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SUN TZU 

ON THE 

ART OF WAR
THE OLDEST MILITARY
TREATISE IN THE WORLD 
Translated from the Chinese with the „title  „S un Tsu Ping Fa” with  Introduction 
and Critical Notes 

BY 

DR. LIONEL GILES, M.A. 

Assistant in the Department of Oriental Printed Books and MSS. 
in the British Museum 

First Published in 1910

Deutsche Übersetzung aus dem Englischen, Version 1.0, © Guido Stepken, Januar 2005
mit verschiedenen, zusätzlichen Anmerkungen in ()
Nachzulesen unter http://www.little­idiot.de/teambuilding/SunTsuKunstDesKrieges.pdf
auf Englisch mit einigen Bemerkungen zur Entstehung dieses Werkes:
http://www.little­idiot.de/teambuilding/SunTsu­ARTOFWAR.pdf

To my brother
Captain Valentine Giles, R.G.
in the hope that
a work 2400 years old
may yet contain lessons worth consideration
by the soldier of today
this translation 
is affectionately dedicated.
 Strategische Überlegungen 

SUN TSU on the ART OF WAR
1 Strategische Überlegungen ..........................................................................................................................................1
2Über die Kriegführung...................................................................................................................................................5
3 Über das Planen einer Belagerung...............................................................................................................................7
4 Über Formationen..........................................................................................................................................................9
5 Kraft................................................................................................................................................................................10
6 Leere und Fülle.............................................................................................................................................................12
7 Über den bewaffneten Kampf....................................................................................................................................14
 Anhang: “AR T OF WARfare” ......................................................................................................................................17
9 Anpassung.....................................................................................................................................................................20
10Armeen auf dem Marsch............................................................................................................................................21
11 Terrain..........................................................................................................................................................................24
12 Neun Arten von Gelände..........................................................................................................................................27
13 Angriff durch Feuer...................................................................................................................................................31
14 Über den Einsatz von Spionen.................................................................................................................................32

1  Strategische Überlegungen 

1. Jede Kriegshandlung ist für den Staat von größter Bedeutung
2. Es ist eine Sache von Leben und Tod, der Pfad, der das Überleben  sichert, oder in den Untergang
führt. Daher ist es absolut unumgänglich, dieses Thema eingehend zu prüfen.
3. Die   Kriegskunst   wird   von   fünf   konstanten   Faktoren   geregelt,   wobei   man   die   eigene   Bedacht­
samkeit   in   Bedacht   ziehen   sollte,   wenn   man   Vergleiche   anstellt,   die   Bedingungen   hierfür   zu
erkennen. 
4. Diese fünf Dinge sind (1) Das Gesetz der Moral, (2) Himmel, (3) Erde, (4) die Führung selber, (5)
die Methode und die Disziplin.  [Hier sollte „Gesetz  der Moral”  ähnlich dem Tao von Lao Tzu als ein
„P rinzip der Harmonie”  aufgefasst werden, welches unabhängig von der Führung aufzufassen ist, für uns
Europäer etwas ungewöhnlich gedacht.] 
5. Das moralische Gesetz (TAO) veranlasst die Menschen, stets das gleiche Ziel, wie die Führung zu
verfolgen,  sodaß sie   vorbereitet   sind,   Leben   und   Tod   zu   teilen,   sich   nicht   von  Gefahren   oder
Widrigkeiten abschrecken lassen, sich mit der Führung identifizieren. [Tu Yu zitiert Wang Tzu, der
folgendes sagte: „ Ohne ständige Übung werden die Offiziere nervös und unentschieden bei der Versamm­
lung vor der Schlacht, und der General unentschlossen und zögerlich, wenn eine Krise bevorsteht]
6. HIMMEL bedeutet Nacht und Tag, Kälte und Hitze, Zeiten und Jahreszeiten. [Die Kommentatoren,
denke ich, machen ein unnötiges  Geheimnis um zwei Wörter hier: Meng Shih bezieht sich auf „das  Starke
und das Weiche” , das „ zu­und abnehmen”  vom Himmel. Wang Hsi mag darin richtig liegen, wenn er sagt,
daß das mit der „allgem einen Harmonie des Himmels”  gemeint ist, einschließlich die fünf Elemente, die vier
Jahreszeiten, Wind und Wolken und anderer Phänomene.]
7. ERDE   umfasst   Entfernungen,   große   und   kleine,   Gefahr   und   Sicherheit,   offenes   Gelände   und
schmale Päße, die Möglichkeit zu leben und zu sterben.
8. Führerschaft   steht   für   die   Tugenden   von   Weisheit   oder   Klugkeit,   Aufrichtigkeit   (auch   Glaub­
würdigkeit), aber auch Wohlwollen, Mut und Strenge (auch Geradlinigkeit). Die 5 Kardinaltugen­
den der Chinesen sind: (1) Menschlichkeit oder Wohlwollen, (2) Aufrichtigkeit des Verstandes, (3)
 Strategische Überlegungen 

Selbstachtung,   Selbstdisziplin,   oder   „Aus geglichenheit”   (im   Sinne   der   inneren   Harmonie),   (4)
Weisheit,   Klugkeit,   (5)   Aufrichtigkeit   oder   „guter   Glaube”.   Hierbei   werden   „W eisheit”   und
„Auf richtigkeit”     klar   vor   „Mensc hlichkeit”   und   „ Wohlwollen”   gesetzt,   und   die   zwei   mil­
itärischen  Tugenden  des  „M utes”   und  „ Strenge”  (Geradlinigkeit)  ersetzt  durch  „Aufricht igkeit
des Verstandes” , „S elbstachtung” , „Selb stdisziplin”  oder „Ausgeglic henheit”.  
9. Methode und Disziplin sollte verstanden werden als das Ordnen der Armee in ihre korrekten Un­
terteilungen, in den Staffelungen von Rang unter den Offizieren, bei der Erhaltung der Straßen
und   Wege,   durch   die   die   Versorgungsmaterialien   die   Armee   erreichen   können,   und   in   der
Steuerung der militätischen Aufwendungen. 
10. Jeder General hat von diesen fünf Dingen bereits gehört. Jene, die sie beherrschen, werden trium­
phieren; jene, die sie nicht beherrschen, werden scheitern.
11. Benütze daher diese Beurteilungen, um Vergleiche anzustellen und um herauszufinden, welche
(militärischen) Bedingungen herrschen, wie folgt:
1. Das heißt, welche politische Führung handelt im Einklang mit dem moralischen Gesetz, dem
„Tao”?  
2. Welcher von zwei Generälen ist der fähigere? 
3. Wer verfügt über die besseren Voraussetzungen, was die Nutzung von  HIMMEL  und ERDE
betrifft? 
4. Wessen Disziplin ist wirksamer?  [Tu Mu erzählt eine bemerkenswerte Geschichte von Ts'ao Ts'ao
(A.D. 155­220), der so stark diszipliniert war, daß er einmal, in Einklang mit seinen eigenen Regeln, die
er sehr ernst nahm, z.B. seine persönliche Regel gegen die Verletzung von stehendem Korn, dieser sich
selber zum Tode verurteilte, daß er sein Pferd in das Feld laufen ließ. Jedoch konnte er überredet werden,
anstelle   des   Verlierens   seines   Kopfes,   daß  es  genügen  würde,  seine  Haare   abzuschneiden,   um   seine
Vorstellung für Gerechtigkeit zu erfüllen. Ts'ao Ts'ao's  eigener Kommentar zu diesem Vorfall ist beze­
ichnend kurz: „ Wenn Du ein Gesetz erläßt , sorge dafür, daß gegen es nicht verstoßen wird, und wenn
doch, dann muß derjenige, der dagegen verstößt, sterben."]
5. Wessen Truppen sind die stärkeren?  [Sowohl moralisch, als auch physisch.  Frei zitiert nach Mei
Yao­ch'en: "ESPIRIT DE CORPS and 'big battalions'"] 
6. Welche Soldaten und Offiziere sind besser ausgebildet? [Tu Yu zitiert Wang Tzu wie folgt: „ Ohne
ständige Übung werden die Offiziere nervös und unentschieden bei der Versammlung vor der Schlacht,
und   der   General   unentschlossen   und   zögerlich,   wenn   eine   Krise   bevorsteht   (im   chinesischen   ist
„Cha nce”  = „ Krise”) ]
7. Wessen System von Belohnung und Bestrafung ist klarer? [On which side is there the most abso­
lute certainty that merit will be properly rewarded and misdeeds summarily punished?]
14. Anhand dieser 7 Betrachtungen kann ich vorhersagen, wer gewinnen, und wer verlieren wird. [Li
Quan: Eine politische Führung, die in Einklang mit dem Tao steht, wird sicherlich über eine militärische
Führung verfügen, die intelligent und fähig ist.]
15. Der General, der meinen Ratschlag befolgt, und danach handelt, wird erobern: ­ halte ihn unter
deinem Kommando! [Die Form diese Paragraphen erinnert und daran, daß Sun Tzu's Abhandlung aus­
drücklich für das Wohl seines Herrschers geschrieben wurde, für Ho Lu, Herrscher des Wu – Staates.] Der
General, der meinen Ratschlag nicht befolgt, oder nicht danach handelt: ­ entlasse ihn!  
 Strategische Überlegungen 

16. Während Du die Vorteile analysierst, die du aus meinem Ratschlag ziehst, nutze auch alle hilfre­
ichen Umstände, die über diese Regeln hinausgehen, und dahinter stecken. [Damit meinte er, daß es
neben diesen allgemeinen Grundregeln noch weitere, bisher unentdeckte, implizite Regeln oder „impl izite
Logiken”   gibt, die sich aus den Umständen der Situation ergeben.] 
17. Entsprechend den vorteilhaften Umständen modifiziere  dann deine Pläne. Dann gliedere deine
Kräfte entsprechend und mache dir außergewöhnliche Taktiken zunutze. [Sun Tzu, als praktischer
Soldat, verfügte damals über keine Theorien aus Büchern. Er warnt hier eindringlich, unseren Glauben und
Handeln  nicht an den abstrakten  Prinzipien  festzumachen.  Chang  Yu: „Währe nd  die Hauptgesetze  der
Strategie   offenbar   zum   Nutzen   von   jedermann   aufgestellt   werden   können,   mußt   Du   dich,   von   den
Tätigkeiten des Feindes geleitet, darauf einstellen, daß er eine vorteilhafte Position im aktuellen Kampf zu
sichern versucht.”  Am Vorabend der Schlacht von Waterloo ging Lord Uxbridge, die Kavallerie befehlend,
zum Herzog von Wellington, um zu erfahren, was seine Pläne und Taktiken für den kommenden Tag zu er­
fahren, weil – wie er erklärte – er wohlmöglich Oberbefehlshaber plötzlich sein könnte, und er dann nicht
imstanden sein würde, neue Pläne in einem kritischen Moment zu gestalten. Der Herzog hörte ruhig zu
und   sagte   dann:   „W er   wird   morgen   als   erster   angreifen   –  „Ic h   oder   Bonaparte?”,   antwortete   Lord
Uxbridge. „Nun”,  ergänzte er, „Bonapar te hat mir keine Einsicht in seine Pläne gegeben, und da meine
Pläne von seinen abhängen, wie kann man von mir erwarten, zu sagen, welche Pläne ich habe?] 
18. Jede militärische Operation basiert auf Täuschung.  [Colonel Henderson erzählt uns, daß Wellington,
der großartig in fast allen Bereichen der militätischen Führung war, sich von anderen dadurch unterschied,
daß er  die  außerordentliche  Fähigkeit  hatte,  seine  eigenen  (Truppen)  Bewegungen  (aber  auch  Pläne)  so
geschickt  zu verbergen, und damit den Feind, und sogar Freund, täuschte.] 
19. Wenn du auf einen Angriff vorbereitet bist, erscheine unvorbereitet. Wenn Du agierst, mit den
Streitkräften, erscheine untätig, wenn wir nahe sind, dann mache den Feind glauben, wir wären
noch weit entfernt, und wenn wir weit entfernt sind, mache ihn glauben, daß wir nahe sind.
20. Halte Köder aus, um deinen Gegner zu verleiten,  täusche vor, ungeordnet, unvorbereitet zu sein,
und zerstöre ihn dann.
21. Wenn   dein   Gegner   sich   seiner   Sache   sicher   ist,   sei   auch   vorbreitet.   Wenn   er   von   überlegener
Stärke ist, weiche ihm aus.
22. Wenn der Gegner leicht erregbar ist, versuche, ihn zu irritieren. Täusche Schwäche vor, um die
Arroganz des Gegners anzustacheln. [Wang Tzu, erwähnt von Tu Yu, sagte, daß ein guter Taktiker mit
seinem Gegner spielt, wie eine Katze mit der Maus spielt, zuerst Schwäche und Immobilität vortäuschend,
um sich dann plötzlich auf ihn zu stürzen.] 
23. Wenn der Gegner versucht, Ruhe zu finden, wieder zu Kräften zu kommen, stelle ihm nach. [Das
ist wahrscheinlich das, was Mei Yao­ch'en meinte, als er schrieb: „ Während wir Kraft tanken, sorge dafür,
daß der Gegner sich selber Müde läuft.  YU LAN:  „Locke  ihn an, und sorge dafür, daß er sich selber dabei
vollständig erschöpft”]  Wenn seine Kräfte vereinigt sind, spalte sie auf. [Weniger plausibel ist die In­
terpretation, die oft bevorzugt wird: „W enn Herrscher (oder Befehlshaber) und Armee im Einklang sind,
schiebe einen Keil dazwischen”]
24. Greife an, wenn der Gegner unvorbereitet ist, erscheine, wenn er es am wenigsten erwartet.
25. Die Strategie,  Stärke, Formation und das Vorgehen der Kräfte,  derer sich das Heer bedient, um
zum Sieg zu gelangen, dürfen niemals  vorzeitig bekannt werden (besonders nicht dem Gegner).
26. Nun   führt   der   General,   der   den   Kampf   gewinnt,   in   seinem   Hauptquatier   viele   Kalkulationen
durch, bevor er den Kampf führt.  Der General, der den Krieg verliert, hat zuvor wenig Kalkula­
tionen angestellt, wie er sich gegen den Gegner zur Wehr setzt. So führen viele Kalkulationen zum
Sieg   und   wenige   Berechnungen   zur   Niederlage   ­     Wenn   ich   diesem   Punkt   Aufmerksamkeit
widme, so kann ich vorhersehen, wer wahrscheinlich gewinnen oder verlieren wird.
Über die Kriegführung

2 Über die Kriegführung

1. Die Kosten der Kriegsoperationen in einem Feld mit 1000 schnellen Streitwagen, ebenso vielen
schweren   Streitwagen,   hunderttausend   Schutz­plattierten   Soldaten,  [Die  „schnel len   Streitwagen”
waren  leicht,  und ­ entsprechend  Chang  Yu  ­, verwendet  für den Angriff; die „schweren  Streitwagen"
waren schwerer, und entworfen zwecks Verteidigung. Li Ch'uan sagt, daß die letzteren leicht waren, aber
dieses scheint kaum wahrscheinlich. Die Analogien zwischen früherer, chinesischer Kriegsführung und de­
nen der Griechen in Homers Schriften sind recht interessant. In jedem Fall war der Kriegs­Streitwagen der
wichtige Faktor, da er den Kern um eine bestimmte Anzahl von Fuss­Soldaten bildete. Aus den Zahlen, die
hier gegeben werden, wissen wir, daß jeder schnelle Streitwagen von 75 Lakaien, und jeder schwere Streit­
wagen durch 25 Lakaien begleitet wurde, sodaß man die ganze Armee in tausend Bataillone teilen kann,
jedes   aus   zwei   Streitwagen   und   hundert   Männer   bestehend.]  mit   dem   Auftrag,     tausend   LI   zu
marschieren, [2.78LI sind eine Meile. Die Länge kann seit Zeit Sun Tzu's ein wenig geschwankt haben.]
die Aufwendungen zuhause und an der Front, einschließlich Unterhaltung der Gäste, für kleine
Einzelteilen   wie   Kleber   und   Farbe   und   die   Summen,   die   für   Streitwagen   und   Rüstungen
aufgewendet werden, erreicht die Gesamtmenge von tausend Unzen Silber pro Tag. Das sind die
Kosten des Aufstellung einer Armee von 100.000 Männern.
2. Wenn   du   in   den   Krieg   bist,   und   der   Sieg   droht,   sich   hinauszuzögern,   werden   deine   Waffen
stumpf und die Kampfmoral leidet. Belagerst du eine befestigte Stellung, wird sich deine Kraft er­
schöpfen. 
3. Wenn du deine Truppen lange Zeit im Feld belässt, wird es an Nachschub mangeln.
4. Sind deine Waffen stumpf und ist deine Kampfmoral schwach, sind deine Kräfte geschwunden
und deine Vorräte erschöpft, dann werden andere Vorteil aus deiner Schwäche ziehen und sich
erheben. 
5. Und auch wenn dir die klügsten Ratgeber zur Seite stehen, kannst du den Lauf der Dinge nicht
mehr   zu   deinen   Gunsten   verändern.   Daher   habe   ich   von   Unternehmungen   gehört,   die   zwar
ungeschickt,  aber  schnell  waren,  aber  ich  habe  nie  eine  gesehen,  die  geschickt  und  langwierig
gewesen wäre. 
6. Eine langwierige militärische Operation war für eine Nation noch nie von Vorteil.

7. Daher können jene, die sich der Nachteile eines Einsatzes von Waffen nicht voll und ganz bewusst
sind, sich auch der Vorteile eines Einsatzes von Waffen nicht voll und ganz bewusst sein.
8. Jene, die das Militär vortrefflich einsetzen, heben Truppen nicht zweimal aus und transportieren
den Proviant nicht dreimal.
9. Wenn du die nötige Ausrüstung aus deinem eigenen Land mitnimmst und dich, was den Proviant
betrifft, auf den Feind verlässt, kannst du über reichlich Ausrüstung und Vorräte verfügen.
10. Wenn ein Land durch  eine militärische Operation verarmt, dann deswegen, weil es den Nach­
schub an einen weit entfernten Ort befördert. Transportiere den Nachschuh an einen weit entfern­
ten Ort, und die Bevölkerung wird in Armut versinken.
11. Jene, die in der Nähe des Heeres leben, verkaufen zu hohen Preisen. Und hohe Preise lassen den
Reichtum des Volkes schwinden.
12. Sind die Reserven erschöpft, wird die Bauernschaft mit schweren Forderungen belastet
13. Mit   dem   Verlust   der   Substanz   und   Erschöpfung   der   Stärke   werden   die   Steuern   unter   Druck
eingetrieben. Sind Kraft und Güter aufgezehrt, dann blutet das eigene Land aus. Das gewöhnliche
Über die Kriegführung

Volk büßt nicht nur 30%, sondern sogar bis zu 70% Prozent seines Einkommens ein, währende die
Ausgaben   der   Regierung   für   zerbrochene   Streitwagen,   erschöpfte   Pferde,   Brust­Panzer   und
Helme,   Bögen   und   Pfeile,   Speere   und   Schilder,   bewegliche   Schutzschilder,   Oxenkarren   und
schwere Wagen bis zu 40% des gesamten Einkommens ausmachen.
14. Daher strebt ein weiser General danach, sich die Lebensmittel beim Feind zu verschaffen. Jedes
Pfund Nahrung, das dem Feind abgenommen wird, wiegt zwanzig Pfund Nahrung auf, für die
du selbst aufkommen musst. [Weil 20 Wagenkarren mit Ladung verbraucht werden beim Transport an
die Front. Ein PICUL sind 65.6 Kilogramm.]
15. Was den Gegner vernichtet, ist Zorn; was zur Erbeutung der Habe des Feindes führt, ist Beloh­
nung.  [Tu Mu sagt: "Belohnungen sind notwendig, um Soldaten den Vorteil des Sieges über den Feind
klar zu machen. Deswegen, wenn Du Güter des Feindes erbeutest, verwende sie als Belohnungen, sodaß alle
deine Leute ein starkes Verlangen haben, zu kämpfen, jeder für seinen persönlichen Vorteil."]
16. Daher belohne im Falle einer Wagenschlacht denjenigen, der als erster mindestens zehn Wagen er­
obert. Tausche ihre Farben aus und mische die erbeuteten Wagen unter die deinen. Behandle die
gefangenen Soldaten gut und nimm dich ihrer an.
17. Dies heißt, den Sieg über den Gegner zu erringen und obendrein die eigene Kraft zu stärken.
18. Daher ist das Wichtigste in einer militärischen Unternehmung der Sieg und nicht unnotig in die
Läge gezogene Aktionen.
19. Daher missen wir, dass der Anführer der Armee die Verantwortung für das Leben der Menschen
trägt und über die Sicherheit des Staates entscheidet.  [Wie Ho Shih bemerkt: "Krieg ist kein Kleck­
erkram.”  Sun Tsu erinnert hier an nochmals an Kapitel I, an welches hier nochmals erinnert werden soll.]

