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Verstehen Sie
Spaß, Herr
Schäuble?
Von Daniel Schlicht
Eine Satireseite über Netzsperren hat die Website des
Bundesinnenministeriums parodiert. Dort fand man das nicht lustig
Sie war das Werk von Thorsten Förster, einem Blogger, der mit seiner
Parodie gegen die Bestrebungen der Bundesregierung protestieren wollte,
den Zugang zu Internetseiten zu sperren, wenn dort kriminelle Inhalte
lagern. So hieß es etwa in der Parodie: Die Seite enthalte "südländisch
wirkende Gebete" oder "kritische Anmerkungen zur Politik der
Regierung".
Große Verbreitung fand die Satire nicht – bis das Ministerium sie
entdeckte. Am vergangenen Dienstag verschwand die Parodie über
Netzsperren plötzlich selbst aus dem Netz. Ohne Vorwarnung an den
Betreiber löschte sie der Provider. Über die Gründe schwieg er sich
zunächst aus, inoffiziell hieß es, die Sperrung sei auf "Bitte des
Innenministeriums" erfolgt.
Verwirrend. Erst der Provider bringt ein wenig Licht ins Dunkel. In
einer öffentlichen Stellungnahme rechtfertigt er sein Vorgehen und
konkretisiert die Vorwürfe: Insbesondere die nicht autorisierte
Verwendung des Logos sei rechtswidrig, zumal die satirische Verwendung
"nicht zwangsläufig" identifizierbar sei. Mit anderen Worten, wer
Seiten des Innenministeriums nachmacht oder nachgemachte Seite in
Umlauf bringt, macht sich strafbar. Man sei "im Rahmen der sogenannten
Störerhaftung" gezwungen, hieß es, Inhalte aus dem Netz zu nehmen,
sobald man erfahre, dass sie rechtswidrig seien. Man habe sich zu einer
schnellen Reaktion entschieden, um "existenzbedrohende Maßnahmen" zu
vermeiden, beispielsweise eine Beschlagnahmung der Server.
Der Gehorsam des Providers erspart dem BVA eine Überprüfung der
rechtlichen Grundlage sogar. Zwar ist es verboten, Hoheitszeichen des
Bundes zu missbrauchen, doch handelt es sich eher um eine
bußgeldpflichtige Ordnungswidrigkeit. Außerdem steht und fällt der
Vorwurf der "Nachahmung" mit der Tatsache, ob es sich bei der Seite um
offensichtliche Satire handelt oder nicht. Ob die Satire wirklich zu
subtil war, um von Jedermann als solche erkannt zu werden, dürfte im
Auge des Betrachters liegen. Und im Zweifel hätte ein Gericht dies zu
prüfen.
Der Fall zeigt, welchen Einfluss der Staat schon jetzt auf Provider
hat. Rechtlich ist weder dem Provider noch dem BVA ein Vorwurf zu
machen, auch wenn die Grundlage, auf die sich das Schreiben stützt,
dünn ist. Allerdings dürfte das Prozedere all jenen als Bestätigung
dienen, die befürchten, Sperrlisten für Kinderpornografie-Seiten seien
nur der Wegbereiter für eine Zensur unliebsamer Inhalte.
Blogger Förster hat sie nun überarbeitet und von Hoheitszeichen und
Verlinkungen zur Original-Website befreit. Außerdem prangt nun ein
deutlich sichtbarer Hinweis darauf, "Vorsicht Satire". Seit Freitag ist
die neue Version wieder online.
Artikel-URL: http://images.zeit.de/text/online/2009/21/netzsperren-satire