbeitet, dieses
Problem zu losen. lrüh schon war er überzeugt da·on, das
Bewu|tsein seiner Zeitgenossen werde notwendig beirrt blei-


155

20 1ext III dieses Bandes hat sich noch nicht konsequent genug aus dieser Perspekti·e beíreit.
19 Vgl. die Untersuchungen über die L·idenz, auígrund deren legels Denken in Gang kam, in
Beitrag 1. 21 Vgl. Dieter lenrich, íicbte. vr.¡rvvgticbe íiv.icbt, lrankíurt 1966.
154
legels 1heorie über den Zuíall
ben, solange die Losung noch auí sich warten lä|t. Nicht Bedeutungstheorie,
sondern Ontologie substantialer Subjekti·ität hat er in seiner Logik
bezweckt.
1. Der Begriíí des Zuíalls in der Logik
Ist die Logik als selbstbezogene Bedeutungsíolge und zugleich als Sequenz
·on Ontologiekernen in ontologischer Absicht beschrieben, so mü|te noch
entschieden werden, ob und in welchem Sinne sie eine deíiniti·e Ontologie
überhaupt íreisetzen kann. legels Logik steht zweideutig zwischen beiden
Programmen. Die Analyse, die hier abgebrochen werden soll, hat sich so
eng an den Gang der Logik angeschlossen, wie es heute eben noch
moglich ist. So hat sie diese Zweideutigkeit nicht beseitigt. \er meint, da|
sich in ihr nur ein aparter Abweg legels selber blo|stellt, sollte die weitere
Lntwicklung der Bedeutungstheorie beachten. Sobald sie Ansprüche ·on
der Uni·ersalität der legelschen erhebt, kann sie sich nicht mehr gegen
ontologische Perspekti·en abschirmen. Die Beispiele ·on Peirce und
leidegger sprechen beredt daíür. Unter denen, die in solche Zweideutigkeit
kamen, war legels 1heorie die letzte nicht.
Seit das philosophische Denken begann, systematische lorm zu gewinnen,
ist ihm im Problem der Kontingenz eine theoretische Grundírage gestellt.
Der spekulati·e Idealismus hat ihre Bedeutung aber noch gesteigert. lür ein
System, das sich im Besitze eines absoluten \issens glaubt, scheint die Aus-
kunít unmoglich geworden zu sein, da| der innere Grund des Soseins der
Dinge und der laktizität der \elt nicht eingesehen werden kann. In ihm
darí das Denken nicht in der Lntgegensetzung gegen ein opakes,
un·erständliches Gegebenes gehalten werden, sondern mu| jedes, auch das
scheinbar geringste Seiende als ein notwendiges einsichtig machen, und zwar
aus sich selbst heraus, also a priori. Mit diesem Anspruch wäre das Urteil
über den spekulati·en Idealismus gesprochen. \enn er die zumindest
praktisch unerme|liche Indi·idualität des \irklichen bestreiten und sich
über das »indi·iduum est ineííabile«, diese Grundeinsicht schon der íormalen
Logik, hinwegsetzen mu|, so kann er nur als der selbstherrliche und
selbst·ergessene Versuch eines seine Grenzen ·erleugnenden Denkens
eingeschätzt werden.
\eist nun aber der Proze|, in dem sich Bedeutungen íortbestimmen,
Selbstbeziehung auí, so scheinen sich daraus auch Konsequenzen íür den
Inhalt der Ontologie zu ergeben, die er etwa als die deíiniti·e aus sich
íreisetzt: Sie wird als wirklich eine Struktur behaupten, die der des
Bedeutungsprozesses zumindest analog ist. Dann mü|te aber auch gesagt
werden, da| der Methodenbegriíí legelscher Dialektik ·on der \irk-
lichkeit des Geistes nicht abzuscheiden ist. Der Schnitt, der dazu
ansetzte, sie ·oneinander zu trennen, wäre also abgeglitten.
22

Seit 1raugott Krug an die \issenschaítslehre die lorderung richtete,
seine Schreibíeder a priori zu konstruieren, und seit dann der späte
Schelling gegen legel die Auígabe der positi·en Philosophie so
íormulierte, da| sie ausgehend ·om logisch nicht deduzierbaren
laktum der \elt in den au|erweltlichen Grund seines Daseins zu
íragen habe, ist es allgemeine, mehr oder weniger zugestandene
Uberzeugung, da| das Unternehmen des Idealismus an der Lríahrung
der Kontingenz schon gescheitert sei, ehe seine Ausíührung begonnen
habe. Man sagt etwa so: Die Mannigíaltigkeit des Seienden


15¯
22 Vgl. 1ext VI dieses Bandes.
156
legels 1heorie über den Zuíall
ben, solange die Losung noch auí sich warten lä|t. Nicht Bedeutungstheorie,
sondern Ontologie substantialer Subjekti·ität hat er in seiner Logik
bezweckt.
1. Der Begriíí des Zuíalls in der Logik
Ist die Logik als selbstbezogene Bedeutungsíolge und zugleich als Sequenz
·on Ontologiekernen in ontologischer Absicht beschrieben, so mü|te noch
entschieden werden, ob und in welchem Sinne sie eine deíiniti·e Ontologie
überhaupt íreisetzen kann. legels Logik steht zweideutig zwischen beiden
Programmen. Die Analyse, die hier abgebrochen werden soll, hat sich so
eng an den Gang der Logik angeschlossen, wie es heute eben noch
moglich ist. So hat sie diese Zweideutigkeit nicht beseitigt. \er meint, da|
sich in ihr nur ein aparter Abweg legels selber blo|stellt, sollte die weitere
Lntwicklung der Bedeutungstheorie beachten. Sobald sie Ansprüche ·on
der Uni·ersalität der legelschen erhebt, kann sie sich nicht mehr gegen
ontologische Perspekti·en abschirmen. Die Beispiele ·on Peirce und
leidegger sprechen beredt daíür. Unter denen, die in solche Zweideutigkeit
kamen, war legels 1heorie die letzte nicht.
Seit das philosophische Denken begann, systematische lorm zu gewinnen,
ist ihm im Problem der Kontingenz eine theoretische Grundírage gestellt.
Der spekulati·e Idealismus hat ihre Bedeutung aber noch gesteigert. lür ein
System, das sich im Besitze eines absoluten \issens glaubt, scheint die Aus-
kunít unmoglich geworden zu sein, da| der innere Grund des Soseins der
Dinge und der laktizität der \elt nicht eingesehen werden kann. In ihm
darí das Denken nicht in der Lntgegensetzung gegen ein opakes,
un·erständliches Gegebenes gehalten werden, sondern mu| jedes, auch das
scheinbar geringste Seiende als ein notwendiges einsichtig machen, und zwar
aus sich selbst heraus, also a priori. Mit diesem Anspruch wäre das Urteil
über den spekulati·en Idealismus gesprochen. \enn er die zumindest
praktisch unerme|liche Indi·idualität des \irklichen bestreiten und sich
über das »indi·iduum est ineííabile«, diese Grundeinsicht schon der íormalen
Logik, hinwegsetzen mu|, so kann er nur als der selbstherrliche und
selbst·ergessene Versuch eines seine Grenzen ·erleugnenden Denkens
eingeschätzt werden.
\eist nun aber der Proze|, in dem sich Bedeutungen íortbestimmen,
Selbstbeziehung auí, so scheinen sich daraus auch Konsequenzen íür den
Inhalt der Ontologie zu ergeben, die er etwa als die deíiniti·e aus sich
íreisetzt: Sie wird als wirklich eine Struktur behaupten, die der des
Bedeutungsprozesses zumindest analog ist. Dann mü|te aber auch gesagt
werden, da| der Methodenbegriíí legelscher Dialektik ·on der \irk-
lichkeit des Geistes nicht abzuscheiden ist. Der Schnitt, der dazu
ansetzte, sie ·oneinander zu trennen, wäre also abgeglitten.
22

Seit 1raugott Krug an die \issenschaítslehre die lorderung richtete,
seine Schreibíeder a priori zu konstruieren, und seit dann der späte
Schelling gegen legel die Auígabe der positi·en Philosophie so
íormulierte, da| sie ausgehend ·om logisch nicht deduzierbaren
laktum der \elt in den au|erweltlichen Grund seines Daseins zu
íragen habe, ist es allgemeine, mehr oder weniger zugestandene
Uberzeugung, da| das Unternehmen des Idealismus an der Lríahrung
der Kontingenz schon gescheitert sei, ehe seine Ausíührung begonnen
habe. Man sagt etwa so: Die Mannigíaltigkeit des Seienden


15¯
22 Vgl. 1ext VI dieses Bandes.
156
ist íür das erkennende Subjekt nur ·orgegeben. Ls darí zwar hoííen, in der
Analyse ·on Lrscheinungen ·oranzudringen, nie aber wird es gelingen, sie
ganz in Begriíísstrukturen zu übersetzen. Der Idealismus als absoluter aber
ist genotigt, alles Konkrete aus dem Begriíí abzuleiten. Lr unterzieht sich
einer unlosbaren Auígabe. Als prominente Zeugen dieser Auííassung seien
hier nur Lmil Lask, Jonas Cohn
1
, 1heodor läring und Nicolai lartmann
genannt.
scheidung über den Idealismus als 1heorie geíährlich zu werden.
Nicolai lartmann
3
sieht darin die Grunddiííerenz zwischen legel und
Aristoteles, da| letzterer, ebenso wie Platon, die begriíílich, ería|bare
\esensstruktur des Seienden mit der ·:`.·-|- ö:-çop- abschlie|en lä|t. Die
Diííerenzierung des \esens kann nicht bis zum konkret \irklichen
durchgeíührt werden. legel hingegen habe dadurch, da| er die Materie zu
einem Momente des Logischen mache, einen absoluten Apriorismus
postuliert. Die Sache habe ihn allerdings ·erhindert, ihn wirklich
durchzuíühren. Besonders in der Geschichtsphilosophie müsse er die
Realität einer »unwirklichen \irklichkeit«, eines »Schuttes des Daseins«
anerkennen, der dialektisch nicht auízulosen sei. lartmanns lormulierung,
da| also »das Problem nicht bewältigt sei«, ist nur ein íreundlicher
Ausdruck íür die 1hese, da| legels 1heorie in der Durchíührung mit
sich selbst in \iderspruch kommt.
lärings legelbuch ist in der Interpretation des Auísatzes gegen Krug ein Zeugnis
der Verlegenheit gegenüber der idealistischen 1heorie der Indi·idualität. läring,
der bekanntlich die dialektische Methode als eine nicht diskursi·e «Zusam-
menschau« ·on Momenten in einem Ganzen auíía|t, hat die Stellen bemerkt, in
denen legel ein Recht des Zuíalles annimmt. Lr ·ermag sie aber nicht mit dem
allgemeinen Postulat des Idealismus zu ·ereinen. »All dem widerspricht zweiíellos
grundsätzlich, da| legel sonst gerade seine Lhre darein setzt, alle, gerade auch
räumliche und zeitliche Bestimmtheiten, wenn auch als untergeordnete Momente,
doch irgendwie im Ganzen ,mindestens prinzipiell, begreiíen zu konnen,
mindestens ihren allgemeinen 1ypen nach, grundsätzlich aber auch in ihren
weiteren Unterteilungen.«
2
Solche stammelnd eingestandene Unsicherheit eines
legelianers ist gewi| nicht in der Lage, der längst allgemein gewordenen Vorent-


159

In direktem Gegensatz mit der Meinung auch dieser ·ier Autoren soll im
íolgenden gezeigt werden, da| der spekulati·e Idealismus legels zwar die
Notwendigkeit des Ganzen des Seienden behauptet, da| er aber dennoch
so wenig beansprucht, alles Indi·iduelle deduzieren zu konnen, da| er
·ielmehr die einzige philosophische 1heorie ist, aie aev ßegriff ae. ab.otvtev
Zvfatt. /evvt. Durch die Konstruktion des Zuíalles als eines Momentes der
Subjekti·ität, des :|öoç selbst, sichert sich legel ·or der Konsequenz, die
ihm als un·ermeidliche in der Literatur unterstellt wird. Und man mu|
in dieser 1heorie, welche die Grundlage dessen ausmacht, was legels
·Lthik· hei|en kann, mehr sehen als den listigen Liníall einer hybriden
Metaphysik.
Unsere Uberl egungen gl i edern si ch gemä| dem doppel ten Si nn
der lrage nach der Konti ngenz i n zwei Gänge. Zunächst wi rd
der Zuíal l al s di e Zuíäl l i gkei t ·on besti mmtem, i nner-

1 In seiner Arbeit über íicbte. íaeati.vv. vva aie Ce.cbicbte ;Ce.. ´cbr. Bd. I, 1übingen 1923,, unterstellt
Lask es als erwiesen, da| legel einen »emanatistischen Idealismus« ·ertrete. Dieser »·erkennt
überhaupt das Vorhandensein und die Un·ermeidlichkeit des Zuíallsbegriííes« ,s. S. 103,. Lr
entwickelt eine 1heorie, in der »durch die dialektische Ligenbewegung der Begriíí selbst so
·eríeinert werden ,soll,, da| er íähig wird, auch das Linzelne und Kleinste mit in den dialektischen
Proze| hineinzuziehen« ,s. S. 84,.
Auch Jonas Cohn in seiner ausgezeichneten 1beorie aer Diat e/ti/, ,Leipzig 1923, S. 41, meint, da|
dieser lehler legels nur dann zu ·ermeiden sei, wenn man die Vernünítigkeit des \irklichen ,mit
dem Neukantianismus, als Auígabe setze. S. a. \ilhelm Dilthey, \. \. VII, S. 101.

3 Aristoteles und legel, in: Beiträge zur Philosophie des Deutschen Idealismus, 3. Band, leít i ,
1923, S. 18 íí. 2 legel, sein \ollen und sein \erk, Bd. II., S. 319.
158
ist íür das erkennende Subjekt nur ·orgegeben. Ls darí zwar hoííen, in der
Analyse ·on Lrscheinungen ·oranzudringen, nie aber wird es gelingen, sie
ganz in Begriíísstrukturen zu übersetzen. Der Idealismus als absoluter aber
ist genotigt, alles Konkrete aus dem Begriíí abzuleiten. Lr unterzieht sich
einer unlosbaren Auígabe. Als prominente Zeugen dieser Auííassung seien
hier nur Lmil Lask, Jonas Cohn
1
, 1heodor läring und Nicolai lartmann
genannt.
scheidung über den Idealismus als 1heorie geíährlich zu werden.
Nicolai lartmann
3
sieht darin die Grunddiííerenz zwischen legel und
Aristoteles, da| letzterer, ebenso wie Platon, die begriíílich, ería|bare
\esensstruktur des Seienden mit der ·:`.·-|- ö:-çop- abschlie|en lä|t. Die
Diííerenzierung des \esens kann nicht bis zum konkret \irklichen
durchgeíührt werden. legel hingegen habe dadurch, da| er die Materie zu
einem Momente des Logischen mache, einen absoluten Apriorismus
postuliert. Die Sache habe ihn allerdings ·erhindert, ihn wirklich
durchzuíühren. Besonders in der Geschichtsphilosophie müsse er die
Realität einer »unwirklichen \irklichkeit«, eines »Schuttes des Daseins«
anerkennen, der dialektisch nicht auízulosen sei. lartmanns lormulierung,
da| also »das Problem nicht bewältigt sei«, ist nur ein íreundlicher
Ausdruck íür die 1hese, da| legels 1heorie in der Durchíührung mit
sich selbst in \iderspruch kommt.
lärings legelbuch ist in der Interpretation des Auísatzes gegen Krug ein Zeugnis
der Verlegenheit gegenüber der idealistischen 1heorie der Indi·idualität. läring,
der bekanntlich die dialektische Methode als eine nicht diskursi·e «Zusam-
menschau« ·on Momenten in einem Ganzen auíía|t, hat die Stellen bemerkt, in
denen legel ein Recht des Zuíalles annimmt. Lr ·ermag sie aber nicht mit dem
allgemeinen Postulat des Idealismus zu ·ereinen. »All dem widerspricht zweiíellos
grundsätzlich, da| legel sonst gerade seine Lhre darein setzt, alle, gerade auch
räumliche und zeitliche Bestimmtheiten, wenn auch als untergeordnete Momente,
doch irgendwie im Ganzen ,mindestens prinzipiell, begreiíen zu konnen,
mindestens ihren allgemeinen 1ypen nach, grundsätzlich aber auch in ihren
weiteren Unterteilungen.«
2
Solche stammelnd eingestandene Unsicherheit eines
legelianers ist gewi| nicht in der Lage, der längst allgemein gewordenen Vorent-


159

In direktem Gegensatz mit der Meinung auch dieser ·ier Autoren soll im
íolgenden gezeigt werden, da| der spekulati·e Idealismus legels zwar die
Notwendigkeit des Ganzen des Seienden behauptet, da| er aber dennoch
so wenig beansprucht, alles Indi·iduelle deduzieren zu konnen, da| er
·ielmehr die einzige philosophische 1heorie ist, aie aev ßegriff ae. ab.otvtev
Zvfatt. /evvt. Durch die Konstruktion des Zuíalles als eines Momentes der
Subjekti·ität, des :|öoç selbst, sichert sich legel ·or der Konsequenz, die
ihm als un·ermeidliche in der Literatur unterstellt wird. Und man mu|
in dieser 1heorie, welche die Grundlage dessen ausmacht, was legels
·Lthik· hei|en kann, mehr sehen als den listigen Liníall einer hybriden
Metaphysik.
Unsere Uberl egungen gl i edern si ch gemä| dem doppel ten Si nn
der lrage nach der Konti ngenz i n zwei Gänge. Zunächst wi rd
der Zuíal l al s di e Zuíäl l i gkei t ·on besti mmtem, i nner-

1 In seiner Arbeit über íicbte. íaeati.vv. vva aie Ce.cbicbte ;Ce.. ´cbr. Bd. I, 1übingen 1923,, unterstellt
Lask es als erwiesen, da| legel einen »emanatistischen Idealismus« ·ertrete. Dieser »·erkennt
überhaupt das Vorhandensein und die Un·ermeidlichkeit des Zuíallsbegriííes« ,s. S. 103,. Lr
entwickelt eine 1heorie, in der »durch die dialektische Ligenbewegung der Begriíí selbst so
·eríeinert werden ,soll,, da| er íähig wird, auch das Linzelne und Kleinste mit in den dialektischen
Proze| hineinzuziehen« ,s. S. 84,.
Auch Jonas Cohn in seiner ausgezeichneten 1beorie aer Diat e/ti/, ,Leipzig 1923, S. 41, meint, da|
dieser lehler legels nur dann zu ·ermeiden sei, wenn man die Vernünítigkeit des \irklichen ,mit
dem Neukantianismus, als Auígabe setze. S. a. \ilhelm Dilthey, \. \. VII, S. 101.

3 Aristoteles und legel, in: Beiträge zur Philosophie des Deutschen Idealismus, 3. Band, leít i ,
1923, S. 18 íí. 2 legel, sein \ollen und sein \erk, Bd. II., S. 319.
158

diese lorderung deíiniti· entweder abzutun oder zu beíriedigen.
weltlich Seienden thematisch ,1.-3.,, der zweite 1eil wendet sich dem
Problem der Kontingenz des Seienden im Ganzen zu ,4.,.
In ·iel späterer Zeit, nachdem er den Begriíí des absoluten Zuíalls in
die Dialektik der Idee selbst eingeíührt hat, ist legel noch einmal in
einer Anmerkung zur ív¸,/to¡aaie ,¸ 250, auí Krugs Schreibíeder
zurückgekommen. Lr sah sich oííenbar ·eranla|t, seinen allgemein
bekannt gewordenen, jedoch unklaren Auísatz ·on ehedem zu
interpretieren. Das tut er nun, indem er sein Veríahren so darstellt, als habe
er nur in polemischer Absicht, nämlich um die Geringíügigkeit und Ignoranz
der Krugschen lorderung zu demonstrieren, Krug ganz am Lnde der
\issenschaít loíínung auí Deduktion seiner Schreibíeder gemacht. Aber
natürlich sei diese lorderung durch nichts gerechtíertigt und jene loíínung
sei eitel. Denn im Seienden gebe es absolut un·erständliche Zuíälligkeiten
»und das Ungehorigste sei es, ·on dem Begriííe zu ·erlangen, er solle
dergleichen Zuíälligkeiten begreiíen«. Diese prätendierte Uberlegenheit in
der Begriíísbildung ist aber in der Krugrezension de íacto gar nicht
gegeben, und es wäre ehrlicher und auch belehrender gewesen, oííen
einzugestehen, da| in ihr der Begriíí des absoluten Zuíalls noch nicht
begründet gewesen ist und da| man deshalb jene loíínung aus Verlegenheit
hat machen müssen.
Die Kontingenztheorie hat in legels Lntwicklung eine eigene Geschichte.
In den ersten ]evaer Jahren íehlt ihm noch der Begriíí des notwendigen
Zuíalls. In diesen Jahren wurde aber die Rezension der \erke Krugs mit
ihrer Replik auí die Deduktionsíorderung der Schreibíeder geschrieben.
\enn man nur diesen 1ext benutzt und unterstellt, seine Gedanken seien
auch noch íür das ausgebildete System ·on 1813,14 ·erbindlich, mu| man
zu einem negati·en Urteil gelangen. Obwohl lichte und auch Schelling an
bestimmten Stellen in ihre Systementwüríe eine nicht deduzierbare
Mannigíaltigkeit ·on Gegebenheiten auígenommen hatten, kann legel die
Auígabe, die Krug dem Idealismus gestellt hat, nämlich die, eine konkrete
materiale Vorstellung, wie etwa die seiner Schreibíeder, zu deduzieren, nur
·erkleinern, nicht geradezu mit einem linweis auí den Zuíall im Seienden
abweisen. So gewinnt man denn bei der Lektüre der Rezension auch als-
bald den Lindruck, da| er in seinem spottischen und ·ermeintlich
überlegen polemisierenden 1on eine Unsicherheit gegenüber dem Problem
selbst ·erbirgt. Lr leugnet nicht entschieden die Moglichkeit, Krugs
Schreibíeder als ein Moment im Ganzen der absoluten Idee zu
konstruieren. Lr ereiíert sich nur über die Prätention, an einem so
unwesentlichen Seienden Recht oder Unrecht des idealistischen Anliegens
sich entscheiden zu lassen, in dem es darum geht, »einmal wieder Gott als
den alleinigen Grund ·on allem an die Spitze der Philosophie zu stellen«
4
.
\enn er schon nicht ausdrücklich sagt, da| es moglich sei, am Lnde aller
Spekulation zur Ableitung der Krugschen Schreibíeder ·oranzuschreiten,
so ist es doch oííensichtlich, da| er keine begriíílichen Mittel besitzt,

Ls ist hier nicht der Ort zu untersuchen, auí welchem \ege legel dahin
gelangt ist, die Kontingenz in den Begriíí des \esens selbst
auízunehmen. In der Phänomenologie ist dieser Schritt getan, in der
gro|en Logik ist er ausgearbeitet. \ir müssen aber nach Grund und
Recht dieser erst spät gewonnenen Lntschiedenheit íragen.
Der konkrete Gang dieser Begründung setzt Linsicht in den
Gesamtzusammenhang der Logik und ihrer Methode ·oraus und kann nur
aus ihm beurteilt werden. lormal und im allgemeinen kann man ihn so
skizzieren: legel erläutert das Unternehmen seiner Logik als einen Versuch,
die Kategorien des Lrkennens in ihrer Notwendigkeit auízuzeigen und das


161
4 \ie der gemeine Menschen·erstand die Philosophie nehme, in: \. \. I, S.200.
160

diese lorderung deíiniti· entweder abzutun oder zu beíriedigen.
weltlich Seienden thematisch ,1.-3.,, der zweite 1eil wendet sich dem
Problem der Kontingenz des Seienden im Ganzen zu ,4.,.
In ·iel späterer Zeit, nachdem er den Begriíí des absoluten Zuíalls in
die Dialektik der Idee selbst eingeíührt hat, ist legel noch einmal in
einer Anmerkung zur ív¸,/to¡aaie ,¸ 250, auí Krugs Schreibíeder
zurückgekommen. Lr sah sich oííenbar ·eranla|t, seinen allgemein
bekannt gewordenen, jedoch unklaren Auísatz ·on ehedem zu
interpretieren. Das tut er nun, indem er sein Veríahren so darstellt, als habe
er nur in polemischer Absicht, nämlich um die Geringíügigkeit und Ignoranz
der Krugschen lorderung zu demonstrieren, Krug ganz am Lnde der
\issenschaít loíínung auí Deduktion seiner Schreibíeder gemacht. Aber
natürlich sei diese lorderung durch nichts gerechtíertigt und jene loíínung
sei eitel. Denn im Seienden gebe es absolut un·erständliche Zuíälligkeiten
»und das Ungehorigste sei es, ·on dem Begriííe zu ·erlangen, er solle
dergleichen Zuíälligkeiten begreiíen«. Diese prätendierte Uberlegenheit in
der Begriíísbildung ist aber in der Krugrezension de íacto gar nicht
gegeben, und es wäre ehrlicher und auch belehrender gewesen, oííen
einzugestehen, da| in ihr der Begriíí des absoluten Zuíalls noch nicht
begründet gewesen ist und da| man deshalb jene loíínung aus Verlegenheit
hat machen müssen.
Die Kontingenztheorie hat in legels Lntwicklung eine eigene Geschichte.
In den ersten ]evaer Jahren íehlt ihm noch der Begriíí des notwendigen
Zuíalls. In diesen Jahren wurde aber die Rezension der \erke Krugs mit
ihrer Replik auí die Deduktionsíorderung der Schreibíeder geschrieben.
\enn man nur diesen 1ext benutzt und unterstellt, seine Gedanken seien
auch noch íür das ausgebildete System ·on 1813,14 ·erbindlich, mu| man
zu einem negati·en Urteil gelangen. Obwohl lichte und auch Schelling an
bestimmten Stellen in ihre Systementwüríe eine nicht deduzierbare
Mannigíaltigkeit ·on Gegebenheiten auígenommen hatten, kann legel die
Auígabe, die Krug dem Idealismus gestellt hat, nämlich die, eine konkrete
materiale Vorstellung, wie etwa die seiner Schreibíeder, zu deduzieren, nur
·erkleinern, nicht geradezu mit einem linweis auí den Zuíall im Seienden
abweisen. So gewinnt man denn bei der Lektüre der Rezension auch als-
bald den Lindruck, da| er in seinem spottischen und ·ermeintlich
überlegen polemisierenden 1on eine Unsicherheit gegenüber dem Problem
selbst ·erbirgt. Lr leugnet nicht entschieden die Moglichkeit, Krugs
Schreibíeder als ein Moment im Ganzen der absoluten Idee zu
konstruieren. Lr ereiíert sich nur über die Prätention, an einem so
unwesentlichen Seienden Recht oder Unrecht des idealistischen Anliegens
sich entscheiden zu lassen, in dem es darum geht, »einmal wieder Gott als
den alleinigen Grund ·on allem an die Spitze der Philosophie zu stellen«
4
.
\enn er schon nicht ausdrücklich sagt, da| es moglich sei, am Lnde aller
Spekulation zur Ableitung der Krugschen Schreibíeder ·oranzuschreiten,
so ist es doch oííensichtlich, da| er keine begriíílichen Mittel besitzt,

Ls ist hier nicht der Ort zu untersuchen, auí welchem \ege legel dahin
gelangt ist, die Kontingenz in den Begriíí des \esens selbst
auízunehmen. In der Phänomenologie ist dieser Schritt getan, in der
gro|en Logik ist er ausgearbeitet. \ir müssen aber nach Grund und
Recht dieser erst spät gewonnenen Lntschiedenheit íragen.
Der konkrete Gang dieser Begründung setzt Linsicht in den
Gesamtzusammenhang der Logik und ihrer Methode ·oraus und kann nur
aus ihm beurteilt werden. lormal und im allgemeinen kann man ihn so
skizzieren: legel erläutert das Unternehmen seiner Logik als einen Versuch,
die Kategorien des Lrkennens in ihrer Notwendigkeit auízuzeigen und das


161
4 \ie der gemeine Menschen·erstand die Philosophie nehme, in: \. \. I, S.200.
160
Recht, sie anzuwenden, zu prüíen, ohne aber dabei, wie Kant und lichte
es taten, bereits den Begriíí des Subjektes ·orauszusetzen. Das Ich wurde
in der 1ranszendentalphilosophie so genommen, als konne die
Vorstellung ·on ihm íür eine unmittelbare L·idenz gelten. legel wendet
gegen dies Veríahren ein, da| das Ich doch als Prinzip der
Konstruktion immer schon selbst durch Kategorien ,Linheit, Liníachheit
und Spontaneität usw., deíiniert werden mu|, die dann ihrerseits der
Kritik entbehren. \ill man in der 1heorie der Lrkenntnis wirklich ohne
Voraussetzungen ·eríahren, so mu| man zu einer ganz abstrakten
Untersuchung der Kategorien kommen, in der noch kein Begriíí und schon
gar keine Vorstellung ·on einem Seienden, etwa des Ich, ·orausgesetzt
wird. Line solche absolute Prüíung der Grundbegriííe kann nur in einer
Lntwicklung ihrer als reiner Gedanken auseinander geschehen.
durch sie keineswegs auígehoben. Den Begriíí der Bedingung einzuíühren,
war aber gerade dadurch geíordert, da| ein Grund íür die Verwirklichung
des Moglichen angenommen werden mu|. Der Regressus der Bedingtheiten
íührt nicht zu realer Notwendigkeit. Also mu| dieser Begriíí einer wirklich
begründenden Notwendigkeit so gedacht werden, da| in ihm das Setzen
der eigenen Bedingungen impliziert ist.
6
Das wirklich gewordene Mogliche
ist nicht zuíällig, sondern notwendig, weil es sich selbst seine eigenen
Bedingungen setzt. Damit ist der Begriíí der Zuíälligkeit durch diese
hohere Kategorie auígehoben.
Man konnte nun in der 1at meinen, da| dadurch der Begriíí des Zuíalls
seine Bedeutung in der Realität ·erloren hat, die ja ·on legel als die der
absoluten Idee mit lilíe des Begriíís der unbedingten Notwendigkeit
deíiniert ist. \as zunächst Zuíall zu sein schien, erwiese sich in
\ahrheit als Notwendigkeit. Und die Analyse der Modalitätenkategorien
in der ]evev.er íogi/ ist auch so zu ·erstehen. Doch in der íogi/ ·on 1813
ist der Gedanke ein anderer: Die Notwendigkeit setzt sich wohl selbst die
Bedingungen, aber .ie .et¸t .ie at. ¸vfattige. Als notwendig erweist sich eine
\irklichkeit gerade darin, da| sie aus jeder beliebigen Bedingtheit
her·orgeht, und so sind die Bedingungen, die solche Notwendigkeit sich
selbst setzt, ebeníalls je beliebige, willkürliche. legel legt nahe, sich die
Notwendigkeit historisch durch die N:µ:o:ç oder die A|x_ anschaulich zu
machen, die Macht hat über alles Seiende, was immer es sei. Die
Notwendigkeit kann gerade deshalb gleichgültig sein dagegen, welche beson-
deren Dinge an ihr zugrunde gehen, weil schon, ehe sie ge-

Im Zusammenhang dieser Bewegung ,es ist die Dialektik, werden nun
auch die Modalitätsbegriííe als besondere lormen einer Beziehung ·on
Innerem und Au|erem abgehandelt.
5
Zuíälligkeit ist die \eise, in der
Moglichkeit als realisierte gesetzt ist. Ltwas, das nur moglicherweise
existiert, ist, wenn es wirklich ins Dasein tritt, mit Rücksicht auí diese
blo|e Moglichkeit zuíälligerweise wirklich geworden. Also ist das wirklich
gewordene Mogliche insoíern zuíällig, als der Bereich des Moglichen den
des Realisierten umgreiít. Die \irklichkeit hat aber wiederum einen
eigenen selbst wirklichen Bereich ihrer Moglichkeit, den ihrer Bedingtheit,
aus dem sie her·ortritt, wenn er ·ollständig gesetzt ist. In Beziehung auí
die Bedingungen, die selbst schon wirklich sind, ist das im ersten Sinne
Zuíällige notwendig. Aber die Bedingungen sind an ihnen selbst wiederum
gesetzte mogliche, also auch blo| zuíällige. Jene Notwendigkeit ist also
immer nur eine relati·e. Prinzipiell ist die Zuíälligkeit des Gesetzten