3  Über das Planen einer Belagerung

1. Sun Tsu: Die allgemein gültige Regel für den Einsatz des Militärs lautet: Es ist besser, eine Nation
unversehrt zu belassen als sie zu zerstören. Es ist besser, eine Armee unversehrt zu belassen als sie
zu vernichten; es ist besser, eine Division unversehrt zu belassen als sie zu vernichten; es ist bess­
er, eine  Abteilung  unversehrt  zu  belassen  als  sie  zu vernichten;  es  ist besser,  eine  Einheit  un­
versehrt   zu   belassen   als   sie   zu   vernichten.  [Das   Äquivalent   eines   Armee­Chors,   wie   Ssu­ma   Fa
berichtet, besteht aus 12500 Männern, Ts'ao Kung schreibt, ein Regiment besteht aus 500 Männern, eine
Abteilung aus 100 bis 500 Männern, eine Kompanie aus 5 bis 100 Männern. Für die letzten beiden, gibt
Chang Yu exakte Zahlen von 100 bis 5 Männern an.]
2. Daher beweisen jene, die jede Schlacht gewinnen, nicht wirklich höchstes Geschick. [Hier wird mal
wieder klar, daß kein moderner Stratege die Worte dieses alten, chinesischen Generals bestätigen würde.
Moltge's größter Triumph ist die Kapitulation der kompletten französischen Armee bei Sedan, quasi ohne
Blutvergießen.] Jene, die die gegnerische Armee hilflos machen, ohne es zu einem Kampf kommen
zu lassen, sind die wahrhaft Vortrefflichen.
3. Die höchste Kunst eines Generals ist die gegnerischen Pläne zu verhindern.  [Ho Shih drückt das
sehr klar aus: „ Wenn ein Feind einen Angriff gegen uns plant, müssen wir ihm zuvor kommen, indem wir
zuerst unseren Angriff ausführen.]
Die   nächstbeste   Strategie   ist   es,   Zusammenschlüsse   der   gegnerischen   Kräfte   zu   verhindern
[Isoliere ihn von seinen Alliierten. Wir dürfen nicht vergessen, daß Sun Tsu, wenn er von Feindschaften re­
det, er immer im Kopf hat, daß China damals in unzählige Staaten, Fürstentümer aufgeteilt war.]
Die nächstbeste  Strategie  besteht  darin, die Armee  auf offenem Feld  anzugreifen.  [Wenn  er bei
vollen Kräften ist]
Die schlechteste  Strategie besteht darin, eine befestigte Stadt anzugreifen. 
 Über das Planen einer Belagerung

4. Zur Belagerung einer Stadt darf es nur dann kommen, wenn kein anderer Ausweg bleibt.  [Noch
ein gewichtiges Stück Militärtheorie: „ Another sound piece of military theory” . Die Boers handelten nach
dieser Devise 1899 und vermieden die Aufspaltung ihrer Kampfkraft vor Kimberley, Mafeking oder sogar
Ladysmith; es ist mehr als wahrscheinlich, daß sie die die Situation gemeistert hätten, bevor die Briten ern­
sthaft die Bereitschaft hatten, sich ihnen entgegenzustellen.] Die Vorbereitung der Schutzrüstungen, be­
weglichen   Schutzschilder   und   verschiedenem   Kriegszubehör   wird   bis   zu   drei   Monaten   in
Anspruch nehmen. [Es ist nicht ganz klar, was das chinesische Wort „ mantlets”  beschreibt.  Ts'ao Kung
definiert es einfach als „gro ße Schutzschilder”,  aber Li Ch'uan  meint, daß sie die Köpfe der Angreifer auf
befestigte Städte schützen auf kurze Distanzen. Tatsächlich scheint es dem römischen TESTUDO gleich
zukommen.   Tu   Mu   sagt,   daß  sie   räderne   Vehikel   wären,   um   Angriffe   abzuwehren,   was   Ch'en  Hao
verneinte. Siehe supra II. 14. Der Name wird auch für Verteidigungstürme auf Stadtmeuern
verwendet.   Von   den   „ beweglichen   Schutzschilden”   bekommen   wir   eine   sehr   klare
Beschreibung  von mehreren  Kommentatoren. Diese  waren  hölzerne, Wurfgeschosse   ab­
wehrende   Karren   auf   vier   Rädern,   angetrieben   von   innen,   bedeckt   mit   einfachem
Sichtschutz, um bei Belagerungen Männer von und zu den Schutzwällen zu bringen, die
dann den umgebenden Wassergraben mit Erde füllen sollten. Tu Mu fügt hinzu, daß sie
nun „hölzerne Affen”  genannt wurden.]  und   das   aufschütten  von   Rampen  zur   Mauer   hin
wird weitere drei Monate dauern.[Dies waren große Hügel oder Rampen aus Erde, gegen die feindlichen
Mauern aufgeschüttet, um die Schwächen in der Verteidigung entdecken zu können, aber auch um die ver­
stärkten Verteidigungstürme zu zerstören, die im vorhergehenden Kommentar erwähnt sind.]
5. Kann der General  seinen Zorn nicht kontrollieren, wird er seine  Leute  einen Schlag ausführen
lassen, wie ausschwärmende Ameisen [Dieses frische Grinsen von Ts'ao Kung stammt von dem Spek­
takel von Ameisen, die eine Wand erklimmen. Die Bedeutung ist, daß der General, der die Geduld verliert
nach einer langen Pause in Gefahr läuft, daß er den Platz stürmt, bevor seine Kriegsmaschinerie fertig ist.]
mit dem Resultat, daß 1/3 seiner Soldaten vernichtet sind, ohne daß die Stadt eingenommen wer­
den konnte. Dies sind die verheerenden Effekte einer Belagerung. [Dies erinnert uns an die fürchter­
lichen Verluste der Japener vor Port Arthur, einer nahe zurückliegenden Belagerung der Geschichte.]
6. Daher besiegt der, der die Kunst des Krieges beherrscht, die feindlichen Truppen ohne Kampf; er
bezwingt die Städte der anderen ohne Belagerung; er zerstört das Königreich der anderen durch
kurz angelegte Operationen im Feld.  [Chia Lin bemerkt, daß er nur die Regierung überwindet, ohne
Menschen zu verletzen. Das klassische Beispiel ist Wu Wang, der, nachdem er die Yin Dynastie beendet
hat, sich selber „ Vater und Mutter des Volkes”  bezeichnen ließ]
7. Mit  intakten  Streitkräften  kann  er  die Führung  der  Herrschaft  angreifen,  ohne  auch nur einen
Mann zu verlieren, und der vollständige Triumph ist sein. [Berücksichtigt man die Doppeldeutung im
chinesischen Text, so hat der zweite Teil dieses Satzes noch eine weitere Bedeutung: „Und  so, ohne die Waf­
fen  verschlissen  zu  haben,  bleibt  die  Motivation  erhalten"]  Die  ist  die  Methode  des  Angriffs   durch
Strategie. 
8. Die Regel für den Einsatz des Militärs lautet: Wenn du dem Gegner zehn zu eins überlegen bist,
dann umzingle ihn; wenn du ihm fünf zu eins überlegen bist, dann greife an [Geradeheraus, ohne
auf irgendeinen Vorteil zu warten]; wenn du ihm zwei zu eins überlegen bist, zerteile deine Armee in
zwei Hälften. [Tu Mu nennt eine Ausnahme zu diesem Sprichwort, und, auf den ersten Blick, scheint es
tatsächlich so, also wäre dies eine Verletzung der fundamentalen Prinzipien im Krieg. Ts'ao Kung gibt uns
ein „Pack­ An”  zu Sun Tsu's Meinung: „ Bei einem Verhältnis von 2:1 gegenüber dem Gegner, kann man
einen Teil der Armee in einem regulären Angriff nehmen, und den anderen für spezielle Angriffe. Chang
Yu erhellt diesen Punkt weiter: „Wenn  deine Kräfte doppelt so zahlreich sind, wie die des Feindes, teile sie
in zwei Hälften, greife mit einer den Feind frontal an, und mit der anderen falle ihm in den Rücken; Wenn
er auf den Frontalangriff antwortet, kann er von hinten zerstört werden, wenn er sich auf den Angriff von
 Über das Planen einer Belagerung

hinten konzentriert, wird er von vorne zerstört.”  Tu Mu versteht nicht, daß das Aufteilen einer Armee eine
reguläre, strategische Methode ist, hält dies für eine irreguläre, und vielleicht etwas voreilig nennt er dies
einen Fehler.]
9. Bist du gleich stark wie dein Feind, dann kämpfe, wenn du dazu in der Lage bist.[Li Ch'uan, gefol­
gt von Ho Shih, gibt uns folgenden Ratschlag: „  Wenn Angreifer und Angegriffener zahlenmäßig ebenbür­
tig sind, wird nur ein fähiger General kämpfen."].  Bist du ihm zahlenmäßig unterlegen, dann halte
dich von ihm fern, wenn du dazu in der Lage bist. [Die Bedeutung: „ Wir können den Feind beobacht­
en”   ist   bestimmt   eine   große   Verbesserung   des   obigen   Ratschlages;   leider   ist   diese   Variante   nicht
empfehlenswert. Chang Yu erinnert uns daran, daß das Sprichwort nur dann anwendbar ist, wenn alle an­
deren Faktoren  vergleichbar sind; nur ein kleiner Unterschied in den Zahlen kann ausgeglichen werden
durch überlegene Energie und Disziplin.] Bist du ihm nicht gewachsen, dann fliehe, wenn du dazu in
der Lage bist.
10. Wenn also die schwächere Seite hartnäckig ist, gerät  sie letztendlich in die Gefangenschaft des
stärkeren Gegners.
11. Generäle sind die Gehilfen der Nation. Unterstützen sie das Land vollkommen, ist es stark. Unter­
stützen sie das Land mangelhaft, ist es schwach. [Wie Li Ch'uan es kurz auf den Punkt bringt: „Ab ­
stand zeigt Mängel an; wenn die Fähigkeiten des Generals nicht perfekt sind (z.B. wenn er nicht versiert ist,
in seinem Beruf), wird seine Armee Schwächen zeigen”]
12. Die Führung kann also das Heer auf dreifache Weise in Bedrängnis bringen: 
1. Eine Armee befehligen, vorzustoßen, oder zurückzuziehen, aber den Fakt ignorieren, daß die
Armee nicht gehorcht. Dies wird „ hinken der Armee”  genannt.  [Li Ch'uan fügt hinzu: „Es  ist,
also ob man einem Rennpferd die Beine zusammenbinden würde, damit es nicht gallopieren kann”.  Man
denkt unweigerlich daran, daß der Führer zuhause wäre, und versucht, von dort aus, aus der Distanz,
seine Armee zu befehligen. Die Kommentatoren hingegen verstehen genau das Gegenteil, und zitieren
T'ai Kung: „Ein  Königreich sollte nicht von außen regiert werden, und eine Armee nicht von innen
geführt werden”.  Natürlich ist es wahr, daß, während einer Aktion, oder wenn der Feind nähert, der
General nicht in der Mitte seiner Truppen sein sollte, sondern eine kleine Distanz weiter weg. Andern­
falls trägt er die Verantwortung, falls er die Lage falsch einschätzt, und falsche Befehle erteilt.]
2. Zu versuchen, eine Armee in der gleichen Weise zu führen, wie ein Königreich verwaltet wird,
ohne zu wissen, welche Bedingungen in der Armee herrschen. Dies führt zu Rastlosigkeit (Ver­
wirrungen) in der Armee. [Ts'ao Kung's Bemerkung hierzu ist, frei übersetzt: Militär und Zivilisten
unterscheiden sich völlig voneinander; man kann nicht eine Armee mit Kinderhandschuhen anpacken.”
Chang Yu sagt: „Human ität und Gerechtigkeit sind die Grundprinzipien der Führung eines Staates,
aber   nicht   die   einer   Armee;   Opportunismus   und   Flexibilität,  auf   der   anderen   Seite,   sind   eher   mil­
itärische, als zivile Tugenden, um einen Vergleich zwischen Armme und Staat anzustellen.]
3. Offiziere einer Armee ohne genaue Unterscheidung zu befehlen, [Was heißen soll, daß er nicht
sorgfältig den richtigen Mann am richtigen Platz einsetzt.]  durch Mißachtung des Prinzipes, sich
den Umständen anzupassen, dies erschüttert das Vertrauen der Soldaten.  [Ich folge hier Mei
Yao­Ch'en. Die anderen Kommentatoren beziehen sich nicht auf die Regel, wie in SS. 13,14 beschrieben,
aber auf die Offiziere, die er befiehlt: Tu Yu sagt: „Wenn  ein General die Prinzipien der Anpassung ig­
noriert, dann darf diesem in seiner Eigenschaft als Autorität nicht vertraut werden. Tu Mu zitiert: „Der
fähige Befehlende wird selber weise Männer befehlen, der tapfere nur tapfere, der dumme die Dummen.
Der weise Mann versucht, seinen Geist umzusetzen, der tapfere mag es, Mut zu beweisen, der begierige
Mann ist schnell darin, Vorteile zu erlangen, und der dumme Mann hat keine Angst vor dem Tode”.]
 Über das Planen einer Belagerung

13. Sobald die Armee verwirrt und mißtrauisch ist, wird es Schwierigkeiten mit Rivalitäten geben.. In
diesem Fall spricht man davon, dass der Sieg weggenommen wird, weil in der Armee Anarchie
herrscht.
14. Es gibt also fünf Wege, die erkennen lassen, wer siegen wird:
1. Jene, die wissen, wann sie kämpfen und wann sie nicht kämpfen sollen, werden siegen. [Chang
Yu sagt: Wenn er kämpfen kann, wird er fortschreiten und die Offensive übernehmen. Wenn er nicht
kämpfen kann, wird er sich zurückziehen, und verbleibt in der Defensive. Er wird unweigerlich erobern,
wenn er genau weiß, wann er in die Offensive gehen muß, oder in der Defensive verbleibt.]
2. Jene, die wissen, wann sie überlegene und unterlegene Kräfte wo einsetzen können, werden
siegen. [Dies bezieht sich nicht hauptsächlich auf die Fähigkeit des Generals, Zahlen genau schätzen zu
können, wie Li Ch'uan und andere feststellten. Chang Yu erweitert dies, indem er sagt: „Indem  man
„Art  of   War”   anwendet,   kann   man  mit   kleineren  Kräften   sich   gegen  eine  größere  verteidigen,  und
umgekehrt. Das Geheimnis liegt in einem genauen Auge für die Umgebung, und darin, den richtigen
Moment nicht zu verpassen. So sagt Wu Tzu: „ Mit einer überlegenen Streitmacht bewege dich auf le­
ichtem Grund, mit einer unterlegenen auf schwierigem Grund.]
3. Jene, deren  obere  und  untere  Ränge  die  gleichen  Ziele  verfolgen,  die  denselben  Teamgeist,
Mannschaftsgeist besitzen, werden siegen. 
4. Jene, die dem Unvorbereiteten vorbereitet entgegentreten, werden siegen. 
5. Jene,   deren   Generäle   fähig   sind   und   nicht   von   ihrer   Regierung   behindert   werden,   werden
siegen. [Tu Yu zitiert Wang Tzu, der sagt: „Es  ist die Funktion des Souveräns, allgemeine Instruktio­
nen zu geben, aber es ist Aufgabe des Generals, im Kampf zu entscheiden. Es ist unnötig, auf die mil­
itärischen Katastrophen hinzuweisen, die dadurch zustande gekommen sind, daß Operationen im Kampf
durch Anweisungen der Regierung  gestört worden sind. Napoleon  hatte unzweifelhaft außergewöhn­
lichen Erfolg dadurch, daß er nicht von einer zentralen Autorität behindert wurde.]
Dies sind die fünf Wege, die erkennen lassen, wer siegen wird.
15. Deshalb heißt es: Wenn du die anderen und dich selbst kennst, wirst du auch in hundert Schlacht­
en nicht in Gefahr schweben; wenn du die anderen nicht kennst, aber dich selbst kennst, dann
siegst du einmal und verlierst einmal;  [Li Ch'uan erwähnt einen Fall von Fu Chien, dem Prinz von
Ch'in, der im Jahre 383 v. Chr., der mit einer riesigen Armee gegen den Chin Kaiser auszog. Als er gewarnt
wurde, niemals einen Gegner zu verachten, der selber Schutztruppen befehligen könnte, wie die von Hsieh
An und Huan Ch'ung, so erwiderte dieser überheblich:  "Ich habe die Bevölkerung von acht Provinzen hin­
ter mir, Infantrie und Reiterei von bis zu einer Million Männern; Warum? ­ sie könnten höchstens den
Yangtsze Fluß selber aufstauen, indem sie vielleicht ihre Peitschen in den Strom schmeißen. Welche Gefahr
hätte ich zu fürchten?”  Dennoch wurden seine Streitkräfte vernichtend beim Fei Fluß geschlagen, und er
selber wurde zu einem hastigen Rückzug gezwungen] wenn du die anderen nicht kennst und dich selb­
st nicht kennst, dann wirst du in jeder einzelnen Schlacht in Gefahr sein [Chang Yu sagte: "Kennst
Du den Feind, so kannst Du in die Offensive gehen, wenn Du nur dich selber kennst, stehst Du in der De­
fensive.”  Er fügt hinzu: „Angrif f ist das Geheimnis der Verteidigung; Verteidigung ist das Planen einen
Angriffes”  Es wäre wohl schwierig, einen Ersatz für dieses Grundprinzip des Krieges zu finden.]

4  Taktische Entscheidungen

[Ts'ao Kung erklärt die chinesische Bedeutung dieser Worte für den Titel dieses Kapitels so: „Marsch ieren
und Entgegenmarschieren zweier Armeen mit einem Blick auf den Zustand der jeweils anderen.”  Tu Mu
sagt: „ Es liegt in den Eigenschaften einer Armee, daß ihre Stärke ausgespäht wird. Verberge diese Eigen­
 Taktische Entscheidungen

schaften, und die Stärke wird vielleicht verborgen bleiben. Zeige deine Eigenschaften, und deine Stärken
werden aufgedeckt, was zu einer Niederlage führt.”  Wang Hsi bemerkt, daß ein guter General vermag den
Erfolg sichern, indem er seine Taktik so verändert, daß er diese denen des Feindes anpasst.” ]
1. Sun Tsu sagt: „Di e guten, erfahrenen Kämpfer berücksichtigen die Möglichkeit einer Niederlage,
und warten geduldig auf eine Gelegenheit, den Gegner zu schlagen.”
2. Unbesiegbarkeit  liegt in deinen  Händen, die Möglichkeit, den Feind  zu schlagen,  liegt  in dem
Gegner selber. [Was bedeutet, daß dies natürlich durch einen Fehler auf der Gegenseite verursacht ist.]
3. Ein guter Kämpfer kann sich gegen eine Niederlage absichern;   [Chang Yu sagt, daß man dies erre­
icht, indem man: „ die Stärke der Truppen verbirgt, die Spuren des Gegners aufdeckt, und nicht zu pari­
erende Vorkehrungen trifft.”]   aber er kann einen Sieg nicht sichern.
4. Daher sagt man: Man mag wissen, wie man erobert, ohne jedoch in der Lage zu sein, es zu tun.
5. Sich gegen  Niederlage  abzusichern  erfordert  defensive  Taktiken;  die  Fähigkeit,  den  Gegner zu
schlagen, erfordert offensive Taktiken.[Ich behalte den Sinn einer ähnlichen Passage bei (in SS.1­3), ob­
wohl die Kommentatoren alle gegen mich sind. Die Bedeutung, die sie angeben, ist: „ Derjenige, der nicht
erobern kann, erleidet eine Niederlage” , ist plausibel genug.”]
6. In der Defensive stehen ist ein Zeichen mangelnder Stärke; Angriff ein Zeichen der Stärke.
7. Derjenige General, der geschickt in der Verteidigung ist, verbirgt alle Geheimnisse unter der Erde;
[Wortwörtlich:   "versteckt   sich   unter   der   neuten   Erde”,   welches   eine   Metapher   ist,   die   für   äußerste
Geheimhaltung und Verborgenheit steht, sodaß der Feind nicht weiß, woran  er ist.]  derjenige, der Er­
fahren in Angriffen ist, schießt hernieder von den höchsten Höhen des Himmels. [Noch eine Meta­
pher, die besagt, daß er auf den Feind wie ein  Wirbelsturm herniederfährt, ohne daß dieser Zeit hat, sich
vorzubereiten. Dies ist die Meinung der meisten Kommentatoren.] So haben wir auf der einen Hand die
Fähigkeit, uns selber zu verteidigen, auf der anderen können wir einen vollständigen Sieg errin­
gen.
8. Wer den Sieg sieht, nur dann, wenn er innerhalb des von der Allgemeinheit sichtbaren Horizontes
ist, der stellt nicht den Gipfel der Exzellenz dar.[Wie Ts'ao Kung bemerkt: „d er Punkt ist, daß man die
Pflanze  schon  sieht,   bevor  sie   zu  keimen   beginnt,”  ein  Ereignis   vorherzusehen,   bevor  es  stattfindet.   Li
Ch'uan bezieht sich auf eine Geschichte von Han Hsin, der, als er dabei war, die völlig überlegene Armee
von Chao anzugreifen, die sich sehr enttäuscht in der Stadt Ch'eng­an befand, sagte zu seinen Offizieren:
„Gentlemen , wir werden den Feind ausradieren, und uns hier wieder zum Abendessen treffen.”  Die Of­
fiziere nahmen seine Worte ernst, und gaben in Zweifel ihre Zustimmung.  Aber Han Hsin hatte in seinem
Kopf die Details einer klugen Strategie ausgetüftelt, womit, wie er vorhersah, er in der Lage war, die Stadt
zu nehmen, und seinem Feind eine zerstörerische Niederlage hinzuzufügen."]
9. Es   ist   sicher   kein   Gipfel   der   Exzellenz,   wenn   Du   kämpfst   und   das   ganze   Empire   sagt:   „G ut
gemacht!”. [Wahre Exzellenz ist, wie Tu Mu sagt: "geheim planen, unsichtbar bewegen, die Absichten des
Feindes vereiteln, seine Handlungen vereiteln, sodaß an eines Tages man gewinnt, ohne daß ein Tropfen
Blut vergossen wurde.”  Sun Tzu hält sich bei der Zustimmung zu Dingen zurück, wobei „ der Welt rauher
Daumen und Finger zu Blei werden.” ]
10. Es bedarf keiner großen Stärke, um ein Haar im Herbst aufzuheben; ["Haar im Herbst" ist das Fell
eines Tieres, welches am feinsten ist im Herbst, bevor es kalt wird. Dieser Ausdruck ist sehr weit verbreitet
bei chinesischen Autoren] es bedarf keiner scharfen Augen, um Sonne und Mond zu sehen, es bedarf
keiner   schnellen   Ohren,   um   einen  Donnerschlag   zu  hören.[Ho   Shih   gibt  ein   Beispiel  von   Stärke,
Scharfsicht und „ schnellem Ohr” : Wu Ho konnte einen Dreifuß heben, der 250 Steine wog, Li Chu konnte
auf der Distanz von 100 paces Objekte der Größe einer Haarwurzel sehen, und Shih K'uang, ein blinder
Musiker konnte die Schritte einer Mücke hören.]
 Taktische Entscheidungen

11. In alten Zeiten waren diejenigen  als geschickte Krieger bekannt, die nicht nur siegten, sondern


den Sieg auch mit Leichtigkeit nach Hause trugen. [Der zweite Teil lautet wortwörtlich: „derjeni ge, er­
obernd, ragt heraus durch Eroberung mit Leichtigkeit.”  Mei Yao­ch'en sagt: „Derje nige,  der das Offen­
sichtliche sieht, gewinnt seinen Kampf mit Schwierigkeiten, derjenige, der unter die Oberfläche der Dinge
schaut, gewinnt mit Leichtigkeit.” ]
12. Daher bringen den vortrefflichen Kriegern ihre Siege weder Ruhm für  ihre Klugheit noch An­
erkennung für ihren Mut ein. [Tu Mu erklärt das sehr gut: „So lange die Umstände für den Sieg nicht
ans Licht kommen, die Welt nichts darüber weiß, wird er keinen Ruhm für seine Weisheit ernten; und wenn
der eroberte Staat aufgegeben hat, bevor es zum Blutvergießen kam, erntet er keine Anerkennung für seinem
Mut.]

13. Man gewinnt seine Schlachten, indem man keinen Fehler begeht. [Ch'en Hao sagt: „Man  plant keine


überflüssigen Märsche, man plant keine zwecklosen Angriffe. Die Verbindung von Ideen erklärt Chang Yu
so: „ Derjenige, der versucht, durch pure Stärke zu erobern, mag klug sein, einen großen Kampf zu gewin­
nen, mag auch verantwortlich sein, gelegentlich besiegt zu werden, während derjenige, der in die Zukunft
schauen kann, und Bedingungen erkennt, die noch nicht offenkundig sind, wird niemals einen Schnitzer
begehen, und daher stets konstant gewinnen. ] Keine Fehler zu machen, ist dasjenige, was die Gewis­
seheit eines Sieges sicherstellt, was bedeutet, daß man einen Feind erobert, der schon bereits ver­
loren hat.
14. Deshalb bezieht ein geschickter Krieger eine Stellung auf einem Terrain, auf dem er unbesiegbar
ist, und verpasst den günstigen Moment nicht, den Feind zu schlagen.  [“Ein  Rat zur Perfektion”,
wie Tu Mu richtig beobachtet. „E ine Stellung”  ist nicht auf den aktuellen Boden begrenzt. Sie enthält auch
Einrichtungen und Vorbereitungen, welche die Sicherheit einer Armee erhöhen.]
15. Daher gewinnt eine siegreicher Stratege zuerst und sucht dann erst den Kampf; hingegen ist der­
jenige zur Niederlage bestimmt, der erst kämpft, und dann erst versucht, zu gewinnen.[Ho Shih
erklärt das Paradox so: „ Im Krieg, stelle erst Pläne auf, die den Sieg sichern, und dann führe deine Armee
in den Kampf; wenn Du nicht mit der Strategie beginnst, und dich auf pure Stärke alleine verläßt, ist dir
der Sieg nicht sicher."]
16. Ein vollendeter Führer kultiviert das moralische Gesetz (TAO) und befolgt ausschließlich Meth­
ode und Disziplin; so liegt es in seiner Macht, den Erfolg zu kontrollieren.
17. Betrachtet   man   die   militärische   Methode,   so   haben   wir   hier   zuerst   „Augen maß,   danach
„S chätzung der Quantitäten”,  drittens „B erechnung”,  viertens „Ausgleic hen von Chancen” , fün­
ftens – den Sieg.
18. Augenmaß verdankt seine Existenz „Erde”;  die Schätzung der Stärke dem Augenmaß; Ausgle­
ichen von Chancen der Berechnung; und der Sieg dem Ausgleichen von Chancen. [Esist nicht ein­
fach, die vier Bezeichnungen auf chinesisch klar zu unterscheiden. Die erste scheint ein Überblick zu sein,
eine Einschätzung des Terrains, was uns eine Vorstellung davon gibt, wie stark der Gegner sein kann, um
damit dann Kalkulationen anzustellen, die auf den Daten berühen, die so gewonnen wurden; wir werden
dann zu einem allgemeinen Aufwiegen geführt, was den Vergleich unserer eigenen Chancen mit denen des
Gegners vergleicht; wenn letzteres die Waagschale umschwenken läßt, dann ist der Sieg sicher. Die größte
Schwierigkeit liegt in dem dritten Begriff, den die Kommentatoren als Berechnung von Zahlen auffassen,
der fast ein Synonym für den zweiten Begriff darstellt.Vielleicht sollte der zweite Term als Betrachtung der
generellen positionellen oder konditionellen Stärke des Feindes betrachtet werden, wobei der dritte Term die
Schätzung der zahlenmäßigen Stärke ist. Andererseits sagt Tu Mu: „Die  Frage der relativen Stärke, wenn
einmal ermittelt, wird noch durch die mannigfaltigen Möglichkeiten  der Verschlagenheit erweitert.”  Ho
Shih unterstützt diese Deutung, schwächt sie aber gleichzeitig. Jedenfalls ist der dritte Term eine zahlen­
mäßige Berechnung.]
 Taktische Entscheidungen

19. Daher ist eine siegreiche Armee, einer völlig besiegten Armee entgegenstehend, wie ein Pfund,
aufgewogen gegen ein Gramm; eine unterlegene Armee ist wie ein Gramm, aufgewogen gegen
ein Pfund. [Wortwörtlich: „ Eine siegreiche Armee ist wie ein „I”  (20 oz.) aufgewogen gegen einen „S HU”
(1/24  oz.);  eine  völlig besiegte   Armee  ist  ein  SHU  gewichtet  gegen  ein  „ I”.  Der  Punkt   ist  einfach  ein
enormer Vorteil einer disziplinierten Streitkraft, gebündelt mit einem  Sieg, hat mehr als einen demoral­
isierenden Vorteil, als die Niederlage.”  Legge, in seiner Bemerkung über Menicus, I.2. ix.2, macht aus dem
I = 24 chinesische Unzen, korrigiert Chu Hsi's Standpunkt, daß 1 I = 20 Unzen nur betragen würde. Aber
Li Ch'uan, aus der T'ang Dynastie, bestätigt die Aussage von Chu Hsi.]
20. Der   Ansturm   einer   erobernden   Streitkraft   ist   wie   das   Wasser   eines   berstenden   Staudammes,
welches tausend Faden tief in den Abgrund stürzt.

