Inhaltsverzeichnis:
1 EINLEITUNG.................................................................................................................
2 HAUPTTEIL...................................................................................................................
2.1 GOTTES GEIST - EIN ERFAHRUNGSPROBLEM DER GEGENWÄRTIGEN WELT..................................
2.1.1 Gottes Geist und das moderne Bewußtsein von der Ferne Gottes..........................
2.1.2 Gottes Geist und die weltweite charismatische Bewegung.....................................
Markus Nagel - Seminararbeit Sommersemester 1996 - Der Geist Gottes-Theologie des
Heiligen Geistes 2/19
2.2 DIE AUSGIESSUNG DES GEISTES: SEIN BEFREIENDES UND WELTÜBERWINDENDES WIRKEN..............
2.2.1 Pfingstwunder und Geistestaufe: Eine zerissene Welt beginnt
zusammenzuwachsen........................................................................................................
2.2.2 Glaube und Hoffnung als öffentliche Kraftfelder : Gott und Leben in Gottes
Gegenwart werden bekannt..............................................................................................
2.2.3 Liebe und Frieden: Gottes gerechter und barmherziger Wille kann erfüllt
werden..............................................................................................................................
2.2.4 Berufung zur Freiheit: Geist und Welt müssen nicht mehr weltflüchtig, Geist und
Fleisch nicht mehr neurotisch unterschieden werden......................................................
2.2.5 Zungenrede - Warum ist die Zungenrede die problematischste unter den Gaben
des Geistes?......................................................................................................................
3 SCHLUSS........................................................................................................................
4 LITERATUR:.................................................................................................................
Markus Nagel - Seminararbeit Sommersemester 1996 - Der Geist Gottes-Theologie des
Heiligen Geistes 3/19
1 Einleitung
Wenn ich etwas über den Geist Gottes, seine Erfahrbarkeit in unserer Zeit sagen soll,
kann ich das immer nur als Betroffener tun. Theoretisches Reden über den Geist
Gottes liegt mir nicht. Dem Geist Gottes angemessenes Reden, muß meines
Überzeugung nach ein vom Geist Gottes ‘durchdrungenes’ Reden sein. Der Zuhörer
muß ein Verlangen nach eigenen Erfahrungen mit dem Heiligen Geist verspüren.
Theologie, die nur die biblischen Berichte erfaßt und wissenschaftlich auswertet,
verfehlt das Ziel. Wenn ich etwas über die Erfahrung des Schwimmens, über das
wohltuende Bad nach einem harten, anstrengenden Tag oder über die Erfrischung des
kühlen Wassers bei heißem Wetter sagen will, reicht es nicht mit dem Eimer Wasser
zu schöpfen und es wissenschaftlich zu analysieren. Meine wissenschaftlichen
Ergebnisse werden zweifelsohne richtig sein. Aber wie bewerte ich damit die
Erfahrungen eines begeisterten Schwimmers? Ich scheitere mit meinen
wissenschaftlichen Ergebnissen. Ich werde die Begeisterung des Schwimmers nicht
verstehen können. Will ich seine Schwimmerfahrungen nachvollziehen, muß ich
selbst mich mit Wasser umgeben, muß ins Wasser springen.
Ich bin Mitglied in einer Kirchengemeinde, in der die Offenheit für Gottes Geist und
seine Wirkungen eine nicht unwichtige Rolle im gemeindlichen Leben spielt. Die
Erfahrbarkeit Gottes in seinem Geist durchflutet darum meine ganze Arbeit. Ich will
durch die Beschäftigung mit dem Thema selbst neue Erfahrungen mit der Nähe und
Wirksamkeit Gottes machen.
Meinen Überlegungen zum Thema liegt das Buch von Michael Welker: Gottes Geist
- Theologie des Heiligen Geistes1 zugrunde. Der begrenzte Umfang meiner
Seminararbeit ermöglicht mir nur eine ‘Auszugsweise’ Beschäftigung mit Welkers
Veröffentlichung.
2 Hauptteil
2.1.1 Gottes Geist und das moderne Bewußtsein von der Ferne Gottes
Wenn Welker von Gottes Geist redet, dann tut er es nicht in theoretischen abstakten
Gottes Geist läßt Gottes Macht kenntlich werden. Der Geist zeigt, daß Gott mit seiner
Macht am Menschen, durch den Menschen und für den Menschen handelt. An uns
Menschen, Gottes Geschöpfen wird Gottes Herrlichkeit sichtbar. Gott zeigt sich in
seinem Geist als der Schöpfer und Erbarmer über seine Welt. Der Geist zeigt sich auch
als Gegenkraft3 gegen alle Mächte, die in der Welt bestimmen und die die
Lebensgrundlage der Welt zerstören.4
Über die Erfahrungen mit dem Geist muß öffentlich geredet werden, denn sie stellen
kein Privaterfahrung dar. Wir wissen uns hineingenommen in die “Wolke der Zeugen”5.
Unsere Erfahrungen besitzen also keinen Exclusivitätsanspruch. Alle Aussagen über
Gottes Geist müssen an dem biblischen Zeugnis gemessen werden. Als positive Aussage
formuliert heißt das: Wir dürfen uns die unzähligen biblischen Zeugnisse über Gottes
Geist geltend machen, fruchtbar machen für unser ureigenes Wesen. Aber wir können
Gott damit nicht festlegen auf eine bestimmte Art der Erfahrbarkeit, weil “der Geist
weht wo er will”6, und weil Gott in ständiger Wandlung begriffene ist.7
Heutzutage fällt es den Menschen oft sehr schwer Gottes Handeln in der Welt als
solches zu erkennen. Man denkt sich ein abstraktes höheres Wesen über unserer Welt.