163

6 Leibniz ·ermochte sich ·on dem Argument des kosmologischen Gottesbeweises nicht zu
überzeugen, da| nur ein erstes Glied in der Reihe der Ursachen das Sein ·on Bedingtem
·erständlich mache. Die Reihe sei als unendlich anzusehen und ihr zureichender Grund in ein
notwendiges \esen au|erhalb der Reihe zu setzen, in dem sie »eminent« existiere. - legel hat
den transzendenten Grund der unendlichen Reihe in sie selbst zurückgenommen.
5 \issenschaít der Logik, ed. Lasson 1934 II, S. 169 íí.
162
Recht, sie anzuwenden, zu prüíen, ohne aber dabei, wie Kant und lichte
es taten, bereits den Begriíí des Subjektes ·orauszusetzen. Das Ich wurde
in der 1ranszendentalphilosophie so genommen, als konne die
Vorstellung ·on ihm íür eine unmittelbare L·idenz gelten. legel wendet
gegen dies Veríahren ein, da| das Ich doch als Prinzip der
Konstruktion immer schon selbst durch Kategorien ,Linheit, Liníachheit
und Spontaneität usw., deíiniert werden mu|, die dann ihrerseits der
Kritik entbehren. \ill man in der 1heorie der Lrkenntnis wirklich ohne
Voraussetzungen ·eríahren, so mu| man zu einer ganz abstrakten
Untersuchung der Kategorien kommen, in der noch kein Begriíí und schon
gar keine Vorstellung ·on einem Seienden, etwa des Ich, ·orausgesetzt
wird. Line solche absolute Prüíung der Grundbegriííe kann nur in einer
Lntwicklung ihrer als reiner Gedanken auseinander geschehen.
durch sie keineswegs auígehoben. Den Begriíí der Bedingung einzuíühren,
war aber gerade dadurch geíordert, da| ein Grund íür die Verwirklichung
des Moglichen angenommen werden mu|. Der Regressus der Bedingtheiten
íührt nicht zu realer Notwendigkeit. Also mu| dieser Begriíí einer wirklich
begründenden Notwendigkeit so gedacht werden, da| in ihm das Setzen
der eigenen Bedingungen impliziert ist.
6
Das wirklich gewordene Mogliche
ist nicht zuíällig, sondern notwendig, weil es sich selbst seine eigenen
Bedingungen setzt. Damit ist der Begriíí der Zuíälligkeit durch diese
hohere Kategorie auígehoben.
Man konnte nun in der 1at meinen, da| dadurch der Begriíí des Zuíalls
seine Bedeutung in der Realität ·erloren hat, die ja ·on legel als die der
absoluten Idee mit lilíe des Begriíís der unbedingten Notwendigkeit
deíiniert ist. \as zunächst Zuíall zu sein schien, erwiese sich in
\ahrheit als Notwendigkeit. Und die Analyse der Modalitätenkategorien
in der ]evev.er íogi/ ist auch so zu ·erstehen. Doch in der íogi/ ·on 1813
ist der Gedanke ein anderer: Die Notwendigkeit setzt sich wohl selbst die
Bedingungen, aber .ie .et¸t .ie at. ¸vfattige. Als notwendig erweist sich eine
\irklichkeit gerade darin, da| sie aus jeder beliebigen Bedingtheit
her·orgeht, und so sind die Bedingungen, die solche Notwendigkeit sich
selbst setzt, ebeníalls je beliebige, willkürliche. legel legt nahe, sich die
Notwendigkeit historisch durch die N:µ:o:ç oder die A|x_ anschaulich zu
machen, die Macht hat über alles Seiende, was immer es sei. Die
Notwendigkeit kann gerade deshalb gleichgültig sein dagegen, welche beson-
deren Dinge an ihr zugrunde gehen, weil schon, ehe sie ge-

Im Zusammenhang dieser Bewegung ,es ist die Dialektik, werden nun
auch die Modalitätsbegriííe als besondere lormen einer Beziehung ·on
Innerem und Au|erem abgehandelt.
5
Zuíälligkeit ist die \eise, in der
Moglichkeit als realisierte gesetzt ist. Ltwas, das nur moglicherweise
existiert, ist, wenn es wirklich ins Dasein tritt, mit Rücksicht auí diese
blo|e Moglichkeit zuíälligerweise wirklich geworden. Also ist das wirklich
gewordene Mogliche insoíern zuíällig, als der Bereich des Moglichen den
des Realisierten umgreiít. Die \irklichkeit hat aber wiederum einen
eigenen selbst wirklichen Bereich ihrer Moglichkeit, den ihrer Bedingtheit,
aus dem sie her·ortritt, wenn er ·ollständig gesetzt ist. In Beziehung auí
die Bedingungen, die selbst schon wirklich sind, ist das im ersten Sinne
Zuíällige notwendig. Aber die Bedingungen sind an ihnen selbst wiederum
gesetzte mogliche, also auch blo| zuíällige. Jene Notwendigkeit ist also
immer nur eine relati·e. Prinzipiell ist die Zuíälligkeit des Gesetzten


163

6 Leibniz ·ermochte sich ·on dem Argument des kosmologischen Gottesbeweises nicht zu
überzeugen, da| nur ein erstes Glied in der Reihe der Ursachen das Sein ·on Bedingtem
·erständlich mache. Die Reihe sei als unendlich anzusehen und ihr zureichender Grund in ein
notwendiges \esen au|erhalb der Reihe zu setzen, in dem sie »eminent« existiere. - legel hat
den transzendenten Grund der unendlichen Reihe in sie selbst zurückgenommen.
5 \issenschaít der Logik, ed. Lasson 1934 II, S. 169 íí.
162
tur zu konstruieren, beruht auí dem Gedanken, da| die am Lnde der
Lntwicklung der reinen Gedankenbestimmungen erreichte Idee insoíern
selbst noch mit einer Linseitigkeit behaítet ist, als sie alle in ihr
auígehobenen Momente des Gedankens in der lorm der Linheit, der
Allgemeinheit enthält. Als absolute Idee mangelt ihr damit noch das
Moment der Besonderheit, das begriíílich der Linheit entgegensteht. So ist
ihre Absolutheit noch un·ollkommen. Sie ist erst dann realisiert, wenn
durch sie selbst die Gedankenbestimmungen aus der unruhigen Bewegung,
in der sie in die Linheit der Idee zurücklauíen, entnommen werden, um
unter der lorm der Besonderheit eigens gesetzt zu sein. Diese abstrakte
Konsequenz liegt der 1hese legels zugrunde, da| die Idee ihre
Bestimmungen írei aus sich entlasse und ihnen ein besonderes Dasein
gewähre. Diese in solchem Sinne au|er sich gekommene Idee ist die Natur.
Aus ihr als der zerstreuten Selbständigkeit der Gedankenbestimmungen
soll dann die Idee als Geist in einer der logischen Lntwicklung analogen
Stuíeníolge wiederum in sich gehen. An ihrem Lnde ist sie ·erwirklicht.
Sie ist in der Linheit ·on Linheit und Besonderheit herausgetreten,
wodurch der letzte Abschlu| der Gedankenbewegung erreicht ist.
setzt sind, es gewi| ist, da| sie ihr nicht widerstehen konnen.
¯

Da| überhaupt Bestimmtes ist, ist íür den Begriíí der Notwendigkeit
allerdings selbst notwendig. Und wenn sie nicht blo| bedingte Beziehung
Zuíälliger und so selbst zuíällig sein soll, sondern reale Notwendigkeit,
so mu| man in der 1at annehmen, da| sie Selbstsetzen ihrer
·orausgesetzten Bedingungen ist. Diese Struktur íindet sich in der íogi/ in
anderen Gestalten noch des oíteren. In ihr sind Zuíall und Notwendigkeit
analytisch ·erbunden. Nur wenn es ein absolut Zuíälliges gibt, ist
Notwendigkeit denkbar. Das bestimmte Bedingende ist in Beziehung auí
das Notwendige eben deshalb absolut zuíällig, weil der Zuíall selbst íür
es notwendig ist.
8

Zunächst gewinnt diese logische Deduktion ihre Bedeutung íür das
Verständnis des Seienden in der 1heorie ·om übergang der absoluten
Idee in die Natur. Den reinen Gedankenbestimmungen íehlt noch die
Verwirklichung, obzwar keine \irklichkeit gedacht werden kann, die
nicht eine ihrer Struktur gemä|e Lxistenz hätte. ,Unter \irklich-
keit ist hier Dasein in Raum und Zeit zu ·erstehen., Da| solches
Dasein ist, mu| aus der 1heorie der Logik als notwendig gezeigt
werden, wenn in ihr ein absolutes \issen ·ermittelt werden soll. le
gels Versuch, den Ubergang des Begriííes in die Na-

2. Der Zuíall in der Natur


165
Ls ist gewi| unstatthaít, die Richtigkeit dieser Deduktionen einíach
·orauszusetzen. Mit Rücksicht auí das Verständnis der Lthik legels
kommt es aber darauí an zu sehen, da| es immanent eine
un·ermeidliche lolgerung ist, der Kategorie der Zuíälligkeit, die, zwar
als auígehobene, doch ein Moment in der lolge der
Gedankenbestimmungen ist, in der Natur ein eigenes leld einzuräumen,
in der ja alle Kategorien aus dem Proze| ihrer Lntíaltung auseinander
íreigelassen sind. In der Natur und den natürlichen lormen des

¯ \ährend N:µ:o:ç und A|x_ aber nicht eigentlich -p__ Seienden sind, hat legel die Moglichkeit,
sich den Doppelsinn der lormel »zu Grunde gehen« nutzbar zu machen. Das kontingente
Seiende, das der allgemeinen
Notwendigkeit nicht zu widerstehen ·ermag, geht, indem es an ihr »zu Grunde« geht, »zu seinem
Grund« zurück, der es allererst gesetzt hat, nach dein Schema seines eigenen Systems, in dem der
Aníang erst ·om Lnde her mogl i ch und ·erständlich wird, obschon di es Lnde nur di e
Lntwicklung des im Aníang Gelegenen ist.
8 Nicht etwa ·erschwindet alles Zuíällige in einem notwendigen Proze|, in dem alles, auch das
Kleinste nicht anders sein kann ,µ_ :.ö:_oµ:.o. -``cç :_::.,, nach legels 1heorie ist der Zuíall
selbst schlechthin notwendig, - kraít der Notwendigkeit des Begriííes mu| Zuíall in der \elt sein.
164
tur zu konstruieren, beruht auí dem Gedanken, da| die am Lnde der
Lntwicklung der reinen Gedankenbestimmungen erreichte Idee insoíern
selbst noch mit einer Linseitigkeit behaítet ist, als sie alle in ihr
auígehobenen Momente des Gedankens in der lorm der Linheit, der
Allgemeinheit enthält. Als absolute Idee mangelt ihr damit noch das
Moment der Besonderheit, das begriíílich der Linheit entgegensteht. So ist
ihre Absolutheit noch un·ollkommen. Sie ist erst dann realisiert, wenn
durch sie selbst die Gedankenbestimmungen aus der unruhigen Bewegung,
in der sie in die Linheit der Idee zurücklauíen, entnommen werden, um
unter der lorm der Besonderheit eigens gesetzt zu sein. Diese abstrakte
Konsequenz liegt der 1hese legels zugrunde, da| die Idee ihre
Bestimmungen írei aus sich entlasse und ihnen ein besonderes Dasein
gewähre. Diese in solchem Sinne au|er sich gekommene Idee ist die Natur.
Aus ihr als der zerstreuten Selbständigkeit der Gedankenbestimmungen
soll dann die Idee als Geist in einer der logischen Lntwicklung analogen
Stuíeníolge wiederum in sich gehen. An ihrem Lnde ist sie ·erwirklicht.
Sie ist in der Linheit ·on Linheit und Besonderheit herausgetreten,
wodurch der letzte Abschlu| der Gedankenbewegung erreicht ist.
setzt sind, es gewi| ist, da| sie ihr nicht widerstehen konnen.
¯

Da| überhaupt Bestimmtes ist, ist íür den Begriíí der Notwendigkeit
allerdings selbst notwendig. Und wenn sie nicht blo| bedingte Beziehung
Zuíälliger und so selbst zuíällig sein soll, sondern reale Notwendigkeit,
so mu| man in der 1at annehmen, da| sie Selbstsetzen ihrer
·orausgesetzten Bedingungen ist. Diese Struktur íindet sich in der  in
anderen Gestalten noch des oíteren. In ihr sind Zuíall und Notwendigkeit
analytisch ·erbunden. Nur wenn es ein absolut Zuíälliges gibt, ist
Notwendigkeit denkbar. Das bestimmte Bedingende ist in Beziehung auí
das Notwendige eben deshalb absolut zuíällig, weil der Zuíall selbst íür
es notwendig ist.
8

Zunächst gewinnt diese logische Deduktion ihre Bedeutung íür das
Verständnis des Seienden in der 1heorie ·om übergang der absoluten
Idee in die Natur. Den reinen Gedankenbestimmungen íehlt noch die
Verwirklichung, obzwar keine \irklichkeit gedacht werden kann, die
nicht eine ihrer Struktur gemä|e Lxistenz hätte. ,Unter \irklich-
keit ist hier Dasein in Raum und Zeit zu ·erstehen., Da| solches
Dasein ist, mu| aus der 1heorie der Logik als notwendig gezeigt
werden, wenn in ihr ein absolutes \issen ·ermittelt werden soll. le
gels Versuch, den Ubergang des Begriííes in die Na-

2. Der Zuíall in der Natur


165
Ls ist gewi| unstatthaít, die Richtigkeit dieser Deduktionen einíach
·orauszusetzen. Mit Rücksicht auí das Verständnis der Lthik legels
kommt es aber darauí an zu sehen, da| es immanent eine
un·ermeidliche lolgerung ist, der Kategorie der Zuíälligkeit, die, zwar
als auígehobene, doch ein Moment in der lolge der
Gedankenbestimmungen ist, in der Natur ein eigenes leld einzuräumen,
in der ja alle Kategorien aus dem Proze| ihrer Lntíaltung auseinander
íreigelassen sind. In der Natur und den natürlichen lormen des

¯ \ährend N:µ:o:ç und A|x_ aber nicht eigentlich -p__ Seienden sind, hat legel die Moglichkeit,
sich den Doppelsinn der lormel »zu Grunde gehen« nutzbar zu machen. Das kontingente
Seiende, das der allgemeinen
Notwendigkeit nicht zu widerstehen ·ermag, geht, indem es an ihr »zu Grunde« geht, »zu seinem
Grund« zurück, der es allererst gesetzt hat, nach dein Schema seines eigenen Systems, in dem der
Aníang erst ·om Lnde her mogl i ch und ·erständlich wird, obschon di es Lnde nur di e
Lntwicklung des im Aníang Gelegenen ist.
8 Nicht etwa ·erschwindet alles Zuíällige in einem notwendigen Proze|, in dem alles, auch das
Kleinste nicht anders sein kann ,µ_ :.ö:_oµ:.o. -``cç :_::.,, nach legels 1heorie ist der Zuíall
selbst schlechthin notwendig, - kraít der Notwendigkeit des Begriííes mu| Zuíall in der \elt sein.
164
Geistes ist also ein Bereich des absoluten Zuíalles durch die Idee selbst
auígeschlossen. »Ob nun schon die Zuíälligkeit der bisherigen Lrorterung
zuíolge nur ein einseitiges Moment der \irklichkeit und deshalb mit
dieser selbst nicht zu ·erwechseln ist, so gebührt derselben doch als
einer lorm der Idee überhaupt auch in der gegenständlichen \elt ihr
Recht. Dies gilt zunächst ·on der Natur, auí deren Oberíläche sozusagen
die Zuíälligkeit ihr íreies Lrgehen hat, welches denn auch als solches
anzuerkennen ist, ohne die der Philosophie bisweilen irrigerweise
zugeschriebene Prätention, darin ein nur-so-und-nicht-anders-sein-konnen
íinden zu wollen.«
9

Gattungen und Arten
10
: »Der Natur, weil sie das Au|ersichsein des Begriííes
ist, ist es íreigegeben, in dieser Verschiedenheit sich zu ergehen.« So gibt es
»etliche und sechzig Arten ·on Papageien, hundertundsiebenunddrei|ig
Arten ·on Veronika usí.«. Sie auízuzählen scheint legel eben deshalb eine
geistlose und langweilige Beschäítigung zu sein, weil in solcher
Mannigíaltigkeit »kein Geist« ist. Aus dieser 1heorie kann man nun auch die
íreilich erstaunliche lolgerung ziehen, da| in der Natur sogar Versto|e
·orkommen konnen gegen die Gedankenbestimmungen selbst, die doch
:|öoç und o`o|- alles Seienden sein sollen.
Natur ist gewi| mehr als der Bereich des blinden Zuíalls und der \illkür.
Sie ist ein Moment der Idee selbst, und so ist Notwendigkeit in ihr.
Deshalb sollte man aber nicht ·ersuchen, alle ihre Produkte als
»·ernünítige« auízuíassen. Der Zuíall hat in ihr sein Recht, und zwar nicht
nur als periphere, momentane Unregelmä|igkeit, sondern im Gegenteil in
dem »ruhigen Lrgehen seines lreigelassenseins« in besonderen


16¯

\eil in der Natur die Kategorien sich írei ergehen, also nicht in die Linheit
des Gedankenzusammenhanges íestgehalten sind, konnen einseitige und
somit unwahre Lxistenzen entstehen, konnen Momente des Gedankens
über andere im Seienden unberechtigte übermacht gewinnen. Das nicht
hindern zu konnen, ist íür legel »die Ohnmacht der Natur«, er meint,
da| man sich nur mit dieser Annahme jene übergangsíormen und Mi|-
bildungen ·erständlich machen kann, die zwischen und unter den Gat-
tungen des Natürlichen ·orkommen. Allein aus diesem Gedanken ist auch
eine Anekdote zu ·erstehen, die wegen ihrer scheinbar ·ernichtenden \ir-
kung auí die Konsequenz des Systems häuíig polemisch ausgewertet
wird. Jeder, der sich mit legel ·ertraut machen will, wird ihr in der
Literatur begegnen. Und sie ist schon geeignet, ein Interesse, das aus sach-
lichem Lrnst kommt, zurückzusto|en, da sie, wie es scheint, das Maximum
an Verstiegenheit oííenbart, das in der Philosophie denkbar ist. Und doch,
dieser erste Lindruck, so ·erständlich er ist, ·erstellt doch nur die
durchaus ·ernünítigen Moti·e legels. \enn legel einem ihn kriti-
sierenden Studenten entgegnete, es sei »um so schlimmer íür die Natur«,
wenn sich in Südamerika eine Pílanzenart íindet, die seinem Begriíí der
Pílanze nicht entspricht, so war es ihm nicht um ein schockierendes Bonmot

9 ív¸,/to¡aaie, ed. Bolland 1906, ¸ 1:, Zusatz. Vgl. Schell ing, \. \. cd. Schroter IV, S. 2óº:
»Das Irrationale und Zuíällige, das in der lormation der !e . e v, besonders der organischen,
mit dem Notwendigen sich ·erbunden zeigt, beweist, da| es nicht blo| eine geometrische
Notwendigkeit ist, die hi er gewi rkt hat, sondern da| lreiheit, Geist und Ligenwi l le mit
im Spi el waren. «
Man kann in dieser 1heorie eine Idee ·on der Schopíung Gottes wiedererkennen, in der Gott die
Natur nicht in alle Linzelheiten ·orbildet und sie einem ständigen Reglement unterwirít,
sondern ihr die lreiheit gewährt, die sein eigenes \esen ist. Solch auígeklärter Deismus
spricht zum Beispiel auch in Schillers Marquis Posa: »Sehen Sie sich um in seiner
herrlichen Natur! Auí lreiheit ist sie gegründet und wie reich ist sie durch lreiheit! Lr, der
gro|e Schopíer, wirít in einen 1ropíen 1au den \urm und lä|t noch in den toten Räumen der
Verwesung die \illkür sich ergotzen.« Die Vielgestaltigkeit der indi·iduellen Natur, die
über die Allgemeinheit des ::öoç hinausreicht, wird hier auí die geistige Macht der lreiheit
zurückgeíührt, in direktem Gegensatz zum antik-mittelalterlichen Aristotelismus, der in ihr
die dem Geistigen wesensíremde ¯`_ wirksam sah.

10 íogi /, a. a. O. II. , S. 24¯
166
Geistes ist also ein Bereich des absoluten Zuíalles durch die Idee selbst
auígeschlossen. »Ob nun schon die Zuíälligkeit der bisherigen Lrorterung
zuíolge nur ein einseitiges Moment der \irklichkeit und deshalb mit
dieser selbst nicht zu ·erwechseln ist, so gebührt derselben doch als
einer lorm der Idee überhaupt auch in der gegenständlichen \elt ihr
Recht. Dies gilt zunächst ·on der Natur, auí deren Oberíläche sozusagen
die Zuíälligkeit ihr íreies Lrgehen hat, welches denn auch als solches
anzuerkennen ist, ohne die der Philosophie bisweilen irrigerweise
zugeschriebene Prätention, darin ein nur-so-und-nicht-anders-sein-konnen
íinden zu wollen.«
9

Gattungen und Arten
10
: »Der Natur, weil sie das Au|ersichsein des Begriííes
ist, ist es íreigegeben, in dieser Verschiedenheit sich zu ergehen.« So gibt es
»etliche und sechzig Arten ·on Papageien, hundertundsiebenunddrei|ig
Arten ·on Veronika usí.«. Sie auízuzählen scheint legel eben deshalb eine
geistlose und langweilige Beschäítigung zu sein, weil in solcher
Mannigíaltigkeit »kein Geist« ist. Aus dieser 1heorie kann man nun auch die
íreilich erstaunliche lolgerung ziehen, da| in der Natur sogar Versto|e
·orkommen konnen gegen die Gedankenbestimmungen selbst, die doch
:|öoç und o`o|- alles Seienden sein sollen.
Natur ist gewi| mehr als der Bereich des blinden Zuíalls und der \illkür.
Sie ist ein Moment der Idee selbst, und so ist Notwendigkeit in ihr.
Deshalb sollte man aber nicht ·ersuchen, alle ihre Produkte als
»·ernünítige« auízuíassen. Der Zuíall hat in ihr sein Recht, und zwar nicht
nur als periphere, momentane Unregelmä|igkeit, sondern im Gegenteil in
dem »ruhigen Lrgehen seines lreigelassenseins« in besonderen


16¯

\eil in der Natur die Kategorien sich írei ergehen, also nicht in die Linheit
des Gedankenzusammenhanges íestgehalten sind, konnen einseitige und
somit unwahre Lxistenzen entstehen, konnen Momente des Gedankens
über andere im Seienden unberechtigte übermacht gewinnen. Das nicht
hindern zu konnen, ist íür legel »die Ohnmacht der Natur«, er meint,
da| man sich nur mit dieser Annahme jene übergangsíormen und Mi|-
bildungen ·erständlich machen kann, die zwischen und unter den Gat-
tungen des Natürlichen ·orkommen. Allein aus diesem Gedanken ist auch
eine Anekdote zu ·erstehen, die wegen ihrer scheinbar ·ernichtenden \ir-
kung auí die Konsequenz des Systems häuíig polemisch ausgewertet
wird. Jeder, der sich mit legel ·ertraut machen will, wird ihr in der
Literatur begegnen. Und sie ist schon geeignet, ein Interesse, das aus sach-
lichem Lrnst kommt, zurückzusto|en, da sie, wie es scheint, das Maximum
an Verstiegenheit oííenbart, das in der Philosophie denkbar ist. Und doch,
dieser erste Lindruck, so ·erständlich er ist, ·erstellt doch nur die
durchaus ·ernünítigen Moti·e legels. \enn legel einem ihn kriti-
sierenden Studenten entgegnete, es sei »um so schlimmer íür die Natur«,
wenn sich in Südamerika eine Pílanzenart íindet, die seinem Begriíí der
Pílanze nicht entspricht, so war es ihm nicht um ein schockierendes Bonmot

9 ív¸,/to¡aaie, ed. Bolland 1906, ¸ 1:, Zusatz. Vgl. Schell ing, \. \. cd. Schroter IV, S. 2óº:
»Das Irrationale und Zuíällige, das in der lormation der !e . e v, besonders der organischen,
mit dem Notwendigen sich ·erbunden zeigt, beweist, da| es nicht blo| eine geometrische
Notwendigkeit ist, die hi er gewi rkt hat, sondern da| lreiheit, Geist und Ligenwi l le mit
im Spi el waren. «
Man kann in dieser 1heorie eine Idee ·on der Schopíung Gottes wiedererkennen, in der Gott die
Natur nicht in alle Linzelheiten ·orbildet und sie einem ständigen Reglement unterwirít,
sondern ihr die lreiheit gewährt, die sein eigenes \esen ist. Solch auígeklärter Deismus
spricht zum Beispiel auch in Schillers Marquis Posa: »Sehen Sie sich um in seiner
herrlichen Natur! Auí lreiheit ist sie gegründet und wie reich ist sie durch lreiheit! Lr, der
gro|e Schopíer, wirít in einen 1ropíen 1au den \urm und lä|t noch in den toten Räumen der
Verwesung die \illkür sich ergotzen.« Die Vielgestaltigkeit der indi·iduellen Natur, die
über die Allgemeinheit des ::öoç hinausreicht, wird hier auí die geistige Macht der lreiheit
zurückgeíührt, in direktem Gegensatz zum antik-mittelalterlichen Aristotelismus, der in ihr
die dem Geistigen wesensíremde ¯`_ wirksam sah.

10 íogi /, a. a. O. II. , S. 24¯
166
zu tun. Auch haben gutwillige Interpreten darin zu Unrecht einen Verzicht
auí die Naturphilosophie oder sou·eräne Selbstironie gesehen. 1rocken
und bestimmt wollte legel dem beílissenen Opponenten erklären, da| er
an solch unwahren Lrscheinungen gänzlich uninteressiert sei und da| sie so
wenig wie Krugs Schreibíeder Beachtung ·erdienen, da sie dem schlechthin
Kontingenten in der Natur zugehoren. Der Opponent habe sich oííenbar
noch nicht ausreichend mit seinem System ·ertraut gemacht und dessen
Bestimmung des Verhältnisses ·on Begriíí und Natur übersehen. Der
Zuíall, nicht das Zuíällige sei notwendig, und damit sei das bestimmte
Zuíällige kein Gegenstand eines substanziellen Interesses. Der geringere
Rang der Natur im Ganzen des Seienden zeige sich auch darin, da| in ihr
solche uninteressante Lrscheinungen moglich und sogar notwendig sind.
11

Indiííerenz, íällt dieser Zuíall nicht hinweg. Kein Verstand ist denkbar, der
ihn seinem Inhalt nach in den reinen Begriíí auílosen konnte. In solchem
Sinne ist der Zuíall ein absoluter.
1rotz dieses ungeheuren Rechtes ist das Zuíällige aber doch deshalb, weil
Zuíall nur einseitiges Moment in der Notwendigkeit ist, äu|erliche, sogar
haltlose Lxistenz. Lr kann nicht der Notwendigkeit \iderstand leisten, die
in der einheitlichen Struktur der begriíílichen Lntwicklung liegt.
13
lür legels
Vorgänger lichte ist der absolute Zuíall zugleich die Bedingung des
Selbstwerdens, so da| das Selbst in seinem Beischiesse notwendig auí ihn
bezogen ist und in seinem Lrkennen als unendliches Streben der
Uberwindung der Kontingenz genommen werden mu|. Nach legel
·erdient das jeweils Zuíällige keine lischteiche Leidenschaít des Lrkennens,
des Uberwindenwollens. Nicht im unendlichen Drang, das Kontingente in
Begriííe auízulosen, sondern gerade im Verzicht auí solches Begreiíen liegt
die richtige laltung des Subjektes dem Zuíall gegenüber, der als die írei
entlassene Natürlichkeit durch die Idee schon überwunden und damit
als gleichgültig gesetzt ist.
Aus diesem abstrakten Gang der Begründung sind nun die zahlreichen,
über alle \erke ·erstreuten Stellen zu ·erstehen, in denen legel ·on
einem zuíälligen, einem unwirklichen Sein spricht. Sieht man das
logische lundament solcher Bemerkungen nicht, so mu| man entweder
eine todliche Inkonsequenz oder ein bewu|t nur ·orläuíiges Sprechen
in ihnen ·ermuten - beides zu Unrecht. Vielmehr wird in ihnen der aus
der Logik ·orausgesetzte Begriíí eines absoluten Zuíalls im Seienden
angewendet. »Sagen wir, die allgemeine Vernunít ·ollíühre sich, so ist es
um das empirisch Linzelne íreilich nicht zu tun, denn das kann besser
und schlechter sein, weil hier der Zuíall, die Besonderheit, ihr
ungeheures Recht auszuüben ·om Begriííe die Macht erhält.«
12
Auch
sub specie aeternitatis, also in einem Schellingschen Gott der

\ill man das Verhältnis dieser Uberlegungen und ihrer Begriíílichkeit zum
Kausalitätsprinzip empirischer lorschung bestimmen, so ist zunächst zu
bedenken: \enn legel ·on Kontingenz handelt, so ist nicht primär
Undeterminiertheit gemeint. Vielmehr hat man sich an die aristotelische Diííe-
renzierung des :|öoç zu erinnern, deren unterste Stuíe nicht das jeweils einzelne
Seiende, sondern die immer noch allgemeine ö:.·:p-o`o|- des ·|_.:-: ist, die
also begriíílich nicht notwendiges Seiendes íreilä|t. Der lrage, warum hier die
Diííerenzierung ein Lnde nimmt, hat Aristoteles wenig Be-


169

11 Durch eine Stelle in der ív¸,/to¡aaie wird diese Interpretation belegt: »\enn dagegen die
Natur die Verkehrtheit begeht, einige Menschen zu schaííen, die ·or Scham erbleichen
und ·or lurcht erroten, so darí die \issenschaít sich durch solche Inkonsequenzen der
Natur nicht ·erhindern lassen, das Gegenteil dieser Unregelmä|igkeiten als Gesetz
anzuerkennen« ,¸ 401, Zusatz, ed. Bolland 1906, S. 826,.