5  Energie

1. Sun Tzu sagt: Die Führung einer großen Anzahl ist wie die Führung einer kleinen Anzahl; es ist
eine Sache der Aufteilung in Gruppen.  [Was heißen soll, daß die Armee in Regimenter, Kompanien,
e.t.c. Aufgeteilt wird, mit untergeordneten Offizieren in jeder Einheit. Tu Mu erinnert uns an Han Hsin's
berühmte Antwort auf die des ersten Han Herrscher, der einst zu ihm sagte: „Wie  groß könnte wohl eine
Armee sein, die ich führen kann?”  „Nich t mehr, als 100.000 Mann, Ihre Majestät”.  „Und  Du?” , fragte der
Herrscher. „Oh!”, antwortete  er, „ je mehr, umso besser!”.]
2. Ein Kampf gegen eine große Anzahl ist wie ein Kampf gegen eine kleine Anzahl; es ist eher eine
Frage der Einsatzes von Zeichen und Signalen.
3. Um sicher zu sein, daß die Armee dem Hauptgewicht eines feindlichen Angriffs ohne Schaden
standhält – erreicht man die durch direkte und indirekte Manöver.[Wir kommen nun zu dem interes­
santesten Teil von Sun Tsu's Abhandlung, der Diskussion des CHENG und des CH'I. Weil es nicht leicht
ist, die volle Bedeutung dieser beiden Worte zu verstehen, oder sie in gutes Englisch zu übersetzen, führe
ich hier noch einige Bemerkungen von Kommentatoren an, bevor ich weiter fortfahre:  Li Ch'uan: "Sich dem
Gegner stellen ist CHENG, seitliche Ablenkungen zu bilden ist CH'I. Chia Lin: "In Gegenwart des Feindes
sollten die Truppen in normaler Weise angeordnet sein, aber um einen Sieg zu sichern müssen ungewöhn­
liche Manöver durchgeführt werden." Mei Yao­ch'en: "CH'I ist aktiv sein, CHENG ist passiv sein; Passiv­
ität bedeutet, auf eine Gelegenheit zu warten, Aktivität bedeutet, den Sieg zu erringen." Ho Shih:  "Wir
müssen den Feind dazu veranlassen, einen Frontalangriff zu erwarten, als wäre er insgeheim geplant wor­
den, und umgekehrt. Daher mag CHENG auch gleichzeitig CH'I sein, und CH'I kann auch CHENG sein.”
Er führt hier die Hinterlist von Han Hsnin an, der, als er anscheinend gegen Lin­Chin marschierte (heute
Chao­I in Shensi), dieser plötzlich eine große Streitkraft über den Gelben Fluß in hölzernen Kanu's schickte,
und seinen Feind damit äußerst beunruhigte.[Ch'ien Han Shu, ch. 3.] Hier, so wird gesagt, war der Marsch
von Lin­Chin CHENG, und das Überraschungsmanöver war CH'I. Chang Yu gibt uns folgende Zusam­
menfassung seiner Ansichten hierzu: „Milit är­Berichterstatter simmten nicht mit dieser Betrachtung der
Bedeutung   von   CH'I  und   CHENG   überein.   Wei   Liao   Tzu   [4.   Jahrh.   v.   Chr.]   sagt:   „Direkt er   Kampf
bevorzugt Frontalangriffe, indirekter Kampf Angriffe von der Rückseite.”  Ts'ao Kung sagt: „Der  Gang in
einen   Kampf   ist   eine   direkte   Operation;   das   Erscheinen   auf   der   Hinterseite   des   Feindes   ein   indirektes
Manöver.”  Li Wei­kung [6./7. Jahrh. v. Chr.] sagt: „Im  Krieg, direkt geradeaus marschieren ist CHENG;
die   Veränderung   der   Bewegungsrichtung,   auf   der   anderen   Seite,   ist   CH'I.  Diese   Schreiber   betrachten
CHENG als CHENG und CH'I als CH'I; sie bermerken nicht, daß beide gegenseitg austauschbar sind, und
beide sich wie zwei Halbkreise ergänzen.”  [siehe infra, ss. 11]. Ein Kommentar über den T'ang Herrscher
T'ai Tsung geht dem auf den Grund: „E in CH'I Manöver mag CHENG sein, wenn wir dem Feind es als
CHENG erscheinen lassen; dann wird unser tatsächliches Manöver CH'I sein, und umgekehrt. Das ganze
Geheimnis liegt darin, den Feind zu verwirren, so daß er unsere wahre Absicht nicht ausloten kann.”  Um
 Energie

es vielleicht noch etwas klarer zu machen: Jeder Angriff oder andere Operation ist CHENG, bei welcher der
Gegner eine bestimmte Erwartungshaltung hatte; hingegen CH'I dasjenige ist, was ihn unvorbereitet trifft,
oder aus einer unerwarteten Ecke kommt. Falls der Feind eine Bewegung wahrnimmt, die CH'I sein sollte,
so wird diese unverzöglich zu CHENG."]
4. Die   Wucht   der   Streitkräfte   gleicht   Schleifsteinen,   die   man   gegen   Eier   wirft:   Dies   ist   die   Wis­
senschaft von „ Starke und Schwache Punkte”.
5. Im Kampf allgmein führt die direkte  Methode zur direkten Konfrontation, jedoch die indirekte
Methode ist diejenige, die den Sieg sichert.[Chang Yu sagt: "Entwickle ständig indirekte Taktiken, ent­
weder um den Feind in den Flanken oder von hinten anzugreifen.”  Ein billiantes Beispiel der „indir ekten
Taktiken”,  der über das Gelingen einer Operation entschied, war Lord Frederick Roberts' Nachtmarsch um
den Peiwar Kotal Pass herum in dem Afghanistankrieg.  [1] ]
6. Indirekte Taktiken, geschickt angewendet, sind unerschöpflich, wie Himmel und Erde, unendlich,
wie der Fluß der Flüsse und Ströme, wie Sonne und Mond, sie enden, um neu zu beginnen, wie
die vier Jahreszeiten, die kommen und gehen. [Tu Yu und Chang Yu verstehen dies als Permutation
von CH'I und CHENG. Aber in diesem Kapitel spricht Sun Tzu überhaupt nicht von CHENG, es sei denn,
in der Tat, nehmen wir mit Cheng Yu­Hsien gemeinsam an, daß eine Textpassage aus dem Text gefallen ist.
Natürlich, wie bereits herausgestellt, sind die beiden so untrennbar miteiandere verwoben bei allen Militär­
operationen, daß sie nicht getrennt betrachtet werden können. Hier haben wir, bildlich gesprochen, eine un­
endliche Quelle, aus dem ein guter Führer schöpfen kann.]
7. Angenommen, es gäbe nur fünf Noten auf der Tonleiter,  ihre Variationen jedoch ergeben mehr
Melodien, als man jemals anhören könnte.
8. Es existieren nicht mehr als fünf Grundfarben (blau, gelb, rot, weiß und schwarz), aber ihre Varia­
tionen sind unglaublich zahlreich.
9. Es gibt nur fünf grundsätzliche Geschmacksrichtungen (sauer, herb, salzig, süß, bitter), aber ihre
Variationen sind unglaublich zahlreich.
10. Es gibt nur zwei Arten von Angriff, den direkten und den indirekten Angriff, aber die Kombina­
tionen von beiden ergeben eine endlose Serie von Manövern.
11. Das direkte und indirekte führen aufeinander im Wechsel. Es gleicht einer Kreisbewegung – man
kommt niemals zu einem Ende, derjenige, der die Möglichkeiten der Kombinationen ausnutzen
kann.
12. Der Angriff der Truppen ist wie ein tosender Strom, desen Wucht sogar Steine mit sich reißt.
13. Die Qualität von Entscheidungen ist so: Wenn die Geschwindigkeit eines Falken groß ist, das er
zuschlagen und töten kann, dann liegt es an seiner Genauigkeit.  [Das Chinesich hier ist trickreich
und ein bestimmtes Wort im Kontext fordert einen Übersetzer sehr heraus. Tu Mu definiert dieses Wort als
„ die Messung oder Schätzung der Entfernung” . Aber die Bedeutung trifft nicht genau das illustrative Ze­
ichen in ss 15. Wendet man diese Definition auf den Falken an, so scheint es mir, daß der Instinkt der Selb­
stbegrenzung,  der  den  Vogel  davon  abhält,  sich  auf  seine  Beute zu stürzen, und  zwar  solange,  bis der
richtige Moment gekommen ist, zusammen mit der Energie des Beurteilens, wann der richtige Moment
gekommen ist. Analog liegt die Qualität eines Soldaten darin, solange sich beim Feuern zurückzuhalten, bis
zu dem Moment, wo es   am effektivsten ist. Als der Sieg bei Trafalgar mit Leichtigkeit errungen wurde,
waren die Gegner mehrere Minuten einem Feuersturm ausgesetzt, bevor sie auch nur einen Schuß abfeuern
konnten. Nelson wartete kühl, bis der Gegner nahe war, als der eine Breitseite anbrachte, die eine fürchter­
liche Verwüstung bei nächsten Feindschiffen anrichtete.]
14. Genauso verhält es sich mit einem vortrefflichen Krieger – er ist fürchterlich in seinem Angriff
und genau in seiner Entscheidung. [Das Wort „ Entscheidung”  (decision) könnte man mit „ den Feind
 Energie

nahe kommen lassen, bevor man zuschlägt”  beschreiben. Aber ich denke, daß Sun Tsu dieses Wort in dem
Sinn von „ kurz und scharf”  meinte.   Wang Hsi  bemerkte, nachdem er die Art des Angriffs eines Falken
beschrieb: „Dies  beschreibt, wie das 'psychologische Moment' im Krieg genutzt werden sollte"]
15. Seine Kraft ist schnell, seine Genauigkeit geht nicht fehl, seine Kraft gleicht einer straff gespannten
Armbrust, seine Genauigkeit gleicht dem Auslösen des Abzugs.
16. Unter dem Tumult und Schlachtgetöse mag es scheinende Unordnung geben, jedoch keine reale
Unordnung; Im Durcheinander und Chaos kann die Schlachtordnung ohne Kopf oder Ende sein,
dennoch bedeutet es keine Niederlage.[Mei Yao­ch'en sagt: "Die Unterabteilungen der Armee, die zu­
vor   festgelegt   wurden,   können   im   Verlauf   der   Schlacht   durch   die   verschiedenen,   vereinbarten   Signale,
durch Trennung und Verbindung, durch Zersteuen und Sammeln so aussehen, als wenn es Unordnung
geben würde, die real nicht gegeben ist. Deine Formation kann ohne Kopf­ oder Endstück sein, die Ein­
teilungen total auf den Kopf gestellt, und dennoch kann von einer Niederlage nicht gesprochen werden.”  ]
17. Simulierte   Unordnung   fordert   perfekte   Disziplin,   simulierte   Furcht   fordert   Mut,   simulierte
Schwächte   fordert   Stärke.  [Um   die   Übersetzung   klarer   verständlich   machen   zu   können,   war   es
notwendig, das scharfe Paradox des Originals etwas zu entschärfen. Ts'ao Kung deutet dessen Bedeutung
mit seiner kurzen Anmerkung an: „ Diese Dinge dienen dazu, eine Formation zu zerstören, und den eigenen
Zustand   zu   verbergen”   Aber   Tu   Mu   ist   der   erste,   der   es   einfach   auf   den   Punkt   bringt:   „Wenn   du
Durcheinander vortäuschen möchtest, um den Feind anzulocken, bedarf es einer perfekten Disziplin; wenn
du Furcht vortäuschen möchtest, um den Feind in eine Falle zu locken, mußt Du extremen Mut haben;
wenn Du Schwäche zeigen möchtest, um den Feind hochmütig zu machen, mußt du eine herausragende
Stärke haben"]
18. Einen  Auftrag  unter  der  Mantel  der   Unordnung   zu   verbergen,  ist  einfach  eine   Frage  der   Un­
terteilung; Mut hinter vorgetäuschter Furcht zu verbergen, setzt voraus, daß genügend latente En­
ergie vorhanden ist, um   Schwäche anstelle Stärke vorzutäuschen, indem taktische Einteilungen
vorgenommen werden.  [Die Kommentatoren verstehen hier das chinesiche Wort anders, als in anderen
Kapiteln. So sagt Tu Mu: „seh end, daß wir vollständig umstellt sind, und uns nicht bewegen, wird der
Feind glauben, daß wir Furcht haben. Chang Yu bezieht die folgende Anekdote von Kao Tsu, dem ersten
Han – Herrscher: „ Im Wunsch, Hsiung­Nu zu schlagen, sendet er Spione aus, die über den gegenerischen
Zustand  berichten. Aber Hsiung­Nu, vorgewarnt, verbarg alle kerngesunden Männer und wohlgenährten
Pferde und ließ nur zu, daß schwache Soldaten und ausgezehrtes Vieh gezeigt wird. Lou Ching allein hatte
etwas zu entgegnen: Wenn zwei Länder in Krieg ziehen, sind sie natürlich geneigt, ihre Stärke zu demon­
strieren. Dennoch haben unsere Spione nichts außer Alter und Schwäche gesehen. Dies ist sicher irgendeine
Täuschung  des  Feindes  und es  wird  unklug  sein, anzugreifen.  Der  Kaiser  jedoch,  warum  auch  immer,
mißachtete seinen Rat, ging in die Falle und fand sich plötzlich bei Po­Teng umzingelt wieder]
19. Wer   den   Feind   talentiert   in   Bewegung   hält,   hält   seine   täuschende,   äußere   Erscheinung   bei,
entsprechend so, wie der Feind agiert. [Ts'ao Kung's  Bermerkung lautet: "Zeige Schwäche und Absicht
nach außen.”  Tu Mu sagt: „ Wenn deine Streitkräfte denen des Gegners überlegen sind, sollte Schwäche
vorgetäuscht werden, um ihn anzulocken; falls du jedoch schwächer bist, dann soll er annehmen, daß wir
stark sind, durch die Zeichen, die wir auswählen und ihm zeigen, in der Hoffnung, daß er sich fernhält. Die
folgende Anekdote von Sun Pin, einem Nachkomme von Sun Wu, 341 v.Chr. Als der Ch'i Staat sich im
Krieg mit Wei befand, sendete er T'ien Chi und Sun Pin gegen General P'ang Chuan, der später Todfeind
des letzteren wurde. Sun Pin sagte: „ Der Ch'i Staat ist bekannt für Feigheit, folglich verachtet unser Gegn­
er uns. Daher laßt uns diesen Umstand für uns nutzen”.  Entsprechend, als die Armee die Grenze zum Wei
Territorium gekreuzt hatte, gab er Befehl, 100.000 Lichter zu entzünden in der ersten Nacht, 50.000 in der
zweiten und 20.000 in der 3. Nacht. P'ang Chuan verfolgte dieses interessiert, sagte zu sich: „Ich  weiß, daß
diese Männer von Ch'i Feiglinge waren, ihre Zahl hat sich mehr als halbiert. Bei seinem Rückzug kam Sun
Pin an einen schmalen Paß, und er kalkulierte, daß seine Verfolger diesen erst im Dunkeln erreichen wür­
den. Er ließ von einem Baum die Rinde abschälen und schrieb dort hinein: „Un ter diesem Baum wird P'ang
 Energie

Chuan sterben”.  Dann, als die Nacht einbrach, positionierte er starke Bogenschützen in der Nähe, mit dem
Auftrag, sofort zu schießen, sobald sie ein Licht sehen. Später, als P'ang Chuan an dem Punkt ankam, den
Baum bemerkte, zündete er ein Licht an, um zu sehen, was darauf geschrieben stand. Sein Körper war sofort
von einer Salve Pfeilen durchbohrt, und seine ganze Armee zerschlagen. Dies ist Tu Mu's Version  der
Geschichte; Im SHIN CHI, weniger dramatisch, aber vielleicht historisch korrekter, schneidet sich P'ang
Chuan selber die Kehle durch, mit einem Ausdruck von Verzweifelung, nachdem seine Armee vernichtet
war].  Er opfert etwas, wonach der Feind schnappen kann.
20. Durch das Auswerfen von Ködern hält er ihn in Bewegung; mit einigen ausgewählten Männern
liegt er auf der Lauer.
21. Der kluge Kämpfer schaut auf den Effekt der kombinierten Kräfte und fordert nicht zuviel von je­
dem einzelnen. [Tu Mu sagt: „Er  betrachtet zuerst alle Kräfte seiner Arme im Pulk; danach betrachtet er
individuelle Talente, und setzt Männer entsprechend ihrer Fähigkeiten ein. Er verlangt keine Perfektion
von   untalentierten   Männern.   ]  Hieraus   ergibt   sich   seine   Fähigkeit,   die   richtigen   Männer
auszusuchen, und deren kombinierte Energie zu nutzen, die Umstände für sich arbeiten zu lassen.
22. Wenn man  Menschen  veranlasst  zu  kämpfen,  indem  man  das Zusammenspiel  der  Kräfte  aus­
nützt, ist es, als würde man Langhölzer oder Felsen rollen. Es ist die Natur der Langhölzer und
Felsen, sich nicht zu bewegen, wenn sie auf ebenem Grund liegen, aber zu rollen, sobald sie auf
einen Abhang geraten. Sie bleiben liegen, wenn sie viereckig sind, sie rollen, wenn sie rund sind.
[Ts'au Kung nennt dies: „die  Nutzung der natürlichen oder inhärenten Energie”].
23. Wenn Menschen also geschickt in den Kampf geführt werden, gleicht ihre Schlagkraft der von
runden Felsen, die einen Berg hinabrollen ­ dies ist Kraft.  [Die wichtigste Lehre in diesem Kapitel,
entsprechend Tu Mu's Meinung, ist die überragende Wichtigkeit im Krieg schneller Entwicklung und plöt­
zlicher Sturmangriffe. „Groß artige Ergebnisse”,  fügt er hinzu, „ kann man mit kleinen Streitkräften erzie­
len!”]
[1] "Forty­one Years in India," chapter 46.

6  SCHWACHE PUNKTE UND STARKE

[Chang Yu versucht, den Inhalt  dieses Kapitels wie folgt, zu beschreiben:  "Kapitel  IV, „Taktisc he Stellungen“


handelt von Offensive und Defensive; Kapitel V, „ Energie“,  handelt von direkten und indirekten Methoden. Ein
guter General macht sich zuerst selbst vertraut mit der Theorie von Angriff und Verteidigung, erst dann widmet
er sich den direkten und indirekten Methoden. Er studiert die Kunst, wie man beide Methoden miteinander kom­
biniert, bevor er dann zu Thema der Schwachstellen kommt. Nämlich die möglichen direkten und indirekten Me­
thoden ergeben sich aus dem Angriff und der Verteidigung, und das Erkennen der Schwachstellen und Stärken
hängt von den obigen Methoden ab. Daher folgt dieses Kapitel direkt auf das Kapitel „ Energie“.  
1. Sun Tsu sagt: Jene, die sich als erste am Schlachtfeld einfinden und den Gegner erwarten, sind
entspannt; jene, die als letzte am Schlachtfeld eintreffen und sich übereilt in den Kampf stürzen,
verausgaben sich.
2. Deshalb zwingt ein begabter Krieger dem anderen seinen Willen auf, erlaubt einem Gegner nicht,
ihm seinen Willen aufzuzwingen.
3. Was den Gegner dazu bewegt, sich zu nähern, ist die Aussicht auf Vorteil. Was den Gegner vom
Kommen abhält, ist die Aussicht auf Schaden.
4. Wenn der Gegner also ausgeruht ist, ist es möglich, ihn zu ermüden. Ist er wohlgenährt, ist es
möglich, ihn auszuhungern. Verhält er sich ruhig, ist es möglich, ihn in Bewegung zu versetzen.
 SCHWACHE PUNKTE UND STARKE

5. Erscheine an Plätzen, wo dein Gegner sich sputen muß, um diesen zu verteidigen; eile dorthin, wo
er dich am wenigsten erwartet. 
6. Willst du tausend LI zurücklegen, ohne  zu ermüden,  dann durchquere  Gebiete,  die der Feind
nicht erreicht.[Ts'ao Kung fasst treffend zusammen: "Tauche aus dem Nichts auf, schlage in verletzbare
Stellen, meide Plätze, die verteidigt sind, greife Quartiere unerwartet an."]
7. Willst du sicher gehen, dass du auch erobern kannst, was du angreifst, dann greife Stellungen an,
die nicht verteidigt werden. Willst du sicher gehen, dass du auch halten kannst, was du vertei­
digst, dann halte Stellungen, die nicht angegriffen werden können. [Wang Hsi bezeichnet „unvertei ­
digte Plätze”  als „Schwachpun kte” ; das soll meinen, wenn ein General Kapazitätsprobleme hat, oder es den
Soldaten  am  Kampfgeist  mangelt;  wo  die  Wände nicht  stark  genug  sind,  oder  die  Vorkehrungen  nicht
genau genug, wo Ablösung zu spät kommt, Vorkehrungen zu dürftig sind, oder die Verteidiger untereinan­
der zerstreut sind.  Tu Mu, Ch'en Hao, und Mei Yao­ch'en meinen hierzu folgendes: "Um eine Verteidi­
gungsstellung recht  sicher  zu machen,  muß Du  sogar  diejenigen  Plätze verteidigen, die wahrscheinlich
nicht angegriffen werden; und Tu Mu fügt hinzu:  "Es gibt dann viel mehr Plätze, die angegriffen werden.”
So aufgefasst, wie auch immer, verträgt sich diese Anweisung schlecht mit dem Vorhergehenden ­  immer
unter Berücksichtigung des besonderen Stils, der natürlich für die Chinesen ist, dem Stil der Antithesen.
Chang Yu, kommt dem Ganzen schon näher, indem er sagt: Der, der Angriffe beherrscht, fährt wie ein Blitz
herunter von den höchsten Hügeln des Himmels, das der Feind keine Möglichkeit hat, sich zu verteidigen.
Da dem  so ist, sollte  man  nur diejenigen  Plätze  angreifen,  die der  Gegner  nicht  halten  kann.  Der,  der
Verteidigung beherrscht, versteckt sich in den geheimsten Schlupfwinkeln der Erde, und macht es seinem
Feind unmöglich, ihn zu finden. Da dem so ist, sollte ich exakt diejenigen Plätze nur besetzen, die der Feind
nicht angreifen kann."]
8. Deshalb weiß der Gegner bei jenen, die geschickt anzugreifen wissen, nicht, wo er sich verteidigen
soll. Bei jenen, die es verstehen, sich zu verteidigen, weiß der Gegner nicht, wo er angreifen soll.
[Ein Aphorismus, der die ganze Schrift ART OF WAR in eine Nußschale packt.]
9. Das ist die göttliche Kunst – sei unendlich subtil und geheimnisvoll. Durch sie lernen wir unsicht­
bar zu sein, unhörbar zu sein. So hältst du das Schicksal des Gegners in deinen Händen.
10. Um unaufhaltsam vorrücken zu können, stoss durch seine Lücken vor. Um dich zurückziehen zu
können, und sicher zu sein, daß Du nicht verfolgt wirst, sei schneller als er.
11. Suchst du also den Kampf, so mag sich der Feind noch so sehr in der Verteidigung verschanzen,
er wird dem Kampf nicht ausweichen können, wenn du jene Stellen angreifst, zu deren Schutz er
sich gezwungen sieht. [Tu Mu sagt: "Wenn der Feind derjenige ist, der angreift, können wir die Linien
der Kommunikation kappen, und die Rückzugsstraßen belagern; falls wir eindringen, greifen wir direkt den
Befehlshaber selber an” . Es ist klar, daß Sun Tzu nicht an Frontalangriffe glaubte, im Gegensatz zu bes­
timmten Generalen in dem Boer Krieg.]
12. Wollen wir den Kampf vermeiden, können wir ihn daran hindern, uns durch die Linien unseres
Feldlagers   einzunehmen,   indem   wir   ihn   bloß   an   der   Nase   herumführen.   Alles   was   wir   tun
müssen, ist etwas unvorhergesehenes und merkwürdiges in seine Richtung werfen. [Dieser kurze
Ausdruck ist von Chia Lin genauer erklärt worden: „Auch  wenn wir keinen Schutzwall, noch einen Graben
haben – wir verblüffen ihn durch seltsame und ungewöhnliche Anordnungen;”  und Tu Mu ergänzt noch
die Bedeutung durch drei weitere, anschauliche Anekdoten: ­­ eine von Chu­ko Liang, der, als er Yang­p'ing
besetzte, und von Ssu­ma I angegriffen wurde, plötzlich seine Fahnen einzog, die Trommeln schweigen ließ,
die Stadttore aufstoßen ließ, und nur ein paar Männer zeigen ließ, die fegten die Erde gossen. Dieses uner­
wartete Vorgehen hatte den beabsichtigten Effekt; für Ssu­ma I, der direkt einen Hinterhalt erwartete, zog
tatsächlich seine Armee zurück. Das was Sun Tsu hier vertritt, daher, ist nicht mehr oder weniger als die
zeitweilige Anwendung von „Blö ff”. ]
 SCHWACHE PUNKTE UND STARKE

