Literatur – 605
586 Kapitel 19 · Stoffwechsel der Purine und Pyrimidine
Purine und Pyrimidine haben als Bausteine von Coenzymen wichtige Aufgaben, darüber hinaus dienen sie in Form ihrer zuge-
hörigen Nucleinsäuren der Informationsspeicherung und -weitergabe in biologischen Systemen. Für die Biosynthese der Purin-
und Pyrimidinbasen werden einfache Bausteine als Substrate verwendet, wobei häufig als Zwischenprodukte die reaktions-
freudigeren Nucleotide benutzt werden.
Die Kenntnis der Biosynthesewege hat nicht nur zu einem tieferen Verständnis der Regulation der beteiligten Vorgänge
geführt, sondern lieferte auch die Ansatzpunkte zur erfolgreichen Entwicklung von Arzneimitteln, die durch Beeinträchtigung
der Purin- bzw. Pyrimidinbiosynthese als Cytostatica verwendet werden. Darüber hinaus hat sich die Möglichkeit zur Entwick-
lung von Arzneimitteln eröffnet, die zur Behandlung der Gicht als einer der klassischen, seit Jahrtausenden bekannten und
gefürchteten Erkrankungen des Menschen eingesetzt werden können.
19.1 Biosynthese von Purin- dem E- und J-Phosphat des ATP bestehende Pyrophosphat-
und Pyrimidinnucleotiden gruppe in D-Stellung auf das C1-Atom des Ribose-5-phos-
phats übertragen wird. Die für diese Reaktion verantwort-
19.1.1 Biosynthese von Purinnucleotiden liche PRPP-Synthetase ist nicht ausschließlich für die Biosyn-
these von Purinnucleotiden spezifisch, sondern wird auch
! Das Puringerüst wird aus Glutamin, Aspartat, Glycin bei der Biosynthese von Pyrimidinnucleotiden benötigt.
sowie Formiat und HCO3– aufgebaut.
Biosynthese von Inosinmonophosphat. Durch schrittweise
Schon in den fünfziger Jahren konnte experimentell durch Anlagerung der einzelnen C- und N-Atome an das PRPP
Einsatz isotopenmarkierter Verbindungen die Herkunft der wird nun der Purinring aufgebaut. In insgesamt 10 Reaktions-
einzelnen, am Aufbau des Puringerüstes beteiligten C- und schritten entsteht Inosinmonophosphat (IMP) (. Abb. 19.3):
N-Atome nachgewiesen werden (. Abb. 19.1). 4 Anlagerung des N-Atoms 9 des Puringerüsts. Der
Stickstoff entstammt dem Amid-Stickstoff des Gluta-
! Purine werden als Ribonucleotide synthetisiert.
mins und wird unter Abspaltung der Pyrophosphat-
Der Mechanismus dieser Biosynthese wurde erst verständ- gruppe und gleichzeitiger Inversion am C-Atom 1 der
lich, als gezeigt werden konnte, dass entgegen den Erwar- Ribose angelagert, sodass 5-Phosphoribosyl-1β-Amin
tungen nicht zuerst das Puringerüst synthetisiert und da- (PRA) entsteht (Schritt (1))
nach die N-glycosidische Bindung mit Ribose geknüpft 4 Anlagerung der Atome 4, 5 und 7 des Puringerüsts. An
wird. Die Biosynthese erfolgt vielmehr von der ersten Reak- PRA wird in einer ATP-abhängigen Reaktion Glycin
tion an in Form eines zunächst offenen, später ringförmigen unter Bildung einer Säureamidbindung zwischen seiner
Ribonucleotids. Dazu ist zunächst die Biosynthese eines Carboxylgruppe und der Aminogruppe des 5-Phos-
reaktionsfreudigen Derivats des Ribose-5-phosphats not- phoribosylamins angelagert, wobei Glycinamidribo-
wendig. nucleotid (GAR) entsteht (Schritt (2))
19
. Abb. 19.1. Herkunft der Kohlenstoff- und Stickstoffatome
im Puringerüst. THF = Tetrahydrofolat . Abb. 19.2. Pyrophosphorylierung von D-Ribose-5-Phosphat
19.1 · Biosynthese von Purin- und Pyrimidinnucleotiden
587 19
Lediglich der erste Schritt der Biosynthesekette, die Glu- Gesamtverbrauch für die 5 ATP 6 180
Biosynthese von IMP
tamin-PRPP-Amidotransferase, und die Adenylosuc-
cinat-Synthetase stellen monofunktionelle Proteine dar. Gesamtverbrauch für die 5 ATP + 7 210
Biosynthese von AMP 1 GTP
Die Adenylosuccinatlyase katalysiert jedoch außer der
Reaktion 8 der IMP-Biosynthese die Umwandlung von Gesamtverbrauch für die 6 ATP 8 240
Biosynthese von GMP
Adenylosuccinat zu AMP, ist also für zwei Reaktionen ver-
antwortlich.