Max Picard nennt diesen Zustand in dem sich die abendländische Gesellschaft befindet :
“ […] Flucht vor Gott”8. “ […] der Glaube als objektive äußere Welt ist zerstört, der
einzelne muß in jedem Augenblick sich immer wieder von neuem durch den Akt der
Entscheidung den Glauben schaffen, indem er sich von der Welt der Flucht löst, denn
die Flucht, nicht mehr der Glaube, ist heute als eine objektive Welt da,[…].”9
Der Gedanken an einen nahen Gott ist nur schwer zu fassen, darum wird die
Frömmigkeit mehr und mehr zur Privatsache. Die Theologie verliert die Fähigkeit
3 nicht im dualistischen Sinne, sondern als die allen Mächten überlegene Macht
4 Welker geht auf diese Problematik in dem Kapitel: Jesus Christus und die konkrete Gegenwart des Geistes, S.174-
213 näher ein
5 Hebr. 12, 1a, In: Die Bibel, Nach der Übersetzung Martin Luthers, Stuttgart 1985 - Ich verwende die üblichen
Abkürzung für die biblischen Bücher
6 Joh. 3, 8
7 Otto Rodenberg schreibt dazu in seinem Buch, Das unvergleichliche Wort, Wuppertal 1979³ S.48: “Unser Gott,
der Gott der Bibel verändert sich! Wohl steht er über allen Zeiten, aber als ihr Herr, der in einer Beweglichkeit
ohnegleichen auf den in der Zeit lebenden Menschen eingeht: Das Beharrende bei Gott, worin er derselbe bleibt,
wie er war vor aller Zeit, ist seine Treue.”
8 Max Picard, Die Flucht vor Gott, Warum ist der Mensch allein, Freiburg 1958
9 Ebenda, S.9
Markus Nagel - Seminararbeit Sommersemester 1996 - Der Geist Gottes-Theologie des
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überzeugend von Gott und seinem Handeln zu reden. Ihre Erklärungsmodelle sind
zunehmend abstrakt, und sie haben den Menschen nichts mehr zu sagen.
Gott hat in der Geschichte des Volkes Israel geredet und gehandelt, das wollen die
meisten alttestamentlichen Schreiber bezeugen. Gottes Geist hat nicht nur etwas mit der
Vergangenheit zu tun, er ist auch für die Zukunft bedeutsam. “Gottes Geist, der Heilige
Geist, ist nicht nur eine Kraft, durch die Gott einst in vergangenen Welten eingegriffen
und sich kenntlich gemacht hat. Gottes Geist, der Heilige Geist, ist auch die Kraft und
Macht, durch die Gott immer erneut in die je gegenwärtige Welt eingreift und sich
gegenwärtig und zukünftig lebenden Menschen zu erkennen gibt.”10
Für viel Menschen ist der Gedanke, daß Gott in unserer Welt handelt, ein unerträglicher
Gedanke. Auch für viele Theologen ist Gott nur “ein Gedankenkonstrukt, eine
Phantasiebildung”11.
Viele Menschen leiden heute unter der Ferne, unter der Abwesenheit Gottes. Bei ihnen
ruft das Reden über Gottes große Taten bestenfalls Unverständnis hervor. “In einer
Schülerzeitung stand dieser Tage folgendes zu lesen: ‘Nach langer Untätigkeit verschied
Gott der Herr…>Der Gott, der einst alles so herrlich regierte, den meine Seele lobte, der
mich auf grüne Auen führte<, ist abwesend, krank, verreist, tot. Ein Gott, der alles aufs
beste bestellt in Auschwitz und im Warschauer Ghetto, in Vietnam und im New Yorker
Negerviertel gibt es nicht mehr.”12
Wenn ich mich mit dem Geist Gottes beschäftige, ist es wichtig daß ich mich ganz
bewußt in das Spannungsfeld des Erlebens von Gotte Nähe und seiner Ferne
hineinstelle. Das ist auch die Erfahrung vieler Schreiber des Alten Testamentes, vor
allem der Psalmen.13
Die weltweite charismatische Bewegung ist heutzutage nicht mehr zu übersehen. Laut
Schätzung am Ende der 80er Jahre gehören dieser Bewegung 300 Millionen Menschen
aus über 230 Ländern an. Die charismatische Bewegung hat eine jährliche
Wachstumsrate von ungefähr 19 Millionen Menschen. Aus diesen Kreisen hört man
Berichte von kraftvollen Erfahrungen mit der Gegenwart Gottes. Die Gaben des Geistes
10 Welker, S.18
11 Ebenda
12 Paul Schütz, Warum ich noch ein Christ bin, Eine Existenzerfahrung 3. Fassung, Moers, 1984², S.43
13 zum Beispiel Psalm 69
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werden empfangen und angewendet. Neue und tiefe Gemeinschaftserfahrungen werden
gemacht.14 Die charismatische Bewegung hat einen stark ökumenische Ausrichtung.