13. Durch Entdeckung der gegnerischen Anordnung, wobei die unseren unsichtbar bleiben, können
wir unsere  Kräfte  konzentriert  halten,  während  die  des  Gegners  sich aufsplitten  müssen.  [Der
Hintergrund ist nicht sehr durchsichtig, aber Chang Yu (nach Mei Yao­ch'en) erklärt es so: "Wenn die
feindlichen Anordnungen sichtbar sind, können wir geeint auftreten; während hingegen, wenn unsere eige­
nen Anordnungen geheim bleiben, der Feind gezwungen ist, seine Streitkräfte aufzuteilen, um sich gegen
Angriffe von vielen möglichen Seiten zu verteidigen."]
14. Wenn du konzentriert als Einheit auf trittst, während die gegnerischen Kräfte in zehn Teile ges­
palten sind, greifst du als Einheit ein Zehntel der gegnerischen Kräfte an. Daher bist du dem Geg­
ner zahlenmäßig überlegen.
15. Wenn   du  so   mit   der  Mehrzahl   die   Minderzahl   angreifen   kannst,   wird   unser   Gegner   in  argen
Nöten sein.
16. Der Ort, an dem  du kämpfen  willst,  darf  nicht bekannt  werden,  weil der  Feind sich auf  viele
mögliche Situationen und Angriffe an unterscheidlichen Orten vorbereiten muß. Und wenn seine
Streitkräfte in viele Richtungen verteilt sind, haben wir es an jedem Punkt nur mit relativ wenigen
Gegnern zu tun.
17. Wenn also die Frontlinie gerüstet ist, ist die Nachhut geschwächt, und wenn die Nachhut gerüstet
ist, ist die Frontlinie geschwächt. Wenn die linke Flanke gerüstet ist, ist die rechte geschwächt;
wenn die rechte Flanke gerüstet ist, ist die linke geschwächt. Überall gerüstet zu sein bedeutet,
überall geschwächt zu sein. [In „Die  Instruktion Friedrichs des Großen für seine Generale”,  geschrieben
1747, lesen wir:  "Ein Verteidigungskrieg ist in der Lage, uns zu verführen, in zu viele, kleine Einheiten
aufzuteilen. Diejenigen Generale, die nichts hatten, außer ein wenig Erfahrung, versuchten, jeden Punkt zu
verteidigen, wohingegen jene, die besser ausgebildet waren, und nur den Hauptgegenstand der Verteidi­
gung im Auge hatten, sich vor einem entscheidenden Schlag schützten, indem sie billigend kleine Niederla­
gen hinnahmen, um eine größere zu verhindern.“]
18. Zahlenmäßige  Unterlegenheit kommt von der Notwendigkeit, sich auf alle möglichen Angriffe
vorbreiten   zu   müssen.   Zahlenmäßige   Überlegenheit   tritt   dann   ein,   wenn   man   seinen   Gegner
zwingt,  sich  auf uns  in dieser  Art   vorzubereiten.  [„Die  höchste Generalität”,  in  Col.  Henderson's
Worten, „ ist es, den Gegner zwingen, sich zu zerstreuen, und dann überlegene Kräfte gege jede kleine Ein­
heit zu führen."]
19. Wenn du also Ort und Zeit der Schlacht weißt, kannst du dich der Herausforderung aus größten
Entfernungen stellen.  [Was Sun Tzu offensichtlich im Kopf hat, sind Kalkulationen der Entfernungen
und   die   meisterlichen   Beschäftigungen   mit   Strategien,   die   es   einem   General   erlauben,   seine   Armee
aufzuteilen, für einen langen und schnellen Marsch, und hinterher diese  an einem präzisen Punkt zu einer
präzisen Uhrzeit zusammenstoßen zu lassen, um einen Feind mit überlegener Stärke dann zu schlagen.
Unter vielen solcher Zusammenschlüssen der Geschichte des Militärs finden wir einen höchst dramatischen
und entscheidenden, als Blucher genau im richtigen Moment auf dem Feld in Waterloo erschien.]
20. Wenn du Ort und Zeit der Schlacht nicht kennst, dann kann deine linke Flanke deiner rechten
nicht beistehen, deine rechte kann deiner linken nicht beistehen, deine Vorhut kann deiner Nach­
hut nicht beistehen und deine Nachhut kann deiner Vorhut nicht beistehen, auch wenn die Entfer­
nung nur ein paar LI beträgt. [Das Chinesische des letzten Satzes läßt mangelde Präzision erkennen, aber
das gedankiche Bild, welches wir zeichnen mußten, ist möglicherweise das von einer Armee, die zu einem
Treffpunkt marschiert in mehreren  Truppenabschnitten, jede von ihnen zu einem bestimmten Zeitpunkt
hinbefohlen. Wenn der  General diesen erlaubt, planlos loszulaufen, ohne exakte Instruktionen für Zeit, Ort
des Treffens, wird der Feind in der Lage sein, die Armee in Stücke zu zerschlagen. Chang Yu's Kommentar
ist hier willkommen: „Wenn  wir nicht den Ort und den Platz kennen, an welchem unsere Gegner sich sam­
meln werden, oder dem Tag, wann sie in den Krieg eintreten (dazustoßen), büßen wir unsere Einheit ein,
weil wir uns auf Verteidigung vorbereiten müssen, und die Stellungen, die wir halten müssen, werden un­
 SCHWACHE PUNKTE UND STARKE

sicher sein. Wenn plötzlich ein mächtiger Feind auftaucht, werden wir verzweifelt kämpfen, ohne gegenseit­
ige Unterstützung zwischen den Flügeln, zwischen Vorhut oder Nachhut, was insbesondere auch zutrifft,
wenn nur eine scheinbar vernachlässigbare Entfernung zwischen den vorderen und hinteren Divisionen der
Armee liegt."]
21. Nach meiner Einschätzung mögen die Soldaten von Yueh ja über viel mehr Truppen verfügen, als
die anderen, aber dieser Vorteil wird ihnen nicht zum Sieg verhelfen. Ich sage, daß wir einen Sieg
erringen können. [Ach, was für tapfere Worte! Die lange Fehde zwischen den beiden Staaten endete 473 v.
Chr. mit der totalen Niederlage von Wu durch Kou Chien und seiner Eingliederung in Yueh. Das war
zweifelsohne lange nach Sun Tzu's  Tod. Mit dieser Behauptung vergleiche auch Kapitel IV. Ss 4. Chang
Yu, wo es nur einen Unterschied in der Beschreibung gibt, der wie folgt erklärt wird: „ In dem Kapitel über
taktische Vorkehrungen wird gesagt: „ Man kann wissen, wie man erobert, ohne fähig zu sein, es zu tun!” ,
während hingegen wir hier stehen haben, daß der Sieg errungen werden kann. Die Erklärung hierzu ist,
daß in einem früheren Kapitel, wo Offensive und Defensive diskutiert werden, angenommen wird, daß der
Feind vorbereitet ist, man ihn also nicht mit Sicherheit schlagen kann. In dieser Passage jedoch wird von
den Soldaten von Yueh berichtet, die, nach Sun Tzu's Berechnungen, nicht wissen, wann und wo der kom­
mende Kampf stattfinden wird. Deswegen sagt er, daß er Sieg errungen werden kann.] 
22. Selbst wenn der Gegner in großer Zahl auftritt, kannst du ihn dazu veranlassen, nicht zu kämpfen.
Laß es so aussehen, als hättest du seine Pläne durchschaut als wären sie erfolgversprechend. [Eine
Alternative wird von Chia Lin beschrieben:  „ Kenne im Vorhinein alle Pläne, die zu unserem Erfolg und zu
einem Versagen des Feindes führen."]
23. Reize deinen Gegner, und lerne seine Prinzipien von Aktivität und Inaktivität. Zwinge ihn, sich
zu offenbaren, um seine Schwächen herauszufinden.
24. Vergleiche sorgsam die gegnerische Armee mit deiner eigenen, sodaß Du vermuten kannst, wo sie
in ihrer Stärke überlegen und wo sie unterlegen ist.
25. Wenn du taktische Vorkehrungen triffst, die höchste Stufe, die du erreichen kannst, ist, sie geheim
zu halten. [Die Schärfe des Widerspruches verschwindet in der Übersetzung: Geheimhaltung ist vielleicht
nicht so sehr die tatsächliche Unsichtbarkeit, in dem Sinne von „k eine Zeichen geben” , dessen, was du beab­
sichtigst, der Pläne, die du entwickelt hast.] Halte deine Vorbereitungen stets geheim, und du wirst
sicher   sein  vor   der  Neugierde   der   feinsten  Spione,  von  den   Machenschaften   und   Intrigen  der
weisesten Köpfe.
26. Wie der Sieg errungen wird, durch die taktischen Fehler des Feindes – dies zu verstehen, ist für
die Allgemeinheit unmöglich.
27. Was man sehen kann ist die Taktik, mit der ich erobere, jedoch sieht niemand die Strategien, aus
denen sich der Sieg zwagsläufig ergibt.
28. Daher sind die Taktiken des Sieges die zu einem Sieg geführt haben, in einem Krieg nicht wieder­
holbar, sondern die Methoden passen sich in unendlicher Vielfalt den Umständen an. [Wie Wang
Hsi klug bemerkt: Es gibt ein Grundprinzip, welches jedem Sieg zugrunde liegt, aber die Taktiken sind un­
zählig.”  Vergleiche auch Colonel Henderson: „Die  Regeln der Strategie sind wenige und recht simpel. Sie
können in einer Woche erlernt werden. Man kann sie schulen durch anschauliche Illiustrationen oder ein
dutzend Diagrame. Aber solches Wissen wird niemanden lehren, eine Armee zu führen, wie Napoleon es
tat, ebenso wie die Kenntnisse von Grammatik ihn lehren wird, wie Edward Gibbon (Der Untergang des
römischen Reiches) zu schreiben."]
29. Eine militärische Formation ist wie Wasser ­ die Form des Wassers ist es, Höhen zu vermeiden
und nach den Tiefen zu streben. 
30. Im Krieg, ist es der Weg, das Starke zu meiden, und das Schwache anzugreifen.
 SCHWACHE PUNKTE UND STARKE

31. Der Fluss des Wassers ist von der Erde bestimmt, der Sieg einer Streitmacht wird von dem Gegner
bestimmt, dem er gegenüber steht.
32. Daher   hat   eine   militärische   Streitmacht   keine   feststehende   Formation.   Wasser   kennt   keine
beständige Form.
33. Derjenige ist fähig, zu siegen, der sich dem Gegner entsprechend wandelt und anpasst, verdient
es, ein „ dem Himmel entsprungener Führer”  genannt zu werden.
34. Die fünf Elemente (Wasser, Feuer, Holz, Metal, Erde) sind nicht immer beherrschend. [Das ist es,
was   Wang  Hsi  sagt:  "Sie   herrschen   abwechselnd."]  die   vier   Jahreszeiten   welchseln   sich   ab.
[Wortwörtlich:   "haben   keinen   bestimmten   Platz"]  Es   gibt   kurze   Tage   und   lange,   der   Mond   hat
zunehmende und abnehmende Phasen. [Cf. V. ss. 6. Die Bedeutung des Wortlautes dieser Passage ist
einfach die, den Wunsch nach Beständigkeit im Kriege zu illustrieren, indem man Veränderungen in der
Natur   beschreibt.   Der   Vergleich   ist   nicht   sehr   glücklich   gewählt,   warum   auch   immer,   weil   die
Regemäßigkeit dieses Phänomens, welches Sun Tsu erwähnt, keine Parallelen im wirklichen Krieg hat.]

[1] Siehe Col. Henderson's 
Biografie von Stonewall Jackson, Ausgabe von 1902, Band. II, Seite 490.

7  Über den bewaffneten Kampf

1. Sun Tsu sagt: Gemäß der  gewöhnlichen  Regel  für den Einsatz  von Streitkräften erhält der Be­


fehlshaber seine Befehle vom Herrscher. 
2. Daraufhin   zieht   er   die   Truppen   zusammen,   sammelt   sie   und   bringt   sie   in   gemeinsamen
Quartieren unter. Nichts ist schwieriger als der bewaffnete Kampf. ["Chang   Yu sagt:  "Die Herstel­
lung der inneren Harmonie und Zuversicht zwischen höhreren und niedrigeren Rängen muß geschehen,
bevor man ins Feld zieht.”  Er fügt noch eine Äußerung von Wu Tzu hinzu: „ Ohne Harmonie im Staate
kann keine militärische Operation unternommen werden; ohne Harmonie in der Armee kann keine Kampf­
formation formiert werden.”  In einem historischen Roman werden Sun Tzu folgende Worte in den Mund
gelegt, die er zu Wu Yuan sagt: „Als  allgemeine Regel, für solche, die in Krieg ziehen, ist, daß sie sich von
allen Streits zuhause befreien sollten, bevor sie fortfahren, einen außenstehenden Gegner anzugreifen."]
3. Danach   kommt   der   taktische   Kampf,   der   nicht   weniger   schwer   ist.   Die   Schwierigkeit   im   be­
waffneten  Kampf besteht darin. Fernes  in Nahes und Widrigkeiten in Vorteile zu verwandeln.
[Dieser Satz enthält mal wieder einen dieser hochverdichteten und etwas kryptischen Ausdrücke, die Sun
Tzu gerne verwendet. Dieser wird von Ts'ao Kung so interpretiert: „L aß es so erscheinen, daß Du weit weg
bist, dann hole die Strecke schnell auf, und erscheine auf dem Schauplatz, bevor dein Gegner eingetroffen
ist."Tu Mu  sagt: „ Führe  den Feind  hinters  Licht,  damit er sich  Zeit läßt, während Du mit maximaler
Geschwindigkeit  fortschreitest.  Ho Shih  beschreibt  es  etwas  anders:  „Obwoh l  Du  vielleicht  schwierigen
Grund zu überqueren hast, natürliche Hindernisse, ist dies ein Nachteil, der in einen taktischen Vorteil
gewandelt werden kann, durch die Geschwindigkeit der Bewegung”.  Leuchtende Beispiele hierfür sind die
beiden Passagen über die Alpen – die von Hannibal, von welchem das Schicksal Italiens abhing, und das
von Napoleon 2000 Jahre später, welcher dadurch den großen Sieg von Marengo erringen konnte.]
4. Daher lass deinen Gegner einen weiten Weg einschlagen und locke ihn mit der Aussicht auf einen
Vorteil. Wenn du dich nach ihm in Bewegung setzt und vor ihm ankommst, beherrschst du die
Strategie der Umleitung, Fernes in Nahes zu verwandeln. [Tu Mu zitiert den berühmten Marsch von
Chao She, 270 v.Chr., die berühmte Stadt O­yu zu befreien, die kurz zuvor von der Armee von Ch'in beset­
zt wurde.  Der König von Chao konsultierte zuerst Lien P'o nach seinem Rat, die Stadt zu befreien, aber
dieser   meinte,   daß   die   Entfernung   zu   groß   wäre,   und   das   dazwischenliegende   Land   zu   schroff   und
schwierig.  Seine   Majestät  befragte   dann  Chao   She,   der   die   gefährliche   Natur   eines   solchen   Marsches
 Über den bewaffneten Kampf

bestätigte. „Wir  werden sein, wie zwei Ratten, die in einem Loch kämpfen, und die flinkere wird gewinnen.
So verließ er die Hauptstadt mit seiner Armee, stoppte nach 30 LI, und begann, Befestigungsstellungen zu
bauen. 28 Tage lang verstärkte er seine Stellungen, und sorgte dafür, daß Spione Informationen zum Feind
trugen. Der Ch'in General war überglücklich, und schrieb die Langsamkeit des Gegners der Tatsache zu,
daß die belagerte Stadt im Han – Staat sich befand, welche nicht Teil des Chao Territoriums war. Aber die
Spione waren gerade unterwegs, als Chao She einen Gewaltmarsch begann, der zwei Tage und eine Nacht
dauerte, und erreichte den Kampfplatz mit so einer erstaunlichen Geschwindigkeit, daß er in der Lage war,
eine beherrschende Stellung auf dem Nordhügel zu besetzen, bevor der Feind Wind von seinen Bewegungen
bekommen hatte. Die Ch'in Streitkräfte erführen eine bittere Niederlage, wurden gezwungen die Stadt O­
yu aufzugeben, und sich in aller Eile hinter die Grenze zurückzuziehen.]
5. Daher  wird   der   bewaffnete   Kampf   mit   einer   Armee  als  vorteilhaft   gesehen,  jedoch   mit  einem
undisziplinierten   Haufen   ist   er   höchstgefährlich.  [Ich   verweise   hier   auf   die   Schriften   von   T'UNG
TIEN, Cheng Yu­hsien und T'U SHU, die dies so formulierten, daß es mehr Sinn machte. Einige Kommen­
tatoren   des   Standard­Textes   meinen   fälschlicherweise,   daß  Manöver  gewinnbringend   sein   sollten,   oder
gefährlich wären: Beides würde von den Fähigkeiten des Generals abhängen.]
6. Wolltest du ein voll ausgestattes Heer in Marsch setzt, um dir einen Vorteil zu verschaffen, könnte
es sein, daß Du zu spät kommst., wolltest du aber mit einer leicht bewaffneten Armee um den
Sieg kämpfen, so käme dies einem Mangel an Ausrüstung gleich. [Einiges des chinesischen Textes ist
offenbar für Kommentatoren nicht zu entziffern gewesen, die hier den Satz paraphrasiert haben. Ich schreibe
hier   meine   eigenen   Erkenntnisse,   emotionslos,   davon   überzeugt,   daß  hier   ein   Problem   im   Originaltext
steckt.  Zusammenfassend   kann  man   sagen,   daß  Sun Tsu   keinen   langen   Marsch  empfiehlt,   ohne  ausre­
ichende Ausrüstung und Versorgung.]
7. Bist du also mit leichter Ausrüstung unterwegs und machst du weder bei Tag noch bei Nacht halt,
marschierst du doppelt so schnell wie sonst, marschierst du hundert LI, um für einen Vorteil zu
kämpfen,   dann   werden   deine   Heerführer   in   Gefangenschaft   geraten.  [Ein   gewöhnlicher   Tages­
marsch,  nach  Tu  Mu,  betrug  30 LI;  aber  gelegentlich,  nach  Liu  Pei,  wird  gesagt, daß Ts'ao Ts'ao  die
unglaubliche Distanz von 300 LI innerhalb 24 Stunden zurückgelgte.] 
8. Starke Soldaten werden zuerst ankommen, die müden erst später ­ in der Regel schafft es einer
von zehn.  [Die Moral ist, wie Ts'ao Kung und andere herausstellten: Marschiere keine hundert LI, um
einen taktischen Vorteil zu haben, egal ob mit oder ohne Gepäck. Diese Art Manöver sollten auf kurze Dis­
tanzen begrenzt werden. Stonewall Jackson sagte: Die Härten von Gewaltmärschen sind schmerzhafter, als
die Gefahren des Kampfes. Er selber hat seinen Truppen selten außergewöhnliche Härten abverlangt, außer
– er beabsichtigte eine Überraschung, oder wenn schneller Rückzug angesagt war, sodaß er alles opferte ­
für die Geschwindigkeit.[1]]
9. Wenn du fünfzig LI marschierst, um den Feind auszumanövrieren, wirst Du die Führung, die er­
sten Reihen der ersten Division verlieren, und in der Regel wird nur die Hälfte der Soldaten das
Ziel erreichen.[Wortwörtlich: “ Der Führer der ersten Division wird WEGGERISSEN WERDEN."]
10. Wenn du dreißig LI mit demselben Ziel marschierst, dann  erreichen nur zwei  von drei deiner
Armee   das   Ziel.  [Im   T'UNG  TIEN   ist   beigefügt:  "Hieraus   läßt  sich   vielleicht   die   Schwierigkeit   des
“M anövrierens”  erlernen.]
11. Eine Armee muss zugrunde gehen, wenn sie keinen Proviant mehr hat; ebenso, wenn sie keine
Versorgungsdepots hat; sie muss zugrunde gehen, wenn sie keine Versorgungslogistik mehr hat.
[Ich denke, Sun Tzu meinte "Proviant, in Depots gespeichert", aber Tu Yu sagt "Futter und dergleichen"
Chang Yu sagt "Güter allgemein," und Wang Hsi sagt "Heizmaterial, Salz, Nahrungsmittel, etc."]
12. Wenn du also die Pläne deiner Widersacher nicht kennst, kannst du keine Bündnisse schließen.
 Über den bewaffneten Kampf

13. Wenn du Berge und Wälder, Pässe und Schluchten, Sümpfe und Moore nicht kennst, vermagst du
eine bewaffnete Streitmacht nicht zuführen. 
14. Wenn   du   keine   ortsansässigen   Führer   einsetzt,   kannst   du   die   Vorteile   der   Gegend   nicht   aus­
nützen.
15. Im Krieg – über, dich zu verstellen.[In den Taktiklehren von Turenne ist Täuschung des Feindes ein
wesentliches Element, speziell was die zahlenmäßige Stärke der Truppen angeht.
16. Teilung und Vereinigung der Truppen – darüber entscheidet die Situation.
17. Bewege deine Streitmacht schnell wie der Wind; [Das Gleichnis ist in doppelter Hinsicht angemessen,
weil der Wind nicht nur schnell ist, sondern, wie Mei Yao­ch'en herausstellt, "unsichtbar, ohne Spuren zu
hinterlassen"] wenn sie sich langsam bewegt, ist sie wie ein Wald. [Meng Shih kommt mit seiner Erk­
lärung dem näher:  "Wenn Du langsam marschierst, muß Rang und Ordnung hergestellt sein – z.B. gegen
Überraschungsangriffe. Aber – natürlicher Wald wächst nicht in Reihen, wobei diese jedoch die Qualität
der Dichte oder Kompaktheit besitzen.]
18. Sie ist raubgierig wie das Feuer [Cf. SHIH CHING, IV. 3. iv. 6: "Heftig, wie loderndes Feuer, welches
niemand kontrollieren kann."]  und unbeweglich wie die Berge.  [Das bedeutet, wenn du eine Position
hältst, von der der Feind versucht, dich zu verdrängen, oder, wie Tu Yu sagt, wenn er versucht, dich in eine
Falle zu locken.]
19. Deine Pläne sollten so schwer zu durchschauen sein, wie die Dunkelheit; wenn du agierst, falle
ein, wie ein Wirbelsturm.  [Tu Yu zitiert hier ein Sprichwort von T'ai Kung, welches  inzwischen ein
Sprichwort geworden ist: "Du kannst nicht deine Ohren vor dem Wirbelsturm verschießen, oder deine Au­
gen vor dem Blitz – so schnell sind sie.”  Vergleichend kann man sagen, daß ein Angriff so schnell erfolgen
sollte, daß er nicht pariert werden kann.]
20. Wenn Du ein Land plünderst, teile die Beute unter deinen Truppen auf, [Sun Tzu lehrt uns damit,
daß  mißbräuchliches,   wahlloses   Plündern   unterlassen   wird,   zugunsten   der   Bildung   eines   allgemeinen
Beuteguts­Lagers, welches danach gerecht unter allen aufgeteilt wird.]  wenn Du neues Territorium er­
oberst, teile deine Beute aus einem Pool gerecht anteilsmäßig auf. [Ch'en Hao sagt: "Verteile deine
Soldaten auf dem Land, laß es sie sähen und bepflanzen”.  Auf diesem Prinzip basierend haben die Chinesen
erfolgreich Eroberungszüge durchgeführt, wie z.B. die am meisten beachtete und triumphale Eroberung des
kaspischen Landes durch Pan Ch'ao, und in späteren Jahren durch Fu­k'ang­an and Tso Tsung­t'ang.]
21. Handle immer nur nach eingehender Lagebeurteilung. [Chang Yu zitiert Wei Liao Tzu, der sagt, daß
man   von   Lager   nicht   solange   aufbrechen   sollte,   als   daß  man   genaue   Informationen   über   die   Verteidi­
gungsstärke und Taktiken des gegnerischen Generals hat. Cf. the "seven comparisons" in I. ss. 13.]
22. Jener, der die Kunst der UMLEITUNG [Täuschung des Gegners, damit er in eine andere Richtung
läuft] gelernt hat, wird siegen. Dies ist die Kunst des bewaffneten Kampfes.  [Mit diesen Worten
würde sich dieses Kapitel normalerweise schießen. Aber hier folgt noch ein langer Anhang eines früheren
Buches über den Krieg, der nun verloren ist, aber zu Zeiten Sun Tus's existierte.  Der Stil dieses Frag­
mentes ist klar unterscheidbar von den Schriften Sun Tsu's selber, jedoch hat bisher noch keine Kommenta­
tor Zweifel an der Urheberschaft Sun Tsu's geäußert.]