13 So teilten ja auch schon nach dem Bewu|tsein der írühen griechischen Philosophie A|x_
und l:po:ço._ gleichgültig gegen die besonderen Qualitäten und Interessen eines Seienden
allem, was ist, das Ma| und die Dauer seines Daseins zu. 12 Pbito.o¡bie aer !ettge.cbicbte, ed. Lasson 1930, Bd. I, S. 54.
168
zu tun. Auch haben gutwillige Interpreten darin zu Unrecht einen Verzicht
auí die Naturphilosophie oder sou·eräne Selbstironie gesehen. 1rocken
und bestimmt wollte legel dem beílissenen Opponenten erklären, da| er
an solch unwahren Lrscheinungen gänzlich uninteressiert sei und da| sie so
wenig wie Krugs Schreibíeder Beachtung ·erdienen, da sie dem schlechthin
Kontingenten in der Natur zugehoren. Der Opponent habe sich oííenbar
noch nicht ausreichend mit seinem System ·ertraut gemacht und dessen
Bestimmung des Verhältnisses ·on Begriíí und Natur übersehen. Der
Zuíall, nicht das Zuíällige sei notwendig, und damit sei das bestimmte
Zuíällige kein Gegenstand eines substanziellen Interesses. Der geringere
Rang der Natur im Ganzen des Seienden zeige sich auch darin, da| in ihr
solche uninteressante Lrscheinungen moglich und sogar notwendig sind.
11

Indiííerenz, íällt dieser Zuíall nicht hinweg. Kein Verstand ist denkbar, der
ihn seinem Inhalt nach in den reinen Begriíí auílosen konnte. In solchem
Sinne ist der Zuíall ein absoluter.
1rotz dieses ungeheuren Rechtes ist das Zuíällige aber doch deshalb, weil
Zuíall nur einseitiges Moment in der Notwendigkeit ist, äu|erliche, sogar
haltlose Lxistenz. Lr kann nicht der Notwendigkeit \iderstand leisten, die
in der einheitlichen Struktur der begriíílichen Lntwicklung liegt.
13
lür legels
Vorgänger lichte ist der absolute Zuíall zugleich die Bedingung des
Selbstwerdens, so da| das Selbst in seinem Beischiesse notwendig auí ihn
bezogen ist und in seinem Lrkennen als unendliches Streben der
Uberwindung der Kontingenz genommen werden mu|. Nach legel
·erdient das jeweils Zuíällige keine lischteiche Leidenschaít des Lrkennens,
des Uberwindenwollens. Nicht im unendlichen Drang, das Kontingente in
Begriííe auízulosen, sondern gerade im Verzicht auí solches Begreiíen liegt
die richtige laltung des Subjektes dem Zuíall gegenüber, der als die írei
entlassene Natürlichkeit durch die Idee schon überwunden und damit
als gleichgültig gesetzt ist.
Aus diesem abstrakten Gang der Begründung sind nun die zahlreichen,
über alle \erke ·erstreuten Stellen zu ·erstehen, in denen legel ·on
einem zuíälligen, einem unwirklichen Sein spricht. Sieht man das
logische lundament solcher Bemerkungen nicht, so mu| man entweder
eine todliche Inkonsequenz oder ein bewu|t nur ·orläuíiges Sprechen
in ihnen ·ermuten - beides zu Unrecht. Vielmehr wird in ihnen der aus
der Logik ·orausgesetzte Begriíí eines absoluten Zuíalls im Seienden
angewendet. »Sagen wir, die allgemeine Vernunít ·ollíühre sich, so ist es
um das empirisch Linzelne íreilich nicht zu tun, denn das kann besser
und schlechter sein, weil hier der Zuíall, die Besonderheit, ihr
ungeheures Recht auszuüben ·om Begriííe die Macht erhält.«
12
Auch
sub specie aeternitatis, also in einem Schellingschen Gott der

\ill man das Verhältnis dieser Uberlegungen und ihrer Begriíílichkeit zum
Kausalitätsprinzip empirischer lorschung bestimmen, so ist zunächst zu
bedenken: \enn legel ·on Kontingenz handelt, so ist nicht primär
Undeterminiertheit gemeint. Vielmehr hat man sich an die aristotelische Diííe-
renzierung des :|öoç zu erinnern, deren unterste Stuíe nicht das jeweils einzelne
Seiende, sondern die immer noch allgemeine ö:.·:p-o`o|- des ·|_.:-: ist, die
also begriíílich nicht notwendiges Seiendes íreilä|t. Der lrage, warum hier die
Diííerenzierung ein Lnde nimmt, hat Aristoteles wenig Be-


169

11 Durch eine Stelle in der ív¸,/to¡aaie wird diese Interpretation belegt: »\enn dagegen die
Natur die Verkehrtheit begeht, einige Menschen zu schaííen, die ·or Scham erbleichen
und ·or lurcht erroten, so darí die \issenschaít sich durch solche Inkonsequenzen der
Natur nicht ·erhindern lassen, das Gegenteil dieser Unregelmä|igkeiten als Gesetz
anzuerkennen« ,¸ 401, Zusatz, ed. Bolland 1906, S. 826,.

13 So teilten ja auch schon nach dem Bewu|tsein der írühen griechischen Philosophie A|x_
und l:po:ço._ gleichgültig gegen die besonderen Qualitäten und Interessen eines Seienden
allem, was ist, das Ma| und die Dauer seines Daseins zu. 12 Pbito.o¡bie aer !ettge.cbicbte, ed. Lasson 1930, Bd. I, S. 54.
168
3. Der Zuíall im Leben des Geistes
achtung geschenkt. Und es war eine die Lntwicklung der Spekulation
bestimmende Linsicht, da| sie beantwortet werden mu|te. In den
indi·iduellen Ideen des Plotin, der haecceitas des Duns Scotus und in der
nominalistischen und suarezianischen essentia-1heorie wurde die o`o|- bis
zum Linzelding speziíiziert. Man kann legels Kontingenzlehre in diesem
Zusammenhang als eine Lrneuerung des Aristoteles ·erstehen. Obwohl
legel den allerdings paradoxen Anspruch erhebt, z. B. Napoleon und
Aírika aus dem Proze| des \esens zu deduzieren, so gilt ihm doch ein
gleiches durchaus nicht íür alles konkret \irkliche. Napoleon ist ihm im
Gegensatzau Krugs Schreibíeder eine o`o|- íür sich, wie dem
Aristotelismus Gotter und Lngel.
Denn trotz seiner laltlosigkeit und Gleichgültigkeit kommt dem Zuíälligen
im Ganzen der legelschen Spekulation mehr als nur beiläuíige Bedeutung
zu. Da| solcher Zuíall ist, ist Konstitutionsprinzip auch íür diejenigen
Phänomene, in denen der Geist aus dem natürlichen Sein zu sich selbst als
Linheit zurückíindet. So ist zum Beispiel die Schonheit in Natur und
Kunst als das Scheinen der Idee nur unter Voraussetzung des
Zuíallsbegriííes ·erständlich.
15
Denn während im natürlichen kontingenten
Seienden durch das Recht des Zuíalles die Llemente in Regellosigkeit
nebeneinanderstehen, ist das Kunstwerk wesentlich dies, da| an den an sich
zuíälligen, nur auí sich bezogenen 1eilen die Macht der Notwendigkeit zum
Scheinen kommt, so da| sie gerade in ihrem zunächst zuíälligen Sein den
Anschein des Nichtandersseinkonnens gewinnen, in dem die Linheit der Idee
durch die Kontingenz des Au|erlichen anschaulich durchbricht. Die an sich
zuíälligen \orte der Sprache bilden so im Gedicht das Geíüge, in dem sie
anschaulich die Linheit ·on Bedeutung darzustellen ·ermogen, die der Begriíí
als solcher gegenüber jedem zuíälligen Sein ist.
legel hat, unter der Bedingung der Lxistenz der modernen Natur-
íorschung, Aristotelische Ontologie nicht kritiklos wieder auígenommen.
Durch eine Kritik der Grundlagen empirisch erklärender \issenschaít
·ersuchte er zu zeigen, da| sie nur ·oraussetzungsreichere und ·on
wechselnden Perspekti·en abhängige, also nicht ·wahre· Lrkenntnis ·ermit-
teln konne. Lr macht sich dabei die Resultate des Kantianismus zunutze,
entwickelt sie in zum 1eil sehr produkti·er \eise weiter und wendet sie
erstmals auí den Bereich der historischen \issenschaíten an. Dabei nimmt er
einen guten 1eil der Versuche ·on Rickert und Cohen ·orweg. Lin erstes
Stück aus dieser Kritik ist uns schon in dem linweis auí den endlosen
Regre| der Bedingungen bekannt geworden, den legel noch durch den auí
die Unerme|lichkeit ihrer Anzahl ergänzt, womit er der 1heorie des
»heterogenen Kontinuum« ·on Rickert nahekommt. Ls ist eine eigene
Auígabe, diese ganz unabhängig ·on einer 1heorie des absoluten \issens
interessante und bedeutsame Seite des legelschen Systems zu entíalten.
Der linweis darauí, da| sie ·orhanden ist, mag es erleichtern, sich
problematisch weiter auí legels Kontingenztheorie einzulassen.
14


Analog zu dieser íormalen Struktur des Kunstwerkes ist auch
sein Gegenstand die ·on aller Au|erlichkeit beíreite Idee, etwa
das \esen eines Indi·iduums in einem Porträt. »Indem

14 Bemerkenswerterweise wird in der marxistischen legel-interpretation der Versuch gemacht, die



unbedingte Geltung des Kausalprinzipes mit der Realität ·on Zuíall in der \elt zu ·ereinen.
So hat schon Lngels in seiner Diate/ti/ aer ^atvr ,Dietz-Verlag, Berlin 1955, S- 231
-
235, im
Anschlu| an legel über »Zuíälligkeit und Notwendigkeit« gehandelt. Auí ihn beruíen sich
die russischen Autoren, zuletzt S. l. Anissimow, Die !ecb.etbe¸iebvvgev aer Kategoriev ae.
Ce.et¸e., aer Kav.atitat, aer ^otrevaig/eit vva aer Zvfattig/eit, in: 1o¡ro., íito.ofii, 1955. Das
Argument, Zuíall und Unbestimmtheit seien objekti·e Ligenschaíten der Materie, wird
oít in der Diskussion ·on Problemen der neuesten Physik gebraucht und hat schon Lingang in
die 1agespresse geíunden.
1¯1

15 Die íaee vva aa. íaeat, ed. Lasson, 1931, S. 38.
1¯0
3. Der Zuíall im Leben des Geistes
achtung geschenkt. Und es war eine die Lntwicklung der Spekulation
bestimmende Linsicht, da| sie beantwortet werden mu|te. In den
indi·iduellen Ideen des Plotin, der haecceitas des Duns Scotus und in der
nominalistischen und suarezianischen essentia-1heorie wurde die  bis
zum Linzelding speziíiziert. Man kann legels Kontingenzlehre in diesem
Zusammenhang als eine Lrneuerung des Aristoteles ·erstehen. Obwohl
legel den allerdings paradoxen Anspruch erhebt, z. B. Napoleon und
Aírika aus dem Proze| des \esens zu deduzieren, so gilt ihm doch ein
gleiches durchaus nicht íür alles konkret \irkliche. Napoleon ist ihm im
Gegensatzau Krugs Schreibíeder eine  íür sich, wie dem
Aristotelismus Gotter und Lngel.
Denn trotz seiner laltlosigkeit und Gleichgültigkeit kommt dem Zuíälligen
im Ganzen der legelschen Spekulation mehr als nur beiläuíige Bedeutung
zu. Da| solcher Zuíall ist, ist Konstitutionsprinzip auch íür diejenigen
Phänomene, in denen der Geist aus dem natürlichen Sein zu sich selbst als
Linheit zurückíindet. So ist zum Beispiel die Schonheit in Natur und
Kunst als das Scheinen der Idee nur unter Voraussetzung des
Zuíallsbegriííes ·erständlich.
15
Denn während im natürlichen kontingenten
Seienden durch das Recht des Zuíalles die Llemente in Regellosigkeit
nebeneinanderstehen, ist das Kunstwerk wesentlich dies, da| an den an sich
zuíälligen, nur auí sich bezogenen 1eilen die Macht der Notwendigkeit zum
Scheinen kommt, so da| sie gerade in ihrem zunächst zuíälligen Sein den
Anschein des Nichtandersseinkonnens gewinnen, in dem die Linheit der Idee
durch die Kontingenz des Au|erlichen anschaulich durchbricht. Die an sich
zuíälligen \orte der Sprache bilden so im Gedicht das Geíüge, in dem sie
anschaulich die Linheit ·on Bedeutung darzustellen ·ermogen, die der Begriíí
als solcher gegenüber jedem zuíälligen Sein ist.
legel hat, unter der Bedingung der Lxistenz der modernen Natur-
íorschung, Aristotelische Ontologie nicht kritiklos wieder auígenommen.
Durch eine Kritik der Grundlagen empirisch erklärender \issenschaít
·ersuchte er zu zeigen, da| sie nur ·oraussetzungsreichere und ·on
wechselnden Perspekti·en abhängige, also nicht ·wahre· Lrkenntnis ·ermit-
teln konne. Lr macht sich dabei die Resultate des Kantianismus zunutze,
entwickelt sie in zum 1eil sehr produkti·er \eise weiter und wendet sie
erstmals auí den Bereich der historischen \issenschaíten an. Dabei nimmt er
einen guten 1eil der Versuche ·on Rickert und Cohen ·orweg. Lin erstes
Stück aus dieser Kritik ist uns schon in dem linweis auí den endlosen
Regre| der Bedingungen bekannt geworden, den legel noch durch den auí
die Unerme|lichkeit ihrer Anzahl ergänzt, womit er der 1heorie des
»heterogenen Kontinuum« ·on Rickert nahekommt. Ls ist eine eigene
Auígabe, diese ganz unabhängig ·on einer 1heorie des absoluten \issens
interessante und bedeutsame Seite des legelschen Systems zu entíalten.
Der linweis darauí, da| sie ·orhanden ist, mag es erleichtern, sich
problematisch weiter auí legels Kontingenztheorie einzulassen.
14


Analog zu dieser íormalen Struktur des Kunstwerkes ist auch
sein Gegenstand die ·on aller Au|erlichkeit beíreite Idee, etwa
das \esen eines Indi·iduums in einem Porträt. »Indem

14 Bemerkenswerterweise wird in der marxistischen legel-interpretation der Versuch gemacht, die



unbedingte Geltung des Kausalprinzipes mit der Realität ·on Zuíall in der \elt zu ·ereinen.
So hat schon Lngels in seiner Diate/ti/ aer ^atvr ,Dietz-Verlag, Berlin 1955, S- 231
-
235, im
Anschlu| an legel über »Zuíälligkeit und Notwendigkeit« gehandelt. Auí ihn beruíen sich
die russischen Autoren, zuletzt S. l. Anissimow, Die !ecb.etbe¸iebvvgev aer Kategoriev ae.
Ce.et¸e., aer Kav.atitat, aer ^otrevaig/eit vva aer Zvfattig/eit, in: 1o¡ro., íito.ofii, 1955. Das
Argument, Zuíall und Unbestimmtheit seien objekti·e Ligenschaíten der Materie, wird
oít in der Diskussion ·on Problemen der neuesten Physik gebraucht und hat schon Lingang in
die 1agespresse geíunden.
1¯1

15 Die íaee vva aa. íaeat, ed. Lasson, 1931, S. 38.
1¯0
die Kunst das in dem sonstigen Dasein ·on der Zuíälligkeit und Au|erlichkeit
Beíleckte zu dieser larmonie mit seinem wahren Begriííe zurückíührt, wirít
sie alles, was in der Lrscheinung demselben nicht entspricht, bei Seite und
bringt erst durch diese Reinigung das Ideal her·or.«
16
Das Schone in der
Natur erreicht deshalb niemals ideale Schonheit, da Natur, als der
Bereich der Au|erlichkeit, immer ·on der Zuíälligkeit gezeichnet bleibt
und nur die »Ahnung der Idee« in sich birgt. Gäbe es nicht das zuíällig
Seiende, so würde die Kunstschonheit, die eine lorm der Uberwindung
der Kontingenz ist, ihre ausgezeichnete Stellung in legels Asthetik
einbü|en.
allererst eine absolute Bedeutung. So ist z. B. das Bewu|tsein sich seiner als
eines besonderen in den tierischen lunktionen bewu|t. »Diese, statt
unbeíangen als etwas, das an und íür sich nichtig ist und keine \ichtigkeit
und \esenheit íür den Geist erlangen kann, getan zu werden, da sie ,bei
jenen, es sind, in welchen sich der leind in seiner eigentümlichen Gestalt
zeigt, sind sie ·ielmehr Gegenstand des ernstlichen Bemühens und werden
gerade zum \ichtigsten.«
18
Das hei|t aber, sie werden gerade nicht als das
genommen, was sie sind, als je nur zuíällig Bestimmtes.
19

Nicht nur in dem auí Au|erliches bezogenen, auch im hoheren sittlichen
Sein mu| der Zuíall ohne Lntgegensetzung ausgeschlossen werden. So ist
es z. B. das \esen der Lhe, sich die lreiheit ·on der Zuíälligkeit der
Neigung zu ·ersprechen. Mit diesem Versprechen tritt sie in ihre eigene
Notwendigkeit ein, in der sie aber ohne Lntgegensetzung gegen
Neigungen lebt. Nach dem ethischen Prinzip legels ist sie die Lntäu|e-
rung des Ich an einen es übergreiíenden und es integrierenden
substantiellen Zusammenhang, in dem es allein wahrhaít Ich werden kann.
Also kann sie weder die absolute Legitimation der bestehenden Neigung,
die an sich unmoglich ist, noch auch ihre gewaltsame Bändigung sein, die
gerade dem Zuíälligen den Rang eines \esentlichen ·erleihen mü|te, ·on
dem man nie írei würde. In der lreundschaít ist es ebeníalls als zuíällig

Insbesondere aber im vorati.cbev Bereich ist die negati·e Beziehung auí
das Zuíällige eine Seite der wesentlichen Leistung der sittlichen
Subjekti·ität. Da| ich in meinem unmittelbaren Sein durch zuíällige
Umstände mich bestimmt wei|, ist kraít der natürlichen Seite meiner
Lxistenz notwendig. In seiner praktischen \issenschaítslehre hat lichte
der Lntgegensetzung gegen diese Au|erlichkeit eine unendliche \ich-
tigkeit gegeben. Sittliche 1at ist es, ungeordnete natürliche 1riebe und
Neigungen zurück-zudrängen und unter den ·ernünítigen Anspruch zu
íormieren, eine íür das endliche \esen nur im Unendlichen realisierbare
Auígabe. Lntsprechend der ·eränderten theoretischen Situation bei
legel

ist íür ihn die sittliche Leistung gerade die, den Zuíall zu
erkennen, ihn gewähren zu lassen, und den \illen dadurch, da| er dein
an sich Zuíälligen keine wesentliche Bedeutung gibt, in der eigentlichen
Sphäre des Notwendigen zu beheimaten. So wendet legel gegen die
Askese des Klosters, gegen das ,·ermeintliche, Kantische
»Zurückdrängen der Neigung aus Pílicht« und gegen das Geíühl des
Unglücks in der schonen Seele über ihre natürliche \irklichkeit ein, sie
gäben einem an sich Nichtigen durch die Lnergie ihrer Lntgegensetzung


1¯3

18 Phänomenologie des Geistes, ed. loíímeister, S. 168.
19 lichte und legel ·erbindet die Uberzeugung, da| die 1atsache der zuíälligen Bestimmtheit
unseres Lebens nicht durch die Beruíung auí ein Geschaííensein durch Gott ·erstellt
werden sollte. Ls ist zwar ein schoner Zug der lrommigkeit, in allen Begebenheiten
gottliche Geschenke, Prüíungen und lügungen zu erblicken. Doch ist der Glaube entschiedener
ohne diese Lrbauung gewährende Uberzeugung. Da| »denen, die Gott lieben, alle Dinge zum besten
dienen«, bedeutet ·ielmehr, da| sie die lreiheit besitzen, dem Zuíall anheimzustellen, was
unwesentlich ist, um den \echsel ·on Glück und Geschick nur zum Anla| werden zu
lassen, sich allein im wesentlichen Dasein zu sammeln. In diesem und manchem anderen
Sinne ist legel der protestantischen 1heologie des íolgenden Jahrhunderts
·orausgegangen.
16 Vorlesungen über die Aesthetik, ed. lot ho, Bd. II, S. 216.
1¯ S. o. S. 168,69.
1¯2
die Kunst das in dem sonstigen Dasein ·on der Zuíälligkeit und Au|erlichkeit
Beíleckte zu dieser larmonie mit seinem wahren Begriííe zurückíührt, wirít
sie alles, was in der Lrscheinung demselben nicht entspricht, bei Seite und
bringt erst durch diese Reinigung das Ideal her·or.«
16
Das Schone in der
Natur erreicht deshalb niemals ideale Schonheit, da Natur, als der
Bereich der Au|erlichkeit, immer ·on der Zuíälligkeit gezeichnet bleibt
und nur die »Ahnung der Idee« in sich birgt. Gäbe es nicht das zuíällig
Seiende, so würde die Kunstschonheit, die eine lorm der Uberwindung
der Kontingenz ist, ihre ausgezeichnete Stellung in legels Asthetik
einbü|en.
allererst eine absolute Bedeutung. So ist z. B. das Bewu|tsein sich seiner als
eines besonderen in den tierischen lunktionen bewu|t. »Diese, statt
unbeíangen als etwas, das an und íür sich nichtig ist und keine \ichtigkeit
und \esenheit íür den Geist erlangen kann, getan zu werden, da sie ,bei
jenen, es sind, in welchen sich der leind in seiner eigentümlichen Gestalt
zeigt, sind sie ·ielmehr Gegenstand des ernstlichen Bemühens und werden
gerade zum \ichtigsten.«
18
Das hei|t aber, sie werden gerade nicht als das
genommen, was sie sind, als je nur zuíällig Bestimmtes.
19

Nicht nur in dem auí Au|erliches bezogenen, auch im hoheren sittlichen
Sein mu| der Zuíall ohne Lntgegensetzung ausgeschlossen werden. So ist
es z. B. das \esen der Lhe, sich die lreiheit ·on der Zuíälligkeit der
Neigung zu ·ersprechen. Mit diesem Versprechen tritt sie in ihre eigene
Notwendigkeit ein, in der sie aber ohne Lntgegensetzung gegen
Neigungen lebt. Nach dem ethischen Prinzip legels ist sie die Lntäu|e-
rung des Ich an einen es übergreiíenden und es integrierenden
substantiellen Zusammenhang, in dem es allein wahrhaít Ich werden kann.
Also kann sie weder die absolute Legitimation der bestehenden Neigung,
die an sich unmoglich ist, noch auch ihre gewaltsame Bändigung sein, die
gerade dem Zuíälligen den Rang eines \esentlichen ·erleihen mü|te, ·on
dem man nie írei würde. In der lreundschaít ist es ebeníalls als zuíällig

Insbesondere aber im vorati.cbev Bereich ist die negati·e Beziehung auí
das Zuíällige eine Seite der wesentlichen Leistung der sittlichen
Subjekti·ität. Da| ich in meinem unmittelbaren Sein durch zuíällige
Umstände mich bestimmt wei|, ist kraít der natürlichen Seite meiner
Lxistenz notwendig. In seiner praktischen \issenschaítslehre hat lichte
der Lntgegensetzung gegen diese Au|erlichkeit eine unendliche \ich-
tigkeit gegeben. Sittliche 1at ist es, ungeordnete natürliche 1riebe und
Neigungen zurück-zudrängen und unter den ·ernünítigen Anspruch zu
íormieren, eine íür das endliche \esen nur im Unendlichen realisierbare
Auígabe. Lntsprechend der ·eränderten theoretischen Situation bei
legel

ist íür ihn die sittliche Leistung gerade die, den Zuíall zu
erkennen, ihn gewähren zu lassen, und den \illen dadurch, da| er dein
an sich Zuíälligen keine wesentliche Bedeutung gibt, in der eigentlichen
Sphäre des Notwendigen zu beheimaten. So wendet legel gegen die
Askese des Klosters, gegen das ,·ermeintliche, Kantische
»Zurückdrängen der Neigung aus Pílicht« und gegen das Geíühl des
Unglücks in der schonen Seele über ihre natürliche \irklichkeit ein, sie
gäben einem an sich Nichtigen durch die Lnergie ihrer Lntgegensetzung


1¯3

18 Phänomenologie des Geistes, ed. loíímeister, S. 168.
19 lichte und legel ·erbindet die Uberzeugung, da| die 1atsache der zuíälligen Bestimmtheit
unseres Lebens nicht durch die Beruíung auí ein Geschaííensein durch Gott ·erstellt
werden sollte. Ls ist zwar ein schoner Zug der lrommigkeit, in allen Begebenheiten
gottliche Geschenke, Prüíungen und lügungen zu erblicken. Doch ist der Glaube entschiedener
ohne diese Lrbauung gewährende Uberzeugung. Da| »denen, die Gott lieben, alle Dinge zum besten
dienen«, bedeutet ·ielmehr, da| sie die lreiheit besitzen, dem Zuíall anheimzustellen, was
unwesentlich ist, um den \echsel ·on Glück und Geschick nur zum Anla| werden zu
lassen, sich allein im wesentlichen Dasein zu sammeln. In diesem und manchem anderen
Sinne ist legel der protestantischen 1heologie des íolgenden Jahrhunderts
·orausgegangen.
16 Vorlesungen über die Aesthetik, ed. lot ho, Bd. II, S. 216.
1¯ S. o. S. 168,69.
1¯2
anzuerkennen, da| ich diesem bestimmten Menschen unter diesen
Bedingungen begegnet bin. Der Gedanke an eine Vorherbestimmung ·erstellt
das \esen der sittlichen Leistung, den Zuíall sein zu lassen und in einer ·on
ihm mitbestimmten Situation die Notwendigkeit des sittlichen Lebens
zu ·ollziehen.
sittlichen \illen zukommt. Sie ist als die zu überwindende notwendiges
Moment in der Sittlichkeit. So ist Sittlichkeit nicht nur wie bei lichte die
Lntgegensetzung gegen sie, die sich im unendlichen Streben realisiert,
sondern gerade das Auíheben der Lntgegensetzung. Aus diesem
\echsel·erhältnis zwischen Litelkeit und Selbstauígabe interpretiert legel
alle sittlichen Phänomene. Auch das \esen des historischen Prozesses wird
in der Geschichtsphilosophie aus diesem Kampí des Geistes gegen sich
selbst ·erstanden. »Bewu|tsein und \illen sind zunächst in ihr
unmittelbares natürliches Leben ·ersenkt: Gegenstand und Zweck ist ihnen
zunächst die natürliche Bestimmung selbst als solche, die dadurch, da| es
der Geist ist, der sie beseelt, selbst ·on unendlichem Anspruche ist.«
21
»So
ist der Geist in ihm selbst sich entgegen. \as der Geist will, ist, seinen
eigenen Begriíí erreichen, aber er selbst ·erdeckt sich denselben, ist stolz
und ·oll ·on Genu| in dieser Lntíremdung seiner selbst.«
22

\ichtig íür das Verständnis ·on legels Lthik ist es nun zu sehen, da|,
so wie die lreigabe des Zuíälligen als eine sittliche Leistung geíordert
ist, so auch der Protest gegen den Zuíall die Subjekti·ität aus ihr selbst
als Versuchung ankommt. Ls ist wiederum ein Moment in der
Lntwicklung der Idee, da| sich das Selbst auí seine Besonderheit
·ersteiíen kann und je schon sich ·ersteiít hat. Das Selbstbewu|tsein ist
zunächst Reílexion auí sich und ·ertieít sich so in seine es aus-
zeichnenden Ligenheiten, auch in die besonderen widrigen Schicksale
seiner Situation. Ls geht in sich und sperrt sich gegen die sittliche
Notwendigkeit, den Zuíall einíach nur Zuíall sein zu lassen. So murrt
der Mensch über einen »unglücklichen Zuíall«, der ihn betriíít, und hält
ihm die Besonderheit seiner Indi·idualität entgegen, wenn er sagt, »da|
gerade mir dies geschehen mu|te«. Nachdem er ihn bestanden hat,
oííenbart sich im Stolz auí sein Abenteuer oder im Renommieren mit
dem Au|ergewohnlichen seines Schicksals ein Selbst·erständnis gleicher
Art. In solchem 1un liegt eine wenn auch ·orläuíige hohere \ahrheit,
es hat einen Grund im \esen des endlichen Geistes. Denn wahrhaíte
Sittlichkeit kann nur im Ablassen ·om je Besonderen sich begründen, so
wie der abstrakte Begriíí der Notwendigkeit sich nur im Selbstsetzen
des Zuíälligen konstituieren kann. Das Zurückgehen des Ich in seine
natürliche Besonderheit ist Litelkeit.
20
Die Uberwindung der Litelkeit
aber ist die Annahme der Besonderheit, und zwar so, da| sie zugleich
als die unwesentliche gesetzt ist, da| ihr keine Macht über den

Diese Idee ·on der Sittlichkeit hat legel bereits sehr írüh besessen. Sie ist als
der Grundzug seines Denkens schon dort zu erkennen, wo er noch nicht
eine eigene theoretische Konstruktion der Realität anstrebt. In ihr oííenbart
sich ein alle Romantik übersteigendes \elt·erständnis, in dem auch der
1apíerkeit ein hoher Rang zukommt. Schon in den ersten Niederschriíten
,1¯93,, die wir ·on legel besitzen, tritt sie uns in der lorderung entgegen,
da| wir lernen müssen, uns mehr ·on Natur und Schicksal abhängig zu
wissen.
23
In der Polemik gegen Kants Lehre ·on der Glückswürdigkeit des
Guten íinden wir sie bald wieder ,ab 1¯95,. Zunächst íreilich


1¯5

21 \enn nicht die Lnergie des Selbstbewu|tseins sich mit den natürlichen Bestimmungen
·erbindet, erreichen sie nicht die Kraít des Anspruches, den sie gerade im menschlichen Leben
anmelden. So ist das Klagen des 1ieres nur der Ausdruck seines Schmerzes, der Auíschrei des
Menschen oííenbart aber zugleich den 1rotz des Geistes, dessen \ille, Grund seiner
selbst zu sein, auch sein natürliches Dasein íesthält und so in ihm getroííen wird.
20
Litelkeit ist hier im Sinne der ·anitas der christlichen Lehre das substanzlose \esen dessen, der
sein ganzes lerz an ein Nichtiges hängt.
22 Philosophie der \ettgeschichte, a.a.O., S. 132.
23 legels theologische Jugendschriíten, ed. Nohl 190¯, S. 29,46, SS.
1¯4
anzuerkennen, da| ich diesem bestimmten Menschen unter diesen
Bedingungen begegnet bin. Der Gedanke an eine Vorherbestimmung ·erstellt
das \esen der sittlichen Leistung, den Zuíall sein zu lassen und in einer ·on
ihm mitbestimmten Situation die Notwendigkeit des sittlichen Lebens
zu ·ollziehen.
sittlichen \illen zukommt. Sie ist als die zu überwindende notwendiges
Moment in der Sittlichkeit. So ist Sittlichkeit nicht nur wie bei lichte die
Lntgegensetzung gegen sie, die sich im unendlichen Streben realisiert,
sondern gerade das Auíheben der Lntgegensetzung. Aus diesem
\echsel·erhältnis zwischen Litelkeit und Selbstauígabe interpretiert legel
alle sittlichen Phänomene. Auch das \esen des historischen Prozesses wird
in der Geschichtsphilosophie aus diesem Kampí des Geistes gegen sich
selbst ·erstanden. »Bewu|tsein und \illen sind zunächst in ihr
unmittelbares natürliches Leben ·ersenkt: Gegenstand und Zweck ist ihnen
zunächst die natürliche Bestimmung selbst als solche, die dadurch, da| es
der Geist ist, der sie beseelt, selbst ·on unendlichem Anspruche ist.«
21
»So
ist der Geist in ihm selbst sich entgegen. \as der Geist will, ist, seinen
eigenen Begriíí erreichen, aber er selbst ·erdeckt sich denselben, ist stolz
und ·oll ·on Genu| in dieser Lntíremdung seiner selbst.«
22

\ichtig íür das Verständnis ·on legels Lthik ist es nun zu sehen, da|,
so wie die lreigabe des Zuíälligen als eine sittliche Leistung geíordert
ist, so auch der Protest gegen den Zuíall die Subjekti·ität aus ihr selbst
als Versuchung ankommt. Ls ist wiederum ein Moment in der
Lntwicklung der Idee, da| sich das Selbst auí seine Besonderheit
·ersteiíen kann und je schon sich ·ersteiít hat. Das Selbstbewu|tsein ist
zunächst Reílexion auí sich und ·ertieít sich so in seine es aus-
zeichnenden Ligenheiten, auch in die besonderen widrigen Schicksale
seiner Situation. Ls geht in sich und sperrt sich gegen die sittliche
Notwendigkeit, den Zuíall einíach nur Zuíall sein zu lassen. So murrt
der Mensch über einen »unglücklichen Zuíall«, der ihn betriíít, und hält
ihm die Besonderheit seiner Indi·idualität entgegen, wenn er sagt, »da|
gerade mir dies geschehen mu|te«. Nachdem er ihn bestanden hat,
oííenbart sich im Stolz auí sein Abenteuer oder im Renommieren mit
dem Au|ergewohnlichen seines Schicksals ein Selbst·erständnis gleicher
Art. In solchem 1un liegt eine wenn auch ·orläuíige hohere \ahrheit,
es hat einen Grund im \esen des endlichen Geistes. Denn wahrhaíte
Sittlichkeit kann nur im Ablassen ·om je Besonderen sich begründen, so
wie der abstrakte Begriíí der Notwendigkeit sich nur im Selbstsetzen
des Zuíälligen konstituieren kann. Das Zurückgehen des Ich in seine
natürliche Besonderheit ist Litelkeit.
20
Die Uberwindung der Litelkeit
aber ist die Annahme der Besonderheit, und zwar so, da| sie zugleich
als die unwesentliche gesetzt ist, da| ihr keine Macht über den

