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Verstehen Sie
Spaß, Herr
Schäuble?
Von Daniel Schlicht
Eine Satireseite über Netzsperren hat die Website des
Bundesinnenministeriums parodiert. Dort fand man das nicht lustig

Man könnte sich Innenminister Wolfgang Schäuble vorstellen, wie er auf


einem Streifzug durchs Internet, nichts Böses ahnend, auf einer
vermeintlich offiziellen Seite seines Ministeriums landet und dort
begrüßt wird mit "Sehr geehrter Gefährder" und den Worten: "Die Seite,
die Sie aufrufen wollen, ist gesperrt." Ob er den Spaß verstehen würde?
Anscheinend nicht, denn eine entsprechende Seite wurde auf Betreiben
des Innenministeriums in der vergangenen Woche aus dem Netz
genommen.

Sie war das Werk von Thorsten Förster, einem Blogger, der mit seiner
Parodie gegen die Bestrebungen der Bundesregierung protestieren wollte,
den Zugang zu Internetseiten zu sperren, wenn dort kriminelle Inhalte
lagern. So hieß es etwa in der Parodie: Die Seite enthalte "südländisch
wirkende Gebete" oder "kritische Anmerkungen zur Politik der
Regierung".

Große Verbreitung fand die Satire nicht – bis das Ministerium sie
entdeckte. Am vergangenen Dienstag verschwand die Parodie über
Netzsperren plötzlich selbst aus dem Netz. Ohne Vorwarnung an den
Betreiber löschte sie der Provider. Über die Gründe schwieg er sich
zunächst aus, inoffiziell hieß es, die Sperrung sei auf "Bitte des
Innenministeriums" erfolgt.

Auf Nachfrage von ZEIT ONLINE dementiert das


Bundesinnenministerium
(BMI), Drahtzieher der Aktion zu sein. Vielmehr sei das
Bundesverwaltungsamt (BVA) für den Internetauftritt verantwortlich.
Tatsächlich ging ein Schreiben des BVA an den Provider mit der Bitte,
die Satireseite umgehend zu sperren, da diese die Originalseite des
Ministeriums "nachahme". Für die rechtliche Beurteilung dieses
Sperrwunsches aber will man beim BVA nicht zuständig sein, die habe das
BMI zu verantworten.

Verwirrend. Erst der Provider bringt ein wenig Licht ins Dunkel. In
einer öffentlichen Stellungnahme rechtfertigt er sein Vorgehen und
konkretisiert die Vorwürfe: Insbesondere die nicht autorisierte
Verwendung des Logos sei rechtswidrig, zumal die satirische Verwendung
"nicht zwangsläufig" identifizierbar sei. Mit anderen Worten, wer
Seiten des Innenministeriums nachmacht oder nachgemachte Seite in
Umlauf bringt, macht sich strafbar. Man sei "im Rahmen der sogenannten
Störerhaftung" gezwungen, hieß es, Inhalte aus dem Netz zu nehmen,
sobald man erfahre, dass sie rechtswidrig seien. Man habe sich zu einer
schnellen Reaktion entschieden, um "existenzbedrohende Maßnahmen" zu
vermeiden, beispielsweise eine Beschlagnahmung der Server.

Dabei klingt das Fax des Bundesverwaltungsamtes, das ZEIT ONLINE


vorliegt, eher harmlos. Darin steht nichts von einer Rechtswidrigkeit.
Man "bat" lediglich darum, die Seite zu sperren, da dort "der
Internetauftritt des Bundesministeriums des Inneren nachgeahmt" werde.
Eine ausführliche Begründung, geschweige denn eine rechtliche Handhabe
gibt es nicht.

Der Gehorsam des Providers erspart dem BVA eine Überprüfung der
rechtlichen Grundlage sogar. Zwar ist es verboten, Hoheitszeichen des
Bundes zu missbrauchen, doch handelt es sich eher um eine
bußgeldpflichtige Ordnungswidrigkeit. Außerdem steht und fällt der
Vorwurf der "Nachahmung" mit der Tatsache, ob es sich bei der Seite um
offensichtliche Satire handelt oder nicht. Ob die Satire wirklich zu
subtil war, um von Jedermann als solche erkannt zu werden, dürfte im
Auge des Betrachters liegen. Und im Zweifel hätte ein Gericht dies zu
prüfen.

Der Fall zeigt, welchen Einfluss der Staat schon jetzt auf Provider
hat. Rechtlich ist weder dem Provider noch dem BVA ein Vorwurf zu
machen, auch wenn die Grundlage, auf die sich das Schreiben stützt,
dünn ist. Allerdings dürfte das Prozedere all jenen als Bestätigung
dienen, die befürchten, Sperrlisten für Kinderpornografie-Seiten seien
nur der Wegbereiter für eine Zensur unliebsamer Inhalte.

Um Zensur geht es in diesem Fall wohl nicht, dürfen Hoheitszeichen doch


tatsächlich nicht verwendet werden. Den Vorwurf der Humorlosigkeit aber
wird sich das Ministerium wohl gefallen lassen müssen. Hat es sich doch
genau so verhalten, wie die Satireseite es ihm unterstellte. Stand dort
doch als Sperrgrund: "Diese Seite enthält Witze (sogenannte Satire),
die wir nicht verstehen".

Blogger Förster hat sie nun überarbeitet und von Hoheitszeichen und
Verlinkungen zur Original-Website befreit. Außerdem prangt nun ein
deutlich sichtbarer Hinweis darauf, "Vorsicht Satire". Seit Freitag ist
die neue Version wieder online.

Aufmerksamkeit ist ihm nun sicher, allerdings auch "einige üble


Nachgeschmäcker", wie er schreibt. Ihm sei es unverständlich, wieso "es
Sperrlisten und neue Gesetze braucht, um unbestreitbar
schwerstkriminelle Inhalte unzugänglich zu machen, wenn es ein paar
Minuten dauert, harmlose Satireseiten mit wenigen Klicks am Tag vom
Netz zu nehmen".

Artikel-URL: http://images.zeit.de/text/online/2009/21/netzsperren-satire

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