14 aus der Fülle der Literatur der charismatischen Frömmigkeit seien wegen ihrer Ausgewogenheit erwähnt: Detmar
Scheunemann, und führte mich ins Weite Über das Wirken des Heiligen Geistes, Wuppertal 19805; C.Peter Wagner,
Der gesunde Aufbruch Wie sie in ihrer Gemeinde für Kranke beten können und trotzdem gesund bleiben, Lörrach
1989; Charles Farah, Von der Zinne des Tempels Glaube oder Vermessenheit?, Hamburg 1991²
15 vgl.( es finden die üblichen Abkürzungen Anwendung ohne extra erläutert zu werden) Welker, S.22f und Wagner,
Kapitel 1, S.11-35
16 vgl. Tom Forrest, José H. Prado Flores Umfassendes Heil durch Jesus, Mainz-Kastel, die Orginalausgabe in
Spanischer Sprache erschien 1986, Zitat, Klappentext: “Durch seine Tätigkeit trug [Tom Forrest] zu einem
evangelistischen charismatischen Aufbruch und einer weltweiten Glaubenserneuerung unter den Katholiken stark
bei.”
17 einer der prominenteste Vertreter dieser Stömung ist der in Frankfurt ansässige Reinhart Bonnke
18 dieser Begriff wird vor allem mit John Wimber, ehemaliger Quäckerpastor in Verbindung gebracht, vgl. Wagner,
S.43ff
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Pfingstbewegung verbunden sind, werden zu dieser Bewegung gezählt. Durch alle
Konfessionen und Denominationen hindurch pflegen sie eine Frömmigkeit die stark
mit der Erfahrbarkeit des Heiligen Geistes rechnet.
5. Indem ich eine fünfte Strömung aufführe weiche ich von der allgemeinen
Forschungsmeinung ab. Weil die meisten Untersuchungen Ende der achziger Jahre
gemacht wurden, konnten sie eine neue Strömung innerhalb der Charismatischen
Bewegung noch nicht aufführen. Hauptmerkmale dieser Gruppen sind:
• Unabhängigkeit - das heißt die Gruppen sind in der Regel nicht in in einer
Gemeinschaftsstruktur mit anderen Gemeinden eingebunden.
• Starke Hierarchie in Aufgaben der Gemeindeleitung; “Ist die Gemeinde ein
ganzheitlicher Leib-Christi-Organismus oder außen Hollywood und innen
Kasernenhof? Zielt die Seelsorge auf Persönlichkeitsreifung oder auf
Hierarchenhörigkeit?”19
• Konservative Lehre- Verbalinspiration der Schrift, Ablehnung der
Frauenordination und vieles andere mehr
• ‘Torontosegen’- das ist ein Massenphänomen, nach dem Erstauftrittsort
Toronto benannt.20
Bei der Bewertung der charismatischen Bewgung, weiche ich von Welkers Linie ab. Er
sieht meiner Überzeugung nach die ganze Bewegung in einem zu kritischen Licht. Bei
Beobachtungen, läßt sich innerhalb der Bewegung sehr wohl, wie Welker feststellt 21,
übermäßes Suchen nach dem Spektakulären feststellen. Aber der Geist erweist sich
gerade in der Charismatischen Bewegung als verändernde Kraft, die in unserer Kultur
wirksam ist, lebenszerstörende Mächte offenbar macht und sie überwindet. Der Wunsch
nach dem Sensationellen ist durchaus legitim. Die biblischen Schriften enthalten viele
dergestaltige Wünsche.22 Er ist die Reaktion auf einen pervertierten Rationalismus, und
eine ‘Wissenschaftsgläubigkeit über alles’. Sie machen unsere Lebensbezüge
gleichförmig und durchschaubar. Diese Weltanschauung läßt einen transzendenten Gott
nicht mehr zu.
Ein, nur an spektakulären Erfahrungen interessierter Glaube, ist im letzten kein Glaube
19 Andreas Malessa, 10 Fragen an Andreas Malessa. In: dran, Witten, 5/1994, S.11
20 ein tranceähnlicher Zutand bei dem die ‘Gesegneten’ das Erfülltwerden mit dem Heiligen Geist, durch körperliche
Reaktionen zum Ausdruck bringen: durch Zittern, durch unkontrollierte ruckartige Körperbewegungen, durch
Lachen beziehungsweise Weinen und durch Schreien
21 Welker, S.26f
22 z.B. Jes.63, 20; Ex 33, 18 und viele Psalmen
Markus Nagel - Seminararbeit Sommersemester 1996 - Der Geist Gottes-Theologie des
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23
der sich auf die Bibel gründet . Er wird sich totlaufen weil eben der Geist nicht
verfügbar zu machen ist.
• Der Geist überkommt nicht nur ein paar Auserwählte25, wie es bisher
alttestamentliche Praxis26 war.
• Die vom Geist erfüllten Menschen, wissen sich in ein Kraftfeld hineingestellt. Dieses
Kraftfeld ist in sich differenziert, bildet jedoch eine Einheit.
• Der Geist erfaßt den ganzen Menschen, auch seine Ausstrahlungskraft, somit wirkt
der Geist durch den Menschen auf andere.
• Das einmalige Geschehen, von dem die Apostelgeschichte berichtet, ist maßgebend
wenn von der Geistausgießung in heutiger Zeit berichtet wird.
Pfingsten ist aber nur ein Vorschatten auf eine Zukunft hin zu sehen, wo jeder jeden
verstehen wird .Die zerissene Welt beginnt zusammenzuwachsen. Gleichzeitig bleiben
die sprachlichen, kulturellen und nationalen Differenzen bestehen. In die neuwerdende
Welt wird die Botschaft von Gottes großen Taten und seiner bedingungslosen Liebe
erzählt, und die Menschen verstehen sie. Sie hören gemeinsam auf dieselbe Botschaft,
verstehen sich untereinander jedoch nicht. Dieses ‘Verstehen-und doch nicht-Verstehen’
ist das Spektakuläre und zutiefst Schockierende am Pfingstgeschehen. Die Ereignisse
bleiben für die menschliche Logik und Vernunft unverfügbar. “Das Wunder der
Geistestaufe liegt nicht im Schwer- oder Unverständlichen, sondern in einer ganz
unerwarteten Verständlichkeit und in einem unglaublichen universalen Verstehenkönnen
und Verstehen. […] Die vom Pfingstereignis betroffenen, die vom Geist überkommenen
Menschen sprechen nicht in unverständlicher, sondern in einer allenfalls
‘überverständlich’ zu nennenden Weise von Gottes großen Taten. Diese unglaubliche
Verständlichkeit ist das ihre Umgebung tief Verwirrende und Erschreckende.” 33 Ins
Pfingstgeschehen sind universal alle Menschen betroffen, aber die so ‘Betroffenen’
werden durch den Geist nicht zu einer homogenen Masse gemacht.