 Anhang: „ ART OF WARfare”

Im Anschluß an Kapitel VII des Buches „ART  OF WAR”  von Sun Zsu fand sich ein Anhang eines


früheren  Buches  über  den Krieg, der leider  verloren gegangen ist, jedoch zu Zeiten Sun  Tsu's ex­
istierte.  Der Stil dieses Fragmentes, hier „ Art of Warfare”  genannt, ist klar unterscheidbar von den
Schriften Sun Tsu's selber, jedoch hat bisher noch keine Kommentator Zweifel an der Urheberschaft
 Anhang: „ART  OF WARfare”

Sun Tsu's geäußert. Mei Yao­Ch'en nennt es „Frühzei tlicher Militär­Klassiker”,  Wang Hsi, "ein altes


Buch über Krieg". Betrachtet man die unglaubliche Zahl von Kriegen, die schon Jahrhunderte vor der
Zeit Sun Tsu's    stattfanden, zwischen verschiedensten Königshäusern und Fürstentümern Chinas, ist
es   nicht   unwahrscheinlich,   daß  jemand   über   Prinzipien   der   militärischen   Führung   schon   früher
geschrieben hat. 
1. Das Buch „Art  of Warfare”  besagt: „Auf  dem Kriegsschauplatz tragen gesprochene Worte nicht
weit  genug.  Daher  verwendet  man  Gongs  und  Trommeln.  Da  gewöhnliche  Objekte  nicht  klar
genug gesehen werden können, verwendet man Banner und Flaggen.”
2. Gongs und Trommeln, Banner und Flaggen dienen dazu, die Ohren und Augen der Menschen auf
einen speziellen Punkt zu richten und zu einen. [Chang Yu sagt: "Wenn Blick und Gehöhr gleichzeitig
auf dasselbe Objekt konzentriert sind, verhalten sich eine million Soldaten wie ein einziger Mann!"]
3. Sobald die Soldaten zu einem einzigen Körper geeint sind, kann der Tapfere nicht alleine vorge­
hen, und der Feigling kann sich nicht alleine zurückziehen. Dies ist die Kunst, eine große Masse
von   Männern   zu   handzuhaben.  [Chuang   Yu   zitiert   ein   Sprichwort:   "Gleichermaßen   schuldig   sind
diejenigen, die voreilig Befehle ausführen und diejenigen, die verzögert Befehle ausführen” . Tu Mu erzählt
eine Geschichte in dem Anschluß zu Wu Ch'i, als er sich im Kampf gegen den Staat Ch'in befand. Bevor
der eigentliche Kampf begonnen hatte, stürmte einer seiner Soldaten eigenverantwortlich
vor, erbeutete zwei Köpfe seiner Gegner, und kehrte in das Camp zurück.  Wu Ch'i ließ den
Mann sofort exekutieren, wogegen ein Offizier demonstrierte, und sagte: „Dieser  Mann war ein guter Sol­
dat, und hätte nicht enthauptet werden sollten.”  Wu Ch'i antwortete: "Ich glaube ganz daran, daß er ein
guter Soldat war, aber ich ließ ihn enthaupten, weil er ohne Befehl handelte."] 
4. Benütze  deshalb  bei nächtlichen Angriffen  Signal­Feuer und Trommeln, bei Angriffen  am hell­
lichten Tag benütze viele Banner und Flaggen als Mittel, um die Augen und Ohren deiner Armee
zu beeinflussen. [Ch'en Hao spielt auf Li Kuang­pi's nächtlichem Ritt nach Ho­yang an, 500 berittenen
Männern vorausreitend. Sie machten so einen imposanten Eindruck mit ihren Fackeln, daß der Füherer der
Rebellen sich nicht traute, die Passage zu verhindern.]
5. Es ist möglich, einer gegnerische Armee ihres Kampfgeistes, und einen Oberbefehlshaber seiner
Verstandes und seiner Entschlossenheit berauben. ["Im Krieg," sagt Chang Yu, "Wenn der Geist des
Zornes alle Ebenen der Armee durchzieht, zu ein – und derselben Zeit, wird der Angriff nicht abzuwehren
sein. Nun ist der Geist der feindlichen Soldaten am schärfsten, wenn diese gerade frisch eintreffen auf dem
Kriegsschauplatz, und es liegt in unserer Hand, nicht direkt gegen sie zu kämpfen, sondern zu warten, bis
ihr Kampfgeist und Begeisterung nachgelassen hat, um dann zuzuschlagen. Dies ist der Weg, wie man sie
ihres Kampfgeistes beraubt.  Li Ch'uan und andere erzählen eine Anekdote (Quelle: TSO CHUAN aus dem
Jahre 10, Seite 1) des Ts'ao Kuei, einem Schützling des Herzoges Chuang aus Lu. Der Staat Lu wurde von
Ch'i angegriffen, und der Herzog zog gerade in den Krieg bei Ch'ang­cho, und nach dem ersten Erklingen
der feindlichen Trommeln, sagte Ts'ao: "Bitte nicht jetzt!”  Nachdem die Trommeln zum dritten Male erk­
lungen  waren, erteilte  er das Kommando  zum  Angriff.  Sie kämpften, und  die Männer von Ch'i  waren
endgültig   besiegt.   Als   der   Herzog   Ts'ao  nach   der   Bedeutung   der   Verzögerung  des   Angriffs   fragte,
antwortete dieser: „ Im Kampf, der Kampfgeist ist alles. Nun – das erste Erklingen der Trommeln erzeugt
den Kampfgeist, aber beim zweiten ist er schon wieder am abnehmen, und nach dem dritten Erklingen ist
der Kampfgeist verschwunden. Daher unser Sieg.”
Wu Tzu  (Kapitel.  4) stellt  den  „Ka mpfgeist”  an  erste  Stelle  unter  den  „v ier  wichtigen  Einflüssen”  im
Krieg, und fährt fort: „Der  Wert einer ganzen Armee – eine Truppe von einer Million Männer – ist ab­
hängig von einem Mann alleine: Das ist der Einfluß des Kampfgeistes!”.  Chang Yu sagt: "Gegenwart des
Verstandes ist des Generals wichtigster Wert. Es ist eine Qualität, die ihn befähigt, die Männer zu diszi­
plinieren, und wieder Mut in Männer mit panischer Angst zu bringen. Li Ching (A.D. 571­649) hatte ein
Sprichwort: "Angriff besteht nicht bloß aus dem Angriff befestigter Städte oder dem Angreifen einer Armee
 Anhang: „ART  OF WARfare”

in Kampfformation; er muß die Kunst beinhalten, das mentale Gleichgewicht des Gegners außer Balance zu
bringen"]
6. Eines Soldaten Kampfgeist ist am schärfsten am Morgen, zu Mittag wird er schwächer und am
Abend sind seine Gedanken beim Rückzug ins Camp.[Immer vorausgesetzt, so nehme ich an, daß er
frühstücken konnte. Beim Krieg von Trebia wurde den Römern dummerweise erlaubt, nüchern zu kämpfen,
während Hannibal's Truppen in der Freizeit gefrühstückt hatten., Siehe auch Livy, XXI, liv. 8, lv. 1 und 8.]
7. Ein kluger General vermeidet daher den Kampf, wenn der Kampfgeist scharf ist, greift an, wenn
der Gegner kampfunwillig ist und geneigt ist, umzukehren. Dies ist die Kunst, Stimmungen zu
studieren.
8. Diszipliniert und ruhig,  das Erscheinen der Unordnung und Tumult beim Gegener abwarten –
das ist die Kunst, wie man Selbstbeherrschung behält.
9. Nahe am Ziel zu sein, während der Gegener weit entfernt ist, zu warten mit Geduld, während der
Feind schuftet und kämpft, satt zu sein, wärend der Feind ausgehungert ist – das ist die Kunst,
mit den Kräften zu haushalten.
10. Du vermeidest jede Konfrontation mit einem Feind, der dessen Banner in geordneten Reihen ste­
hen, und greifst keine Arme an, die in einer ruhigen und zuversichtlichen Formationen ist. Dies ist
die Kunst, wie man eine Sachlage studiert.
11. Deshalb gilt für eine militärische Operation: Rücke niemals  gegen einen Gegner bergauf vor, noch
widersetze dich ihm, wenn er, vom Berg her kommend, angreift.
12. Nimm die Verfolgung nicht auf, wenn die Flucht nur vorgetäuscht ist. Greife keine Elitetruppen
an.
13. Nimm nichts zu dir aus den Händen des Feindes.  [Li Ch'uan und   Tu Mu, die die Metapher darin
nicht   gesehen   haben,   interpretieren   diese   Worte   direkt   als   „Essen   und   Trinken,   welches   vom   Gegner
vergiftet wurde” .  Ch'en Hao und Chang Yu machen sorgsam klar, daß dieses Sprichwort allgemeine An­
wendung finden kann.]  Gerate nicht in Konflikt mit einer Armee, die sich auf dem Rückzug nach
Hause befindet.[Die Kommentatoren erklären diesen einzelnen Rat so, daß ein Mann, dessen Herz voll
von Gedanken an Zuhause ist, wird bis zum Tode kämpfen, wenn er an seinem Heimweg gehindert wird,
und deswegen ist es zu gefährlich, mit so einem Gegner zu tun zu haben. Chang Yu zitiert  die Worte von
Han Hsin: „Un besiegbar ist der Soldat, dessen Verlangen  daraus besteht, nach Hause zu gelangen.”  Ein
wunderbares Märchen wird von Ts'ao Ts'ao's  Mut erzählt, in dem ersten Kapitel des SAN KUO CHI: Im
Jahre 198 v. Chr. Belagerte Chang Hsiu bei Jang, als Liu Piao Verstärkung mit der Absicht schickte,
Ts'a o's Stellung abzuschneiden.  Letzterer  war  gezwungen, seine  Truppen  zurückzuziehen, und
fand   sich   wieder   zwischen   zwei   feindlichen   Truppen   eingezingelt,   die   jeweils   einen   Ausgang
eines schmalen Passes bewachten, in welchem er sich verschanzt hatte. In seiner verzweifelten Sit­
uation wartete Ts'ao bis zum Einbruch der Nacht, bohrte einen Tunnel in die Gebirgsseite und
legte einen Hinterhalt. Als die gesamte Armee vorbeimarschiert war, fielen die versteckten Trup­
pen diesen in den Rücken, während Ts'ao  selber seine Verfolger auf der Vorderseite angriff, sodaß
sie, völlig verwirrt, vernichtet wurden. Ts'a o Ts'ao  sagte nachher: „  Die Brigaden versuchten, mich
beim  Rückzug  zu  überraschen,  und  verwickelten  mich  in  einen  Kampf,  wo  ich  in unhaltbarer
Lage mich befand: Letzendlich jedoch konnte ich sie überwinden."]
14. Lass einen Ausweg offen, wenn du eine Armee umzingelst. [Dies soll nicht bedeuten, daß der Feind
nicht entkommen können soll. Der Gegenstand ist, wie Tu Mu sagt, den Gegner Glauben machen, daß er
einen   Ausweg   gefunden   hat,   und   man   hierdurch   verhindert,   daß  er   mit   dem   Mut   der   Verzweifelung
kämpft.”   Tu   Mu   fügt  amüsiert   hinzu:   „ Danach   kannst   Du   ihn   ruhig   vernichten!” ]  Bedränge   einen
verzweifelten Feind nicht zu sehr. [Ch'en Hao zitiert ein Sprichwort: "Vögel und Tiere, in Bedrängnis
gebracht, werden ihre Klauen und Zähne verwenden.” . Chang Yu sagt: „Wenn  dein Feind seine eigenen
 Anhang: „ART  OF WARfare”

Boote verbrannt und seine Kochtöpfe zerstört hat, und bereit ist, alles in die Schlacht zu werfen, sollte er
nicht zu Extremen gedrängt werden.  Ho Shih illustriert die Bedeutung dieser Geschichte mit einer Episode
aus dem Leben von Yen­ch'ing. Dieser General, zusammen mit seinem Kollegen Tu Chung­wei war umzin­
gelt von einer mächtig überlegenen Armee von Khitans im Jahre 945 v. Chr. Das Land war karg und wüste­
nartig,  und die  kleine  chinesische  Streitmacht  war  bald  verzweifelten  Nöten wegen  Wassermangel. Die
Brunnen, die sie bohrten, waren trocken, und die Männer waren gezwungen, den Schlamm auszudrücken,
und   die   Feuchtigkeit  auszusaugen.  Viele  starben   schnell,   bis   zuletzt   Fu   Yen­ch'ing ausrief:   „ Wir   sind
verzweifelte Männer. Besser, als für unser Land zu sterben ist es, mit gefesselten Händen in Gefangenschaft
zu gehen!”  Ein starker Sturm zog auf von Nordosten, und verdunkelte den Himmel mit dunklen Wolken
aus Sand. Chung­Wei wartete, daß er abklung, um den letzten Angriff zu befehlen, aber glücklicherweise
sagte ein anderer Offizier namens Li Shou­Cheng sah schnell eine Gelegenheit und sagte: „S ie sind viele
und wir sind wenige, aber in der Mitte des Sandsturmes sind unsere Truppen nicht bemerkbar; der Sieg ist
mit dem zähen Kämpfer,  und der Wind wird unser bester Alliierter sein.”  Dem entsprechend bildete er
einen plötzlichen und unerwarteten Angriff mit der Kavallerie, besiegte die Barbaren und brach erfolgreich
durch, bis sie in Sicherheit waren.]
15. Dies sind die Regeln, die für eine militärische Operation gelten.
[1] See Col. Henderson, op. cit. vol. I. p. 426.
[2] For a number of maxims on this head, see "Marshal Turenne" (Longmans, 1907), p. 29.

9  Variationen in Taktiken

[Diese Überschrift bedeutet wortwörtlich „ Die Neun Variationen” , aber, weil Sun Tsu diese nicht nu­


meriert   hat,   und   weil   –  tatsächlich   –  er   dies   auch   geschrieben   hat,   (V   SS.   6­11),   haben   wir   wenige
Möglichkeiten, außer Wand Hsi zu folgen, der sagt, daß „Neun ”  steht für eine unendlich große Zahl. „.
Was bedeuten soll, daß im Krieg Taktik variiert werden kann bis zu jedem Grad ... Ich weiß nicht, was
Ts'ao Kung meint, diese wären, aber er hat gemeint, daß diese mit den „Neun  Situationen”  ­ aus Kapitel
XI Verbindung hätten. Die andere Alternative ist anzunehmen, daß etwas verloren gegangen ist – eine
Annahme ­ die angesichts der ungewöhnlichen Kürze des Kapitels – nicht abwegig ist.]
1. Sun Tsu sagt: Im allgemeinen gilt für militärische Operationen, dass die militärische Führung die
Befehle zum Zusammenziehen der Truppen von der zivilen Führung erhält.[Wiederholt aus Kapitel
VII. ss. 1, wo es sicher richtiger am Platze ist. Es scheint hier angepasst worden zu sein, um lediglich einen
Anfang für ein neues Kapitel zu finden.]
2. Schlage kein Lager auf schwierigem Terrain auf.  In einer Gegend, wo sich Straßen kreuzen, baue
diplomatische Beziehungen zu Alliierten auf. Bleibe nicht in unfruchtbaren oder isolierten Gebi­
eten. [Die letzte Situation ist keine der „Neu n Situationen”  von Kapitel XI, sondern erscheint etwas später
(ibid. ss. 43. q.v.). Chang Yu definiert die Situation als wenn sie jenseits der Grenzen stattfinden würde, in
Feindesland.Li Ch'uan sagt, es sei ein „ Land in welchem es keine Quellen oder Brunnen,   Scharen oder
Herden von Tieren, Gemüse oder Feuerholz gibt.”  Chia Lin, „ eines voller Schluchten, Senken, Abgründe,
ohne Straßen, auf denen man laufen könnte”]  In   Situationen, in denen Du umzingelt bist, greife auf
eine Kriegslist zurück. In hoffnungsloser Position mußt Du kämpfen.
3. Es gibt Wege, die du nicht einschlagen solltest ["Speziell solche, die in schmale Täler führen,”  sagt Li
Ch'uan, "dort, wo man einen Hinterhalt vermuten muß"], es gibt Armeen, die du nicht angreifen soll­
test [Korrekter vielleicht: „ Es gibt Zeiten, wo eine Armee nicht angegriffen werden sollte.”  Ch'en Hao sagt:
"Wenn   Du   deinen   Weg   siehst,   einen   Vorteil   zu   erlangen,   aber   zu   schwach,   um   einen   echten   Sieg   zu
erzwingen,   verzichte   auf   einen   Angriff,   weil   du   fürchten   mußt,   die   Stärke   deiner   Männer   zu
überschätzen.”] ; es gibt Städte, die du nicht belagern solltest [Cf. III. ss. 4 Ts'ao Kung gibt eine interes­
 Variationen in Taktiken

sante Illustration seiner eigenen Erfahrungen. Als er in das Territorium von Hsu­chou einmarschierte, ig­
norierte er die Stadt Hua­pi, welche direkt auf seinem Weg lag, und drang weiter in das Herz des Landes
vor. Diese exzellente Strategie  wurde durch die folgende  Einnahme  von nicht  weniger als 14 wichtigen
Bezirks­Städten belohnt. Chang Yu sagt: „M an sollte keine Stadt einnehmen, die, falls genommen, nicht
gehalten   werden   kann,   oder,   falls   alleine   gelassen,   keinen   weiteren   Ärger  macht.”   Hsun   Ying,   als   er
gezwungen wurde, Pi­Yang anzugreifen, antwortete: „Die  Stadt ist klein und gut befestigt; sogar dann,
wenn es mir gelingt, sie einzunehmen, wird es keine große Mühe machen für die Streitmacht, jedoch wenn
ich fehle, werde ich mich lächerlich machen.”  Im 17. Jahrhundert waren Belagerungen ein wichtiger Teil im
Krieg. Es war Turenne, der die Aufmerksamkeit auf die Wichtigkeit von Märschen, Gegenmärschen und
Manövern lenkte. Er sagte: „Es  ist ein großer Fehler Männer zu opfern für die Eroberung einer Stadt, wenn
dieselbe Menge von Soldaten eine ganze Provinz einnehmen kann.”  [1] ]; es gibt Gebiete, um die du
nicht kämpfen solltest; es gibt Befehle der zivilen Regierung, denen du nicht gehorchen solltest.
[Dies ist ein hartes Sprichwort für einen Chinesen, angesichts ihrem Respekt für Autoritäten, und Wei Liao
Tzu (zitiert von Tu Mu) fühlte sich, auszurufen: „W affen sind bedrohliche Instrumente, Streit wirkt der
Tugend entgegen, ein Militärkomandant ist die Verneinung eines zivilen Befehls!”  Eine ungenießbare Tat­
sache   bleibt   jedoch,   daß  sogar   imperiale   Wünsche   sich   den   miltätischen   Notwendigkeiten   unterordnen
müssen.]
4. Wenn   ein   General   also   alle   Möglichkeiten   der   Anpassung   von   Taktiken   kennt,   um   sich   die
Vorteile zunutze zu machen, dann weiß er, wie militärische Kräfte einzusetzen sind,
5. Wenn ein General es nicht versteht, sich vorteilhaft anzupassen, mag er zwar die Beschaffenheit
des Terrains kennen, wird aber keinen Nutzen daraus ziehen können.[Wortwörtlich: „ den Vorteil
des Terrains bekommen” , was bedeutet, daß man nicht nur eine gute Position sichert, sondern sich natür­
liche Vorteile in jeder Art beschafft. Chang  Yu sagt: „Jede  Art von Terrain ist charaktierisiert von bes­
timmten, natürlichen Eigenschaften, und läßt damit einen Freiraum für eine bestimmte  Variabilität der
Pläne.   Wie   ist   es   möglich,   diese   natürlichen   Eigenschaften   zu   nutzen,   wenn   topographisches   Wissen
ergänzt wird durch die vielseitige Verwendbarkeit des Verstandes ?]
6. So ist der Student der Kriegskunst, der unversiert ist in ART OF WAR, wie man seine Pläne vari­
iert, sogar dann, wenn er mit den „F ünf Vorteilen”  vertraut ist, wird darin scheitern, den größten
Nutzen aus seinen Männern zu ziehen. [Chia Lin erzählt uns, daß diese fünf offensichtliche und allge­
meine Handlungsvorteile enthalten,  nämlich: „Wenn  eine bestimmte Straße kürzer, folge ihr; wenn eine
Armee isoliert ist, muß sie angegriffen werden; wenn  eine Stadt in einem wehrlosen Zustand ist, muß sie
eingenommen werden, wenn eine Stellung gestürmt werden kann, muß es versucht werden; und, sofern in
Übereinstimmung mit den Militäroperationen, müssen die Befehle des Führers befolgt werden.”  Aber es
gibt Umstände, welche es manchmal einem General verbieten, diese Vorteile zu nutzen. Zum Beispiel, „ eine
bestimmte Straße mag die Kürzeste sein für ihn, aber wenn er weiß, daß sie entlang natürlicher Widrigkeit­
en führt, oder daß ein Feind einen Hinterhalt legen kann, sollte er dieser Straße nicht folgen. Ein feindlicher
Angreifer   mag   bereit   sein,   anzugreifen,   aber   wenn   er   weiß,  daß  es   hart­auf­hart   kommt,   und   er   mit
Verzweifelung kämpfen muß ­ das wir ihn von einem Schlag abhalten,”  und so weiter...]
7. Daher werden in den Plänen weiser Führer Betrachtungen von Vorteilen und Nachteilen zusam­
mengefügt.  ["Ob nun in einer vorteilhaften, oder in einer unvorteilhaften Positition”,  sagt Ts'ao Kung,
„ die Gegenposition sollte immer im Kopf gegenwärtig sein."]
8. Wenn  deine  Erwartung   eines  Vorteils   in dieser   Art  erweckt   wird, können   wir   fortfahren,  den
wesentlichen Teil unserer Entwürfe zu vollenden.  [Tu Mu sagt: "Wenn wir einen Vorteil von dem
Feind erlangen, dürfen wir nicht unsere Aufmerksamkeit darauf alleine richten, sondern wir müssen auch
betrachten, daß der Feind uns einen Schaden zufügen kann, was wir als Faktor in unserer Kalkulationen
mit einbeziehen müssen.]
 Variationen in Taktiken