Diese Idee ·on der Sittlichkeit hat legel bereits sehr írüh besessen. Sie ist als
der Grundzug seines Denkens schon dort zu erkennen, wo er noch nicht
eine eigene theoretische Konstruktion der Realität anstrebt. In ihr oííenbart
sich ein alle Romantik übersteigendes \elt·erständnis, in dem auch der
1apíerkeit ein hoher Rang zukommt. Schon in den ersten Niederschriíten
,1¯93,, die wir ·on legel besitzen, tritt sie uns in der lorderung entgegen,
da| wir lernen müssen, uns mehr ·on Natur und Schicksal abhängig zu
wissen.
23
In der Polemik gegen Kants Lehre ·on der Glückswürdigkeit des
Guten íinden wir sie bald wieder ,ab 1¯95,. Zunächst íreilich


1¯5

21 \enn nicht die Lnergie des Selbstbewu|tseins sich mit den natürlichen Bestimmungen
·erbindet, erreichen sie nicht die Kraít des Anspruches, den sie gerade im menschlichen Leben
anmelden. So ist das Klagen des 1ieres nur der Ausdruck seines Schmerzes, der Auíschrei des
Menschen oííenbart aber zugleich den 1rotz des Geistes, dessen \ille, Grund seiner
selbst zu sein, auch sein natürliches Dasein íesthält und so in ihm getroííen wird.
20
Litelkeit ist hier im Sinne der ·anitas der christlichen Lehre das substanzlose \esen dessen, der
sein ganzes lerz an ein Nichtiges hängt.
22 Philosophie der \ettgeschichte, a.a.O., S. 132.
23 legels theologische Jugendschriíten, ed. Nohl 190¯, S. 29,46, SS.
1¯4
besteht zwischen dieser 1ugend und dem Ideal der Versohnung des
Selbst mit seinem Anderen in der Linheit des Lebens und der Lrhebung zu
Gott, zwischen dem stoischen und dem neuplatonischen Llement in seiner
Philosophie des Geistes, eine Inhomogeneität und somit eine Spannung. lür
eine kurze Zeit, in der Gemeinschaít mit Schelling, ist diese Spannung
zugunsten des :.-r-.·- -Ideales auígehoben worden, in dem es moglich
schien, das Schicksal, als eine blo| äu|erlicher Reílexion entsprungene
Vorstellung, ganz in die Versohnung des Geistes mit der \irklichkeit
auízuheben. Bald aber stand die ursprüngliche Auííassung legels wieder
im Vordergrund, in der die 1ugend des amor íati und der 1apíerkeit so
wenig der ·ersohnenden Lrhebung zu Gott widersprechen, da| sie, im
Ablassen ·om Kontingenten, geradezu eine ihrer Bedingungen sind. Nicht
nur die theoretische Linsicht in die Unmoglichkeit, alles Konkrete zu
deduzieren, die durch den Linwand Krugs geíordert worden sein mag, hat
also die Re·ision der rein negati·en Kontingenztheorie ·on 18o2 er-
zwungen. Ihr Zusammenhang mit der Grundlegung der Lthik hat uns
Gründe íür sie sichtbar werden lassen, die in den Ursprung des Systems
selbst reichen, durch das legel zunächst die Begriííe zum Verständnis
der in den Jugendschriíten in den Blick gebrachten sittlich-religiosen
\irklichkeit des Menschen erarbeiten wollte. Dieser Zusammenhang
ermoglicht es also auch dem, der sich ·on der theoretischen Schlüssigkeit
der späteren Spekulation nicht überzeugen kann, sie als den berechtigten
Versuch einer begriíílichen Selbstinterpretation des sittliche
n
Bewu|tseins zu
nehmen: Der gegensatzlose Verzicht auí das Kontingente ist dem sittlichen
Bewu|tsein als unbedingter Anspruch zugemutet. Im ·ollendeten
Lntsprechen mu| das Zuíällige íreigegeben und als unwesentlich gesetzt
sein. \enn das Bewu|tsein die theoretischen Implikationen einer solchen
Setzung ausdrücklich reílektiert, so mu| es íormal die Beziehung des an sich
seienden Prinzips des Guten zum kontingenten Seienden durch

den Begriíí der absoluten Notwendigkeit denken, den legel in seiner Logik
entwickelt hat. Auí seine logische lorm gebracht wäre das ein Veríahren,
statt aus einer theoretisch e·identen Bedingung ihre praktische Konsequenz
zu íolgern, die Konsequenz selbst als e·ident zu setzen und ·on ihr auí die
Bedingung zu schlie|en. Da die Konsequenz eine praktische ist, würde die
Bedingung dann auch nur praktisch gewi| sein konnen. Sie hätte den
Charakter einer sittlich notwendigen Annahme, die in einem der Kantischen
Postulatenlehre analogen Veríahren begründet worden wäre. Man
konnte in ihr auí die Deduktionen ·on legels Naturphilosophie
·erzichten, sich also in bessere Ubereinstimmung mit der Naturwissenschaít
bringen. Die Grundstruktur der Idee bliebe aber gewahrt.
In solcher Darstellung würde sich legels System wohl gro|erer
\ertschätzung eríreuen konnen. Man mu| aber sehen, da| diese
Interpretation nur dann geleistet werden kann, wenn der Begriíí des
absoluten Zuíalls als ein notwendiges Moment der Idee erkannt wird. So
ist auch der Blick íür das Bedeutsame der Lthik legels durch die íalsche
Vormeinung ·erstellt, der Idealismus müsse das Phänomen der Kontin-
genz im innerweltlich Seienden leugnen.
í·/vr.: Das, was diese Lthik zu einer besonderen, eigenständigen macht,
wird am besten im Vergleich mit der stoischen Position heraustreten.
Denn zu ihr hat sich eine deutliche Analogie ergeben, die den überraschen
mu|, der legels Polemik gegen die Stoa und deren moderne lorm im
Kantianismus kennt. Ls scheint, da| das »lreiwerden ·on Litelkeit«, die
lreigabe des Kontingenten ganz der stoischen Adiaphorie, der
Indiííerenz den korperlichen und äu|erlichen Dingen gegenüber gliche,
und das sogar in der radikalen lorm, die ihr Ariston gegeben hatte. Ihm
war die Adiaphorie zum Ideal des -¸-0oç µ|oç schlechthin geworden.
Diese stoische Lehre unterscheidet sich ·on der li chtes da-
durch, da| das si ttl iche Bewu|tsei n i n dem Zustand der

1¯6 1¯¯
besteht zwischen dieser 1ugend und dem Ideal der Versohnung des
Selbst mit seinem Anderen in der Linheit des Lebens und der Lrhebung zu
Gott, zwischen dem stoischen und dem neuplatonischen Llement in seiner
Philosophie des Geistes, eine Inhomogeneität und somit eine Spannung. lür
eine kurze Zeit, in der Gemeinschaít mit Schelling, ist diese Spannung
zugunsten des :.-r-.·- -Ideales auígehoben worden, in dem es moglich
schien, das Schicksal, als eine blo| äu|erlicher Reílexion entsprungene
Vorstellung, ganz in die Versohnung des Geistes mit der \irklichkeit
auízuheben. Bald aber stand die ursprüngliche Auííassung legels wieder
im Vordergrund, in der die 1ugend des amor íati und der 1apíerkeit so
wenig der ·ersohnenden Lrhebung zu Gott widersprechen, da| sie, im
Ablassen ·om Kontingenten, geradezu eine ihrer Bedingungen sind. Nicht
nur die theoretische Linsicht in die Unmoglichkeit, alles Konkrete zu
deduzieren, die durch den Linwand Krugs geíordert worden sein mag, hat
also die Re·ision der rein negati·en Kontingenztheorie ·on 18o2 er-
zwungen. Ihr Zusammenhang mit der Grundlegung der Lthik hat uns
Gründe íür sie sichtbar werden lassen, die in den Ursprung des Systems
selbst reichen, durch das legel zunächst die Begriííe zum Verständnis
der in den Jugendschriíten in den Blick gebrachten sittlich-religiosen
\irklichkeit des Menschen erarbeiten wollte. Dieser Zusammenhang
ermoglicht es also auch dem, der sich ·on der theoretischen Schlüssigkeit
der späteren Spekulation nicht überzeugen kann, sie als den berechtigten
Versuch einer begriíílichen Selbstinterpretation des sittliche
n
Bewu|tseins zu
nehmen: Der gegensatzlose Verzicht auí das Kontingente ist dem sittlichen
Bewu|tsein als unbedingter Anspruch zugemutet. Im ·ollendeten
Lntsprechen mu| das Zuíällige íreigegeben und als unwesentlich gesetzt
sein. \enn das Bewu|tsein die theoretischen Implikationen einer solchen
Setzung ausdrücklich reílektiert, so mu| es íormal die Beziehung des an sich
seienden Prinzips des Guten zum kontingenten Seienden durch

den Begriíí der absoluten Notwendigkeit denken, den legel in seiner Logik
entwickelt hat. Auí seine logische lorm gebracht wäre das ein Veríahren,
statt aus einer theoretisch e·identen Bedingung ihre praktische Konsequenz
zu íolgern, die Konsequenz selbst als e·ident zu setzen und ·on ihr auí die
Bedingung zu schlie|en. Da die Konsequenz eine praktische ist, würde die
Bedingung dann auch nur praktisch gewi| sein konnen. Sie hätte den
Charakter einer sittlich notwendigen Annahme, die in einem der Kantischen
Postulatenlehre analogen Veríahren begründet worden wäre. Man
konnte in ihr auí die Deduktionen ·on legels Naturphilosophie
·erzichten, sich also in bessere Ubereinstimmung mit der Naturwissenschaít
bringen. Die Grundstruktur der Idee bliebe aber gewahrt.
In solcher Darstellung würde sich legels System wohl gro|erer
\ertschätzung eríreuen konnen. Man mu| aber sehen, da| diese
Interpretation nur dann geleistet werden kann, wenn der Begriíí des
absoluten Zuíalls als ein notwendiges Moment der Idee erkannt wird. So
ist auch der Blick íür das Bedeutsame der Lthik legels durch die íalsche
Vormeinung ·erstellt, der Idealismus müsse das Phänomen der Kontin-
genz im innerweltlich Seienden leugnen.
Das, was diese Lthik zu einer besonderen, eigenständigen macht,
wird am besten im Vergleich mit der stoischen Position heraustreten.
Denn zu ihr hat sich eine deutliche Analogie ergeben, die den überraschen
mu|, der legels Polemik gegen die Stoa und deren moderne lorm im
Kantianismus kennt. Ls scheint, da| das »lreiwerden ·on Litelkeit«, die
lreigabe des Kontingenten ganz der stoischen Adiaphorie, der
Indiííerenz den korperlichen und äu|erlichen Dingen gegenüber gliche,
und das sogar in der radikalen lorm, die ihr Ariston gegeben hatte. Ihm
war die Adiaphorie zum Ideal des -¸-0oç µ|oç schlechthin geworden.
Diese stoische Lehre unterscheidet sich ·on der li chtes da-
durch, da| das si ttl iche Bewu|tsei n i n dem Zustand der

1¯6 1¯¯
Gleichgültigkeit nicht negati· auí das Au|ere bezogen ist, um es
niederzuhalten oder zu íormieren. Im Gegensatz zu lichtes
energischem Charakter hat sich der stoische \eise nach Ariston, und auch
nach der späten romischen 1radition, aus allem Au|eren ganz zu sich
zurückzuziehen und sich im óµo`o¸o.µ:.cç ;_. in die rein innerlich
eríahrene Allgemeinheit des logos zu konzentrieren. Das Au|erliche ist
zwar zu tun, und auch auí moglichst geschickte \eise. \ert und \ichtigkeit
aber kommt ihm nicht zu. Das Selbst in seinem Zentrum hat sich aus ihm
ganz zurückgezogen und ist so íür jeden seinem äu|erlichen Dasein
·erhängnis·ollen Schritt des íatum unerreichbar.
einzelnen Innerlichkeit bleibt, ebenso nur ein Sich·ersteiíen, also Litelkeit
·orliegt, wie bei dem, der auí Au|erliches eitel ist, wenn auch eine abstraktere,
die sich ·or zuíälliger Verletzung sicher wissen kann. Lin \ille, der nur auí
seiner lreiheit besteht, wird in solche Litelkeit gedrängt. »Dem stoi-
schen Bewu|tsein ist es nicht um seine Linzelheit zu tun, aber es kommt
doch nicht über diese Linzelheit hinaus. «
24

Das Sittliche íordert in doppeltem Sinne den Akt der Lntäu|erung.
Linmal mu| das reine Selbst aus der zerstreuten Lebendigkeit der \elt
auístehen, ihm mu| das nur Zuíällige gleichgültig sein. Dann aber mu| dies
reine Selbst ebeníalls die lähigkeit der Lntäu|erung haben, eine
Notwendigkeit des Allgemeinen ·ollziehen, die nicht mehr blo| am
abstrakten Ich íesthält. lür legel sind deshalb die 1ugenden der
Lntgegensetzung nur in der Linheit mit denen einer Lntäu|erung zu
·ollenden. Selbstbeherrschung und 1apíerkeit müssen mit Opíermut und
Gemeinsinn gepaart sein, wenn sie nicht zur Selbstbespiegelung und
selbstgeíälligen Asketik werden sollen. Diese Linheit, in der es nicht
mehr um die abstrakte lreiheit des jeweiligen Subjektes geht, sondern in der
es in einem an sich gültigen Zweck oder Zusammenhang ·ersunken ist,
entspricht ganz dem, was in der christlichen 1radition Liebe hei|t. Und
nicht zuíällig ist dies auch das moralphilosophische Grundwort des
ersten legelschen Systementwuríes. Sittliche Phänomene wie
lreundschaít und Lhe lassen sich aber im stoischen Schema nicht
unterbringen, wenngleich Zenon und Panaitios sie in der Art der Popular-
philosophen oítmals rühmen.
Das scheint alles ganz im Sinne legels gesprochen. lat sich die Macht der
stoischen 1radition auch im scheinbar ganz Anderen durchgesetzt· Ls ist
jedoch die Diííerenz zur Stoa ebenso deutlich auízuweisen, wie die
Verbindung mit ihr. Sie wird ·on legel selbst in seiner
philosophiehistorischen Vorlesung angedeutet. Die Adiaphorie als telos
postuliert zwar die Auígabe der Linzelheit, die Beíreiung des Menschen zum
Allgemeinen. \er aber seine Auímerksamkeit diesem Allgemeinen zuwendet,
bemerkt soíort, da| es wiederum nur die abstrakte Linzelheit ist. Der jeweils
einzelne Mensch gelangt in ihr in seine innere lreiheit und Ubereinstimmung
mit sich. Der logos aber, aus dem diese Innerlichkeit und Allgemeinheit
gehalt·oll bestimmt werden sollte, bleibt ganz íormal und ohne wahren
Gehalt. Das íührt dazu, da| der stoische \eise zwar unter das Ideal der
Adiaphorie, der Abkehr ·om Au|erlichen gestellt ist, es aber doch nicht
ohne ständige Lntgegensetzung gegen die Au|erlichkeit, also in \ahrheit gar
nicht realisieren kann. Denn es mangelt ihm die inhaltliche Lríüllung
des Guten, auí das er in der Adiaphorie als auí etwas Positi·es hinsehen
konnte. So mu| er sich auí seine abstrakte Linzelheit ·ersteiíen. legel ist
der Ansicht, da|, obzwar die stoische Negierung der Au|erlichkeit ein
wesentlicher Zug des Sittlichen ist, dann, wenn es bei dieser reinen

legel hat ei n ganzes System sol cher substanti el l en Zwecke und
Bezi ehungen i n sei ner Rechtsphi l osophi e entíal tet. Ihr oberster
i st i hm der Staat. Auch das stoi sche Ideal der abstrakten lrei hei t
wei st er auí Pl atons Lthi k hi n, di e das Ma| des Gel tenden i n
der Pol i tei a sah. Doch über den Inhal t und die Begründung

1¯9

24 1orte.vvgev vber aie Ce.cbicbte aer Pbito.o¡bie, II, S. 466.
1¯8
Gleichgültigkeit nicht negati· auí das Au|ere bezogen ist, um es
niederzuhalten oder zu íormieren. Im Gegensatz zu lichtes
energischem Charakter hat sich der stoische \eise nach Ariston, und auch
nach der späten romischen 1radition, aus allem Au|eren ganz zu sich
zurückzuziehen und sich im óµo`o¸o.µ:.cç ;_. in die rein innerlich
eríahrene Allgemeinheit des logos zu konzentrieren. Das Au|erliche ist
zwar zu tun, und auch auí moglichst geschickte \eise. \ert und \ichtigkeit
aber kommt ihm nicht zu. Das Selbst in seinem Zentrum hat sich aus ihm
ganz zurückgezogen und ist so íür jeden seinem äu|erlichen Dasein
·erhängnis·ollen Schritt des íatum unerreichbar.
einzelnen Innerlichkeit bleibt, ebenso nur ein Sich·ersteiíen, also Litelkeit
·orliegt, wie bei dem, der auí Au|erliches eitel ist, wenn auch eine abstraktere,
die sich ·or zuíälliger Verletzung sicher wissen kann. Lin \ille, der nur auí
seiner lreiheit besteht, wird in solche Litelkeit gedrängt. »Dem stoi-
schen Bewu|tsein ist es nicht um seine Linzelheit zu tun, aber es kommt
doch nicht über diese Linzelheit hinaus. «
24

Das Sittliche íordert in doppeltem Sinne den Akt der Lntäu|erung.
Linmal mu| das reine Selbst aus der zerstreuten Lebendigkeit der \elt
auístehen, ihm mu| das nur Zuíällige gleichgültig sein. Dann aber mu| dies
reine Selbst ebeníalls die lähigkeit der Lntäu|erung haben, eine
Notwendigkeit des Allgemeinen ·ollziehen, die nicht mehr blo| am
abstrakten Ich íesthält. lür legel sind deshalb die 1ugenden der
Lntgegensetzung nur in der Linheit mit denen einer Lntäu|erung zu
·ollenden. Selbstbeherrschung und 1apíerkeit müssen mit Opíermut und
Gemeinsinn gepaart sein, wenn sie nicht zur Selbstbespiegelung und
selbstgeíälligen Asketik werden sollen. Diese Linheit, in der es nicht
mehr um die abstrakte lreiheit des jeweiligen Subjektes geht, sondern in der
es in einem an sich gültigen Zweck oder Zusammenhang ·ersunken ist,
entspricht ganz dem, was in der christlichen 1radition Liebe hei|t. Und
nicht zuíällig ist dies auch das moralphilosophische Grundwort des
ersten legelschen Systementwuríes. Sittliche Phänomene wie
lreundschaít und Lhe lassen sich aber im stoischen Schema nicht
unterbringen, wenngleich Zenon und Panaitios sie in der Art der Popular-
philosophen oítmals rühmen.
Das scheint alles ganz im Sinne legels gesprochen. lat sich die Macht der
stoischen 1radition auch im scheinbar ganz Anderen durchgesetzt· Ls ist
jedoch die Diííerenz zur Stoa ebenso deutlich auízuweisen, wie die
Verbindung mit ihr. Sie wird ·on legel selbst in seiner
philosophiehistorischen Vorlesung angedeutet. Die Adiaphorie als telos
postuliert zwar die Auígabe der Linzelheit, die Beíreiung des Menschen zum
Allgemeinen. \er aber seine Auímerksamkeit diesem Allgemeinen zuwendet,
bemerkt soíort, da| es wiederum nur die abstrakte Linzelheit ist. Der jeweils
einzelne Mensch gelangt in ihr in seine innere lreiheit und Ubereinstimmung
mit sich. Der logos aber, aus dem diese Innerlichkeit und Allgemeinheit
gehalt·oll bestimmt werden sollte, bleibt ganz íormal und ohne wahren
Gehalt. Das íührt dazu, da| der stoische \eise zwar unter das Ideal der
Adiaphorie, der Abkehr ·om Au|erlichen gestellt ist, es aber doch nicht
ohne ständige Lntgegensetzung gegen die Au|erlichkeit, also in \ahrheit gar
nicht realisieren kann. Denn es mangelt ihm die inhaltliche Lríüllung
des Guten, auí das er in der Adiaphorie als auí etwas Positi·es hinsehen
konnte. So mu| er sich auí seine abstrakte Linzelheit ·ersteiíen. legel ist
der Ansicht, da|, obzwar die stoische Negierung der Au|erlichkeit ein
wesentlicher Zug des Sittlichen ist, dann, wenn es bei dieser reinen

legel hat ei n ganzes System sol cher substanti el l en Zwecke und
Bezi ehungen i n sei ner Rechtsphi l osophi e entíal tet. Ihr oberster
i st i hm der Staat. Auch das stoi sche Ideal der abstrakten lrei hei t
wei st er auí Pl atons Lthi k hi n, di e das Ma| des Gel tenden i n
der Pol i tei a sah. Doch über den Inhal t und die Begründung

1¯9

24 1orte.vvgev vber aie Ce.cbicbte aer Pbito.o¡bie, II, S. 466.
1¯8
des Substantiellen, in das sich die Subjekti·ität entäu|ern soll, mu| man mit
legel nicht einer Meinung sein.
Am leichtesten kann man sie durch einen Rückgriíí auí Kants Deduktion der
Modalkategorien erläutern. Die Modalität als der ·ierte Quadrant der
Kategorientaíel ist deíiniert durch das Verhältnis des Setzens eines
Gegebenen zum Bewu|tsein, sie ergibt keine inhaltlichen Bestimmtheiten
eines Seienden. Notwendigkeit meint durch die Bedingungen des Denkens
selbst Geíordertsein, \irklichkeit im Zusammenhang der Lríahrung
Gegebensein, Moglichkeit den Bedingungen des Begegnens ·on
Gegenständen nicht \idersprechen. Man braucht nur darauí zu
reílektieren, da| schon im Kantischen Verständnis der Unterschied der
wesentlichen Notwendigkeit zum íaktischen Gegebensein ·on der selbst
nur íaktischen Subjekt-Objekt-Beziehung abhängt, um zu sehen, da| das
Denken den ·ermeintlich absoluten Modalunterschied, der in der
Schellingschen lrage nach dem »quod est« impliziert ist, als einen nur
relati·en setzen mu|. So ist auch im intellectus archetypus, in einem
Verstande, der die Dinge in ihrem Lntstehen unmittelbar gegenwärtig
hat, der Modalunterschied haltlos. In ihm kann die Diííerenz ·on Denken
und Sein nicht angenommen werden, weil er selbst schaííender Intellekt ist.
Sein an ihm selbst ist, was es ist. Nach Kant darí ich streng genommen
nicht einmal sagen, es sei notwendig, da dieser 1erminus Bedeutung nur
hat im Unterschied zu moglicher, zuíälliger \irklichkeit. Lr kann nur auí
dem Standpunkt des endlichen Geistes angewendet werden.
4. Die Notwendigkeit des Seinsganzen und die Kontingenz des Seienden
Um den Zusammenhang ganz übersehen zu konnen, der legels
Kontingenztheorie mit seiner Darstellung der Sittlichkeit ·erbindet, ist daran
zu erinnern, da| absolute Kontingenz ·on innerweltlich Seiendem in
einem Ganzen des Seins herrschen soll, das als solches schlechthin
notwendig ist. Der theoretische Sinn auch dieser 1hese, die íür eine
äu|erliche Betrachtung der ersten zu widersprechen scheint, mu| noch in
den Gedankengang einbezogen werden.
Der späte Schelling hat bekanntlich gegen legel eingewendet, da| die
1otalität der im dialektischen Proze| entwickelten Bestimmungen blo| die
Bedeutung eines Gedachten habe und da| unter Mi|achtung der alten
Unterscheidung zwischen gedachter \esenheit und reeller Lxistenz ·on ihm
die lrage nach dem »Da|« des Seienden und des Denkens selbst
unbeantwortet gelassen werde. Auch die Subjekti·ität der idealistischen
Spekulation, die alles Gegenständliche in sich eingeschlossen hat und deren
Begriíí ·on allen »dinglichen« Llementen beíreit ist, müsse die lrage nach der
laktizität ihres Selbst·ollzuges stellen.
Doch diese Reílexion reicht nicht aus, um sich ·on legels Prinzip
loszuwinden. In entscheidendem Sinne ·eríehlt es seine Intention. Denn die
Unterscheidung ·on \esenheit und Lxistenz als eine Realdistinktion, die
absolute Bedeutung hat, ist im Idealismus selbst Gegenstand einer
radikalen Kritik geworden, einer Kritik, die nur das Lnde einer in der
Neuzeit seit der Scholastik des lranziscus Suarez angelegten Konsequenz
ist.
So ist es nicht einmal notig, auí legels konkrete Ableitung der Begriííe
des Daseins, der Lxistenz und der \irklichkeit aus den Begriííen des
Seins und des \esens einzugehen
25
, um zu sehen, da| dieser
Unterschied, den Schelling ganz selbst·erständlich gegen legel
·orbringt, ·on diesem nicht als letzte \ahrheit anerkannt werden kann.
Denn es war eines der Ziele ·on legels Logik, das Kantische Prinzip
des Selbstbewu|tseins, das bei ihm als einíache Vorstellung genommen

181

25 íogi /, a. a. O. I, S. 93 íí. , II, S. 9¯ íí. , 162 íí
180
des Substantiellen, in das sich die Subjekti·ität entäu|ern soll, mu| man mit
legel nicht einer Meinung sein.
Am leichtesten kann man sie durch einen Rückgriíí auí Kants Deduktion der
Modalkategorien erläutern. Die Modalität als der ·ierte Quadrant der
Kategorientaíel ist deíiniert durch das Verhältnis des Setzens eines
Gegebenen zum Bewu|tsein, sie ergibt keine inhaltlichen Bestimmtheiten
eines Seienden. Notwendigkeit meint durch die Bedingungen des Denkens
selbst Geíordertsein, \irklichkeit im Zusammenhang der Lríahrung
Gegebensein, Moglichkeit den Bedingungen des Begegnens ·on
Gegenständen nicht \idersprechen. Man braucht nur darauí zu
reílektieren, da| schon im Kantischen Verständnis der Unterschied der
wesentlichen Notwendigkeit zum íaktischen Gegebensein ·on der selbst
nur íaktischen Subjekt-Objekt-Beziehung abhängt, um zu sehen, da| das
Denken den ·ermeintlich absoluten Modalunterschied, der in der
Schellingschen lrage nach dem »quod est« impliziert ist, als einen nur
relati·en setzen mu|. So ist auch im intellectus archetypus, in einem
Verstande, der die Dinge in ihrem Lntstehen unmittelbar gegenwärtig
hat, der Modalunterschied haltlos. In ihm kann die Diííerenz ·on Denken
und Sein nicht angenommen werden, weil er selbst schaííender Intellekt ist.
Sein an ihm selbst ist, was es ist. Nach Kant darí ich streng genommen
nicht einmal sagen, es sei notwendig, da dieser 1erminus Bedeutung nur
hat im Unterschied zu moglicher, zuíälliger \irklichkeit. Lr kann nur auí
dem Standpunkt des endlichen Geistes angewendet werden.
4. Die Notwendigkeit des Seinsganzen und die Kontingenz des Seienden
Um den Zusammenhang ganz übersehen zu konnen, der legels
Kontingenztheorie mit seiner Darstellung der Sittlichkeit ·erbindet, ist daran
zu erinnern, da| absolute Kontingenz ·on innerweltlich Seiendem in
einem Ganzen des Seins herrschen soll, das als solches schlechthin
notwendig ist. Der theoretische Sinn auch dieser 1hese, die íür eine
äu|erliche Betrachtung der ersten zu widersprechen scheint, mu| noch in
den Gedankengang einbezogen werden.
Der späte Schelling hat bekanntlich gegen legel eingewendet, da| die
1otalität der im dialektischen Proze| entwickelten Bestimmungen blo| die
Bedeutung eines Gedachten habe und da| unter Mi|achtung der alten
Unterscheidung zwischen gedachter \esenheit und reeller Lxistenz ·on ihm
die lrage nach dem »Da|« des Seienden und des Denkens selbst
unbeantwortet gelassen werde. Auch die Subjekti·ität der idealistischen
Spekulation, die alles Gegenständliche in sich eingeschlossen hat und deren
Begriíí ·on allen »dinglichen« Llementen beíreit ist, müsse die lrage nach der
laktizität ihres Selbst·ollzuges stellen.
Doch diese Reílexion reicht nicht aus, um sich ·on legels Prinzip
loszuwinden. In entscheidendem Sinne ·eríehlt es seine Intention. Denn die
Unterscheidung ·on \esenheit und Lxistenz als eine Realdistinktion, die
absolute Bedeutung hat, ist im Idealismus selbst Gegenstand einer
radikalen Kritik geworden, einer Kritik, die nur das Lnde einer in der
Neuzeit seit der Scholastik des lranziscus Suarez angelegten Konsequenz
ist.
So ist es nicht einmal notig, auí legels konkrete Ableitung der Begriííe
des Daseins, der Lxistenz und der \irklichkeit aus den Begriííen des
Seins und des \esens einzugehen
25
, um zu sehen, da| dieser
Unterschied, den Schelling ganz selbst·erständlich gegen legel
·orbringt, ·on diesem nicht als letzte \ahrheit anerkannt werden kann.
Denn es war eines der Ziele ·on legels Logik, das Kantische Prinzip
des Selbstbewu|tseins, das bei ihm als einíache Vorstellung genommen

181

25   a. a. O. I, S. 93 íí. , II, S. 9¯ íí. , 162 íí
180
wird, begriíílich deíinierbar zu machen. lält man íest, da| der
Modalunterschied unter der Bedingung des schon ·orausgesetzten Ich steht,
so íolgt daraus, da| ihm keine absolute Geltung zukommen kann, die man
wieder gegen das Ganze dieser Reílexion ausspielen düríte. Das Ganze, in
dessen Bereich auch der Kontingenz, der zuíälligen \irklichkeit, ein Recht
eingeräumt wurde, trägt die ontologische Diííerenz, den Unterschied
zwischen \esen und Dasein, ebeníalls nur als ein Moment in sich, ist also
an sich selbst in dem angegebenen Sinne absolut-notwendig.
Schuld. So wird in der Schuld die Unbedingtheit schlechthin und damit die
modale Indiííerenz des Sittlichen allererst eríahren. Dies geschieht in der
Linsicht, da| Sittlichkeit in sich letztbegründet ist. Ls ist nicht nur sinnlos,
nach dem Seinsgrund der Sittlichkeit zu íragen, um zu erkunden, wieso ihr
Anspruch ergeht, sondern diese lrage ist im sittlichen Bewu|tsein auch
de íacto hiníällig geworden. Konsequent hinter die Sittlichkeit
zurückíragen bedeutet, die Absolutheit ihrer Geltung íür bedingt halten
und sie somit gerade negieren. Solche Negation wird nach dem ·origen
wieder als Schuld eríahren, ist also im sittlichen Bewu|tsein je schon
auígehoben.
Aber hat sich der Idealismus damit nicht in eine neue Unmoglichkeit
·erstiegen· Ist hier nicht der Sinn des Begriííes der \irklichkeit ·erkannt,
der unbeschadet dessen, da| er in der 1at ein Begriíí ist, gerade
unbegriííen \irkliches meint· Kann die lrage nach dem Grunde
angesichts der Ganzheit des Seins wirklich ·erstummen· Ist es nicht
·ielmehr eine phänomenal bodenlose und spekulati· unbeíriedigende Be-
hauptung, die Ganzheit des Seienden sei an ihr selbst notwendig· Um
da·on abzustehen, diese lrage mit behenden Antworten zu entscheiden, ist
wiederum die Ubersicht über legels Logik als eines Ganzen entbehrlich. Die
Grundstruktur des Sach·erhaltes ·Sittlichkeit· zwingt die geläuíige Meinung,
die distinctio realis sei eine unerschütterliche L·idenz, zur kritischen
Selbstprüíung.
Mit diesem allgemein bekannten, oííen zutage liegenden Sach·erhalt ist
doch eines der Grundprobleme der Philosophie gestellt. Man mu| nur das,
was das natürliche Selbst·erständnis schon immer in ihm denkt, auch in der
theoretischen Analyse íesthalten. Ls widerspricht zwar nicht der L·idenz
des theoretischen \issens, wohl aber der Unbedingtheit des sittlichen
Anspruches, ihn auí irgendwelche anderen, ihn erst her·orbringenden
Gründe zurückzuíühren. Deshalb kann Gott uns das Gute nur darum,
wie man sagt, »ins lerz gesenkt« haben, weil es íür ihn selbst schlechthin
Gültigkeit besitzt, nicht aber kann das Gute nur darum gut sein, weil es den
Gottern geíällt. Das hat schon Platon gezeigt. Und in seiner Ideenlehre
ist die erste Antwort auí diese Linsicht zum bewegenden Moment der
europäischen Philosophie geworden. Kant hat seinen Gedanken wieder
ganz in das Zentrum seiner Philosophie gestellt und ihm die ursprüngliche
Strahlkraít zurückgegeben. Auch legels System, worin es sich auch immer
·on Platon und Kant unterscheiden mag, ist ·on dieser Linsicht
durchleuchtet.
Die \eise, in der sich die modal indiííerente intelligible \elt nach Kant im
endlichen Bewu|tsein anmeldet, ist das laktum des Sittengesetzes. In ihm
ist aber die ontologische Diííerenz zu einem Moment herabgesetzt, so wie
es auch íür die blo| theoretische Idee der intelligiblen \elt galt. Die
Unbedingtheit seines Anspruches kommt gerade dadurch zum Ausdruck,
da| es als diese beanspruchende Bedeutung sich als Bedeutung ,als \esen,
und als Lxistenz zugleich umía|t. Kant hatte das Denken al s ei nen Akt der Spontanei tät
beschri eben, i n dem di e Vernunít, i n ei nem Lntwuríe, auch di e
Idee der Si ttl i chkei t her·orbri ngt, di e durch das laktum der
Achtung ·or di eser Idee íür den konkreten Menschen i n i hre