Alle bisher gemachten Erfahrungen fließen ins Pfingstwunder ein. Ja, das
30 “Es ist der Mythos vom babylonischen Turmsturz, der die Aufmerksamkeit auf das Unheil lenkt, in das der
gefallene Geist, die Sprache im Sturz mit sich gerissen hat. Das Ordnende, das in der Sprache ist, kehrt sich im
gefallenen Menschen kraft ihrer Spracheinheit wider Gott.” In: Paul Schütz, Gesammelte Werke Band 3 Freiheit-
Hoffnung-Prophetie: Von der Gegenwärtigkeit des Zukünftigen, Moers 1986, S.538; vgl. auch Hellmuth Frey Das
Buch der Anfänge, Kapitel 1-11 des Ersten Buches Mose, Stuttgart 19647,S.141ff.
31 Den Alttestamentlichen Schreibern ist die Beschränktheit ihrer Sprache noch deutlich bewußt gewesen. Gerade als
Jesaja im Tempel mit dem Göttlichen in Kontakt kam, fiel der Ausspruch ‘unreine Lippen’, Jes.6,5; In diesem
Sinne ist wohl auch Zefanja 3,9 zu verstehen: Der Schreiber sehnt sich danach, daß Gott den Fluch der Sprache
wendet und weiß daß er es auch tun wird: “Dann aber will ich den Völkern reine Lippen geben, daß sie alle des
Herrn Name anrufen sollen und ihm einträchtig dienen.” Im Hebräischen steht für Lippen der Ausdruck ‘berura’,
was zwar Lippen heißt aber stark in Richtung Sprache zu interpretieren ist.
32 Ebenda
33 Welker, S. 216f.
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Heiligen Geistes 10/19
Pfingstwunder ist die Inkraftsetzung der alttestamentlichen Verheißung der
Geistausgießung, besonders die der Joelverheißung. Die Geistausgießung übertrifft alle
Geisterwartungen.34 Im Pfingstgeschehen werden Menschen zu einer Gemeinschaft
zusammengefügt, deren sprachliche Barierren eine Gemeinschaftserfahrung menschlich
unmöglich erscheinen lassen. Das Pfingstgesehen kann als Segen von Gott her gesehen
werden, der dem Fluch der Sprachlosigkeit machtvoll entgegentritt. In einer
hoffnungslosen Situation des Nichtverstehens, findet ein gemeinsames Hören auf die
großen Taten Gottes statt, und sie werden auch verstanden.
2.2.2 Glaube und Hoffnung als öffentliche Kraftfelder : Gott und Leben in
Gottes Gegenwart werden bekannt.
Welker wählt den Begriff des Kraftfeldes um die Wirkungsweise des Geistes Gottes und
dessen Zusammenspiel mit dem ‘menschlichen Geist’ deutlich zu machen: “Der Geist
als öffentliche Kraftfelder konstruierendes Kraftfeld, Felder in die ihrerseits Menschen
als Träger und Getragene, Konstituierende eintreten können bzw. hineingenommen
werden - damit haben wir eine Struktur vor Augen, die zahlreiche sogenannte Rätsel,
vor denen das theologische Verstehen gestanden hat, aufzuheben vermag.”35
Welker weist hin auf den unentwirrbaren Zusammenhang zwischen Glaube und Geist:
“Durch die ‘Botschaft des Glaubens’ wird der Geist empfangen, obwohl der Geist die
Glauben stiftende Kraft Gottes ist. […] Sobald wir aber sehen, daß der Geist sich in den
Gaben des Geistes und damit in Kraftfelder kenntlich macht, die Menschen am Geist
Anteil zu nehmen und zu geben erlauben, wird das theologische Gefälle von Geist und
Glauben deutlich, obwohl der Geist im Glauben empfangen und angenommen wird.”36
Der Geist ist für uns Menschen nicht verfügbar, trotzdem kann ich sein Wirken in
meinem Leben erkennen. Der Geist kann sich auch öffentlich erkennen lassen. Er
schenkt uns die Gnadengaben37. Sie “sind Elemente des Kraftfeld des Geistes”38.Sie
können die inhaltliche Form sein, in der der Geist Gottes in meinem Leben wirkt. An
den Charismen, Glaube, Liebe, Hoffnung,39 zum Beispiel manifestiert sich Gottes
Genau wie der Glaube, ist auch die Hoffnung eine Gabe und somit ein Kraftfeld des
Geistes. In diesem Kraftfeld kann der Glaube, welcher aus Gedulds- und
Bewährungsproben wächst und stark wird, konkret werden. Der Geist macht die
Menschen zu Trägern der “universalen Hoffnungs- und Liebesgemeinschaft”40. Die
geisterfüllten Menschen haben eine Hoffnung, die sie mitarbeiten läßt an der
Erneuerung unserer sterbenden Welt.
