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Kreative Kommunikation

Klaus Marwitz

Kreative Kommunikation

Wie man in der Lernenden Organisation miteinander umgeht

Erscheinungsjahr 2001

Man kann nicht nicht kommunizieren« konstatiert Paul Watzlawik, berühmter


Kommunikationsforscher und Buchautor (Anleitung zum Unglücklichsein). Somit ist die
Fähigkeit zu kommunizieren als die essentiellste Fähigkeit des Menschen anzusehen.
Im Zuge der Entwicklung der menschlichen Rasse verfeinerte sich die Kommunikation von
der bedeutungsarmen Gröbstmotorik bis hin zur geschliffenen Sprech- und Hörkultur der
heutigen Zeit, gepaart mit den zwar unermeßlich scheinenden, gemessen aber an den
Möglichkeiten der gesprochenen Sprache doch recht armen Schriftkommunikation.
Der Grund, weswegen heute die Kommunikation in den Fokus der Öffentlichkeit und auch
jedes Einzelnen rückt, resultiert aus der Kollision zweier gegenläufiger Entwicklungen
weltweit.
Zum einen haben wir den Übergang von der Informations- in die
Kommunikationsgesellschaft vor uns. Signal ist die ins scheinbar Unermeßliche steigende
Flut an Informationen welcher Art auch immer. Diese Flut kann nicht mehr durch bloße
immer schneller werdende Aufnahme bewältigt werden. Es ist Kommunikation erforderlich,
um zu klären, um zu gewichten, um zu kategorisieren, um zu verdichten (Dichter sind
gefragt).
Der Zwang zu kommunizieren führt zwangsläufig dazu, daß die Menschen sich einander
annähern müssen, was emotionale Probleme hervorrufen kann. Die höher werdenden
Scheidungsraten haben damit zu tun. Einen Puffer stellt die sogenannte
Tele(=fern)kommunikation dar. Telefon, aber auch Telefax – früher war es der Brief – und
Internet sind Beispiele. Die lawinenartige Zunahme von Anschlüssen zeigt den Hunger der
Menschen nach (gebremster) Kommunikation.
Zum anderen führt die unaufhaltsame Restrukturierung von Organisationen, wozu
Wirtschaftsunternehmen, der Öffentliche Dienst und die Organe unserer Demokratie
(Parlamente und Regierungen) gehören, zu einem deutlicher werdenden Dilemma. War in
einer herkömmlichen hierarchisch strukturierten Organisation die Kommunikation eher
Privatsache – die betriebliche Dienstwegkommunikation hatte knapp und karg zu sein, nur
Information bitte – ist durch das »Abflachen von Hierarchien« und durch das dadurch
notwendig gewordene Sichnäherkommen »ein explosionsartiger Bedarf an
Kommunikation« (Prof. Warnecke, Präsident der Fraunhofergesellschaft) entstanden, dem
die in professioneller Kommunikation ungeübten Führungskräfte zum Teil recht hilflos
gegenüberstehen. Mobbing (üble Nachrede unter Kollegen) und Bossing (Chef läßt
Mitarbeiter hängen) sind Signale für verunglückte Kommunikationsversuche und sollten
aufhorchen lassen.

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Kreative Kommunikation

Was ist kreative Kommunikation?