Die Enzyme der Purinbiosynthese sind damit ein wei- hältnissen zueinander. Sie bieten zudem instabilen Subs-
teres eindrucksvolles Beispiel für die in höheren Eukaryo- traten/Zwischenprodukten einen Schutz vor Zerfall oder
ten zu findende Tendenz, die Enzyme für längere Biosyn- Abbau.
thesen als multifunktionelle Proteine zusammenzufassen
! Sechs bzw. sieben ATP werden für die Biosynthese von
und damit unter die Kontrolle nur eines oder weniger
AMP bzw. GMP benötigt.
Promotoren zu bringen (7 Kap. 12.2.3, 19.1.2). Außerdem
ermöglichen multifunktionelle Enzyme die allosterische In . Tabelle 19.2 ist der für die Purinbiosynthese benötigte
Regulation der einzelnen Domänen und halten die betei- Energieverbrauch zusammengestellt. Für die de novo-Bio-
ligten Aktivitäten in genau gleichen stöchiometrischen Ver- synthese von IMP werden insgesamt 5 mol ATP benötigt,
590 Kapitel 19 · Stoffwechsel der Purine und Pyrimidine
. Abb. 19.7. Mechanismus der Ribonucleotidreduktase. Die wird das Desoxyribonucleosiddiphosphat abgegeben, allerdings
Ribonucleotidreduktase besteht aus zwei Untereinheiten R1 und R2. liegen die beiden Cysteinylreste als Disulfid vor. Sie werden mit Hilfe
R1 besitzt zwei für die Reaktion essentielle Cysteinylreste, R2 ein des Hilfsproteins Thioredoxin reduziert. Für die Reduktion des dabei
stabiles Tyrosylradikal. Dieses stabilisiert die in der Abbildung darge- entstehenden Thioredoxindisulfids wird NADPH/H+ und FAD benötigt.
stellten Zwischenstufen der Reaktion. Am Ende der Reaktionssequenz (Weitere Einzelheiten 7 Text)
Herkunft des für die Ribonucleotid-Reduktase benötigten 19.1.1) in die Desoxyribonucleosidtriphosphate umge-
Wasserstoffes. Der für die Reduktion der Ribose zur Des- wandelt:
oxyribose benötigte Wasserstoff entstammt zwar dem
NADPH/H+, jedoch wird dieses nicht direkt für die Re-
duktionsreaktion benutzt (. Abb. 19.7):
4 NADPH/H+ dient primär dazu, FAD zu FADH2 zu ! Thyminnucleotide entstehen durch Methylierung von
reduzieren Desoxyuridinmonophosphat.
4 Dieses überführt anschließend eine Disulfidbrücke in
einem als Thioredoxin bezeichneten Protein in zwei Bezeichnend für den Unterschied zwischen DNA und RNA
SH-Gruppen (ein Dithiol) ist nicht nur, dass die erstere 2c-Desoxyribose enthält,
4 Reduziertes Thioredoxin dient dazu, eine Disulfid- sondern auch die Base Thymin (5-Methyluracil) anstelle
brücke der Ribonucleotid-Reduktase in zwei SH- des in der RNA vorkommenden Uracils (7 Kap. 5.1.1).
Gruppen umzuwandeln, die dann für die eigentliche Das für die Biosynthese der Thyminnucleotide verant-
Reduktionsreaktion verwendet werden wortliche Enzym ist die Thymidylatsynthase, die folgende
Reaktion katalysiert:
19 Die durch die Ribonucleotid-Reduktase gebildeten Des-
oxyribonucleosiddiphosphate werden mit Hilfe von ATP
durch entsprechende Nucleosiddiphosphat-Kinasen (7 Kap.