Der Geist betrifft aber nicht nur mich allein und hat auch nicht nur Geltung für das
Individuum. Er ist gleichzeitig mit seiner Bezogenheit auf mich auch bezogen auf die
ganze Christenheit. “Das Wirken des Geistes trifft mich […] als Mensch mit einer
bestimmten Herkunft und Sprache, aus einem bestimmten Land, einer bestimmten
Kultur und Landschaft und einem bestimmten natürlichen und geistigen Klima, mit
bestimmten Erfahrungenund Erwartungen, Sorgen und Glücksvorstellungen […]. Das
Wirken des Geistes trifft mich in diesem in Richtung auf Einmaligkeit hin
konkretisierten ‘Hier und Jetzt’, das zugleich in vielfältig differenzierter Weise in
bestimmte gemeinsame Lebens- und Erfahrungsformen eingebunden ist.”41 In der
gleichen Qualität betrifft der Geist aber auch die ganze Christenheit, ja sogar die ganze
Menschheit.
2.2.3 Liebe und Frieden: Gottes gerechter und barmherziger Wille kann erfüllt
werden.
Der Geist macht es uns Menschen möglich Gottes Willen zu tun. Der Geist wirkt in uns
Kräfte, die unser Zusammenleben in Gottes Sinn gestalten. Wie Gott uns einen freien
Willen gegeben hat, und er sich selbst zurücknimmt, so gibt uns sein Geist die Kraft nur
an ‘Gott genüge’42 zu haben, und daraus folgernd die Mitmenschen in die Freiheit von
uns selbst zu entlassen. Der Geist gibt uns die Kraft unseren Mitmenschen Freiräume
und Entfaltungsmöglichkeiten einzuräumen.
40 Welker, S.229
41 Ebenda, S.230
42 Ein gutes Beispeil für diese freiwillige Selbstzurücknahme bildet das Lied von Jochen Klepper: ‘Er weckt mich
alle Morgen.’ Strophe drei: “Er will, daß ich mich füge Ich gehe nicht zurück. Hab nur in ihm Genüge, in seinem
Wort mein Glück. Ich werde nicht zuschanden, wenn ich nur ihn vernehm’. Er löst mich aus den Banden. Er
machst mich ihm genehm.” In Evangelisches Gesangbuch für die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau,
Frankfurt 1994, S.452
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“Wenn Gott uns berührt hat, dürfen wir auf eine Änderung der Herzen hoffen, auf den
Geist und auf das hereinbrechen des Reiches Gottes. Der Geist bringt göttliche Freude:
Freude an der Liebe, Freude am Teilen mit Schwestern und Brüdern, Freude an einer
reinen Beziehung zwischen Männer und Frauen, an Gerechtigkeit und Frieden unter den
Völkern und Nationen. Auf uns selbst gestellt, bleiben wir immer arm, hilflos und
geplagt. Aber wir dürfen es glauben, daß die Freude an Gott und an seinem Reich
Himmel und Erde verändern kann!”43 Der Trend in unserer modernen
Industriegesellschaft bewegt sich in genau die entgegengesetzte Richtung wie der Geist
die Menschen führt. ‘Jeder ist sich selbst der Nächste’, Selbstverwirklichung,
Selbstentfaltung um jeden Preis ist angesagt. Im Neuen Testament werden diese
“Gemüts- und Gemeinschaftszustände”44 ‘Früchte des Geistes’45 genannt.
2.2.4 Berufung zur Freiheit: Geist und Welt müssen nicht mehr weltflüchtig,
Geist und Fleisch nicht mehr neurotisch unterschieden werden.
Die mit dem Geist Beschenkten sind zur Freiheit berufen. Sie sind nicht mehr an den
Buchstaben des Gesetzes gebunden. Sie tuen den Willen Gottes ohne Zwang. “Diese
Menschen handeln dem Willen Gottes gemäß in der Liebe, die die Nächsten durch freie
Selbstzurücknahme stärkt. […] In dieser Liebe und in diesem Frieden gewinnen die
vom Geist bestimmten Menschen ein wirklich freies Verhältnis auch zu sich selbst und
zu ihrer relativen Welt.”54 Der Geist befreit die Menschen von einem Leben, welches
50 siehe die Freiheitskämpfe von Martin Luther King und Oskar Romero Erzbischof von El Salvardor
51 Röm.13, 8+10b
52 1.Joh.4, 16b
53 Welker, S.240
54 Ebenda, S.241
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55
Welker als “Sein zum Tod” bezeichnet. Dieses ist nicht in der Lage sich selbst
zurückzunehmen, “zu Liebe- und Friedenserfahrung unfähig, rastlos um Selbsterhaltung
und gegen die schwindende Lebenskraft ankämpfen[d]. […] Der vom Fleisch
bestimmte Mensch ist an die Sünde ‘verkauft’ (vgl. Röm 7,14).”56
Der Geist Gottes ist die Macht, die das Leben im Fleisch von seiner Todverfallenheit,
daß heißt von der Sünde erlöst57. Der Erlöste ist frei sich selbst zurückzunehmen, als
Ausdruck der Liebe die der Geist durch ihn wirkt. Der Vorwurf, der Geisterfüllte sei
Leibfeindlich eingestellt ist in diesem Zusammenhang aber biblisch erheblich kurz
gegriffen. “Der Geist Gottes ist nun nicht eine Kraft, die das Leben im Fleisch erodiert,
auslöscht, behindert und deformiert. Der Geist Gottes ist vielmehr eine Macht, die das
Leben im Fleisch von der Macht der Sünde befreit, davon, dem - vergeblichen - Versuch
ausgeliefert zu sein, sich durch an sich selbst orientierter ‘Selbstpotenzierung’ selbst
durchzusetzen und selbst zu erhalten. Der Geist ist ein Macht, die das Leben im Fleisch
gerade so zur ‘Auferstehung des Fleisches’ und zur Teilhabe am ‘ewigen Leben’ führt
(Gal 6,8).”58
Der Geist führt also erst das fleischliche Leben seiner Bestimmung zu. Der Geist
erneuert und rettet Leben. “Die tatsächliche weltüberlegene und weltverändernde Macht
des Geistes und die Freiheit, die das Leben in seinem Kraftfeld mit sich bringt,
erscheinen unklar und nicht in die Welt ‘passend’. […] Die Berufung zur Freiheit im
Geist dementiert, daß es in diesem Leben und in dieser Welt keine Alternative zu dem
Kampf um Selbsterhaltung gibt.”59 Die Alternative die der Geist stiftet ist, die Liebe die
sich selbst zurücknimmt um anderen Entfaltungsmöglichkeiten zu geben.
