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reise

Elbaufwärts

Fotos: DWT/Dittrich, Peter Mollen, Boys


Hamburgs Partnerstadt Dresden ist ein touristisches Highlight.
Der Makel: Nicht nur zum CSD kämpfen Schwule dort mit der rechten Szene

Wie eine halbe Acht schlängelt sich die Elbe um das Zeitgemäßes einen angemessenen Platz finden kann. bekeller des Clubs Bärenzwinger tanzen Schwule wie
Zentrum von Dresden, vorbei an einem weltberühm- „Dresden ist im Grunde erzkonservativ“, erzählt im Rest der Republik zu Madonna und Britney, im
ten Panorama. Die Silhouette gibt eine Ahnung vom Stadtführerin Sylvia Johne und meint das nicht nur „Boys“ oder „Queens“ in der Neustadt trinkt man sein
einstigen barocken Glanz der sächsischen Landes- architektonisch. CSD-Vorstand Jürgen Kiesslich wagt Bier bis in den frühen Morgen. Selbst das Travestie-
hauptstadt. Semperoper, Schloss, Brühlsche Terrasse: wie zur Bestätigung folgende These: „40 Prozent der theater „Carte Blanche“ ist weniger zotig und ver-
Es ist nicht allzu viel, was der Krieg von Dresden übrig Dresdner Gayromeo-User leben nicht offen“, glaubt trutscht als vergleichbare Häuser. Dem Wochenend-
ließ. Die Frauenkirche ist, wie so viele Bauten in der er. „Wir sind noch deutlich von der Normalität im Rest touristen muss es nachts nicht langweilig werden.
Altstadt, ein Fake: prachtvoll auferstanden aus der Deutschlands entfernt.“ Kiesslich muss das wissen, er Tagsüber ist Kultur Pflichtprogramm. Wer Dresden
Ruine, aber nur in einigen wenigen Steinen original. verantwortet unter anderem Parade und Straßenfest verlässt, ohne die Galerie der Alten Meister oder die
Als Dresden am 13. und 14. Februar 1945 ausgelöscht am 13. Juni. Und nennt ein weiteres Beispiel: „Die säch- Schätze des Grünen Gewölbes gesehen zu haben, ver-
wurde, ging damit auch eine der reichsten Städte sische LSU kommt nicht zum CSD, weil die sächsische passt Einzigartiges. Aber auch der Besuch der Neu-
Deutschlands unter. Bis heute ist nicht nur das Geden- CDU das nicht möchte“, behauptet Kiesslich. „Dafür stadt lohnt. Ein gemütliches Cafe, eine abgefahrene
ken an die Zerstörung eine heikle Angelegenheit, wie werden dann LSU-Leute aus Berlin geschickt.“ Galerie oder einfach nur entspannte Leute findet man
zuletzt der Aufmarsch von 6 000 Neonazis zeigte. Bei der Probe aufs Exempel erlebt man Dresden al- in fast jeder Straße.
Auch die Stadtplanung hat es in sich, die zwischen Be- lerdings als Kulturstadt mit einer kleinen schwulen Und doch gibt es eine Schattenseite, die Touristen
wahren und Modernisieren entscheiden muss und da- Szene, die zwar provinzieller wirkt als in Köln oder kaum auffällt. „Wir haben hier definitiv ein Problem
bei auch noch einige realsozialistische Altlasten zu be- Hamburg. Aus dem Tal der Ahnungslosen ist man hier mit den Rechtsradikalen“, sagt Jürgen Kiesslich. In
achten hat. Ein spannender Mix. Neubauten wie der dennoch längst heraus. Fetischläden, Bars, Partys und den NPD-Hochburgen der nahe gelegenen Sächsi-
sächsische Landtag oder die Synagoge zeigen, dass eine schwule Sauna – das ist nicht Nichts! Im Gewöl- schen Schweiz sei ein schwules Coming-out unmög-

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lich. Und auch in Dresden kommt es nicht von ungefähr, wenn Neustadt- p.P./
ebab. Dein Bett ist schon da.
Kneipen ihre Türen mit dem Hinweis versehen, dass Nazis hier nicht bedient
würden.
Die CSD-Vereine aus Hamburg, Berlin und Köln haben für dieses Jahr
ihre Unterstützung angekündigt. Auf dem schwullesbischen Straßenfest Krise Nein Danke!
wollen sie mit einem Stand ihre Solidarität mit den Dresdner Homos be-
kunden. Wenn am 13. Juni die Parade durch die Innenstadt zieht, werden Laut Tagesspiegel haben 95% der Ar-
beitnehmer in Deutschland im Februar
etwa 2 500 Teilnehmer erwartet. Motto: „40. Christopher Street Birthday“ 09 das selbe Gehalt erhalten wie in 2008.
Günstiger geworden sind Lebensmittel
– zur Erinnerung an den New Yorker Aufstand von 1969. und Benzin.
Auf dem Altmarkt wird anschließend gefeiert, Kiesslich hätte dort gerne
Möchten Sie wirklich mit Ihrem ersparten
20 000 Besucher. „Wir wollen möglichst viele Bürger anlocken“, betont Geld und Steuern Banken retten??

er, „denn wir sind auf der politischen Bühne noch ganz weit hinten.“ Und Wir haben da eine viel bessere Idee!
erneut hat er ein Beispiel parat: Schwule und Lesben, die in Sachsen eine Jetzt sind Sie mal dran ‒ lassen Sie es sich gutgehen.

Lebenspartnerschaft eingehen, mussten bis vor Kurzem noch dreimal so


Alle schönen Dinge finden Sie unte
hohe Gebühren zahlen wie Heteros. Jetzt legt jede Kommune den Satz r:
selbst fest. Ein kleiner Erfolg, immerhin. Vielleicht folgt im Juni bereits der
nächste, sollten die 20 Glatzen verschwunden sein, die im letzten Jahr
noch die CSD-Teilnehmer an der Brühlschen Terrasse mit Papier beworfen
haben. Nicht mal für Wattebäusche hatte es gereicht. STEFAN MIELCHEN

Dresden-Tipps
CSD-Parade: 13. Juni mit Straßenfest und Abschlussparty
www.csd-dresden.de

Bars: www.boys-dresden.de, www.queens-dresden.de


Fetisch/Sex: www.area29.de, www.lederclub-dresden.de, www.duplexx.eu
Monatliche Partys: www.discowoanders.de, www.she-party.de,
Indie-Party „Queerbeats“ im www.uboot-dresden.de
Wohnen: gayfriendly Appartments im Szeneviertel Neustadt,
www.city-dresden.de

Stadtführung: Sylvia Johne, gayfriendly, www.dresdenlife.de

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