Zur Erläuterung benutze ich das Drei-Ebenen-Modell der Kommunikation. Es ist
beschrieben in den Büchern von Stephen Covey – »Die sieben Wege zur Effektivität« und
von Klaus Marwitz »Lean Company - Der freie Blick auf die neue Unternehmensvision«.
Die erste Ebene ist die Ebene der »intrapersonalen« Kommunikation, der Kommunikation
mit sich selbst, die vor allem eine Rolle spielt, wenn man nicht gerade mit anderen
Menschen kommuniziert. Hierhinein gehören
• der innere Dialog, die begleitende Tonspur unseres Handelns,
• die Fähigkeit, innerlich Bilder sehen zu können, aber sich auch an Stimmen, Gefühle,
Geruch und Geschmack zu erinnern,
• Körpersignale (zum Beispiel Warnhinweise für heranziehende Krankheiten)
wahrzunehmen,
• sich in die Lage anderer Menschen versetzen zu können,
• Denk-, Problemlösungs- und Gedächtnisleistungen sind Sache der ersten Ebene.
Das sind nur fünf Beispiele. Diese Ebene ist essentiell für das Selbstmanagement, für die
Ausprägung der Persönlichkeit und für die Kommunikationsfähigkeit der folgenden Ebene.
Ihr wird in der privaten und der institutionellen Erziehung entscheidend zu wenig
Beachtung geschenkt, unter anderem weil sie unbequem ist – sie besagt, daß man
zunächst vor der eigenen Tür kehren muß, bevor man anderer Leute Verhalten ändern will
– und weil diesbezügliche Forschungsergebnisse nicht ernst genommen werden. Anders
ist der ungeheure Erfolg der Bücher von Dale Carnegie (Positives Denken) nicht zu
erklären.
Die zweite Ebene ist die »interpersonale« Ebene. Sie betrifft die Kommunikation zwischen
Menschen. Wenn beide Partner in der ersten Ebene wenig bewandert sind, wird die
Kommunikation sich auf den Informationsaustausch beschränken. Erzwingen die
Umstände eine tiefer gehende Kommunikation, greifen die beiden aus Unfähigkeit zu
archaischen Mitteln: Streit, Mißgunst, Neid, Eifersucht, aber auch körperlicher Angriff und
Tötung, bzw. die Absicht dazu. Auch das Abwenden voneinander ist eine primitive
Reakion. Die qualitativ mittelmäßige Romanliteratur ernährt sich von den Unglücken der
zweiten Ebene. Man beachte außerdem, daß Kriminalgeschichten, gedruckt oder gefilmt,
hohe Konjunktur haben.
Die zweite Ebene läßt sich unterteilen in die verbale und die nonverbale Kommunikation.
Verbale Kommunikation bedeutet Sprechen – die Worte sind wichtig – und Hören. Welche
Worte in einer bestimmten Sprache vom Sprecher gewählt werden, hängt von der
Wortgewalt ab, von der Kompetenz auf dem in Rede stehenden Gebiet, aber auch davon,
ob jemand mehr ein Augenmensch (visueller Typ), ein Ohrenmensch oder ein Gefühltyp
ist. Zum Beispiel verfügen Geschmacks- und Geruchsmenschen, besonders wenn sie dies
auch beruflich darstellen, über Worte und Begriffe, die einem Visuellen (Auge) oder
Auditiven (Ohr) beim Zuhören nicht unmittelbar einleuchten und auch keine »Saite zum
Klingen bringen«. Die Forschungsergebnisse zu dieser Entdeckung würden manche
verunglückte Kommunikation wieder flottmachen (siehe: K. Marwitz – Lean Company, Das
Zehn-Sinne-Modell). Schreiben gehört ebenfalls auf diese Ebene.
Die nonverbale Kommunikation hat zwei Aufgaben: sie unterstreicht das Sprechen
mimisch (Gesicht) und gestisch (»Hände und Füße«) im Normalfall eines Gesprächs. Im
Konfliktfall pointiert und verstärkt die nonverbale Kommunikation das Gesagte mit dem
Ziel, dem Gesprächsgegener zu meiner Meinung zu verhelfen. Sie wird abgestuft
eingesetzt und beginnt mit Nuancierungen der Stimme (hoch, tief, schnell, langsam,
Pausen), geht über Gesichtsbewegungen (Mund, Wangen, Augen) und Kopfbewegungen
über zur Gestik (zunächst Finger, Hände, dann Arme) bis hin zur Ganzkörperbewegung,
und ist durchaus als archaische Vorstufe eines körperlichen Angriffs zu bewerten.
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Kreative Kommunikation