2.2.5 Zungenrede - Warum ist die Zungenrede die problematischste unter den
Gaben des Geistes?
Die Zungenrede ist eine Folge der Geistausgießung. Sie ist als solche mehrfach im
Neuen Testament bezeugt.60 Eine Theologie der Zungenrede gibt es in der Bibel aber
nicht. Die für das Verständnis der Zungenrede notwendigen Stellungnahmen sind im
Ersten Korintherbrief61 zu finden. Welker redet zwar von einer “ausführliche[n] und
55 Ebenda, S.243
56 Ebenda
57 Röm.6, 23
58 Welker, S.244
59 Ebenda, S.245
60 Neben dem Pfingstbericht Apg.2; Mk.16,17; Apg.10,46 + 19,6
61 Kapitel 12 und 14
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62 63
plastische[n] Darstellung” der Glossolalie im 1Kor 14. Sie hat aber allenfalls den
Charakter einer kritischen Randbemerkung64. “Paulus beschreibt hier die Zungenrede
als ein in Verzückung erfolgendes unverständliches, erklärungs- und
übersetzungsbedürftiges Reden, ein an Gott gerichtetes Gebet, das in Lob und Dank
aber ausschließlich der Erbauung der in Zungen Betenden dient.”65 66
Ein Vergleich von Zungenrede als Geistesgabe und dem Sprachenphänomen der
Pfingstgeschichte fördert eine Differenz zutage. Das Pfingstgeschehen ist, wie bereits
oben erwähnt “ein Sprachen- und Hörwunder”67. Als solches ist gerade die
Verständlichkeit sein Charakteristikum. Bei der Zungenrede als Geistesgabe wird diese
nur mit Übersetzung verständlich. An dieser Unterscheidung hängt nun Welker seine
Sichtweise der Zungenrede auf. Dabei unterläuft ihm, wie ich meine ein Fehler. Er
übersieht, daß es in der Kirchengeschichte eine Fülle von den verschiedensten
Erweckungsbewegungen gab, indenen die Zungenrede als Geistesgabe auftauchte.68
62 Welker, S.246
63 glossa(griech.) = Zunge und Sprache, In: Walter Bauer Wörterbuch zum Neuen Testament, Berlin 1963, S.322
64 Paulus schreibt den Korinthern eben nicht, um vor ihnen sein ganzes Wissen über Gott, seine Theologie zum
Besten zu geben. Vielmehr gibt er Antwort auf Fragen der Gemeinde, im Hinblick auf Mißstände die in Korinth
vorherrschten. Karl Heim spricht von solchem Fragebrief der Korinther an Paulus, der dem Ersten Korintherbrief
zeitlich vorangeht: “Was war die Frage? Wir müssen vermuten: Wodurch unterscheidet sich der Pneumatiker
[pneuma (griechisch) =Geist] von dem hingerissenen Heiden, der in seinem Kultus Gott dient? Die Frage geht bis
ins 14. Kapitel hinüber. Die zweite Frage lautet: Was haben die besonders auffallenden Gnadengaben, wie zum
Beispiel die Zungenrede, für einen besonderen Vorzug? Haben die Zungenredner das Recht, sich als Besondere
aufzuspielen?”In: Karl Heim, Die Gemeinde des Auferstandenen, Tübinger Vorlesungen über den Ersten
Korintherbrief, Hrsg. Friso Melzer, Gießen 1987², S.174. Deshalb muß man davon ausgehen, daß die Darstellung
der Sprachenrede in Kapitel 12 und 14 nur einen Teil der damaligen Wirklichkeit widerspiegeln. Ja noch mehr, sie
focusiert in ihren Erläuterungen die korinthischen Mißstände. Eine grundlegende Übertragung der paulinischen
Erklärungen zur Zungenrede, auf die Gegenwart, ist damit zumindest kritisch zu bewerten. Paul Schütz schreibt
dazu: “Man kann sich die schwere Bedrohung durch ein historisches Mißverstehen der urchristlichen Charismatik
nicht klar genug vor Augen halten. Es ist der Versuch, die Christenheit auf dem Weg durch die Zeiten unter die
Knechtschaft des Buchstabens zu bringen. Das geschieht, indem das Schriftwort als Gesetz verbindlich gemacht
und die Christenheit für alle Zeit auf jene historische Formen des charismatischen lebens vereidigt wird. Dieser
verhängnisvolle Fehler ist unvermeidlich, wenn man diese Kapitel des Korintherbriefs nicht in ihrer ganzen
Schlichtheit als das nimmt, was sie sind, nämlich als seelsorgerliche Hilfe, die der Apostel in die besondere
damalige Not seiner Gemeinde hineinspendet. Sie sind keine ‘grundsätzliche’ Normgebung.” In: Paul Schütz,
Gesammelte Werke Band 1 Evangelium: Sprache und Wirklichkeit der Bibel in der Gegenwart, Moers 1984, S.