Die Sittlichkeit íordert Verwirklichung, jedoch so, da| die
Verweigerung zugleich eine speziíische lorm dieses \irklich-
keitswerdens ist. In ihr ·erwirklicht sich die Sittlichkeit als

182 183
wird, begriíílich deíinierbar zu machen. lält man íest, da| der
Modalunterschied unter der Bedingung des schon ·orausgesetzten Ich steht,
so íolgt daraus, da| ihm keine absolute Geltung zukommen kann, die man
wieder gegen das Ganze dieser Reílexion ausspielen düríte. Das Ganze, in
dessen Bereich auch der Kontingenz, der zuíälligen \irklichkeit, ein Recht
eingeräumt wurde, trägt die ontologische Diííerenz, den Unterschied
zwischen \esen und Dasein, ebeníalls nur als ein Moment in sich, ist also
an sich selbst in dem angegebenen Sinne absolut-notwendig.
Schuld. So wird in der Schuld die Unbedingtheit schlechthin und damit die
modale Indiííerenz des Sittlichen allererst eríahren. Dies geschieht in der
Linsicht, da| Sittlichkeit in sich letztbegründet ist. Ls ist nicht nur sinnlos,
nach dem Seinsgrund der Sittlichkeit zu íragen, um zu erkunden, wieso ihr
Anspruch ergeht, sondern diese lrage ist im sittlichen Bewu|tsein auch
de íacto hiníällig geworden. Konsequent hinter die Sittlichkeit
zurückíragen bedeutet, die Absolutheit ihrer Geltung íür bedingt halten
und sie somit gerade negieren. Solche Negation wird nach dem ·origen
wieder als Schuld eríahren, ist also im sittlichen Bewu|tsein je schon
auígehoben.
Aber hat sich der Idealismus damit nicht in eine neue Unmoglichkeit
·erstiegen· Ist hier nicht der Sinn des Begriííes der \irklichkeit ·erkannt,
der unbeschadet dessen, da| er in der 1at ein Begriíí ist, gerade
unbegriííen \irkliches meint· Kann die lrage nach dem Grunde
angesichts der Ganzheit des Seins wirklich ·erstummen· Ist es nicht
·ielmehr eine phänomenal bodenlose und spekulati· unbeíriedigende Be-
hauptung, die Ganzheit des Seienden sei an ihr selbst notwendig· Um
da·on abzustehen, diese lrage mit behenden Antworten zu entscheiden, ist
wiederum die Ubersicht über legels Logik als eines Ganzen entbehrlich. Die
Grundstruktur des Sach·erhaltes ·Sittlichkeit· zwingt die geläuíige Meinung,
die distinctio realis sei eine unerschütterliche L·idenz, zur kritischen
Selbstprüíung.
Mit diesem allgemein bekannten, oííen zutage liegenden Sach·erhalt ist
doch eines der Grundprobleme der Philosophie gestellt. Man mu| nur das,
was das natürliche Selbst·erständnis schon immer in ihm denkt, auch in der
theoretischen Analyse íesthalten. Ls widerspricht zwar nicht der L·idenz
des theoretischen \issens, wohl aber der Unbedingtheit des sittlichen
Anspruches, ihn auí irgendwelche anderen, ihn erst her·orbringenden
Gründe zurückzuíühren. Deshalb kann Gott uns das Gute nur darum,
wie man sagt, »ins lerz gesenkt« haben, weil es íür ihn selbst schlechthin
Gültigkeit besitzt, nicht aber kann das Gute nur darum gut sein, weil es den
Gottern geíällt. Das hat schon Platon gezeigt. Und in seiner Ideenlehre
ist die erste Antwort auí diese Linsicht zum bewegenden Moment der
europäischen Philosophie geworden. Kant hat seinen Gedanken wieder
ganz in das Zentrum seiner Philosophie gestellt und ihm die ursprüngliche
Strahlkraít zurückgegeben. Auch legels System, worin es sich auch immer
·on Platon und Kant unterscheiden mag, ist ·on dieser Linsicht
durchleuchtet.
Die \eise, in der sich die modal indiííerente intelligible \elt nach Kant im
endlichen Bewu|tsein anmeldet, ist das laktum des Sittengesetzes. In ihm
ist aber die ontologische Diííerenz zu einem Moment herabgesetzt, so wie
es auch íür die blo| theoretische Idee der intelligiblen \elt galt. Die
Unbedingtheit seines Anspruches kommt gerade dadurch zum Ausdruck,
da| es als diese beanspruchende Bedeutung sich als Bedeutung ,als \esen,
und als Lxistenz zugleich umía|t. Kant hatte das Denken al s ei nen Akt der Spontanei tät
beschri eben, i n dem di e Vernunít, i n ei nem Lntwuríe, auch di e
Idee der Si ttl i chkei t her·orbri ngt, di e durch das laktum der
Achtung ·or di eser Idee íür den konkreten Menschen i n i hre

Die Sittlichkeit íordert Verwirklichung, jedoch so, da| die
Verweigerung zugleich eine speziíische lorm dieses \irklich-
keitswerdens ist. In ihr ·erwirklicht sich die Sittlichkeit als

182 183
Gültigkeit eingesetzt wird. legel konstruierte im Gegensatz dazu das Denken
als einen Akt des Zusehens, in dem die einzelne Subjekti·ität, ·on ihren
zuíälligen Liníällen und Vorstellungen absehend, den Gang der reinen
Begriíísbestimmungen in sich »gewähren lä|t« und sich so aus ihrer Linzel-
heit zur Allgemeinheit erhebt.
ren, lreisein ·on Litelkeit, lreigabe des nur Zuíälligen als des Unwichtigen,
auch im eigenen natürlichen Sein, sei es eigenes Glück, sei es Krankheit und
1od. Das Seinlassen des kontingenten Seienden geschieht hier aus der
Notwendigkeit des Seins. lür das sittliche Bewu|tsein sind die Begriííe der
Notwendigkeit und des Zuíälligen so ·ermittelt, da| legels
Konstruktion, die als 1heorie problematisch sein mag, in der Lthik und
als theoretische Voraussetzung des sittlichen Bewu|tseins selbst einen
guten Sinn gewinnt. Sie macht es uns allererst moglich, zum einen das
Verhältnis des einzelnen Subjektes zur Allgemeinheit des Sittlichen
begriíílich zu bestimmen und zum anderen die Gesamtheit des Seienden so
zu denken, da| man in ihr Sittlichkeit als moglich annehmen kann.
Solche Allgemeinheit, die ,wie íür Kant, unübersteigbar und unüberíragbar
sein mu|, ist auch das Sittliche, die Strukturen seiner Idealität, z. B.
lreundschaít, Recht, Staat, die Auígabe der Besonderheit ·erlangen und
also die 1ugenden der Lntgegensetzung einschlie|en. Jede lrage nach einem
Grunde der Sittlichkeit, auch die Schellings, mu| mit diesem Phänomen in
\iderspruch kommen. Der Begriíí einer im Subjekt gegenwärtigen
grundlosen, unbedingten, sich selbst ·erwirklichenden \esensstruktur ist
also im sittlichen Bewu|tsein als ein reeller eríahren.
26

Der Vorteil der Linheitlichkeit, der mit der so ·erstandenen legelschen
Position gegeben ist, wird soíort deutlich, wenn man sie mit der
theoretischen Philosophie der Stoa ·ergleicht. In deren Lehre ·on einem
alles bestimmenden \eltgeschehen, der :|µ-pµ:._, blieb weder íür den Raum
der Kontingenz, den die lreiheit als solche íordert

, noch íür die Annahme
blo| zuíälliger Lreignisse, die nicht durch die \ürde, Mittel des Absoluten
zu sein, geheiligt werden düríen, eine Moglichkeit oííen. Spekulation und
Lthik, die dort un·ereinbar nebeneinanderstehen, sind bei legel
gediegene Linheit.
Sehen wir ·on diesem Standpunkt auí legels Kontingenztheorie zurück,
so treten in ihr die beiden Momente des Kontingenzproblems, die wir in
unseren beiden Gängen getrennt ·oneinander abgehandelt hatten, zu
einer sinn·ollen Linheit zusammen: \enn wir seine Lehre ·on der
Notwendigkeit des Seinsganzen unter dem Gesichtspunkt der Sittlichkeit
betrachten und sie ·erstehen als einen begriíílichen Ausdruck íür die
Struktur des sittlichen Phänomens, so macht es keine Schwierigkeiten
mehr, die Kontingenz des Seienden mit der Notwendigkeit des
beanspruchenden Seins zu ·ereinen. legels Auííassung des Sittlichen war
ja die, da| die Unbedingtheit des Notwendigen gerade in der Leistung der
lreigabe des Zuíälligen sich maniíestiert. Unter die unbedingte sittliche
Notwendigkeit sich stellen hei|t Auígabe des Besonde-

Aber wird nicht in der Konsequenz des Versuches, den Anspruch des
absoluten \issens auí die Idee des Guten zu beschränken und zu einer
begriíílichen Lxplikation der sittlichen Lríahrung herabzusetzen, der
eigentliche Sinn ·on legels Idealismus ·eríälscht· Ls ist zuzugeben,
da|, was das 1heoretische anlangt, damit íreilich auí eine
Interpretation seiner Logik gezielt wird, die sich auí das kritische, das
skeptische Llement in ihr beschränkt. \enn aber das Denken die


185

26 Die scholastisch-thomistische Philosophie würde mit Aristoteles ,Met. A, 6., ·on dieser
Bestimmung zu der des überweltlichen ens a se íortschreiten ,s. zuletzt C. Nink, Pbito.o¡bi.cbe
Cotte.tebre,1948, S. ¯8 v. a., R. Garrigou-Lagrange, Diev ..., 5. Auíl., 1950, Bd. I S. 2¯0 íí.,. Auí die
Problematik dieses Ubergangs soll hier nicht eingegangen werden.

2¯ Diese Seite der Kontingenztheorie, die eine neue Lntwicklung des Problems íordern würde,
bleibt hier ausgespart..
184
Gültigkeit eingesetzt wird. legel konstruierte im Gegensatz dazu das Denken
als einen Akt des Zusehens, in dem die einzelne Subjekti·ität, ·on ihren
zuíälligen Liníällen und Vorstellungen absehend, den Gang der reinen
Begriíísbestimmungen in sich »gewähren lä|t« und sich so aus ihrer Linzel-
heit zur Allgemeinheit erhebt.
ren, lreisein ·on Litelkeit, lreigabe des nur Zuíälligen als des Unwichtigen,
auch im eigenen natürlichen Sein, sei es eigenes Glück, sei es Krankheit und
1od. Das Seinlassen des kontingenten Seienden geschieht hier aus der
Notwendigkeit des Seins. lür das sittliche Bewu|tsein sind die Begriííe der
Notwendigkeit und des Zuíälligen so ·ermittelt, da| legels
Konstruktion, die als 1heorie problematisch sein mag, in der Lthik und
als theoretische Voraussetzung des sittlichen Bewu|tseins selbst einen
guten Sinn gewinnt. Sie macht es uns allererst moglich, zum einen das
Verhältnis des einzelnen Subjektes zur Allgemeinheit des Sittlichen
begriíílich zu bestimmen und zum anderen die Gesamtheit des Seienden so
zu denken, da| man in ihr Sittlichkeit als moglich annehmen kann.
Solche Allgemeinheit, die ,wie íür Kant, unübersteigbar und unüberíragbar
sein mu|, ist auch das Sittliche, die Strukturen seiner Idealität, z. B.
lreundschaít, Recht, Staat, die Auígabe der Besonderheit ·erlangen und
also die 1ugenden der Lntgegensetzung einschlie|en. Jede lrage nach einem
Grunde der Sittlichkeit, auch die Schellings, mu| mit diesem Phänomen in
\iderspruch kommen. Der Begriíí einer im Subjekt gegenwärtigen
grundlosen, unbedingten, sich selbst ·erwirklichenden \esensstruktur ist
also im sittlichen Bewu|tsein als ein reeller eríahren.
26

Der Vorteil der Linheitlichkeit, der mit der so ·erstandenen legelschen
Position gegeben ist, wird soíort deutlich, wenn man sie mit der
theoretischen Philosophie der Stoa ·ergleicht. In deren Lehre ·on einem
alles bestimmenden \eltgeschehen, der µµ, blieb weder íür den Raum
der Kontingenz, den die lreiheit als solche íordert

, noch íür die Annahme
blo| zuíälliger Lreignisse, die nicht durch die \ürde, Mittel des Absoluten
zu sein, geheiligt werden düríen, eine Moglichkeit oííen. Spekulation und
Lthik, die dort un·ereinbar nebeneinanderstehen, sind bei legel
gediegene Linheit.
Sehen wir ·on diesem Standpunkt auí legels Kontingenztheorie zurück,
so treten in ihr die beiden Momente des Kontingenzproblems, die wir in
unseren beiden Gängen getrennt ·oneinander abgehandelt hatten, zu
einer sinn·ollen Linheit zusammen: \enn wir seine Lehre ·on der
Notwendigkeit des Seinsganzen unter dem Gesichtspunkt der Sittlichkeit
betrachten und sie ·erstehen als einen begriíílichen Ausdruck íür die
Struktur des sittlichen Phänomens, so macht es keine Schwierigkeiten
mehr, die Kontingenz des Seienden mit der Notwendigkeit des
beanspruchenden Seins zu ·ereinen. legels Auííassung des Sittlichen war
ja die, da| die Unbedingtheit des Notwendigen gerade in der Leistung der
lreigabe des Zuíälligen sich maniíestiert. Unter die unbedingte sittliche
Notwendigkeit sich stellen hei|t Auígabe des Besonde-

Aber wird nicht in der Konsequenz des Versuches, den Anspruch des
absoluten \issens auí die Idee des Guten zu beschränken und zu einer
begriíílichen Lxplikation der sittlichen Lríahrung herabzusetzen, der
eigentliche Sinn ·on legels Idealismus ·eríälscht· Ls ist zuzugeben,
da|, was das 1heoretische anlangt, damit íreilich auí eine
Interpretation seiner Logik gezielt wird, die sich auí das kritische, das
skeptische Llement in ihr beschränkt. \enn aber das Denken die


185

26 Die scholastisch-thomistische Philosophie würde mit Aristoteles ,Met. , 6., ·on dieser
Bestimmung zu der des überweltlichen ens a se íortschreiten ,s. zuletzt C. Nink, Pbito.o¡bi.cbe
Cotte.tebre,1948, S. ¯8 v. a., R. Garrigou-Lagrange, Diev ..., 5. Auíl., 1950, Bd. I S. 2¯0 íí.,. Auí die
Problematik dieses Ubergangs soll hier nicht eingegangen werden.

2¯ Diese Seite der Kontingenztheorie, die eine neue Lntwicklung des Problems íordern würde,
bleibt hier ausgespart..
184
Karl Marx als Schüler legels
Unschuld der Selbstgewi|heit ·erloren hat, eine beweisbare Linsicht in
das Sein des Seienden erlangen zu konnen, so kann noch immer dies die
Auígabe einer prima philosophia sein: das Sein so zu denken, da| die
Unbedingtheit der Sittlichkeit in ihm gewahrt bleibt. Platon und Kant konnen
je auí ihre \eise Vorbild in solchem Bemühen sein.
Die Absicht dieses Auísatzes ist eine historische. Lr soll dazu beitragen, die
Beziehungen des Marxismus zu legel zu klären. Von der Auígabe, die
\eise zu kritisieren, in der Marx an das System legels angeknüpít hat,
sieht er ganz ab. Dazu wäre es notig, auí legel selbst einzugehen, und
das würde die íür einen kurzen 1ext ohnehin schwierige Problematik
bis zur Verwirrung komplizieren.
Als anerkannt gilt: Ls ist unmoglich, das \erk ·on Karl Marx zu
·erstehen, ohne sein Verhältnis zu legel zu bestimmen. Zu einer Zeit,
als er sich da·on keine günstige \irkung ·ersprechen konnte, hat er selbst
bekannt, Schüler legels zu sein, und ihn einen ·gro|en Denker·
genannt. Die Bemerkung ·on Lngels entspricht der \ahrheit, da| er und
Marx íast aie eiv¸igev gewesen seien, die an der ·on legel entdeckten
Methode der \issenschaít íestgehalten haben in einer Periode, die sich
ganz ·on legel entíernt hatte. Deshalb war auch der ursprünglich
politische Versuch, im letzten Jahrzehnt des ·ergangenen Jahrhunderts
unternommen, die sozialistische Partei auí eine andere Grundlage als
die der marxistischen Re·olutionstheorie zu stellen, mit dem Unternehmen
·erbunden, die hegelianischen Implikationen des Marxismus zu
kritisieren.
Lbenso ausgemacht ist es aber, da| das Problem, Marx in eine
bestimmte Beziehung zu legel zu bringen, noch eine andere Seite hat.
Noch mehr als seine Schülerschaít liegt nämlich seine Lntgegensetzung
gegen legel oííen zutage. So hat es in der Geschichte der
Interpretation ·on Marx auch nicht an Stimmen geíehlt, die dem
Marxismus im Namen legels das Recht einer Beruíung auí ihn
bestritten. Sie erklärten ihm, er sei, in unsauberer Gestalt, schon genau
das, wozu ihn die reíormistische Kritik erst umwandeln wollte, nämlich

186 18¯
Karl Marx als Schüler legels
Unschuld der Selbstgewi|heit ·erloren hat, eine beweisbare Linsicht in
das Sein des Seienden erlangen zu konnen, so kann noch immer dies die
Auígabe einer prima philosophia sein: das Sein so zu denken, da| die
Unbedingtheit der Sittlichkeit in ihm gewahrt bleibt. Platon und Kant konnen
je auí ihre \eise Vorbild in solchem Bemühen sein.
Die Absicht dieses Auísatzes ist eine historische. Lr soll dazu beitragen, die
Beziehungen des Marxismus zu legel zu klären. Von der Auígabe, die
\eise zu kritisieren, in der Marx an das System legels angeknüpít hat,
sieht er ganz ab. Dazu wäre es notig, auí legel selbst einzugehen, und
das würde die íür einen kurzen 1ext ohnehin schwierige Problematik
bis zur Verwirrung komplizieren.
Als anerkannt gilt: Ls ist unmoglich, das \erk ·on Karl Marx zu
·erstehen, ohne sein Verhältnis zu legel zu bestimmen. Zu einer Zeit,
als er sich da·on keine günstige \irkung ·ersprechen konnte, hat er selbst
bekannt, Schüler legels zu sein, und ihn einen ·gro|en Denker·
genannt. Die Bemerkung ·on Lngels entspricht der \ahrheit, da| er und
Marx íast   gewesen seien, die an der ·on legel entdeckten
Methode der \issenschaít íestgehalten haben in einer Periode, die sich
ganz ·on legel entíernt hatte. Deshalb war auch der ursprünglich
politische Versuch, im letzten Jahrzehnt des ·ergangenen Jahrhunderts
unternommen, die sozialistische Partei auí eine andere Grundlage als
die der marxistischen Re·olutionstheorie zu stellen, mit dem Unternehmen
·erbunden, die hegelianischen Implikationen des Marxismus zu
kritisieren.
Lbenso ausgemacht ist es aber, da| das Problem, Marx in eine
bestimmte Beziehung zu legel zu bringen, noch eine andere Seite hat.
Noch mehr als seine Schülerschaít liegt nämlich seine Lntgegensetzung
gegen legel oííen zutage. So hat es in der Geschichte der
Interpretation ·on Marx auch nicht an Stimmen geíehlt, die dem
Marxismus im Namen legels das Recht einer Beruíung auí ihn
bestritten. Sie erklärten ihm, er sei, in unsauberer Gestalt, schon genau
das, wozu ihn die reíormistische Kritik erst umwandeln wollte, nämlich

186 18¯
Lmpirismus, wenn auch ein ·on dogmatischer Vormeinung gesteuerter. In
diesen beiden lormen der Kritik sind Momente aus Marxens'
Selbstauslegung übernommen. Gewohnlich werden sie zusammengebracht
mit lilíe eines Bildes, das ·on ihm selbst gebraucht worden ist: Man
sagt, Marx habe eine ·Umkehrung· der 1heorie legels ·ollzogen.
chem Sinn sie nachher noch als 1heorie in der Nachíolge legels zu erkennen
ist. Seit Jahrzehnten wollen die Interpreten des \erkes ·on Karl Marx dies
·erständlich machen, ohne aber bisher dabei zu einem Lnde gekommen zu
sein.
In neuerer Zeit hat diese Auígabe, die zunächst eine systematische ist, einen
neuen, den biographischen Aspekt erhalten. Das, was Marx die
Umkehrung legels nannte, ist nämlich nicht das Resultat einer
lorschung, die ihren Ursprung in der Konírontation mit Sach·erhalten
der Lríahrung hat. Sie ist der Proze| der Lntwicklung eines \erkes, das
in ständiger Beziehung auí die Probleme zustande gekommen ist, die Marx
·on legel ·orgegeben waren. Der junge Marx, íormal Student der Berliner
juristischen, in \ahrheit aber der philosophischen lakultät, hat sich
zunächst gegen legels Linílu| gewehrt. Dies System schien ihm
monumental und grotesk zugleich zu sein. Dennoch war es die Lríahrung
seiner Studienzeit, da| jeder Versuch, ihm zu entrinnen, ihn immer íester an
es kettete, so da| er es schlie|lich als die ·jetzige \eltphilosophie·
anerkennen mu|te ,8,
1
. Seine Lríahrung ·erband ihn mit der Uberzeugung
derer, die selbst noch lorer legels gewesen und denen seine Lehre nicht
Monument einer schon ·ergehenden, sondern Auígang einer neuen \elt ge-
wesen war. Der Schritt über legel hinaus konnte nicht an ihm ·orbei,
sondern nur durch ihn hindurch und auí seinen Grund zur \ahrheit íühren,
·on der Marx und seine lreunde allerdings meinten, da| sie noch ausstehe.
legel selbst hatte einmal da·on gesprochen, da| dem natürlichen
Bewu|tsein, das zur philosophischen \issenschaít nicht ·orbereitet und
bereit ist, deren Gehalt als ·erkehrte \elt erscheine. Um die \ahrheit
und die richtige Perspekti·e dieser \elt einzusehen, müsse es gelehrt und
genotigt werden, sich auí den Kopí zu stellen, - das hei|t íür legel auí
das reine Denken. Marx hingegen meint, der ·errückte Anblick der
\ahrheit, den die Philosophie dem natürlichen Bewu|tsein bietet, sei nicht
durch dessen Verstellung, sondern durch eine Verrückung der Philosophie
selbst zu erklären. Und deshalb werde ihre \ahrheit nur dann einleuchten,
wenn man die Philosophie und ihre Methode aus dem Kopístand in ihre
rechte Stellung ·umstülpe·. Nicht auí dem Kopí, das hei|t íür Marx mit
den Beinen auí der Lrde stehen. Angewendet auí legels Philosophie
meint er damit, da| sie den rechten Gehalt, nämlich die ·ernünítige Analyse
der \irklichkeit, und die rechte lorm, nämlich das dialektische Veríahren,
in einer uníormigen und unwirklichen Gestalt entwickelt habe. Ls
komme nun darauí an, den wahren Grund beider in der Lríahrung
auízusuchen.
Diese Rede ·on der Umkehrung der legelschen Philosophie, eine
Rede, die selbst die Sprache legels spricht, darí nicht íür mehr gelten
als íür ein Bild und die Anzeige eines Problems. In ihr ist noch nicht
zu erkennen, ob überhaupt und wie sich legel als einer solchen
Umkehrung zugänglich erweist und welche Züge seine Lehre annimmt,
wenn sie auí ·erkehrter Grundlage auíruht. In ihr wird weiter, und dies
·or allem, noch nicht zu ·erstehen gegeben, kraít welcher Notwendig-
keit sie sich dieser Umkehrung unterziehen mu| und in wel-

Der \eg, dessen Aníang durch diese Lríahrung bezeichnet ist, gliedert sich
deutlich in zwei Abschnitte. Und die Marxismusinterpretation in Ost
und \est ist damit beía|t, sie gegeneinander abzusetzen. Der zweite
beginnt mit dem kommunistischen Maniíest, dem írühesten Dokument
der im Inhalt und auch im Stil ·oll entíalteten Lehre. Der erste

189

1 Zahlen in Klammern beziehen sich im lolgenden auí die Seitenzahlen ·on Karl Marx, Die
írvb.cbriftev, Stuttgart 1953, Paragraphen in Klammern auí legels Rechtsphilosophie.
188
Lmpirismus, wenn auch ein ·on dogmatischer Vormeinung gesteuerter. In
diesen beiden lormen der Kritik sind Momente aus Marxens'
Selbstauslegung übernommen. Gewohnlich werden sie zusammengebracht
mit lilíe eines Bildes, das ·on ihm selbst gebraucht worden ist: Man
sagt, Marx habe eine ·Umkehrung· der 1heorie legels ·ollzogen.
chem Sinn sie nachher noch als 1heorie in der Nachíolge legels zu erkennen
ist. Seit Jahrzehnten wollen die Interpreten des \erkes ·on Karl Marx dies
·erständlich machen, ohne aber bisher dabei zu einem Lnde gekommen zu
sein.
In neuerer Zeit hat diese Auígabe, die zunächst eine systematische ist, einen
neuen, den biographischen Aspekt erhalten. Das, was Marx die
Umkehrung legels nannte, ist nämlich nicht das Resultat einer
lorschung, die ihren Ursprung in der Konírontation mit Sach·erhalten
der Lríahrung hat. Sie ist der Proze| der Lntwicklung eines \erkes, das
in ständiger Beziehung auí die Probleme zustande gekommen ist, die Marx
·on legel ·orgegeben waren. Der junge Marx, íormal Student der Berliner
juristischen, in \ahrheit aber der philosophischen lakultät, hat sich
zunächst gegen legels Linílu| gewehrt. Dies System schien ihm
monumental und grotesk zugleich zu sein. Dennoch war es die Lríahrung
seiner Studienzeit, da| jeder Versuch, ihm zu entrinnen, ihn immer íester an
es kettete, so da| er es schlie|lich als die ·jetzige \eltphilosophie·
anerkennen mu|te ,8,
1
. Seine Lríahrung ·erband ihn mit der Uberzeugung
derer, die selbst noch lorer legels gewesen und denen seine Lehre nicht
Monument einer schon ·ergehenden, sondern Auígang einer neuen \elt ge-
wesen war. Der Schritt über legel hinaus konnte nicht an ihm ·orbei,
sondern nur durch ihn hindurch und auí seinen Grund zur \ahrheit íühren,
·on der Marx und seine lreunde allerdings meinten, da| sie noch ausstehe.
legel selbst hatte einmal da·on gesprochen, da| dem natürlichen
Bewu|tsein, das zur philosophischen \issenschaít nicht ·orbereitet und
bereit ist, deren Gehalt als ·erkehrte \elt erscheine. Um die \ahrheit
und die richtige Perspekti·e dieser \elt einzusehen, müsse es gelehrt und
genotigt werden, sich auí den Kopí zu stellen, - das hei|t íür legel auí
das reine Denken. Marx hingegen meint, der ·errückte Anblick der
\ahrheit, den die Philosophie dem natürlichen Bewu|tsein bietet, sei nicht
durch dessen Verstellung, sondern durch eine Verrückung der Philosophie
selbst zu erklären. Und deshalb werde ihre \ahrheit nur dann einleuchten,
wenn man die Philosophie und ihre Methode aus dem Kopístand in ihre
rechte Stellung ·umstülpe·. Nicht auí dem Kopí, das hei|t íür Marx mit
den Beinen auí der Lrde stehen. Angewendet auí legels Philosophie
meint er damit, da| sie den rechten Gehalt, nämlich die ·ernünítige Analyse
der \irklichkeit, und die rechte lorm, nämlich das dialektische Veríahren,
in einer uníormigen und unwirklichen Gestalt entwickelt habe. Ls
komme nun darauí an, den wahren Grund beider in der Lríahrung
auízusuchen.
Diese Rede ·on der Umkehrung der legelschen Philosophie, eine
Rede, die selbst die Sprache legels spricht, darí nicht íür mehr gelten
als íür ein Bild und die Anzeige eines Problems. In ihr ist noch nicht
zu erkennen, ob überhaupt und wie sich legel als einer solchen
Umkehrung zugänglich erweist und welche Züge seine Lehre annimmt,
wenn sie auí ·erkehrter Grundlage auíruht. In ihr wird weiter, und dies
·or allem, noch nicht zu ·erstehen gegeben, kraít welcher Notwendig-
keit sie sich dieser Umkehrung unterziehen mu| und in wel-

Der \eg, dessen Aníang durch diese Lríahrung bezeichnet ist, gliedert sich
deutlich in zwei Abschnitte. Und die Marxismusinterpretation in Ost
und \est ist damit beía|t, sie gegeneinander abzusetzen. Der zweite
beginnt mit dem kommunistischen Maniíest, dem írühesten Dokument
der im Inhalt und auch im Stil ·oll entíalteten Lehre. Der erste