Dies ist ein ganz natürliches Repertoire, das je nach Temperament und Nationalität stark
variiert. Es gibt weitere Varianten, die als »Körpersprache« durch die unterhaltende
Managementliteratur geistern. Es handelt sich um eine »vereinbarte Sprache«, das
bedeutet, daß nur derjenige die Körperbewegungen und -stellungen »richtig« deuten kann,
der genau diese Erklärungen kennt, ein unerschöpfliches Thema für die aufklärende
Illustriertenlandschaft. Eigentlich handelt es sich um eine Bühnensprache, die auch
weiterwegsitzenden Zuschauern den Sinn des Gesagten nonverbal mimisch-gestisch das
vor Augen führen sollte, was vielleicht das Ohr nicht erreichen kann. Diese Sprache ist von
Pantomimen, wie Samy Molcho zur Kunstform erhoben worden. Sie hat aber im Alltag
keine Bedeutung, auch wenn das immer wieder behauptet wird; wenn Nichtkünstler sie
verwenden, wirkt es aufgesetzt und führt meistens dazu, daß die Kommunikationspartner
sich veralbert fühlen.
Die nonverbale Kommunikation hat nicht nur dann ihren Sinn, wenn die Partner
»anwesend« sind. Sie wirkt auch, wenn die Partner nicht gleichzeitig anwesend sind. Man
spricht dann von der sogenannten emotionalen Kopplung.
Dies ist die Form der Kommunikation auf der dritten Ebene. Jeder weiß, daß es diese
Kopplung gibt – man denke nur an das Charisma einer »guten« Lehrerin oder eines
»guten« Lehrers; das Zugehörigkeitsgefühl hielt auch in den Ferien an. Von einer solchen
Person nahm man Strafen oder Strenge anders an als von den andern; die Worte
Gerechtigkeit, Engagement, Vertrauen spielen dabei eine Rolle — dennoch konnte erst in
jüngster Zeit nachgewiesen werden, wie wichtig sie ist. Für die menschlichste Form der
Kommunikation, die kreative Kommunikation ist sie die wichtigste.
Die dritte Ebene ist nicht bewußt zu erreichen. Da sie auch interdependent oder generativ
genannt wird, kann man schon vermuten, daß mehr im Spiel ist. Zunächst setzt sie voraus,
daß Sie in der Ebene eins eine hohe Kompetenz ausweisen. Menschen, die verschlossen
sind, die sich nicht in die Karten gucken lassen wollen, die als Führungskräfte ganz
untransparent autoritär Weisungen erteilen, sind nicht die ersten Kandidaten, auch wenn
sie rhetorisch in der zweiten Ebene Kabinettstückchen abliefern. Zum anderen müssen sie
in der zweiten Ebene ihre Persönlichkeit von innen heraus (deswegen Ebene eins)
»leuchten« lassen können. Sie müssen also mit sich im Reinen sein, und sie müssen
andere Menschen wertschätzen können. Sie müssen sich in deren Rolle hineinversetzen
können, und sie müssen die Wirkungen ihrer Handlungen in der anderen Person
vorausempfinden können.
Gewiß gibt es Menschen, die sagen, daß dies wohl sehr idealistische Vorstellungen seien.
Das ist allerdings dann ein sicheres Indiz dafür, daß die dritte Ebene für sie noch weit
entfernt ist, und daß sich diese Menschen zum Beispiel aus Führungsaufgaben
heraushalten sollten. Tun sie es dennoch, werden sie wohl oder übel autoritär vorgehen
müssen, um »den Laden zusammenzuhalten«. Und das enthält wiederum den Grundstoff
für destabilisierende Kommunikation. In solchen Organisationen muß man ohne
nachzulassen die Motivation für die alltäglichsten Handlungen von außen zuführen, was
auf die Dauer sehr teuer zu stehen kommt.
Besser ist es, eine hohe persönliche emotionale Kompetenz aufzubauen UND die
Kommunikation mit anderen Menschen zu suchen, wobei es darauf ankommt, die
Quantität der Kommunikation zu verkleinern, die Qualität hingegen zu vergrößern (also
nicht so viele Informationen auszutauschen, sondern Beziehungen zu kultivieren).
Wenn nun emotionale Kopplungen über Vertrauen, Engagement, gemeinsame Ziele,
»gleiche Wellenlänge«, »Chemie stimmt« dazu führen, daß Menschen in der Einflußzone
dieses vielleicht »guten Lehrers« beginnen, das Selbstmanagement zu verbessern, an sich
arbeiten, sich in der Ebene zwei weiterentwickeln und dies auch mit anderen teilen, dann
gehen auch von diesen Menschen neue emotionale Kopplungen aus, wodurch sich wieder
andere angesprochen fühlen ……… und so weiter. Es entsteht die generative Motivation,

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auch intrinsische Motivation genannt, die sich, von innen aus der Neugier auf sich selbst
genährt, fortsetzt in der Gemeinschaft. Wenn es ein Unternehmen ist, dann auch dort.
Die Kommunikation, die dazu führt, daß andere beginnen, sich für sich selbst UND für
andere zu interessieren und sich dafür einsetzen, wird kreativ genannt, weil sie Dinge
hervorruft, die nicht bis ins einzelne planbar sind.
Die kreative Kommunikation ist diejenige Kommunikation, die Menschen aus dem Ghetto
des Informationsaustauschs herausholt, die Isolationen aufbricht und aufeinander zuführt.
Sie ist diejenige Form des Umgangs miteinander, die die eigenen Ressourcen bewußt
macht und auf eine Weise anderen zur Verfügung hält, daß diese sich ebenfalls ihrer
Ressourcen bewußt werden. Und nur bewußte Ressourcen lassen sich zum Nutzen jedes
einzelnen zum Wohle des Ganzen verbinden.
Im Übergang von der Informations- zur Kommunikationsgesellschaft spielen die
Gemeinschaft UND der einzelne die Hauptrollen. Vorbei sind die Zeiten, wo alles
gleichgemacht wurde und vorbei auch die Zeit des hemmungslosen Individualismus. Wir
leben im Zeitalter des Zusammenspiels.

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