544f.
65 Welker, S.246
66 vgl. Heim Korintherbrief, Vorbemerkung, Über das Wesen der Zungenrede, S.191ff.
67 siehe Anmerkung 29
68 “In Wahrheit sehen wir, wenn wir mit der wirklichen Geschichte der Urchristengemeinde bekannt sind, daß das
Zungenreden keineswegs ein Kuriosum gewesen ist, daß vielmehr bei allen großen Erweckungen die Zungenrede
als ständige Erscheinung bei der Erweckung da ist, […]. Warum gehört die Zungenrede notwendig zu einer
Erweckungsbewegung? Wir verstehen sie heute besser als das Zeitalter des Rationalismus und Idealismus. Man
glaubte damals, daß das autonaome Ich, das bewußte Überlegungen und bewußte Entscheidungen trifft, so etwas
nicht brauche. Heute sehen wir, daß diese bewußten Entscheidungen nur die kleine beleuchtete Oberfläche im
Seelenleben des Menschen darstellen; im Unterbewußtsein liegen die Triebe und Komplexe, die uns viel stärker
bestimmen als das Bewußte.” In: Heim Korintherbrief, S.207
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69
oder beziehungsweise und, als überverständliche Sprache. Das Schwierige am
Zusamenhang dieser beiden Phänomene ist, daß sie oft gemeinsam auftreten, sogar
ineinander übergehen. Ein Auseinanderdividieren läßt sich in den meisten Fällen nicht
bewerkstelligen.
Welker hat meiner Meinung nach recht, wenn er den ambivalenten70Charakter der
Zungenrede als Gefahr heraushebt: “Als expressive religiöse Leerform, die in sich
unbestimmt und deutungsbedürftig ist, pflegt das Zungenreden einen latenten
Pluralismus, der erbauende oder zersetzende Form annehmen kann.”71
Die biblische Darstellung der Zungenrede, die keine vollständige ist, könnte mit
Erfahrungen der Kirchengeschichte abgerundet werden. Dann käme man
wahrscheinlich der damaligen Wirklichkeit näher, als mit einer bloßen Analyse der
korinthischen Zungenrede.
Mit der Ausgießung des Geistes geht aber nicht notwendigerweise das Auftreten der
Zungenrede einher. Es gibt neutestamentliche Überlieferungen, in denen der Geist
ausgegossen wird und dennoch nicht die Zungenrede in diesem Zusammenhang erwähnt
wird.72
Aufgrund der Mißstände in Korinth sieht sich Paulus dazu genötigt, der Zungenrede den
ihr zugehörigen Platz anzuweisen. Welker stellt zurecht fest, daß gerade heutezutage
bestimmte Arten von Gemeinden und Gemeinschaften in der Gefahr stehen, der Gabe
der Zungenrede eine zu große Bedeutunung einzuräumen. Trotz biblizistischem
Schriftverständnis, welches häufig in diesen Gemeinden vorherrscht, erkennen sie nicht,
daß ihre Art der Bibelauslegung, eine vorrangige Stellung der Zungenrede nicht
begründbar macht. Hier wäre Redlichkeit einzufordern, im Umgang mit der Bibel.
Welker führt Gründe auf, für die Überbetonung der Glossolalie im Gemeindeleben:
“Doch darüber hinaus ist die Zentrierung auf die Glossolalie wohl auch als ein
angestrengtes Konkretisierungsbedürfnis des Glaubens und als ein Protestphänomen zu
vertsehen und ernst zu nehmen, und zwar nicht nur als Protest gegen die völlige
69 Vgl. Larry Christenson, Die Gnadengabe der Sprachen un ihre Bedeutung für die Kirche, Marburg 1976,
Christenson stellt fest, daß es in der Kirchengeschichte sehr wohl beide Formen der Zungenrede gibt: die
Unverständliche und Übersetzungspflichtige, aber auch das überverständliche Reden im Sinne des
Pfingstereignisses.
70 abmbivalent=mehrdeutig
71 Welker, S.252
72 z.B. Apg. 4,31 und 9,17
Markus Nagel - Seminararbeit Sommersemester 1996 - Der Geist Gottes-Theologie des
Heiligen Geistes 17/19
73
Ausklammerung dieser Gabe des Geistes in den traditionellen Kirchen. Liturgische
Erstarrung, Abstraktion der Theologie und Einpassung der Spiritualität in bestimmte
säkulare Lebensstile und Moralismen haben dazu geführt, daß das Spezifische an der
Glaubenserfahrung, das Besondere, auch das gegenüber der jeweiligen säkularen Kultur
Herausragende und sogar Anstößige nicht mehr recht kenntlich wurde. Hier bot sich
wohl die Zungenrede als von den normalen Erfahrungsformen besonders deutlich
abweichende Erscheinung gerade als Kristallisationskern für Gegenbewegungen an.”74
3 Schluß
Ich habe versucht, mich an die Thematik der Geistausgießung, und der Charismatischen
Bewegung anzunähern. Aufgrund der Knappheit der Darstellung, kann meine
Seminararbeit nur Bruchstücke der vielfältigen Problematik wiedergeben. Welkers
Buch: “Gottes Geist”75 diente mir als Grundlage. Welker vertritt mit aller Deutlichkeit
eine Stellung, die ihn auch im Kreis der Theologen nahezu einsam macht. Wenn er das
Thema, Gottes Geist behandelt, geht er davon aus, daß Gott erfahrbar ist: “Daß
Menschen in unseren Tagen Gottes Geist erfahren haben und erfahren, ist gar keine
Frage.”76
Friedrich Nietzsche wird das Zitat: ‘Die Menschen sind unheilbar religiös’,
zugesprochen. Die Magazine, Stern, Der Spiegel und Focus, um nur die populärsten zu
nennen, veröffentlichen regelmäßig Reportagen, zu Themen die dem Dunstkreis
‘Religion-Esoterik’ zuzuordnen sind. Es herrscht der Trend vor: ‘Je extremer und
ausgefallener umso besser.’ Der Wahrheitsgehalt ist eher zweitrangig. Die Menschen
scheinen ein großes Sinndefizit zu verspüren. Sie wollen horizonterweiternde
Erfahrungen machen. Unsere Welt ist zu klein geworden, für die menschliche
Sinnbefriedigung.