19.1 · Biosynthese von Purin- und Pyrimidinnucleotiden
593 19
. Abb. 19.8. Mechanismus der Thymidylatsynthase. Bei der führt zur Oxidation der Tetrahydrofolsäure zu Dihydrofolsäure (DHF),
Umwandlung des Methylenrestes des N5, N10-Methylentetrahydro- welche deswegen durch die Dihydrofolatreduktase zu Tetrahydrofolat
folats (N5, N10-THF) in die Methylgruppe des Thymidylats werden (THF) regeneriert werden muss. (Einzelheiten 7 Text)
Reduktionsäquivalente aus der Tetrahydrofolsäure benötigt. Dies
. Abb. 19.8 zeigt die bei der Thymidylatsynthese ablaufen- 19.1.4 Regulation der Biosynthese von
den Teilreaktionen: Purin- und Pyrimidinnucleotiden
4 Der Donor der Methylgruppe ist das N5, N10-Methylen-
Tetrahydrofolat (N5, N10-THF). Da dieses jedoch eine ! Die Purinbiosynthese wird allosterisch reguliert.
höhere Oxidationsstufe aufweist als eine Methylgruppe,
liefert das reduzierte Pteridingerüst des N5, N10-Me- Regulation der IMP-Biosynthese. Das geschwindigkeits-
thylen-Tetrahydrofolats auch noch Wasserstoff und bestimmende Enzym der IMP-Biosynthese ist die PRPP-
Elektronen, sodass es nach der Desoxythymidinsyn- Amidotransferase (7 Kap. 19.1.1), welche die Glutamin-
these als Dihydrofolat (DHF) vorliegt abhängige Bildung von 5-Phosphoribosylamin katalysiert.
4 Durch die als Hilfsenzym wirkende Dihydrofolat- Das Enzym unterliegt der Regulation durch allosterische
Reduktase wird DHF mit Hilfe von NADPH/H+ in Aktivatoren und Inhibitoren (. Abb. 19.9):
Tetrahydrofolat (THF) umgewandelt 4 PRPP, der Akzeptor der vom Glutamin abgespaltenen
4 THF kann unter Katalyse der Serin-Hydroxymethyl- Amidgruppe, erniedrigt die KM des Enzyms für Gluta-
Transferase einen –CH2OH-Rest des Serins aufnehmen min und führt so zu einer beträchtlichen Aktivierung
und liegt nach Wasserabspaltung wieder als N5, N10- 4 Alle Purinnucleotide als Endprodukte der Biosynthese-
Methylen-Tetrahydrofolat vor (7 Kap. 23.3.8) kette sind allosterische Inhibitoren
Damit ist die Geschwindigkeit der Thyminnucleotid- Dieser komplexe Mechanismus gewährleistet eine sehr
Biosynthese eng mit dem Stoffwechsel der Folsäure (7 Kap. genaue Anpassung der de novo-Biosynthese von Purinen
23.3.8) verknüpft. Bei jeder Verminderung des Folsäure- an die Bedürfnisse des Organismus, ist aber auch zugleich
angebotes bzw. der zur Verfügung stehenden Folsäure muss die pathobiochemische Grundlage einiger schwerer Stö-
es zu einer Störung der Thyminnucleotid-Biosynthese und rungen des Purinstoffwechsels (7 Kap. 19.4.1).
damit v.a. der DNA-Replikation kommen.
594 Kapitel 19 · Stoffwechsel der Purine und Pyrimidine
. Abb. 19.12. Hemmstoffe der Pyrimidin- und Purinbiosynthese. e Ribavirin; f Mycophenolsäure; g 5c-Fluoro-Uracil; h Aminopterin,
a 3-Deazauridin; b Cyclopentenylcytosin; c Leflunomid; d Atovaquone; Amethopterin; i Hydroxyharnstoff
596 Kapitel 19 · Stoffwechsel der Purine und Pyrimidine
In Kürze
Bei Eukaryoten liegen die für die Purin- und Pyrimidinbio- 4 dUMP wird mit N5, N10-Methylen-THF zu dTMP methy-
synthese benötigten Enzymaktivitäten überwiegend als liert
Domänen multifunktioneller Proteine vor.