189

1 Zahlen in Klammern beziehen sich im lolgenden auí die Seitenzahlen ·on Karl Marx, Die
írvb.cbriftev, Stuttgart 1953, Paragraphen in Klammern auí legels Rechtsphilosophie.
188
Schlie|t die ·ersciedenen Phasen der Auseinandersetzung mit legels
\eltphilosophie ein, während der zweite durch ein beiläuíiges und oítmals
ironisch-distanziertes Verhältnis zu legel gekennzeichnet ist, das Marx nur
noch gelegentlich auí ihn als auí seinen Lehrer nehmen lä|t.
Marx einzutreten, zeigt es sich nun, da| beide Interpretationen den
wahren Sach·erhalt ·erzeichen. Beide kommen sie nicht aus, ohne in
diesem Lntwicklungsgang einen Bruch anzunehmen. Auí der einen
Seite wird er dergestellt als eine Lntdeckung, welche die Schülerschaít
zu legel beendet, auí der anderen als ein Abíall oder doch als eine
gro|ere Lntíernung ·on zu·or schon erreichter Linsicht. Ls ist nicht
schwer, den unhistorischen Charakter beider Interpretationen zu
erkennen. Gerade die 1heorien bedeutender Kopíe ·on der
Konsequenz, die auch Karl Marx eignet, lassem sich stets nur dann
durchsichtig machen, wenn man zu keinem Zeitpunkt absieht ·on dem
Ausgang, den sie genommen haben. Auch die Unzulänglichkeiten und
oííenen Probleme, die in ihnen ·erbleiben sind und im lalle ·on Marx
·erbleiben müssen, konnen allein sua dieser Beziehungauígeklärt
werden. In ihr wird die Kontinuität einer Lntwicklung und die
historische Dimension eines \erkes sichtbar, das selbst schon
Geschichte gemacht hat.
Nun gibt es zwei Klassen ·on Interpretationen, die sich darin unterscheiden,
wie sie das Verhältnis der beiden \egabschnitte ·on Marxens philosophischer
Lntwicklung beurteilen. Die orthodoxe Darstellung des Ostens beruít sich auí
Selbstzeugnisse, die besagen, da| die erste \egstrecke íür Marx nur
Selbst·erständigung und Beíreiung ·on íossilen Resten idealistischer
Begriíílichkeit gewesen sei, eine Beíreiung zur \issenschaít, die zwar ·on
legel wesentliches übernommen habe, aber aus dem Zusammenhang mit ihm
grundzätlich herausgetreten sei. Nur der zweite \egabschnitt habe
Dokumente genuin marxistischen Denkens her·orgebracht. Dagegen wollen
·ielen im \esten erschienene Interpretationen zeigen, da| Mrxens eigentliche
Moti·e in den Manuskripten seiner ersten Lntwicklungsphase auígesucht
werden müssen. Die späteren Publikationen seien teils nur die okonomische
Ausarbeitung einer inzwischen halb ·ergessen 1heorie, - teils aber, soíern sie
oííenbar ·om írühen \erk abweichen, seien sie Mi|·erständnisse und
Simpliíizierungen, die ·or allem ·on Lngels ·erschuldet worden sind. Sie
mü|ten rückgängig gemacht werden, wenn man die marxistische Philosophie
in einer besseren Gestalt als in der Versteinerung einer Parteidoktrin sehen
und ·erwirklichen will. Rückgang auí den jungen Marx, das is in dieser letzten,
durchaus politisch gemeinten Absicht die lorderung der marxistischen
Opposition gegen Lenin und den Stalinismus, das ist die Parole ·on Lrnst
Bloch und seine Schülern, der íranzosichen Marxisten au|erhalb der Partei
und ·ieler polnischer, ungarischer und jugoslawischer Intellektueller.
Ls soll uní kann nicht bestritten werden, da| sich in Maxens Denken
und in seinem Verhältnis zu legel eine wesentliche \andlung
·ollzogen hat. Ls wird aber bestritten werden müssen, da| sie den
Charakter eines Umbruches hat. Daraus íolgt einmal, da|es unzulässig
ist, ·on der Beziehung der theorie, die heute dialektischer
Materialismus hei|t, auí legel als auí ihren Ausgang zu abstrahieren.
Von ihr abzusehen bemüht sich die Marxinterpretation derostlichen
Parteien. Daraus íolgt weiter, da| es keine überzeugende Moglichkeit
gibt, dieser 1heorie eine Lehre des jungen Marx entgegenzusetzen.
Da| Marx nur als schüler ·on legel zu Interpretieren ist, kann, wie sich ·on
selbst ·ersteht, nicht hei|en, er sei im Grunde Nachíolger und Adept
gebleiben. Das Bild ·on der »Umkehrung« der legelschen Philosphie hat, als
Anzeige, seinen \ahrheitswert. Aber Schülerschaít besagt mehr als
Nachíolge. Der Schüler eignet sich die Menung des Lehrers
Bei dem Versuch, in ein nicht ·on politischen lragen beíangenes
Verhältnis zum Problem der Lntwicklung ·on Karl

190 191
Schlie|t die ·ersciedenen Phasen der Auseinandersetzung mit legels
\eltphilosophie ein, während der zweite durch ein beiläuíiges und oítmals
ironisch-distanziertes Verhältnis zu legel gekennzeichnet ist, das Marx nur
noch gelegentlich auí ihn als auí seinen Lehrer nehmen lä|t.
Marx einzutreten, zeigt es sich nun, da| beide Interpretationen den
wahren Sach·erhalt ·erzeichen. Beide kommen sie nicht aus, ohne in
diesem Lntwicklungsgang einen Bruch anzunehmen. Auí der einen
Seite wird er dergestellt als eine Lntdeckung, welche die Schülerschaít
zu legel beendet, auí der anderen als ein Abíall oder doch als eine
gro|ere Lntíernung ·on zu·or schon erreichter Linsicht. Ls ist nicht
schwer, den unhistorischen Charakter beider Interpretationen zu
erkennen. Gerade die 1heorien bedeutender Kopíe ·on der
Konsequenz, die auch Karl Marx eignet, lassem sich stets nur dann
durchsichtig machen, wenn man zu keinem Zeitpunkt absieht ·on dem
Ausgang, den sie genommen haben. Auch die Unzulänglichkeiten und
oííenen Probleme, die in ihnen ·erbleiben sind und im lalle ·on Marx
·erbleiben müssen, konnen allein sua dieser Beziehungauígeklärt
werden. In ihr wird die Kontinuität einer Lntwicklung und die
historische Dimension eines \erkes sichtbar, das selbst schon
Geschichte gemacht hat.
Nun gibt es zwei Klassen ·on Interpretationen, die sich darin unterscheiden,
wie sie das Verhältnis der beiden \egabschnitte ·on Marxens philosophischer
Lntwicklung beurteilen. Die orthodoxe Darstellung des Ostens beruít sich auí
Selbstzeugnisse, die besagen, da| die erste \egstrecke íür Marx nur
Selbst·erständigung und Beíreiung ·on íossilen Resten idealistischer
Begriíílichkeit gewesen sei, eine Beíreiung zur \issenschaít, die zwar ·on
legel wesentliches übernommen habe, aber aus dem Zusammenhang mit ihm
grundzätlich herausgetreten sei. Nur der zweite \egabschnitt habe
Dokumente genuin marxistischen Denkens her·orgebracht. Dagegen wollen
·ielen im \esten erschienene Interpretationen zeigen, da| Mrxens eigentliche
Moti·e in den Manuskripten seiner ersten Lntwicklungsphase auígesucht
werden müssen. Die späteren Publikationen seien teils nur die okonomische
Ausarbeitung einer inzwischen halb ·ergessen 1heorie, - teils aber, soíern sie
oííenbar ·om írühen \erk abweichen, seien sie Mi|·erständnisse und
Simpliíizierungen, die ·or allem ·on Lngels ·erschuldet worden sind. Sie
mü|ten rückgängig gemacht werden, wenn man die marxistische Philosophie
in einer besseren Gestalt als in der Versteinerung einer Parteidoktrin sehen
und ·erwirklichen will. Rückgang auí den jungen Marx, das is in dieser letzten,
durchaus politisch gemeinten Absicht die lorderung der marxistischen
Opposition gegen Lenin und den Stalinismus, das ist die Parole ·on Lrnst
Bloch und seine Schülern, der íranzosichen Marxisten au|erhalb der Partei
und ·ieler polnischer, ungarischer und jugoslawischer Intellektueller.
Ls soll uní kann nicht bestritten werden, da| sich in Maxens Denken
und in seinem Verhältnis zu legel eine wesentliche \andlung
·ollzogen hat. Ls wird aber bestritten werden müssen, da| sie den
Charakter eines Umbruches hat. Daraus íolgt einmal, da|es unzulässig
ist, ·on der Beziehung der theorie, die heute dialektischer
Materialismus hei|t, auí legel als auí ihren Ausgang zu abstrahieren.
Von ihr abzusehen bemüht sich die Marxinterpretation derostlichen
Parteien. Daraus íolgt weiter, da| es keine überzeugende Moglichkeit
gibt, dieser 1heorie eine Lehre des jungen Marx entgegenzusetzen.
Da| Marx nur als schüler ·on legel zu Interpretieren ist, kann, wie sich ·on
selbst ·ersteht, nicht hei|en, er sei im Grunde Nachíolger und Adept
gebleiben. Das Bild ·on der »Umkehrung« der legelschen Philosphie hat, als
Anzeige, seinen \ahrheitswert. Aber Schülerschaít besagt mehr als
Nachíolge. Der Schüler eignet sich die Menung des Lehrers
Bei dem Versuch, in ein nicht ·on politischen lragen beíangenes
Verhältnis zum Problem der Lntwicklung ·on Karl

190 191
nicht an, indem er sich in ihr bewegen und sie imitieren lernt. Lin Lehrer ist
uns der, der Antwort gibt auí unsere eigenen lragen und der uns beíähigt,
sie besser zu stellen. Ohne ihn hätten wir nicht so geíragt, wie wir es
nun tun. Der gute Schüler stellt aber lragen, die der Lehrer selbst sich
nicht ·orgelegt hat. In ihnen macht er das Ganze dessen zum Problem, was
ihm als \ahrheit gelehrt worden ist. So ist einer Schüler gerade dann, wenn
er der Lehre nicht íolgt, soíern nur seine ·Uníolgsamkeit· daraus entsteht,
da| er dem Lehrer begegnet ist. Der gute Schüler ist gegen den Lehrer er
selbst, aber nichts ohne ihn. Nicht anders und mehr noch als íür Katheder
und Schulbank gilt dies íür den 1raditionszusammenhang der Philosophie,
es gilt auch íür das Verhältnis ·on Marx zu seinem Lehrer legel.
ihm wirklich gelungen, das Ganze dessen, was ist, in Begriííe zu übersetzen
und in Verstehen auízulosen, den Gedanken ·on der Notwendigkeit der
Vernunít als Grund der \elt zu íassen. Damit ist die bisherige
Philosophie in ihr Lnde gekommen. Marx meint aber, es bleibe noch eine
Linseitigkeit zurück, wenn die Philosophie das Vernünítige in der \irk-
lichkeit nur in der Gestalt des Begriííes ía|t. \enn legel sagt, die
Vernunít im Seienden komme in der Philosophie zu ihrer eigentlichen
Lxistenz, so ist damit zugleich zugegeben, da| sie solches Bewu|tsein wohl im
Begriíí der \issenschaít, nicht aber in der \irklichkeit selbst besitzt. Das
Vernünítige mu| also noch durch die Philosophie ·erwirklicht werden.
Nun wird mit diesem Linwand gegen legels Lehre ·on der Versohnung
des Bewu|tseins und der \irklichkeit eine Diííerenz gekehrt, ·on der
legel geglaubt hatte, es sei sein eigentliches Verdienst, sie überwunden
zu haben. Karl Marx ist sich darüber wohl im klaren gewesen. ´eive Kriti/
av íeget ge.cbiebt iv ^avev rov ae..ev eigevev Priv¸i¡. í. auígeben würde
hei|en, hinter seine Leistung zurückíallen. Diese Leistung ist der Gedanke
der Vermittlung der Gegensätze zur Linheit, der Vermittlung ·or allem
auch des Gegensatzes ·on Begriíí und \irklichkeit. Das Grundargument
der ursprünglichen marxistischen Kritik ist, da| diese Vermittlung in
\ahrheit nicht zu erreichen ist zwischen einer bestehenden \irklichkeit
und einer nur theoretischen Philosophie. legel überwinden wollen
bedeutet íür sie, eine Kritik an der Linseitigkeit des theoretischen Begriíís
durchzuíühren, ohne das Prinzip der Linheit ·on Begriíí und
\irklichkeit preiszugeben. Denn es erreicht zu haben, macht das
un·erlierbare Verdienst ·on legels \eltphilosophie aus.
Die 1be.e, die in diesem 1ext, wenigstens in einem Umri|, begründet
werden soll, kann deshalb so íormuliert werden: Zwar gibt es eine
\andlung im Lntwicklungsgang ·on Karl Marx. Nichtsdestoweniger ist sein
\eg in ungebrochener Kontinuität derselbe geblieben, so sehr, da| jene
\andlung und ihr Resultat als die Konsequenz seines Beginns ·erstanden
werden müssen. Nun ist aber dieser Beginn durch zwei Momente bestimmt:
Durch einen Linwand gegen legel und durch das unbeirrbare lesthalten an
einem hegelschen Gedanken. Jener Linwand entspricht dem Bild ·on der
Umkehrung, dieses lesthalten dem, da| sie eine Umkehrung der Philosophie
íeget. ist. Mit dem einen ist Marx in die Reihe der Kritiker legels
getreten, mit dem anderen ist er dennoch einer seiner konsequentesten
Schüler geblieben. Unter seinen lreunden, die legel überwinden wollten,
war Marx der beste legelianer. lrühe Abweichungen ·on der späten Lehre
sind der lolgerichtigkeit seines \eges zum Opíer geíallen.
Marx' Linwand gegen legel enthält in seiner ursprünglichen lorm
noch nichts íür ihn Speziíisches. Lr besagt: Das System der
Philosophie hat legel wohl abgeschlossen. Ls ist

Karl Marx steht also schon am Beginn seines \eges ·or der Auígabe, zwei
Gedanken íugenlos miteinander zu ·erbinden: Die Linsicht in das Ungenügen
der nur theoretischen lorm ·on legels Philosophie mit der Linsicht, dennoch
Philosophie und \elt, Begriíí und \irklichkeit in einer Linheit

192 193
nicht an, indem er sich in ihr bewegen und sie imitieren lernt. Lin Lehrer ist
uns der, der Antwort gibt auí unsere eigenen lragen und der uns beíähigt,
sie besser zu stellen. Ohne ihn hätten wir nicht so geíragt, wie wir es
nun tun. Der gute Schüler stellt aber lragen, die der Lehrer selbst sich
nicht ·orgelegt hat. In ihnen macht er das Ganze dessen zum Problem, was
ihm als \ahrheit gelehrt worden ist. So ist einer Schüler gerade dann, wenn
er der Lehre nicht íolgt, soíern nur seine ·Uníolgsamkeit· daraus entsteht,
da| er dem Lehrer begegnet ist. Der gute Schüler ist gegen den Lehrer er
selbst, aber nichts ohne ihn. Nicht anders und mehr noch als íür Katheder
und Schulbank gilt dies íür den 1raditionszusammenhang der Philosophie,
es gilt auch íür das Verhältnis ·on Marx zu seinem Lehrer legel.
ihm wirklich gelungen, das Ganze dessen, was ist, in Begriííe zu übersetzen
und in Verstehen auízulosen, den Gedanken ·on der Notwendigkeit der
Vernunít als Grund der \elt zu íassen. Damit ist die bisherige
Philosophie in ihr Lnde gekommen. Marx meint aber, es bleibe noch eine
Linseitigkeit zurück, wenn die Philosophie das Vernünítige in der \irk-
lichkeit nur in der Gestalt des Begriííes ía|t. \enn legel sagt, die
Vernunít im Seienden komme in der Philosophie zu ihrer eigentlichen
Lxistenz, so ist damit zugleich zugegeben, da| sie solches Bewu|tsein wohl im
Begriíí der \issenschaít, nicht aber in der \irklichkeit selbst besitzt. Das
Vernünítige mu| also noch durch die Philosophie ·erwirklicht werden.
Nun wird mit diesem Linwand gegen legels Lehre ·on der Versohnung
des Bewu|tseins und der \irklichkeit eine Diííerenz gekehrt, ·on der
legel geglaubt hatte, es sei sein eigentliches Verdienst, sie überwunden
zu haben. Karl Marx ist sich darüber wohl im klaren gewesen. ´eive Kriti/
av íeget ge.cbiebt iv ^avev rov ae..ev eigevev Priv¸i¡. í. auígeben würde
hei|en, hinter seine Leistung zurückíallen. Diese Leistung ist der Gedanke
der Vermittlung der Gegensätze zur Linheit, der Vermittlung ·or allem
auch des Gegensatzes ·on Begriíí und \irklichkeit. Das Grundargument
der ursprünglichen marxistischen Kritik ist, da| diese Vermittlung in
\ahrheit nicht zu erreichen ist zwischen einer bestehenden \irklichkeit
und einer nur theoretischen Philosophie. legel überwinden wollen
bedeutet íür sie, eine Kritik an der Linseitigkeit des theoretischen Begriíís
durchzuíühren, ohne das Prinzip der Linheit ·on Begriíí und
\irklichkeit preiszugeben. Denn es erreicht zu haben, macht das
un·erlierbare Verdienst ·on legels \eltphilosophie aus.
Die 1be.e, die in diesem 1ext, wenigstens in einem Umri|, begründet
werden soll, kann deshalb so íormuliert werden: Zwar gibt es eine
\andlung im Lntwicklungsgang ·on Karl Marx. Nichtsdestoweniger ist sein
\eg in ungebrochener Kontinuität derselbe geblieben, so sehr, da| jene
\andlung und ihr Resultat als die Konsequenz seines Beginns ·erstanden
werden müssen. Nun ist aber dieser Beginn durch zwei Momente bestimmt:
Durch einen Linwand gegen legel und durch das unbeirrbare lesthalten an
einem hegelschen Gedanken. Jener Linwand entspricht dem Bild ·on der
Umkehrung, dieses lesthalten dem, da| sie eine Umkehrung der Philosophie
íeget. ist. Mit dem einen ist Marx in die Reihe der Kritiker legels
getreten, mit dem anderen ist er dennoch einer seiner konsequentesten
Schüler geblieben. Unter seinen lreunden, die legel überwinden wollten,
war Marx der beste legelianer. lrühe Abweichungen ·on der späten Lehre
sind der lolgerichtigkeit seines \eges zum Opíer geíallen.
Marx' Linwand gegen legel enthält in seiner ursprünglichen lorm
noch nichts íür ihn Speziíisches. Lr besagt: Das System der
Philosophie hat legel wohl abgeschlossen. Ls ist

Karl Marx steht also schon am Beginn seines \eges ·or der Auígabe, zwei
Gedanken íugenlos miteinander zu ·erbinden: Die Linsicht in das Ungenügen
der nur theoretischen lorm ·on legels Philosophie mit der Linsicht, dennoch
Philosophie und \elt, Begriíí und \irklichkeit in einer Linheit

192 193
·on jener Struktur zu denken, die zum ersten Male ·on legel entwickelt
worden ist. Bald sollte es sich als sehr schwierig erweisen, diese Auígabe zu
losen. Ls bestehen nicht wenige Gründe íür die Vermutung, da| sie
unlosbar ist. Aber es ist die Leistung ·on Karl Marx als Denker, da| er
an ihr íestgehalten hat und da| er es ·erstand, sie energischer als seine
lreunde in ihre Konsequenzen zu entíalten.
der Umkehrung an einem Beispiel der reiíen legelkritik ·on Marx erläutert
werden.
Die Stuíen in der Lntwicklung des 1heoretikers Marx lassen sich nicht
immer zeitlich, wohl aber logisch eindeutig ·oneinander unterscheiden. In
der Orientierung an unserer 1hese ist es darüberhinaus moglich, ein Gesetz
anzugeben, unter dem der lortschritt ·on dem jeweils einen zum
anderen Standpunkt steht. Ls lautet so: Marx hat auí allen Stuíen
seiner Lntwicklung einen neuen Gedanken auígenommen. Lr hat ihn
sich deshalb zu eigen gemacht, weil er ein Llement zur Losung seines
Ausgangsproblems enthielt. Aber er hat zugleich und unmittelbar gegen
jeden ·on ihnen zweierlei ins Spiel gebracht: Zum einen das Prinzip der
Linheit ·on \irklichkeit und Begriíí, zum anderen alle die Gedanken,
welche er zu·or schon aus anderer Quelle entnommen und gegen
legel zur Geltung gebracht hatte. Im írühen \erk ·on Marx wird
immer der neue Gedanke zum Moment in einem Ganzen durch eine
doppelte Umdeutung: Lr wird in Verbindung gebracht mit legels
Identitätsprinzip und mit dem Inbegriíí der bisherigen linken legelkritik.
Von ihr wird gesagt, sie habe an jenem Prinzip íälschlich nicht íestgehalten.
Das ist im Linzelnen auízuzeigen.
lragt man sich, was eigentlich das Speziíische des ¡bito.o·
¡bi.cbev
2
Gehalts der marxistischen 1heorie sei, so wird man als Antwort
geben müssen: Die Verbindung dieser beiden Probleme. Marx hat in den
Jahren bis zum Lrscheinen der Devt.cb·írav¸ö.i.cbev ]abrbvcber eine Reihe
wesentlicher Anregungen erhalten. \enn man seine Pariser Manuskripte in
ihre Llemente auílost, so íindet sich unter ihnen nicht eines, das nicht einem
anderen seiner \eggeíährten zugeschrieben werden mü|te. Aber es wäre
doch íalsch, Marx einen Lklektizismus ·orzuweríen. Denn es ist gerade das
Ligentümliche seines Versuches, da| er in eine innere Verbindung bringt,
was bei den anderen nur als isolierter Gedanke erschienen war. So
wenig es legels Bedeutung mindert, da| in seinem \erk lichte und Schelling
zusammengebracht worden sind, so wenig lä|t sich Karl Marx auí Bruno
Bauer, Ludwig leuerbach und Moses le| reduzieren.
Die Verbindung der beiden Probleme, Auíhebung des reinen Begriíís und
Bewahrung der Linheit ·on Begriíí und \irklichkeit, machen Marxens
kritische Schülerschaít gegenüber legel aus. Sie soll nun zunächst näher
dargestellt werden in ihrer Auswirkung auí die ·ier Stuíen der
Lntwicklung seiner Gedanken, die allesamt Konsequenzen aus seiner
aníänglichen Problemstellung sind. Dann soll der Sinn der Rede ·on


195
a. Als Mitglied des Berliner Doktorclubs bewegte sich Marx im Umkreis der
kritischen Philosophie ·on Bruno Bauer. In ihr haben sich die Ge-
sichtspunkte der Religionskritik ·on Strau| und der Philosophie der 1at
des polnischen Graíen Cieszkowski ·ereinigt. Ls war Bauers Meinung, da|
legels \erk sich ·ollenden wird, wenn es nicht nur die \elt ·ernünítig
interpretiert, sondern die Notwendigkeit selbst ins \erk setzt, da| die
\elt ·ernünítig werde. In der Aktion, die die \elt ·erändert, gibt die
1heorie ihre Reinheit auí und ist als 1at Vernunít und \irklichkeit
in einem. Die angemessene lorm solcher 1at ist aber die Kriti/,
zunächst die Kritik der Religion, dann der bestehenden Verhältnisse
im preu|ischen Staat, der seiner Bestimmung ohne die Praxis

2 Zur philosophischen Lntwicklung ·on Marx, ·on der hier atteiv die Rede ist, íinden sich
besonders bemerkenswerte Untersuchungen bei Konrad Bekker, Mar·´ ¡bito.o¡bi.cbe
ívtric/tvvg, .eiv 1erbattvi. ¸v íeget, Diss. Basel 1·10, und bei Auguste Cornu, Kart Mar· vva
íriearicb ívget., Bd. 1., Berlin 1·:1 ,íranz. Paris 1955,.
194
·on jener Struktur zu denken, die zum ersten Male ·on legel entwickelt
worden ist. Bald sollte es sich als sehr schwierig erweisen, diese Auígabe zu
losen. Ls bestehen nicht wenige Gründe íür die Vermutung, da| sie
unlosbar ist. Aber es ist die Leistung ·on Karl Marx als Denker, da| er
an ihr íestgehalten hat und da| er es ·erstand, sie energischer als seine
lreunde in ihre Konsequenzen zu entíalten.
der Umkehrung an einem Beispiel der reiíen legelkritik ·on Marx erläutert
werden.
Die Stuíen in der Lntwicklung des 1heoretikers Marx lassen sich nicht
immer zeitlich, wohl aber logisch eindeutig ·oneinander unterscheiden. In
der Orientierung an unserer 1hese ist es darüberhinaus moglich, ein Gesetz
anzugeben, unter dem der lortschritt ·on dem jeweils einen zum
anderen Standpunkt steht. Ls lautet so: Marx hat auí allen Stuíen
seiner Lntwicklung einen neuen Gedanken auígenommen. Lr hat ihn
sich deshalb zu eigen gemacht, weil er ein Llement zur Losung seines
Ausgangsproblems enthielt. Aber er hat zugleich und unmittelbar gegen
jeden ·on ihnen zweierlei ins Spiel gebracht: Zum einen das Prinzip der
Linheit ·on \irklichkeit und Begriíí, zum anderen alle die Gedanken,
welche er zu·or schon aus anderer Quelle entnommen und gegen
legel zur Geltung gebracht hatte. Im írühen \erk ·on Marx wird
immer der neue Gedanke zum Moment in einem Ganzen durch eine
doppelte Umdeutung: Lr wird in Verbindung gebracht mit legels
Identitätsprinzip und mit dem Inbegriíí der bisherigen linken legelkritik.
Von ihr wird gesagt, sie habe an jenem Prinzip íälschlich nicht íestgehalten.
Das ist im Linzelnen auízuzeigen.
lragt man sich, was eigentlich das Speziíische des ¡bito.o·
¡bi.cbev
2
Gehalts der marxistischen 1heorie sei, so wird man als Antwort
geben müssen: Die Verbindung dieser beiden Probleme. Marx hat in den
Jahren bis zum Lrscheinen der Devt.cb·írav¸ö.i.cbev ]abrbvcber eine Reihe
wesentlicher Anregungen erhalten. \enn man seine Pariser Manuskripte in
ihre Llemente auílost, so íindet sich unter ihnen nicht eines, das nicht einem
anderen seiner \eggeíährten zugeschrieben werden mü|te. Aber es wäre
doch íalsch, Marx einen Lklektizismus ·orzuweríen. Denn es ist gerade das
Ligentümliche seines Versuches, da| er in eine innere Verbindung bringt,
was bei den anderen nur als isolierter Gedanke erschienen war. So
wenig es legels Bedeutung mindert, da| in seinem \erk lichte und Schelling
zusammengebracht worden sind, so wenig lä|t sich Karl Marx auí Bruno
Bauer, Ludwig leuerbach und Moses le| reduzieren.
Die Verbindung der beiden Probleme, Auíhebung des reinen Begriíís und
Bewahrung der Linheit ·on Begriíí und \irklichkeit, machen Marxens
kritische Schülerschaít gegenüber legel aus. Sie soll nun zunächst näher
dargestellt werden in ihrer Auswirkung auí die ·ier Stuíen der
Lntwicklung seiner Gedanken, die allesamt Konsequenzen aus seiner
aníänglichen Problemstellung sind. Dann soll der Sinn der Rede ·on


195
a. Als Mitglied des Berliner Doktorclubs bewegte sich Marx im Umkreis der
kritischen Philosophie ·on Bruno Bauer. In ihr haben sich die Ge-
sichtspunkte der Religionskritik ·on Strau| und der Philosophie der 1at
des polnischen Graíen Cieszkowski ·ereinigt. Ls war Bauers Meinung, da|
legels \erk sich ·ollenden wird, wenn es nicht nur die \elt ·ernünítig
interpretiert, sondern die Notwendigkeit selbst ins \erk setzt, da| die
\elt ·ernünítig werde. In der Aktion, die die \elt ·erändert, gibt die
1heorie ihre Reinheit auí und ist als 1at Vernunít und \irklichkeit
in einem. Die angemessene lorm solcher 1at ist aber die Kriti/,
zunächst die Kritik der Religion, dann der bestehenden Verhältnisse
im preu|ischen Staat, der seiner Bestimmung ohne die Praxis

2 Zur philosophischen Lntwicklung ·on Marx, ·on der hier atteiv die Rede ist, íinden sich
besonders bemerkenswerte Untersuchungen bei Konrad Bekker, Mar·´ ¡bito.o¡bi.cbe
ívtric/tvvg, .eiv 1erbattvi. ¸v íeget, Diss. Basel 1·10, und bei Auguste Cornu, Kart Mar· vva
íriearicb ívget., Bd. 1., Berlin 1·:1 ,íranz. Paris 1955,.
194
der Philosophie nicht gerecht werden kann. »Ohne durch das leuer der
Kritik gegangen zu sein, wird nichts in die neue \elt, die nahe
herbeigekommen ist, eingehen konnen.«
3

da| das Philosophisch-\erden der \elt zugleich ein \eltlich-\erden der
Philosophie, da| ihre Verwirklichung zugleich ihr Verlust, da|, was sie nach
au|en bekämpít, ihr eigener innerer Mangel ist.« ,1¯, »Die kritische
Philosophie, kritisch gegen ihren \iderpart, ·erhielt sich unkritisch zu sich
selbst, indem sie ·on den Voraussetzungen der Philosophie ausging. |...|
Sie glaubte, die Philosophie ·erwirklichen zu konnen, ohne sie auízuheben.«
,215, Deshalb ist Bruno Bauer auch nicht zu einer konkreten Kritik ·on
legels Philosophie gelangt. So hat er sich, da er doch legel in einer
Philosophie der 1at ·erwirklichen wollte, als ein schlechter Schüler le-
gels erwiesen. Das Lrgebnis seines linausgehens über ihn war »ein
·ollig kritikloses Verhalten zur Methode des Kritisierens« ,249,.
Marx hat immer an dem Gedanken íestgehalten, die Philosophie ·ollende
sich erst in der Praxis. Am eindringlichsten íormuliert íindet sie sich aber
schon in seiner Dissertation. »Die Philosophie, die zur \elt sich erweitert
hat, |wendet| sich gegen die erscheinende \elt. So jetzt die legelsche.«
,12,3, »Begeistert mit dem 1rieb, sich zu ·erwirklichen, tritt ,sie, in
Spannung gegen anderes |...|. \as innerliches Licht war, wird zur
·erzehrenden llamme.« ,1¯,

»Allein die Praxis der Philosophie ist selbst
theoretisch. Ls ist die Kritik, die die einzelne Lxistenz am \esen |...|
mi|t.« ,16, Und noch in den 1hesen über leuerbach hei|t es, die
Philosophie müsse die \elt ·erändern als re·olutionäre, und das hei|t
als praktisch-kritische 1ätigkeit ,339,.
b. 1rotz dieser Unterscheidung ·on Bauer ist es oííenkundig, da| auí der ersten
Stuíe der Lntwicklung ·on Marx seine Verbindung der Philosophie der 1at mit
legels Linheitspostulat noch ein blo|es Programm geblieben ist. Ls mu|te nun
der Grund der Lntzweiung ·on Philosophie und \elt und die Moglichkeit ihrer
kritischen Lntgegensetzung in der \elt selbst auígewiesen werden. Die wirk-
liche Linheit der beiden war durch die Kritik an der Linseitigkeit des kritischen
Standpunktes noch nicht in den Blick gebracht. Durch die Philosophie der 1at
legel auíheben konnte nur hei|en, diese Philosophie als ein notwendiges
Moment im Ganzen der \irklichkeit begreiíen. Mit diesem Programm ist Marx
·or die Notwendigkeit gelangt, íür den Gegensatz ·on Begriíí und \elt ein
anderes Subjekt als den legelschen Geist anzugeben, das aber die lunktion
eríüllt, den Gegensatz ·on Bewu|tsein und \irklichkeit in sich auízuheben. Im
System des Leninismus steht der Begriíí der Materie an dieser Stelle in einer
Lindeutigkeit, die sich bei Marx selbst nicht íindet. lür ihn war es Ludwig
leuerbach, der ihm die Mittel in die land gab, die Position Bruno Bauers mit
konkreteren Lrgebnissen zu ·erlassen. Zumindest íür die Religion bot leuer-

Dennoch hat Marx der Kritik Bauers zu keiner Zeit bescheinigt, eine
zureichende Verwandlung des Problems ·on legel zu sein. Denn íür
sich allein genommen íührt sie in einen \iderspruch mit legels Prinzip,
da| das \ahre das Ganze ist. Sie selbst erscheint als Ausdruck des
Gegensatzes ·on Begriíí und \irklichkeit, den sie doch legels Philoso-
phie des Geistes ·orweríen will. Als eine der \irklichkeit
gegenüberstehende Macht lä|t sie die Philosophie zur Kritik werden.
Marx íolgert deshalb: So notwendig es ist, die Philosophie in der
kritischen 1at zu ·ollenden, so notwendig ist es auch, die kritisierende
Vernunít nicht als eine autonome Potenz gegenüber der \irklichkeit
auízuíassen. Das bedeutet einmal, da| die Philosophie, die sich
gegen die unwahren Verhältnisse kritisch wendet, sich selbst als
das komplementäre Produkt dieser Verhältnisse auííassen mu|. Das
bedeutet weiter, da| sie in der Kritik ihre lorm auígeben mu|,
reine Philosophie zu sein. »So ergibt sich die Konsequenz,