Wenn, auf der anderen Seite, inmitten von Schwierigkeiten wir bereit sind, einen Vorteil zu erlan­
gen, können wir uns dem Unglück entziehen. [Tu Mu sagt: "Wenn ich mich aus einer gefährlichen Sit­
uation herausziehen möchte, darf ich nicht nur die Möglichkeit betrachten, daß der Feind mich verletzen
kann, sondern ich muß auch einen Vorteil über den Feind erlangen. Wenn ich in meinen Ratschlägen diese
beiden Betrachtungen sauber verbinde, sollte ich mich erfolgreich befreien können. Zum Beispiel: Wenn ich
vom Feind umgeben bin, und nur daran denke, wie ich entkomme, wird die Unbeherrschtheit in meinem
Vorhaben meinen Gegner veranlassen, mich zu verfolgen und zu vernichten; es wäre weit besser, meine
Männer zu einem kräftigen Gegenangriff zu ermutigen, und einen Vorteil für meine Befreiung aus den geg­
nerischen Anstrengungen zu ziehen. Siehe die Geschichte von Ts'ao Ts'ao, VII. ss. 35, Anmerkung.]
9. Reduziere   die   Kraft   der   feindlichen   Führung,   indem   du   ihr   Schaden   zufügst;  [Chia   Lin   führt
mehrere Arten auf, eine solche Verletzung zuzufügen, einige davon entspringen einem orientalischen Ver­
stand: ­ „Werbe  den besten und weisesten Mann deines Feindes ab, sodaß er ohne Berater alleine dasteht.
Führe   Verräter   in   dem   Land   ein,   sodaß  die   Regierungspolitik   zwecklos   wird.   Sorge   für   Intrige   und
Täuschung, sähe so Zwietracht zwischen dem Führer und seinen Ministern. Mittels kunstvoll gestalteten
Vereinbarungen sorge unter seinen Männern für Verschwendung seines Schatzes. Verderbe seine Moral
durch heimtückische Geschenke, die ihn in Überfluß führen. Störe und verunsichere seinen Verstand, indem
du ihn mit reizenden Frauen vorstellst”.  Chang Yu (nach Wang Hsi) interpretiert Sun Tzu hier: „  Bringe
den Feind in eine Position, wo er eine Verletzung erleidet, und er wird sich aus eigenen Stücken unterwer­
fen.] und sorge dafür, daß sie in Aufruhr kommen, [Tu Mu, will mit seiner Interpretation des Stückes
zeigen, daß man dem Feind Ärger machen kann, indem man seine Besitztümer, oder, wie wir sagen, seine
„W irtschaftsgüter” , zu welchen er auch eine große Armee zählt, einen reichen Schatzmeister, Harmonie
unter   den   Soldaten,   genaue   Erfüllung   von   Befehlen,   beeinträchtigt.   Diese   geben   uns   Gewalt   über  den
Feind.] und halte sie ständig auf Trab; [Wortwörtlich: „ mache Sklaven aus ihnen” . Tu Yu sagt, „ verhin­
dere, daß sie zur Ruhe kommen.”]  lege verführerische Köder aus, laß sie zu jedem gegebenem Punkt
laufen.  [Meng Shih führt ein bemerkenswertes  Beispiel für idiomatische  Redensart  an: „Veran lasse  sie,
PIEN zu vergessen (die Gründe, anders zu handeln, als der erste Impuls vielleicht einen handeln läßt), und
in unsere Richtung zu eilen."]
10. ART OF WAR  lehrt uns, uns nicht  darauf zu verlassen, daß der Feind aller Wahrscheinlichkeit
nach nicht kommt, sondern darauf, daß wir vorbereitet sind, ihn zu empfangen; nicht darauf zu
hoffen, daß er nicht angreift, sondern uns mit absoluter Sicherheit unangreifbar zu machen.
11. Es gibt 5 gefährliche Fehler, die ein General begehen kann: 
1. Draufgängertum, was zur Selbstzerstörung führt; ["Tapferkeit ohne Vorausschau”,  wie Ts'ao Kung
analysiert, läßt einen Mann blind und verzweifelt kämpfen, wie ein geistesgestörter Stier. Einem solchen
Gegner, sagt Chang Yu, „darf  man nicht mit Gewalt entgegentreten, sondern man lockt ihn in einen
Hinterhalt und erschlägt ihn einfach” . Cf. Wu Tzu, chap. IV. ad init.: "Beim Abschätzen des Charakters
eines Generals, sind die Männer es gewöhnt, ihre Aufmerksamkeit nur auf den Mut des Generals zu
richten, völlig vergessend, daß Mut nur eine der Qualitäten ist, die ein General besitzen muß. Der eher
tapfere Mann ist geneigt, draufgängerisch zu kämpfen; und derjenige, der draufgängerisch kämpft, ohne
Empfindung dafür, was angebracht ist, er ist ein Todeskandidat.”  Ssu­ma Fa macht auch eine treffende
Bemerkung: „In d en Tod gehen bringt nichts für den Sieg”]
2. Feigheit, die zur Gefangennahme führt;  [Ts'ao Kung definiert das chinesische Wort, was hier als
„Fei gheit”   übersetzt   ist,   als   ein   Mann,   „dessen   Furchtsamkeit   ihn   davon   abhält,   einen   Vorteil
wahrzunehmen,”   und   Wang   Hsi   fügt   hinzu   „der   schnell   die   Flucht   ergreift,   sobald   eine   Gefahr
auftritt.”   Meng  Shih  gibt  folgende  Umschreibung  „jemand ,  der  daran   gebunden  ist,  lebend  zurück­
zukehren”,  was bedeutet, daß dieser Mann niemals ein Risiko eingeht. Aber, wie Sun Tzu schon wußte,
kann man nichts erreichen im Krieg, ohne Risiken einzugehen. T'ai Kung sagt: „Derjen ige, der einen
Vorteil verstreichen läßt, wird unvermeidlich in eine Katastrophe hineinschliddern. Im Jahre 404 v.Chr.,
verfolgte Liu Yu den Rebell Huan Hsuan den Yangtsze hoch, und kämpfte einen Krieg zur See mit ihm
 Variationen in Taktiken

bei der Insel Ch'eng­hung. Die treuen Truppen waren nur ein paar tausend, während ihre Gegner eine
große Streitkraft waren. Aber Huan Hsuan, der schon sein Schicksal kommen sah, hatte ein leichtes,
schnelles Boot an der Seite seiner Kriegs­Dschunke, sodaß er im Moment der Gefahr entkommen konnte,
falls nötig. Das natuurliche Resultat war, daß der Kampfgeist seiner Soldaten völlig geschwächt war,
und als die Loyalisten einen Angriff mit Feuerschiffenvon der Windseite aus starteten, und alle mit dem
größten Wetteifer danach strebten, der erste im Gefecht zu sein, sind die Streitkräfte von Huan Hsuan
geschlagen worden, mußten all ihre Ausrüstung verbrennen, und flohen zwei Tage und Nächte ohne
Rast. Chang Yu erzählt eine ähnliche Geschichte von Chao Ying­ch'i, einem General des Chin Staates,
der während eines Krieges mit der Armee von Ch'u im Jahre 597 v. Chr. Ein Boot für sich auf dem Fluß
bereithielt, um im Falle einer Niederlage der erste zu sein, der entkommen konnte.] 
3. ein übereiltes Temperament, welches durch Beleidigungen provoziert werden kann;  [Tu Mu
erzählt uns, daß Yao Hsing, im Jahre 357 v. Chr. in Kämpfe gegen Huang Mei verwickelt, als Teng
Ch'iang  und   andere   bedrängten   ihn   hinter   seinen   Mauern   und   weigerten   sich   zu   kämpfen.   Teng
Ch'iang sagte: „Unser  Gegner ist von cholerischem Gemüt und kann leicht provoziert werden; laß uns
regelmäßige Ausfälle machen, wobei wir seine Schutzmauern niederreißen; er wird dann wütend wer­
den, und herauskommen. Wenn wir seine Streitkräfte in einen Kampf verwickeln können, sind sie dazu
verdammt, unser Opfer zu sein.”  Der Plan wurde ausgeführt, Yao Hsiang kam heraus, um zu kämpfen,
wurde angelockt, indem San­Yuan den Kampf gegen den Gegner nur vortäuschte, griffen ihn schließlich
an, und erschlugen ihn.] 
4. die Zartheit der Ehre, die eine Schande nicht erträgt;  [Man darf dieses nicht auffassen, als wenn
Ehre ein Fehler des Generals wäre. Was Sun Tsu verurteilt, ist eher eine übertriebene Empfindlichkeit
gegenüber beleidigenden Berichten, der dünnhäutige Mann, der von Schande gestochen ist, wie auch
immer, unverdient. Mei Yao­ch'en beobachtet wahrhaft, obwohl etwas paradox anmutend: „Die  Suche
nach Ruhm sollte die allgemeinheit nicht kümmern” ]
5. übermäßige Besorgtheit um seine Männer, welche ihn in Kummer und Ärger bringt. [Hiermit
meint Sun Tzu nicht, daß der General sich nicht um das Wohl seiner Truppen kümmern soll. Was er be­
tonen will, ist die Gefahr, einen wichtigen militärischen Vorteil zu opfern, nur um seine Männer zu
schonen. Dies ist eine kurzsichtige Strategie, weil auf lange Sicht werden die Truppen mehr unter der
Niederlage leiden, oder günstigenfalls noch nur unter der Verlängerung des Krieges, der die Folge sein
wird. Ein falsch aufgefasstes Gefühl der Schande wird oft einen General dazu verführen, eine belagerte
Stadt zu befreien, oder eine unter Druck stehende Einheit zu verstärken, im völligen Widerspruch zu
seinen militärischen Instinkten. Es ist inzwischen allgemein zugestanden, daß es bei den wiederholten
Anstrengungen, Ladysmith zu befreien, im Südafrika – Krieg, es viel strategischen Pfusch gab, der sich
selbst widersprach. Und letzendlich kam die Befreiung durch den besonderen Mann, der den eindeutigen
Entschluß fasste, nicht mehr länger das Gesamtziel den Teilzielen unterzuordnen. Ein alter Soldat, einer
unserer Generale, der auffallend häufig scheiterte in diesem Krieg, versuchte einmal, wie ich mich erin­
nere, sich mir gegenüber zu verteidigen, mit der Begründung, daß er immer “ zu gut zu seinen Leuten”
gewesen wäre. Dadurch, daß er so sprach, als hätte er es nicht gewußt, verdammte er nur sich selber, wie
Sun Tzu es beschrieb.]
12. Dies sind die fünf schlimmen Sünden eines Generals, ruinös in einem Krieg.
13. Immer dann, wenn eine Armee überwunden ist und ihr Führer umgebracht, ist der Grund immer
unter diesen fünf gefährlichen Fehlern zu finden. Sie mögen Gegenstand weiterer Betrachtungen
sein.
[1] "Marshal Turenne," p. 50.
Armeen auf dem Marsch

10 Armeen auf dem Marsch

1. Sun Tzu sagt: Wir kommen nun zu der Frage des Lagers einer Armee, und der Beobachtung von
Anzeichen   eines   Feindes.   Überquere   schnell   Berge,   und   halte   dich   in   der   Nachbarschaft   von
Tälern auf. [Die Idee ist, nicht in ödem Hügelland zu verweilen, sondern sich immer nahe dessen zu hal­
ten, wo Wasser ist, und Graß wächst. Cf. Wu Tzu, Kapitel. 3: "Verweile nicht in natürlichen Öfen,”  z.B.
“ den Zugängen zu Tälern”  Chang Yu erzählt hierzu folgende Anekdote: Wu­tu Ch'iang war ein Räuber­
hauptmann   in   der   Zeit   der   späten  Han   –  Dynastie,   und   Ma   Yuan   wurde   ausgeschickt,   seine   Gang
auszukundschaften. Ch'iang fand eine Zuflucht auf den Hügeln, und Ma Yuan machte keine Anstalten, ihn
in einen Kampf zu verwickeln, aber er nahm alle bevorzugten Plätze für die Versorgung mit Wasser und
Futtergraß in Beschlag. Ch'iang war bald in einer so verzweifelten Lage durch Mangel an Proviant, sodaß
er gezwungen werden konnte sich vollständig zu ergeben. Er wußte nicht, daß es von enormen Vorteil war,
sich in der Nähe der Täler aufzuhalten]
2. Campiere auf leichten Anhöhen  [Nicht auf hohen Hügeln, sondern auf kleinen Anhöhen und Hügeln,
die   sich   leicht   aus   der   umgebenden   Landschaft   herausheben]  immer   der   Sonne   entgegen.  [Tu   Mu
beschreibt dies als “ nach Süden schauen”,  und Ch'en Hao meine "gen Osten" Cf. infra, SS. 11, 13.] Erk­
limme niemals Hügel, um dort zu kämpfen. So viel zu Kampf in Bergen.
3. Nachdem Du einen Fluß überquert hast, halte dich möglichst weit weg von diesem.["Mit dem Ziel,
deinen Feind dazu zu verführen, diesen nach dir zu überqueren,”  wie Ts'ao Kung meint, und auch sagt
Chang Yu, "um nicht in der eigenen Entwicklung behindert zu werden." Der T'UNG TIEN liest sich so:
"Wenn der Feind den Fluß überquert,”  etc. Aber angesichts des nächsten Satzes, ist dies sicherlich eine An­
näherung daran]
4.   Immer   dann,   wenn   eine   eindringende   Streitkraft   einen   Fluß   überquert,   um   ihren   Marsch
fortzusetzen, trete ihnen nicht entgegen, sie mitten im Fluß zu treffen. Am Besten ist es, du läßt
die Hälfte der Armee das andere Ufer erreichen, und dann greife sie an. [Li Ch'uan verweist auf den
großen Sieg, den Han Hsin über Lung Chu errungen hat, beim Wei Fluß. Wenden wir uns an den CH'IEN
HAN SHU, ch. 34, fol. 6 verso, finden wir den Kampf wie folgt beschrieben: “Die  zwei Armeen standen
sich auf beiden Seiten des Flusses gegenüber. In der Nacht befahl Han Hsin seinen Männern, einige 10.000
Säcke mit Sand zu nehmen, und damit einen Damm flußaufwärts zu bauen. Dann, als der die Hälfte seiner
Armee hinübergeführt hatte, griff er Lung Chu an; aber nach einer Zeit gab er vor, mit seinem Angriff
gescheitert  zu  sein,  und  zog  sich  hastig  auf  das  andere  Ufer  zurück.  Lung   Chu  war  durch  diesen  un­
vorhergesehenen   Erfolg   freudig   erregt,  rief  aus:   “Ich  war   sicher,   daß  Han   Hsin   ein   wirkicher   Feigling
war!” , er verfolgte ihn, und begann, den Fluß zu überqueren. Han Hsin schickte nun ein Kommando los,
welches   die  Sandsäcke  öffnete,  und  so ergoß  sich eine  riesige  Menge  Wasser,  die  niederschoß, und den
größeren Teil der Armee von Lung Chu daran hinderte, nachzufolgen. Er stürzte sich dann auf die Kräfte,
die nun abgeschnitten  waren,  und eliminierte sie, Lung Chu selber war unter den Toten. Der Rest der
Armee, am anderen Ufer wurde zerstreut und flüchtete in alle Richtungen]
5.  Wenn Du ängstlich bist, zu kämpfen, solltest Du den Eindringling nicht in der Nähe eines Flusses
treffen, den er zu überqueren hat.[Aus Angst, ihn daran zu hindern, ihn zu überqueren]
6. Laß Dein Schiff weiter stromaufwärts vor Anker gehen, als dein Feind, mit Blick in die Sonne.
[Siehe supra, ss. 2. Die Widerholung dieser Worte in Verbindung mit Wasser ist sehr gefährlich. Chang Yu
schreibt eine Bemerkung: “An genommen, eine der Truppen hat sich an einem Flußufer verschanzt, oder auf
Booten mitten im Strom geankert; in jedem Fall ist es wichtig, weiter flußaufwärts zu sein, und der Sonne
entgegen zu schauen.”  Die anderen Kommentatoren sind alle nicht so genau]
7. Treffe deinen Feind niemals stromaufwärts.  [Tu Mu sagt: "Weil Wasser stromabwärts fließt, dürfen
wir unser Camp nicht in den niederen Lagen des Flusses aufschlagen, um nicht in Gefahr zu laufen, daß der
Armeen auf dem Marsch

Feind seine Schleusen öffnet, und uns in einer Flut wegschwemmt.Chu­ko Wu­hou hat angemerkt, daß: 'In
einem Flußkampf dürfen wir nicht gegen den Strom vorrücken,' was dasselbe ist, als wenn man sagt, daß
unsere Flotte nicht unterhalb der des Feindes ankern sollte, damit der Feind keinen Vorteil aus der Strö­
mung zieht, und uns viele Umstände macht.”  Hier existiert aber auch die Gefahr, so anderen Kommenta­
tren, daß der Feind Gift ins Wasser schmeißt, welches dann zu uns herübergetragen wird.]  So viel zum
Flußkampf.
8. Beim Überqueren von Salz­Sümpfen, solltest Du dich  einzg darum  kümmern, diese  schnell  zu
überwinden,   ohne   Verzögerung.  [Wegen  einem   Mangel   an   Frischwasser,   der  mageren  Qualität  der
Gewächse, und nicht zu guterletzt, weil sie tief und flach sind, sondern angriffsgefährtdet.]
9. Wenn   du   in   einem   Salz­Sumpf   angegriffen   wirst,   solltest   Du   Wasser   und   Grass   in   der   Nähe
haben, und dich dann zu einer Baumgruppe zurückziehen. [Li Ch'uan bemerkt, daß der Boden dort
weit weniger trügerisch ist, wo Bäume sind, während Tu Mu sagt, daß diese dazu dienen, den Rücken zu
schützen.] So weit zu Operationen in Salz­Sümpfen
10. In trockenem Land,  nimm eine leicht zugängliche Position ein mit leicht ansteigendem Terrain
links und rechts, [Tu Mu zitiert T'ai Kung, der sagt: "Eine Armee sollte einen Fluß oder einen Sumpf auf
der einen Seite, und eine Anhöhe oder einen Hügel auf der anderen Seite"] sodaß die Gefahr von vorne
kommt, und Sicherheit von hinten ist. So viel zum lagern in Ebener Landschaft.
11. Dies sind die vier nützlichen Äste des militärischen Wissens [Diese lauten entsprechend dem, womit
sie zu tun haben: (1)Berge, (2)Flüsse, (3)Sümpfe, und (4)Ebenen. Vergleiche mit Napoleon's “ Grundsätze
des Militärs”  # 1] welches es dem Gelben Kaiser erlaubte, vier separate Herrscher zu überwinden.
[Betrachten wir den “ Gelben Kaiser” : Mei Yao­ch'en fragt, mit Grund, warum hier ein Fehler in dem Text
ist, nämlich nicht ist bekannt darüber, daß Huang Ti jemals vier fremde Herrscher überwunden hätte. Das
SHIH CHI (Kapitel 1, zu Beginn) spricht nur von seinen Siegen über Yen Ti und Ch'ih Yu. In dem LIU
T'AO wird erwähnt, daß er “vierzig  Kämpfe focht, und das Reich befriedete" Ts'ao Kung's Erklärung ist,
daß der “ Gelbe Kaiser”  der erste war, der ein feudales System von Vasallen­Prinzen errichtete, jedes von ih­
nen (es waren der Zahl vier) trug den Namen des Kaisers. Li Ch'uan erzählt uns, daß der ART OF WAR
entstanden ist unter Huang Ti, welcher es von seinem Minister Feng Hou erhalten hat.]
12. Alle Armeen bevorzugen Anhöhen gegenüber Senken.  [“Anhöhen”,  sagt Mei Yao­ch'en, "ist nicht
nur einverständlicher und zuträglicher, sonder auch vorteilhafter aus militärischer Sicht; Senken sind nicht
nur dunkler und ungesund, sondern auch nachteilig für den Kampf.”]  und sonnige Plätze gegenüber
den dunklen.
13. Wenn Du sorgsam mit deinen Männern umgehst,  [Ts'ao Kung sagt: "Sorge für frisches Wasser und
Weideland, auf welches du deine Tiere grasen lassen kannst.”]  und campierst Du auf hartem Unter­
grund, wird die Armee frei sein von aller Art Krankheiten, [Chang Yu sagt: "Die Trockenheit des Kli­
mas wird vor Ausbruch vor Krankheiten schützen"] und das wird Sieg bedeuten.
14. Wenndu an einen Hügel kommst, oder an einen Wall, besetze immer die Sonnenseite, mit dem
Hang rechts  hinter dir. So wirst du für das Wohl deiner Soldaten sorgen, und gleichzeitig  die
natürlichen Vorteile des Geländes für dich nutzen.
15. Wenn ein Fluß aufgrund heftiger Regelfälle oberhalb angestiegen ist, den du überqueren willst,
und von Schaum besprenkelt ist, musst du warten, bis der Pegel sinkt.
16. Land, in welchem es steil abfallende Klippen gibt, mit Sturzbächen dazwischen, tiefe natürliche
Höhlen,  [Die später beschrieben sind als “P lätze, an jeder Seite von steilen Böschungen eingeschlossen,
und am Fuße mit Wassertümpeln] eingegrenzte Plätze, [beschrieben als "natürliche Pferche oder Gefäng­
nisse"   oder   "Plätze,  an   drei   Seiten   umgeben   von   Abgründen   –  leicht   hinein   zu   kommen,   aber"]  ver­
wirrende Dickichte, [beschrieben als "Plätze, bedeckt mit so dichtem Unterholz, das keine Speere durch­
dringen können"] Sümpfe [beschrieben als “n iedrig liegende Plätze, so schwer voll Matsch, und unpassier­
Armeen auf dem Marsch

bar für Streitwagen und Reiter"]  und Gletscherspalten,  [beschrieben von Mei Yao­ch'en als "schmaler