Die Parole der Aufklärung lautete: ‘Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu
bedienen.’ Der Wahlspruch vieler Menschen heute könnte heißen: Habe Mut deinen
Verstand auszuschalten und dich vom Gefühl leiten zu lassen. Wenn man nun meint die
Kirche antworte mit ihrem reichhaltigen Schatz von 2000 Jahren Christentum, das heißt
73 Die Ausklammerung der Gaben umfasst nahezu alle Gaben, vornehmlich die spektakulären Gaben. Selbst so
unumstrittene Gaben wie die Gabe der Barmherzigkeit(Röm 12,8), hat die Kirche institutionalisiert, in Form der
Diakonie, und sie dann aus dem Gemeindealltag verbannt und sie in die Hände von Fachleuten gegeben.
74 Welker, S.249f.
75 siehe Anmerkung 1
76 Welker, S.15
Markus Nagel - Seminararbeit Sommersemester 1996 - Der Geist Gottes-Theologie des
Heiligen Geistes 18/19
von 2000 Jahre spiritueller Erfahrungung, sieht sich sich getäuscht. Die Kirche verliert
sich im Pluralismus. Sie will es jedem recht machen und macht es bis auf ein paar
Randgruppen keinem recht. Die nach wie vor hohen Austrittszahlen belegen es deutlich.
“Da wird irgendwo in Niedersachsen ein Sonntagsvormittagsgottesdienst durch einen
kirchlichen Frühschoppen in der Dorfkneipe ersetzt. Erfolgsbilanz: zwanzig bis dreissig
Interessierte reden über Umweltschutz, Ausländerfeindlichkeit und steigende
Friedhofsgebühren.”77
Die Kirche muß wieder anfangen von Gott zu reden. Nicht nur vom fernen Gott,
sondern vom nahen, vom erfahrbaren Gott. Die Kirche muß wieder neu lernen Gott um
seinen Geist zu bitten.78
77 Horst Exner, Die Bischöfe pfeifen im Wald, Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, In: Punkt, 9/1993, S.50ff.
78 Luk. 11,9-13
79 Matthias Claudius, Der Mond ist aufgegangen, Strophe 4+5, In: Matthias Claudius, Etwas Festes muß der Mensch
haben, Der Wandsbecker Bote sein Leben und seine Botschaft, Hrsg. Hermann Waldemaier, Stuttgart 198210, S.96
Markus Nagel - Seminararbeit Sommersemester 1996 - Der Geist Gottes-Theologie des
Heiligen Geistes 19/19
4 Literatur:
• Arnold J. Heinrich, Leben in der Nachfolge, Moers 1996
• Christenson Larry, Die Gnadengabe der Sprachen un ihre Bedeutung für die Kirche,
Marburg 1976
• Claudius Matthias, Etwas Festes muß der Mensch haben, Der Wandsbecker Bote
sein Leben und seine Botschaft, Hrsg. Hermann Waldemaier, Stuttgart 198210
• Farah Charles, Von der Zinne des Tempels Glaube oder Vermessenheit?, Hamburg
1991²
• Forrest Tom, Flores José H. Prado, Umfassendes Heil durch Jesus, Mainz-Kastel,
die Orginalausgabe in Spanischer Sprache erschien 1986
• Frey Hellmuth, Das Buch der Anfänge, Kapitel 1-11 des Ersten Buches Mose,
Stuttgart 19647
• Heim Karl, Die Gemeinde des Auferstandenen, Tübinger Vorlesungen über den
Ersten Korintherbrief, Hrsg. Friso Melzer, Gießen 1987²
• Picard Max, Die Flucht vor Gott, Warum ist der Mensch allein, Freiburg 1958
• Scheunemann Detmar, und führte mich ins Weite Über das Wirken des Heiligen
Geistes, Wuppertal 19805
• Schütz Paul, Gesammelte Werke Band 1 Evangelium: Sprache und Wirklichkeit der
Bibel in der Gegenwart, Moers 1984
• Schütz Paul, Warum ich noch ein Christ bin, Eine Existenzerfahrung 3. Fassung,
Moers, 1984²
• Wagner C.Peter, Der gesunde Aufbruch Wie sie in ihrer Gemeinde für Kranke beten
können und trotzdem gesund bleiben, Lörrach 1989
• Watzlawick Paul, Beavin Janet H., Jackson Don D., Menschliche Komunikation,
Formen, Störungen, Paradoxien, Bern Stuttgart Toronto, 19908
• Paul Watzlawick, Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Wahn Täuschung Verstehen,
München Zürich 199621
1992