19¯
3 B. Bauer, Die ]vaevfrage, 1843, S. 2.
196
der Philosophie nicht gerecht werden kann. »Ohne durch das leuer der
Kritik gegangen zu sein, wird nichts in die neue \elt, die nahe
herbeigekommen ist, eingehen konnen.«
3

da| das Philosophisch-\erden der \elt zugleich ein \eltlich-\erden der
Philosophie, da| ihre Verwirklichung zugleich ihr Verlust, da|, was sie nach
au|en bekämpít, ihr eigener innerer Mangel ist.« ,1¯, »Die kritische
Philosophie, kritisch gegen ihren \iderpart, ·erhielt sich unkritisch zu sich
selbst, indem sie ·on den Voraussetzungen der Philosophie ausging. |...|
Sie glaubte, die Philosophie ·erwirklichen zu konnen, ohne sie auízuheben.«
,215, Deshalb ist Bruno Bauer auch nicht zu einer konkreten Kritik ·on
legels Philosophie gelangt. So hat er sich, da er doch legel in einer
Philosophie der 1at ·erwirklichen wollte, als ein schlechter Schüler le-
gels erwiesen. Das Lrgebnis seines linausgehens über ihn war »ein
·ollig kritikloses Verhalten zur Methode des Kritisierens« ,249,.
Marx hat immer an dem Gedanken íestgehalten, die Philosophie ·ollende
sich erst in der Praxis. Am eindringlichsten íormuliert íindet sie sich aber
schon in seiner Dissertation. »Die Philosophie, die zur \elt sich erweitert
hat, |wendet| sich gegen die erscheinende \elt. So jetzt die legelsche.«
,12,3, »Begeistert mit dem 1rieb, sich zu ·erwirklichen, tritt ,sie, in
Spannung gegen anderes |...|. \as innerliches Licht war, wird zur
·erzehrenden llamme.« ,1¯,

»Allein die Praxis der Philosophie ist selbst
theoretisch. Ls ist die Kritik, die die einzelne Lxistenz am \esen |...|
mi|t.« ,16, Und noch in den 1hesen über leuerbach hei|t es, die
Philosophie müsse die \elt ·erändern als re·olutionäre, und das hei|t
als praktisch-kritische 1ätigkeit ,339,.
b. 1rotz dieser Unterscheidung ·on Bauer ist es oííenkundig, da| auí der ersten
Stuíe der Lntwicklung ·on Marx seine Verbindung der Philosophie der 1at mit
legels Linheitspostulat noch ein blo|es Programm geblieben ist. Ls mu|te nun
der Grund der Lntzweiung ·on Philosophie und \elt und die Moglichkeit ihrer
kritischen Lntgegensetzung in der \elt selbst auígewiesen werden. Die wirk-
liche Linheit der beiden war durch die Kritik an der Linseitigkeit des kritischen
Standpunktes noch nicht in den Blick gebracht. Durch die Philosophie der 1at
legel auíheben konnte nur hei|en, diese Philosophie als ein notwendiges
Moment im Ganzen der \irklichkeit begreiíen. Mit diesem Programm ist Marx
·or die Notwendigkeit gelangt, íür den Gegensatz ·on Begriíí und \elt ein
anderes Subjekt als den legelschen Geist anzugeben, das aber die lunktion
eríüllt, den Gegensatz ·on Bewu|tsein und \irklichkeit in sich auízuheben. Im
System des Leninismus steht der Begriíí der Materie an dieser Stelle in einer
Lindeutigkeit, die sich bei Marx selbst nicht íindet. lür ihn war es Ludwig
leuerbach, der ihm die Mittel in die land gab, die Position Bruno Bauers mit
konkreteren Lrgebnissen zu ·erlassen. Zumindest íür die Religion bot leuer-

Dennoch hat Marx der Kritik Bauers zu keiner Zeit bescheinigt, eine
zureichende Verwandlung des Problems ·on legel zu sein. Denn íür
sich allein genommen íührt sie in einen \iderspruch mit legels Prinzip,
da| das \ahre das Ganze ist. Sie selbst erscheint als Ausdruck des
Gegensatzes ·on Begriíí und \irklichkeit, den sie doch legels Philoso-
phie des Geistes ·orweríen will. Als eine der \irklichkeit
gegenüberstehende Macht lä|t sie die Philosophie zur Kritik werden.
Marx íolgert deshalb: So notwendig es ist, die Philosophie in der
kritischen 1at zu ·ollenden, so notwendig ist es auch, die kritisierende
Vernunít nicht als eine autonome Potenz gegenüber der \irklichkeit
auízuíassen. Das bedeutet einmal, da| die Philosophie, die sich
gegen die unwahren Verhältnisse kritisch wendet, sich selbst als
das komplementäre Produkt dieser Verhältnisse auííassen mu|. Das
bedeutet weiter, da| sie in der Kritik ihre lorm auígeben mu|,
reine Philosophie zu sein. »So ergibt sich die Konsequenz,


19¯
3 B. Bauer, Die ]vaevfrage, 1843, S. 2.
196
bach íür Marx das Beispiel einer Kritik, die eine bessere Grundlage hat als die
selbstgenügsame oder die praktisch gewordene reine Idee. Lr hatte den
Versuch gemacht, einen anderen Begriíí ·on der \irklichkeit auízustellen, in
der jede lorm einer ·ermeintlich autonomen 1heorie ihre Grundlage hat.
lür sich genommen ist dieser Begriíí denkbar einíach und im Vergleich mit
legel primiti· zu nennen: Der Mensch ist sinnliches \esen und hat das
lundament seines Daseins in der Natur. Zugleich aber ist er ein \esen,
das unter dem Gesetz lebt, sich mit anderen zu ·erbinden und an ihnen
sich seiner selbst bewu|t zu werden. Solange er seine Bedürínisse nicht
beíriedigen kann und solange sein gemeinsames Leben mit anderen
mi|lingt, projiziert er die ersehnte \elt, die ihm ·ersagt ist, in das
Schattenreich des Begriíís.
innerhalb seiner gegen ihn legels Gedanken zur Geltung, es müsse sich
eine Lrkenntnis der Identität ·on Begriíí und \irklichkeit erreichen lassen.
Diese Identität erhält hier die lorm einer ·ollständigen Lrkenntnis des
Begriííes aus seinen wirklichen Bedingungen.
Des weiteren hei|t es in diesen 1hesen, leuerbach habe die menschliche
Sinnlichkeit nicht in ihrer tätigen lorm ería|t ,329,. Denn der Begriíí der
Praxis, der einzig angemessene Begriíí ·on der Auíhebung der reinen
1heorie, habe in leuerbachs \irklichkeit keinen Ort. »leuerbach, mit dem
abstrakten Denken nicht zuírieden, will die Anschauung, aber er ía|t die
Sinnlichkeit nicht als praktische menschlichsinnliche 1ätigkeit« ,340,. Damit
erklärt Marx, auch der Gedanke der kritischen Philosophie Bauers müsse
eingehen in einen Begriíí ·on \irklichkeit, der uns den Gegensatz ·on
Begriíí und \elt ·erständlich machen soll. So wirken legels
Identitätsprinzip und die bisherige Leistung der linken legelkritik
zusammen bei der Umwandlung ·on leuerbachs Anthropologie zur
zweiten Stuíe ·on Marx' Lntwicklung.
Marx hat diese 1heorie begeistert begrü|t, aber nur als ein Moment in
einem Ganzen, das leuerbach selbst ·erschlossen blieb. Lr stellte gegen
sie legels Linheitsgedanken. Und er hielt gegen sie zugleich die
\ahrheit der kritischen Philosophie auírecht, an der er, íür sich
genommen, kein Genügen íand. Lr argumentierte deshalb so: leuerbach
besitzt keinen umíassenden Begriíí ·on \irklichkeit. So kann er die Be-
dingungen der Lntzweiung zwischen Begriíí und \elt nicht auídecken.
Und er kennt nicht das tätig-kritische \esen des Menschen. Deshalb
kann er die Bedingungen nicht angeben, unter denen die Lntzweiung des
Menschen mit seinem wahren \esen in der 1at auígehoben werden
kann. leuerbachs Begriíí des sinnlich-natürlichen \esens Mensch ist zu
arm, er bestimmt den Begriíí der \irklichkeit nicht konkret. So hei|t es
in den 1hesen über leuerbach: »Das menschliche \esen ist kein dem
einzelnen Indi·iduum innewohnendes Abstraktum.« Und »da| die welt-
liche Grundlage sich ·on sich selbst abhebt und sich ein selbständiges
Reich in den \olken íixiert, ist aus der Selbstzerrissenheit dieser
weltlichen Grundlage zu erklären« ,340,. In solchen \endungen erkennt
Marx zwar leuerbachs Begriíí der \irklichkeit an. Aber er bringt

c. Die beiden weiteren Schritte, die Marx auí dem \ege zu seiner
reiíen 1heorie gegangen ist, brauchen nun nur noch angegeben zu
werden. Zureichend wird man sie ·erstehen, wenn man sie als konkrete
lolgerungen aus jenem Begriíí der \irklichkeit auíía|t, in den schon
die Llemente der Kritik Bauers und der Anthropologie leuerbachs
auígenommen worden sind. Sein dritter Schritt íührt Marx dazu, die
Philosophie der 1at mit einem humanitären Sozialismus zu ·erbinden.
In ihm steht er unter dem Lindruck der Lríahrungen seiner politischen
1ätigkeit bei der Rbeivi.cbev Zeitvvg und unter dem der Schriíten ·on
Moses le|. Aber es ist wichtig, sich deutlich zu machen, da| die
politische 1heorie ·on Marx bei ihm als Losung eines philosophischen
Problems erscheint und ohne es nicht ·oll ·erständlich wird: auí
seinem zweiten Standpunkt hatte sich die Notwendigkeit ergeben, die
wirklichen Bedingungen der wirklichen Lntzweiung des mensch-

198 199
bach íür Marx das Beispiel einer Kritik, die eine bessere Grundlage hat als die
selbstgenügsame oder die praktisch gewordene reine Idee. Lr hatte den
Versuch gemacht, einen anderen Begriíí ·on der \irklichkeit auízustellen, in
der jede lorm einer ·ermeintlich autonomen 1heorie ihre Grundlage hat.
lür sich genommen ist dieser Begriíí denkbar einíach und im Vergleich mit
legel primiti· zu nennen: Der Mensch ist sinnliches \esen und hat das
lundament seines Daseins in der Natur. Zugleich aber ist er ein \esen,
das unter dem Gesetz lebt, sich mit anderen zu ·erbinden und an ihnen
sich seiner selbst bewu|t zu werden. Solange er seine Bedürínisse nicht
beíriedigen kann und solange sein gemeinsames Leben mit anderen
mi|lingt, projiziert er die ersehnte \elt, die ihm ·ersagt ist, in das
Schattenreich des Begriíís.
innerhalb seiner gegen ihn legels Gedanken zur Geltung, es müsse sich
eine Lrkenntnis der Identität ·on Begriíí und \irklichkeit erreichen lassen.
Diese Identität erhält hier die lorm einer ·ollständigen Lrkenntnis des
Begriííes aus seinen wirklichen Bedingungen.
Des weiteren hei|t es in diesen 1hesen, leuerbach habe die menschliche
Sinnlichkeit nicht in ihrer tätigen lorm ería|t ,329,. Denn der Begriíí der
Praxis, der einzig angemessene Begriíí ·on der Auíhebung der reinen
1heorie, habe in leuerbachs \irklichkeit keinen Ort. »leuerbach, mit dem
abstrakten Denken nicht zuírieden, will die Anschauung, aber er ía|t die
Sinnlichkeit nicht als praktische menschlichsinnliche 1ätigkeit« ,340,. Damit
erklärt Marx, auch der Gedanke der kritischen Philosophie Bauers müsse
eingehen in einen Begriíí ·on \irklichkeit, der uns den Gegensatz ·on
Begriíí und \elt ·erständlich machen soll. So wirken legels
Identitätsprinzip und die bisherige Leistung der linken legelkritik
zusammen bei der Umwandlung ·on leuerbachs Anthropologie zur
zweiten Stuíe ·on Marx' Lntwicklung.
Marx hat diese 1heorie begeistert begrü|t, aber nur als ein Moment in
einem Ganzen, das leuerbach selbst ·erschlossen blieb. Lr stellte gegen
sie legels Linheitsgedanken. Und er hielt gegen sie zugleich die
\ahrheit der kritischen Philosophie auírecht, an der er, íür sich
genommen, kein Genügen íand. Lr argumentierte deshalb so: leuerbach
besitzt keinen umíassenden Begriíí ·on \irklichkeit. So kann er die Be-
dingungen der Lntzweiung zwischen Begriíí und \elt nicht auídecken.
Und er kennt nicht das tätig-kritische \esen des Menschen. Deshalb
kann er die Bedingungen nicht angeben, unter denen die Lntzweiung des
Menschen mit seinem wahren \esen in der 1at auígehoben werden
kann. leuerbachs Begriíí des sinnlich-natürlichen \esens Mensch ist zu
arm, er bestimmt den Begriíí der \irklichkeit nicht konkret. So hei|t es
in den 1hesen über leuerbach: »Das menschliche \esen ist kein dem
einzelnen Indi·iduum innewohnendes Abstraktum.« Und »da| die welt-
liche Grundlage sich ·on sich selbst abhebt und sich ein selbständiges
Reich in den \olken íixiert, ist aus der Selbstzerrissenheit dieser
weltlichen Grundlage zu erklären« ,340,. In solchen \endungen erkennt
Marx zwar leuerbachs Begriíí der \irklichkeit an. Aber er bringt

c. Die beiden weiteren Schritte, die Marx auí dem \ege zu seiner
reiíen 1heorie gegangen ist, brauchen nun nur noch angegeben zu
werden. Zureichend wird man sie ·erstehen, wenn man sie als konkrete
lolgerungen aus jenem Begriíí der \irklichkeit auíía|t, in den schon
die Llemente der Kritik Bauers und der Anthropologie leuerbachs
auígenommen worden sind. Sein dritter Schritt íührt Marx dazu, die
Philosophie der 1at mit einem humanitären Sozialismus zu ·erbinden.
In ihm steht er unter dem Lindruck der Lríahrungen seiner politischen
1ätigkeit bei der Rbeivi.cbev Zeitvvg und unter dem der Schriíten ·on
Moses le|. Aber es ist wichtig, sich deutlich zu machen, da| die
politische 1heorie ·on Marx bei ihm als Losung eines philosophischen
Problems erscheint und ohne es nicht ·oll ·erständlich wird: auí
seinem zweiten Standpunkt hatte sich die Notwendigkeit ergeben, die
wirklichen Bedingungen der wirklichen Lntzweiung des mensch-

198 199
lichen \esens zu erkennen, um sie dann in wirklicher Aktion auízuheben.
Nun erscheint íür Marx das Gesetz des Pri·ateigentums als die Ursache íür
die Lntzweiung des Lebens in reinen Begriíí und un·ernünítige \irklichkeit.
Die politische Bewegung des Sozialismus aber ist ihre Uberwindung, die
einzige wirkliche Philosophie der 1at. Sie ist es, die die Kritik ·on der
Denunziation des Bestehenden zur wirklichen Aktion zu bringen ·ermag.
zu·or schon íür unumsto|lich gesichert gilt. Der Blick des Okonomen Marx,
der sich in den Büchern des britischen Museums ·ergrub, war geschärít und
begrenzt zugleich durch die längst ·ollzogene Konsequenz des Philosophen
in der Nachíolge legels. Ihm hat die politische Okonomie nur gedient,
Losung des Rätsels zu sein, warum Begriíí und \irklichkeit sich entzweien,
Losung also des Rätsels auch ·on einer entíremdeten \eltgestalt der
Philosophie. Aber auch der Sozialismus ·on le| trägt noch Reste des Mangels der
kritischen Philosophie in sich und entspricht deshalb noch nicht dem aus
seiner ·erkehrten \elt zur \irklichkeit gebrachten legel. Denn le| ist
im Grunde noch moralistisch gesonnen. Lr ía|t die Lntíremdung des
Menschen in der \elt des Pri·ateigentums nicht allein aus ihren Be-
dingungen, sondern nur ·on der Seite ihrer Unmenschlichkeit auí. Das zeigt
aber, da| er sie nicht immanent, gemä| dem Postulat legels, sondern
wie die Kritik Bruno Bauers ·om »jenseitigen Standpunkt« aus analysiert.
Zu einer immanenten Interpretation ist Marx erst nach der Lektüre írüher
Arbeiten ·on lriedrich Lngels gekommen. Mit ihrer lilíe hat er im
·ierten Schritt seiner Lntwicklung die okonomische Geschichtsauííassung
erreicht. Sie gilt ihm hiníort als die Losung seines Problems, das wahre
Prinzip legels mit der Notwendigkeit der Auíhebung seines Systems zu
·erbinden.
Ls mag nützlich sein, noch einmal den \eg der philosophischen Genesis
des Marxismus zu überblicken: Karl Marx ging aus ·on legels Philosophie
einer Lrkenntnis des Inbegriíís dessen, was überhaupt ist. Lr hatte nicht
im Sinn, gegen sie die Probleme írüherer philosophischer Systeme wieder
auíerstehen zu lassen. Lr wollte nur die Linseitigkeit, die in legels System
noch ·erblieben schien, auílosen im Sinne seines eigenen Prinzips. So
wendete er sich zunächst Bauers Kritik zu, die aber den Anspruch der
Philosophie der 1at nicht einlost, sondern in polemischen Abstraktionen
·erharrt. Sie sollte deshalb durch die ·erbesserte Philosophie der \irk-
lichkeit und des wirklichen Menschen ergänzt werden, die leuerbach
entwickelt hat. Aber auch sie bleibt noch abstrakt und mit dem Gegensatz
der \irklichkeit behaítet, indem sie ·on den wirklichen Bedingungen alles
·erarmten und íalschen Bewu|tseins absieht. Moses le| erst hilít den
Zusammenhang der Philosophie der 1at mit der kritischen Anthropologie
in der sozialistischen Praxis begreiíen. Ihre theoretische, nicht nur
moralisierende Auíklärung íindet sie aber im okonomisch-historischen
Materialismus.
Der historische Materialismus ist also keineswegs aus sich begründet. In
der konkreten Gestalt, die sie angenommen hat, ist Marx' 1heorie nur als
das Resultat des \eges zu begreiíen, aus dem sie her·ortrat. Die L·idenz,
welche sie íür Marx selbst allezeit besa|, ist daraus zu ·erstehen, da| sie
ihm als Lrgebnis und als Losung eines Problems erscheinen konnte, das
seine ganze Lntwicklung bestimmt hat. Sie war ihm zugleich die ange-
messene Verbindung legels mit den ernstzunehmenden Argumenten der
Kritik, die auí ihn íolgte. Deshalb haben alle seine okonomischen Arbeiten
den Charakter der nachträglichen Begründung einer \ahrheit, die

Der okonomisch-historische Materialismus proklamiert nun sich selber
als die ·ollzogene Umkehrung der Philosophie legels. Aber jene
Umkehrung ist nichts, was dieser Philosophie ·on au|en geschehen sein
soll. Sie gibt sich als ihre eigene Konsequenz. Marx ist der Meinung, das
Prinzip, das legel in der Konstruktion aus reinen Begriííen sich
bewähren lassen wollte, konnte íolgerichtig nur durchgeíührt werden

200 201
lichen \esens zu erkennen, um sie dann in wirklicher Aktion auízuheben.
Nun erscheint íür Marx das Gesetz des Pri·ateigentums als die Ursache íür
die Lntzweiung des Lebens in reinen Begriíí und un·ernünítige \irklichkeit.
Die politische Bewegung des Sozialismus aber ist ihre Uberwindung, die
einzige wirkliche Philosophie der 1at. Sie ist es, die die Kritik ·on der
Denunziation des Bestehenden zur wirklichen Aktion zu bringen ·ermag.
zu·or schon íür unumsto|lich gesichert gilt. Der Blick des Okonomen Marx,
der sich in den Büchern des britischen Museums ·ergrub, war geschärít und
begrenzt zugleich durch die längst ·ollzogene Konsequenz des Philosophen
in der Nachíolge legels. Ihm hat die politische Okonomie nur gedient,
Losung des Rätsels zu sein, warum Begriíí und \irklichkeit sich entzweien,
Losung also des Rätsels auch ·on einer entíremdeten \eltgestalt der
Philosophie. Aber auch der Sozialismus ·on le| trägt noch Reste des Mangels der
kritischen Philosophie in sich und entspricht deshalb noch nicht dem aus
seiner ·erkehrten \elt zur \irklichkeit gebrachten legel. Denn le| ist
im Grunde noch moralistisch gesonnen. Lr ía|t die Lntíremdung des
Menschen in der \elt des Pri·ateigentums nicht allein aus ihren Be-
dingungen, sondern nur ·on der Seite ihrer Unmenschlichkeit auí. Das zeigt
aber, da| er sie nicht immanent, gemä| dem Postulat legels, sondern
wie die Kritik Bruno Bauers ·om »jenseitigen Standpunkt« aus analysiert.
Zu einer immanenten Interpretation ist Marx erst nach der Lektüre írüher
Arbeiten ·on lriedrich Lngels gekommen. Mit ihrer lilíe hat er im
·ierten Schritt seiner Lntwicklung die okonomische Geschichtsauííassung
erreicht. Sie gilt ihm hiníort als die Losung seines Problems, das wahre
Prinzip legels mit der Notwendigkeit der Auíhebung seines Systems zu
·erbinden.
Ls mag nützlich sein, noch einmal den \eg der philosophischen Genesis
des Marxismus zu überblicken: Karl Marx ging aus ·on legels Philosophie
einer Lrkenntnis des Inbegriíís dessen, was überhaupt ist. Lr hatte nicht
im Sinn, gegen sie die Probleme írüherer philosophischer Systeme wieder
auíerstehen zu lassen. Lr wollte nur die Linseitigkeit, die in legels System
noch ·erblieben schien, auílosen im Sinne seines eigenen Prinzips. So
wendete er sich zunächst Bauers Kritik zu, die aber den Anspruch der
Philosophie der 1at nicht einlost, sondern in polemischen Abstraktionen
·erharrt. Sie sollte deshalb durch die ·erbesserte Philosophie der \irk-
lichkeit und des wirklichen Menschen ergänzt werden, die leuerbach
entwickelt hat. Aber auch sie bleibt noch abstrakt und mit dem Gegensatz
der \irklichkeit behaítet, indem sie ·on den wirklichen Bedingungen alles
·erarmten und íalschen Bewu|tseins absieht. Moses le| erst hilít den
Zusammenhang der Philosophie der 1at mit der kritischen Anthropologie
in der sozialistischen Praxis begreiíen. Ihre theoretische, nicht nur
moralisierende Auíklärung íindet sie aber im okonomisch-historischen
Materialismus.
Der historische Materialismus ist also keineswegs aus sich begründet. In
der konkreten Gestalt, die sie angenommen hat, ist Marx' 1heorie nur als
das Resultat des \eges zu begreiíen, aus dem sie her·ortrat. Die L·idenz,
welche sie íür Marx selbst allezeit besa|, ist daraus zu ·erstehen, da| sie
ihm als Lrgebnis und als Losung eines Problems erscheinen konnte, das
seine ganze Lntwicklung bestimmt hat. Sie war ihm zugleich die ange-
messene Verbindung legels mit den ernstzunehmenden Argumenten der
Kritik, die auí ihn íolgte. Deshalb haben alle seine okonomischen Arbeiten
den Charakter der nachträglichen Begründung einer \ahrheit, die

Der okonomisch-historische Materialismus proklamiert nun sich selber
als die ·ollzogene Umkehrung der Philosophie legels. Aber jene
Umkehrung ist nichts, was dieser Philosophie ·on au|en geschehen sein
soll. Sie gibt sich als ihre eigene Konsequenz. Marx ist der Meinung, das
Prinzip, das legel in der Konstruktion aus reinen Begriííen sich
bewähren lassen wollte, konnte íolgerichtig nur durchgeíührt werden

200 201
in einer 1heorie ·on den Gesetzen der \irklichkeit und ihrer Lntzweiung in
blo|es Bewu|tsein und ·erkehrte \elt. Von legel aus gesehen erscheint der
Marxismus zwar als eine naturalistische 1heorie, die sich in den Aporien
der Philosophie ·or Kant ·eríängt. lat man aber den \eg der philo-
sophischen Lntwicklung ·on Karl Marx ·eríolgt, so kann man ·erstehen,
wieso er wenigstens íür sich zu der Meinung kommen konnte, seine
materialistische Position sei der ·ollendete legel selbst.
ausgebildet. Nach legel zerstort die bürgerliche Gesellschaít durch die
zuíällige \illkür und das subjekti·e Belieben ihrer Glieder sich selbst,
macht die Beíriedigung der wesentlichen Bedürínisse ·om Zuíall abhängig
und bietet das Schauspiel ebenso der Ausschweiíung wie des Llends und des
beiden gemeinschaítlichen physischen und sittlichen Verderbens dar ,¸ 185,.
In ihr kann nur ·on der subjekti·en Selbstsucht, nämlich ·om Streben nach
Gewinn, ein Beitrag zur Beíriedigung aller erwartet werden ,¸ 199,. Line
allgemeine Leitung ist notwendig, um die geíährlichen Zuckungen und die
Dauer des Ausgleichs in den Kollisionen der industriellen Produktion
wenigstens abzukürzen und zu mildern ,¸ 236,. Vermogen und Bestehen
der lamilie sind einer nicht beherrschbaren Abhängigkeit unterworíen ,¸
238,. Das lerabsinken einer gro|en Masse unter das Ma| einer gewissen
Subsistenzweise bringt das Proletariat her·or, das legel den ·Pobel·
nennt. Ls íührt zugleich zu gro|erer Leichtigkeit, un·erhältnismä|ige
Reichtümer in wenige lände zu konzentrieren ,¸ 244,. \eder durch
oííentliche Arbeiten noch durch oííentliche \ohlíahrt kann die bürgerliche
Gesellschaít ihr Problem einer ·erarmten Masse losen. Sie ist bei dem
Uberma|e des Reichtums nicht reich genug, dem Uberma| der Armut
und der Lrzeugung des Pobels zu steuern ,¸ 245,. Selbst Lenins 1heorie
·om Imperialismus als eine Konsequenz kapitalistischer Produktion, die
Marx selbst nicht kennt, íindet sich schon in legels Rechtsphilosophie ,¸
246,. Nicht nur in seinem systematischen Problem, sondern auch in seinen
konkreten Analysen ist also Marx ein Schüler legels gewesen.
Dieser Uberzeugung zuíolge ist auch die Kritik, die Marx an legels
System übt, eine solche, die dessen eigenen Systemgedanken ins leld íührt
gegen seine un·ollkommene Realisation. Dies wird am deutlichsten in einer
Analyse, der Marx die legelsche Philosophie des Staates unterzieht. Sie
scheint Marx das oííene Geheimnis der ganzen Methode legels zu sein,
und das deshalb, weil sie es ist, in der das System des absoluten \issens
einerseits wohl den Begriíí als das \esen der bestehenden \irklichkeit
erklärt. Da es aber seine eigene Konsequenz in der Philosophie der 1at
nicht zieht, mu| es andererseits wider \illen selbst eingestehen, da| sein
Staat nicht der wirkliche Begriíí, sondern nur der Ausdruck einer
begriíílosen, un·ernünítigen \irklichkeit ist. So kommt es in einen
\iderspruch mit sich selbst, der aber nicht zuíällig, sondern nicht zu
·ermeiden ist auí seinem Standpunkt, der mit einer Linseitigkeit behaítet
bleibt.
legels Rechtsphilosophie ist nach dem triadischen Schema auígebaut. In
ihr ist im System der Sittlichkeit, der wirklich gewordenen lreiheit, die
lamilie die erste Stuíe der ungetrennten Linheit der Unterschiede, die sich
in der zweiten, der bürgerlichen Gesellschaít, einander entgegensetzen. Ihre
Versohnung wird dann, bei \ahrung ihrer Diííerenz, im ·ernünítigen Staat
erreicht. Dieses Schema hat es legel erlaubt, in den Paragraphen über die
bürgerliche Gesellschaít eine erstaunliche Modernität zu erreichen. In ihr
sind die meisten Züge der marxistischen Gesellschaítskritik schon ·oll

legels Rechtsphilosophie zuíolge soll die Zerrissenheit der bürgerlichen
Gesellschaít im Vernunítstaate auígehoben werden. Lr ist es, der ihre Ge-
gensätze schlichtet und der ihren Mitgliedern, trotz ihrer Besonderheit,
das Bewu|tsein substantieller Linheit gibt. Diese 1heorie unterzieht Marx
einer radikalen Kritik ,20-149,. In ihr will er zeigen, da| auch in

202 203
in einer 1heorie ·on den Gesetzen der \irklichkeit und ihrer Lntzweiung in
blo|es Bewu|tsein und ·erkehrte \elt. Von legel aus gesehen erscheint der
Marxismus zwar als eine naturalistische 1heorie, die sich in den Aporien
der Philosophie ·or Kant ·eríängt. lat man aber den \eg der philo-
sophischen Lntwicklung ·on Karl Marx ·eríolgt, so kann man ·erstehen,
wieso er wenigstens íür sich zu der Meinung kommen konnte, seine
materialistische Position sei der ·ollendete legel selbst.
ausgebildet. Nach legel zerstort die bürgerliche Gesellschaít durch die
zuíällige \illkür und das subjekti·e Belieben ihrer Glieder sich selbst,
macht die Beíriedigung der wesentlichen Bedürínisse ·om Zuíall abhängig
und bietet das Schauspiel ebenso der Ausschweiíung wie des Llends und des
beiden gemeinschaítlichen physischen und sittlichen Verderbens dar ,¸ 185,.
In ihr kann nur ·on der subjekti·en Selbstsucht, nämlich ·om Streben nach
Gewinn, ein Beitrag zur Beíriedigung aller erwartet werden ,¸ 199,. Line
allgemeine Leitung ist notwendig, um die geíährlichen Zuckungen und die
Dauer des Ausgleichs in den Kollisionen der industriellen Produktion
wenigstens abzukürzen und zu mildern ,¸ 236,. Vermogen und Bestehen
der lamilie sind einer nicht beherrschbaren Abhängigkeit unterworíen ,¸
238,. Das lerabsinken einer gro|en Masse unter das Ma| einer gewissen
Subsistenzweise bringt das Proletariat her·or, das legel den ·Pobel·
nennt. Ls íührt zugleich zu gro|erer Leichtigkeit, un·erhältnismä|ige
Reichtümer in wenige lände zu konzentrieren ,¸ 244,. \eder durch
oííentliche Arbeiten noch durch oííentliche \ohlíahrt kann die bürgerliche
Gesellschaít ihr Problem einer ·erarmten Masse losen. Sie ist bei dem
Uberma|e des Reichtums nicht reich genug, dem Uberma| der Armut
und der Lrzeugung des Pobels zu steuern ,¸ 245,. Selbst Lenins 1heorie
·om Imperialismus als eine Konsequenz kapitalistischer Produktion, die
Marx selbst nicht kennt, íindet sich schon in legels Rechtsphilosophie ,¸
246,. Nicht nur in seinem systematischen Problem, sondern auch in seinen
konkreten Analysen ist also Marx ein Schüler legels gewesen.
Dieser Uberzeugung zuíolge ist auch die Kritik, die Marx an legels
System übt, eine solche, die dessen eigenen Systemgedanken ins leld íührt
gegen seine un·ollkommene Realisation. Dies wird am deutlichsten in einer
Analyse, der Marx die legelsche Philosophie des Staates unterzieht. Sie
scheint Marx das oííene Geheimnis der ganzen Methode legels zu sein,
und das deshalb, weil sie es ist, in der das System des absoluten \issens
einerseits wohl den Begriíí als das \esen der bestehenden \irklichkeit
erklärt. Da es aber seine eigene Konsequenz in der Philosophie der 1at
nicht zieht, mu| es andererseits wider \illen selbst eingestehen, da| sein
Staat nicht der wirkliche Begriíí, sondern nur der Ausdruck einer
begriíílosen, un·ernünítigen \irklichkeit ist. So kommt es in einen
\iderspruch mit sich selbst, der aber nicht zuíällig, sondern nicht zu
·ermeiden ist auí seinem Standpunkt, der mit einer Linseitigkeit behaítet
bleibt.
legels Rechtsphilosophie ist nach dem triadischen Schema auígebaut. In
ihr ist im System der Sittlichkeit, der wirklich gewordenen lreiheit, die
lamilie die erste Stuíe der ungetrennten Linheit der Unterschiede, die sich
in der zweiten, der bürgerlichen Gesellschaít, einander entgegensetzen. Ihre
Versohnung wird dann, bei \ahrung ihrer Diííerenz, im ·ernünítigen Staat
erreicht. Dieses Schema hat es legel erlaubt, in den Paragraphen über die
bürgerliche Gesellschaít eine erstaunliche Modernität zu erreichen. In ihr
sind die meisten Züge der marxistischen Gesellschaítskritik schon ·oll

legels Rechtsphilosophie zuíolge soll die Zerrissenheit der bürgerlichen
Gesellschaít im Vernunítstaate auígehoben werden. Lr ist es, der ihre Ge-
gensätze schlichtet und der ihren Mitgliedern, trotz ihrer Besonderheit,
das Bewu|tsein substantieller Linheit gibt. Diese 1heorie unterzieht Marx
einer radikalen Kritik ,20-149,. In ihr will er zeigen, da| auch in