und schwieriger Weg zwischen vorstehenden Klippen" Tu Mu's Bemerkung ist "Grund, bedeckt mit Bäu­
men und Steinen, gekreuzt von vielen Schlaglöchern und Ritzen" Dies ist sehr vage, aber Chia Lin erklärte
es klar genug als einen Bergpass (Klause) oder schmalen Paß, und Chang Yu sieht es ebenso. Insgesamt
tendieren die Kommentatoren sicherlich zu einer Übersetzung in “ Bergpass”.  Aber die ursprüngliche Be­
deutung des Chinesischen an einer Stelle ist “Sprung  oder Spalte”,  und die Tatsache, daß das Chinesische
an anderen Stellen in dem Satz etwas wie die Natur eines Bergpasses andeutet, läßt mich an Gletscherspal­
ten denken, die Sun Tsu wohl meinte] sollte unverzüglich verlassen werden und man sollte sich auch
niemals in ein solches begeben.
17. Wenn   wir   uns   weit   fernhalten   von   solchen   Plätzen,   sollten   wir   den   Feind   dorthin   treiben;
während wir ihm gegenüberstehen, sollte er diese in seinem Rücken haben.
18. In der Nachbarschaft deines Camps sollten keine Hügellandschaften, Teiche, umgeben von hohem
Wassergras,   hohle   Basins   mit   Schilf,   oder   Wälder   mit   dichtem   Unterholz,   sein,   sie   sollten
sorgfältig ausgekundschaftet und untersucht sein; denn genau dies sind Plätze, wo Männer au­
flauern, hinterlistige Spione lauern. [Chang Yu macht die Bemerkung: "Wir müssen auch ständig auch
auf der Hut sein vor Verrätern, die nahe versteckt liegen könnten, heimlich unsere Schwächen auskund­
schaften, und unsere Befehle mithören."]
19. Wenn dein Feind nahe an dir dran ist, und sich ruhig verhält, verläßt er sich auf die natürliche
Stärke seiner Position. [Hier beginnen Sun Tzu's Bemerkungen über das Lesen von Zeichen, vieles von
dem ist so gut, daß es schon fast Teil in einem modernen Handbuch sein könnte, wie General Baden­Pow­
ell's “Aids  to Scouting”]
20. Wenn er sich fernhält und versucht, einen Kampf zu provozieren, ist er erpicht darauf, daß der
Gegner vorrückt.  [Möglicherweise, weil wir in einer starken Position sind, aus der er uns versucht, her­
vorzulocken.  “Wenn  er  uns   zu   nahe   käme”,  so  sagt  Tu   Mu,   “und   versuchen   würde, einen   Kampf   zu
erzwingen, würde er uns verachten, und damit wäre die Wahrscheinlichkeit geringer, daß wir uns darauf
einlassen."]
21. Wenn sein Lagerplatz leicht zugänglich wäre, versucht er einen Hinterhalt.
22. Bewegungen zwischen Bäumen in einem Wald zeigen, daß der Feind vorrückt. [Ts'ao Kung erklärt
dies als “Fäll en von Bäumen, um einen  Weg frei zu machen”,  und Chang Yu sagt: “ Jedermann sendet
Kundschafter aus, die auf Anhöhen klettern, um den Feind zu beobachten. Wenn ein Kundschafter sieht,
daß die Bäume in einem  Wald sich bewegen  und geschüttelt  werden,  kann  er daraus schließen, daß sie
gefällt werden, um eine Passage frei zu machen, für den weiteren Marsch des Feindes."]  Das Erscheinen
einer Zahl von Schirmen aus langem Gras bedeutet, daß der Feind uns argwöhnisch machen will.
[Tu Yu's Erklärung, geborgt von Ts'ao Kung's, ist folgende: “Die  Anwesendheit einer Zahl von Schirmen
aus dichtem Gras ist ein klares Zeichen dafür, daß der Feind geflohen ist, und aus Angst vor Verfolgung
hat er diese Verstecke gebaut, damit wir einen  Hinterhalt  befürchten. Es schaut so aus,  als wenn diese
Schirme hastig aus irgendwelchem langen Gras zusammengeknotet worden sind, die der Feind auf seinem
Rückzug zufällig gefunden hat..]
23. Erheben sich Vögel in die Luft, so ist dies ein Zeichen für einen Hinterhalt. [Chang Yu's Erklärung
ist zweifellos richtig: “W enn Vögel, die in einer geraden Linie plötzlich aufsteigen, so bedeutet dies, daß Sol­
daten genau dort in einem Hinterhalt lauern"] Aufgeschreckte Tiere zeigen an, daß ein plötzlicher An­
griff erfolgt.
24. 23. Wenn der Staub in einer hohen Säule emporsteigt, ist dies ein Zeichen dafür, daß Streitwagen
herannahen; wenn der Staub niedrig ist, aber über eine große Fläche verteilt ist, verkündet dies
das Annähern von Fußvolk. ["Hoch und scharf", oder sich zu einem Gipfel erhebend, ist natürlich etwas
übertrieben,   besonders   auf   Staub   angewendet.   Die   Kommentatoren   erklären   das   Phänomen,   indem   sie
Armeen auf dem Marsch

sagen, daß Pferde und Streitwagen, die schwerer sind, als Menschen, mehr Staub aufwirbeln, und daß ein
Rad dem anderen ja in der Spur folgt, während Fußsoldaten in Reihen nebeneinander laufen. Nach Chang­
Yu, “ jede Armee auf dem Marsch muß Kundschafter vorausschicken, die bei Anzeichen von Staub, den der
Feind aufwirbelt, zurückreiten und dies dem Oberbefehlshaber melden. Cf. General Baden­Powell: "Wenn
du marschierst, sagen wir mal in einem feindlichen Gebiet, solltest Du Ausschau halten nach anzeichen des
Feindes:   Spuren,   aufgewirbelter   Staub,   auffliegende   Vögel,  aufblitzen   von   Waffen,   e.t.c."   [1]   ]  Wenn
Spuren in verschiedenste Richtungen führen, zeigt dies, daß Kommandos ausgesendet wurden,
um Feuerholz zu sammeln. Ein paar aufsteigende Wolken signalisieren, daß eine Armee campt
[Chang Yu sagt: "Beim Aufteilen der Verteidigungsarbeiten für die Unterkunft, wird ein leichtes Pferd ver­
wendet, um die Lage zu beurteilen, und die Stärken und Schwachpunkte in der Umgebung auszukund­
schaften. Daher die geringe Menge an Staub und seiner Bewegung.”]
25. Wenige  Worte  und  emsige  Vorbereitungsarbeiten signalisieren,  daß der Feind sich vorbereitet,
weiterzuziehen. ["Auch hatten sie große Angst vor uns.", sagt Tu Mu. "Ihr Ziel ist es, uns sorglos und
sie geringschätzend zu machen, um uns danach anzugreifen." Chang Yu weist auf die Geschichte von T'ien
Tan hin, über Ch'i­mo gegen die Yen Streitkräfte, angeführt von Ch'i Chieh. In Kapitel 82 des SHIH CHI
lesen wir: "T'ien Tan sagt offen: 'Meine einzige Angst ist daß die Yen Armee die Nasen ihrer Ch'i Gefan­
genen abschneidet, und diese dann in der ersten Reihe plaziert, um gegen uns zu kämpfen; das wäre der
Ruin für unsere Stadt' Die andere Seite, von seiner Rede unterrichtet, handelten entsprechend seiner Rede;
aber die Menschen in der Stadt waren aufgebracht, als sie sahen, daß ihre Landsleute verstümmelt wurden,
und, aus Angst, in Feindeshand zu fallen, verteidigten sie sich mit dem Mut der Verzweifelung wie noch
nie zuvor. T'ien Tan schickte umgedrehte Spione zurück, die folgende Worte dem Feind  berichten sollten:
“W as ich am meisten fürchtete, daß die Männer von Yen die Gräber ihrer Vorfahren außerhalb der Stadt
ausgraben, und dadurch,  daß sie diese Schande an unseren Vorvätern üben, machen sie uns mutlos.Un­
verzüglich öffneten die Belagerer alle Gräber, und verbrannten alle darin liegenden Körper. Und die Ein­
wohner der Einwohner von Chi­mo, als sie diese Freveltat sahen, weinten bitterlich, und, ihr rasender Zorn
auf das Zehnfache gesteigert,  waren alle ungeduldig, herauszustürmen und zu kämpfen. T'ien Tan wußte
nun, daß seine Soldaten bereit waren für jede Unternehmung. Aber anstelle eines Schwertes, nahm er eine
Hacke in seine Hände, und befahl anderen, sich zwischen seinen besten Kämpfern zu verteilen, wobei er die
Reihen   mit   deren   Frauen   und   Konkubinen   auffüllte.   Dann   ließ  er   alle   verbleibenden   Essensrationen
verteilen, und bat seine Leute, sich satt zu essen. Die regulären Soldaten waren angewiesen, sich außer
Sicht zu halten, und die Mauern wurden bevölkert mit älteren und schwachen Männern, sowie Frauen. Als
er damit fertig war, schickte er Gesandte zum gegnerischen Camp, um die Bedingungen für eine Kapitula­
tion auszuhandeln, woraufhin die Yen Armee laut lachte. T'ien Tan sammelte auch 20.000 Unzen Silber
von den Leuten, und ließ die wohlhabenden Bürger von Chi­mo diese an den Yen general übersenden, mit
der Bitte, daß wenn die Stadt kapituliert, er ihre Häuser verschone und Mißhandlung ihrer Frauen un­
terbinde. Ch'i Chieh, amüsiert, gewährte diese Bitte; aber seine Armee wurde von nun an zunehmend lust­
loser und sorgloser. In der Zwischenzeit sammelte T'ien Tan 1000 Ochsen zusammen, schmückte sie mit
Stücken roter Seide, malte ihre Körper Drachen­ähnlich an, mit farbigen Streifen, und befestigte scharfe
Klingen an ihren Hörnern, und ließ die Haarbüschel an den Schwanzenden einfetten. Als die Nacht kam,
entzündete  er die Schwanzenden der Ochsen,  und  trieb sie durch  eine Zahl von Löchern in der Wand,
dahinter eine Armee von 5000 handverlesenen Soldaten. Die Tiere, vor Schmerz verrückt, rannten in Rage
in das Camp des Feindes, wo sie für äußerste Verwirrung und Schrecken sorgten; mit ihren Schwänzen als
Fackeln, den scheußlichen Mustern auf ihren Körpern, und den Waffen auf ihren Hörnern töteten oder ver­
wundeten sie jeden, der mit ihnen in Kontakt kam. In der Zwischenzeit war die Schar von 5000 Soldaten
mit Knebeln im Mund herangekrochen und stürzte sich auf den Feind. Zeitgleich erklang ein fürchterliches
Getöse in der Stadt, alle, die dort zurückgeblieben waren, machten soviel Getöse, wie sie nur konnten, in­
dem sie Trommeln und auf Bronzekessel schlugen, bis Himmel und Erde von diesem Tumult erschüttert
waren. Von Panik ergriffen floh die Yen Armee in völligem Chaos, scharf verfolgt von den Menschen von
Ch'i, die es sogar schafften, deren General Ch'i Chien zu erschlagen.... Das Ergebnis des Krieges war die
Armeen auf dem Marsch

Zurückeroberung von ungefähr 70 Städten, die zu dem Ch'i Staat gehörten."] Agressive Sprache und
gleichzeitiges   Vorrücken,   wie   bei   einem   Angriff   sind   Anzeichen   dafür,   daß   der   Gegner   sich
zurückziehen wird.
26. Wenn die beleuchteten Streitwagen zuerst herauskommen, und eine Position an den Flügeln ein­
nehmen, ist das ein Zeichen dafür, daß der Feind sich für einen Kampf formiert.
27. Friedensangebote,  nicht  begleitet  von  einem  geschworenen  Bündnis  lassen  eine  Verschwörung
vermuten. [Die Leseweise hier ist unbestimmt. Li Ch'uan deutet an: "Ein Vertrag, bekräftigt durch Eide
und Geiseln”.  Wang Hsi und Chang Yu, auf der anderen Seite, sagen einfach: "ohne Grund", "unter einem
leichtfertigen Vorwand"]
28. Wenn alle hastig herumrennen  [Jeder Mann hastet zu seinem richtigen Platz unter seiner Regiment ­
Fahne]  und die Soldaten zu ihrer Reihe finden, dann ist der kritische Moment gekommen.
29. Wenn beobachtet wird, daß einige vorrücken, und andere sich zurückziehen, dies ist ein Köder.
30. Wenn die Soldaten sich auf ihre Speere stützen, sind sie erschöpft vor Hunger.
31. Wenn diejenigen, die geschickt wurden, um Wasser zu holen, selber anfangen zu trinken, leidet
die Armee unter Durst. [wie Tu Mu bemerkt: "Man kann den Zustand einer ganzen Armee abschätzen,
indem man sich das Verhalten eines einzigen Mannes anschaut."]
32. Wenn der Feind einen Vorteil für sich sieht, den er erringen könnte, und macht keine Anstrengun­
gen, diesen zu erlangen, sind seine Soldaten erschöpft.
33. Wenn Vögel sich an einem Punkt versammeln, ist dieser nicht besetzt. [Eine sehr nützliche Tatsache,
die man im Auge haben sollte, für den Falle, wie Ch'en Hao sagt, der Feind heimlich sein camp verlassen
hat.]
34. Lärm in der Nacht zeugt von Nervosität.
35. Wenn   dort   Unruhe   im   Camp   ist,   ist   die   Autorität   des   Generals   schwach.   Wenn   Banner   und
Flaggen sich bewegen, ist Aufruhr im Gange. Wenn die Offiziere wütend sind, sind die Soldaten
des Kämpfens überdrüssig. [Tu Mu versteht diesen Satz anders: "Wenn alle Offiziere einer Armee sauer
auf ihren General sind, bedeutet das, daß sie Müde sind vor Erschöpfung”  verschuldet durch die Strapazen,
die er ihnen abverlangt hat.]
36. Wenn eine Armee mit Korn füttert, und ihre Vieh für Nahrung tötet, [Gewöhnlich werden die Män­
ner mit Korn gefüttert, und die Pferde hauptsächliche  mit Grass.]  und wenn die Männer ihre Topfe
nicht mehr über die Lagerfeuer halten, dadurch zeigen, daß sie nicht in ihre Zelte zurückkehren,
daraus kann man schließen, daß sie um ihr Leben kämpfen müssen.  [Ich zitiere hier einen erhellen
Abschnitt von HOU HAN SHU, Kapitel. 71, in verkürzter Form von P'EI WEN YUN FU: "Der Rebel
Wang Kuo Liang belagerte die Stadt Ch'en­ts'ang. Huang­fu Sung, der das Oberkommando hatte, und
Tung Cho wurden ausgesandt gegen ihn. Letzterer drängte auf schnelle Maßnahmen, aber Sung hörte nicht
auf seinen Rat. Schließlich waren die Rebellen völlig erschöpft, und streckten, völlig erschöpft, ihre Waffen
nieder. Sung griff nicht an, aber Cho sagte: “ Es ist ein Prinzip im Krieg, verzweifelte Männer nicht zu ver­
folgen, einen Feind bei seinem Rückzug nicht zu bedrängen.”  Sung antwortete: “Dieses  greift hier nicht.
Ich greife eine erschöpfte Armee an, keinen Feind auf Rückzug; mit disziplinerten Truppen stoße ich auf
einen unorganisierten Haufen, nicht auf einen Trupp von verzweifelten Männern. Hierauf rückte er zum
Angriff vor, ohne die Unterstützung seines Kollegen, und verfolgte den Feind, und Wang Kuo wurde er­
schlagen.]
37. Männer, die sichtbar zusammen flüstern in kleinen Gruppen oder in gedämpften Ton reden, dies
zeigt auf eine Unzufriedenheit bei Rang und Ordnung.
Armeen auf dem Marsch

38. Zu häufige Belohnungen zeugen davon, daß der Feind am Ende seiner Kräfte ist; [Weil, wenn eine
Armee hart bedrängt ist, wie Tu Mu sagt, besteht immer die Gefahr einer Meuterei, und großzügige Beloh­
nungen   halten   die   Männer  in   guter   Stimmung.]  zu   viele   Bestrafungen   zeugen   von   einer   starken
Bedrängnis [Weil in solchen Fällen die Disziplin nachlässt, und ungewöhnliche Härte notwendig ist, um
die Männer dazu zu bewegen, ihre Pflicht zu tun.]
39. Mit viel Lärm beginnen, und später sich über die Zahl der feindlichen Soldaten zu erschrecken,
zeugt einen übermäßigen Mangel  an Intelligenz.  [Ich folge hier der Interpretation von Ts'ao Kung,
auch vertreten von Li Ch'uan, Tu Mu und Chang Yu. Eine andere Meinung haben Tu Yu, Chia Lin, Mei
Tao­ch'en und Wang his, die lautet: “ Derjenige General, der zuerst tyrannisch zu seinen Männern ist, und
dann diese terrorisiert, aus Furcht, daß sie Meutern, e.t.c.”  Dies könnte die beiden vorhergehenden Sätze
verbinden, vor denen mit Belohnungen und Bestrafungen.]
40. Wenn Botschafter  ausgesandt  werden  mit  Grüßen  auf  der  Zunge,  so signalisiert  dies,  daß der
Feind einen Waffenstillstand wünscht.  [Tu Mu sagt: "Wenn der Feind freundschaftliche Beziehungen
vorschlägt, indem er Betschafter schickt, ist dies ein Zeichen dafür, daß sie sich um einen Waffenstillstand
bemühen, entweder weil ihre Kraft erschöpft ist, oder aus einem anderen Grund." Aber es benötigt kaum
eines Sun Tzu, um solche Schlüsse zu ziehen.]
41. Wenn die feindlichen Truppen wütend auftreten und für längere Zeit den unseren nur gegenüber­
stehen, ohne den Kampf zu eröffnen, oder sich wieder zurückzuziehen, so ist diese Situation eine,
die größte Wachsamkeit und Umsicht erfordert.  [Ts'ao Kung sagt, daß ein Manöver dieser Art ist
gewöhnlich eine List, um Zeit zu gewinnen, für einen unerwarteten Angriff der Flanke, oder um einen Hin­
terhalt zu legen.]
42. Wenn   unsere   Truppen   dem   Feind   zahlenmäßig  nicht   überlegen   sind,   ist   dies   reichlich   ausre­
ichend; Es bedeutet nur, daß man keinen direkten Angriff  ausführen kann.  [Wortwörtlich, "kein
kriegerischer   Vorteil"   Das   soll   bedeutet,   daß  CHENG   Taktiken   und   Frontalangriffe   gemieden   werden
müssen, und man sich auf Kriegslisten stattdessen besinnen muß.]
43. Was wir tun können, ist uns  einfach auf unsere  verfügbaren Stärken konzentrieren, den Feind
genau zu beobachten, und zu versuchen, Verstärkungen zu erreichen.  [Dies ist ein obskurer Satz,
und   keiner   der   Kommentatoren   schaffte   es,   viel   Sinn   aus   diesem   herauszuquetschen.  Ich   folge   hier   Li
Ch'uan, der die einfachste Erklärung anbietet (siehe auch Ockhams Rasiermesser!): "Nur diejenige Seite,
die mehr Männer hat, wird gewinnen." Glücklicherweise haben wir Chang Yu, der die Bedeutung dessen
erklärt in einer Sprache, die die Klarheit selber ist: "Wenn die Zahl gleich ist, und sich keine vorteilhafte
Eröffnung   (der   Kämpfe)   offenbart,   obwohl   wir   nicht   stark   genug   sind,   einen   anhaltenden   Angriff
auszuführen, so können wir doch zusätzliche Rekruten unter unseren Ausstattern und Camp­Folgekräften
finden, um dann, uns auf unsere Kräfte konzentrierend, den Feind genau beobachtend, es so einzufädeln,
damit  wir  den Sieg  zu erringen  können. Aber  – wir  müssen  es  unbedingt  vermeiden,  fremde  Soldaten
auszuleihen, die uns helfen.”  Der zitiert hierzu Wei Liao Tzu, Kapitel 3: "Die nominelle Stärke käuflicher
Truppen mag 100.000 sein, aber deren tatsächliche Stärke wird kaum halb so hoch sein.”]
44. Derjenige, der nicht vorausdenkt, und seine Gegner auf die leichte Schulter nimmt, kann sicher
sein,  von  ihnen  gefangen  genommen  zu  werden.  [Ch'en  Hao,   schreibt  im  TSO  CHUAN:   "Wenn
schon Bienen und Skorpione Gift tragen,, wie viel mehr dann ein feindlicher Staat! Sogar der kümmerlich­
ste Feind darf nicht unterschätzt werden”]
45. Wenn Soldaten bestraft wurden, bevor sie dir zugeteilt werden, werden sie sich nicht als unter­
würfig erweisen; und, wenn sie unterwürfig sind, sind sie praktisch nutzlos. Wenn dir Soldaten
zugeteilt wurden, und diese nicht verschärft werden, werden diese wirkungslos sein.
46. Deswegen müssen Soldaten zunächst mit Menschlichkeit behandelt werden, aber unter Konteolle
sein, in dem Sinn von eiserner Disziplin. [Yen Tzu [B.C. 493] sagte von Ssu­Ma Jang­chu: "Mit seinen
Armeen auf dem Marsch

Bürgertugenden schmeichelte er sich bei dem Volk ein; seine kriegerische Tapferkeit hielt seine Feinde in
Ehrfurcht.”  Cf. Wu Tzu, ch. 4 init.: "Der ideale Befehlshaber vereinigt Kultur mit einem kriegsähnlichen
Gemüt; der Beruf der Waffenführung erfordert eine Kombination aus Härte und Einfühlungsvermögen"]
Dies ist eine sichere Straße zum Sieg.
47. Falls   im   Training   die  Befehle   ständig   forciert   werden,   wird   die  Armee   sehr   diszipliniert   sein;
wenn nicht, wird ihre Disziplin schlecht sein.
48. Wenn ein General zeigt, daß er Vertrauen in seine Männer hat, aber jedesmal daran erinnert, daß
seine Befehle befolgt werden müssen,  [Tu Mu sagt: "Ein General sollte in Friedenszeiten freundliche
Zuversicht  in seine Männer  zeigen  und auch  dafür sorgen,  daß seine  Autorität respektiert wird,  sodaß
dann, wenn sie dem Feind gegenüber stehen, Befehle ausgeführt werden, und Disziplin aufrecht erhalten
wird, weil sie ihm alle vertrauen und zu ihm aufschauen." Was Sun Tzu gesagt hat in ss. 44, wie auch im­
mer, könnte dazu führen, daß man eher dies hier vermutet: "Wenn ein General immer zuversichtlich ist,
daß seine Befehle ausgeführt werden,”  etc."]  wird der der Gewinn beiderseitig sein.  [Chang Yu sagt:
"Der  General hat  Vertrauen  in seine  Leute,  und die  Leute sind  fügsam,  haben Vertrauen zu ihm.  Der
Gewinn wird beiderseitig sein.”  Er zitiert den bedeutungsvollen Satz von Wei Liao Tzu, ch. 4: "Die Kunst,
Befehle zu geben, ist nicht zu versuchen, kleineren Pfusch richtigzustellen, und auch nicht durch unbedeu­
tende Zweifel ins Wanken zu geraten." Unschlüssigkeit und Umständlichkeit sind die sichersten Mittel,
das Vertrauen einer Armee zu verspielen..]
1. [1] "Aids to Scouting," p. 26.