Die Purinbiosynthese startet mit Ribose-5-Phosphat und Die NADPH-abhängige Reduktion von Ribonucleotiden
umfasst folgende Schritte: zu Desoxyribonucleotiden wird durch die Ribonucleotid-
4 Bildung von 5-Phosphoribosyl-1-D-Pyrophosphat Reduktase katalysiert.
(PRPP) Die Purin- und Pyrimidinnucleotid-Biosynthese wird
4 Biosynthese von IMP durch schrittweise Anheftung durch allosterische Mechanismen reguliert:
der C- bzw. N-Atome des Puringerüsts an PRPP 4 Das Schlüsselenzym für die Purinbiosynthese ist die
4 Biosynthese von AMP bzw. GMP aus IMP Glutamin-PRPP-Amidotransferase. Sie wird durch
PRPP aktiviert sowie durch Adenin bzw. Guanin-
Die Biosynthese von Pyrimidinnucleotiden läuft in ver- nucleotide inhibiert
schiedenen Zellkompartimenten ab. Sie ist im Vergleich 4 Die Carbamylphosphat-Synthetase II ist das Schlüssel-
zu derjenigen von Purinnucleotiden einfacher, Energie enzym der Pyrimidinbiosynthese. UTP ist ein allosteri-
sparender, jedoch sauerstoffabhängig. scher Inhibitor, PRPP ein allosterischer Aktivator
4 Aus Carbamylphosphat und Aspartat entsteht Carba-
mylaspartat, aus dem unter Wasserabspaltung und Eine große Zahl von Inhibitoren für spezifische Reak-
Oxidation Orotat gebildet wird tionen der Purin- bzw. Pyrimidinbiosynthese wird zur
4 Orotat reagiert mit PRPP zum OMP, aus dem durch Therapie von Tumoren, Viruserkrankungen und zur Im-
Decarboxylierung UMP entsteht munsuppression verwendet.
19 4 UTP übernimmt den Amid-N des Glutamins, wobei
CTP entsteht
19.2 · Wiederverwertung von Purinen und Pyrimidinen
597 19
19.2 Wiederverwertung von Purinen
und Pyrimidinen
. Abb. 19.15. Nucleosidtransporter der Plasmamembran. Beim Stoffwechsel von Purin- und Pyrimidinnucleosiden
a Äquilibrierender Nucleosidtransporter; b konzentrierender Nucleo- sowie bei den Reaktionen des Wiederverwertungszyklus
sidtransporter. Nuc = Nucleosid. (Einzelheiten 7 Text) für Purine und Pyrimidine spielen Nucleoside eine wichtige
Rolle. Außerdem sind einige Nucleoside, v.a. das Adenosin,
als Signalmoleküle von erheblicher Bedeutung. Für ihren
! Pyrimidine können nur als Nucleoside wiederverwertet
Import in bzw. den Export aus Zellen sind entsprechende
werden.
Transportsysteme in den Plasmamembranen von großer
Pyrimidinnucleotide kommen in den Nucleinsäuren in Bedeutung. Diese kommen in zwei Formen vor:
etwa den gleichen Mengen vor wie Purinnucleotide. Ihre 4 Transport durch erleichterte Diffusion entlang eines
tägliche Biosyntheserate liegt beim Menschen mit etwa Konzentrationsgradienten (. Abb. 19.15a). Derartige
400–700 mg in der gleichen Größenordnung wie die der Transporter finden sich in allen Zellen
Purinnucleotide. Beim Abbau von Nucleinsäuren aus der 4 Transport durch sekundär aktiven, natriumabhän-
Nahrung werden im Darm Pyrimidinnucleoside gebildet gigen Transport gegen einen Konzentrationsgradien-
und resorbiert (7 Kap. 5.1.1). Für die Nucleoside gibt es ef- ten (. Abb. 19.15b). Transporter dieses Typs sind vor
fektive Wiederverwertungssysteme. Uridin, Cytidin, Des- allen Dingen im Intestinaltrakt, renalen Epithelien und
oxycytidin und Thymidin werden mit ATP durch Kinasen der Leber vorhanden
zu den entsprechenden Mononucleotiden umgesetzt und
dem Zellstoffwechsel verfügbar gemacht. Nucleosidtransporter spielen eine erhebliche Rolle bei der
Verwendung der für die Therapie von Tumorerkrankungen
! Die Wiederverwertung von Purinen und Pyrimidinen ist eingesetzten Nucleosidanaloga (7 Kap. 19.1.5). Eine weitere
für manche Gewebe von besonderer Bedeutung. Voraussetzung für ihre Wirksamkeit ist die anschließende
Umsetzung durch die Wiederverwertungs-Enzyme, die
Im Prinzip sind alle kernhaltigen Zellen zur de novo-Bio- nicht alle streng spezifisch für ihre physiologischen Sub-
synthese von Purin- und Pyrimidinnucleotiden imstande, strate sind.