202 203
den Linzelheiten legels 1heorie über den Staat nicht ·ermag, seinen
Bürgern eine Lxistenz jenseits der Antagonismen der Gesellschaít zu
·ermitteln. Vermochte er dies, so wäre er der Gesellschaít eigentliche
Substanz, in die sie sich auílost als eine nur ·orläuíige und unwahre
Lxistenz seiner selbst. In \ahrheit aber ist der Staat legels nur eine
lolge und lunktion der Zerrissenheit der Gesellschaít. In der 1ermino-
logie der Logik des Urteils geía|t ist er also nicht ihr Subjekt, sondern
·ielmehr ihr Prädikat. Die Idee des ·ernünítigen Staates wäre die der
praktischen Auílosung der \idersprüche der bürgerlichen Gesellschaít.
legels Staat ist aber nur der Begriíí ·on ihrer Unwahrheit, zugleich
genommen als die Sanktion ihrer íaktischen Lxistenz. Das Verhältnis
·on Gesellschaít und Staat ist also in doppelter linsicht umzukehren: In
legels konkreter 1heorie ist der Staat, der Lehre entgegen, abhängig
gemacht ·om Leben einer entíremdeten Gesellschaít. Seinem Begriííe nach
aber ist Staat Sittlichkeit, die sich ·ollendet hat, also nicht Rechtíertigung
und Milderung, sondern Umwälzung bestehender Verhältnisse, soíern sie
un·ernünítig sind.
Philosophie legels: Bauers 1heorie ·on der lerrschaít der Religion über den
Menschen ist ihm nichts anderes als eine ·erkappte lorm der Religion der
bestehenden lerrschaít ,186,, seine Kritik ist ihm nur eine Leidenschaít des
Kopíes: sie mu| aber zum Kopí der ,wirklichen, Leidenschaít werden
,210,, die \aííe der Kritik ist durch die Kritik der \aííen zu ersetzen
,216,.
Ls wurde aber betont, da| legel umkehren íür Marx nicht hei|t sein
Prinzip auígeben. Das Gegenteil ist der lall und die Umkehrung ist
selbst eine lolge da·on, da| im Ungenügen an legel doch dessen
Grundgedanke íestgehalten worden ist: Das Prinzip einer wissenschaítlichen
Lrkenntnis der Linheit ·on Denken und Sein. Dies Prinzip liegt auch
noch dem Gegensatz zwischen legels Philosophie der absoluten Idee und
dem marxistischen Materialismus zugrunde. Sein ganzer Anspruch geht in
die 1heorien ·on Marx ein, noch ehe sie konkret entwickelt worden sind.
Daraus erklären sich die ·ielen Schwierigkeiten, ·or denen marxistische
1heoretiker seit langem und bis heute un·erändert stehen, mit der wohl
·ergeblichen loíínung auí Abhilíe in der Zukunít. \ir haben die
Gründe dargestellt, die Marx dazu bestimmt haben, es íür gewi| zu
halten, da| der lortschritt zur \ahrheit allein auí seinem \eg geíunden
werden konne. Diese Gründe machen es uns moglich, ihn zu ·erstehen. Sie
zwingen uns nicht, ihm zu íolgen. Ls ist nicht ausgemacht, ob jene
Llemente in legels 1heorie, an denen Marx íesthalten wollte, eine
Umkehrung erlauben und überstehen. Solche Llemente sind unter anderen
die dialektische Methode, der Begriíí der Notwendigkeit, ja der Gedanke
der Linheit ·on Denken und Sein selbst. Ls scheint, da| sich der
Marxismus bei der Umkehrung, die legel ·oraussetzen will, in Probleme
·erstrickt, ·on denen er gehoíít hatte, schon legel habe sie íür ihn gelost,
so ·or allem in das Lrkenntnisproblem.
Diese Kritik der Staatsphilosophie ·on legel ist íür Marx das
experimentum crucis auí die lrage, ob es notwendig und moglich sei,
das gesamte System legels umzuwenden und auí seinen wahren Boden
zu stellen. Gibt man den Begriíí, hier die Idee des Staates, als Grund
der Vernunít in der \irklichkeit an, so bringt man nicht mehr her·or,
als eine Apologie un·ernünítiger \irklichkeit. Die richtige lorderung, die
diesem Versuch zugrundelag, war die, Denken und Sein mü|ten als Linheit
·erstanden werden. Durch sein Lxperiment hat Marx sich aber in der
Meinung bestätigt gesehen, da| man ihr nur im Ausgang ·on der
anderen Seite entsprechen kann, ·on der Seite der \irklichkeit.
Die besten \endungen in Marx' polemischer Sprache sind eine
lolge dieser Umkehrung des Verhältnisses ·on Staat und
bürgerlicher Gesellschaít, ·on Subjekt und Objekt in der

Nun haben ·iele Interpreten ·ersucht, den Schwierigkeiten

204 205
den Linzelheiten legels 1heorie über den Staat nicht ·ermag, seinen
Bürgern eine Lxistenz jenseits der Antagonismen der Gesellschaít zu
·ermitteln. Vermochte er dies, so wäre er der Gesellschaít eigentliche
Substanz, in die sie sich auílost als eine nur ·orläuíige und unwahre
Lxistenz seiner selbst. In \ahrheit aber ist der Staat legels nur eine
lolge und lunktion der Zerrissenheit der Gesellschaít. In der 1ermino-
logie der Logik des Urteils geía|t ist er also nicht ihr Subjekt, sondern
·ielmehr ihr Prädikat. Die Idee des ·ernünítigen Staates wäre die der
praktischen Auílosung der \idersprüche der bürgerlichen Gesellschaít.
legels Staat ist aber nur der Begriíí ·on ihrer Unwahrheit, zugleich
genommen als die Sanktion ihrer íaktischen Lxistenz. Das Verhältnis
·on Gesellschaít und Staat ist also in doppelter linsicht umzukehren: In
legels konkreter 1heorie ist der Staat, der Lehre entgegen, abhängig
gemacht ·om Leben einer entíremdeten Gesellschaít. Seinem Begriííe nach
aber ist Staat Sittlichkeit, die sich ·ollendet hat, also nicht Rechtíertigung
und Milderung, sondern Umwälzung bestehender Verhältnisse, soíern sie
un·ernünítig sind.
Philosophie legels: Bauers 1heorie ·on der lerrschaít der Religion über den
Menschen ist ihm nichts anderes als eine ·erkappte lorm der Religion der
bestehenden lerrschaít ,186,, seine Kritik ist ihm nur eine Leidenschaít des
Kopíes: sie mu| aber zum Kopí der ,wirklichen, Leidenschaít werden
,210,, die \aííe der Kritik ist durch die Kritik der \aííen zu ersetzen
,216,.
Ls wurde aber betont, da| legel umkehren íür Marx nicht hei|t sein
Prinzip auígeben. Das Gegenteil ist der lall und die Umkehrung ist
selbst eine lolge da·on, da| im Ungenügen an legel doch dessen
Grundgedanke íestgehalten worden ist: Das Prinzip einer wissenschaítlichen
Lrkenntnis der Linheit ·on Denken und Sein. Dies Prinzip liegt auch
noch dem Gegensatz zwischen legels Philosophie der absoluten Idee und
dem marxistischen Materialismus zugrunde. Sein ganzer Anspruch geht in
die 1heorien ·on Marx ein, noch ehe sie konkret entwickelt worden sind.
Daraus erklären sich die ·ielen Schwierigkeiten, ·or denen marxistische
1heoretiker seit langem und bis heute un·erändert stehen, mit der wohl
·ergeblichen loíínung auí Abhilíe in der Zukunít. \ir haben die
Gründe dargestellt, die Marx dazu bestimmt haben, es íür gewi| zu
halten, da| der lortschritt zur \ahrheit allein auí seinem \eg geíunden
werden konne. Diese Gründe machen es uns moglich, ihn zu ·erstehen. Sie
zwingen uns nicht, ihm zu íolgen. Ls ist nicht ausgemacht, ob jene
Llemente in legels 1heorie, an denen Marx íesthalten wollte, eine
Umkehrung erlauben und überstehen. Solche Llemente sind unter anderen
die dialektische Methode, der Begriíí der Notwendigkeit, ja der Gedanke
der Linheit ·on Denken und Sein selbst. Ls scheint, da| sich der
Marxismus bei der Umkehrung, die legel ·oraussetzen will, in Probleme
·erstrickt, ·on denen er gehoíít hatte, schon legel habe sie íür ihn gelost,
so ·or allem in das Lrkenntnisproblem.
Diese Kritik der Staatsphilosophie ·on legel ist íür Marx das
experimentum crucis auí die lrage, ob es notwendig und moglich sei,
das gesamte System legels umzuwenden und auí seinen wahren Boden
zu stellen. Gibt man den Begriíí, hier die Idee des Staates, als Grund
der Vernunít in der \irklichkeit an, so bringt man nicht mehr her·or,
als eine Apologie un·ernünítiger \irklichkeit. Die richtige lorderung, die
diesem Versuch zugrundelag, war die, Denken und Sein mü|ten als Linheit
·erstanden werden. Durch sein Lxperiment hat Marx sich aber in der
Meinung bestätigt gesehen, da| man ihr nur im Ausgang ·on der
anderen Seite entsprechen kann, ·on der Seite der \irklichkeit.
Die besten \endungen in Marx' polemischer Sprache sind eine
lolge dieser Umkehrung des Verhältnisses ·on Staat und
bürgerlicher Gesellschaít, ·on Subjekt und Objekt in der

Nun haben ·iele Interpreten ·ersucht, den Schwierigkeiten

204 205
der späten 1heorie ·or allem des sowjetischen Diamat-Systems durch
einen Rückgang auí den jungen Marx zu entgehen. Und es ist wahr:
nirgends zeigt sich dieser Denker in so sympathischer und so subtiler
Gestalt wie in der unmittelbaren Konírontation mit legel zur Zeit seiner
Lntwicklung. Dennoch ist es eine Illusion und ein ·ergeblicher Versuch,
mit der lilíe seiner írühen Schriíten den reiíen Marx zu kritisieren. Ls
hat sich gezeigt, wie sie in ·erständlicher und unumgänglicher
Konsequenz zur späten 1heorie íühren. Das Resultät der Begründung der
1hese, die diese Untersuchung einleitete, lautet: wenn die reiíe Gestalt
der marxistischen Philosophie nicht gehalten wird, so mu| zugleich die
Problemstellung unhaltbar sein, die zu ihr geíührt hat. Ls ist deshalb
auch nicht erlaubt, den lumanismus des jungen Marx íür eine Position
zu erklären, die in sich ruhen konnte. Zwei Parolen sind es, mit denen sich
die kommunistische Opposition im Namen des lumanismus auí den
jungen Marx beruíen hat: Die eine spricht die gro|e Lríahrung des So-
zialismus in unserem Jahrhundert aus: »Die lerrschaít des Menschen
über den Menschen ist keineswegs überwunden mit der Re·olutionierung der
okonomischen Ordnung.« Die andere zieht aus ihr eine lolgerung íür die
rechte Parteipolitik: »Ls gilt das Gesetz der Adaequation ·on Mittel und
Ziel, der lumanismus darí nur auí menschliche \eise ·erwirklicht
werden.« Aber aus Marx lassen sie sich beide nicht begründen. Das wird
am schlagendsten daran deutlich, da| sie beide schon ·on Marxens
\eggenossen Arnold Ruge gebraucht worden sind. Ruge aber wendet sie
gerade gegen den jungen Marx, um die Schwächen seiner 1heorie und auch
seines polemischen Stiles ins Licht zu stellen. In einem Brieí Ruges
über Marx hei|t es: »Der humane Inhalt mu| auch human zum Vor-
schein kommen. \ürde nur endlich Lrnst gemacht aus unserer Gährung
und die Geíahr auí beiden Seiten eine Lebensgeíahr!« das hei|t aber als die
Geíahr unseres Lebens erkannt.
4
Die Kritik an Marx, die sich auí

den jungen Marx beruít, ist also in \ahrheit die Kritik der linken hegelschen
Schule an ihm und an der Konsequenz, zu der er sich selbst mit Recht
getrieben sah. Lrst diese Konsequenz weist Marx als Denker ·on
Lnergie und Bedeutung aus, wozu sie auch immer geíührt haben mag. Das
1reibende in ihr aber war sein Ausgang ·on legels Prinzip und seine
ebenso beharrliche Kritik an der ·ermeintlichen Linseitigkeit seiner
Realisierung. Die Linsicht in die lolgerichtigkeit seines \eges ist keine
Apologie íür sein Ziel. Sie kann jedoch dazu dienen, uns besser zu
·erständigen über den Gegenstand einer Kritik an ihm. Dieser Gegenstand
ist sein Aníang, Marxens Schülerschaít zu legel in dem nun angegebenen
bestimmten Sinn. Lr ist íür uns mehr als nur ein Problem des Begriíís.
Aber er ist auch dies und zu Beginn nur dies gewesen. So haben wir
uns ihm zu stellen, ohne es uns dabei leicht zu machen.

20¯
4 Arnold Ruges Brieíwechsel und 1agebuchblätter, hrsg. ·. P. Nerrlich, Berlin 1886, S. 396.
206
der späten 1heorie ·or allem des sowjetischen Diamat-Systems durch
einen Rückgang auí den jungen Marx zu entgehen. Und es ist wahr:
nirgends zeigt sich dieser Denker in so sympathischer und so subtiler
Gestalt wie in der unmittelbaren Konírontation mit legel zur Zeit seiner
Lntwicklung. Dennoch ist es eine Illusion und ein ·ergeblicher Versuch,
mit der lilíe seiner írühen Schriíten den reiíen Marx zu kritisieren. Ls
hat sich gezeigt, wie sie in ·erständlicher und unumgänglicher
Konsequenz zur späten 1heorie íühren. Das Resultät der Begründung der
1hese, die diese Untersuchung einleitete, lautet: wenn die reiíe Gestalt
der marxistischen Philosophie nicht gehalten wird, so mu| zugleich die
Problemstellung unhaltbar sein, die zu ihr geíührt hat. Ls ist deshalb
auch nicht erlaubt, den lumanismus des jungen Marx íür eine Position
zu erklären, die in sich ruhen konnte. Zwei Parolen sind es, mit denen sich
die kommunistische Opposition im Namen des lumanismus auí den
jungen Marx beruíen hat: Die eine spricht die gro|e Lríahrung des So-
zialismus in unserem Jahrhundert aus: »Die lerrschaít des Menschen
über den Menschen ist keineswegs überwunden mit der Re·olutionierung der
okonomischen Ordnung.« Die andere zieht aus ihr eine lolgerung íür die
rechte Parteipolitik: »Ls gilt das Gesetz der Adaequation ·on Mittel und
Ziel, der lumanismus darí nur auí menschliche \eise ·erwirklicht
werden.« Aber aus Marx lassen sie sich beide nicht begründen. Das wird
am schlagendsten daran deutlich, da| sie beide schon ·on Marxens
\eggenossen Arnold Ruge gebraucht worden sind. Ruge aber wendet sie
gerade gegen den jungen Marx, um die Schwächen seiner 1heorie und auch
seines polemischen Stiles ins Licht zu stellen. In einem Brieí Ruges
über Marx hei|t es: »Der humane Inhalt mu| auch human zum Vor-
schein kommen. \ürde nur endlich Lrnst gemacht aus unserer Gährung
und die Geíahr auí beiden Seiten eine Lebensgeíahr!« das hei|t aber als die
Geíahr unseres Lebens erkannt.
4
Die Kritik an Marx, die sich auí

den jungen Marx beruít, ist also in \ahrheit die Kritik der linken hegelschen
Schule an ihm und an der Konsequenz, zu der er sich selbst mit Recht
getrieben sah. Lrst diese Konsequenz weist Marx als Denker ·on
Lnergie und Bedeutung aus, wozu sie auch immer geíührt haben mag. Das
1reibende in ihr aber war sein Ausgang ·on legels Prinzip und seine
ebenso beharrliche Kritik an der ·ermeintlichen Linseitigkeit seiner
Realisierung. Die Linsicht in die lolgerichtigkeit seines \eges ist keine
Apologie íür sein Ziel. Sie kann jedoch dazu dienen, uns besser zu
·erständigen über den Gegenstand einer Kritik an ihm. Dieser Gegenstand
ist sein Aníang, Marxens Schülerschaít zu legel in dem nun angegebenen
bestimmten Sinn. Lr ist íür uns mehr als nur ein Problem des Begriíís.
Aber er ist auch dies und zu Beginn nur dies gewesen. So haben wir
uns ihm zu stellen, ohne es uns dabei leicht zu machen.

20¯
4 Arnold Ruges Brieíwechsel und 1agebuchblätter, hrsg. ·. P. Nerrlich, Berlin 1886, S. 396.
206
Bibliographische Notiz des Autors
í íeget vva íötaertiv, wenig überarbeitete, an einer Stelle ,S. 24, korrigierte
lassung des Vortrags auí dem Jubiläumskongre| in Stuttgart 19¯0.
íí íi.tori.cbe 1orav..et¸vvgev rov íeget. ´,.tev, Vortrag auí der legelíeier des
1übinger Stiíts im Juni 19¯0. Line írühere lassung des Vortrags erschien in
Lnglisch ,in: íeget´. Pbito.o¡b, of Retigiov, hrsg. ·on D. Christensen, 1he lague
19¯0,. Der Vortrag berichtet über Lrgebnisse meiner lorschungen zur
Lntwicklungsgeschichte legels, die zum gro|eren 1eil immer noch nicht
publiziert sind. \eitere Lrgebnisse sind allerdings mitgeteilt in den íolgenden
Arbeiten: ´,.tev¡rogravv. · 1orfragev ¸vv Zvrecbvvvg.¡robtev ,legel-Studien,
Beiheít VII, S. 6-15,, .vf/tarvvg aer íer/vvft ae. Mavv./ri¡t. Da. atte.te
´,.tev¡rogravv ae. aevt.cbev íaeati.vv.· ,Zeitschriít íür Philosophische lor-
schung Bd. 20, leít 4, S. 510-528,, ]acob Zrittivg vva .eiv ^acbta; ,in: ßaa
íovbvrg iv aer aevt.cbev Cei.te.ge.cbicbte, hrsg. ·on C. Jamme und O. Poggeler,
Stuttgart 1981,, |ber íötaertiv. ¡bito.o¡bi.cbe .vfavge, im Anschlu| an die
Publikation eines Blattes ·on lolderlin in Niethammers Stammbuch
,lolderlin-Jahrbuch 1984,85, S. 1-28,, Der !eg ae. .¡e/vtatirev íaeati.vv.
,legel-Studien, Beiheít 28, S.¯¯-96,, Pbito.o¡bi.cb·tbeotogi.cbe Probtevtagev iv
1vbivger ´tift ¸vr ´tvaiev¸eit íeget., íötaertiv. vva ´cbettivg. ,íötaertiv-Jahrbuch
1986,8¯, S. 60-92,. Uber Untersuchungen zur Quellenlage unterrichtet: .vf
aer ´vcbe vacb aev rertorevev íeget ,in: Zeitschriít íür Philosophische lorschung
Bd. 35, 1981, S. 585 íí.,, methodoIogische lragen einer Auíklärung der
Lntwicklungsgeschichte der klassischen deutschen Philosophie behandelt:
Kov.tettatiovev in: Zur Architektonik der Vernunít, hrsg. ·on L. Berthold, Berlin-
Ost 198¯, S. 11-2¯,.
208 209
Bibliographische Notiz des Autors
í íeget vva íötaertiv, wenig überarbeitete, an einer Stelle ,S. 24, korrigierte
lassung des Vortrags auí dem Jubiläumskongre| in Stuttgart 19¯0.
íí íi.tori.cbe 1orav..et¸vvgev rov íeget. ´,.tev, Vortrag auí der legelíeier des
1übinger Stiíts im Juni 19¯0. Line írühere lassung des Vortrags erschien in
Lnglisch ,in: íeget´. Pbito.o¡b, of Retigiov, hrsg. ·on D. Christensen, 1he lague
19¯0,. Der Vortrag berichtet über Lrgebnisse meiner lorschungen zur
Lntwicklungsgeschichte legels, die zum gro|eren 1eil immer noch nicht
publiziert sind. \eitere Lrgebnisse sind allerdings mitgeteilt in den íolgenden
Arbeiten: ´,.tev¡rogravv. · 1orfragev ¸vv Zvrecbvvvg.¡robtev ,legel-Studien,
Beiheít VII, S. 6-15,, .vf/tarvvg aer íer/vvft ae. Mavv./ri¡t. Da. atte.te
´,.tev¡rogravv ae. aevt.cbev íaeati.vv.· ,Zeitschriít íür Philosophische lor-
schung Bd. 20, leít 4, S. 510-528,, ]acob Zrittivg vva .eiv ^acbta; ,in: ßaa
íovbvrg iv aer aevt.cbev Cei.te.ge.cbicbte, hrsg. ·on C. Jamme und O. Poggeler,
Stuttgart 1981,, |ber íötaertiv. ¡bito.o¡bi.cbe .vfavge, im Anschlu| an die
Publikation eines Blattes ·on lolderlin in Niethammers Stammbuch
,lolderlin-Jahrbuch 1984,85, S. 1-28,, Der !eg ae. .¡e/vtatirev íaeati.vv.
,legel-Studien, Beiheít 28, S.¯¯-96,, Pbito.o¡bi.cb·tbeotogi.cbe Probtevtagev iv
1vbivger ´tift ¸vr ´tvaiev¸eit íeget., íötaertiv. vva ´cbettivg. ,íötaertiv-Jahrbuch
1986,8¯, S. 60-92,. Uber Untersuchungen zur Quellenlage unterrichtet: .vf
aer ´vcbe vacb aev rertorevev íeget ,in: Zeitschriít íür Philosophische lorschung
Bd. 35, 1981, S. 585 íí.,, methodoIogische lragen einer Auíklärung der
Lntwicklungsgeschichte der klassischen deutschen Philosophie behandelt:
Kov.tettatiovev in: Zur Architektonik der Vernunít, hrsg. ·on L. Berthold, Berlin-
Ost 198¯, S. 11-2¯,.
208 209
III .vfavg vva Metboae aer íogi/ ,legelstudien, Beiheít I, 1963, S. 19-35,,
Vortrag auí den leidelberger legeltagen 1962. Der Vortrag ist ein erster
Versuch zu einer Interpretation der Logik, die nicht 1hesen berichtet, sondern
Gründe íür die Organisation eines 1extes der ·\issenschaít der Logik· zu
gewinnen sucht. An ihn hat sich inzwischen eine recht weit ·erzweigte Literatur
angeschlossen.
genwart, hrsg. ·on U. Guzzoni u. a., lamburg 19¯5, 5.208-230,, .vaer.beit
vva .b.otvtbeit ae. Cei.te. ,in: |·. Ví.| ´etb.trerbattvi..e, Stuttgart 1982, S. 142-
1¯2,, .b.otvter Cei.t vva íogi/ ae. ívaticbev ,legelstudien, Beiheít 20, S. 103-
118,, Die íorvatiov.beaivgvvgev aer Diate/ti/ ,Re·ue Internationale de
Philosophie Nr. 139-140,

S. 139-162, und íogi.cbe íorv vva reate 1otatitat ,in:
legels Philosophie des Rechts, hrsg. ·on Ví. u. R. P. lorstmann, Stuttgart
1982, S.428-450,.
IV íeget. íogi/ aer Refte·iov. Der 1ext entspricht 1eilen eines Vortrags,
den ich 1965 im Philosophischen Seminar in Bonn gehalten habe. Aus
Anla| einer 1agung über legels Logik in Chantilly im Oktober 19¯1
wurde er neu geschrieben und beträchtlich erweitert. In dieser lorm
erschien er in der ersten Auílage dieses Bandes. Auch íür die íolgenden
Auílagen ·on ·legel im Kontext· wurde und wird er, ·or allem auí
\unsch des Verlages, ohne Veränderungen gedruckt. Doch gibt es eine
·ollig umgearbeitete und sehr ·iel umíangreichere lassung des 1extes, in
die auch einige Re·isionen der hier erneut ·orgelegten lassung einge-
gangen sind. Diese ·Neue lassung· wurde im Beiheít 18 der legelstudien
,Bonn 19¯8, S.203-324, publiziert. Auí sie müssen alle die besonders
hingewiesen werden, die sich eingehender mit der Kommentierung ·on
legels 1ext zur Logik der Reílexion beíassen. Der Abschnitt III der
lassung ·on 19¯1 ist aber in dieser ·Neuen lassung· gänzlich wegge-
íallen. Aus diesem Grund und auch wegen seiner Lignung zur Liníührung
in die Probleme der Kommentierung ·on legels \esenslogik wollte der
Verlag den ursprünglichen 1ext weiterhin ·eríügbar gemacht sehen. Auch
íolgende 1exte haben auí legels Logik der Reílexion und seine 1heorie
der ·autonomen Negation· einen Bezug: ´vb.tavtirierte vva ao¡¡ette ^egatiov
,Poetik und lermeneutik VI, S. 481-48¯,, íorvev aer ^egatiov iv íeget.
íogi/ ,legel-Jahrbuch 19¯4, S.245-256,, íeget. Crvvao¡eratiov, eive
íivteitvvg iv aie >!i..ev.cbaft aer íogi/· ,in: Der Idealismus und seine Ge-


V íeget. 1beorie vber aev Zvfatt ;Kavt.tvaiev 1958,9, S. 131-148,,
labilitations·ortrag ·or der Philosophischen lakultät in leidelberg im
lebruar 1956, umgearbeitet zum Vortrag ·or der Philosophischen
Gesellschaít in Zürich im Mai 1956. Der 1ext ist ein Versuch, eine ebenso
elementare wie gra·ierende Schwierigkeit bei der legellektüre zu beheben.
Zugleich will er legels 1heorie ziemlich direkt in die Perspekti·e der
Kantischen Moralphilosophie zurückbringen, - im Unterschied zu den
späteren Untersuchungen. Mit legels Gedanken zur ontologischen Stellung
des Zuíalls hat der 1ext aber auch einen Aspekt ·on legels System zum
1hema, ·on dem der Veríasser noch immer meint, da| er einen Ansatz dazu
bietet, legels Denken in eine Verständigung über die Bewu|tseinslage der
Gegenwart einzubringen. Vgl. dazu ·om Ví.: ítvcbttiviev ,lrankíurt 1982, S. 11
íí., und Konzepte ,lrankíurt 198¯, S. 13¯ í.,.

VI Kart Mar· at. ´cbvter íeget. ;|virer.itat.tage, Berlin 1961, S. 5-19,, Vortrag
während der Uni·ersitätstage der lreien Uni·ersität im Januar 1961. Der
Vortrag umgeht das Problem, legels Logik zur 1heorie ·on Marx ins
Verhältnis zu setzen, will aber die Struktur der philosophischen Lntwicklung
·on Marx bestimmen.

210 211
III .vfavg vva Metboae aer íogi/ ,legelstudien, Beiheít I, 1963, S. 19-35,,
Vortrag auí den leidelberger legeltagen 1962. Der Vortrag ist ein erster
Versuch zu einer Interpretation der Logik, die nicht 1hesen berichtet, sondern
Gründe íür die Organisation eines 1extes der ·\issenschaít der Logik· zu
gewinnen sucht. An ihn hat sich inzwischen eine recht weit ·erzweigte Literatur
angeschlossen.
genwart, hrsg. ·on U. Guzzoni u. a., lamburg 19¯5, 5.208-230,, .vaer.beit
vva .b.otvtbeit ae. Cei.te. ,in: |·. Ví.| ´etb.trerbattvi..e, Stuttgart 1982, S. 142-
1¯2,, .b.otvter Cei.t vva íogi/ ae. ívaticbev ,legelstudien, Beiheít 20, S. 103-
118,, Die íorvatiov.beaivgvvgev aer Diate/ti/ ,Re·ue Internationale de
Philosophie Nr. 139-140,

S. 139-162, und íogi.cbe íorv vva reate 1otatitat ,in:
legels Philosophie des Rechts, hrsg. ·on Ví. u. R. P. lorstmann, Stuttgart
1982, S.428-450,.
IV íeget. íogi/ aer Refte·iov. Der 1ext entspricht 1eilen eines Vortrags,
den ich 1965 im Philosophischen Seminar in Bonn gehalten habe. Aus
Anla| einer 1agung über legels Logik in Chantilly im Oktober 19¯1
wurde er neu geschrieben und beträchtlich erweitert. In dieser lorm
erschien er in der ersten Auílage dieses Bandes. Auch íür die íolgenden
Auílagen ·on ·legel im Kontext· wurde und wird er, ·or allem auí
\unsch des Verlages, ohne Veränderungen gedruckt. Doch gibt es eine
·ollig umgearbeitete und sehr ·iel umíangreichere lassung des 1extes, in
die auch einige Re·isionen der hier erneut ·orgelegten lassung einge-
gangen sind. Diese ·Neue lassung· wurde im Beiheít 18 der legelstudien
,Bonn 19¯8, S.203-324, publiziert. Auí sie müssen alle die besonders
hingewiesen werden, die sich eingehender mit der Kommentierung ·on
legels 1ext zur Logik der Reílexion beíassen. Der Abschnitt III der
lassung ·on 19¯1 ist aber in dieser ·Neuen lassung· gänzlich wegge-
íallen. Aus diesem Grund und auch wegen seiner Lignung zur Liníührung
in die Probleme der Kommentierung ·on legels \esenslogik wollte der
Verlag den ursprünglichen 1ext weiterhin ·eríügbar gemacht sehen. Auch
íolgende 1exte haben auí legels Logik der Reílexion und seine 1heorie
der ·autonomen Negation· einen Bezug: ´vb.tavtirierte vva ao¡¡ette ^egatiov
,Poetik und lermeneutik VI, S. 481-48¯,, íorvev aer ^egatiov iv íeget.
íogi/ ,legel-Jahrbuch 19¯4, S.245-256,, íeget. Crvvao¡eratiov, eive
íivteitvvg iv aie >!i..ev.cbaft aer íogi/· ,in: Der Idealismus und seine Ge-


V íeget. 1beorie vber aev Zvfatt ;Kavt.tvaiev 1958,9, S. 131-148,,
labilitations·ortrag ·or der Philosophischen lakultät in leidelberg im
lebruar 1956, umgearbeitet zum Vortrag ·or der Philosophischen
Gesellschaít in Zürich im Mai 1956. Der 1ext ist ein Versuch, eine ebenso
elementare wie gra·ierende Schwierigkeit bei der legellektüre zu beheben.
Zugleich will er legels 1heorie ziemlich direkt in die Perspekti·e der
Kantischen Moralphilosophie zurückbringen, - im Unterschied zu den
späteren Untersuchungen. Mit legels Gedanken zur ontologischen Stellung
des Zuíalls hat der 1ext aber auch einen Aspekt ·on legels System zum
1hema, ·on dem der Veríasser noch immer meint, da| er einen Ansatz dazu
bietet, legels Denken in eine Verständigung über die Bewu|tseinslage der
Gegenwart einzubringen. Vgl. dazu ·om Ví.: ítvcbttiviev ,lrankíurt 1982, S. 11
íí., und Konzepte ,lrankíurt 198¯, S. 13¯ í.,.

VI Kart Mar· at. ´cbvter íeget. ;|virer.itat.tage, Berlin 1961, S. 5-19,, Vortrag
während der Uni·ersitätstage der lreien Uni·ersität im Januar 1961. Der
Vortrag umgeht das Problem, legels Logik zur 1heorie ·on Marx ins
Verhältnis zu setzen, will aber die Struktur der philosophischen Lntwicklung
·on Marx bestimmen.

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