11  Terrain

1. Manches Terrain ist leicht zugänglich, auf manchem Terrain wirst du aufgehalten, manches Ter­
rain lässt keine Entscheidung zu und manches ist eng, manches ist steil und manches ist weit of­
fen.
2. Wenn beide Seiten kommen und gehen können, wird das Terrain »leicht zugänglich« genannt. Ist
das Gelände leicht zugänglich, nimm zuerst deine Position ein, wobei du die erhöhten und sonni­
gen Stellen wählst, die sich als Nachschubwege eignen. Dann ist der Vorteil im Kamp f au f deiner
Seite.
3. Wenn du das Gelände verlassen hast, aber nur unter Schwierigkeiten zurückkehren kannst, dann
heißt es, du wirst aufgehalten. Auf dieser Art von Terrain wirst du siegen, wenn der Gegner un­
vorbereitet ist und du vorrückst. Ist der Feind aber vorbereitet und rückst du vor, ohne zu siegen,
dann wirst du nur schwer wieder zurückkehren können. Dann bringt es dir keinen Vorteil.
4. Wenn es für beide Seiten nicht von Vorteil ist vorzurücken, dann spricht man von einem Gelände,
das keine Entscheidung zulässt. Auf einem solchen Terrain mag dir der Gegner einen Vorteil bi­
eten, aber du nimmst ihn nicht an ­ du ziehst dich zurück, wodurch du den Gegner halb heraus­
lockst, und greifst dann an, zu deinem Vorteil.
5. Enges Terrain solltest du, wenn du der erste bist, vollständig besetzen und den Gegner abwarten.
Ist der Gegner zuerst da, folge ihm nicht, wenn er die Engstellen blockiert. Verfolge ihn, wenn er
sie nicht besetzt.
Auf steilem Terrain solltest du, wenn du der erste bist, die lichten Höhen besetzen und dort auf
den Feind warten. Ist der Gegner als erster da, zieh dich von dort zurück und verfolge ihn nicht.
6. Auf weit offenem Terrain ist das Spiel der Kräfte ausgeglichen, und es ist schwierig, den Gegner
herauszufordern. Ein Kampf würde dir zum Nachteil gereichen.
 Terrain

7. Diese sechs Arten von Terrain zu verstehen, darin liegt die höchste Verantwortung eines Generals,
und es ist unabdingbar, sie genauestens zu prüfen.
8. Unter den Streitkräften gibt es solche, die fliehen, solche, die zögern, solche, die fallen, solche, die
zugrunde gehen, solche, die in Unordnung sind, und solche,  die geschlagen werden. Dies sind
nicht etwa Naturkatastrophen, sondern Folgen von Fehlern der Generäle.
9. Jene   Truppen,  die   über   den  gleichen   Schwung   wie  der  Gegner   verfügen,  aber  eine   zehnfache
Übermacht angreifen, fliehen. Jene Truppen, deren Soldaten stark, aber deren Offiziere schwach
sind, zögern.  Jene,  deren  Offiziere  stark,   aber  deren  Soldaten  schwach  sind,  fallen.  "Wenn  die
Obersten   zornig   und   widerspenstig   sind   und   aus   Ärger   nach   eigenem   Gutdünken   kämpfen,
sobald sie auf einen Gegner treffen, und die Generäle ihre Fähigkeiten nicht kennen, dann gehen
sie zugrunde.
10. Wenn die Generäle  schwach sind und es ihnen an Autorität mangelt, wenn ihre Anweisungen
nicht klar sind und es den Offizieren und Soldaten an Richtlinien fehlt, an die sie sich halten kön­
nen, und wenn sie die Schlachtreihen nicht geordnet aufstellen, dann herrscht Unordnung, Wenn
die   Generäle,   die   unfähig   sind,   den   Gegner   zu   beurteilen,   mit   einer   kleinen   Streitmacht   eine
größere angreifen oder mit schwachen Truppen viel stärkere angreifen und in ihren eigenen Trup­
pen die Soldaten nicht nach ihrer Leistung auswählen, dann sind es Generäle, die geschlagen wer­
den.
11. Dies sind die sechs Wege, die zur Niederlage fuhren. Sie zu verstehen, darin liegt die höchste Ver­
antwortung der Generäle; sie müssen sorgfältig studiert werden.
12. Die Formen des Terrains stellen eine Hilfe für die Armee dar; die einem überlegenen Anführer
angemessene Handlungsweise besteht darin, den Gegner zu analysieren, um den Sieg zu sichern,
und Gefahren und Entfernungen richtig einzuschätzen. 
13. Jene, die sich in den Kampf begeben und dies wissen, werden gewinnen; jene, die sich in den
Kampf begeben und dies nicht wissen, werden verlieren.
14. Weisen also die Gesetze des Krieges auf einen sicheren Sieg hin, dann ist es gewiss angemessen
anzugreifen, selbst wenn die Regierung keinen Kampf will. Weisen die Gesetze des Krieges aber
nicht   auf   einen   sicheren   Sieg   hin,   dann   ist   es   angemessen,   nicht   anzugreifen,   auch   wenn   die
Regierung befiehlt, den Krieg zu eröffnen. 
15. So rückst du vor, ohne nach Ruhm zu schielen, so ziehst du dich zurück, ohne der Schande aus
dem Weg zu gehen. Deine alleinige Absicht ist es, das Volk zu schützen, und daher handelst du
auch zum Wohl der Regierung. So erweist du der Nation einen wertvollen Dienst.
16. Betrachte deine Soldaten wie Kinder, und sie werden dir in tiefe Täler folgen; behandle deine Sol­
daten wie deine eigenen Nachkommen, und sie werden bereitwillig mit dir in den Tod gehen.
17. Daher bewegen sich jene, die erfahren sind in der Kunst des Krieges, ohne zu irren, und sie han­
deln, ohne sich zu zermürben. 
18. Daher heißt es, dass der Sieg nicht in Gefahr ist, wenn du dich selbst und den anderen kennst;
wenn du Himmel und Erde kennst, dann ist der Sieg vollkommen.
19. Bist du ihnen  gegenüber  so großzügig, dass  du sie nicht mehr einsetzen  kannst; bist du ihnen
gegenüber so gütig, dass du sie nicht mehr befehligen kannst; bist du ihnen gegenüber so inkonse­
quent,  dass  du nicht  mehr  imstande  bist,  Ordnung  herzustellen, dann  sind  sie wie verwöhnte
Kinder, nutzlos.
20. Wenn   du  weißt,  dass  deine  Soldaten  fähig   sind  anzugreifen,  aber   nicht   weißt,   ob   der   Gegner
unangreifbar ist, dann hast du nur den halben Weg zum Sieg zurückgelegt. 
 Terrain

21. Wenn du weißt, dass der Gegner angreifbar ist, aber du nicht weißt, ob deine Soldaten unfähig
sind, einen solchen Angriff durchzuführen, dann hast du nur den halben Weg zum Sieg zurück­
gelegt. 
22. Wenn du weißt, dass der Gegner angreifbar ist, und du weißt, dass deine Soldaten fähig zum An­
griff sind, aber wenn du nicht weißt, ob sich das Terrain für einen Kampf eignet, dann hast du nur
den halben Weg zum Sieg zurückgelegt.

12  Neun Arten von Gelände

1. Gemäß den Regeln der Kriegskunst gibt es neun Arten von Gelände. Wo örtliche Interessen auf
ihrem eigenen Territorium miteinander im Wettstreit liegen, spricht man vom Gelände der Auflö­
sung.
1. Wenn   du   des   anderen   Land   betrittst,   aber   nicht   tief   eindringst,   spricht   man   von   leichtem
Gelände.
2. Ein Gebiet, das für dich von Vorteil wäre, würdest du es erobern, und das für den Gegner von
Vorteil wäre, würde er es erobern, heißt umkämpftes Gelände.
3. Ein Gelände, wo du und die anderen kommen und gehen können, wird verbindendes Gelände
genannt.
4. Ein Gelände, das auf drei Seiten von Widersachern umgeben ist und das demjenigen, der es als
erster  besetzt,  Zugang  zum  ganzen  Volk  auf  dem  Kontinent   geben  würde,  wird  sich  über­
schneidendes Gelände genannt.
2. Wenn du tief in feindliches Gebiet eindringst, vorbei an Städten und Dörfern, spricht man von
schwerem Gelände.
3. Durchquerst  du Bergwälder,  tiefe  Schluchten,  Sümpfe  öder  andere  Stellen,  wo  es schwierig  ist
vorwärtszukommen, dann handelt es sich um unwegsames Gelände.
4. Ist der Weg hinein schmal und der Weg hinaus verschlungen, so dass eine kleine gegnerische Stre­
itmacht dich angreifen kann, obwohl deine Truppen in der Mehrzahl sind, dann handelt es sich
um eingekreistes Gelände.
5. Wenn ein rascher Angriff das Überleben sichert und ein zögernder Angriff die Vernichtung be­
deutet, dann spricht man von sterbendem Gelände.
6. Lass es daher auf einem Gelände der Auflösung nicht zu einem Kampf kommen. Auf leichtem
Gelände halte nicht inne. 
1. Auf umkämpftem Gelände greife nicht an. 
2. Auf verbindendem Gelände achte darauf, dass du nicht abgeschnitten wirst. 
3. Auf sich überschneidendem Gelände stelle Verbindungen her. 
4. Auf schwerem Gelände plündere, auf unwegsamem Gelände gehe weiter. 
5. Auf eingekreistem Gelände schmiede Pläne und auf sterbendem Gelände kämpfe.
7. Jene, die in alter Zeit als vortreffliche Krieger bekannt waren, wussten zu verhindern, dass Vorhut
und Nachhut des Gegners einander erreichen und sich kleine und große Gruppen aufeinander
verlassen konnten. 
 Neun Arten von Gelände

8. Sie wussten zu verhindern, dass sich die verschiedenen sozialen Klassen des Gegners gegenseitig
um ihr Wohlergehen sorgen und die Vorgesetzten und Untergebenen einander unterstutzen kon­
nten. 
9. Sie wussten zu verhindern, dass die Soldaten engagiert waren und Zusammenhalt innerhalb der
Armee bestand. Sie traten in Aktion, wenn es für sie von Vorteil war, und hielten inne, wenn es
dies nicht war.
10. Du magst dich fragen, wie du wohl mit gut organisierten Gegnern, die auf dich zukommen, fertig
wirst? Die Antwort ist, dass du ihnen zuerst nimmst, was sie lieben. Dann werden sie auf dich
hören.
11. Schnelligkeit ist die wesentliche  Eigenschaft  einer  Streitmacht.  Nütze  es aus, wenn  der andere
dich nicht einholen kann; schlage Wege ein, die er nicht erwartet; greife an, wo er nicht auf der
Hut ist.
12. Im allgemeinen besteht das Prinzip einer Invasion darin, dass die Eindringlinge um so geeinter
sind. Je tiefer sie ins gegnerische Gebiet vordringen. Dann kann die sich verteidigende Führung
sie nicht mehr bezwingen.
13. Sammle, was du auf fruchtbaren Feldern findest, und deine Armee wird genug zu essen haben.
Sorge für deine Gesundheit und vermeide jede Überanstrengung, konzentriere deine Energie und
geh sparsam mit deinen Kräften um. Truppenbewegungen und Strategien musst du so ausführen,
dass du unergründlich bist.
14. Führe sie in Stellungen, die keinen Ausweg offen lassen, und sie werden nicht fliehen, auch wenn
sie sterben müssen. Wenn sie dazu bestimmt sind, dort zu sterben, wozu wären sie dann nicht im­
stande? Krieger entfalten ihre gesamte Kraft, 
15. Wenn sie sich in großer Gefahr befinden, dann kennen sie keine Furcht. Wenn sie keinen Ausweg
haben, dann sind sie entschlossen; wenn sie tief in etwas verwickelt sind, dann lassen sie nicht
davon ab; wenn sie keine Wahl haben, dann kämpfen sie.
16. Daher sind die Soldaten wachsam, ohne dass du sie dazu ermahnen müsstest. Sie melden sich
freiwillig, ohne dass du sie einberufen müsstest; sie unterstützen dich, ohne dass du sie dazu auf­
fordern musst; sie sind zuverlässig, ohne dass du Befehle erteilen müsstest.
17. Verbiete die Wahrsagerei, zerstreue die Zweifel, und die Soldaten werden dich nie verlassen. 
18. Wenn deine Soldaten nichts Überflüssiges besitzen, so heißt das nicht, dass sie materielle Güter
verabscheuen. 
19. Wenn sie kein Leben mehr vor sich haben, dann heißt das nicht, dass sie nicht lange leben wollen. 
20. An dem Tag, an dem der Befehl zum Ausrücken ergeht, weinen die Soldaten.
21. Daher sollte eine geschickte militärische Operation einer schnellen Schlange gleichen, die mit dem
Schwanz zurückschlägt, wenn ihr jemand einen Schlag auf den Kopf versetzt, die mit dem Kopf
zustößt,  wenn  ihr jemand  einen Schlag  auf  den Schwanz  versetzt,  und  die sich  mit Kopf  und
Schwanz wehrt, wenn jemand sie in der Mitte trifft. Du magst fragen, oh eine Streitkraft dieser
flinken Schlange gleichen kann? Die Antwort ist: Sie kann.
22. Selbst Menschen, die einander nicht mögen, werden einander helfen, wenn sie im gleichen Boot
sitzen und in Schwierigkeiten geraten.
Daher sind angebundene Pferde und eingegrabene Räder nicht verlässlich genug.
23. Verschiedene Stufen von Tapferkeit auszugleichen und zu vereinheitlichen, das ist das Tao der
Organisation. Erfolg im Harten und im Weichen liegt in der Struktur des Geländes begründet.
 Neun Arten von Gelände

24. Daher gelingt es jenen, die in militärischen Operationen geschickt sind, die Zusammenarbeit in
einer   Gruppe  zu  fördern,  so   dass   sie   sie   lenken   können,  so   wie   sie   ein  einzelnes  Individuum
lenken, dem keine andere Wahl bleibt.

25. Ein General handelt verschwiegen und geheim, fair und geordnet .

26. Er kann Augen und Ohren der Soldaten täuschen und sie uninformiert und unwissend lassen.
27. Er ändert seine Maßnahmen und revidiert seine Pläne, so dass die anderen im unklaren darüber
bleiben. Er wechselt seinen Aufenthaltsort und geht verschlungene Wege, so dass die anderen ihm
nicht zuvorkommen können.
28. Wenn sich ein Führer mit seinen Truppen ein Ziel setzt, ist es, als würde er irgendwo hinaufklet­
tern und dann die Leiter umwerfen. 
29. Wenn ein Führer mit seinen Truppen tief in feindliches Gebiet vordringt, setzt er ihr Potential frei.
Er lässt sie die Boote verbrennen und die Topfe zerstören; er treibt sie wie eine Schafherde hin und
her, und keiner weiß, wohin sie marschieren.
30. Die Armeen sammeln und sie in eine gefährliche Situation bringen, das ist die Aufgabe der Gen­
eräle. 
31. Die Anpassung an verschiedene Arten von Gelände, die Vorteile von Zusammenziehen und Aus­
dehnen, die Muster der menschlichen Gefühle und Bedingungen ­ all dies muss untersucht wer­
den.
32. Im allgemeinen verhält es sich mit den Angreifern so, dass sie sich einen, wenn sie sich tief auf
feindlichem Gebiet befinden, aber dass sie nahe der Auflösung sind, wenn sie sich erst am Rande
desselben befinden. 
1. Wenn du im Zuge einer militärischen Operation dein Land verlässt und die Grenze überschre­
itest, handelt es sich um isoliertes Gelände. 
2. Wenn es von allen Seiten zugänglich ist, ist es verbindendes Gelände. Wenn du weit vorge­
drungen bist, ist es schweres Gelände. 
3. Wenn du nicht weit vorgedrungen bist, handelt es sich um leichtes Gelände. 
4. Wenn du eine uneinnehmbare Festung  im Rücken hast und vor dir Engstellen liegen,  dann
handelt es sich um eingekreistes Gelände. Wenn es keinen Ausweg gibt, dann ist es tödliches
Gelände.
33. Deshalb wurde ich auf einem Gelände der Auflösung den Willen der Truppen einen. 
1. Auf leichtem Gelände würde ich sie untereinander in Verbindung stehen lassen. 
2. Auf umkämpftem Gelände würde ich sie schnell nachrücken lassen. 
3. Auf sich überschneidendem Gelände würde ich sorgfältig mit der Verteidigung umgehen. Auf
verbindendem Gelände würde ich die Bündnisse festigen. 
4. Auf schwerem Gelände würde ich für ständigen Nachschub sorgen. 
5. Auf unwegsamem Gelände würde ich zum Vormarsch drängen. 
6. Auf eingekreistem Gelände würde ich Lücken schließen. 
7. Auf tödlichem Gelände würde ich ihnen zu verstehen geben, dass es kein Überleben gibt.
 Neun Arten von Gelände

26. Im   Wesen   der   Soldaten   liegt   es.   Widerstand   zu  leisten,   wenn   sie   umzingelt   sind,   zukämpfen,
wenn es nicht vermieden werden kann, und zu gehorchen, wenn sie sich in Extremsituationen
befinden.
34. Daher können jene, die die Pläne ihres Widersachers nicht kennen, keine Bündnisse vorbereiten.
Jene, die die Beschaffenheit des Terrains nicht kennen, können keine Truppenbewegungen durch­
führen.  Jene, die  keine einheimischen  Führer  einsetzen,  können die Vorteile  des Terrains nicht
ausnützen. 
35. Das Militär eines erfolgreichen Herrschers muss um alle diese Dinge wissen.
36. Wenn die Armee  eines erfolgreichen  Herrschers  ein großes Land angreift, dann kann  sich  das
Volk   dort   nicht   zusammenschließen.   Wenn   seine   Macht   den   Gegner  überwältigt,  können   sich
keine Bündnisse bilden.
37. Wenn du also nirgends versuchst, um Bündnisse zu wetteifern, dann verstärke auch nirgends die
Macht,  sondern   dehne   nur   deinen   persönlichen  Einfluss   aus,  indem  du  den   Gegner   bedrohst.
Dann sind die Städte und das Land angreifbar.
38. Teile Belohnungen aus, die nicht vorgesehen sind, gib Befehle aus, die nicht im Reglement enthal­
ten sind.
39. Führe   das   gesamte   Heer,   als   würdest   du   eine   einzelne   Person   führen.   Beschäftige   sie   mit
konkreten   Aufgaben,   aber   sprich   mit   ihnen   nicht   darüber.   Motiviere   sie   durch   Vorteile,   aber
sprich mit ihnen nicht über die Nachteile.
40. Konfrontiere sie mit ihrer Vernichtung, und sie werden überleben; bring sie in eine tödliche Lage,
und sie werden leben. Wenn Menschen in Gefahr geraten, dann sind sie fähig, um den Sieg zu rin­
gen.
41. Daher besteht die Aufgabe bei einer militärischen Operation darin, vorzugeben, mit der Absicht
des Feindes übereinzustimmen. Wenn du dich gänzlich auf den Feind konzentrierst, kannst du
seine militärische Führung töten, auch wenn sie tausend LI entfernt ist. Dies bedeutet, die Auf­
gabe vortrefflich zu meistern.
42. An dem Tag also, an dem der Krieg erklärt wird, werden die Grenzen geschlossen, die Ausweis­
papiere zerrissen und Abgesandte nicht durchgelassen.
43. Alle Angelegenheiten werden in den Hauptquartieren aufs genaueste beraten.
44. Wenn der Gegner sich eine Blöße gibt, solltest du unverzüglich vorrücken. Nimm den Ort ein, der
dem Feind am wichtigsten ist, und komm ihm dabei heimlich zuvor. Halte die Disziplin aufrecht
und passe dich dem Feind an, damit du den Ausgang des Krieges bestimmen kannst. Anfangs
gleichst   du   einer   Jungfrau;   daher   öffnet   dir   der   Feind   sein   Tor;   dann   bist   du   flink   wie   ein
entsprungenes Kaninchen; daher kann der Feind dich nicht abwehren.

13  Angriff durch Feuer

1. Es gibt fünf Arten des Angriffs durch Feuer: Verbrennen von Menschen, Verbrennen von Nach­
schub, Verbrennen von Ausrüstung, Verbrennen von Lagerhäusern und Verbrennen von Waffen.
2. Für   den   Einsatz   von   Feuer   müssen   gewisse   Voraussetzungen   gegeben   sein,   und   er   erfordert
gewisse Werkzeuge. Es gibt einen angemessenen Zeitpunkt, um Feuer zu legen, nämlich wenn
das Wetter trocken und windig ist.
3. Im   allgemeinen   ist   es   beim   Angriff   durch   Feuer   unumgänglich,   auf   die   Veränderungen   zu
reagieren, die durch das Feuer verursacht werden. Wenn das Feuer innerhalb eines feindlichen
 Angriff durch Feuer

Lagers gelegt wird, dann reagiere schnell von draußen. Verhalten sich die Soldaten ruhig, wenn
das Feuer ausbricht, warte ab ­ greif nicht an, Wenn das Feuer den Höhepunkt seines Wütens erre­
icht, greif an, wenn möglich, sonst halte inne.
4. Wenn das Feuer im Freien gelegt werden kann, warte nicht, bis es im Inneren eines Lagers gelegt
werden kann. Lege es, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist.
5. Wenn das Feuer windwärts gelegt wird, greife nicht gegen den Wind an.
6. Wenn es während des Tages windig ist, wird der Wind sich in der Nacht legen.
Armeen müssen es verstehen, diese fünf Arten des Angriffs durch Feuer flexibel einzusetzen und
sich mit wissenschaftlicher Genauigkeit daran zu halten.
7. Daher bedeutet der Einsatz  von Feuer,  der einen Angriff unterstützt, Klarheit; der Einsatz von
Wasser,  der  einen Angriff  unterstützt,  bedeutet  Stärke.  Wasser  kann  den  Gegner  abschneiden,
aber nicht seine Ausrüstung vernichten.
8. Wer einen Kampf gewinnt oder eine Belagerung erfolgreich durchfuhrt, ohne die Verdienstvollen
zu belohnen, verhält sich unglücklich und wird knausrig genannt. Deshalb heißt es, dass eine er­
leuchtete Regierung dies in Betracht zieht und eine gute militärische Führung Verdienste belohnt.
Sie machen nicht mobil, wenn sich daraus kein Vorteil ergibt, sie handeln nicht, wenn es nichts zu
gewinnen gibt, sie kämpfen nicht, wenn keine Gefahr droht.
9. Eine Regierung sollte die Armee nicht aus Zorn mobilmachen; militärische Führer sollten einen
Krieg nicht aus Wut provozieren. Zorn kann sich in Freude kehren, Wut kann sich in Entzücken
wandeln,  aber  eine  zerstörte  Nation   kann   nicht   wiederhergestellt   und die  Toten   können   nicht
wieder zum Leben erweckt werden. Daher geht eine erleuchtete Regierung sorgfältig damit um,
und eine gute militärische Führung nimmt sich davor in acht. Dies ist der Weg, einer Nation den
Frieden zu erhalten und die Unversehrtheit der bewaffneten Kräfte zu bewahren.

14  Über den Einsatz von Spionen

1. Eine größere militärische Operation ist eine schwere Belastung für die Nation und kann sich im
Kampf um den Sieg, der an einem einzigen Tag errungen wird, über Jahre hinziehen. 
2. Wenn man also die Bedingungen beim Gegner nicht kennt, weil man die Ausgaben für die Entloh­
nung  von  Spionen  scheut, ist dies  der  Gipfel  der Unmenschlichkeit  und  zeichnet  weder  einen
wahren  militärischen  Führer  noch  eine  Stütze  der  Regierung  oder  einen  siegreichen  Herrscher
aus. 
3. Was also eine kluge Regierung und eine weise militärische Führung dazu befähigt, andere zu be­
siegen und außerordentliche Leistungen zu erbringen, ist ihr Vorherwissen.
4. Vorherwissen kann nicht Geistern und Dämonen entlockt werden; es kann nicht durch Analogien
abgeleitet werden; es kann nicht durch Berechnungen ermittelt werden. Es muss von Menschen
erworben werden, von Menschen, die die Bedingungen beim Gegner kennen.
5. Es gibt fünf Arten von Spionen: der ortsansässige Spion, der innere Spion, der Gegenspion, der
tote Spion und der lebendige Spion. Wenn alle diese  fünf Arten  von Spionen in Aktion treten,
weiß niemand um ihre Wege ­ dies nennt man organisatorisches Genie, Es ist das kostbarste Gut
eines Herrschers. 
1. Ortsansässige Spione werden unter der Bevölkerung eines Ortes angeworben. 
2. Innere Spione werden unter den feindlichen Offizieren rekrutiert. 
3. Gegenspione werden unter den feindlichen Spionen angeworben. 
 Über den Einsatz von Spionen

4. Tote Spione lassen den gegnerischen Spionen falsche Nachrichten zukommen. 
5. Lebendige Spione kehren zurück, um Bericht zu erstatten.

5. Daher wird niemand in den Streitkräften so vertraglich behandelt wie Spione, niemand wird re­
icher belohnt als Spione, und nichts ist geheimer als die Arbeit der Spione.
6. Man  kann  Spione  nicht ohne  Scharfsinn  und  Weisheit  einsetzen;  man  kann Spione  nicht  ohne
Menschlichkeit und Gerechtigkeit führen; man kann die Wahrheit von Spionen nicht ohne Subtil­
ität erfahren. Es ist tatsächlich eine sehr heikle Angelegenheit. Spione sind überall von Nutzen.
7. Wenn etwas, das eigentlich Gegenstand von Spionagetätigkeit ist, bekannt wird, noch bevor der
Spion davon berichtet hat, müssen sowohl der Spion als auch derjenige, der darüber gesprochen
hat, sterben.
8. Wann immer du einen Gegner angreifen, eine Stadt belagern oder einen Menschen töten willst,
musst du zuerst die Identität ihrer verantwortlichen Generäle, ihrer Vertrauensleute, ihrer Besuch­
er, ihrer Torhüter und ihrer Kammermeister kennen. Lass es deine Spione herausfinden.
9. Du   musst   die   feindlichen   Spione   ausfindig   machen,   die   dich   überwacht   haben,   du   musst   sie
bestechen und sie dazu bewegen, bei dir zu bleiben. So kannst du sie als Gegenspione einsetzen. 
10. Durch Nachrichten, die du so erhalten hast, kannst du ortsansässige Spione und innere Spione an­
werben. 
11. Durch Nachrichten, die du so erhalten hast, kannst du die falschen Informationen, die du dem
toten Spion gibst, dem Feind zukommen lassen. 
12. Durch Nachrichten, die du so erhalten hast, kannst du den lebendigen Spion seine Arbeit wie ge­
plant verrichten lassen.
13. Es ist wesentlich für einen Führer, um diese fünf Arten der Spionage zu wissen, und dieses Wis­
sen hängt von den Gegenspionen ab, daher müssen Gegenspione gut behandelt werden.
14. Daher kann sich nur ein hervorragender Herrscher oder ein weiser General, der die Intelligen­
testen als Spione einsetzt, eines großen Erfolges sicher sein. 
15. Dies ist wesentlich für militärische Operationen, und darauf verlässt sich die Armee bei all ihren
Bewegungen.

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