In Kürze
Purine und Pyrimidine, die beim Nucleotidabbau ent- 4 Pyrimidine können nur als Nucleoside wieder verwer-
stehen bzw. bei der intestinalen Resorption aufgenom- tet werden. Die hieran beteiligten Enzyme sind die
men werden, können wieder verwertet werden: Uridin-Cytidinkinase, Desoxycytidinkinase und die
4 Für die Wiederverwertung von Purinbasen sind die Thymidinkinase
Adenin-Phosphoribosyltransferase sowie die Hypo- 4 Für die Wiederverwertung spielt die Familie der Nu-
xanthin-Guanin-Phosphoribosyltransferase verant- cleosidtransporter eine große Rolle, die in verschiede-
wortlich nen Isoformen vorkommen
19
19.3 · Abbau von Nucleotiden
599 19
19.3 Abbau von Nucleotiden aus Inosin, Xanthin aus Xanthosin und Guanin aus
Guanosin gebildet, außerdem entsteht Ribose-1-phos-
19.3.1 Abbau von Purinnucleotiden phat
4 Unter Abspaltung von NH3 wird Guanin durch die
! Purinnucleotide werden zu freien Basen abgebaut und Guanase (4) in Xanthin überführt
anschließend unter Bildung von Harnsäure oxidiert. 4 Die Xanthin-Oxidoreduktase (5) wandelt Hypoxan-
thin in Xanthin und dieses in Harnsäure um. Das kom-
Der Abbau der Purinnucleotide läuft nach einer anderen plex aufgebaute Enzym liegt als Homodimer vor. Jede
Reaktionssequenz als ihre Biosynthese ab (. Abb. 19.16, Untereinheit enthält als Cofaktor Molybdän in Form
(1)–(5)): von Molybtopterin, Schwefel-Eisenzentren sowie FAD.
4 Durch entsprechende 5c-Nucleotidasen (1) werden die Es kommt in zwei Formen vor:
Purinmononucleotide in die entsprechenden Nucleo- Unter physiologischen Bedingungen liegt das En-
side überführt zym als Xanthindehydrogenase vor. Es katalysiert die
4 Adenosin wird durch die Adenosin-Desaminase (2) in Reaktionen
Inosin überführt
4 Die Purinnucleoside Inosin, Xanthosin und Guanosin
werden mit anorganischem Phosphat unter Katalyse
entsprechender Nucleosid-Phosphorylasen (3) ge-
spalten. Dadurch werden die Purinbasen Hypoxanthin
. Abb. 19.16. Reaktionen des Purinabbaus. 1 5c-Nucleotidase; 2 Adenosin-Desaminase; 3 Nucleosid-Phosphorylase; 4 Guanase; 5 Xanthin-
dehydrogenase. (Einzelheiten 7 Text)
600 Kapitel 19 · Stoffwechsel der Purine und Pyrimidine
Harnsäure kann von Primaten und damit auch dem Men- biosynthese (7 o.) entspricht somit ziemlich genau der
schen, außerdem von Vögeln und einigen Reptilien nicht täglichen Harnsäureausscheidung. Bis zu 1/3 kann über den
weiter metabolisiert werden und ist deswegen das Endpro- Gastrointestinaltrakt ausgeschieden werden.
dukt des Purinabbaus. Andere Lebewesen können Harn-
! Beim Menschen wird die renale Harnsäureausschei-
säure zu besser wasserlöslichen Produkten abbauen. Die
dung durch das Verhältnis von glomerulärer Filtration
meisten Säuger exprimieren das Enzym Uricase, welches
und tubulärer Reabsorption bestimmt.
die Harnsäure zu dem wesentlich besser löslichen Allantoin
spaltet, Fische sind in der Lage, Allantoin nach Ring- Die von der Leber an das Blut abgegebene Harnsäure wird
spaltung zu Allantoinsäure in Harnstoff und Glyoxyl- zunächst glomerulär filtriert. Anschließend erfolgt jedoch
säure umzuwandeln und marine Invertebraten spalten eine tubuläre Reabsorption der Harnsäure, sodass schließ-
schließlich Harnstoff mit Hilfe der Urease zu Ammoniak lich weniger als 10% der filtrierten Menge ausgeschieden
und CO2. werden.
Im Gegensatz zur Oxidation von Kohlenhydraten, Für die Reabsorption der Harnsäure ist ein spezifisches
Fetten oder Aminosäuren kann der Purinabbau von der Anionen-Austauschprotein verantwortlich, das URAT-
Zelle nicht zur Energiegewinnung herangezogen werden, Protein (. Abb. 19.17). Dieses reabsorbiert luminale Harn-
da weder eine Substratkettenphosphorylierung noch die säure im Austausch gegen eine Reihe verschiedener orga-
Gewinnung von Reduktionsäquivalenten zur Energiege- nischer Anionen, z.B. Lactat, Butyrat, oder Acetacetat. Die
winnung in der Atmungskette möglich sind. letzteren werden durch sekundär aktiven, Na+-abhängigen
Transport wieder in die Tubulusepithelien aufgenommen.
! Die Nieren sind das Hauptorgan der Harnsäureaus-
Es ist noch nicht bekannt, auf welchem Weg Harnsäure auf
scheidung.
der basolateralen Seite die Tubulusepithelien verlässt. Die
In zwei Organen wird die Hauptmenge der im Organismus bei manchen Säugern nachgewiesene tubuläre Sekretion
entstehenden Harnsäure gebildet: von Harnsäure spielt beim Menschen wenn überhaupt
4 In der Leber wird der größte Teil der im Stoffwechsel dann nur eine sehr geringe Rolle. Infolge des Fehlens von
entstehenden und abzubauenden Purine in Harnsäure Uricase und der damit einhergehenden hohen Serum-
umgewandelt und harnsäurespiegel bestünde sonst die Gefahr, dass Harn-
4 im Darm werden die in der Nahrung enthaltenen säure im Tubuluslumen während der Urinkonzentrierung
Purine in Harnsäure umgewandelt, die dann über den ausfällt.
Blutweg zur Leber gelangt Das URAT1-Protein ist mit 12 Transmembranhelices in
der apicalen Membran der Tubulusepithelien verankert.
Die Gesamtmenge der durch intrazellulären Purinabbau Auf der cytosolischen Seite sind Sequenzmotive vorhan-
entstandenen und an die Körperflüssigkeit abgegebenen den, die die Phosphorylierung durch die Proteinkinasen A
Harnsäure beträgt beim Menschen etwa 4–6 mmol/Tag und C und damit eine spezifische Regulation des Transpor-
19 entsprechend etwa 0,65–1 g/Tag. Von dieser Menge wird ters ermöglichen.
der größte Teil (gut 2/3) mit dem Urin ausgeschieden (a0,4–
0,7 g/24 Std.). Die kalkulierte Geschwindigkeit der Purin-
19.3 · Abbau von Nucleotiden
601 19
19.3.2 Abbau von Pyrimidinnucleotiden
In Kürze
Der Abbau von Purinnucleotiden führt über eine Reihe
von Reaktionen zur Harnsäure, die bei Primaten, Vögeln
und einigen Reptilien das Endprodukt des Purinab-
baus ist:
4 Durch Nucleotidasen werden Nucleotide in die
entsprechenden Nucleoside überführt. Aus diesen
entstehen durch die Nucleosid-Phosphorylasen die
Basen Hypoxanthin, Xanthin und Guanin
4 Die Xanthinoxidoreduktase wandelt diese in einer
NAD+- abhängigen Reaktion in Harnsäure um
19.4.2 Pyrimidinstoffwechsel
grunde liegt wahrscheinlich eine Störung der Transaminie- einer Myopathie der Augen- und Skelettmuskeln äußert.
rung von E-Aminoisobutyrat zu Methylmalonsäuresemial- Eine defekte mitochondrienspezifische Thymidinkinase 2,
dehyd. 5–10% der weißen Bevölkerung sowie bis zu 50% die sowohl Thymidin, als auch Desoxycytidin und Des-
der Asiaten sind Träger dieses Merkmals, das jedoch kei- oxyuridin phosphoryliert und somit die DNA-Synthese in
nerlei pathologische Bedeutung hat. Mitochondrien ermöglicht, verursacht ebenfalls schwere
Andere eher seltene Störungen im Abbauweg, wie der Myopathien.
Mangel an Dihydropyrimidinase oder Ureidopropionase Ähnlich wie bei der Pathobiochemie des Purinstoff-
sind mit schweren körperlichen und geistigen Entwick- wechsels gibt es auch sekundäre Störungen des Pyrimidin-
lungsstörungen der betroffenen Kinder verbunden. Der stoffwechsels. So kommt es bei gesteigertem Nucleinsäure-
ursächliche Zusammenhang ist nicht geklärt. umsatz zu einer Steigerung der Orotsäureausscheidung.
Auch bei asymptomatischen Trägern eines Dihydro- Eine Orotacidurie ist bei Kindern mit Ornithintranscar-
pyrimidin-Dehydrogenase- oder Dihydropyrimidinase- bamylase-Mangel (7 Kap. 13.5.3) beobachtet worden. Offen-
mangels kommt es bei Behandlung mit 5-Fluorouracil, bar kann unter diesen Umständen auch das von der Car-
welches ebenfalls über diesen Weg abgebaut wird, zu uner- bamylphosphat-Synthetase I zum Zweck der Harnstoffbil-
wartet hohen Nebenwirkungen. dung bereitgestellte mitochondriale Carbamylphosphat
Erst in neuerer Zeit hat man Störungen im mitochond- für die cytosolische Pyrimidinbiosynthese verwendet wer-
rialen Desoxyribonucleotid-Stoffwechsel diagnostiziert. den. Schließlich führt eine Reihe von Pharmaka zur Orot-
Infolge von Mutationen im Thymidinphophorylase-Gen acidurie. Es handelt sich v.a. um die oben besprochenen
kommt es zu verheerenden Störungen der Mitochondrien- Antimetaboliten 6-Azauridin und Allopurinol. So kommt
funktion (mitochondrial neurogastrointestinal encephalo- es aufgrund der Bildung von Oxopurinol-Ribose-Phosphat
myopathy), die sich in Muskelatrophie, Malabsorption, und aus Allopurinol zu Störungen der UMP-Synthase Aktivität.
In Kürze
Störungen im Purin- bzw. Pyrimidinstoffwechsel kommen 4 Sekundäre Hyperurikämien führen zu einer Harn-
als primäre, genetisch verursachte bzw. erworbene Er- säureüberproduktion bzw. verminderten Ausschei-
krankungen vor: dung auf Grund von Störungen, die nicht im Bereich
4 Die primäre Hyperurikämie ist die Folge einer vermin- des Purinstoffwechsels liegen
derten Ausscheidung oder Überproduktion von Harn-
säure infolge genetischer Erkrankungen. 20–25% Die wichtigste genetische Erkrankung des Pyrimidinstoff-
werden durch eine Überproduktion von Harnsäure wechsels ist die hereditäre Orotacidurie.
ausgelöst und beruhen auf Defekten der Hypoxan- Abbaustörungen können die Entgiftung von Antime-
thin-Guanin-Phosphoribosyltransferase, der PRPP- tabolit-Pharmaka stark verändern. Das klinische Bild der
Synthetase sowie der Glutamin-PRPP-Amidotrans- Pyrimidin- und Purin-Stoffwechselstörungen ist sehr breit,
ferase. 75–80% der Fälle primärer Hyperurikämie heterogen und oft von neurologischen Erkrankungen be-
beruhen auf Störungen der renalen Ausscheidung gleitet. Die Diagnose ist deswegen erheblich erschwert.
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